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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

aus

den Arbeiten des Vereins

herausgegeben

von

Dr. G. C. Friedrich Lisch,

großherzoglich meklenburgischem Geheimen Archiv=Rath,
Conservator der Kunstdenkmäler des Landes,
Direktor der großherzoglichen Alterthümer= und Münzen=Sammlungen zu Schwerin,
Commandeur des königl. dänischen Dannebrog= und des königl. preußischen Kronen=Ordens, Ritter des Rothen=Adler, des Nordstern=, und des Oldenburg. Verdienst=Ordens 3. Cl., Inhaber der großherzogl. meklenb. goldenen Verdienst=Medaille und der königl. hannoverschen goldenen Ehren=Medaille für Wissenschaft und Kunst am Bande, der kaiserlich österreichischen und der großen kaiserlich russischen goldenen Verdienst=Medaille für Wissenschaft,
wirklichem Mitgliede der königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde zu Kopenhagen und der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm, correspondirendem Mitgliede der königlichenAkademie der Wissenschaften zu Göttingen, der kaiserl. archäologischen Gesellschaft zu St. Petersburg, der antiquar. Gesellschaft zu Abbeville und der Oberlausitz. Gesellschaft der Wissensch. zu Görlitz,
wirklichem Mitgliede der archäologischen Gesellschaft zu Moskau,
Ehrenmitgliede der anthropologischen Gesellschaft zu Berlin
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Dresden, Mainz, Hohenleuben, Meiningen, Würzburg, Königsberg, Lüneburg, Emden, Luxemburg, Christiania, Zürich und Greifswald,
correspondirendem Mitgliede
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Lübeck, Hamburg, Kiel, Stettin, Hannover, Leipzig, Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau, Cassel, Regensburg, Kopenhagen, Gratz, Reval, Riga, Leyden, Antwerpen, Stockholm und des hansischen Geschichtsvereins,
als
erstem Secretair des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.


Achtunddreißigster Jahrgang.


Mit 1 Steindrucktafel und 8 Holzschnitten.


Mit angehängten Quartalberichten.

Auf Kosten des Vereins.

Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung.

Schwerin, 1873.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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Inhaltsanzeige.


A. Jahrbücher für Geschichte.

Seite
I. Zur Geschichte der letzten Prälaten in Meklenburg, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch zu Schwerin 3
Nachträge S. 94 und 240
II. Das Land Drenow, von demselben 25
Nachtrag und 236
Mit 1 Holzschnitt
III. Das heilige Moor bei Sanitz, von demselben 48
IV. Kleine Funde in Meklenburg aus wendischer und vorwendischer Zeit, vom wail. Staatsminister Freiherrn von Hammerstein 53
Mit 1 Steindrucktafel
V. Magdalene von Stargard, Gemahlin des Grafen Burkhard von Barby, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch zu Schwerin 65
VI. Die Stadt Woldegk, von demselben 70
Mit einem Holzschnitt
VII. Urkunden über die Kriege der Erzbischöfe von Magdeburg in Beziehung auf Meklenburg, von dem Archiv=Rath v. Mülverstedt zu Magdeburg 84
VIII. Ueber die letzten Nachkommen des Fürsten Prisbislav von Parchim=Richenberg 92

 

B. Jahrbücher für Alterthumskunde.

I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne.
1) Vorchristliche Zeit.
a. Im Allgemeinen 97
Ueber Räucherwerk und Harzkitt 97
Schiff=Anker und Dorf Sasnitz auf Rügen 101
   Nachtrag 225
Fassung der Steinkeile 104
Bohrung der Streitäxte 105
Steinzeit in Griechenland 106
b. Steinzeit
Pfahlbauten von Wismar und Redentin, Fortsetzung 112
Moor=Knochen von Redentin, von dem Professor Dr. Virchow zu Berlin 126
Bastgeflecht von Wietow 131
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Seite
c. Bronzezeit.
Kegelgräber aus der Gegend von Sternberg und Dobbertin 137
Mit 1 Holzschnitt.
d. Eisenzeit.
Begräbnißplatz von Bartelsdorf 151
Mit 1 Holzschnitt.
Römische Gräber im Norden 154
II. Zur Baukunde.
1) Vorchristliche Zeit 161
Ringwälle und Burgwälle, vom Dr. Lisch 161
Der Reppin bei Müeß, von demselben 169
Burg und Vogtei Malchin, von demselben 174
2) Christliches Mittelalter, kirchliche Bauwerke 179
Die Kirche zu Benthen, von demselben 179
Die Kirche zu Brütz, von demselben 182
Die Kirche zu Bössow, vom Dr. Crull zu Wismar 185
Der Neustädter Altar, vom Dr. Lisch 192
Der Grabower Altar, von demselben 200
III. Zur Siegel= und Wappenkunde 209
Spuren der Thiersage auf mittelalterlichen Siegeln, von dem Archivar Dr. Wigger zu Schwerin 209
Mit 3 Holzschnitten.
Die Spitze im Schilde adeliger Familien, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch 218
Mit 1 Holzschnitt.
IV. Zur Naturkunde 225
Ringförmige Feuersteine, von demselben 225
Alte Rennthiergehörne in Meklenburg, von demselben 227
Ueber ein altes Schiff von Doberan, von demselben 230
Ueber einen alten Wohnplatz zu Schwerin, von demselben 233
V. Nachträge 233

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A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Zur Geschichte

der letzten Prälaten in Meklenburg.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D ie lutherische Reformation verbreitete sich in Meklenburg früh, namentlich in den Städten, bis sie endlich im ganzen Lande herrschend und ihre Lehre alleinige kirchliche Form ward. Die unmittelbare Folge dieser Bewegung war der gänzliche Untergang aller katholischen Stiftungen. Die Bettelmönchsklöster und andere kleine Klöster in den Städten gingen schon früh, ungefähr seit dem Jahre 1533, unter und die Mönche zerstreueten sich in alle Welt und verschwanden spurlos, so daß fast alle Nachrichten über den Untergang dieser Klöster fehlen. Die Bistümer (Ratzeburg und Schwerin) und die großen Johanniter=Comthureien (Mirow und Nemerow) wurden früh weltlich, wenn sie auch erst durch den westphälischen Frieden eingezogen wurden. Die Collegiatstifter (Güstrow, Bützow und Rostock) gingen aber schon früher in der allgemeinen Bewegung unter. Der Anfangspunkt der allgemeinen Aufhebung aber war das Jahr 1552, in welchem zuerst die großen, reichen Mönchsklöster fielen. Ihnen folgten dann die Nonnenklöster, namentlich seit dem Jahre 1555. Es blieben von diesen nur unangetastet die Nonnenklöster Dobbertin, Malchow und Ribnitz, welche den Landständen für ihre Jungfrauen überwiesen wurden und noch heute als weltliche Damenstifter bestehen, so wie das Cistercienser Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz in der Stadt Rostock als Damenstift bis heute fort=

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gedauert hat. Das Kloster Rühn ward fürstliches Damenstift bis nach dem westphälischen Frieden. Jedoch herrschte in fast allen diesen Frauenklöstern noch ziemlich lange eine aufgeregte katholische Richtung. Die übrigen großen Nonnenklöster: Neukloster, Zarrentin, Eldena, Rehna, Ivenack, Wanzka, wurden aber bald gänzlich aufgehoben.

Es ist in diesen Jahrbüchern früher schon viel in diesen Gegenstand Einschlagendes zur Untersuchung gezogen worden; es ist aber noch mehr zu thun übrig, was aber theils noch zu schwierig, theils viel zu umfassend sein würde, wenn es gründlich und vollständig dargestellt werden sollte.

Dennoch läßt sich schon manches zur Anschauung bringen, was von geschichtlicher Bedeutung ist, namentlich die letzte Lebenszuckung der großen Mönchs=Feldklöster. Diese Klöster hatten durch ihre hervorragende Stellung und ihren großen Reichthum ein bedeutendes Ansehen. Die Landesfürsten hatten ihre Begräbnisstätten in diesen Klöstern und hielten hier häufig ihre Ablager, ebenso die Mitglieder der Ritterschaft und des Städte=Patriciats, welche in dem engsten Verkehr mit diesen Stiftungen standen; ihre Kirchen und Klosterhäuser waren glänzend ausgestattet und ihr Einfluß auf das geringere Volk war von bedeutender Wirkung. Es ist auch nicht zu leugnen, daß sie sich in ältern Zeiten sehr große Verdienste um die Wohlfahrt des Volkes erwarben. Daher bildeten denn auch die Vorsteher der Bisthümer, Dom=Capitel, Collegiatstifter und großen Feldklöster einen eigenen landständischen Stand, den Stand der Prälaten, und saßen als solche und kraft ihres Ansehens und Schaffens oft im Rathe der Landesherren.

Bei der Aufhebung und Einziehung der großen Mönchs= Feldklöster, welche schon lange vor ihrem Ende innerlich mehr und mehr abstarben, verschwinden die Mönche fast spurlos. Es ist aber zur Erkenntniß der Reformation von äußerster Wichtigkeit, zu erfahren, was aus den letzten Vorstehern der großen Feldklöster oder mit andern Worten: was aus den letzten Prälaten geworden ist und wie sie behandelt sind. Und zu dieser Aufklärung mögen die folgenden Zeilen dienen, welche meist aus entfernt liegenden und schwer zu findenden, oft durch Zufall entdeckten Quellen geschöpft sind.


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1. Der letzte Abt des Klosters Doberan.

Das größte, reichste und angesehenste Kloster in Meklenburg, vielleicht in den Ostseeländern, war das Kloster zu Doberan, von dessen Herrlichkeit noch heute die unvergleichliche Kirche mit ihrem ganzen glänzenden alten Schmuck zeugt.

Der letzte Abt des Klosters war Nicolaus II. Peperkorn 1 ), 1549 - 1552, nach seiner Sprache von niederdeutscher Herkunft. Nicolaus bekleidete die Würde nicht lange; er wird in den Klosterurkunden, da die Quellen zuletzt sehr spärlich fließen, nur 27. März und 8. Septbr. 1549 und zuletzt bei der Säcularisirung der Abtei im März 1552 genannt: "Abt her Nicolaus Peperkorn". Sein Vorgänger war Laurentius II. Tamme, welcher 1541-1543 vorkommt; vgl. Jahrbücher IX, S. 434.

Das große, schöne Kloster gerieth schon seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts in Verfall. Aus den letzten hundert Jahren seines Bestehens ist gar keine Arbeit in der Kirche vorhanden. Mit dem zweiten Viertheil des 16. Jahrhunderts begann auch die lutherische Reformation zu wirken. Mancher der jüngern Mönche verließ wohl flüchtig das Kloster. Im Jahre 1541 war z. B. ein Mönch Tymmo Kruse weggelaufen, weil er bis dahin ein verkehrtes Leben hatte führen müssen ("commutavi opus evangelii in opus destructionis"). Wegen seiner abweichenden Ansichten verfolgte ihn daher der Haß der Mönche auf das Aeußerste. Er entfloh deshalb an "sichere Orte", nach Stralsund, und meldete am 23. März 1541 dem Abte Laurentius Tamme, daß er dort dem allerhöchsten Gott mit gutem Gewissen dienen und das Studium der Heiligen Schrift pflegen wolle ("ubi deo optimo maximoque tuta conscientia servire valeam et sedulis studiis arcanis litteris operam dare").

Im Jahre 1544 hatte der Abt alle Pferde bis auf 2 verkauft, so daß die Wirtschaft ganz darniederliegen mußte.


1) Ein Geschlecht Peperkorn war nicht lange vor 1507 durch Uebertritt vom Judenthum zum Christenthum entstanden. "Johann Pfefferkorn", ein jüdischer Proselyt, der "Parthei der Mönchstheologen der Cölner Universität angehörig, eiferte seit 1509" gegen die rabbinistischen Schriften und Reuchlin. Vgl. Guericke, Geschichte der Reformation, 1855, S. 16; Scheller, Bücherkunde der sassisch=niederdeutschen Sprache, 1826, S. 129. Ob der Doberaner Abt zu dieser Familie gehört, wird sich wohl nicht ermitteln lassen.
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Daher hatte der Herzog Heinrich am 1. April 1549 dem Kloster 50 Gulden gegeben, um damit die verfallenen Bauten an Kirche und Thoren zu restauriren. Endlich brach die "Pestilenz" 1 ) in dem Kloster aus, von welcher nach einem Schreiben des Abtes vom 13. Septbr. 1549 er selbst, die Conventspersonen und die Dienstboten heimgesucht waren und an welcher die damit über drei Tage Befallenen starben. So kam es dahin, daß im Jahre 1552 nur "sehr wenige" und zwar alle "alte, schwache, betagte Leute" im Kloster vorhanden waren.

Endlich schlug die letzte Stunde für das Kloster. Am 7. März 1552 ließ der Herzog Johann Albrecht I., kurz vor seinem Aufbruche zum oberländischen Feldzuge, das Kloster aufheben und einziehen. Diese wichtige That vollzog sich in Doberan aber auf eine formell friedliche und vertragsmäßige Weise. Nach den Urkunden geschah die Abtretung durch den Abt gutwillig, da er einsah, daß er und die wenigen noch vorhandenen alten Mönche das Kloster nicht mehr würden halten und die "Ablager 2 ) und andere Gerechtigkeiten" leisten können 3 ), vielmehr das Kloster noch mehr in Verfall bringen würden. Am 7. März 1552 (Montag nach Invocavit) trat daher der Abt Nicolaus das Kloster dem Herzoge Johann Albrecht "gutwillig und wissentlich" ab 4 ), nachdem dieser dem Abte und den noch vorhandenen Mönchen dermaßen "Abtrag" gethan hatte, daß sie damit friedlich und dafür dankbar waren. An demselben Tage versicherte dagegen der Herzog für die Abtretung dem Abte eine lebenslängliche Pension von jährlich 100 Gulden 5 ), in den Osterfeiertagen zahlbar durch den Bürger Simon Loitzen zu Danzig.


1) Zur Zeit dieser Pestilenz, kurz vor der Säcularisirung, mag der große Geldschatz vergraben sein, welcher 1805 an der Stelle der alten Klostergebäude gefunden ward; vgl. Jahrb. VI, B, S. 118. Die jüngste Münze ist vom Jahre 1542. Aller Wahrscheinlichkeit nach starb der Klosterschatzmeister an der Pest und so ward der Schatz vergessen.
2) Die Herzoge hielten für die "Beschützung und Beschirmung" des Klosters zwei Male im Jahre mit dem ganzen Hofgesinde in demselben "Ablager": 6 Wochen in den Fasten und 2 Wochen im Herbste. Schon im Jahre 1525 beschwerte sich das Kloster über diese "schwere" Last, welche bei damals eingetretener doppelter Hofhaltung doppelt schwer geworden war, und bat um die Verringerung auf die Hälfte für jede der beiden Hofhaltungen.
3) Vgl. Anlage Nr. 3.
4) Vgl. Anlage Nr. 1.
5) Vgl. Anlage Nr. 2.
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Am 7. März ("Montag nach Invocavit") 1552 nahm denn auch der herzogliche Hauptmann Jürgen Rathenow, welcher seitdem Hauptmann des Amtes Doberan war, Besitz von dem Kloster, und hob den Katholicismus auf, indem er die "Kleinodien" aus dem "hohen Altar" nehmen, verschließen und versiegeln ließ. Am 10. März 1552 nahm derselbe auch den "Doberaner Hof" in Rostock und des Klosters Eigenthum in Heinrich Goldenissen Behausung, in Gegenwart von Verordneten des Rathes, in Besitz. In Goldenissens Hause fand man in einem Kasten noch eine silberne Monstranz, einen silbernen Kelch und ein silbernes Crucifix u. a., auch "etliche hundert versiegelte Pergamentbriefe auf des Klosters Güter lautend". Manche Sachen von Werth, z. B. ein goldener Kelch, ein silberner Schrank, 9 silberne Becher (Stope), 8 silberne Löffel und Anderes, waren in Rostock vor der Inventirung zerstreuet ("verpartirt"). Der Abt Nicolaus war bei der Aufnahme der Inventarien immer gegenwärtig. Außer ihm erscheinen daneben noch als Conventsbrüder: der Kellner Paul Hoppner, der Küchenmeister Johannes, der Abtsschreiber Johannes Schaper und ein Mönch Johannes. Daneben werden noch genannt: Bäcker, Schmied, Wagenmeister, Barbier, Maurermeister, Siechenknecht, Koch, Küchenknecht, Küchenjungen, Wagenknecht, Brauknecht und eine Menge geringer Dienstleute.

Nachdem nun diese peinlichen Geschäfte geordnet und "ein jeder zufrieden gestellt" war, entsagte der Abt am 13. März (am Sonntage Reminiscere) 1552 noch ein Mal allen Ansprüchen zu Doberan 1 ) in Gegenwart des herzoglichen Rathes Dr. Jacob Bording und des Professors Dr. David Chyträus, und zog vom Kloster ab.

Wohin sich der Abt Nicolaus Peperkorn nach seiner Entsetzung mit seiner Pension gewandt habe, ist erst in den neuesten Zeiten bekannt geworden. Er ging in das Tochterkloster von Doberan, nach dem Kloster Neu=Doberan oder Pelplin bei Danzig 2 ), welches bis 1823 von Bestand blieb 3 ), um hier seine letzten Lebenstage zu


1) Vgl. Anlage Nr. 3.
2) Nach des verstorbenen Geh. Archiv=Secretairs Dr. Strehlke zu Berlin Forschungen in Jahrb. XXXIV, S. 48 flgd. Vgl. v. Quast in Jahrb. XXXVI, S. 116 flgd.
3) In Doberan ist die Sage viel verbreitet, daß noch in diesem Jahrhundert von Zeit zu Zeit fremde Mönche ("aus Spanien") nach Doberan gekommen seien und sich hier in der Kirche nach vermauerten Werthsachen umgesehen haben. Es ist leicht möglich, daß Mönche (  ...  )
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verbringen und seine Pension in Ruhe zu verzehren. Man sieht aus dem Umstande, daß er sich 1552 seine Pension zahlbar in Danzig verschreiben ließ, daß er von vorne herein die Absicht hatte, nach Pelplin zu gehen. Mit ihm soll ein anderer Doberaner Mönch Simon Loisewitz nach Pelplin gekommen sein, der nach dem Pelpliner Todtenbuche hier 3. Septbr. 1564 als Custos starb.

Mit der Auszahlung der Pension an den Abt war man sehr säumig, indem sie in den ersten 4 Jahren rückständig blieb. In einem Schuldenregister des Herzogs Johann Albrecht heißt es: "Dem abt von Dobbran von Ao. 53, 54, 55 vnd 56, yst von 4 iaren 400 Fl., 309 Fl. 21 ßl. bezahlt."

"Des Abtes Nicolaus von Doberan Todesjahr und Todestag sind nicht angegeben." "Nach dem Tode des Abtes Nicolaus Peperkorn von Doberan und des Mönches Simon Loisewitz ist nichts mehr von Beziehungen Pelplins zu Meklenburg zu berichten."

Anlage Nr. 1.

Johann Albrecht I., Herzog von Meklenburg, verschreibt dem Abt Nicolaus von Doberan für die Abtretung des Klosters eine jährliche Pension von 100 Gulden auf dessen Lebenszeit.

D. d. Schwerin. 1552. März 7.

Von Gots gnadenn wir Johans Albrecht Hertzog zw Mekelnburgk, Furst zw Wendenn, Graue zw Schwerin, der Lande Rostock vnnd Stargart herr, Bekennenn vnnd thun kundt hiemit offentlich, Nachdem vns der Ehrwirdig Jnn Gott vnnser lieber Andechtiger Er Nicolaus, Abt zw Dobberan, aus sonderlichem vorgehabtenn Radt vnnd bedacht Benant Closter Dobberann mit allenn vnnd Jedenn seinen ein vnnd zugehorigenn gutterenn Jn vnnd außerhalb vnnserer Furstenthumb vnnd Lande gelegenn,


(  ...  ) aus Pelplin Doberan besucht haben, um in treuem Andenken die Kirche ihres Mutterklosters zu sehen; nach Schätzen werden sie nicht haben suchen können.
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Auch die Sultzgutter zw Lunenburgk, nichts ahn denn allenn außgenommen, Jn massen ehr Dieselbenn zw Jderzeit allerqueitest vnd freyest Jnnegehabt, besessenn, gebraucht vnd genossenn, Jn bester vnnd bestendigster Form, Wie solchs zum krefftigstenn vnnd bestendigstenn zw recht geschehen soll, kan oder magk, gerne vnnd freywilligk vbergeben, Abgetrettenn vnnd eingereumet hatt, Das wir Jme dargegenn vnnd herwiderumb die Zeit seines lebens Jerlich hundert guldenn vnserer Muntz, Je vier vnnd zwentzig Schilling Lubisch für ein gulden gerechnett, zu ergetzung dieses Abtretens vnnd einreumens, Durch denn Erbarn vnnserenn liebenn besondern Simon Loitzen, Burgernn zw Danntzig, Jerlich Jn denn heiligen Osterfeiertagenn, vngeweigert gebenn, Reichen vnnd volgenn zw lassenn versprochenn vnnd zugesagt habenn, Versprechenn vnnd zusagen Jhme solchs hiemit wissentlich Jn krafft vnnd macht dieses vnnfers Brieffs Ohne geferdt vnnd argelist. D[es] zw vrkundt habenn wir vnser pitschafft zw vnden wissentlich auffdrucken lassenn. Gebenn zw Schwerin, Montags nach Jnuocauit, Nach Christi vnsers geliebten hern geburt Tausent funffhundert vnnd Jhm Zwei vnnd funfftzigsten Jharen.

Nach einer gleichzeitigen beglaubigten Abschrift auf Papier, welches schon stark vermodert ist, im Staats=Archive zu Schwerin.


Anlage Nr. 2.

Nicolaus, Abt zu Doberan, tritt für sich und seine Conventsbrüder dem Herzoge Johann Albrecht I. von Meklenburg das Kloster Doberan ab.

D. d. Doberan. 1552. März 7.

Jch Nikolaus Abt des Closters Dobberan Bekennenn vnnd thun Kundt für mich vnnd alle meine Conuents Bruder mit diesem meinem Brieffe offendtlich, das Jch fur mich vnnd Jhnn Nahmenn aller meiner Conuents Bruder Dem Durchleuchtigenn vnnd hochgebornen Furstenn vnnd hernn hernn Johans Albrechtenn hertzogenn zw Megkelnburgk, Fursten zw Wendenn, Grauen zw Schwerin, der Lande Rostock vnnd Stargardt hernn, Meinem gnedigenn Furstenn vnd hern, mit sonderlichem zeitigenn vorgehabtenn Rathe vnnd wolbedachtem muthe Benant

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Closter Dobberan mit allenn vnnd Jeden seinen ein vnnd zugehorigenn gutern Jn vnnd außerhalb der Furstenthumb vnnd Lande Megkelnburgk gelegenn, Auch die Sultzgutter zw Lunenburgk, nichts an denen allenn außgenommen, Jhn massenn wie Jch dieselben mit meinen Conuents Brudernn zw Jederzeit allerqueitest vnnd freiest Jnnegehabtt, besessenn, gebraucht vnnd genossenn habe, Jn bester vnnd bestendigster form, Wie dasselbige zum krefftigstenn vnnd bestendigstenn zw Recht gschehenn soll, kann oder magk, gerne, freywilligk, vngezwungenn vnnd vngedrungenn, vbergebenn, Abgetretthenn vnnd eingereumet habe, Wyll auch S. F. G. oder Derselbenn Erbenn zw Jderzeit Das fur Jdermenniglich ein gnugsame gewere vnnd vorstandt sein, vnnd so S. F. G. zw Rechte, es wehre weltlich oder Geistlich gerichte, darumb angesprochenn wurde, Jhn allewege schadloß haltenn vnnd vortrettenn, Ohn alles geferde, Also das Jhr F. G. damit thun vnnd lassenn mugenn, als mit anderen Jrenn eigenn guternn, ohn mein, aller meiner Conuents Brudere vnnd mennigliche vonn vnsert wegenn Jrrunghe, hinderung vnnd widersprachen, Vnnd vorzeyhe also fur mich vnnd alle meine Conuents Bruder berurts Klosters Dobberan vnnd aller seiner gerechtigkeit vnnd herligkeit, gantz vnnd gar Jnn krafft dieses meins Brieffs gutwilligk vnnd wissentlich, Dargegen hat mir hochgedachter mein gnediger Fürst vnnd herr, Dermaßenn vergleichungk, willen vnnd abtragk gethann, Das Jch nicht allein, sondernn alle meine mit Conuents Bruder damit fridlich vnnd benugigk, Auch zum vnderthenigstenn danckbar sein. Zw mehrer bekrefftigungk der Warheit habe Jch diesenn meinen Brieff fur mich vnnd von wegenn des ganntzenn Conuents mit meinem vnnd Jhrem Secret wissentlich vorsiegelt vnnd eigner handt vnterschriebenn, Gebenn zw Dobberan, denn Montagk nach Jnuocauit, nach Christi vnsers liebenn hernn geburt Tausent Funffhundert vnnd Jhm Zwey vnnd Funfftzigstenn Jhare.

Jck Nicolaus Abth tho Dobberan bekenne mith disser miner hanthschrif, dath bauenghescreuen alles stede vnde vasthe tho Holden, Manu propria.

Nach dem Original auf Pergament im Staats=Archive zu Schwerin. Ein Siegel ist nicht vorhanden, auch nicht angehängt gewesen, wahrscheinlich weil die Klostersiegel schon mit Beschlag belegt waren. Dagegen ist die Unterschrift von des Abtes eigener Hand, während die Urkunde von einer Canzleihand geschrieben ist.


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Anlage Nr. 3.

Nicolaus Peperkorn, bisher Abt zu Doberan, entsagt schliesziich zu Gunsten des Herzogs Johann Albrecht I. von Meklenburg allen Ansprüchen an das Kloster Doberan.

D. d. Doberan. 1552. März 13.

Jch Er Nicolaus Peperkorn, betteher Abbt tho Dobberan gewesen, bekenne vor my vnde vor myne myth Conuentes broderen vnde perßonen myth dysser hanthschryft, dath yck vor etlyken vergangenen jaren by tyden Hertogen Hyurykes tho Mekelenborch louelyker ßelyger gedechtnysse, leuende ßyne fürstlyke gnade ock regerenden Hertogen Johannis Albrechten tho Meckelborch, mynen gnedigen heren, vakenmals geklageth, dath yck vnde myne myth Conuents brodere vnde personen olde, swacke, bedagede lude weren vnde vnßer ock gar weynych vorhanden, so dat wy dat kloster vnde des suluigen regerung syner gebor na, sunderlyk ytzyger luffte vnde tyd gelegenheyt, nicht wol wüsten wyder tho bestellen vnde vorthostande, ßo befunde wy ock vnßer vnvormogenheyt vnde swackheyth haluen, dath wy eren F. G ere gewonlyche jarlyche affleger vnde gerechtycheyt yn de lenge dar van nycht uth vohren kunden, wo dan ogenschynlych, dath beth her tho de klenodien verbrocht vnde de holtynge vorwostet werden worden, vth sulchem wy vororsaket vnde ere F. G. demodychlych gebeden, syck dysses klosters vnde der suluigen vnderdanen vnde thogehorygen guderen gnedylych tho vndernemen vnde de myth eren amptluden henfurder tho bestellen, darmede allerley vnvormydyaen schadens myt guder vorbedacht vnde Rade vorgekomen wurde. Also hebben er F. G. syck vp solck vnßer velvoldyges anlangen, bydden vnde guthwyllyges nageuen berordes kloster vnde der suluigen vnderdanen vnde guder angenamen vnde syck myth vns gnedychlych vordragen, ock eynen jdern beth vp syn gud benoge tho freden gestellet, darweder wy er F. G. demotychlych danckbar syn. Jch bekenne ock hyrneuen hyr mede offentlych, daß yck noch nemant van mynent wegen de gemelte herschop van Meckelborch edder Jmanden van der suluigen wegen yn jenygerley gestalth myth noch ane recht beschuldigen,

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beklagen noch beargen wyl. Vnde dach yd alßo nvcht anders den wo bauen gemeldeth myth mynem guden weihen vnde vulborde vngedrungen vnde vnbedwungen geschen vnd vorgedachtes Closter wllig (!) afgestanden bin, vnde ouerst nen Segel gehat, dath yck dyssen breff hedde mogen vorsegelen, so hebbe yck tho stur der warheyt dyssen breff myth myner egen hanth vnderschreuen, dene yck yn allen synen puncten vor rechte (?) gelyck krefftych vnde vnwyderroplych geholden hebben wyl, vnde dysse hyr na benomeden myne guden frunde Doctoren Jacobus Bordynck vnde Magister Dauid Chiträ[us] thor tuchenysse geforderth vnd gebeden, die sick neben mir vnderschriben haben, vnd gegeuen ys tho Dobberan, am Sondage Reminiscere, Ao. 1552.

Jch N. Abbet bekenne, dath yck dyth myth myner egen hanth vnderschreuen hebbe stehet vast tho holden.

Nach dem Concept im Staatsarchive zu Schwerin. - Die Klostersiegel waren am 7. März 1552 bei der Aufhebung des Klosters nach dem Inventarium mit Beschlag belegt und in Verschluß genommen.


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2. Der letzte Abt des Klosters Dargun.

Das Cistercienser= Mönchs=Feldkloster Dargun war eines der größten und reichsten Klöster im Lande, das zweitgrößte nach Doberan, und bei dem Adel des östlichen Landestheils sehr angesehen und beliebt.

Der letzte Abt des Klosters Dargun war Jacob Baumann, welcher nach Schröder's Wismar. Erstl. S. 100 in Stendal geboren war. Erfreulicher Weise haben sich über ihn einige sichere Nachrichten erhalten. Ehe er nach Dargun kam, war er 9 1/2 Jahre in dem Cistercienser=Mönchskloster Himmelpforten bei Lichen in der Ukermark, nahe an der Meklenburgischen Grenze, 5 Jahre lang "Schließer" und 4 1/2 Jahre lang Mönch ("gemeine Person"). Er berichtet über seinen Lebensgang selbst in dem folgenden Zeugenverhör über die Landesgrenzen bei Lichen und Himmelpforten.

"Zeugenverhör über die Landesgrenzen zwischen Meklenburg und Brandenburg bei Fürstenberg und Himmelpfort. Zu Fürstenberg 1562, Septbr. 16."

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Der ander Zeuge.
Er Jacob Bauman, gewesener Apt zu Dargun, 71 Jar alt.
Vber 100 fl. reich.
Jst itzt zu Rekenitz pastor.
Jst niemants verwandt.
Jst nicht vnderrichtet, was er zeugen soll.
Vermuth sich daraus kein gewin.
Hat sich mit niemants underredet.
Jst kein Ehebrecher, halt sein Hausfraw.
Jst kein Todschleger.
Jst von Hertzog Virichenn vnd dem kuchemester alhier gefordert wordenn. Dem der Recht darzu hat, gunt Ers.
Zeuge ist zehendthalbe Jar zur Himmelpforten gewesenn, funff Jar schluter vnnd die ander funfftehalb Jar gemeine personn.
Jhme Zeugen sey bewust, das er vor 33 Jar mit den Himmelpfortischen dienern bey apt Heinrichs zeitten - - - hat etc ."
"Er wiße nicht anders, dan das es also bey seiner zeit vor 33 Jarenn gewesen, wi er gezeuget, vnd er wiße es nicht anders, das wolle er bey seinem Eydt, wie er geschworen, beteurenn, vnnd hat hiemit sein gezeugnus beschloßenn."

Da er im Jahre 1562 "vor 33 Jahren" in Himmelpforten gelebt hatte, so wird er um das Jahr 1530 dahin und um das Jahr 1540, ungefähr 50 Jahre alt, nach Dargun gekommen sein. In dem Jahre 1540 war noch Johann Abt zu Dargun. Diesem wird Jacob Baumann als Abt gefolgt sein; sicher war "1548 Er Jacob Abt zu Dargun". Er hatte diese Würde aber nicht lange; denn schon am 6. März 1552 (am Sonntage Jnvocavit) hob der Herzog Johann Albrecht das Kloster Dargun auf, zu gleicher Zeit mit dem Kloster Doberan. Die Säcularisirung ging leichter von statten, als die der andern großen Klöster. Baumann verließ den Ort nicht, sondern ward Pastor an der Kirche des zu seinem ehemaligen Klosterhofe Dargun gehörenden und unmittelbar dabei liegenden Dorfes Röcknitz ("Rökenitz"). Ein Bericht über die Kirchen=Visitation zu Röcknitz vom 25. Octbr. 1560 sagt: "Es ist der Pastor Er Jacobus Bawman im Examine nicht gar woll bestanden, allein das er den Catechismum gewust aber sonst ein alt fromb mhan, will hernacher so uiell muglich vleissig studiren." Nach dem oben mitgetheilten

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Zeugenverhör war am 16. Septbr. 1562 "Er Jacob Bauman, gewesener Abt zu Dargun, 71 Jahre alt, damals Pastor zu Röcknitz und verheirathet". Sein Nachfolger im Pfarramte wird Johann Cosmas gewesen sein, welcher im Jahre 1575 Pastor zu Röcknitz war.


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3. Der letzte Prior des Klosters Marienehe.

Die letzten Schicksale des Karthäuser=Klosters Marienehe bei Rostock und ihres letzten Priors sind schon in den Jahrbüchern XXVII, S. 1 flgd. ausführlich dargestellt. Eine wiederholte kurze Vorführung geschieht hier nur, um einigermaßen den nöthigen Zusammenhang mit den übrigen Darstellungen zu vermitteln.

Der letzte Prior (seit 1525) war Marquard Behr aus der adeligen rügenschen Familie von der Linie Neuhof (Semlow), ein gebildeter, würdiger und starker Mann. Nach dem entschiedenen Willen des Herzogs Johann Albrecht I. sollten alle Klöster, namentlich zuerst die großen Mönchs=Feldklöster aufgehoben, "die Abgötterei und die papistischen Diener allenthalben abgeschafft und die reine göttliche Lehre und christliche Ceremonien aufgerichtet" werden. Vgl. des Herzogs Regierungsverordnung vom März 1552 in Jahrbüchern VIII, S. 54. Im Jahre 1552, am 6. und 7. März, waren die Abteien Dargun und Doberan gefallen. Nun sollte Marienehe an die Reihe kommen. Man muß aber bei dem starken Geiste des Priors erheblichen Widerstand erwartet haben. Denn am 15. März 1552 ward die Karthause mit verhältnißmäßig großer Kriegsmacht eingenommen und aufgehoben und die Mönche mit ihrem Prior wurden mit Gewalt in die Welt verjagt (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 39). Der Prior Marquard Behr flüchtete sich in die befreundete Karthause Arensbök in Holstein und war unablässig thätig und bemüht, sein Recht zu erlangen, freilich ohne allen Erfolg. Er starb in heißem Kampfe um Michaelis 1553 in der Karthause Arensbök.

Im Jahre 1559 wurden alle Gebäude des Klosters abgebrochen und die Steine zum Bau des Schlosses nach Güstrow geführt. Es ist keine Spur von dem Kloster übrig geblieben. - Der letzte Mönch erscheint zuletzt 1576 in der Karthause Marienkloster bei Hildesheim.


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4. Der letzte Präceptor von Tempzin.

Das im Jahre 1222 gegründete St. Antonius=Haus zu Tempzin war ein Tochterstift der Präceptorei Grünberg in Hessen bei Gießen und ward lange Zeit von dieser verwaltet und ausgesogen. Erst mit dem Anfange des 15. Jahrhunderts gewann das Haus Tempzin mehr Selbstständigkeit 1 ) und stiftete sogar mehrere Filiale. Mit dem wachsenden Grundbesitz stieg auch das Ansehen der Vorsteher (Präceptoren), welche bald als Mitglieder der Landstände und Räthe der Fürsten erscheinen. Der letzte Präceptor von Tempzin legt wiederholt Gewicht darauf, daß das Stift nicht ein Kloster, sondern ein Hospital 2 ) für Arme ("St. Antonius=Hof") gewesen sei ("nicht ein claustrum, sed hospitale pauperum"). Dennoch mußte das Antoniter= Hospital Tempzin auch der Reformation zum Opfer fallen.

Der Fürst Borwin hatte im Jahre 1222 zur Gründung des Stiftes nur den Hof Tempzin und 16 Hufen und den See zu Goldbek bei Sternberg gegeben; vgl. Meklb. Urk.=Buch I. Nr. 282. Hierfür gab das Stift "den Hertoghen tho Mecklenborch alle yar eyn dromet Erweten vnd eyne last beers vor der Stede Temptzin a prima fundatione wol by druddehalfhundert jaren". Die übrigen zahlreichen Güter hatte das Stift durch milde Gaben und eigene Arbeit erworben.

Der letzte Präceptor war Gregorius Detlevi, geboren um das Jahr 1490, nach seiner Sprache von niederdeutscher Herkunft, welcher ein gebildeter und angesehener Mann gewesen zu sein scheint und 1529 3 ) bis 1552 das Stift regierte. Jedoch konnte er sich endlich auch nicht halten. Als eine katholische Stiftung nach der andern fiel, gab der Herzog Heinrich am 25. Novbr. 1550 4 ) dem herzoglichen Rathe Joachim Krause auf Varchentin um seiner getreuen Dienste willen "das Gotteshaus zu Tempzin mit allen dazu gehörigen Gütern, Herrlichkeiten und Einkünften" zum Genießbrauch auf Lebenszeit, jedoch während der Lebens=


1) Vgl. Jahrb. XV, S. 150 flgd.
2) Vgl. Jahrb XXXIII, S. 18 flgd.
3) Detlevi's Vorgänger war Johann Wellendorf, welcher bis 1529 im Amte war, also wahrscheinlich an der "Schweißsucht" starb. Detlevi war schon vorher in dem Kloster, da er im Jahre 1563 schreibt, daß er 42 Jahre dort gewesen sei.
4) Vgl. Anlage Nr. 1.
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und Regierungszeit des damaligen Präceptors nur als ein "Coadjutor und Mitgehülfe", eigentlich aber als ein Aufseher, damit "nichts von den Gütern und Gerechtigkeiten verrückt werde"; für die Lebenszeit des Präceptors sollte Joachim Krause aber von der Präceptorei Unterhalt für sich, seine Diener und Pferde genießen. Damit war die Präceptorei säcularisirt oder weltlich geworden.

Es sollte aber bald ganz anders kommen. Am 6. Febr. 1552 starb der Herzog Heinrich und ihm folgte einstweilen als alleiniger Regent sein junger Neffe Herzog Johann Albrecht I. Dieser griff sogleich kräftig ein, um allen katholischen Stiftungen im Lande ein Ende zu machen. Nachdem er am 6. und 7. März 1552 die großen Klöster Doberan und Dargun aufgehoben hatte, und er selbst um 20. März zum oberländischen Feldzuge aufgebrochen war 1 ), ward am 27. März 1552 auch die Präceptorei Tempzin eingenommen und aufgehoben. Gregorius Detlevi berichtet am 3. Septbr. 1563 eigenhändig an den Herzog über den Hergang Folgendes:

"Doch myn Huß schal dodth syn.

Alse me screff im ringheren talle twe vnde vestich, dominica Letare" (27. März) "do was myn g. h. buten landes Don quam Enghelke Rostke van Szwerin tho Temptzin mit synen ghesellen vnde toghede eyne Credentie mit eyner Jnstruction vnde halde wech, wat eme beualen was."

Man versprach dem Präceptor für den Fall seines Abzuges ein Haus in Schwerin und jährlich 100 Gulden, 4 Drömt Roggen, 4 Drömt Malz, 1 fetten Ochsen, 2 fette Schweine, 2 Hammel u. s. w. Dies unterblieb aber, bis der Herzog wieder "binnen Landes" war. Der Präceptor blieb nun mit zwei alten Priestern noch eine Zeit lang zu Tempzin wohnen. Da der Landesregierung dieser fortwährende Besitz aber zu lange dauerte, so begab sich der Herzog Johann Albrecht selbst nach Tempzin, um mit dem Präceptor selbst zu unterhandeln und ihn zur Abtretung zu bewegen. Dies gelang denn auch. Der Präceptor verlangte für seine Entsagung den Hof Blankenberg zum Genuß auf Lebenszeit und das Hospitalhaus zu Wismar erblich. Die ebenfalls anwesenden Räthe Dietrich Maltzan und Christoph Linstow meldeten ihm die Bewilligung. Er schreibt selbst hierüber:


1) Vgl. Jahrb. XVIII, S. 34 flgd.
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Dhon begherde ick von J. f. g. den hoff thom Blanckenberge lifflick vnde dat huß thor Wismar erfflick, wo my Diderick Moltzan vnde Christoffer Linstow vormeldeden, vnde ydt wordt ock bewilliget vnde vorseghelt, wo J. f. g. wol bewust."

Am 23. December 1554 verschrieb 1 ) zu Tempzin der Herzog dem Präceptor "in Betracht seiner geleisteten treuen Dienste" auf Lebenszeit den Präceptoreihof Blankenberg mit allen Einkünften und Gerechtigkeiten zum alleinigen Genießbrauch und demselben und "zwei alten betagten Priestern" zusammen mehrere Präceptorei=Pächte aus Penzin und Eikelberg zum Genuß zu gleichen Theilen auf Lebenszeit. Die Einkünfte des Präceptors gingen aber nicht regelmäßig ein. Am 16. Aug. 1557 schrieb der Herzog aus Tempzin an den Landes=Ausschuß, daß er dem Präceptor "allhier" noch 360 Gulden schuldig sei, und wies nach oftmaliger Mahnung denselben an, demselben diese Summe, da sie so groß nicht sei, im nächsten Umschlage zu bezahlen, damit er "mit fernerem Ueberlauf verschont werden möge". In demselben Jahre fing man auch an, die Klostergebäude zur Benutzung der Steine für die Schloßbauten abzubrechen. In der Renterei=Rechnung vom Jahre 1557 heißt es: "5 Thaler walmeister zu abbrechung des alten Hauses zu Tempzin, d. 7. Septembris".

Dieser für den alten Präceptor grade nicht erquickliche Zustand sollte aber auch nicht lange dauern. Nach einiger Zeit erschien eine herzogliche Commission mit dem Canzler Johann von Lucka an der Spitze, um den Präceptor zur völligen Abtretung und zur gänzlichen Räumung des Hofes Blankenberg zu vermögen. Man gab ihm eine jährliche Pension von 200 Gulden auf Lebenszeit, mehrere Naturalhebungen aus dem Amte Doberan und 50 Gulden für das Haus in Wismar. Detlevi schreibt selbst hierüber etwas bitter:

"Dat ydt auerst eyne vorvoranderinghe krech, vornam ick van Johann Luckawen, Licentiaten, Doctore Dragsteden, Andrea Bessel vnd Volrat Pren seer wol, de ick wil rowen laten in sancta pace. Szo weten J. f. g. seer wol, dat ick nicht mer alse II hundert fl. vor den hoff thom Blanckenberge krech vnd veftich fl. vor dat huß thor Wismar. Jck wet, dat by den tyden myn g. h. noch eyn jungher fursthe weren, nu vele anders konen bedencken vth hoghen ghemote,


1) Vgl. Anlage Nr. 2.
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also do nicht. Wat myn g. h. by dem noch don willen, steith in j. g. ghewalt. Dyt will ick protesteren, g. h., coram deo et duce meo, dat dit nummer von my yn de vedder ghestellet is gheworden, vnd weth ock wol, dat nu nemant leuet, der der guder tho Temptzin ßodan bescheet weeth."

Dies wird im Jahre 1560 gewesen sein. Nachdem Detlevi dem Herzoge "1000 Mark lübisch Capital, welche ihm der Rath zu Wismar schuldig" war, mit dem Schuldbriefe freiwillig übergeben hatte, verschrieb 1 ) ihm der Herzog am 6. Nov. 1560 auf Lebenszeit die Rente von diesem Capital und jährlich aus dem Klosteramte Doberan an jährlichen Naturalhebungen: 1 Drömt Roggen, 1 Drömt Malz, 6 Fuder Holz und 2 Schweine; für die Abtretung des "Hauses" Tempzin hatte der Herzog ihm 250 Gulden baar zahlen lassen.

Gregorius Detlevi zog nun von Blankenberg ab und zog nach Rostock. Seine Briefe vom 3. Sept. 1563, 12. Sept. 1566 und 25. April 1571 sind von Rostock datirt. Im Protocoll der Kirchen=Visitation von Rostock vom Jahre 1566 werden aufgeführt:

"Heuser

Sanct Jacobs Kirchen zustendigk.

Das Pädagogium.
1 Gibelhauß nebst dem Pädagogio.
1 Gibelhauß darin Magister Posselius wohnet.
3 Buden nebest dabei, in einer wohnet der Präceptor vom Tonnieshoff."

Wahrscheinlich war ihm dieses kleine Häuschen ("Bude") unentgeltlich auf Lebenszeit eingethan.

Hier heirathete nun Detlevi, 73 Jahre alt. Er schreibt am 3. September 1563 an den Herzog:

"De wyle ick my nu hebbe begheuen in den hilligen Eestant, fodere non valeo, mendicare erubesco",

und bittet den Herzog um Vermehrung der Naturalhebungen,

"dat dyt myn g. h. wolden bewillighen vor my vnd vor myne eelike husfrowe, liffghedinghes wise to vorseghelende."

Auch bittet er den Herzog um Zurückgabe des "Wismarchen (Schuld=)Briefes" und klagt:

"Myn herteleyt kan ick nicht alle klagen. Jck hebbe dar twe vnde uertig yar ghewesen etc . Szo hebbe ick myne Eefraw ghenamen vp dessen breff,


1) Vgl. Anlage Nr. 3.
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dat se scheide de 20 fl. na mynem dode heuen etc . Wat ick dar vor horen moth, non scribo."

Seine Bitten blieben aber wohl unerfüllt. Im Gegentheil blieben ihm seine Hebungen oft lange Zeit aus. Er klagte darüber im Jahre 1571 bitter beim Herzoge, welcher denn auch, auf Fürbitte des Rectors und Concils der Universität Rostock für den guten alten Mann ("huic optimo seni Gregorio Detleui"), gemessene Befehle zur Abführung gab.

Bei dieser Gelegenheit schreibt Gregorius Detlevi aus Rostock, durch fremde Hand, am 25. April 1571:

"Jck bin ein Man, LXXXI jahr olt, vnde wath de vom houetmanne hebben schal, schuth mith aller beschwerunge vnde krige dat suluige nicht tho rechter tidt."

Hiemit verschwindet Gregorius Detlevi aus der Geschichte und wird nach dieser Zeit wohl nicht lange mehr gelebt haben.


Anlage Nr. 1.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg verschreibt dem herzoglichen Rath Joachim Krause auf Varchentin die Antonius=Präceptorei Tempzin zum Genießbrauch auf dessen Lebenszeit, jedoch während der Lebens= und Regierungszeit des damaligen Präceptors nur zur Mitregierung als Coadjutor und zum Mitgenuß.

D. d
. Güstrow. 1550. Novbr. 25.

Wir Henrich von gotts gnaden herzogk zw Mecklnburgk, fursth zw wenden, graff zw Swerinn, Rostock vnd Stargartt der lande here, bekennen offentlich für vns, vnser erben vnd nachkomende, das wir neben denn hochgebornen fursthen hern Johans Albrechten vnd seiner lieb Bruderen herzogen zv Mecklnburgk, fursten zu wenden, Grauen zu Schwerin, Rostogk vnd Stargardt der land hern, Vnsern freundtlichen lieben Vetteren, dem Erbarn Vnsern radt vnd lieben getrewen Joachim Krausen Vnser gotshaus zw Tempzin, ßo mhen den Antoniushoff nennet, mitt alle seinen herligkeiten vnd zwgehorigen gutteren, beweglich vnd vnbeweglich, einkomen vnd nutzungen, wie dießelbigen in Vnserm fursfthenthumb gelegen oder sonsth dar zw gehoren mochten, nichts daruon ausge=

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slossen, Vmb seiner getrewen dienste willen, ßo ehr vns gethan hatt vnd hinfhuro thun soll vnd will, gnediglich verschrieben vnd eingethan haben, verschreiben vnd befhelen ihm dasselbige alles hiemitt in krafft dieses Vnsers brieues also vnd der gestalt, das ehr die Zeit seines lebens dasselbige gottshaus oder den Antoniushoff innehaben, besitzen, verwalten, demselbigen getrewlich furstheen, aller seiner einkomen Vnd nutzung geniessen Vnd gebrauchen soll, in aller massen, wie andere, ßo fur ihm desselbigen hauses preceptores Vnd besitzer gewesen, dasselbige bisdaher allerfreiesth besessen, ingehapt, seines einkomens Vnd nutzungen genossen Vnd gebrauchet haben.

So lange aber itziger preceptor oder meister noch im leben oder der vorwaltung Vnd regirung nicht Vollenkomlich abstheet, soll gleichwoll gedachter Joachim Krause in der regirung ein coadiutor Vnd mittgehulffe neben ihm sein, demselbigen Vnserm gottshause getrewlich helffen furstheen Vnd bei seiner gerechtigkeit handthaben vnd daran sein, das nichts von einigerlei gutteren Vnd gerechtigkeiten, wie die nhamen haben mochten, daruon widder recht verrugket oder entzogen werden. Dargegen soll ehr darselbst notursffige Vnderhaltung fur sich, seine diener vnd pferde vngehindert haben. So aber itziger preceptor nach dem willen gottes fur ihm mitt todte abgheen oder sonsth der regirung (wie obgemelt) abstheen wurde, alsdan soll er Joachim Krause in gleichen wirden Vnd Stande dasselbige Vnser gotteshaus sein leben lanck alleine Verwalten, innehaben, besitzen, alle desselbigen nutzungen zw seiner noturfft geniessen Vnd gebrauchen, Doch Vnserer fursthlichen Obrigkeit Vnd Von altershero gewonlichen gerechtigkeiten daran Vnuorgreifflich.

Wurde es sich aber zwtragen, das ehr Joachim Krause desselbigen Vnsers gottshauses regirung bei seinem leben gutwillig abstheen wolle, alsdan soll ehrs zw hochgedachter Vnserer lieben Vetteren Vnd Vnseren oder Vnserer allerseits erben händen alleine abzwtretten Vnd zw resigniren macht haben, gants getrewlich Vnd ohn gefheer. Zw Vrkunt habe wir diesen brieff mitt Vnserm furstlichen insigel befestiget Vnd mitt egen handen Vnderschrieben, Der geben ist vf vnnserm Schlosß zu Gustrow Dinstags am tage Catharine virginis, Nach christi vnnsers lieben herrn geburt funfzehenhundert vnd funfzigk Jhare.

Nach dem Concept im Staats=Archive zu Schwerin.


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Anlage Nr. 2.

Der Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg giebt dem Präceptor des Antonius=Hospitals zu Tempzin Gregoris Detlevi auf Lebenszeit den Hof Blankenberg zum alleinigen Genusz, und demselben und zwei alten Priestern Pächte aus Penzin und Eikelberg zum Genusz zu gleichen Theilen.

D. d. Tempzin. 1554. Decbr. 23.

Von Gottes gnaden Wir Johanns Albrecht, herzogk zu Meckelnburgk etc ., Bekennen vnd thun kundt hiemit fur vns, vnser Erbenn, Nachdem der Wirdige vnser lieber Andechtiger Er Gregorius Dethleui eine lange Zeit hero vnser haus vnd Closter Temptzin als ein Preceptor vnd befhelhaber mit Vleiß vorwaltet vnd vorgestandenn, Als haben wir in betrachtung seiner geleisteten getrewen dienste Jme aus besondern gnaden den hoff zu Blanckenburge, der zu Vnserm hause Temptzin gelegenn, mit aller nutzung, einkommen, gerechtigkeyt, zugehorigenn Diensten, Fieschereyen vnd freyen Müllenfure die Zeit seines lebens für sich alleine Jnzuhabenn, zu genießen vnd zu gebrauchenn, Auch fünftzigk Mark zwei schilling Jm dorff Pentz[in] vnd zehen Mark im Dorff Ecklenburgk Jerlicher Pacht, gemelten Gregorio Detleui, vnd zweier Altenn betagtenn vnd begebenen Pristern Jrer Dreier lebelangk Jn gemeine zu gleichen teilen Vngehindert zu hebenn Vnd zu gebrauchenn aus gnaden gegeben habenn, Als wan gemelte Drei Personen mitt tode abgangenn, das dieselbe Pechte aus den Dorffern Pentzinn vnd Eckeln[burgk] vnd der hoff zu Blanckenburgk mitt aller gerechtigkeit nach Ehrn Gregorii Dittleui Todtlichenn Abfall, alsdann wieder an Vnser haus vnd Closter, Jnmaßen solches alle Je vnnd allewege dartzu gehort, fallen Vnd kommen solle, Vnd thun daßelb wie oben Jedes Jnsonderheit Verzeichen hiemit in craft vnd machtt diß vnsers brieffes wießentlichen ohn alles gefherde. Des zu Vrkundtt mitt Vnserm vffgetrucktenn Pitschir Vorsiegelt vnd geben zu Temptzin denn 23. Decembris, Anno etc . 1554.

Nach einer Canzlei=Abschrift in einem gleichzeitigen Copial=Buche im Staats=Archive zu Schwerin.


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Anlage Nr. 3.

Der Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg verschreibt dem ehemaligen Präceptor des Antonius=Hospitals zu Tempzin mehrere Naturalhebungen aus dem Amte Doberan auf Lebenszeit.

D. d. Schwerin. 1560. Novbr. 6.

Wyr Johanß Albrecht, Hertzog zu Mecklenburgk, Furst zu Wenden, Graue zu Schwerin, der Lande Rostock vnd Stargardt herre, Bekennen hirmith offentlich fhur vns vnd vnsere Erben, nachdem der Wir[dige] vnser lieber andechtiger Er Gregorius Detleui das hauß Tempzein ver[schiehener Zeit] abgetretten, Dargegen wir ime zwei [hun]dert vnd fuffzich gulden baruber haben zustellen lassen, vnd ehr vnß ahn heute Dato auch Ein tausend Margk Lubisch heuptsumma, die ime vermuge Brieff vnd Siegel der Rath zur Wißmar schuldich ist, freiwillich vbergeben vnd die vorschreibung als balde daruber zugestellet, das wir ime die Zeit seines lebens die Renthe vom Rath zur Wißmar von solchen Ein tausend marcken zu fordern nachgegeben, Vnd damith ehr seine erhaltunge desto beßer die Zeit seines lebenß haben muge, So haben wir ime alle jhar, so lang ehr leben wirdt, Ein drompt Roggen, Ein drompt Maltz, Sechs fuder holtz vnd zwey Schweine auß vnserm Closter Dobran vorreichen zu laßen bewilliget, Bewilligen vnd sagen solches alles zw in krafft vnd macht dieses vnsers offnen Breueß treulich vnd vngefherlich. Vrkundt haben wir unser Secret wißentlich auf dießen Bref gedruckt, denselben auch mith eygener handt vnderschrieben, der gegeben ist zw Schwerin nach Cristi geburt im tausent funffhundert vnd Sechstigesten Jhare, den sechsten Nouembriß.

Manu propria sst.   

Nach einer am Rande stark vermoderten beglaubigten Abschrift vom Jahre 1571 im Staats=Archive zu Schwerin.


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5) Der letzte Comthur von Kraak.

Die letzte unruhvolle Zeit der Johanniter=Comthurei Kraak südlich bei Schwerin ist in den Jahrb. I. S. 27 flgd. ausführlich geschildert. Der letzte regelmäßige Comthur war Mathias v. Jlow (seit 1504), welcher aber im Jahre 1533 von dem Ordensmeister wegen schlechter Wirtschaft abberufen ward. Sein Nachfolger Mathias Belling erschoß sich sogleich, da er fürchtete, die Comthurei nicht halten zu können. Seitdem spielen 20 Jahre lang nichts als Streitigkeiten mit dem Orden und auch unter den Comthuren. Da griff der Herzog Johann Albrecht mit Macht ein und ließ im Sommer 1552 die Comthurei gewaltsam einnehmen und weltlich machen; einige Zeit darauf verlieh er dieselbe dem ränkevollen Ritter Friedrich Spedt.

Der frühere Comthur Mathias v. Jlow ging nach seiner Entsetzung in die große Johanniter=Comthurei Mirow, wo er nach frühern Nachrichten noch 1541 lebte. Hier wird er auch noch lange gelebt haben und endlich gestorben sein. In neuern Zeiten haben sich noch Nachrichten über Mathias v. Jlow gefunden.

Der Herr Seminarlehrer Johannes Neubert zu Mirow theilt mit, daß zu Mirow eine Urkunde des Herzogs Johann Albrecht, d. d. Mirow, den 1. August 1568, für den Pastor Johann Andreas aufbewahrt wird, in welcher es heißt:

"Daß vom gemelten Pastor angelanget worden, ihme aus gnaden das Häuselein zu Myrow, so etwa der gewesene Compter Jloff sehliger an den Kirchhoff hatt bawen lassen",

zu schenken. Eben so heißt es auch in der Bestätigung vom Jahre 1596 von dem Hause:

"so etwa ein gewesener Comptor Herr Jloff genanndt auffn Kirchhof zu Myrow bawen lassen".

Es scheint also nicht zweifelhaft zu sein, daß dieser zu Mirow wohnende "gewesene Comthur" Jloff der ehemalige, abgesetzte Comthur Mathias v. Jlow von Kraak ist, zumal da er 1568 der "gewesene Compter seliger" genannt wird, und hier das Wort "gewesener" sich nicht auf seinen Tod beziehen kann, der durch das Wort "seliger" bezeichnet

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wird. Der regierende Comthur von Mirow würde auch im Comthureihause gewohnt und sich nicht ein "Häuselein" am Kirchhof zur Wohnung haben bauen lassen.

Die Johanniter=Priorei Groß=Eixen oder Prior=Eixen hatte kein bedeutendes Ansehen und daher ging die Säcularisirung leicht von statten (vgl. Jahrb. I. S. 56 flgd.). Der letzte Prior Matthäus Role (seit 1527) verschwindet während der Reformation mit der Zeit ganz und der Herzog Johann Albrecht schenkte schon im Februar 1552 das Gut seinem Canzler Johann von Lucka.

Vignette
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II.

Das Land Drenow.

von

Dr. G. C. F. Lisch.

D as "Land Drenow" war im Meklenburgischen Staats=Archive und jetzt auch durch das Meklenburgische Urkundenbuch 1 ) nur aus einer Urkunde bekannt; die Lage desselben konnte aber nicht nachgewiesen werden, wenn sich auch vermuthen ließ, daß es in der Gegend von Doberan zu suchen sei, da es zusammen mit der Abtei Doberan aufgeführt wird. Am 30. April 1326 gab nämlich der Ritter Wipert v. Lützow dem Fürsten Heinrich von Meklenburg "das Land Drenow mit der Abtei Doberan" ("terram Drenowe cum abbacia Doberanensi"), d. h. den fürstlichen Gerechtigkeiten an der Abtei, zurück, welches ihm und seinen Erben verpfändet gewesen war 2 ). Darauf kam mir noch eine andere Urkunde in die Hände, welche auch schon im Meklenburgischen Urkundenbuche kurz berührt ist. Am 4. April 1372 überließ der Herzog Albrecht von Meklenburg dem Bischofe Friedrich von Schwerin nach langen Wirren "Haus, Stadt, Land und Vogtei Schwan, mit Cröpelin, mit der Drenow, mit der Abtei Doberan und mit Eikhof" zum lebenslänglichen Genießbrauch 3 ). Damit war aber auch die Lage noch nicht gefunden, wenn auch schon mehr annähernd bezeichnet.


1) Erwähnt von mir ist die Drenow beiläufig schon in Jahrb. XI, 1846, S.199.
2) Vgl. Anlage Nr. 1.
3) Vgl. Anlage Nr. 2.
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Glückliche Entdeckungen in neuern Zeiten bei Gelegenheit anderer Forschungen haben nun die Lage des Landes und seine nicht unwichtige Geschichte klar erkennen lassen. Um für die Darstellung das Ergebniß vorweg zu nehmen, - die Beweise werden weiter unten geliefert werden, - so läßt sich, so weit die Geschichte reicht, jetzt mit Bestimmtheit sagen, daß das Land Drenow den Raum bildete, welcher zwischen den Gebieten der Stadt Rostock an der Unter=Warnow und der Abtei Doberan 1 ) liegt, oder nach alten und neuen kirchlichen Begrenzungen die Pfarren Lichtenhagen und Lambrechtshagen umfaßt, vom Meere bis zur Vogtei Schwan. In den Urkunden vom 27. Junii 1429 und 1. Junii 1467 wird "Lichtenhagen als auf der Drenow" liegend ausdrücklich wiederholt bezeichnet, und in der Urkunde vom 22. Novbr. 1470 werden die Besitzungen bekannter Pfandnehmer "Güter auf der Drenow" genannt. Es ist möglich, daß in alten Zeiten das Ländchen eine größere Ausdehnung gehabt hat, und daß manches davon an Doberan und Rostock gekommen ist. Ja es ist möglich, daß der Haupttheil der Abtei Doberan und das Kloster einst zum Lande Drenow gehörte; dafür scheint zu sprechen, daß in alter Zeit "die Abtei Doberan mit der Drenow" zusammen aufgeführt wird ("terra Drenowe cum abbacia Doberanensi"). Im 15. Jahrhundert, als beide große Stiftungen schon völlig ausgebildet waren, lassen sich aber die Grenzen des Landes Drenow nicht weiter ziehen, als hier angegeben ist.

Alle Dörfer in diesen Pfarren auf der Drenow sind "Hagendörfer", wie sie in der Urkunde vom 7. Septbr. 1425 genannt werden. Bei Rostock und Doberan giebt es schon viele Dörfer mit wendischen Namen, waren daher schon zur wendischen Zeit bebaut 2 ). Die ganze Drenow war also in wendischer Zeit sicher wilder Wald und ward nach der christlichen Eroberung sächsischen Colonisten zur Urbarmachung hingegeben. Und hierfür scheint auch der wendische Name


1) In den alten Urkunden der Abtei Doberan wird ein Land oder eine Gegend Cubanze genannt. Diese Gegend wird westlich von Doberan bei Cröpelin zu suchen sein.
2) Die Drenow war also Wald. Die Gegend von Doberan war aber ein altes wendisches Culturland, wie die wendischen Namen der Ortschaften beweisen, welche neben einander liegen: Dorf (jetzt Flecken) Doberan, Hof Doberan (Althof), Parkentin, Stülow, Putekow (jetzt Hohenfelde), Domastiz (jetzt Ivendorf) u. s. w. Alle diese Ortschaften, welche später an das Kloster Doberan kamen, waren ohne Zweifel altes wendisches Tempelgut.
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Drenow zu sprechen. Drenow wird nämlich Waldgegend, Waldland, Holzland, bedeuten. In der wendischen Sprache der Ober=Lausitz heißt Drewo: Holz, Drewno: Baum, daher der Ort Drehna bei Uhist, früher: Drjewnow. Bei Colbaz in Pommern lag 1235 ein Wald Dren - in ("sylua Drenin"), auch Trnina 1 ). Trnina heißt böhmisch: Dorngebüsch, Rasen, und Dren: Holzspan. Dren - ow und Dren - in werden also gleichbedeutend sein und Waldland bedeuten, und - hagen ist gewissermaßen eine deutsche Uebersetzung von Dren - ow 2 ).

Wenn auch der größere Teil des Landes Bauergut war, so ist das ganze Land, so weit sich die Geschichte verfolgen läßt, immer fürstliches Eigenthum und Lehn gewesen und in der Zeit der neuern Geschichte wieder Domaine geworden. Geistlich ist das Land nie gewesen.

Die Eigenthümlichkeiten und Schicksale des Ländchens lassen sich am besten aus seiner Geschichte und der Geschichte seiner Besitzer erkennen.

Im 13. Jahrhundert werden das Land und die Güter gar nicht, im 14. Jahrhundert nur in den oben angeführten beiden Urkunden genannt.

Seit dem ersten Viertheil des 15. Jahrhunderts wird aber die Geschichte der Drenow=Güter plötzlich ganz klar, indem ungewöhnlich viele Urkunden darüber reden. Alle Güter, namentlich Lambrechtshagen, Lichtenhagen und Blisekow, welches der Hauptlehnhof gewesen zu sein scheint, sicher mit mehreren Nebendörfern, z. B. Elmenhorst, erscheinen um das Jahr 1425 im Lehnsbesitze der adeligen Familie v. Gummern, welche um das Jahr 1500 ausgestorben ist. In den Kirchen zu Lichtenhagen und Lambrechtshagen ist aber keine Spur mehr von den Gummern zu finden.


1) Vgl. Kosegarten Cod. Pom. dipl. I, Anm. zu No. 222, pag. 488.
2) Mit der "Drenow" ist die "Damerow" nicht zu verwechseln, ein Feld, welches an die Drenow grenzt. Es liegt westlich von Rostock, zwischen dem Stadtfelde und Friedrichshöhe (zu Groß=Schwaß gehörig), so wie zwischen Barnstorf und Biestow, südlich vom Wege von Rostock nach Parkentin. Früher war es nach den Mittheilungen des Herrn Pastors a. D. Ritter zu Friedrichshöhe eine Meierei des Hofes Barnstorf und diente wohl nur zur Schafweide. Vor etwa 20 Jahren ward vom Heiligen=Geist Hospital ein Theil zu Erbpacht verkauft. Jetzt ist der nördliche Theil zum Exercierplatz für die Rostocker Garnison bestimmt. Ob die Damerow die Bezeichnung einer Gegend oder der Name eines untergegangenen Dorfes ist hat sich noch nicht ermitteln lassen.
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Die v. Gummern erscheinen erst spät in Meklenburg ansässig. Der Name kommt erst im 14. Jahrhundert nur 2 Male vor: 1348 Arnold v. Gummern, Knappe, in einer Schuldverschreibung neben mehreren andern meklenburgischen Adeligen, und 1384 Arnd v. Gummern zu Bartelsdorf bei Rostock. Darauf erscheinen sie in ununterbrochener Reihe nach dem Jahre 1420 auf der Drenow wohnhaft. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß die v. Gummern Fremde waren und in Meklenburg eingewandert sind. Wahrscheinlich stammen sie von dem Orte Gummern, Dorf mit 7 Ackerhöfen und einem adeligen freien Vorwerk in der Landdrostei Lüneburg, Gericht Gartow, Kirchspiel Schnakenburg 1 ); ein zweiter gleicher Ortsname ist in Norddeutschland nicht zu finden.

Von Bedeutung für die vorliegende Frage ist das Wappen der v. Gummern. An ihren zahlreichen Urkunden hangen noch zahlreiche Siegel, von denen aber die meisten schlecht ausgedrückt sind, wie häufig die Siegel im 15. Jahrhundert. Aus einigen bessern Exemplaren läßt sich aber sicher erkennen und darnach aus den übrigen herausfühlen, daß sie einen schräge liegenden geästeten Stamm oder einen abgehauenen Ast mit 3 Zweigen oder Blättern im Schilde führten 2 ). Denselben Schild führten auch die adeligen Familien v. Bevernest und v. Platen (Plote), auch die v. Grävenitz und v. Rathenow, welche alle in der Prignitz angesessen waren und nicht lange nach den v. Gummern nach Meklenburg kamen. Die v. Bevernest saßen auf Gülitz bei Putlitz, die v. Platen auf Quitzow und Kumlosen, also nahe bei Gummern. Ich habe in den Jahrb. XXIII, S. 41 flgd. nachgewiesen, daß diese beiden letztern Familien sicher stammverwandt waren. Es wird also wahrscheinlich sein, daß auch die v. Gummern mit diesen stammverwandt waren.

Dieses mutmaßliche Verwandtschaftsverhältniß scheint durch ganz besondere Ereignisse bestätigt zu werden. Die Familie v. Bevernest erscheint nämlich beim Ausgange des Geschlechts v. Gummern im Besitze der Güter desselben auf der Drenow und tritt damit zuerst in Meklenburg auf. Am 18. Julii ("midwekens na divisionis apostolorum") 1492


1) Vgl. Manecke Beschreibung des Fürstenthums Lüneburg, II, S. 166.
2) Die älteren Genealogen, z. B. zuletzt noch C. L. v. Pentz, erkennen dieses Wappen der v. Gummern nicht scharf, sondern geben nur eine umständliche, aber unverständliche. Beschreibung der Wappenfigur. Vgl. Jahrb. XI, S. 443.
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bekennt Werneke Bevernest auf Lambrechtshagen ("erfseten thom Lambrechtshagen"), daß der Baccalaureus Joachim Papeke von den 20 Mark sundisch jährlicher Rente, welche dieser zu seiner Dompräbende zu St. Jacob in Rostock aus seinen Gütern Lambrechtshagen und Blisekow ("von den Gummeren seliger dechtnisse vormals versegelt") zu erheben hat, auf 3 Jahre jährlich 4 Mark schwinden lassen will, da die Güter in den vergangenen Kriegsläuften zum meisten Theil verwüstet seien. Am 20. Septbr. 1500 tritt die Wittwe des verstorbenen Werneke Bevernest die von den v. Gummern nachgelassenen Güter den Herzogen gegen Entschädigung ab 1 ).

Seit dem ersten Viertheil des 15. Jahrhunderts läßt sich die Familie v. Gummern in Meklenburg ununterbrochen durch Urkunden verfolgen. Sie erscheint zuerst 1422 zu Lambrechtshagen und 1423 zu Lichtenhagen. Die Urkunden, welche von ihnen übrig geblieben sind, sind sehr zahlreich; es sind über 70 Stück in den Archiven zu Schwerin und Rostock vorhanden und zur Ansicht gekommen. Die v. Gummern werden in schwachen Geldverhältnissen gelebt haben; denn bei weitem die meisten dieser Urkunden sind cassirte Schuldverschreibungen, welche wahrscheinlich von den Herzogen bei der Einziehung der Güter eingelöset worden sind. Den Inhalt aller dieser Urkunden, wenn auch nur in kurzen Zügen mitzutheilen, würde viel zu weit führen und sehr unerquicklich sein.

Die ersten v. Gummern, welche auf der Drenow im Zusammenhange nachzuweisen sind, waren 1425 die Brüder Heinrich (Priester), Arnd, Lüdeke und Claus und ihr Vetter Arnd, Mathias Sohn.

Eine bedeutende Rolle in der Geschichte der v. Gummern spielt die Rostocker Patricier=Familie Kruse. Nicht wenige der vielen Gummernschen Schuldverschreibungen sind auf die Kruse ausgestellt, so daß diese sehr festen Fuß in den Gütern gewannen.

Am 7. Septbr. 1425 verkauften wiederkäuflich die Brüder Heinrich (Priester), Arend, Lüdeke und Claus v. Gummern und ihr Vetter Arend, des Mathias Sohn, mit Genehmigung seiner Mutter Abel, dem Rostocker Rathmann Berend Kruse 2 ) 42 Mark Rente aus dem "Hagendorfe" Lichten=


1) Vgl. Anlage Nr. 8.
2) Ueber die Rostocker Patricier=Familie Kruse vgl. Jahrb. XI, S. 198, und das Wappen des Ratsherrn Bernd Kruse vom Jahre 1426 dazu Lithogr. Taf. III. Nr. 3.
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hagen ("bei Warnemünde") für ein Capital von 600 Mark 1 ).

Als Güter der Familie v. Gummern werden im 15. Jahrhundert häufig genannt die Güter Lambrechtshagen, Lichtenhagen, Blisekow und Elmenhorst, zu denen wahrscheinlich noch angrenzende Bauerdörfer gehörten.

Am 13. Novbr. 1436 verpfändete Lüdeke v. Gummern zu Blisekow mit Bewilligung seines Bruders Claus und seines Vetters Arend zu Lambrechtshagen dem Berend Kruse 4 Mark Rente für 50 Mark aus 2 Bauerhöfen zu Lambrechtshagen oder aus seinen sonstigen Gütern zu Lambrechtshagen, Blisekow und Lichtenhagen.

Die v. Gummern und Kruse waren wohl mannigfach Herrschaften des Ländchens Drenow. In den Jahren 1428 und 1429 war der genannte Heinrich v. Gummern, welcher schon 1425 und 1426 sicher als Priester vorkommt, und im Jahre 1467 Herwich Kruse auch Pfarrer ("kerkhere") zu Lichtenhagen.

Die nächsten bedeutenden adeligen Nachbaren der v. Gummern waren nach Westen hin die Mitglieder der um das Jahr 1515 ausgestorbenen, bedeutenden adeligen Familie v. Axekow, welche von Neuhof, südlich von Doberan, bis nach Gnemern hin zahlreiche Besitzungen hatten und mit denen die v. Gummern wohl vielfach verschwägert waren, wie die beiderseitigen Vornamen Mathias, Arnd und Claus anzudeuten scheinen. Nach einem Leichensteine 2 ) in der Klosterkirche zu Doberan, welche die Begräbnißstätte der Familie v. Axekow war, war des Claus v. Axekow Ehefrau eine Tochter des Arend v. Gummern. Claus v. Axekow aber war ein Sohn des Ritters Johann v. Axekow, welcher ein Bruder des berühmten und viel geltenden Ritters Mathias v. Axekow († 23. Junii 1445) war. Am 7. Septbr. 1425 waren Friedrich und Karsten v. Axekow auch Zeugen einer Schuldverschreibung der Brüder v. Gummern.

Bald nach ihrem ersten Auftreten erscheinen die v. Gummern in sehr zahlreichen Urkunden oder vielmehr Schuldverschreibungen. Und damit tritt auch das Land Drenow klar in die Geschichte.

Am 27. Junii 1426 verpfändete der schon genannte Claus v. Gummern, Arends Sohn, mit Bewilligung seiner Brüder dem Karthäuserkloster Marienehe 3 ) bei Rostock "9 Mark


1) Vgl. Anlage Nr. 3.
2) Vgl. Jahrb. IX, S. 441 und 442.
3) Vgl. Anlage Nr. 4.
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Rente aus seinem Dorfe Lichtenhagen auf der Drenow" ("Lichtenhagen uppe der Drenowe"), und am 1. Junii 1467 wieder 1 ) ein Claus v. Gummern zu Blisekow demselben Kloster 2 Mark Rente aus dem "Dorfe Lichtenhagen auf der Drenow" ("uppe der Drenowe"). Hier wird also die Drenow sehr klar bezeichnet.

So ging es fast 50 Jahre in der Familie fort, bis sich das Geschlecht und sein Vermögen zu Ende neigte.

Da gab, wohl in Voraussicht des nahenden Endes der v. Gummern, der Herzog Heinrich dem Rostocker Burgemeister Berend Kruse am 22. Novbr. 1470 2 ) einen besonders wohlwollenden Sicherheitsbrief, in dem er demselben aus besonderer Gunst und Gnade um seines treuen Dienstes willen den Besitz alles dessen, was ihm und seinen Vorfahren von Vasallen ("guden mannen") und Andern im Lande verpfändet und verbrieft war, besonders in "dem Toitenwinkel" 3 ) von den Moltken und auf der Drenow von den Gummern, bestätigte und versicherte und ihn und seinen Erben mit solchen Gütern in Schutz, Schirm und sonderliches Geleit nahm 4 ). Damals war also "die Drenow" für den hier bezeichneten Landstrich noch ein bekannter Name, der hier urkundlich zuletzt vorzukommen scheint.

Nach der Versicherung des Herrn Pastors Dr. Wöhler zu Lichtenhagen und des Herrn Pastors Matthes zu Lambrechtshagen ist in beiden Pfarren keine Spur der Erinnerung an das Land Drenow übrig geblieben. Nach dem Berichte des Herrn Amtsverwalters Burchard zu Rostock wissen die darum befragten Schulzen der linkswarnowschen Dörfer des Amtes Toitenwinkel, welche also an und auf der Drenow liegen, nichts mehr von diesem Lande.

Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts ging es mit dem Leben und dem Vermögen der Gummern zu Ende. Die Letzten des Geschlechts waren, so viel sich hat ermitteln lassen, folgende:


1) Vgl. Anlage Nr. 5.
2) Vgl. Anlage Nr. 6.
3) "Der Toitenwinkel" war damals der Name für den ganzen ehemaligen Moltkeschen Güterbesitz am rechten Ufer der Unter=Warnow, Rostock gegenüber, welcher jetzt den Hauptstamm des Amtes Toitenwinkel" bildet. Gegenwärtig ist der Name auf das eine Landgut Toitenwinkel beschränkt, welches früher auch wohl Toitendorf hieß.
4) Vgl. Anlage Nr. 6.
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Arnd, Ritter, † vor 1426. - Claus 1425 - 1479, † vor 1492. Gem. Anna 1479 - 1505. - Arnd. - Töchter, Klosterjungfrauen. - Hans 1457. - Mathias 1474 minderjährig, 1500. † vor 1531. - Hans 1531.

In ihrer Bedrängniß warfen sie sich nun den Herzogen in die Arme. Der letzte von der Hauptlinie war Claus v. Gummern. Dieser trat am. 15. August 1479 den Herzogen Albrecht und Magnus den Hof zu Lambrechtshagen und all sein Erbe und Anfall im Lande ab, wogegen die Herzoge seine Hausfrau Anna mit allen diesen Gütern auf ihre Lebenszeit belehnte und beleibzüchtigte 1 ). Diese Anna ist in den letzten Jahren dieser Geschichte die Hauptperson. Claus v. Gummern wird nicht lange darnach gestorben sein. Es lebte zwar noch sein Vetter Mathias von der jüngeren Linie; aber dieser wird die noch übrigen Güter auch nicht haben halten können. Da warfen sich zuletzt noch, wie oben schon erwähnt ist, die v. Bevernest 2 ), mit denen die von Gummern gleiches Wappen hatten, ins Mittel. Am 18. Julii 1492 war Werneke Bevernest im Besitze der Güter Lambrechtshagen und Blisekow "von den Gummern seliger Gedächtniß". Claus v. Gummern war damals also todt. Werneke Bevernest wird bald auch ohne Leibeserben gestorben sein. Denn am 20. Septbr. 1500 verglichen sich die Herzoge Magnus und Balthasar mit dessen Wittwe dahin, daß diese denselben "die nachgelassenen Güter der Gummern und ihr Erbe" gegen eine Entschädigung an Geld und Naturalien abtrat 3 ). Von der jüngern Linie war noch Mathias v. Gummern übrig, welcher 1474 noch minderjährig war. Dieser verkaufte am 15. Novbr. 1500 der gedachten Anna, des Claus v. Gummern Wittwe, und ihren Kindern seinen ganzen erblichen Anfall in Lambrechtshagen, Lichtenhagen und Blisekow für 500 Mark sundischer Münze 4 ).


1) Vgl. Anlage Nr. 7.
2) Vgl. auch Jahrb. XXIII. S. 51.
3) Vgl. Anlage Nr. 8.
4) Vgl. Anlage Nr. 9.
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Also kam die Wittwe Anna v. Gummern in den Besitz des letzten Restes der Güter. Dieser Besitz mag ihr wohl beschwerlich geworden sein; ihr Sohn Arnd verschwindet aus der Geschichte, ihre Töchter waren im Kloster. Mathias v. Gummern wird auch wohl früh gestorben sein.

Am 3. Januar 1505 1 ) errichteten die Herzoge Balthasar und Heinrich von Meklenburg mit Anna, des verstorbenen Claus v. Gummern nachgelassener Wittwe, einen vollkommenen Vergleich über die von den v. Gummern hinterlassenen Güter, welche alle damals theils dieser Anna, theils schon den Herzogen gehörten. Anna trat der Gummern Güter Lambrechtshagen, Lichtenhagen und Blisekow, welche schon zum Heimfall standen, und alle ihre Gerechtigkeiten den Herzogen ab. Die Herzoge gaben ihr dagegen 300 gute Mark und versicherten ihr jährlich die Bestellung einer halben Hufe Ackers, auf der sie wohnte, und das nöthige Holz zur Feuerung; den Töchtern, Klosterjungfrauen, versicherten sie das jährlich zu geben, was sie bis dahin genossen hatten. Dafür trat Anna den Herzogen die Güter und alle ihre Gerechtigkeiten "gänzlich" ab und versprach, denselben alle und jede "Briefe, Instrumente und Scheine" auszuliefern. Aus dieser Auslieferung stammen denn im Archive ohne Zweifel die zahlreichen (70) Urkunden, meist Schuldverschreibungen, welche alle cassirt, also ohne Zweifel von den Herzogen eingelöset sind.

Auf diese Weise kamen die Herzoge wieder in den Besitz der Güter als heimgefallener und theuer eingelöseter Lehen. Die Herzoge behielten daher die Güter als Domainen, und stellten sie nach der Aufhebung des Klosters Doberan im Jahre 1552 unter die Verwaltung des fürstlichen Amtes Doberan, wozu sie noch heute gehören. Dem Kloster Doberan haben die Güter nie gehört, wenn das Kloster auch einige Gelder in denselben stehen hatte.

Ein Vierteljahrhundert später taucht noch ein Mal ein v. Gummern auf, aber um spurlos wieder zu verschwinden. Im Jahre 1531 klagte ein Hans v. Gummern, des Mathias v. Gummern Sohn, schriftlich bei den Landständen auf dem Landtage, daß sich der Herzog Magnus nach dem Tode seines Vetters Claus v. Gummern dessen Lehngüter Blisekow, Lichtenhagen und Lambrechtshagen "ohne alle vorhergehende Rechtserkenntnisse" angemaßt habe, obgleich sein verstorbener Vater "rechter und nächster Mage und Lehns=


1) Vgl. Anlage Nr. 10.
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erbe" gewesen sei; als ein "armer und junger Geselle" bitte er um Vertretung bei den Herzogen, da er in "seinen unmündigen Jahren" nicht zu seinem Rechte habe kommen können. Aber er wußte nicht oder verschwieg, daß sein Vater am 15. Novbr. 1500 alle seine Rechte an Anna v. Gummern verkauft 1 ) hatte, welche später als alleinige Besitzerin den Herzogen die Güter auf rechtmäßige Weise abtrat.



1) Vgl. Anlage Nr. 9.
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Anlagen.


Nr. 1.

Wipert v. Lützow, Ritter, bekennt, dasz der Fürst Heinrich von Meklenburg das jenem verpfändete Land Drenow mit der Abtei Doberan eingelöst hat, und verpflichtet sich, die Stücke, welche er selbst weiter verpfändet hat, bis zum nächsten Martinitage einzulösen.

D. d. Wordingborg. 1326. April 30.

Omnibus presens scriptum cernentibus Wipertus de Luyzowe, miles, salutem in domino. Tenore presencium recognosco publice protestando, quod, cum dominus meus karissimus vir nobilis dominus Hinricus Magnopolensis, Stargardie et Rozstok dominus, terram Drenowe cum abbacia Doberanensi michi et meis heredibus quondam obligatam a me redemerit et michi condigne satisfecerit pro eisdem, ipsas terras et bona, quantum ad omnia per me in eisdem vlterius obligata, infra instans festum beati Martini proximum redimere debeo et domino meo restituere libera et quitata, renunctians per presentes omni iuri, quod michi vel meis heredibus competit vel competere potuit aut poterit in premissis. Pro quibus ego et vna mecum Johannes, Volradus et Busso, fratres mei, promittimus fide data. Jn cuius rei testimonium sigilla meum videlicet et predictorum fratrum meorum presentibus sunt appensa. Datum Wordingeborg, anno domini M°CCC°XX° sexto, in profesto apostolorum Philippi et Jacobi.

Nach dem Original im Haupt=Archive zu Schwerin, gedruckt im Meklenb. Urk.=Buch Bd. VII, Nr. 4723. Die Urkunde trägt an eingehängten Pergamentstreifen vier schildförmige Siegel, sämmtlich mit einer schräge rechts liegenden Leiter mit 4 Sprossen, Nr. 1, 2, 3 auf

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glattem, Nr. 4 auf gegittertem Grunde. Nr. 2 ist zerbrochen. Die Umschriften lauten:

1) (abgebildet im Meklenb. Urk.=Buch Bd. VI, zu Nr. 4048):
      Umschrift
2) Umschrift
3)        Umschrift
4)      Umschrift

Vgl. Urkunde vom 4. April 1372.


Nr. 2.

Albrecht, Herzog von Meklenburg, überläßt dem Bischofe Friedrich von Schwerin auf Lebenszeit zum unbeschränkten Genießbrauch Haus, Stadt, Land und Vogtei Schwan mit Cröpelin, der Drenow und der Abtei Doberan und Eikhof mit der Vogtei.

D. d. Rostock. 1372. April 4.

In gades nâmen. Amen. Wy Albrecht, van des zuluen gnâden hertoghe to Mekelenborch, greue to Zwerin, to Rostok vnde to Stargarde here, myt vnzen rechten eruen bekennen vnde bethûgen ôpenbâre in desseme brêue, dat wy vnde vnzen rechten eruen na râde vnzer trûwen râtgheuen hebben ghelâten vnde lâten in desseme iêghenwardigheu brêue dor sunderliker vrunscop vnde dor rechter lêue willen deme êrbâren vâdere in gode biscop Frederike to Zwerin, al de wîle dat he leuet, Sywan hvs, stat vnde lant vnde voghedîge, myt Cropelyn, myt der Drenow , myt der abbedîge to Doberan, also se ligghen. in eren schêden vnde den Eghof mit der voghedîge, brûcliken to besittende myt al eren tôbehôringhen vnde myt al erer nŮt vnde vrucht, welkerleyge nâmen de hebben môghen, dâr nicht v ring t to nemende, dat em to schâden kômen mach, [wi beholden âuer vs vnde vsen eruen orsedênst vnde kerklên, âne dat kerklên to dem Eklenberge]. Vnde desse vôrbenômeden pande scole wy edder vnze eruen nînerleyghe wîs van deme vôrbenômeden. biscop Frederike lôsen al de wîle dat he leuet, men he scal alle desse pande al sîne leuedâghe v ring t beholden vnde gantzliken âne iênerleyge bewernisse vnde hynder hebben

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vnde brûcliken besitten. Wan biscop Frederik ôuer dôet is, so môghe wi eder vnze eruen den Eghof lôsen van des vôrbenômeden biscop Frederikes nâkômelinghe biscopen vnde van deme capittele vnde der kerken to Zwerin, vnde Sywan van sînen eruen oder wene he dâr to beschêdet vnde gift, in alsodâner wîs, als vse brêue sprekeu vnde lûden, de wi na râde vnzer eruen dâr vp ghegheuen hebben. To tûghe desser dingh hebbe wi hertoghe Albercht vôrbenômet dessen brêf twêualdich gegheuen beseghelt myt vseme grôten ingheseghele, de gheuen syn to Rostok na godes bôrt drutteynhundert iâr in deme twê vnde sôuentichsten iâre, in deme nêghesten sŮndâghe na Paschen. Tûge syn vnze lêuen trûwen: Hinrik van Bulow to Godebutze, Johan Knop, Mathias Rauen, riddere, vnde her Johan Swalenbergh, vnze kentzeler, vnde andere lûde de trûwe werdich synt.

Nach dem zum Original bestimmt gewesenen Entwurfe auf Pergament im Staats=Archive zu Schwerin. Die Löcher zur Einhängung der Siegelschnur sind schon eingeschnitten. Die in [ ] eingeschlossene Stelle ist von anderer Hand auf dem Rande beigeschrieben und daher wohl diese Ausfertigung als Original verworfen.


Nr. 3.

Heinrich, Arend, Lüdeke und Claus, Brüder, v. Gummern und Arnd v. Gummern verkaufen wiederkäuflich dem Rostocker Rathmann Bernd Kruse 42 Mk. Rost. Pf. jährlicher Pacht aus Lichtenhagen für 600 Mk.

D. d. Rostock. 1425. Septbr.7.

Wy her Hinrick, Arnd, Ludeke vnde Clawes, brôdere, hêten Ghummeren, vnde Arnd van Ghummeren, Mathias sône, myt vulbôrd vor Abelen myner môder, bekennen vnde betûghen ôpenbâr an desseme brêue, dat wy na râde, willen vnde vulbôrd vnser eruen vnde nêghesten vrund vde alle der yênnen, den dâr wes ane is efte wesen mach in thôkâmenden tiden, hebben rechtliken vnde redeliken vorkoft vnde vorlaten, vorlâten vnde vorkôpen noch yêghenwardich in desser scrift deme êrbâren manne her Bernd Krusen, râdtmanne tho

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Rostocke, vnde synen rechten eruen twêvndevêrtich marck Rostocker pennynghe iârliker renthe vôr seshundert marck der suluen munthe, de he vns rede ôuertellet vnde to dancke wol betâlet heft. Desse twêvndevêrtich marck gheldes iârliker renthe sette wy em an vnzen ghantzen hâghendorpe vnde gûde to deme Lichtenhaghen, beleghen by Warnemunde an deme lande tho Mekelenborch, - - - vpthoborende von den inwôners vnde besitters des zuluen hâghens vnde dorpes vorbenômet. - - - Ock so schole wy vnde willen vnde vnze eruen her Bernde vnde synen eruen dyt zulue vôrbenomede ghûd vorlâten vôr den leenherren, wan her Bernd efte syne eruen dat van vns êschende synt. - - - Dat lôue wy her Hinrick, prêster, Arnd, Ludeke, Clawes, Arnd hêten de Ghummeren vôrbenômet to lîken hôuetlûden. - - - Jn tûchnysse desser dynck so hebbe wy vnse ingheseghele wêtende henghet vôr dessen brêf vnde [de] duchtighen knapen alze Bernd Kempe, Erick Swertze, Frederik Axekow vnde Kersten Axkow hebben to tûghe vnde tho witlicheyt ere ingheseghele vmme vnser bede willen mede ghehenghet vôr dessen brêf, de gheuen vnde screuen. is to Rostock na der bôrt Christi veerteynhundert iâr dâr na an deme vyffvndetwintighesten iâre, an vnser lêuen frouwen âuende also se ghebôren wart des hilghen werden festes.

Nach einer ungefähr gleichzeitigen Abschrift auf Papier im Staats=Archive zu Schwerin. Auszug.

"Her Hinrick van Gummeren, prester," war 11. Novbr. 1428 und 13. Novbr. 1429 "kerkhere to deme Lichtenhaghen".


Nr. 4.

Claus v. Gummern verpfändet dem Karthäuser= Kloster Marienehe 9 Mark Rostocker Pf. jährlicher Rente aus dem Dorfe Lichtenhagen auf der Drenow.

D. d. 1426. Junii 27.

Ik Clawes van Ghummeren, her Arndes sône van Ghummeren zeligher dechtnisse, myt mynen

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rechten eruen, bekennen vnde betûghen ôpenbâre yn dessem brêue vôr aIIen lûden, de ene zeen edder hôren lesen, dat ik na râde, willen vnde vulbôrt aller myner nêghesten vrunt vnde sunderghen myner brôdere her Hinrikes vnde Ludeken van Ghummeren ghehêten vnde alle der yênen, den dâr wes ane is edder wesen mach yn tôkômenden tyden, hebbe rechtliken vnde reddeliken vorkoft vnde vorlâten, vorkôpe vnde vorlâte in desseme brêue deme êrwerdigen ghêstliken vâdere brôder Hinrike prîor vnde deme ghantzen conuente der monike vnde brôdere des hûses to Marien ee, des ordens der Carthûsere, vnde allen eren nâkômelinghen in deme suluen hûse in tôkômenden tiiden neghen mark gheldes yârliker renthe ghûder Rozsteker pennynge in vnseme dorpe vnde ghûde to deme Lichtenhaghen vppe der Drenowe - - - vôr twelftehalue lôdighe mark suluers. - - - Vortmer so hebben de vôrscreuen prîor vnde conuent my vnde mynen eruen na my de gnâde gheuen, dat wy de neghen mark gheldes môghen wedderkôpen. vôr also vele lôdiges suluers, alse hîr vôre screuen steyt. - - - Ghegheuen vnde screuen na godes bôrd vêrteynhundert iâr dâr na yn deme ses vnde twintigesten iâre, des dinkstedâghes na sunte Johannes dâghe des dôpers to syner bôrd.

Nach dem durchschnittenen Originale auf Pergament im Staats=Archive zu Schwerin. Auszug. Angehängt sind 3 Pergamentbänder, an denen jedoch die Siegel gänzlich fehlen.

Auf der Rückseite steht von jüngerer Hand:

Hir up uth gheghefen twe hundert vnde druttich marck Sunden, vor XI 1/2 marck lodeghes suluers, de marck vor X gude marck.


Nr. 5.

Claus v. Gummern zu Blisekow verpfändet dem Karthäuser=Kloster Marienehe 2 Mark Rostocker Pf. jährlicher Rente aus dem Dorfe Lichtenhagen auf der Drenow.

D. d. 1467. Junii 1.

Ik Clawes van Gummeren, knape, wânaftich tho Blisekow, bekenne vnde betûghe âpenbâre in dessem

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yêgenwardighen brêue vôr my vude myne rechten eruen vôr alle den ghênnen, de ene seen edder hôren lesen, dat ik na râde, wyIIen vnde vulbôrt myner rechten eruen vnde nêgesten vrunde hebbe rechtliken vnde reddeliken vorkoft vnde vorlâten, vorkôpe vnde vorlâte nach yêgenwardich in dessem brêue deme êrwerdigen geystlicken vâdere Thymothes dem prîori vnde ganczen conuente, monnyken vnde brôderen des klôsters Marien ee, Carthûsers orden, by Rosztock belegen, vnde alle eren nâkomelyngen in demsuluen clôstere in êwigen thôkêmenden tyden twê margk geldes iarlicker gulde gûder Rosteker schillingere in myneme ghûde vnde dorpe tho deme Lichtenhagen vppe der Drenowe - - - vôr drê vnde druttich mark Rosteker munthe. - - - Vortmer so heft de vôrbenômeden prîor vnde conuent my vnde mynen eruen de gnâde gheuen, dat ick vnde myne eruen de twê marck gheldes môghen wedderkôpen, wen wy willen, vôr drê vnde druttich marck Rosteker munthe. - - - Hîr hebben an vnde ôuer gewesen: her Herwych Kruse, kerckhere tho dem Lichtenhagen vnde Henneke van Gummeren, myn vedder, wânhaftich tho deme Lambrechteszhaghen, de tho thûge vnde to wytschop vmme myner bede wyllen hebben ôck lâten hengen ere ingesegel vôr dessen brêf, de gegeuen vnde geschreuen is na gades bôrdt vêrteynhundert iâr dâr na in deme sôuen vnde sostichsten iâre, an dem nêghesten mândâghe na des hylligen lychammes dâghe unses leuen herren Jhesu xpisti(!) .

Nach dem durchschnittenen Originale auf Pergament im Staats=Archive zu Schwerin. Auszug. Die 3 angehängt gewesenen Siegel fehlen mit den Pergamentbändern.

Auf der Rückseite steht von jüngerer Hand:

Hir up uthgheghefen dre vnde druttich marck Sunden.


Nr. 6.

Heinrich, Herzog von Meklenburg, versichert dem Burgemeister Bernd Kruse zu Rostock den Besitz aller seiner Güter in den Meklenburgischen Landen, namentlich der Güter in dem Toitenwinkel und auf der

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Drenow, und nimmt ihn in Beschirmung und besonderes Geleit.

D. d. Rostock. 1470. Novbr. 22.

Wy Hinrick, van gades gnâden hertoge to Mekelenborch, furste to Wenden, vnde greue to Zwerm, der lande Rostock vnde Stargarde here, bokennen âpenbâre betûgende vôr vns, vnse eruen, sôns vnde alsweme, dâr dat nôth vnde behûff dûnde werdet, in kraft desses vnses brêues, dat wy deme ersâmen vnde wîsen, vnseme andechtigen, lêuen getrûwen her Bernd Krusen, borgermêstere vnser stad Rostock, vmme sunderger gunst, gnâde vnde vmme sînes trûwen dênstes willen, den he vns vnde vnzer herschop vâkene gedân vnde bewîset heft vnde noch in tôkômenden tîden dôn vnde bewîsen mach, hebben bewillet, gegunt vnde tôgelâten alles, wes sînen seligen olderen vnde eme vnde sînen eruen in vnsem lande, vogedîgen vnde gebêden van vnzen gûden mannen vnde den vnsen vnde andersweme to weddeschatte vorkoft, vorpandet, vorsegelt vnde vorbrêuet is, dat si pacht, richte efte dênste, alse sunderges in deme Totenwinkele van den Moltken vnde vppe der Drenowe van den Gummeren vnde van weme anders vnde wôr he anders wes heft vnde heuet in vnsen landen vnde gebêden vôrgenant, so sînen olderen, em vnde sinen eruen dat nû tôkumet, vorsegelt vnde vorbrêuet is, na lûde vnde vtwîsinge sîner brêue, de he dâr vp heft, gegeuen vnde berâmet, [vnde alse eme vnde sînen eruen de nû thôkômet], to hebbende, to besittende, to brûkende vnde to pandende sunder vnse, vnser eruen [vnde sôns] amptmanne [vnde vagede] vorhinderinge: bewillen, gunnen vnde tôlâten desset alle in aller mâthe vnde wîse, alse bâuen berôret is, in kraft vnde macht desses vnses breues, vnd weret dat her Bernde efte sînen eruen in der pandinge vnser hulpe behôf dônde worde, denne scholen vnde môgen vnse vogede eme vnde sînen eruen, wannêre se [van vnser weghen] dârtô geêsket werden, to sodâner pandinge hulpe to dônde, vorplichtiget wesen. Vnde wy hebben ôk den vpgenanten her Bernd Krusen borgermêster vnde sîne eruen mit dessen sînen gûderen vôrgenant vnd allen anderen sînen gûderen, bowechlick vnde vnbowechlick, wôr he de heft in vnsen gebêden vnde landen, vôr vns, vnse sôns vnde de vnsen vnde alle de iênnen, de vmme

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vnsen willen dôn vnde lâten willen vnde scholen van rechtes wegene, in vnse sekere velicheit, bescherminge vnde sunderge geleyde genâmen in kraft desses suluen vnses brêues, vnde willen dat ênême îsliken hîr mede vorkundiget [hebben], vnde her Bernde vnde sînen eruen stede vnde vast sunder alle geuêrde vnvorbrôken to geholden, dat vns vmme ênen îsliken noch gebôre wol steyt to vorschuldende, vnde hebben des to ôrkunde vnde mêrer sekerheit vnse ingesegel hengen lâten benedden an dessen vîlgenanten vnsen brêf, gegeuen vnde geschreuen [in vnser stadt Rostock], na der bôrt Christi vnses heren vêrteynhundert iâr in deme sôuentighesten iâre, an dem dâge beate Cecilie virginis et martiris.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift mit Zuhülfenahme in [ ] einer nach dem Originale beglaubigten Abschrift aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts im Staats=Archive zu Schwerin. Nach mehreren Anzeichen scheinen diese Abschriften von 2 verschiedenen, etwas abweichenden Ausfertigungen genommen zu sein.


Nr. 7.

Albrecht und Magnus, Herzoge von Meklenburg, belehnen und beleibzüchtigen auf Antrag des Claus v. Gummern dessen Ehefrau Anna mit dem Hofe zu Lambrechtshagen und seinem sonstigen Erbe und Anfall auf ihre Lebenszeit.

D. d. Doberan. 1479. August 15.

Wii Albrecht vnde Magnusz, van gades gnâden hertoge to Mekelnborch, furste to Wenden vnde greuen to Zwerin, Rostock vnde Stargarde etc. der lande heren, bekennen âpenbâre betûgende vôr alszweme, dâr des nôth vnde hehôff dônde wert, dat de duchtige vnse lêue getrûwe Clauwes van Ghummeren vôr vns is gewesen vnde heft vôr vns vorlaten den gantzen hoff tom Lamberderszhagen vnde sîn erue vnde anfal, also he dat heft vnde eme in vnsen landen anfallen mach, vnde heft vns vort angefaIIen, vnde dêmôdigen gebeden, wii de êrbârenn vnse lêuen andechtigen sîne eeliken hûsfrouwen

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Annen mit den bâuenscreuen gûderen allen, sunderges mit deme gantzen hâue vnde aller tôbehôringe tôme Lamberdeszhagen to ereme leuende wedder belênen mochten, deme wii vmme sunderger gunst vnde gnâde vnde sîner trûwen dênste willeu so gerne gedân hebben, vnde belênen vnde belîftuchtigen de vpgenanten Annen mit den bâuenscreuen gûderen allen in aller mâthe bâuenberôrt, so dat se sick des gantzen hâues tôm Lamberdeszhagen mit aller tôbehôringe de tiidt eres leuendes rouweliken brûken schal vnde mach vnde besitten so quîth, so frîgh, alse sîne vôrolderen den vôrhen vnde he nâ bethe hêrthô den alderquîtest vnde frîgest gebrûket, beseten vnde gehath hebben. Bâuen dat schal vnde mach se ôk sick sînes erues vnde anfalles, alse he dat heft in vnsen landen vnde noch anfallen mach, rouweliken brûken, so lange dat ere schûth, dâr se recht ane is vnde in vnsen landen wîse vnde wânheit is, in craft vnde macht desses vnses brêues, vnde wôr se furder rechtaftich tô is, den schal se vnuorsûmeth blîuen, vnde hebben des to ôrkunde vnser ênes ingesegele, des wii samentliken hiir to brûken, hengen lâten an dessen brêff. Geuen vnde geschên to Dobbran, na Christi gebôrt vêrteynhundert vnde amme negenvndesôuentigesten iâre, amme dâge Assumpcionis Marie.

Nach dem Originale auf Pergament im Staats=Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt des Herzogs Magnus dreischildiges Siegel in rothem Wachs.


Nr. 8.

Magnus und Balthasar, Herzoge von Meklenburg, vergleichen sich mit der Wittwe des Werneke Bevernest, daß diese den Herzogen die nachgelassenen Güter des Geschlechts v. Gummern gegen eine Entschädigung abtritt.

D. d. Doberan. 1500. Septbr. 20.

To wêthen, dat am âuende Mathei apostoli anno veffteynhundert hebben wy Magnus vnd Baltasar, von gotts gnâden hertogen to Meckelnborg, fursten to Wenden,

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greuen to Swerin, Rotstock vnd Stargarde der lande etc. herrn, vns mit Werncke Beuernestes nagelâthen wedewen vordrâgen vmme die nagelâthen gûder der Ghummern, in mâthen wô hîr nâ volgeth: Tome êrsten scholln vnd willn wy der gedachten frôwen to affdracht twuschen hîr vnd wynachten nêgestkâmende geuen vnnd entrichten vierhundert mark lub., vier dromppt moltes, vier dromet roggen, vnnd so sick die vôrbenômede frôwe vôr sodâner tîdt nicht voranderde, schall sie in sodânem gûde ere vee vthfôdern, weret ôck sie sick vorandernde worde, schollen wy solke gûde vmbehindert annhemen lâten vnd gebrûken, vnd so idt godt vorbêde, die gedâchte frowe sunder eruen in godt vorstorue, schall alsedenne sodâne ghelt der vierhundert mark wedderumme an vns vnnd vnse herscopp vorfallen syn. Hîrmit is alle dinck geszleten vnnd die vôrgnante frowe hefft vôr vns vorlâthen vnd afftich von vâder vnnd môder erue gedhân, nochmâls sie edder nhêmant von erenthweghen dâr vp to sâkende. Solkes alles is in bywesende der duchtigen vnd êrbârn Diderick Beuernestes, Arndt Bibowen vnd Johan Hasekopp geschên. Des to tûge synd desser recessz twê gelîken lûdes, eyne by vns vnd den andern by der vîlgemelten Werncke Beuernestes nâgelâthen wedewen, mit vnsem vpgedruckeden signêten vorsegelt, vorantwerdet. Datum Dobbran, amme dâge vnd iâren wo bâuengeschreuen.

Nach dem Originale, auf Papier, im großherzogl. meklenb. Staats=Archive zu Schwerin. Untergedruckt ist nur Ein kleines Ringsiegel mit dem meklenburg. Wappen.


Nr. 9.

Mathias v. Gummern, des verstorbenen Hans v. Gummern Sohn, verkauft seinen erblichen Anfall in Lambrechtshagen, Lichtenhagen und Blisekow an Anna von Gummern, des verstorbenen Claus v. Gummern Wittwe und deren Kinder, seine Vettern.

D. d. 1500. Novbr. 15.

Ick Matias von Gummern, Hans von Gummern in godt vorstoruen nâgelâten sône, bekenne vnd

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tûge âpenbâre vôr alsweme mit dussem âpenen brêue, de ene sehn effte hôrn lesen, dat ick mit wolbedachtem mûde dat mîne vorkofft vnd vpgelâten vnnd vorlâten vnnd hebbe vorkofft vnnd vppelâten, ock vorlâte to ênem gantzen vullenkamen ende iêgenwardigen in crafft vnnd macht dusses brêues der erbarn frowen Annen von Gummern, vnnd Arndt, zeligen Clawes von Gummern in godt vorstoruen nâgelâtenen wedewen(!), sinen kindern, mînen vedderen, vnnd eren rechten eruen, wônhafftich tome Lamprechtshagen allen mînen er[s]liken anfall in dem Lamprechtshagen, Lichtenhagen vnnd Blisekow, idt sy denne in hôuen, in wischen vnnd in wâteren, mit tôflôten vnnd afflôten, vischerîe, holt vnnd buschen, wege vnnd stege, mit aller rechticheit vnnd frîgheit vnd mit richte vnnd dînste alle, dat sîdeste, middelste vnnd dat hôgste, hals vnnd handt, my dâr nichts inne to beholdende oder bûten to boscheydende, so idt my alderfrîgest angefallen, geeruet vnnd angestoruen is, also dat bâuenschreuen Anna mit eren kindern sodâne gûdere vorkôpen, vorsetten, to ênem gantzen kôpe vorkôpen môge, so vâken als ere dat bequeme is, all vngewêret. Dâr vôr my de frowe Anne mit eren kinderen geuen schall viff hundert marck sundisch in vier tîden to uornôgende vnnd to botâlende, als ynt erste II c marck vp pâschen tôkâmende vnnd dârnegest I c marck vp wînachten nêgestkâmende, âuer ein iâr to dem anderen wînachten hundert vnnd dat leste gelt also XX marck vnnd hundert echter vpp wînachten. Vp den summen des geldes is entfangen touôren LX marck sundesch. Wer idt ock sâke dat die vrowe Anna mit erhen kindern vp sodâne vôrschreuen tîden dâr vôr reyde botâlinge deyt, so vorkôpe ick ere vnnd vorlâte ere, vast to holdende, ick Matias von Gummern to ôrkunde vnnd to witlicheit myn ingesegel vnnd to der witschop der duchtigen vnnd werdigen hêten er Arnt Preen, er Hinrick Preen, er Heyne, Wedege, Hertich Auerberch dersulues witliken gehanget nedden an dussen brieff, die gegeuen vnnd geschreuen is na Cristi gebôrt dûsent V c , sondâges na Martini.

Nach einer Abschrift aus dem zweiten Drittheil des 16. Jahrhunderts im Staats=Archive zu Schwerin. Die Abschrift scheint mit wenig Verständniß sehr flüchtig genommen zu sein.


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Nr. 10.

Balthasar und Heinrich, Herzoge von Meklenburg, vergleichen sich mit Anna v. Gummern, des verstorbenen Claus v. Gummern Wittwe, wegen der Güter Lambrechtshagen, Lichtenhagen und Blisekow und aller ihrer Gerechtigkeiten und finden sich wegen ihres und ihrer Töchter Unterhalt mit ihr ab.

D. d. Schwerin. 1505. Januar 3.

In den gebreken tusschenn vns von gotts gnâdnn Baltasarn vnnde Hinriken, geuettern, hertogen to Meckelnborch, fursten to Wenden, grâuen to Swerin, Rotstock vnnd Stargarde der lannde etc. hernn, vnnd my Annen, Clawes von Gummern zeliger nâgelâthen wedewen, der gûder haluen tôm Lamprechtshagen, Lichtenhagen, Blisekow vnnd sust aller vnnde iêwelker gerechticheit my Annen vôrgedacht inn den suluen gûderenn vnnd andern von mynem huszwercke (!) zeliger nach vnnd hinder ehme gelâthen, tôstân mach, ôck mynes brûtschattes vnde beteringe haluen, so ick vth gedachten, gûdern to hebben vormeyne, is inn der gûde durch de gestrengen, wirdigen vnnd duchtigen ern Henningk Haluerstatt, ritter, Brant vonn Schoneich, cantzlernn, vnnd Clawes Trutman, rentemeister, gehandelt vnnd gededingt vpp mêninge wo hîrnâ volgt, dat wy vpgedachten fursten der gnanten frawen vôr alle vnnd iêwelke ere gerechticheit, so vôrberûrt, scholen vnnd willen vp den vmmeslach des iâres, so men wert schrîuen veffteynhundert vnnd sosse, entrichten, vornûgen vnnd betâlen dryhundert gûde marck, dâr vp sie vp hûtten dato vonn vns twintich marck entfangen, dôrmêde na erem gefallen to handeln, to dhônn edder to lâthen, sunder alle vnnse inrede vnnd insperringe, vnnd dat wy den closteriuncfrawen eren doechternn touôrn iârlick gegeuen hebben, dat schal ehne ôck hinfurder vonn vnns volgen vnnd vornûgt werden, wy wollen ôck der velegedachten frâwen eyne halue hôue ackers mit den dînsten, dôr vppe sie nu wânet, vth den vpgedachtenn gûdern die tyt eres leuends gentzlich bogâden. lâthen, vnnd so vele er to erer fûeringe nôt sîn wert holtes gestâden vnnd sie inn gnedigen scherm vnnd schutt

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mit erer hâue vnnd gûde nhemen vnnd holden. Dârgegen. schal vnnd wil ick vôrgedachte Anna mynen gnedigen hern vôrgenant vonn solker myner gerechticheit vnnd anforderinge gentzlich treden vnd âuelâten, er furstliche gnâde edder ere eruen wedder durch my edder ymants annderes to belangen, noch to bedêdingen; ick schal ôck vnnd wil eren furstlichen gnaden alle vnnd iêwelke brieue, instrument vnnd schyn vp gemelte myne gerechticheit lûdende, so itzunds by my edder nachmals funden, wurden, vorrêcken vnnd vorantwerden to eynem ende eyner bostendigen vnnd vullenkâmen affticht bâuenberûrter myner gerechticheit. Solks hebbenn wy vpgedachtenn parte also angenamen, bewilligt vnnd gelâuet stede vnnd vaste to holden âne iênigerleie argelist effte geuêrde inn crafft dusses brieues. To ôrkunde sîn dusser recesse eynns lûds twên gemâket, mit beider parte sigiln vorsegelt vnnd iêwelken deile eyner gegeuen to Swerin, am frîdâge na Circumcisionis domini, im veffteynhundersten vnnd vefften iâre.

Nach dem Originale auf Pergament im Staats=Archive zu Schwerin. An Pergamentstreifen hangen an erster und zweiter Stelle des

Herzogs Balthasar großes und des Herzogs Heinrich kleines Siegel in rothem Wachs; von dem dritten Siegel in grünem Wachs ist leider die Siegelplatte abgefallen.

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III.

Das heilige Moor bei Sanitz.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n dem Kirchspiel Sanitz, zwischen Rostock und Tessin, hat eine Kirche gestanden, welche bisher ganz unbekannt gewesen ist. In dem noch von katholischen Beamten aufgenommenen Kirchen=Visitations=Protocolle vom Jahre 1534, von welchem mehrere Exemplare vorhanden sind, heißt es in einem einzigen Exemplare:

"Amt Ribnitz.

Sanntze. De kercke is ein furstlich Lehenn."
"Jtem darhenn hort ock de kercke tor Denschenborch".
"Jtem noch hort darhenn de kercke to deme hilligen More ."

Dies ist die einzige Nachricht über die Kirche; alle Versuche, sie sonst noch in den Urkunden und Acten des Archivs erwähnt zu finden, sind fruchtlos geblieben.

Ich wandte mich daher an den Herrn Pastor Voß in Sanitz, um wenigstens noch Ort und Stelle und Sagen aufzutreiben, und diesem ist es denn auch gelungen, einen sichern Anhaltspunkt zu finden. Der Herr Pastor Voß berichtet am 26. Mai 1866 folgendes: "Auf dem Felde des Gutes Vietow, zwischen Sanitz und Tessin, welches zu dem gräflich v. Bassewitzschen Seniorat und zum Kirchspiel Sanitz gehört, liegt rechts am Wege nach Weitendorf auf einer kleinen Anhöhe ein Sumpfloch, welches das "Hillige Moor" genannt wird. Nahe daran liegt der Kapellenberg, und nicht weit davon eine Wiese, genannt das Klosterbruch. Auf dem Kapellenberge hat noch bis

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vor ungefähr 20 Jahren das Fundament einer nicht allzukleinen Kreuzkapelle gestanden. Bei Gelegenheit des Baues der Chaussee nach Tessin hat der damalige Senioratsbesitzer Graf v. Bassewitz=Perlin die granitenen Fundamentsteine zum Chausseebau verkauft, die sehr schönen Ziegel aber sonst verwandt. Zum Andenken hat der Graf jedoch einen großen, ungefähr 6 Fuß langen und breiten, auf einer breiten Fläche ganz glatten Granitblock, welcher zur Schwelle gedient hat, aufrichten und mit kleineren Steinen stützen lassen. Weiter hat sich bis jetzt nichts finden lassen; nur wird gesagt, daß wegen dieser Kapelle an die Pfarre zu Basse noch eine geringe Abgabe gegeben wird, welche jetzt auf das Gut Niekrenz gelegt sein soll."

Der Name und die Stelle dieser Kirche sind also gesichert; das "Klosterbruch" mit einem kleinen Gewässer ist auch noch auf der großen Schmettauischen Karte bei Vietow an der angegebenen Stelle bezeichnet. Da sich weiter gar keine Nachrichten finden, so ist es wahrscheinlich, daß hier kein Dorf, sondern nur eine im freien Felde einzeln stehende Kapelle, vielleicht eine Votivkirche zum Andenken irgend einer Begebenheit, gestanden hat, welche wohl seit der Reformation wüst gestanden und im dreißigjährigen Kriege untergegangen ist. Aus welcher besondern Veranlassung aber die Kapelle erbauet sein mag und woher die Stelle das Heilige Moor heißt, ist völlig unklar. Sagen haben sich bisher auch nicht finden lassen. Eine heidnische mythologische Bedeutung möchte ich in dem Worte "Heilig" nicht suchen. Die Bezeichnung mit "Heilig" ("hillig") kommt auch sonst an Oertlichkeiten im Lande vor, z. B. an Seen. Ich finde darin nur eine Uebersetzung von "Sanct" (heilig), nämlich von dem Namen des Heiligen des Gotteshauses, welchem der Besitz gehörte, wie z. B. "Heiligenhagen" bei Schwan vollständig "Heiligengeisteshagen" hieß, nach dem Hospital zum Heiligen Geist zu Riga, welchem die Besitzung gehörte.


So weit war die Forschung bis zum Jahre 1866 gediehen, als im Frühling 1872 eine urkundliche Entdeckung über diese Kirche überraschendes Licht gab. Unter den Urkunden des St. Georgen=Hospitals vor Rostock, welche zur Benutzung für das Meklenburgische Urkundenbuch dem Staats=Archive auf einige Zeit anvertraut waren, befindet sich nämlich eine Urkunde vom 13. April 1435, durch welche "Guzlav v. Preen zum Hofe, d. i. Oberhof bei

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Sanitz, von dem Gotteshause der heiligen Jungfrau Sanct Katharinen zum Heiligen Moor und dessen Vorstehern und dem Henneke v. Kardorff zu treuer Hand 20 sundische Mark leihet, und demselben dafür eine Mark Geldes aus einem Erbe und Gericht und Dienst aus einem andern Erbe verpfändet" 1 ). .Dies ist nun ohne Zweifel die zur Frage stehende, zur Pfarre Sanitz gehörende Feldkirche zum Heiligen Moor zu Vietow. Henneke v. Kardorff übernahm die Verschreibung "zu treuer Hand", weil er Grundherr und wahrscheinlich auch wohl Patron war. Denn seit dem Jahre 1418 erscheint Henneke Kerkdorp lange als Besitzer des Gutes Vitekow, welches er von den York gekauft haben und mit welchem er 30. Mai 1418, freilich nach einer gefälschten Urkunde, von dem Herzoge Albrecht belehnt sein soll; vgl. auch Geschichte und Urkunden der Familie v. Kardorff, von Masch, S. 85 flgd. Später kamen die v. Preen in den Besitz des Gutes Vietow.

Die an die Kirche zum Heiligen Moor verpfändeten Grundstücke lagen wohl sicher in dem angrenzenden Gute Oberhof, welches früher: "to deme Hove" hieß. Außer Guzlav v. Preen hatten auch die Storm einen Antheil von Oberhof im Besitze. Daher war auch "Storm" Zeuge der Verschreibung. Dies wird Claus Storm gewesen sein. Denn am 5. Januar 1443 verpfändet "Claus Storm, knape, tome Haue" den Vorstehern zu St. Jürgen vor Rostock seinen Hof zum Hofe, "den katen mit der haluen houen vnd wurtstede", für 500 Mark, und am 26. August 1461 quittirt Claus Storms Wittwe Adelheid die Vorsteher des St. Jürgen=Hauses über die noch rückständigen 50 Mark von den 500 Mark und verläßt den Besitz dem Gotteshause zu St. Jürgen vor Rostock. Mit diesem Grundbesitze wird das St. Georgenhaus vor Rostock auch in den Besitz des Pfandbesitzes der Kirche zum Heiligen Moor und damit bis heute in den Besitz der hier mitgetheilten Urkunde gekommen sein. Denn auf der Rückseite dieser Urkunde steht von einer Hand aus der frühern Zeit des 16. Jahrhunderts geschrieben: "Dit heft S. Jürgen geioset". Und am 13. Dec. 1527 berichten die Vorsteher des Gotteshauses zu St. Jürgen vor Rostock, daß sie den Preenen gar keine Gerechtigkeit an dem Dorfe zum Hofe zugeständig seien.



1) Vgl. Anlage. Ich verdanke die Nachweisung dieser Urkunde dem Herrn Archivar Dr. Wigger.
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Anlage.

Guslav v. Preen zu Oberhof verpfändet dem Gotteshause St. Katharinen zum Heiligen Moor bei Vietow einen Katen und Gericht und Dienst von einem andern Katen (zu Oberhof) für 20 sundische Mark.

D. d. 1435. April 13.

Ik Gustlof Preen wônactich to deme Hôue bekenne vnde botûghe ôpenbâr an dessem brêue vôr alsweme, dat ik byn schuldich myd mynen rechten eruen deme godeshûse tôme hilghen môre der hilghen. iuncfrowen sunte Katerinen vnde den vôrstenderen, de dâr nv synt edder kômen môghen to tôkômen tyden, vnde Henneke Kerkdorpe to trûwer hant twyntich sundesche mark, dâr vôr hebbe ik settet deme vôrscreuen godeshûse vnde vôrstenderen êne mark gheldes an deme erue vnde acker, dat nû bewônt Bertol Went, vnde rychte vnde dênest an deme erue, dat nv bewônet Hans Scorlyen, des se scholen brûken vmbekummert to vmbenômeden iâren, vnde môghen dat panden edder panden lâten, wen den vôrstenderen des nôd is, sunder hynder, vnde ick Gustlof Preen myd mynen eruen schal vnde wil den vôrscreuen vôrstenderen disser vôrscreuen mark gheldes quyd vnde fryg wâren vnde den dênst vôr allen anval. Wortmer wen ik Gustlof Preen edder myne eruen willen lôsen disse vorscreuen mark gheldes vnde dênst edder de vôrstender disses vôrscreuen godeshûs willen wedder hebben dissen (dissen) vôrscreuen summen pennynghe, so schal een dem anderen tôsegghen to ême pâschen to deme nêgesten sunte Merten to berêdende een vnde tvyntich mark vnde des dênstes also langhe to brûkende sunder hynder. AI disse stukke vnde artykel lôue ik Gustlof Preen myd mynen eruen deme vôrscreuen godeshûs vnde vôrstenderen stede vnde vast to holdende sunder arch edder hulperede. To mêrer bekantnisse vnde lôuen so hebbe ik Gustlof Preen vôrscreuen myen ingheseghel vôr my vnde myne eruen (eruen) henghet vôr dissen breef, vnde to êner tûghenysse mede boseghelt hebben Claus Preen to Wenen-

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dorpe vnde Storm to deme Hôue. Screuen na godes bôrt ( M ° CCCC° iâr an deme XXXV iâr, des mydwekens vôr Pâschen.

Nach dem Original auf Pergament im Archive des Hospitals zu St. Georg zu Rostock. Angehängt sind 3 Pergamentstreifen, an deren 2 ersten 2 runde Siegel mit einem stehenden Schilde mit 3 Pfriemen hangen:

1) mit der Umschrift:
      Umschrift
2) Umschrift zerdrückt und unleserlich.
3) fehlt.

Auf der Rückseite steht eine Registratur aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts:

Guszloff Preen hefft vorkofft der kercken thom Hilligen Moor I mark vor XX mark in Wents k[oten] tho . . . . . . .

Dit heft S. Jurgen geloset.

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IV.

Kleine Funde in Meklenburg

aus

wendischer und vorwendischer Zeit.

Von

wailand W. Freiherrn von Hammerstein ),

großherzoglich Meklenburg=Strelitzischem Staatsminister.

Mit einer Steindrucktafel.

W ie schwer es bei dem Mangel aller Aufzeichnungen ist, in die wendische Zeit und nun gar in die vorwendische zurückzublicken, das hat niemand gewiß mehr erfahren, als der bekannte Altvater Meklenburgischer Alterthumswissenschaft, der doch darunter so manches zu Tage gefördert hat. Um so mehr ist es Pflicht, die einzelnen Einblicke, die bei einer


†) Am 1. September 1872 schied der hoch verehrte und verdiente Verfasser, seit dem Jahre 1858 warmes und thätiges correspondirendes Mitglied unsers Vereins und eifriger, wirksamer Förderer jedes geschichtlichen Strebens, unerwartet aus seinem reichen Leben. Im Jahre 1871 hatte er an den Verein die folgenden Abhandlungen nebst andern eingesandt, von denen die Abhandlungen in den Jahrb. XXXVII, 1872, S. 172 bis 182, welche er noch abgedruckt gesehen hat, wegen des Zusammenhanges mit ähnlichen Arbeiten unter seiner Zustimmung zuerst zum Abdruck kamen. Die hier folgenden Abhandlungen erbat er sich im Julii 1872 auf einige Zeit zur Revision. Am 25. August 1872, also acht Tage vor seinem Tode, sandte er dieselbe "revidirt und augmentirt" zurück. Er starb, als gerade die Vorbereitungen zum Druck begannen. Mögen die folgenden Zeilen, welche wohl seine letzten wissenschaftlichen Arbeiten sind, ein theures Andenken an den Verewigten bleiben.
G. C. F. Lisch
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Umschau in die Quellen sich darboten, nicht verschwiegen zu halten; trägt sich doch zuletzt aus den einzelnen Körnlein, die hie und da gefunden werden, das Bild jener fernen Zeit mit einiger Wahrheit zusammen. Deshalb die nachfolgenden Mittheilungen, welche nach Zeit und Gelegenheit fortgesetzt werden sollen.


I. Aus vorwendischer Zeit.

Baalsdienst.

Einer der für die Ermittelung des Volks, welches vor den Wenden in Meklenburg wohnte, wichtigsten Funde ist der von Lisch vorzüglich im 24. und 25. Jahrgange der Jahrbücher besprochene Fund eines bronzenen Kesselwagens bei Peccatel, welcher dem bei Ystadt in Schonen gefundenen Kesselwagen merkwürdig ähnelt. Neuerlich hat Nilsson in seinem interessanten Werke: Die Ureinwohner des Skandinavischen Nordens, Bd. I. S. 26 und flgd. und S. 137, eine genaue Vergleichung zwischen beiden Kesselwagen und dazu verschiedene auffallende Bemerkungen geliefert, welche auch hier bekannt zu werden verdienen. Auch er vergleicht, wie Lisch, die beiden Wagen mit den Schalenwagen im Tempel des Salomon, und macht darauf aufmerksam, daß der Künstler, welcher die letzteren für den Tempel anfertigte, ein aus Tyrus gebürtiger Phönicier war. Er nimmt an, daß eben solche Wagen für den Baalsdienst der Phönicier in Tyrus angefertigt wurden, und da nach den von Nilsson gemachten Entdeckungen überhaupt der Baalsdienst durch die an den gesammten westlichen Küsten Europas mit ihrem Handel verkehrenden Phönicier nach Schonen verpflanzt wurde, wo sich noch mehrfache Spuren desselben finden, so schließt er weiter, daß die Phönicier auch mit ihrem Cultus ihre Opfer und die zum Cultus gehörenden Opfergefäße nach Schonen verbreiteten und auf ganz gleichem Wege nach Meklenburg 1 ).


1) Mit dem Baals=Cultus bringt er es in Verbindung, daß auf den Kegelgräbern in Schweden, was ja auch in Meklenburg der Fall ist, vielfach der Hagedorn noch jetzt gefunden wird und daß in Schweden die in keltischen Ländern so sehr als heilig hervortretende Mistel ebenfalls vom Landvolke besonders gepflegt und wirksam gehalten wurde.
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Nilsson erklärt zugleich den auffallenden Umstand, daß bei Peccatel Opferaltar, Opfergefäße, Kesselwagen, das Skelet (vermuthlich dasjenige eines Geopferten) nebst verschiedenen, wahrscheinlich zum Tempeldienst gehörigen Waffen, Geräthen und Schmucksachen aus Bronze und Gold etc. . mit einem steinernen Gewölbe bedeckt waren und darüber ein Erdhügel aufgeworfen war, in folgender sinnreicher Weise. Er sagt: Da, wo eine neue Religion in ein Land eindrang und sich geltend machte, mußten die Priester der alten Religion ihre Tempel und Opferstätten verlassen; aber bevor sie gingen, wollten sie ihre heiligen Tempelgeräthe vor Entweihung schützen, welches sie am besten dadurch bewerkstelligten, daß sie einen großen Erdhaufen darüber herwarfen. An andern Orten senkten sie dieselben ins Wasser, worin sich Torferde bildete, deshalb ähnliche Funde anderwärts in Torfmooren, so bei Ystadt in Schonen.

Diese Auslegung scheint besonders in Meklenburg eine zutreffende. Sie stimmt mit der sonst auffallenden Hindeutung auf den Kesseldienst, welche wir in den Namen einer Reihe von Meklenburgischen Orten finden. Ist es nicht bezeichnend, wenn gerade der Ort, wo der Kesselwagen gefunden wurde, den Namen Peccatel führt? Dieser Name, der im Mittelalter bald Pikkotel bald Pekkotel in Urkunden geschrieben wird, schließt nämlich wohl zweifellos das wendische Wort Kotol: Kessel, in sich. (Ob die Vorsylbe Pek auf Peklo, Hölle, oder auf Pec, Ofen, oder Pic, Trinken, oder Pica, Speise, zu deuten ist, steht dahin.) Daß aber das Wort Katel oder Kotel in Meklenburgischen Ortsnamen eine Beziehung zum Kesseldienst hat, möchte bei dem Orte Katelbogen bei Bützow ziemlich klar hervortreten; dieser Ort schreibt sich im Mittelalter Katelbo und Katelbog; die Endsylbe ist daher unzweifelhaft das wendische Bog: Gott, das wir in Belbog (im alten böhmischen Vocabulario ausdrücklich übersetzt mit: baal idolum), Zernebog und manchen andern Namen und namentlich Ortsnamen wiederfinden 1 ); es liegt


1) Hier ist darauf aufmerksam zu machen, daß auch Goldenbow im Mittelalter nicht so, sondern Goldenbo geschrieben wird, was ebensowohl bei den beiden Goldenbow im Schwerinschen, als bei dem nach Urkunden früher Goldenbow genannten Strelitzschen Goldenbaum ebenfalls auf Abstammung von bog schließen läßt, wohin auch andere in bow endigende Ortsnamen, als Stribbow etc. ., bei näherer Untersuchung zeigen können. Ein weiterer Belag, daß sich das bow in den Ortsnamen und namentlich in Goldenbow auf bog, Gott, zurückführt, ist darin zu finden, daß im Jahre 1500 ein Knappe "Goldenbogen, Knecht", unter den Edelleuten bei Rostock vorkommt, (  ...  )
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daher nahe, daß Katelbog einen Ort bedeutet, wo der Kesselgott verehrt, der Kesseldienst gepflegt wurde, und es verstärkt diese Vermuthung sehr auffällig der Umstand, daß grade Katelbogen das großartigste Denkmal in Meklenburg, eines der bedeutendsten Steingräber Deutschlands, hat (siehe Lisch Jahrbücher, 12. Jahrgang, S. 403). Sollte nicht das Zusammentreffen eines so bedeutenden Denkmals mit dem von einem Gotte hergenommenen Ortsnamen hier ein Heiligthum erwarten lassen? Möge das vom Verein her durch vollständige Aufdeckung des Denkmals untersucht werden, vielleicht findet sich auch hier noch ein Kesselwagen. Das Erscheinen des heiligen Geräths einer vorwendischen Zeit in den wendischen Ortsnamen hat nichts Auffälliges. Es scheint vielmehr, daß an Orten, wo die Wenden den Kesseldienst und dessen Spuren vorfanden, sie den Ort mit Rücksicht daraus benannten. Wie Katelbogen und die beiden Peccatel, das bei Schwerin und das bei Penzlin, sich daraus erklären, so wohl auch Kotelow bei Friedland, der Kätelberg, ein Begräbnißhügel bei Malchin (Jahrbücher B, VI, 30), und - wenn hier nicht etwa Abstammung von den Ketelhot zum Grunde liegt - Groß= und Klein=Köthel, das als Kotellde vorkommt, weniger wohl Katerbow in der Lieze, das im Mittelalter als Gaterbo erscheint. (Jahrbücher A, XVI, 226.)

Welches Volk aber war der Vorgänger der Wenden, welcher diese Spuren seines Gottesdienstes zurückließ? Strabo L. VII sagt von den Cimbern: Vates canae tödteten die gefangenen Feinde über einem Kessel, und weissagten aus dem herabtropfenden Blute. Von der Ostsee kamen die Cimbern nach dem Süden; sollten sie etwa auch in Meklenburg und zugleich ein Zweig derselben in Schonen gesessen haben? Oder waren es Gothen, auf welche jene merkwürdigen Geräthe hinweisen? Sie waren (siehe auch die neuesten Werke von Nilsson und Worsaae) zweifellos in Schonen; und an der Südküste der Ostsee, in Westpreußen, will man sie in den Witten erkannt haben. Es ist in der That nicht unwahrscheinlich, daß sie auch hier die Küste der Ostsee vor ihrer großen Wanderung inne


(  ...  ) der, sich von dem nahen Goldenbow schreibend, sicher dahin weiset, daß auch der Ort ursprünglich Goldenbog hieß. (Behrsche Geschlechts=Geschichte IV, S. 1.) Sollte auch etwa Boldebuck (bog) hierher gehören? Man untersuche die älteste Form dieses Namens; wer weiß, ob sie nicht ein Baltebog und damit die directe Hinweisung auf den Baalsdienst zeigt, der aus den Kesselwagen sich zu ergeben scheint.
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Stierbilder
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hatten; ist doch in ihrer Sprache, wie sie uns durch Ulphilas überliefert ist, ein starker niederdeutscher Anklang (dag, statt des hochdeutschen: tag u. s. w.) und giebt es doch auch in Meklenburg Ortsnamen, welche weder wendischen noch sächsischen Ursprungs zu sein scheinen. Wir stellen dabei oben an das alte Mikilenborg, das ja anerkannt dem gothischen Mikile: groß, entsprossen sein soll; dann aber Gamehl, vielleicht auch Gamelin und Gamelow, in welchem man das gothische gameljan: schreiben oder malen, erkennen möchte. Es genügt hier, die Aufmerksamkeit der Forscher auf diesen Umstand zu lenken; vielleicht finden sich noch fernere Anklänge 1 ).


II. Aus wendischer Zeit.

A. Stierdienst.

Auf einem anscheinend wendischen Götzendienst scheinen die Stierbilder hinzuweisen, welche, so viel wir wissen, bisher nur in Meklenburg=Strelitz gefunden sind. Das Strelitzer Antiquarium besitzt davon drei einander sehr ähnliche Exemplare, alle etwa 2 Zoll lang und 1 Zoll hoch. Alle drei sind von alter Bronze gegossen und zum Theil mit edlem Rost überzogen. Eins derselben, Nr. 1 der beigegebenen Abbildungen 2 ), ist nach Nachricht, die Professor Lewetzow in Neustrelitz ermittelt hatte, in Warbende beim Pflügen gefunden. Der Fundort der andern ist nicht bekannt. Aber Nr. 2 findet sich im Catalog der beim bekannten Goldschmied Sponholz zu Neubrandenburg vorhanden gewesenen Alterthümer, und ist auch in Potocki Voyage dans quelques parties de la Basse-Saxe unter andern Sponholzschen Antiquitäten in Fig. 94 abgebildet, wie denn auch der Alterthumssucher Boje bei v. Hagenows Runensteinen S. 13 bezeugt, daß solche Bilder bei Nachgrabungen gefunden seien. Ueber Nr. 3 ist gar keine Nachricht vorhanden; da aber Boje von Stierbildern spricht, so wird es vermuthlich


1) Nach Beendigung dieses Aufsatzes kam uns der interessante Aufsatz Virchows: Ueber Gesichts=Urnen, zu; auch dieser, S. 15, hält in Rücksicht auf die von Nilsson gemachten Entdeckungen und speciell auf die Bronzewagen Verbindungen von beiden Seiten der Ostsee wahrscheinlich, und weiset auf die Gothen hin.
2) Hiezu eine Steindrucktafel.
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auch aus dem Sponholzschen Antiquitäten=Cabinet herrühren, das in das Antiquarium zu Neustrelitz bekanntlich überging. Ein viertes, ganz ähnliches, aber nicht mehr vorhandenes Stierbild war zu Rödlin, nahe bei Warbende, beim Pflügen unter vielen kleinen Knöchelchen gefunden; ein Drath, der bei demselben die Hörner bildete, war in einem Loche beweglich. Jedenfalls sind diese Bilder für die Ermittelung des Götzendienstes der wendischen Zeit höchst beachtenswerth. Nilsson in: Ureinwohner des skandinavischen Nordens I. S. 57, fand in Schweden Spuren des phönicischen Kuhdienstes. Sollte mit dem Baalsdienst auch dieser Kuhdienst hier gewaltet haben, oder sind diese Bilder jüngeren Datums, und gehören sie nicht vielmehr der wendischen Zeit an? Da die Bilder mehr das Ansehen des Stiers haben, und da sie nicht in Steinkisten, sondern wenigstens theilweise beim Pflügen unter kleinen Knöchelchen (also vermuthlich an Orten, wo Wendengräber waren) gefunden sind, so spricht dafür die Vermuthung. Bekanntlich wird auch Radegast, der zweifellos der Gott der Redarier war, in deren Land sowohl Warbende als Rödlin lagen, abgebildet das Haupt eines Stiers auf der Brust tragend, und der Kopf des Stiers oder Auerochsen ist das älteste Meklenburgische Zeichen. Auch ist noch jetzt die Sage vom schwarzen Stier, der über Hecken und Zäune springt, im Redarierlande im Munde des Volkes 1 ). Aber man braucht nicht erst auf den Radegast zurückzugreifen, viel näher liegt die wendische Verehrung des Tur (Kriegsgottes), der durch den Auerochsen repräsentirt wird. Nach Klöden, die Götter des Wendenlandes, in den Märkischen Forschungen Bd. III. S. 214, wurde auf dem im Mai gefeierten Feste Turize oder Turzyce sein Bild in Gestalt eines Stiers umher getragen; man verzierte Wohnungen, Häuser und Straßen mit grünen Maien, begoß sich scherzend mit Wasser, färbte Eier durch Kochen mit Farbeholz roth und warf die Schalen in den Fluß. Auffallend ist im Anschluß an diese Nachricht über die Turfeste im Mai, daß auf der Feldmark Warbende es einen jetzt eingegangenen Ort gab, welcher im Mittelalter Meigengreven (Maigreven) hieß (Märk. Forsch. Bd. VII, Geschichte des Klosters Himmelpfort); es scheint das wendische Maifest des Tur in das Maigrevenfest, das auch in christlicher Zeit noch an vielen Orten Norddeutschlands und namentlich


1) Siehe namentlich auch die Sage vom Stier auf der Quassower Brücke bei Strelitz, in Niederhöffer Mecklenb. Volkssagen, Theil 4, S. 49.
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auch im Sachsenlande (Lüneburg) gefeiert wurde, nach der sächsischen Eroberung übergangen zu sein. Damit erklärt sich auch vielleicht das Maigrevenfest, das in der von Rödlin und Warbende nicht fernen ukermärkischen Stadt Prenzlau, wo urkundlich ein wendisches Fanum war, nach in der Illustrierten Zeitung enthaltenen Mittheilungen noch bis auf die neue Zeit gefeiert wurde. Ebenso mag daher die Maigrefschaft und die Maigrevenfahrt der Pasewalker Schule rühren, welche 1563 im Kirchenvisitations=Receß als alte Gewohnheit aufgeführt wird; und endlich mag selbst das Maifest daher sich schreiben, das Marschalk von den Wenden in der Jabelhaide mit den Worten bezeugt:

Ihr Priester ist der erste in Reihen,
Er tritt ihnen vor den Tanz in Maien,
Wendische Sitt' ist ihm bekannt,
Jetzo wird er Sclavesco genannt.

Die Angehörigkeit der in Warbende und Rödlin gefundenen Stierbilder an diesen Tursdienst wird immer wahrscheinlicher, wenn man beachtet, daß die Feldmark Rödlin von der Feldmark des Dorfes Turow und dem Turow=See begrenzt wird, einem offenbar nach dem Tur genannten Orte, wie denn auch das Land Turne mit einem andern Turow=See, dem es den Namen verdankt, - wenn es nicht gar die Orte Turow und Rödlin mit umfaßte, in nächster Nachbarschaft gelegen ist 1 ).

Zum Beweise für die Verehrung des Tur bei den Redariern (Luticiern) wollen wir übrigens nicht einmal den Odericus Vitalis citiren, der bei dem Anlaß lutizischer Hülfstruppen für die Angeln im Jahre 1069 bezeugt, daß die natio Leuticiorum Guodenen et Thurum Freamque aliosque falsas deos, immo daemones. verehrt habe (Wigger, Meklenburg. Annalen, S. 81), wenn es auch immerhin zweifelhaft bleibt, ob nicht dieser Schriftsteller hier (statt der sonst ihm angemutheten Citirung deutscher Götter für Wenden) wirklich den wendischen Gott Tur und daneben vielleicht den wendischen Goderac, der sich auch in den nicht fernen Orten Godebant (jetzt Gädebehn) und Godenswege wiederspiegeln könnte, nennen wollte. Ein Rest des einstigen Stierdienstes in wendischen Gegenden zeigt sich wohl auch in dem Namen,


1) In Pommern ist Thura das große Thur=Bruch zwischen Zirchow und Retzow; turza gora ist der Auerochsenberg bei Wilna; in Böhmen ist turany: wilde Wiese, turata: Haide, Viehweide; turi trawa: wildes Gras, Rohrgras. (Cod. Pomer, I, S. 585.)
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den die Wenden (in der Lausitz, ob auch in Meklenburg?) einem großen Ochsen geben: Bezman, von dem alten Worte Boz: Gott, Götzen (siehe Pfuhl, Wend. Wörterbuch, S. 16).

Der bekannte Untersucher alter Bronzen, Herr v. Bibra zu Nürnberg, hat die drei obgedachten Stierbilder chemisch untersucht; seine Analyse ergab = 80,62 Kupfer, 4,49 Zinn, 12,85 Zink, 1,33 Blei, 0,41 Eisen, 0,30 Antimon. Er erklärte sie zugleich auf Grundlage der Vergleichung mit andern Analysen für echte Bronze des Alterthums.

Bei der Seltenheit echter Götzenbilder aus den wendischen Gegenden verdienen diese kleinen Bilder jedenfalls eine besondere Aufmerksamkeit.


B. Zum Götzendienste des Perun oder Prove.

Archivrath Beyer hat in seinem interessanten Aufsatze im 37. Jahrgange der Jahrbücher: Die Hauptgottheiten der westwendischen Völkerschaften, S. 156 und 166, auch des wendischen Donnergottes Perun gedacht, welcher in Wagrien unter dem Namen Prowe verehrt wurde. Wir können noch einige Indicien dafür mittheilen, daß dieser wendische Gott auch bei den lutizischen Wenden und ebenso bei den lüneburgischen Wenden, den Drawehnern, verehrt wurde.

Durch Helmold wissen wir, daß derselbe keinen Tempel hatte, aber unter heiligen Eichen verehrt wurde, wo sein Altar von einem Gatter umgeben war. Wir können daher wohl annehmen, daß, wo sich eine "heilige Eiche" in das Mittelalter hinübergerettet hat, der Platz zu finden ist, an dem einst der Perun verehrt wurde. Nun finden wir im Visitirbuch der Kirchen des Amts Broda von 1574 (Original im Schweriner Archiv, Copie im Archiv des Consistorii zu Neustrelitz), und zwar bei Beschreibung des Ackers des Gotteshauses zu Nyen=Resen (Neu=Reese) bei Neubrandenburg die Worte:

"Im lütken Felde belegen im Ende von einem Scheffel Jnsadt bey der heiligen Eiche."

Die jetzige Zeit kennt weder die heilige Eiche bei Neu=Reese, noch mit Gewißheit den Platz, wo sie gestanden, und wird nur ein Platz auf einer Karte von Neu=Reese von 1701 der Eichberg genannt, und vom Papenacker umgeben, mahnt er wohl noch an die heilige Eiche; aber immer weiset doch jene Angabe schon deutlich auf die einstige Peruns=Verehrung.

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Unter ein Paar uralten Eichen auf der Feldmark des Voßischen Guts Arnsberg bei Strelitz unfern der sogen. Schwanen=Havel, fand der Besitzer bei Fällung der Eichen, welche, da neben dieser Stelle noch jetzt etwa 20 alte Eichen stehen, einem zusammenhangenden Eichenort angehört haben werden, eine Reihe von Urnen, welche er noch bewahrt, unter den Eichen also eine vermuthlich wendische Begräbnißstätte.

Auch gab es bei Prillwitz an dem Tollense=See einen Fleck, der nach den ältesten Flur=Registern Browis=Camp genannt wurde, wohl auch einst eine Stelle, wo der Prowe verehrt wurde.

Aber auch bei den lüneburgischen Wenden im sogen. Drawehn gab es selbst nach Ausgang des Mittelalters noch Eichenstämme, an welchen die Heiligkeit der wendischen Peruns=Verehrung bis dahin trotz allen Christenthums haften geblieben war. In Henning's im 17. Jahrhundert erfolgten Aufzeichnungen über drawehnische Sprache heißt es nämlich:

"Creutzbaum Krautzo, ist ein gewisser sogenannter Baum bei ihren Bauerstuben, welches ein allgemeines Gebäude mitten im Dorfe, da sie pflegen ihre Versammlung und Sauffeste zu haben; oben ist der Baum mit einem Wetterhahn geziert; der Baum selbst aber besteht aus Eichenholz. Bei demselben hat man aber viel Aberglauben getrieben, und hätte sich Niemand um aller Welt Wunder nicht an ihm vergriffen, so heilig ward er gehalten. Noch weniger erkühnte sich Jemand, das Geld wegzunehmen, welches die im Dorfe heirathenden Bräute pflegten hineinzustecken. Ein Dragoner, der in einem Dorfe dieses Orts im Quartier lag, unterstund sichs, zog ein Stück des Geldes nach dem andern heraus, ungeachtet die Weiber im Dorfe zusammenliefen und ihn für Unglück warnten. Er verrauchte es in Taback, und wie er glaubte, so geschahe ihm. Ich will sagen, es bekam ihm ganz wohl. Seit der Zeit hat man kein Geld mehr hineinstecken wollen; es sind auch die Bäume in den meisten Orten umgefallen und weggekommen."

Es liegt nahe, daß diese Eichenstämme, in welche geopfert wurde, ein Ueberbleibsel des Perunsdienstes waren; fand doch auch der heilige Otto von Bamberg in der Nähe von Stettin von den Wenden heilig gehaltene Eichen, unter denen eine Quelle war, und zeugt doch auch sein Biograph

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von einem hohlen Baum, in welchen die Opfermünzen geworfen wurden; und waren doch auch in den Continen von Stettin, neben denen die heilige Eiche war, Tische und Sitze eingerichtet, um zu trinken und zu spielen, gerade wie bei den drawehnischen Bauerstuben.

Damit erklärt sich auch die von Mussäus (Ueber die niedern Stände in Meklenburg, Jahrbücher II, S. 134) bezeugte, in Meklenburg beim Volke allgemeine Ansicht: "eine Doppeleiche ist von geheimer Kraft, nicht minder eine hohle, in die man hauchen muß".

Vielleicht sind noch unter mancher uralter Eiche Meklenburgs Spuren zu finden, daß unter ihr einst der Perun verehrt wurde; es ist nicht zu vergessen, daß die Silva Jovis (nach dem Zeugnisse des alten böhmischen Vocabularii, p. 20) quercum significat: dubrana, d. h. Eichenwald, wovon auch Doberan zweifellos, alle anderen Auslegungen als weniger natürlich beseitigend, den Namen trägt.


C. Der wendische Gott Zmok.

Es ist noch wenig klar, welche wendische Götter außer dem Radegast, dem Proven und der Siwa von den in Meklenburg wohnenden Wenden, den Obotriten und Lutiziern, verehrt wurden. Eine Untersuchung über die Götter dieser wendischen Völker hat mir Spuren gegeben, welche bestimmt vermuthen lassen, daß der bisher nur als Gott der böhmischen Wenden, der Slovaken und der litthauischen Wenden bekannte Gott Zmok oder Zmek auch bei den Obotriten und Lutiziern verehrt wurde. Es finden sich nämlich in Meklenburg eine Reihe von Bergen, welche den Namen Smokberg oder Smökberg führen, so ein Smökberg nahe bei Prillwitz im Lande der Redarier, ein besonders hoher Smökberg unfern Schlieffensberg, von dem eine Menge Radien des trigonometrischen Netzes ausgehen, eine Smökensdorfer Höhe im westlichen Meklenburg, die ebenfalls zur trigonometrischen Station dient. Das Smok in diesem Namen ist kaum auf etwas Anderes, als auf den Gott Zmok oder Zmek zurückzuführen, zumal das wendische Z bekanntlich überall in S sich verwandelt hat.

Der Zmok scheint zu den bösen Göttern gehört zu haben; denn eines der ältesten slavischen Wörterbücher "Klen Kozkochany" übersetzt ihn mit BeIiaI. Jungmann (Slowa V, p. 711) bezeichnet ihn als Cernoboh, den schwarzen oder bösen Gott,

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welchen Helmold auch gerade für die Obotriten dem Belbog oder weißen und guten Gott gegenüberstellt.

Hanusch (Wissenschaft des slavischen Mythus, S. 300) macht ihn zunächst zu einem Wassergott, der bald als Wasserdrache, bald als durchnäßter Vogel erscheint. Er bringt ihn aber auch als Zemek (von Zem: Erde) in Verbindung mit den Erdgeistern, und macht darauf aufmerksam, daß bei den lüneburgischen Wenden (den Drawehnen) ein tzorne Zimenik, schwarzer Erdgeist, vorkommt. Vielleicht galt er wie bei dem Nachbarstamm unweit der Elbe, so auch bei den Obotriten und Lutiziern als Erdgeist; denn sonst würde er wohl nicht auf den Höhen verehrt worden sein, welche jetzt offenbar, weil sie mit ihm in Beziehung standen, seinen Namen noch führen.

Bei den Lausitzischen Wenden ist Zmij und Zmjk noch jetzt der Drache, der Geld bringen soll. (Pfuhl, wendisches Wörterbuch, S. 1022.)

Es wäre zu wünschen, daß auch die gewiß noch vorhandenen mehreren Smokberge in Meklenburg, welche sich bislang der Bemerkung entzogen haben, in den Jahrbüchern zur Anzeige gelangen, und daß auch bekannt werde, ob und welche Sagen sich an dieselben knüpfen, und ob etwa auf den betreffenden Holten sich noch Spuren einer einstigen Gottesverehrung finden.

Zu übersehen ist bei der Prüfung, ob die einzelnen Hügel, welche den Namen Smokberg führen, wirklich auf den wendischen Zmok zurückzuführen sind, indessen nicht, daß in Meklenburg im 17. Jahrhundert eine Menge sogenannter Hexen verbrannt sind, und daß man das "schmöken" nannte (Pentz, Geschichte Meklenburgs, Thl. 2, S. 50), wornach denn manche dazu benutzte Höhe den Namen erst von der Hexenverbrennung erhalten haben kann.


D. Die wendische Sitte des Reiserwerfens auf die Gräber Erschlagener.

Im westlichen Meklenburg, wenigstens durchweg im Herzogthume Strelitz, dem Lande Stargard, ist es noch heute Sitte, daß, wo in Wald oder Feld eine Stätte sich findet, an der Jemand erschlagen oder doch gewaltsam ums Leben gekommen und begraben ist, jeder Vorüberkommende einen Ast, Knittel oder Holzreis auf die Stätte wirft und erst dann seinen Weg fortsetzt. Diese Sitte wird so treulich

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beobachtet, daß solche Stätten oft mit einem mehr als mannshohen Haufen Reisern und Knüppelhölzern belegt sind. (Eine solche findet sich unter Andern im herrschaftlichen Wildpark bei Strelitz am Wege nach Goldenbaum.)

Woher kommt diese auffallende Sitte? Wir haben dafür den Schlüssel in den Geboten gefunden, welche der erste christliche Apostel in dem nahen Pommern, der Bischof Otto von Bamberg, bei seiner Abreise von da im Jahre 1125 den bekehrten Wenden hinterließ. Darunter (siehe Chron. Ursperg., mitgetheilt in Giesebrechts Wend. Geschichten, Thl. 2, S. 287) war auch das Gebot, daß die Christen sich nicht mehr unter den Heiden in Wäldern oder auf dem Felde, sondern nach christlicher Sitte auf Kirchhöfen begraben lassen und "daß auf ihre Gräber keine Knittel gelegt werden sollen". "Ne sepeliant mortuos Christianos inter paganos in silvis ant campis, sed in cimiteriis, sicut mos est omnium Christianorum; ne fustes ad sepulcra eorum ponant" (Andr. vita Ottonis II, 12). Hiernach war es offenbar derzeit bei den Wenden der allgemeine Gebrauch, ihre in den Wäldern und auf dem Felde zerstreuten Gräber mit Knitteln zu belegen, ein Gebrauch, welcher von der Verbrennung der Todten herkommen mochte. Es scheint, daß die Wenden, als sie sich dem Gebote ihres Reformators, des heiligen Otto, fügten und ihre Todten auf den neu eingerichteten christlichen Kirchhöfen begruben, doch insoweit die wendische Sitte beibehielten, daß sie, wenn der Zufall nun dennoch im Walde oder Felde eine vereinsamte Grabstätte gab, sich verpflichtet hielten, dem Todten noch die letzte Ehre zu erzeigen, welche vorher für alle in Wald und Feld Begrabenen üblich war; und was die ersten wendischen Christen in dieser Beziehung thaten, das haben die späteren Generationen vermöge der zähen Festhaltung religiöser Gebräuche, welche trotz Christenthum und Reformation sich noch lange in und neben dem Christenthum auch sonst noch vielfach erhalten haben, trotz der starken Mischung mit sächsischer Einwanderung hier vom Vater auf den Sohn bis auf den heutigen Tag vererbt. Die Sitte ist heute noch so fest im Volke, daß, wo die hie und da zum ganzen Fuder gesammelten Reiserhaufen vom Gutsherrn weggeschafft wurden, die Belegung sofort wieder begann und in nicht langer Zeit wieder ein gleicher Haufen erstand.

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V.

Magdalene von Meklenburg-Stargard,

Gemahlin
des Grafen Burkhard von Barby.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D ie Geschichte der letzten Sprossen des herzoglich=meklenburgischen Hauses Stargard ist in den neuesten Zeiten in Folge glücklicher Entdeckungen (seit Boll's Geschichte des Landes Stargard, 1847,) in den Jahrbüchern wiederholt Gegenstand der Untersuchung gewesen, und hat in den Hauptumrissen sicherer festgestellt werden können, als es früher möglich war.

Die Stammtafel der letzten Stargarder ist folgende:

Heinrich d. ä., † 1466. Gem. 1. Jutta, 2. Ingeburg von Pommern, 3. Margarethe von Braunschweig-Lüneburg, † 1512.; 2. Ulrich II., † 1471. Gem. Katharine von Werle (Wenden), † nach 1475. - Ingeburg, † 1509. Gem. Everwin, Graf von Bentheim, † 1530. - Elisabeth, † 1532, Priorin zu Rehna.; 3. Magdalene, † 1532. Gem. 1. Wartislav, Herzog von Pommern, † 1478. - 2. Burkhard V., Graf von Barby, † 1506.; 3. Anna, † 1498, Nonne zu Ribnitz.
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Es ist gehandelt: über Margaretha, dritte Gemahlin Heinrichs d. ä., in Jahrb. XXV, S. 33 - 48; über Anna, deren Tochter, daselbst S. 49 - 57; über Elisabeth daselbst XV, S. 300. Nur über Herzogs Ulrich II. ältere Schwester Magdalene war bisher kein neuer Stoff ans Licht gekommen. Magdalene war 26. Novbr. 1475 an den Herzog Wartislav X. vermählt worden, welcher jedoch schon am 13. Decbr. 1478 starb. Sie heirathete zum zweiten Male am 14. Julii 1482 den Grafen Burkhard von Barby und Mühlingen, welcher am 1. Novbr. 1506 starb. Magdalene soll am 13. April 1533 zu Magdeburg gestorben sein.

In den neuesten Zeiten hat nun Herr Richter, Stadtverordneten=Vorsteher in Barby, in den Geschichtsblättern für Stadt und Land Magdeburg, Jahrg. III, 1868, Heft 2, S. 101 folgd., unter Mitwirkung des Herrn Archivraths v. Mülverstedt, "Epitaphia Barbejana" veröffentlicht, d. h. die Beschreibung der Leichensteine und Gedächtnißtafeln, die sich in der zweiten (St. Johannis=)Pfarrkirche zu Barby befinden, welche früher Hofkirche und Begräbnißstätte der im Jahre 1659 ausgestorbenen Grafen von Barby war.

Unter diesen Leichensteinen ist der vierte an der Südwand, vom Ostgiebel der Kirche an gerechnet, das Grabdenkmal der Gräfin Magdalene, gebornen Herzogin von Meklenburg. Herr Richter berichtet:

"In Sandstein=Relief eine Frauen=Figur.

"Magdalena gborne Herzogin zu Mecklenbor, Graf Burgharts gemal, starf am Osterdins: 1532".

"Dabei als Ahnenwappen der Gräfin, deren Mutter eine Fürstin von Wenden und Großmutter eine Princeß von Braunschweig war, oben links Meklenburg, oben rechts Braunschweig, unten links Brandenburg, unten rechts Stettin".

Richter ist hier im Irrthum, da er offenbar Magdalenens Bruderfrau mit deren Mutter verwechselt; Magdalene war nicht eine Tochter, sondern eine Schwester des Herzogs Ulrich II. von Stargard, welcher eine Fürstin von Wenden" (Werle) zur Frau hatte, und nicht eine Enkelin einer Princeß von Braunschweig, sondern eine Tochter derselben.

Da nun zu dieser Genealogie wieder die vier, nur nach den Ländernamen und nicht nach dem Wappenzeichen ange=

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gebenen Wappenschilde auf dem Leichensteine nicht stimmten, so ist auf Bitten der Herr Archivrath v. Mülverstedt so freundlich gewesen, von dem Herrn Richter eine leichte Zeichnung des Leichensteins herbeizuschaffen.

Hiernach und nach der Beschreibung ist die Darstellung folgende. Unter einem jung gothischen Bogen steht eine betende Frauengestalt. An den vier Ecken des Steines stehen die vier Ahnenschilde und über jedem Schilde ein Band mit dem Namen, so daß ein Irrthum nicht möglich ist. Zu den Füßen der Gestalt, zwischen den beiden untern Wappen, steht die Inschrift. Die Wappen und die Inschriften sind in der Ansicht folgende:

MEKELBORG. BRONSWICK.
Vierschildiges Zwei Leoparden
Wappen. und ein Löwe.
Betende
weibliche
Figur.
BRANDENBORG. STETTIN.
Adler. Greif.
MAGDALENA GBOR
NE HERZOGIN ZU MEKEL
BOR, GRAF BORGHARTS GEMAL
STARF AM OSTERDINS. 1532.

Die Ahnentafel der Fürstin nach 4 Ahnen ist nun folgende:

Ahnentafel:Ulrich I. von Meklenburg.; Margarethe von Pommern.; Friedrich von Braunschweig=Lüneburg.; Margarethe von Brandenburg.; Heinrich II. von Meklenburg.; Margarethe von Braunschweig=Lüneburg. Magdalene von Meklenburg. Gem. Burkhard, Graf von Barby.
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Hiernach würden sich die Wappen auf dem Leichensteine in der Ansicht stellen müssen:

Meklenburg. Braunschweig=Lüneburg.
Pommern. Brandenburg.

Die Wappenschilde sind zwar richtig, aber die beiden untern sind auf dem Leichensteine verwechselt. Nach der gewiß sichern Inschrift starb die Fürstin am Osterdienstag 1532, d. i. am 2. April 1532. Die bisherige Angabe, daß sie am 13. April 1533 gestorben sei, ist also nicht richtig. Hiernach war Magdalene nicht der letzte Sproß des Hauses Meklenburg=Stargard, sondern ihre Nichte, die Priorin Elisabeth, welche erst im Herbst 1532 starb. Die letztgeborne Stargarderin ist also auch die letztgestorbene.

Daneben ist der Leichenstein des Grafen Burkhard V. von Barby, des zweiten Gemahls Magdalenens, mit dem Relief=Bilde eines geharnischten Mannes und der Inschrift:

Burkart Grave und Her zu Barbi un Mueling starf am Dag Eustachii 1505.

Burkhard starb also am 20. Septbr. 1505, und nicht am 1. Novbr. 1506, wie bisher angenommen ist.

Weiter folgt der Leichenstein des Grafen Wolfgang I. von Barby, eines Sohnes der Gräfin Magdalene, mit dem Bilde eines geharnischten Mannes und den Ahnenwappen: Barby, Meklenburg, Brandenburg, Regenstein, und der Inschrift:

Anno d n mit Querstrich i. 1565 obiit in vera agnicione filii dei generosus dns. Wolffgangus comes i. Barbi et Mulige et nobilis dns. in Eglen. Gubernationis suae 43 et aetatis 70 in vig. convers. Pauli (24. Januar).

Daneben vorher steht der Leichenstein der Gräfin Agnes, Gemahlin des Grafen Wolfgang, mit einer Frauengestalt und den Ahnenwappen Barby, Mansfeld, Meklenburg, Schwarzburg, und der Inschrift:

Anno d n mit Querstrich i. 1558 Montag nach Nicolai den 12. Decebris ist christlich verschidn die Wolgeborne ud Edele Fraw Agnes geborne Grevin zu Mansfeld und Frau zu Barbi und Mulingen, grave Wolffen zu Barbi ehelich gemal, leit alhir begraben, der gott gnade, a.

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Am Altare steht für dieselben Personen:

Wolff der Elder Graffe und Her zu Barbi und Mulingen ist christlich gestorben anno 1565 in vig. conver. Pauli. Angnes geborne Greffin zu Mansfeld Greffin und Frawe zu Barbi und Mulingen etc. ist christlich gestorben den XII Decembris im MDLVIII Jhar, leit alhie begraben.

Dabei die Wappen:

Barbi. Mansfeld.
Meklenburg. Gleichen.

also je zwei Wappen der beiderseitigen Aeltern.

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VI.

Die Stadt Woldegk.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D er Herr Maurermeister Scheidling zu Malchin schenkte im Jahre 1868 dem Vereine einen gezeichneten Plan der Stadt Woldegk in Meklenburg=Strelitz, welcher im Jahre 1580 aufgenommen ist, in einer Copie vom Jahre 1780. Dieser Plan, wenn auch schon sehr zerrissen, giebt nun sowohl durch die Zeichnung, als durch die zahlreichen Eintragungen ein vollständiges Bild von der Einrichtung und Verwaltung einer kleinen, befestigten Stadt im Mittelalter und ist daher bei der großen Seltenheit solcher Ueberlieferungen von außerordentlichem Werth. Dieser Werth wird noch erhöhet durch die ungewöhnliche. und seltene Regelmäßigkeit der Anlage der Stadt, welche wahrscheinlich nach dem großen Brande im Jahre 1443 entworfen und durchgeführt ist, da alte Stadtanlagen nie so regelmäßig zu sein pflegen.

Der Plan enthält außer der vollständigen Zeichnung:

1) zu beiden Seiten ausführliche Nebenschriften vom Jahre 1580, welche über die Befestigung, Eintheilung, Hauptgebäude und Verwaltung der Stadt ziemlich vollständige, fast urkundliche Nachrichten geben, und

2) in dem Plane selbst vollständige Eintragungen der Namen der Straßen und besonderer Oertlichkeiten.

Die Nebenschriften werden im Folgenden wörtlich zur Mittheilung kommen.

Die Eintragungen vom Jahre 1580 werden aber unten, in Berücksichtigung der Nebenschriften, in einer verarbeiteten Uebersicht dargestellt werden.


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Ueberschriften.

Die Ansehnlieche Stadt Woldegk.

Grundriß. Die oben gemeldete Stadt Anno 1580. Welches von J. C. Casime derzeit ist aufgenommen und anjetzo bey Regierung Sr. Hertzogl. Durchlauchten Adolpf Fridrich der IVte vor des A[mts=]Schlechter Mst. Lenh. Wilfarts Hause ist gefunden, und ist solches nach den alten Riß, so wie derzeit die Stadt mit Thürme, Wäll und Mauren befestiget gewesen, dernach durch den Amts=Maurer Meist. Joh. Joach. Saeger aufs neue abgezeignet. Woldegk 1780. den 18. Jän.


Auf der Rückseite.

Dieser Stadt[grund]riß soll nach meinem Tode an die Cämmerey - - geschencket - seyn. 1781. F. Brix junior Senat, et Camer. etc.


Dieser Plan ist mir 1837 von dem alten Ackerbürger Joachim Schütt geschenkt worden.

Runge, Pastor.


Nebenschriften.

Verzeichnisse neben dem Stadtplan.

[De] Stadt [Woldegk] mit Wall und [M]uren beste[ht aus 1]0 Grad=Höft=krütz=straten, 6 in [de] Länge und 4 in [de] depe. Se sind in 32 Eckstraten mit Namen to finden.

De Stadt het 3 Doppelt Wallthoren, de mit Fall und Gitter Angel thorn fest sind.


[Stadtmauer und Wikhäuser.]

De Mure besteit in 16 Wickhüser, da unna 4 verdeckte Höft=Wickhüsa na de 4 höft=winde. Da bi 1 Fang=torm und ehn torm, darin de Jungfer=Wippe de Minschen to tod to küssen. Ock sind 3 hohe Wallen vör de Fiende säcker gemackt mit 3 tohr=Zingel=Torm.


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Not. De Stadt [=Brunnen].

1ten Marck[t=Brunn].
2ten Frie=B[runn].
3ten Crütz=[Brunn].
4ten Prester=[Brunn].
5ten Jungpfer=[Brunn].
6ten Blott=Brunn.
7ten Stern=Brunn.
8ten Stein=Brunn.
9ten Thor=Brunn.
10ten Closter=Brunn.
11ten Dependahl=Brunn.
12ten Goldtberg=Brunn.

Nachricht von den Thoren.

13te. Nieg=Thor mit Fall und Spies Tohr.
14te. Js de Wall und Angel Gitter Tohr.
15te. De Zingel torm.
16te. Borg=Tohr mit Fall und Angel Tohr.
17te. De Junfer Wippe bringt von Leben to dode.
18te. De Zingel torm.
19te. Branborg=Tohr, führt Stadt Adler, mit Fall und Angel tohr.
20te. De Fang=torm.
21te. Angel Tohr führt in de Stadt Märckt, darin ehn Kühl hängt.
22te. De Zingel Torm.
23te. Olt Burch=Tohr.
a. b. Schloß=Wall.
24te. Burch=Wall.
25te. Burch=Graben.
  NB. Wegen die Kühl in das Brandenbursche Thor befindet sich die Ausdrücke schriftlich zu lesen:
      Wer seinen Kinder giebet Brodt
Und leidet hernach selber Noth,
Den schlage man mit Küelen todt.

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[To] Naricht is ok to weten.

De Stadt is in 4 Virtel ingedelet na de 4 Höft Wickhüser, de gerade Höft Stradt von ehn dohr na dat anna is de Hälfte Stadtscheidung, Und de höst Crütz=Stradt, da de Sellmarckt an fält, de mackt ut de 4 Virtel in de Stadt.

De Regimenters darin sind geset:

Twe Burgemeisters, davon ehn Jahr um dat anna dat wort het.
Ehn Stadt Richter.
Vihr Höft Wickhüser Rathmänna, davon is ehn Stadt Schriber.
Sösteigen Börger Wickhus alle Männa, da unna sind vier na de jede Virtel Höft Männa in gedelet, de dat Wort mit de 12 Bisitters führen.
Twe Prestern.
Twe Scholmans.
Ehn Köster.
Twe Kirchen Vorsteher.
Twe Nachtwächter, jede het de halbe Stadt Wacht.
Alle Festdage dromet de Kunstpiper Gott to ehren in de Petri=Kirch bi de Orgel, ock von dat Rathus torm.
Alle Stillen Fridag singen de Alle=Männa dat Lieden Christi ab in de Kirch.
Alle Nie Jahr singen de Scholmänna in de Stadt und de Kunstpiper piept in de Stadt und üb dat land, de [alle beyde sammlen se].


Von Häuser und Erben diese Stadt.

Darnach sind noch die Perdinenzen eingetheilet bey ein jedes haus oder stelle, so in ein Creutzstrase lieget, wen es verkauft wird, gehöret zum hause dabey ein hausgarten und eine wiese; die dazu auch vor alters gewesene Aecker Wörländer sind in der Kriegs und Pest Verwüstung gebracht und sind jetzo nicht beim Häuser zu suchen mehr.

(Neue Aufzeichnung: 1765. Durch ein Geschenck und Stiftung ist eingeführet und zum Ewigen Andencken, auf den Stillen Freytag nach Vesperzeit die Scheide Glocken des Gekreuzigsten Jesu zu ziehen. 1780. F. Brix j.)


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[Oeffentliche Gebäude.]

A.
B.
C.
D.
E.
F.
G.
H.
J.
K.
L.
M.
N.
O.
P.
Q.
R.
S.
Margt=Platz.
Spritzen=Hus.
Dener=Hus.
Wage.
Brodscharrn.
Fleschscharrn.
Rathhus.
Petri=Kirch.
Prester=Hus.
Prester=Porden=thurn.
Kirch=thurn.
Köster=Hus.
Prester=Hus.
Fronerey.
Lustgarn und derren Hüser.
Arm=Hus.
Heilgeist=Kirch.
Scholl=hus.

Uebersicht

nach den Eintragungen.

Die Stadt Woldegk bildet ein regelmäßiges, an den Ecken abgerundetes, längliches Rechteck, mit den Seiten fast grade in der Richtung der 4 Hauptweltgegenden ("Hauptwinde").

Die Stadt war mit Mauern, Gräben und Wällen umgeben.

Das südöstliche Viertheil des Walles zwischen dem Neuen Thore und dem Burgthore hieß der "Burgemeisterwall", das nordöstliche Viertheil zwischen dem Burgthore und dem Neubrandenburger Thore hieß der "Rathmännerwall"; die westliche Hälfte vom Neubrandenburger Thore um die westliche Hälfte der Stadt herum bis an das Neue Thor hieß der "Bürgerwall". Dies sind die "3 hohen Wälle" zur Sicherung gegen die Feinde.

Die Stadt hatte drei Hauptthore, je eines in der Mitte der Stadtmauer nach einer Weltgegend hin: im Norden das Brandenburger Thor, im Osten das Burgthor, im Süden das Neue Thor. Gegen Westen, jedoch nicht grade in der Mitte, sondern mehr im Südwesten, war ein

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viertes, einfaches Thor: das Alt=Burg=Thor ("Olt Burch=Tohr").

Die drei Hauptthore waren "Doppelthore", mit einer durch Seitenmauern geschützten sogenannten "Zingel" zwischen dem innern und äußern Thor; die innern Thore hatten "Fall= und Spießthore". Im Walle war ein "Angel=Gitter".

Neben jedem äußern Thore stand ein "Zingelthurm".

Neben beiden innern Thoren des Neubrandenburger und des Burgthores stand noch ein Thurm, welche Thürme von besonderer Merkwürdigkeit sind.

Neben dem innern Brandenburger Thurm, an welchem die bekannte Keule mit der merkwürdigen Inschrift hing, stand westwärts in der Mauer der "Fangthurm" (in andern Städten auch Fangelthurm genannt), wahrscheinlich sicheres Gefängniß für feindliche Gefangene (was bei Schlössern "Burgverließ" hieß). An diesem Thore war auch das Stadtwappen oder der "Stadt=Adler", da die Stadt Woldegk einen Schild mit dem Brandenburgischen Adler in einem Baume ("Wold") im Siegel führt.

Siegel

Neben dem innern Burgthor, nordwärts, stand in der Mauer ein Thurm, welcher die "Jungfernwippe" hieß. Hierüber sagen die Nebenschriften: "De Junfer=Wippe bringt vom Leben to dode" und: "De Jungfer=Wippe de Minschen to dode to küssen". Hier war also ohne Zweifel eine Maschine mit Schwertern zum Hinrichten im Geheimen; wahrscheinlich war in dem Thurm auf dem Fußboden eines Gemaches eine Fallthür ("Wippe"), durch welche der Verbrecher in Schwertern fiel, wahrscheinlich solche, wie sie früher im Burgverließ, dem Gefangenenthurm, des Schlosses zu Schwerin lagen und noch in der großherzoglichen Waffensammlung im Schlosse aufbewahrt werden. Die Woldegker Nachrichten sind nun von außerordentlicher Wichtigkeit, da sie zu den wenigen gehören, welche mit Bestimmtheit über das wirkliche Vorhandensein der viel besprochenen "Eisernen Jungfrau" reden, und zwar so bestimmt, daß an eine Täuschung gar nicht zu denken ist. Man vergleiche über die Eiserne Jungfrau Jahrb. XV, S. 357 flgd. Die Wahrheit dieser Nachrichten scheint dadurch bestätigt zu werden, daß die nächste Straße am Thor und an der Mauer

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seit alter Zeit die "Blutstraße" 1 ) und der Brunnen in derselben, hinter dem Jungfernwippe=Thurm, der "Blutbrunnen" hieß.

In der Mitte der Stadt war der Marktplatz. Auf demselben stand das Rathhaus mit einem hohen Thurme. Vor der nördlichen Langseite des Rathhauses lagen an der Südseite des nächsten Häuser=Quartiers öffentliche Gebäude: in der Mitte das "Dienerhaus", östlich davon der "Fleischscharren", westlich der "Brotscharren". An der östlichen Ecke in der nächsten Straße (Marktstraße) war das "Spritzenhaus", an der westlichen Ecke in der nächsten Straße (Breiten=Straße) die "Waage". Hinter diesem Häuser=Quartier hieß die nächste Straße der "Sellmarkt".

Von Thor zu Thor gingen über den Marktplatz zwei Hauptstraßenzüge, deren einzelne Straßen durch die Häuser=Quartiere besondere Namen trugen: vom Neubrandenburger Thor nach dem Neuen Thor: Neubrandenburger Thor=Straße, Krämerstraße, Breitestraße, Marktplatz, Braustraße, Ringthorstraße; vom Burgthor bis gegen das Alt=Burgthor: Burgthorstraße, Poststraße, Marktplatz, Wasserstraße, Backstraße. Man sieht aus den Namen dieser Straßen, daß sich hier von Anfang an der reichere Hauptverkehr festsetzte.

Alle Straßen der Stadt durchschneiden sich nach den Hauptstraßenzügen in graden Linien rechtwinklig, und die Häusergruppen bilden rechtwinklig angelegte Gruppen oder Quartiere. Die Nebenschrift sagt: "De Stadt besteht aus 10 Grad=Höft=Krütz=Straten, 6 in de Länge und 4 in de Depe. Se sind in 32 Eckstraten mit Namen to finden".

Nach den Thoren und den Hauptstraßenzügen war die Stadt in vier Viertel getheilt und darnach die Verwaltung geregelt. Die Scheidung nach der Breite ging durch den Straßenzug vom Brandenburger Thor nach dem Neuen Thor über den Marktplatz. Die Scheidung nach der Länge ging aber nicht vom Burgthor über den Marktplatz, sondern, um wohl mehr Gleichmäßigkeit in der Bevölkerung zu erzielen, durch den Straßenzug über den Sellmarkt, dessen westliche Ecke als die Mitte der 4 Hauptquartiere in der Stadt galt. Eine Nebenschrift sagt: "De höst Crützstradt, da de Sell=


1) Auch in der Stadt Parchim heißt die nächste Straße an dem ehemaligen Kreuz (oder richtiger: Krüzener= oder Krüzer=)Thor: Blutstraße. Hier mag am Thor ein ähnlicher Thurm gestanden haben, wie in Woldegk.
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markt an fäll, de makt ut de 4 Viertel in de Stadt", d. h. wohl die Kreuzung am Sellmarkt und der Kramer= und Breitenstraße.

Die Verwaltung der Stadt war nach den Wikhäusern angeordnet. In der Stadtmauer standen 16 sogenannte Wikhäuser, in jedem Viertel 4. Grade nach jeder Hauptrichtung der 4 Himmelsgegenden stand ein Hauptwikhaus. Die Nebenschrift sagt: De Mure besteit in 16 "Wikhüser, dar unner 4 verdeckte Höft=Wikhüser na de 4 Höft=Winde". Es waren also in der Mauer 4 Hauptwikhäuser und 12 Wikhäuser. Die Hauptwikhäuser standen unter den 4 Rathmännern als Hauptleuten, welche das Wort führten, und die 12 Wikmänner waren ihre Beisitzer. Die Nebenschrift sagt: "De Stadt is in 4 Virtel ingedelet na de 4 Höft=Wikhüser. De Regimenter darin sind geset. Twe Bürgemeisters. Vihr Höft=Wikhüser=Rathmänner, davon is ehn Stadt=Schriber. Sösteigen Börger Wikhus alle Männer, dar unner sind vier na de jede Virtel=Höft=Männer ingedelet, de dat Wort mit de 12 Bisitters führen".

Um die Stadtquartiere herum gingen an der Stadtmauer entlang "Gänge", welche nur an der Stadtseite mit einer Reihe von Häusern bebauet waren, um die Verteidigung der Stadtmauer nicht zu hindern. Der Gang vom Neuen Thor nach dem Burgthor, um die Kirche und den Kirchhof herum, hieß der Todtengang, vom Burgthor nach dem Brandenburger Thor der Katergang, vom Neubrandenburger Thor nach dem Alt=Burgthor der Ziegengang ("Zegengang"), vom Alt=Burgthor nach dem Neuen Thore der Hundegang.

In dem südöstlichen Viertel (1. Wikhauptmannsschaft) war am Ende der Stadt, zwischen dem Neuen und dem Burgthore, am Todtengang, die Kirche, welche St. Petri=Kirche genannt wird, mit dem Kirchhof, zwei Predigerhäusern, dem Küsterhause, dem Schulhause, dem Priesterbrunnen. Die Längsstraße des Viertels hieß die Thurmstraße, die Querstraße die Mönchenstraße ("Mönken=Stradt"). Wovon diese Straße den Namen führt, läßt sich nicht ermitteln. Ein Mönchskloster war in Woldegk sicher nicht. Daß sie von den Priestern an der Kirche den Namen habe, ist auch grade nicht anzunehmen. Möglich ist es, daß irgend ein auswärtiges Bettelmönchskloster hier ein

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Nebenhaus, eine Terminarei, nicht weit von den Pfarrhäusern hatte.

In dem nordöstlichen Viertel (2. Wikhauptmannschaft), zwischen dem Burgthor und Brandenburger Thor, am Katergang, war kein Institut von Bedeutung, vielmehr scheint sich hier die Bevölkerung der niederen Gewerbe angesiedelt zu haben. Die Längsstraßen sind: die Kronstraße und die Petersilienstraße, die Wurststraße ("Wuststradt", die einzige krumme Straße) und die Baustraße ("Buhstradt"), dann der Katersteig nach dem Katergang.

In dem nordwestlichen Viertel (3. Wikhauptmannschaft), zwischen dem Brandenburger und dem Alt=Burgthor, am Zegengang, lag westlich neben dem Brandenburger Thor in der Ecke an der Neubrandenburgerthor=Straße und der Klosterstraße die Kirche des Hospitals zum Heiligen=Geist mit Thurm, daneben an der Klosterstraße das dazu gehörende Armenhaus und hinter demselben und an der Kirche der Kirchhof. Die Längsstraße daneben hieß die Klosterstraße, wahrscheinlich nach dem Heil. Geist=Hospitale so benannt, obgleich dieses kein eigentliches Kloster war; der Brunnen am Ende der Klosterstraße hieß der Klosterbrunnen. Die übrigen Straßen sind: Längsstraßen: Fleischstraße und Brüderstraße; Querstraßen: Schmalzstraße ("Schmoltstradt") und Tiefenthal ("Dependahl"), und am westlichen Ende die lange Wollenweberstraße.

In dem südwestlichen Viertel (4. Wikhauptmannschaft) lag am Ende der Stadt an der Stadtmauer, innerhalb derselben, etwas südwestlich, und nicht dem Burgthor, sondern der Kirche gegenüber, auf einem weiten, mit Bäumen umgebenen Platze die "Burg" mit dem "Burgwall" und vor demselben stadtwärts der "Burggraben". Auf dem Burgwall, dicht neben dem "Alt=Burg=Thor", rechts am Ausgange aus demselben, lag das Fundament (wahrscheinlich Ruinen) der Burg, ein langes Quergebäude mit zwei vorspringenden Flügeln. In der Stadtmauer am Burgwall war das einfache "Old=Burg=Thor", ein Nebenthor, unmittelbar neben dem ersten Hauptwikhause; beide lagen der Längsstraße, der "Schloßstraße" gerade gegenüber, welche in den Hauptquerstraßenzug mündete. Wir haben hier also noch die vollständige Anlage einer fürstlichen Burg, welche in den Städten gewöhnlich an der Stadtmauer lag und einen eigenen Thoreingang in der Stadtmauer hatte. Wie sich dieses "Alt=Burg=Thor" zu dem gegenüber liegenden "Burgthor" verhält, ob sich zu verschiedener Zeit fürstliche Burgen

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in verschiedenen Gegenden nachweisen lassen, kann nur eine genaue Untersuchung an Ort und Stelle an der Hand der Geschichte lehren. - Der leere dreieckige Zwickel im Süden zwischen dem Burgwall, der Stadtmauer und der Mündung der Schloßstraße hieß der Gänsewinkel, an welchem noch 2 Häuser der Stadt standen und in der Mauer ein Wikhaus. Die nächste Häuserreihe vor dem Burgwall und dem Burggraben hieß der "Grüne Gang", und hinter der westlichen Häuserreihe vor dem Burggraben war innerhalb des Häuserquartiers zwischen Schloßstraße, Backstraße und Schmiedestraße der "Lustgarten", mit einem Zugange von der Burg her, also schon ein alter Vergnügungsort im Freien innerhalb der Stadt. - Die Querstraße dahinter hieß die Schmiedestraße.

Endlich sind auch die 12 Brunnen der Stadt verzeichnet, welche abweichend vom niederdeutschen Sprachgebrauch "Brunnen" (nicht "Sode" oder "Pumpen") genannt werden. Die 12 Brunnen, welche alle Beinamen hatten, waren folgende:

In der ersten Wikhauptmannschaft:

1) "Marktbrunnen" (auf dem Markt neben dem Rathhause).

2) "Freie Brunnen" ("Frie Brunnen" am Sellmarkt).

3) "Kreuzbrunnen" (in der Poststraße nahe am Markt).

4) "Priesterbrunnen" (beim Predigerhause am Ende der Poststraße).

5) "Jungfernbrunnen" (am Ende der Jungfernstraße, nicht weit vom Kreuzbrunnen).

6) "Blutbrunnen" (in der Blutstraße bei der Jungferwippe nahe am Burgthor).

In der zweiten Wikhauptmannschaft:

7) "Sternbrunnen" (an der Kronstraße).

8) "Steinbrunnen" (an der Baustraße).

In der dritten Wikhauptmannschaft:

9) "Thorbrunnen" (dicht am Brandenburger Thor neben der Heil. Geist=Kirche).

10) "Klosterbrunnen" (am Ende der Klosterstraße im Anfange der Wollenweberstraße).

In der vierten Wikhauptmannschaft:

11) "Tiefenthalbrunnen" ("Dependahlbrunn" in der Tiefenthalstraße).

12) "Goldbergbrunnen" (an der Ecke der Schloß= und Schmiedestraße).

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Nur eines ist auf dem alten Plane nicht zu finden: die alte Stelle der "Frohnerei", welche jedoch wohl in der Gegend der "Burg" gelegen haben wird. In den jungem Zeiten war die "Scharfrichterei" in dem vierten Hauptwikhause westlich nicht weit von dem Neuen Thore.


Dies ist das ziemlich klare und belebte Bild der Stadt Woldegk, welches wohl ein Vorbild zur Erkenntniß alter Stadtanlagen zu bieten vermag.


Hinterschriften.

Auf der Rückseite des Stadtplans sind in 6 Columnen gegen das Ende des 18. Jahrhunderts vom Anfange des Jahrhunderts an die Behörden und Beamten der Stadt verzeichnet, wie es scheint von der Hand des Burgemeisters Weichel. Darnach sind die Listen von andern Händen bis in das zweite Viertheil des 19. Jahrhunderts fortgeführt. Der Herr Burgemeister, Rath Wegener hat die Güte gehabt, die Listen bis auf die neuern Zeiten fortzuführen, wie die Eintragungen mit [ ] bezeichnet sind. Nach einer Mittheilung desselben reichen die Stadtacten nur bis zum Burgemeister Burchard zurück, welcher am 10. Januar 1702 beeidigt ward, da ein großer Brand im Jahre 1703 auch das Rathhaus mit allen Urkunden einäscherte.

De anno 1701
sind folgende Magistrats- und Amt . . . . . . . . . .
in dieser Stadt erwählet worden.


Burgemeister.

Gerven, Burgemeister.
1701. Burchard, Burgemeister et Oeconomus.
1749. Mercker, Burgemeister.
1768. Bartholdi, Burgemeister et Jud. et Oecon.
1772. Weichel, Burgemeister.
1792. Merker.
1813. Hartwieg.
1850. Wulfleff.
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[Bis auf Buchard reichen die Stadtacten zurück; er ist vereidigt am 10. Januar 1702; Burgemeister Gerven ist dabei zugegen gewesen.
Mercker als Hülfsburgemeister vereidigt am 4. Julii 1746.
Bartholdi 1764.
Mercker war bis 1814 Stadtsecretair und Senator, sowie des kranken Weichel Substitut. 1814 wird er zum Burgemeister ernannt.
Hartwig 1815 zweiter Burgemeister.
Wulffleff 1830 Burgemeister.
Wegener 1852.]


Senatores oder Rathmänner.

1701. Schmid, Rathmann.
Silberberg, Rath M. et Cämer.
R. Fischer, Rathmann.
1717. Evert, Secretair.
1720. Knüttel, Secr. et Senat.
1723. Müller, Rath M. et Cämer.
1739. Fr. Brix s., Rathmann.
1756. Spiegelberg, Rath M. et Cämer.
1758. Wietfeld, Rath M.
1762. Weichel, Secretair et B. M.
1764. F. Fischer, Rath M. et Cäm.
1772. Fr. Brix j., Rath M. et Cäm.
1773. Jacobi, Rath M. et Cäm.
(-) Mercker, Secretair et Sen.
(-) (. . . .)chmann (. . . . . .)
1778. Casbaum, Rathmann.
1779. Adermann, Rath M. et Cämer.
1796. Westfahl, R. M.
1811. Budde, (. . . . . .)
1816. Walter, Senat.
1820. Weichel, Secr. u. Senat.
1831. Pentzlien, Sen. u. Cäm.
1831. Hertzog, Sen.
1833. Randler, Sen.
[1842. Witte.
1852. Brasch.
1859. Horn.
1867. Kandler.]

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Judex oder Richter.

1606. Bagemühl.
1736. Rocks.
1760. Bartholdi.
1772. Colberg.
1783. Helm . . .
1809. v. Behmen.
1823. Müller.
1832. Held.
[1852. Wegener.]

Pastoren oder Prediger.

Präpositus Grantzien.
Pastor Bucholtz.
Past. Mercker.
Past. Wetzel.
Past. Müller.
Past. Fuchs.
Past. Schultz.
Past. Asmis.
Past. Reinholtz.
Runge 1833.
Kracht 1833.
[Bahr 1851.
Fischer 1859.]

Schull=Collegen.

1701. Rector Kämpfer.
1716. Cantor Jacobi.
1756. Cantor Sponholtz.
1758. Rector Kähler.
1760. Cantor Weinemann.
1773. Cant. Weichel Rector.
1781. Huth, Cant., Rector.
1782. Wietfeldt Cantor.
1808. Linde, Cantor, Rector.
1818. Tillemann, Cant., Rect.
1820. Hartwig Cantor.
1822. Jacobi Rector.
1824. Ruschel Cantor.
1829. Müller Rector.
1829. Asmis Cantor.
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(NB. Die Jahreszahlen vor den Namen der Lehrer sind meist unrichtig. Neuere Bemerkung von der Hand des Pastors Runge.)

[1843. Schönbeck, Rector.
1850. Otto, Rector.
1853. Voigt, Rector.
1860. Genzmer, Rector.
1864. Schulenburg, Conrector.
1868. Rieck, Cantor.]

Post[meister.]

1775. Jacobi Post.
1779. Adermann Post.
1811. Westphal.
Weichel.
1813. Brasch Secr.
1833. Kober Postmeister und Steuereinnehmer.

 

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VII.

Urkunden

über

die Kriege der Erzbischöfe von Magdeburg

in Beziehung auf Meklenburg.

1381 - 1384.

Mitgeteilt vom Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg.


Nr. 1.

Meineke v. Schierstedt, Ritter, und Ruprecht von Werstedt und Hans von Schierstedt, Knappen, nehmen von dem Erzbischofe Peter von Magdeburg für 300 Mark, welche der Erzbischof ihnen von dem Kriege gegen den Herzog von Meklenburg noch schuldig ist, das Schlosz Schönebeck zum Pfande.

D. d. 1381. Mai 6.

Nach dem Original im königl. Staatsarchive zu Magdeburg.


Wir Meyneke van Schirstete, rittere, Ruprecht van Werstete vnd Hans van Schirstete, des seluen, hern Meyneken sône, knechte, bekennen, offenlich und crafft desses brêues, also vns der êrwertighe in gote vatir unszer gnediger here her Petir, erzebiscoff des heyligen gotshuses czu Magde[burg], schuldich blêff van des krîges wegene weder den van Mekelenborch, dô ome San-

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dowe vnd Plawe abe gewunnen worden, vunff hundird mark Brand, siluers, de her vns mid Schonebeke vorphendet hatte, also hat vns der selbe vnszer here der vôrscrîbenen vunff hundird mark czwey hundird marc beczâlt, vnd hat vns vorder vôr de anderen drey hundird marc, de her vns vôr sîns godshûsz wegene van dem krîge so vôrscrîben ist schuldich blîbet, gesaczt vnd vorphendet daz selue sînes gotshûsz sloz Schonebeke hûs vnd stad mid sodâner borchhôde, alse vôre Herman Snidere daz gehat hadde, vnd mid trizich marc geldes py dem râte vnd purgeren, dârselbens, de de seluen sîne purgere vns geben sullen aIIe iâr, de wîIe Schonebeke vnsz phand ist, also vunffczehen marc uff sente Michels tag vnd vunffczen marc uff sente Walburge tag. Vnd daz genant sloz mag her, sîn nachkômeling eder godshûs alleczît van uns lo e sen, wanne se wollen, vnd ouch môge wir unsz phenninghe van yu êschen, vnd daz solte vnsz eyn teyl dem anderen teyle vêr wochen vôre vorkundigen, vnd denne darnach solte her vns de bûszphenninghe drehundird mark gancz vnd gâr beczâlen âne wederrede. Vnd were daz vnsz here Schonebeke van uns lôsete czwischen sent Walburge tâghe vnde sente Michels tâghe, so solten vns van den trîzich marken py den purgeren vunffczên mark volghen; lôsete her daz aber nach sente Michels tag, solten vns aber de vunffczehen mark, de uns van dem halben iâre gebûrten, volgen, vnd de solte vns denne vnsz here mid den drên hundird marken genzlich beczâlen. Were abir wan her vns oder von . . . . minghe vôre kundiget hetten, so vôre scriben ist, vnse phenninghe nicht bezâlte, so môghe wir vnsze vôrscrîbenen phenninghe mid dem selben slosze vnd waz vns dâr czu vorbrêbet ist, bekomen by weme wir wollen, de sînes godshûses - - - - - - - fursten, heren vnd stete, vnd by weme wir vnsz phenninghe bequêmen, deme eder den solte her sotâne brêue geben, als her vns getân hat, vnd der eder de solten yn vnd sîn gotshûs des sloszes wîder bewâren n - - - - ten haben, auch sol vnsz here vnses rechtin weldich sîn keyen allirmalchem. Were abir daz vns iêmand vurvnrechtete, daz solte wir ym vorkundigen hulffe, vns denne binnen vêr wochen nach der vorkunden - - - - - - - - - vruntschafft, so môge wir vns vnrechtis wol dirwêren van dem seluen slosze. Ouch sal daz selbe slosz sîn, sîns nachkômelinges vnd godshusz offene slosz sîn tzu alle iren no e ten, vnd wan

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her dâr von krîgen wolden, so sol - - - - borchhôde und vôr vnnôghe, vnd vnsz here solte denne alle ko e ste lyden uff dem hûse vnd in der stad, vnd her solte vns de trizich marc gelîche wol volghen laszen. Were ouch daz vnsz here abeghinghe eder sîn godshûs - - - - - hand setzen. Wo e lde ir her Schonebeke van vns lo e sete, so hat her geheiszen Hermanne van Neyndorffe synen vogte tzu dem groszen Saltze, vnd were daz her den entsetzte, wene her denne dar weder tzo eynem ammechtmaime setzte, dem solte her daz ouch heyszen, daz se se des vns vnd vnszen erben solte geloben. Were daz vns sîn nachkômeling nicht reden one welde, daz her vns vnser brêffe, de vns vnsz genanter here dâr ôbir vursigeld hat, halden welde, daz vns der denne antwerden wolde daz hûs tzu dem groszen Saltze, vnd daz solte wir denne halden tzu eynem phande vôr vnsz vôrscrîbenen drê hundird marc vnd trizich marc geldes in dem gerichte dâr selbens tzu dem Salcze, vnd mid den kôpen phenninghen vnd mid der mo e len, also Herman van Neyndorff daz gehabt hat, so lange daz vns vnsz drêhundird mark genzlich beczâlt wurden wan vns, ouch daz grosze Salcz geantwerdet worde, so solte wir ym, sînen nachkômelinghe eder godshûs Schonebeke van stund an ledich vnd lôs wider antwerden. Wan ouch her, sîn nachko e meling eder gotshûs vns vnsz phenninghe, so vôre scriben ist, beczâlt hetten, solte wir ym Schonebeke oder daz groze Salcz, weIchez wir denne inne hetten, ledich vnd lôs wider antwerden an allis geuêde vnd wederrede. Mo e chte wir ouch sîns capitels brêue ôber Schonebeke irwerben, so solte daz grosze Salcz fûrbaz nicht hofften vnd daz gelo e bete solte abe sîn. Alle desse vôrscrîbenen stucke vnd artîclen lôbe wir Meyneke, Ruprecht vnd Hans vôrgenant dem obgenanten vnszem gnedigen heren hern Petir erzebiscoff tzu Mâgde[burg], sîne nachko e melinge vnd godshûs gancz vnd vnuorbrochen tzu haldene âne allerleye argelist, vnd haben des tzu ôrkunde vnsz ingesegel an dessen brêff laszen hengen nach gotis gebûrd drizenhundird iâr in dem eynen vnd achczigisten iâre, am mântag nach Jubilate.

Nach dem Originale mit drei Siegeln, wovon nur noch eines erhalten ist, im königl. Staats=Archive zu Magdeburg, mitgetheilt von dem Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg.


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Nr. 2.

Eckhard v. Dewitz begiebt sich mit seinem Schlosse Wredenhagen in den Dienst des Erzbischofs Albrecht und des Stiftes von Magdeburg zu dem bevorstehenden Kriege gegen die Mark Brandenburg, Wedige v. Plote und ihre Helfer.

D. d. Wolmirstedt. 1384. April 27.

Nach dem Original im königl. Staats=Archive zu Magdeburg.


Ich Eckerd von Dewitz bekenne offintlichin in dissim briefe, daz der erwertigister in gote vatir vnd herre her Albrecht ertzebisschoff des heiligen gotishuses zu Meideburg mit rate sines leibin getruwin ratis dorch sunderhcher beschermunge, nuccz, vromen siner lant vnd lute mich mid mynem slosse Wredenhagen czu sinem vnd sines gotishuses dienste genomen hat, also daz ich ym vnd sinem gotishuse getruwlichin gedynen sal mid czehen wapent gutir lute miner frunt von dissen nehisten zukomeden phingesten vort obir eyn iar uff die gancze Marcke zu Brandenburg, Wedigen von Plote vnd uff ire hulffere, vzgenomen mynen erbherren als den hochgeborn fursten herczogin Jane von Mekelnburg vnd die herren von Wenden. || Darvmb sal er mir geben vnd wil betzalen tzwe hundert mark Brand. silbers Meid. gewichtes, alse hundert mark sal er mir geben, wen er den krig mid der Marke anhebit, vnd die andere hundert mark sal er mir beczalen in dem vorgnanten iare, wur er die an dignisse, an vangenen ader sust an der fiende gutern dirwerben konde vnd mag. Were auch daz er sich sônde mid der Marcke vnd genczlichen keyn krig kegen sie hette, so sal er der egnanten czwe hundert marck von mir genczlichin quit, ledig vnd loz sien; were abir daz er nach dissim nehisten sunte Jacobi tage den krig ansluge mid der Marcke, so || sal er sine were bie mir leghen uff daz selbe sloz, sinen hoptman und driczig wapent zu den egnanten czehen wapent, die ich dar haben sal. Were auch daz sine hoptlute dirkenten, daz mer wen driczig wapent nod worde uff daz sloz zu leghenn, daz sal er thun. Were auch daz der lute vnd koste myn not tete, daz sal

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men abir also haltin vnd sal vort mit mynem slose vnd mynen czehen wapenden vor koste vnd vor redlichin schaden stein vnd sal mynes rechtin mechtig sien vnd mich des truwlichin vortedingen kegen den marggreuen von Brand vnd kegen die, dar uff ich ym behulffin kan, vnd mich dar by behaltin des besten, des er kan vnd mag, wen er sinen hoptman daruff sendet vnd davon krigen wiI. Were nu daz ich mid den selben czehen wapenden in sinem vnd sines gotishuses dienste vromen neme, daz wir an dignisse, an vangenen ader sust an der fiende gutern, die ym angeboren muchte, der vrome sal sien sin, vnd denselben vromen sal er mir volgen lazen zu mynen kosten vnd schaden, vnd den schaden, den ich denne neme, den sal men richtin nach siner manne tzween vnd myner frunde tzween, die wir an beitin sitin darczu kesin sullen. Vnd were daz er den schaden also richtete, so sal ich ym den vromen entwertin an alle widerrede vnd vorczog. Were auch daz der vrome grozir were, wen der schade, als daz gerichtet werde, so sal das obriche des vromen sin sin, vnd ich sal ym den volgin lazin an geuerde vnd hinder. Were auch daz mir gebreche an dem schaden, den ich redlich berechen vnd bewisin mag, so sal er mir den zubuzin vnd dirlegen in dem verndel iars nehist darnach, als ich den schaden genommen habe. Werez auch daz ymant an mich von wegen disser eynunge sich strengen vnd myn fient darvmb wesin wolte, der fient sal er werden nach sunte Jacobi tage nehist zukomenn, wen er des von mir dirmanet wirt, vnd sine koste vnd hilffe bie mir Ieghen bynnen vierczen tagen nehist darna vnd mynes rechtin getruwlichin vortedingen, so er best mag, vnd sal daz mir haltin nach vzwisunge disses briefe. Vnd eyn sal sich an den andern nicht freden, noch sonen in disser eynunge, eyn thu daz denne mid des andern gutin willen. Were auch daz disser krig bynnen dissem iare nicht gebrochen worde vnd das er vorder krigen muste vnd wolde nach dissem iare, so sal er vorder mir vor koste vnd vor redlichin schaden stan, also vore, went an des kriges ende. Vortmer wen er von dem egnanten mynem slosse krigen vnd orlogen wolle, so suIIen die koste uff dem slosse sien sin vnd sal mich frede gut geben miner gutir, wur er ader ich die an der fiende gutern dirwerben kan vnd moge, vnd so sal sin hoptman, den er dar settzet, mich vnd die myne vor schaden vnd vor vnfuge uff dem

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slosse vnd in dem gebeite bewaren, so er truwlichest kan vnd mag. Geschehe abir vnfuge, dar schade mir vnd den mynen ab enstunde von den sinen, so sal er siner manne czwene vnd ich myner frunde tzwene darczu kesin, die mich des bynnen vierczen tagen nehist dar nach mid fruntschaft ader mid rechte ensettzen vnd dirscheiden. || Were auch daz men daz selbe sloz von mir losete in dissem vorscriben iare, uff welche cziit vnd tag desselben iares daz were, so sal ich abe slan von den vorgnanten czwee hundert marcken nach wochen czaI, als sich daz geboren mag, ane widderrede, infal vnd vorczog.|| Alle disse vorscreben stucke vnd artikel gelobe ich ergnanter Eckerd vor mich vnd myne erben dem egnanten mynem herren von Meideburg vnd sinem gotishuse gancz, stete vnd vnuerrucket zu halden in gutin truwin vnd an argelist, vnd habe des myn ingesegel zu vrkunde an dissen brieff gehenget lassin, der gegeben ist zu Wolmerstete, nach gotis bort driczinhundert iar in den viere vnd achci gistien iare, an mittewochen nach Marci ewangelisten.

Nach dem Original im königl. Staats=Archive zu Magdeburg, mitgetheilt von dem Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg. Angehängt ist ein Siegel, auf dem das Wappen: drei Becher, zwar noch erkennbar, die Umschrift aber ganz verlöscht ist.
Die vorstehende Urkunde ist insoferne wichtig, als sie willkommenen Aufschluß über das Schloß Wredenhagen giebt. Es geht aus derselben hervor, daß die v. Dewitz lange Zeit Pfandinhaber des Schlosses Wredenhagen waren. Nach der Urkunde vom 12. Julii 1363 (Lisch Maltzan. Urk. II, S. 172, Nr. 273) waren der Graf Otto v. Fürstenberg, früher v. Dewitz, und seine Kinder im Besitze von Wredenhagen gewesen. Um Johannis 1362 hatte der Herzog Albrecht von Meklenburg von dem Fürsten Bernhard von Waren das Land Röbel mit Wredenhagen zu Pfande genommen (vgl. Lisch in Jahrb. XIII, S. 188) und im Jahre 1376 seinem Bruder Herzog Johann von Meklenburg=Stargard abgetreten. In Folge der Pfandnahme vom Jahre 1362 gaben die Erben des Grafen Otto von Fürstenberg am 12. Julii 1363 dem Herzoge Albrecht ihre Rechte an ihren Gütern im Lande Röbel (und an Wredenhagen) auf (vgl. Lisch Maltzan. Urk. a. a. O.), aber wahrscheinlich nur, um dieselben von dem Herzoge wieder zu erhalten. Denn noch am 27. April 1384 war nach der vorstehenden Urkunde Eckhard v. Dewitz, der älteste Sohn des Grafen Otto, im Besitze von Wredenhagen, und daher nahm er den Herzog Johann von Stargard als Pfandherrn und die Fürsten von Werle als Grundherren von den Feinden aus.
An demselben 27. April 1384 schlossen auch Joachim und Busse Gans, Herren zu Putlitz, zu Wolmirstadt ein fast wörtlich lautendes Bündniß mit dem Erzbischofe Albrecht von Magdeburg, welches in der folgenden Nr. 3 im Aluszuge abgedruckt ist, auch gedruckt in Gercken Cod. IV. p. 413, und darnach in Riegel Cod. I, 3, S. 400, Nr. 107. Joachim Gans aber hatte eine Tochter des Grafen Otto

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von Fürstenberg, eine Schwester des Eckhard v. Dewitz, zur Gemahlin (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 175). Das Bündniß mit den Herren Gans zu Putlitz ist mit der vorstehenden Urkunde, mit Ausnahme der Namen und der Constructionen, völlig übereinstimmend. Nur fehlen in dem Bündnisse mit dem Gans die beiden Sätze: im Anfange: || "Darvmb sal er mir geben vnd wil betzalen tzwe hundert mark - - - were abir daz er nach dissim nehisten sunte Jacobi tage den krig ansluge mit der Marke, so || (vnd)", und am Ende: || "Were auch daz men daz sloz von mir losete - - - ane widderrede, infal vnd vorczog". ||


Nr. 3.

Joachim und Busse Gans Herren zu Putlitz, Brüder, begeben sich mit ihrem Schlosse Putlitz in den Dienst des Erzbischofs Albrecht und des Stiftes von Magdeburg zu dem bevorstehenden Kriege gegen die Mark Brandenburg, Wedige von Plote und ihre Helfer.

D. d. Wolmirstedt. 1384. April 27.

Nach dem Original im königl. Staatsarchive zu Magdeburg.


Wir Joachim, ritter, Busse, knecht, brodere, gehetzin die Gense, herren zu Potlist, bekennen offintlichin in dissim briefe, daz der erwertigister in gote vatir vnd herre er Albrecht, erczebisschoff des heiligen gotishuses zu Meideborg, nach rate sines liebin getruwin ratis, dorch sunderlicher beschermunge, nucz vnd vromen siner lant vnd lute vns mid vnserm slosse Potlist in sien vnd sines gotishusis dienste vnd beschermunge genomen hat, also daz wir ym vnd sinem gotishuse truwlichin dienen sullen vnd wollen mid czehen wapent gutir lute vnser frunde von dissen zukomeden phingsten vort obir eyn iar uff die gancze Marke zu Brandenburch, Wedigen von Plote vnd uff ire hulffere, vzgenomen vnser erbherren als die hochgeborn fursten alle die von Mekelnborg, vnd er sal vns zu were leghen uff daz sloz zu Potlist, wen er davon krigen wil, sinen hoptman mid driczig wapent zu denselben czehen wapenden, die wir dar haben sullen. - - - - - - - - - - - - - - - - -

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Alle disse vorscreuen stucke vnd artikele geloben wir egnanten herren von Potlist vor vns vnd vnse erben dem egnanten vnserm herren von Meideburg gancz, stete vnd vnuerrucket zu halden in gutin truwin vnd an argelist, vnd haben des vnser ingesegele an czu vrkunde an dissen brieff gehenget lassin, der de gegebin ist czu Wolmerstete, nach gotis bort driczenhundert iar in den vieren vnd achtzigistien iare, an mittewochen nach Marci Ewangeliste.

Auszug nach dem Original im königl. Staats=Archive zu Magdeburg, mitgetheilt von dem Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg, auch gedruckt in Gercken Cod. dipl. IV, p. 413, und in Riedel Cod. I, 3, S. 400, Nr. 107. An der Original=Urkunde hangen 2 gute Siegel. Die vorstehende Urkunde stimmt mit der voraufgehenden Bündnißurkunde des Eckhard v. Dewitz, außer in den Namen und Constructionen, sonst völlig überein, nur daß in der vorstehenden Bündnißurkunde der Gans v. Putlitz die beiden Stellen fehlen, welche zu der Urkunde des Eckhardt v. Dewitz bezeichnet sind. - In dem Abdrucke bei Riedel fehlt der Name: "Wedigen von Plote" ganz.

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VIII.

Über die letzten Nachkommen

des

Fürsten Prisbislav von Parchim=Richenberg.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n den Jahrbüchern XXV, S. 81-88, sind nach urkundlichen Nachrichten als die letzten Nachkommen Pribislavs I. von Parchim=Richenberg dessen Enkel Mestwin und Lutgard, Kinder Pribislavs III. von Belgard und Daber, nachgewiesen, und in den Jahrb. XXVI. 1861, S. 95, ist nach den Forschungen des verstorbenen F. W. Kretschmer wahrscheinlich gemacht, daß Lutgard noch spät die zweite Gemahlin des schlesischen Herzogs Wladislav von Beuthen ward. Diese Forschung hat gegen meine Erwartung bis jetzt keine urkundliche Fortsetzung gefunden. Ich sehe mich deshalb veranlaßt, die fernern Bemühungen Kretschmer's für die Zukunft hier niederzulegen, damit sie nicht verloren gehen. F. W. Kretschmer, Gehülfe im königlichen Münz=Cabinet zu Berlin, ein außerordentlich sicherer und sauberer Zeichner alter Münzen, einer der treuesten und ergebensten Freunde unsers Vereins, war als Schlesier in den Hülfswissenschaften zur schlesischen Geschichte ungewöhnlich bewandert und hatte sich alle meklenburgischen Forschungen neuerer Zeit mit großer Beherrschung angeeignet. Daher kam es, daß er die oben erwähnte Entdeckung über die Vermählung der Lutgard machen konnte, welche in Jahrb. XXVI. 1861, S. 95, vorläufig kurz mitgetheilt ist. Ich blieb über diesen Gegenstand mit ihm in Briefwechsel, da wir noch auf feste Bestätigung aus

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urkundlichen Originalschriften hofften. Kretschmer schrieb auch noch am 7. Januar 1863 Folgendes:

"Ich will auch noch die früher mitgetheilte Behauptung wegen der Lutgart oder Lukardis von Beuthen jetzt mehr zur Gewißheit erheben, nachdem ich gefunden, daß der Herzog Otto von Pommern seine Nichte Lukardis 1342 mit dem Herzoge Wladislav von Beuthen vermählte. Wahrscheinlich war die Hochzeit am Hoflager zu Stettin, entweder im genannten Jahre oder kurz vorher. Der edle Herzog Otto nahm sich dabei seiner Verwandten, der armen, verwaisten Fürstentochter aus Ostpommern, mit Erfolg väterlich an, so daß sie, wenn auch nicht mehr jung an Jahren, doch einen ihr ebenbürtigen und an Tugenden gleich ausgezeichneten Gatten erhielt. Denn Wladislav war berühmt bei seinen Zeitgenossen wegen seiner Kenntnisse, ja wegen der ihm eigenen Gelehrsamkeit. Er war ein Fürst von veredelter Geistesrichtung. Sein Leben beschloß er zu Anfang des Jahres 1352, wenn nicht schon Ende 1351, wie es scheint hochbetagt, da ihn sein Vater bereits 1303 mit der zu Kosel eingerichteten Regierung versah. Er wird daher auch in den Geschichtswerken kurzweg der Herzog von Kosel genannt, so wie auch sein größeres Siegel an einer Urkunde vom Jahre 1326 die Umschrift führt: s. wlodizlai. dei. gra. ducis. coslens. et. bithumens. Seine Kinder gehören seiner ersten Ehe an. Vermählt war er nämlich zuerst mit Beatrix, einer Tochter des Markgrafen Otto des Langen von Brandenburg, welche er als Wittwe Bolko's I. von Schlesien=Fürstenberg 1308 heirathete. Sie starb 1316 und mochte wohl auch, gleich der Lutgard, ihre 40 Jahre zählen, als Wladislav mit ihr zur Ehe schritt. - Lutgard selbst starb bald nach dem Jahre 1360."

Kretschmer gedachte noch im Jahre 1863 diesen Gegenstand weiter zu berühren, als ihn am 29. März 1863 der Tod hinwegnahm. - Und so ist diese Forschung in Stocken gerathen, welche vielleicht später einmal mit günstigem Erfolge fortgeführt werden wird.


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Der letzte Abt des Klosters Dargun.


Nachtrag zu Jahrb. XXXVIII, S. 12.

" E s war bisher nicht ganz sicher, ob der erste lutherische Pastor zu Röcknitz auch der letzte Abt des Darguner Klosters gewesen sei (Oeff. Anz. für die Aemter Dargun etc ., 1866, Nr. 49), was jetzt außer Zweifel gesetzt ist."

"Jacob Baumann kann aber erst nach dem 11. Julii 1549 Abt in Dargun geworden sein, denn an diesem Tage war sein Vorgänger, der Abt Johann, noch in Thätigkeit."

"Auf der Reise nach Fürstenberg (Septbr. 1562) scheint der alte Mann sich tödtlich versehen zu haben, wenigstens muß er sehr bald nach derselben gestorben sein; denn am 21. Octbr. 1562 wurde schon sein Nachfolger Joh. Cosmas als Pastor zu Dargun mit Residenz im Flecken Röcknitz vocirt. Cosmar sollte sein Amt 1563 antreten (Oeff. Anz. 1869, Nr. 28). Bis dahin währte wohl die Gnadenzeit der Wittwe Baumanns."

Oeffentlicher Anzeiger für die Aemter Dargun etc ., 1872, 13. Novbr., Nr. 65, und Mecklenb. Zeitung, 1872, 17, Novbr., Nr. 282.

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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Ueber

Räucherwerk oder Harzkitt.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n den Jahrbüchern ist in neuern Zeiten oft von jenem "Räucherwerk", einer braunen harzigen Masse, die Rede gewesen, von der sich zuweilen Bruchstücke in Begräbnißurnen zwischen den zerbrannten Menschengebeinen gefunden haben und mit der oft die vertieften Stellen verzierter Bronzen ausgelegt sind. Es werden auch ganze Kuchen von diesem Harze gefunden, wie ich selbst denn auch ein großes Stück davon in dem Pfahlbau von Wismar entdeckt habe; vgl. Jahrb. XXXII, S. 213. Es handelte sich bisher noch um die Zeit, in welcher dieses vielleicht bald als Räucherwerk, bald als Kitt gebrauchte Harz im Gebrauch war.

Bei Gelegenheit der Untersuchung einer Urnenscherbe aus einem Begräbnißplatze der Bronzezeit von Sietow bei Röbel ward es mir Bedürfniß, diese Sache noch einmal in weiterm Umfange zu untersuchen. An dieser thönernen

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Urne ist auf der Außenfläche, jedoch nicht durchreichend, ein Stück ausgesprungen, und man hat zur Ebenung diese schadhafte Stelle mit jenem Kitt ausgefüllt, welcher am brennenden Lichte schmilzt, mit heller Flamme bis zur Verkohlung brennt und jenen ganz angenehmen Geruch von sich giebt, der an Birkentheer und Bernstein erinnert und dem Geruch der modernen Räucherkerzchen nicht unähnlich ist.

Nun erinnerte ich mich, daß 1841 in einem großen Grabe aus der Steinzeit zu Moltzow eine Urne gefunden ward, welche ebenfalls an einer ausgesprungenen Stelle mit einem Stück Scherbe von einer andern Urne durch einen Kitt ausgeflickt war; vgl. Jahresber. VI. S. 135-136. Das Grab gehört ohne Zweifel der Steinzeit an. Die Urne, welche schon an und für sich bestimmt den Charakter dieser Zeit trägt, ist in Jahrb. X, S. 254, abgebildet. Bei der jetzt vorgenommenen Untersuchung hat sich nun mit Sicherheit ergeben, daß der Teig, mit dem die Scherbe in die Lücke eingekittet ist, derselbe braune Harzkitt ist, aus welchem die "Räucherkuchen" bestehen: er brennt in heller Flamme, indem er schmilzt und endlich verkohlt, und giebt den eigenthümlichen, angenehmen Geruch von sich.

Dieses Harz kommt also schon in der Steinzeit vor. Und dazu stimmt auch die Entdeckung in dem Pfahlbau von Wismar, welcher auch der Steinzeit angehört.

In der Bronzezeit ist das Harz in Dänemark, wo an verschiedenen Orten viele "Räucherkuchen" gefunden sind, sicher beobachtet; vgl. Jahrb. XXXII, S. 214. Und derselben Zeit gehören die Bronzen an, deren vertiefte Verzierungen mit diesem Kitt ausgelegt sind. Ich habe diesen Gegenstand zuerst in den Jahrb. XXVI. 1861, S. 146, vgl. 148, an den Bronzeschwertern von Retzow und Bockup besprochen und seitdem wiederholt neue Entdeckungen gemacht, z. B. an dem Bronzedolch von Klein=Wolde in Jahrb. XXVII. S. 175 flgd., an dem Doppelknopf von Slate in Jahrb. XXXI, S. 131, an den Schmuckdosen von Klues, daselbst, S. 137, an der großen Schmuckdose von Kritzemow, Jahrb. XXXVII, S. 202. - Dabei muß bemerkt werden, daß der gravirte Ueberzug von Bronzen, welcher in Jahrb. XXX, S. 150 flgd., entdeckt und beschrieben ist, nicht aus diesem Harze besteht, da er nicht brennt und schmilzt, also erdiger Natur sein muß.

In das letzte Ende der Bronzezeit gehört die oben erwähnte Ausflickung einer Urne von Sietow, welche der von Moltzow gleich ist.

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Auch in der Eisenzeit begegnen wir diesem Harz oder Räucherwerk. Schon im Jahre 1837 wurden in einem sicher der Eisenzeit angehörenden Begräbnisse zu Malchin, welches im Jahresber. II, S. 72 und 75 beschrieben und dazu abgebildet ist, Stücke von diesem Räucherwerk gefunden, und 1842 in dem "Wendenkirchhofe" von Pritzier eine Kugel und mehrere Stücke von diesem Harz; vgl. Jahrb. VIII, B, S. 75. In dem großen, reichen Begräbnißplatze von Wotenitz, welcher alle sichern Zeichen der ersten Eisenzeit trägt, fand sich auch ein Stück von diesem Räucherwerk neben einer feinen goldenen Halskette, welche vielleicht hetrurischen Ursprunges sein mag; vgl. Jahrb. XXV, S. 256.

Dieses Harz findet sich also in allen Perioden der heidnischen Vorzeit und ist schon eine Erfindung der Steinzeit, welche es den Nachkommen bis in die Eisenzeit hinein, also wohl sicher bis in die Zeit der christlichen Zeitrechnung, hinterlassen hat.


Ueber die neuesten dänischen Forschungen über diesen Gegenstand theile ich im Folgenden eine Veröffentlichung des Herrn Justizraths Herbst zu Kopenhagen, Conservators und Archivars am Alterthums=Museum, mit.

Kittausfüllung (Emaillirung) der Bronzen.

In den Jahrbüchern ist wiederholt von einer braunen Kittausfüllung vertiefter Stellen antiker Bronzen die Rede gewesen, zuletzt in Jahrb. XXXIII, S. 131 und 137; es ist auch im Pfahlbau von Wismar ein Kuchen von diesem Kitt, sogenannter "Räucherkuchen" gefunden;, vgl. Jahrb. XXXII, S. 213. In Beziehung auf das Vorkommen dieses Kittes und dessen Zusammensetzung ist eine Beobachtung des Herrn Justizraths Strunk zu Kopenhagen mitgetheilt. Darauf hat auch der Herr Justizrath Herbst zu Kopenhagen seine Beobachtungen veröffentlicht in einer Abhandlung: Oxer fra Broncealderen in Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed, 1866, H. 2, Kjöbenhavn, p. 130. welche im Folgenden in einer Uebersetzung mitgetheilt werden:

"Die bei den Bronze=Aexten theils als eine Art Email und theils unter den Goldbelegungen und in den Schaftröhren als Bindemittel angewandte harzartige Masse von dunkelbrauner Farbe findet sich ziemlich häufig auf den Gegenständen aus dem Bronzealter. Man hat

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mehrmals, besonders in unsern Torfmooren 1 ), große Stücke derselben gefunden, in Form von runden, flach gedrückten Kuchen mit einem Loch in der Mitte (die früher sogenannten "Räucherkuchen"), und in angewandtem Zustande sieht man dieselbe auf nicht wenigen im altnordischen Museum aufbewahrten Gegenständen. Zur Einlegung als eine Art Email gebraucht, findet sich dieselbe auf mehreren Schwert= und Dolchheften, auf dem Boden von Hängeurnen, auf den sogen. Tutuli u. s. w.; als Dichtungsmittel gebrauchte man sie u. a. in den Fugen des Bodens eines Holzgefäßes (Annal. f. Oldk., 1848, p. 346), und als Bindemittel wandte man sie an zur Befestigung der Spitzen auf den Lanzenschäften, der Deckel auf den thönernen Urnen u. s. w. Die Masse brennt wie Harz und giebt einen eigenthümlichen bituminösen Geruch, und der ausgezeichnete Chemiker, Professor N. J. Berlin in Stockholm, hat vor einigen Jahren nach einer angestellten Untersuchung mir mündlich erklärt, daß dieselbe vornehmlich aus Birkenrinde und Harzen bestehe (vgl. N. G. Bruzelius Svenska Fornlemningar I, p. 71 - 72), jedoch vielleicht mit geringem Zusatz von Bernstein. Ein Zeugniß der Richtigkeit dieser Erklärung wegen der Bestandtheile der genannten Masse scheint ein merkwürdiges Stück in König Friedrichs VII. nachgelassener Alterthümer=Sammlung (die dem altnordischen Museum verehrt und darin aufgenommen ist) abzugeben. Dies ist eine gebogene, ovale Bronzeplatte von ungewisser Bestimmung, welche vor mehreren Jahren mit einer Partie prächtiger und ungewöhnlicher Gold= und Bronzesachen in einem Hügel auf Fünen gefunden ist. Diese Platte ist nämlich auf beiden Seiten mit einer verhältnißmäßig dicken Lage dieser harzartigen Masse belegt, und in dieser letzteren eine Menge größerer und kleinerer Stücke von Birkenrinde und Bernstein festgeklebt."

(Aus dem Dänischen übersetzt vom Herrn Archivschreiber Jahr zu Schwerin.)

Mehrere neuere Funde dieser Harzmasse in Dänemark sind auch aufgeführt und beschrieben in Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie, 1868, H. II, p. 119 und 124.



1) Auch in Schonen sind dergleichen gefunden.
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Schiff=Anker

und

Dorf Sasnitz auf Rügen.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


E s werden im Lande oft runde, scheibenförmige Steine von etwa 18 Zoll im Durchmesser und 3 bis 4 Zoll Dicke gefunden, welche in der Mitte ein rundes künstliches Loch haben.

Wenn diese Steine, namentlich paarweise, auf festem Lande gefunden werden und von festem Gestein (Granit) und auf der innern Fläche glatt abgerieben sind, so hat man wohl Veranlassung, sie für Handmühlensteine (vielleicht der Eisenzeit) zu halten.

Wenn diese Steine aber aus mürbem und blätterigem Gestein, z. B. leicht zu bearbeitendem Gneis oder Glimmerschiefer bestehen und dazu an Wasserufern und in zugewachsenen, nicht tiefen Mooren gefunden werden, so liegt es nahe, sie nicht für Mühlsteine zu halten. Man ist daher auf den Gedanken gekommen, Anker darin zu erkennen, ohne grade diese Annahme begründen oder wahrscheinlich machen zu können. Bei Warnemünde stand in der Ostsee früher ein altes Schiffswrack, in welchem mehrere hundert solcher Steine aus Glimmerschiefer lagen, welche nach und nach herausgeholt und verbraucht sind. Vgl. Jahrb. XXIX, S. 193.

Ich glaube jetzt den Gebrauch dieser Steine als Anker nachweisen oder doch sehr wahrscheinlich machen zu können, da ich die Originale entdeckt zu haben meine. Am östlichen Strande der Halbinsel Jasmund der Insel Rügen, am Rande des Stubbenitz=Waldes, südlich von der Stubben=

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kammer, unterhalb des Forsthofes Werder, am malerischen Kreidefelsen, liegt in reizenden Umgebungen ein kleines Fischerdorf Sasnitz, welches jetzt als Seebad viel besucht wird. Hoch über dem Strande erhebt sich ein mächtiges Kreidevorgebirge, der Hengst genannt, auf dessen Höhe eine uralte Tempel= oder Burgumwallung liegt, ein Arkona im Kleinen, welche von den Bewohnern der Sattel auf dem Hengst genannt wird, weil die Umwallung in einem Bogen Bogen von Schlucht zu Schlucht geht. So weit dieser Sasnitzer Strand geht, liegt an der Küste, theils im Wasser, theils auf dem Trockenen, eine große Reihe der mächtigsten Granitblöcke, wie sie auf einer Stelle selten gefunden werden. Diese Stelle muß einst eine mächtige Endmoräne der Eiszeit gewesen sein. Auch die Kreide dieser Strecke ("obere Kreide") scheint jünger zu sein; denn durch die Kreide ziehen wellenförmig in Bogen in fast gleichen Entfernungen von einander breite Streifen von fest zusammengepacktem, zertrümmertem, schwärzlichem Feuergestein. Der schmale Strand ist aber hoch mit kleinem, abgerundetem und abgeriebenen Feuersteingeröll bedeckt, wie der Heilige Damm bei Doberan 1 ). In diesen Umgebungen liegt an der Mündung eines Baches, des "Steinbaches", mit reizenden Ufern und an einem einigermaßen bequemen Zugange zum Meer das Dorf Sasnitz.

Hier am Strande im Meere haben sich die Fischer für ihre ziemlich großen Fahrzeuge (Schuten), welche für die Strandfahrt seetüchtig sind, kleine Hafen gebildet, indem sie aus den großen Granitblöcken vom Lande her in die See hinein Dämme oder Molen neben einander gebauet haben, zwischen denen je zweien immer eine Schute geschützt liegen kann.

Und diese Boote liegen noch heute am Lande "vor Anker" grade an solchen Ankersteinen, wie sie hier zu Lande gefunden werden. Es ist jedoch ein Unterschied zwischen den meklenburgischen und rügenschen Ankersteinen; denn die meklenburgischen sind durch Kunst hergestellt, die rügenschen sind Naturbildungen. Unter den unzählbaren Feuersteinen der Gegend von Sasnitz finden sich nämlich merkwürdiger Weise oft Stücke, welche von Natur die beschriebene Größe und Gestalt und von Natur in der Mitte ein großes, rundes, regelmäßiges Loch haben, so daß sie ohne alle Bearbeitung gebraucht werden können. Diese kleinen Häfen


1) Der Heilige Damm bei Doberan ist wahrscheinlich auch eine Endmoräne der Eiszeit.
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und Feuersteinanker sind gewiß uralte Einrichtungen, vielleicht Jahrtausende, seit der Steinzeit, alt und wohl die letzten Ueberreste einer uralten primitiven Schifferei. Diese Feuersteinanker sind sicher die Vorbilder der künstlich gearbeiteten. Man findet sie am Sasnitzer Strande nicht allein am Meeresufer als Anker in Gebrauch, sondern mancher Fischer hat bei seinem Hause einen gesammelten Vorrath wohl von einem Dutzend liegen. Auch vor dem Forsthofe an der Einfahrt in die Stubbenitz zur Stubbenkammer sind einige Prachtexemplare aufgestellt, alle, wie die Sasnitzer, wahre Museumsstücke.

Die kleinen Feuersteine mit einem natürlichen Loche werden in Sasnitz allgemein, wie auch in Meklenburg, zu brauchbaren Netzsenkern benutzt, welche in jüngern Zeiten aus gebranntem Thon nachgebildet wurden.

Sicher sind diese immer gleichen, ringförmigen Feuersteine Petrefacten. E. Boll sagt in seiner Schrift: "Die Insel Rügen", S. 81: "Zu den Amorphozoen oder Schwammkorallen mögen jene merkwürdigen ringförmigen Feuersteine gehört haben (Puggard nennt sie Spongia annulus), welche sich so häufig am Strande (der Halbinsel Jasmund) finden und von den Fischern zum Beschweren ihrer Netze gebraucht werden".

Auch die Sammlungen zu Schwerin haben jetzt sehr merkwürdige Exemplare aus Meklenburg erworben. Ein ausgezeichnet großes und regelmäßiges Exemplar ward in neuern Zeiten in der Gegend von Bützow bei den Eisenbahnarbeiten gefunden; ein zweites, großes, wenn auch kleineres Exemplar, welches noch ganz mit Kreide überzogen ist, ward im Herbste 1872 bei Schwerin auf der Paulshöhe bei dem Ausgraben der Kellerräume für die neue Brauerei in einer Tiefe von 28 Fuß im Diluvialsand gefunden.

Andern Nachrichten zufolge sollen zu Boltenhagen bei Klütz am Ostseestrande auch solche ringförmige Steine liegen.


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Ueber die Fassung der Steinkeile.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Cultur der Steinzeit in Norddeutschland und der in der Schweiz liegt in der Steinart des Keils, des Gerätes, welches in beiden Gegenden am häufigsten erscheint und zu den verschiedensten Zwecken gebraucht sein wird. Die Keile, welche in sehr großer Menge in der Schweiz gefunden werden, sind, da der Feuerstein in der Schweiz fehlt, alle aus grünsteinartigem Fels, aus Serpentin, Diorit und diesen verwandten Steinarten; dabei sind die Schweizer Keile am Bahnende zugespitzt. Die ebenfalls sehr zahlreichen Keile der nordeuropäischen Tiefländer sind vorherrschend aus Feuerstein und am Bahnende stumpf abgeschlagen, mit vierseitigem Durchschnitt; Keile aus Diorit werden auch gefunden, jedoch nur selten, und haben immer eine andere Gestalt, als die Feuersteinkeile, sind also wahrscheinlich aus der Fremde eingeführt.

Sehr merkwürdig ist nun die Befestigungsweise des Keils in den verschiedenen Ländern. So weit der Serpentinkeil reicht, werden sehr zahlreiche Fassungen oder Schäftungen von Hirschhorn gefunden; der Serpentinkeil ward zuerst in einem ausgehöhlten Ende Hirschhorn befestigt, und diese Fassung in einen Griff gesetzt. In den norddeutschen Tiefländern ist nie eine Keilfassung irgend einer Art für die Feuersteinkeile gefunden. Nur ein Mal ist in Meklenburg beobachtet worden, daß ein Feuersteinkeil in einen Holzklotz gesteckt war; leider ist das Werkzeug selbst nicht erhalten (vgl. Jahrb. XXVI. S. 131). Dieser auffallende und bedeutende Unterschied scheint seinen Grund in den verschiedenen Eigenschaften der Steinarten zu haben. (Vgl. Jahrb. XXX, S. 24 flgd.) Der Diorit und Serpentin ist sehr zähe und fest und kann den harten Widerstand des Hirschhorns ertragen. Der Feuerstein dagegen ist, wenn auch sehr hart und scharf, doch spröder und springt viel leichter, als der Diorit; daher findet man in Norddeutschland viel mehr beschädigte Keile, als in der Schweiz. Es war daher gerathen, den Feuerstein in ein elastisches Holz zu fassen, welches beim Schlage dem spröden Feuerstein nicht einen festen Widerstand leistete. Es werden daher in Norddeutschland auch wohl keine hörnerne Keilfassungen gefunden werden. Wahrscheinlich wurden die Keile unmittelbar in einen keulenartigen Holzgriff eingesetzt. In dem Pfahlbau von Wismar sind zwei Griffe von Holz, freilich sehr eingetrocknet, gefunden, welche zur Aufnahme eines kleinen Keils ausgehöhlt sind.

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Hiemit übereinstimmend und sehr bemerkenswerth ist eine Erfahrung, welche in den zahlreichen Pfahlbauten des Untersees des Bodensees gemacht ist. Hier ward als große Seltenheit in dem Pfahlbau bei Bodman eine große Werkstätte von Feuersteinwerkzeugen gefunden, jedoch, wie überhaupt am Untersee, keine einzige Keilfassung aus Hirschhorn. So auch ist es in dem Pfahlbau von Wangen an demselben See. Dem Gemeinderath Caspar Löhle zu Wangen ist am Untersee bei seinen langjährigen Pfahlbauforschungen nur eine einzige Hirschhornfassung eines Keils zu Gesicht gekommen. Vgl. Keller Pfahlbauten, fünfter Bericht, S. 15 flgd., und Lindenschmit Hohenzollernsche Sammlungen, S. 179.

Es scheinen also die hirschhörnernen Keilfassungen sogleich zu verschwinden, sobald die Bearbeitung des Feuersteins auftritt, selbst wenn die Grenzen sehr nahe liegen.

G. C. F. Lisch.     


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Streitaxt von Eldenburg
und
die Bohrung der Streitäxte.

Bekannt im Lande ist die Steingeräth=Fabrik bei Eldenburg bei Waren an der Elde zwischen dem Müritz= und Cölpin=See, einem wichtigen Uebergangspunkte zwischen von großen Gewässern. Schon früher sind hier oft verunglückte Steingeräthe und große Massen von Abfall gefunden, namentlich auf der Feldmark des Landgutes Klink (vgl. Jahrb. III, B, S. 41 und 66). Auf einer dieser Stellen bei Eldenburg fand der Herr Gymnasiallehrer Struck zu Waren im Jahre 1871 den obern Theil einer noch nicht vollendeten, großen Streitaxt, welche unterhalb des Schaftloches quer durchbrochen war, so daß die untere Beilschneide fehlte, das Schaftloch aber vollständig vorhanden war. Das Gestein war Hornblende und Granit, die Zusammensetzung also nicht sehr fest. Das Schaftloch war noch nicht vollendet und sehr merkwürdig. Während sonst die noch nicht vollendeten Streitäxte zur Herstellung des Schaftloches in der Regel von beiden Seiten mit kegelförmigen Vertiefungen durch Ausreiben angebohrt sind, war an der Eldenburger Streitaxt als sehr seltener Fall das Schaftloch mit einem Centrum= oder Kreisbohrer 1 1/2 Zoll tief angebohrt. In der Mitte des beabsichtigten Schaftloches stand der Steinkern oder Zapfen und

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ringsumher war eine ausgebohrte kreisförmige Vertiefung, welche mit ausgewitterter Knochenmasse und Sand ausgefüllt war. Dies waren ohne Zweifel die Reste des Bohrers. Wie schon oft vermuthet ist, war also zur Steinzeit der Centrumbohrer für das ringförmige Ausschleifen des Schaftloches ein Röhrenknochen und das Schleifmaterial Sand. Leider ist dieses einzige Stück in seiner Art untergegangen; bei dem Versuche den Knochen herauszubringen und das Loch zu reinigen, ward mit der Streitaxt auf einen Stein geschlagen; da das Gestein aber sehr mürbe war, so zersprang die Streitaxt in viele Stücke und alles ging verloren.

G. C. F. Lisch.     


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Steinzeit in Griechenland.

In Italien war die Steinzeit schon seit mehrern Jahren gesichert. In den neuesten Zeiten ist es unzweifelhaft geworden, daß die Cultur dieser Periode über das ganze Land verbreitet gewesen ist. Virchow sagt hierüber in seinem Berichte über den internationalen archäologischen Congreß zu Bologna in der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie am 11. November 1871: "Im Verlaufe der letzten zwei Jahre ist eine ganz unglaubliche Masse von Gegenständen aus der Steinzeit in Italien gesammelt worden. - - Wenn man z. B. für den Nachweis einer Steinwerkstätte verlangt, daß nicht bloß die Splitter und die rohen Producte, sondern auch die daraus gefertigten Instrumente in der Reihenfolge ihrer Ausarbeitung beigebracht werden, so ist das an einer ganzen Reihe von Stellen in Italien in der vorzüglichsten Weise geschehen, und zwar an weit auseinander liegenden Stellen."

Auch aus Griechenland sind Stimmen über Funde aus der Steinzeit vernommen, welche die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, daß es in den ältesten Zeiten auch hier nicht anders gewesen sei, als sonst in fast ganz Europa. Es ist hierüber vor einigen Jahren eine kleine wichtige Schrift in griechischer Sprache mit Abbildungen erschienen, unter dem Titel:

Schrift über Steinzeit in Griechenland
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(Beobachtungen über die vorhistorische Archäologie in der Schweiz und Griechenland, von George Finlay. Athen, 1869.) (22 Seiten und 4 Tafeln Holzschnitte.) Gewidmet ist diese Schrift dem Pfahlbauentdecker Professor Dr. Ferdinand Keller zu Zürich.

Finlay berichtet zunächst vorzüglich über die Schweizerischen Pfahlbauten und knüpft daran Untersuchungen der Schriftstellen griechischer Schriftsteller über Pfahlbauten, und berichtet dann über einzelne Funde steinerner Alterthümer in Griechenland.

Von großem Werthe sind die Abbildungen, welche uns genau dieselben Geräthe vor Augen führen, welche in den Ostseeländern, namentlich in Meklenburg, gefunden werden.

1) Vor allen ist eine durchbohrte Streitaxt (Fig. 3) aus "dunklem Serpentin", mit grader Bahn, gefunden zu Tanagra, merkwürdig, welche in jeder Hinsicht genau mit den ältesten Streitäxten der meklenburgischen Steinzeit übereinstimmt.

2) Genau dieselbe Gestalt und Bearbeitungsweise zeigen die spanförmigen Messer (Fig. 8 und 9), aus Obsidian, gefunden in Gräbern auf der Insel Jos.

3) Eben so stimmt ein Bruchstück eines kleinen an der Küste von Attika gefundenen Obsidian=Blockes überein, von dem kleine Späne abgesplittert sind (Fig. 10), grade so wie sie in Meklenburg aus Feuerstein gefunden sind, - nicht "sehr geschickt gearbeitet" ("very skilfully worked"), wie Finlay meint.

4) Die kleinen (Meißel=)Keile aus schwarzem Feuerstein ("black petrosilex", πετροχαλιξ) aus Böotien (Fig. 4 und 5) gleichen ganz den sonst gefundenen, ebenso

5) ein kleiner Keil (Fig. 6) aus "reinem Kupfer", gefunden auf Euböa.

6) Kleine spitzige Bruchstücke von spanförmigen Messern aus Obsidian (Fig. 14 und 15), welche wohl zu Pfeilspitzen gebraucht wurden, und von Finlay aus einem Tumulus zu Marathon ausgegraben wurden, wie schon vielfach berichtet ist, und eben so ein gleiches Stück aus Argos, gleichen ganz den häufig in den Ostseeländern gefundenen Feuersteinsplittern.

7) Merkwürdig ist ein großer in Böotien gefundener Keil (Fig 1 und 2) aus grünlich=grauem Diorit ("of a greenish gray stone said to be diorite"), welcher überall geschliffen ist und von der gewöhnlichen Form der Feuerstein=

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keile in den Ostseeländern im Einzelnen abweicht. Es ist aber genau ein solcher Keil, von demselben Gestein, derselben Form und derselben Arbeit, wie ein in dem "Wolfsburg" genannten Torfmoor bei Wismar, nahe an der Ostseeküste gefundener (vgl. unten).

In den neuesten Zeiten sind weitere Berichte über Finlays Bestrebungen bekannt geworden. In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie am 24. Junii 1871 wird Folgendes mitgetheilt. "Herr Bastian theilt folgenden Brief des Dr. G. Hirschfeld aus Athen mit. Hier in Athen existiren zwei Sammler (von Steininstrumenten), wohl auch die einzigen in Griechenland, der Engländer George Finlay und der Botaniker Th. v. Heldreich. Seit der Zeit, da Finlays Brochure geschrieben wurde, ist seine Sammlung erst bedeutend geworden. Sie besteht jetzt aus fast 300 Nummern. Die Instrumente bestehen in Beilen, Meißeln, Hämmern; zwei Exemplare sind durchbohrt, um einen Stiel aufzunehmen, eins davon stammt aus Gythion. Das Material ist am häufigsten rother und schwarzer Kieselschiefer; dann kommen vor: Serpentin, Diorit, Nephrit, Granit, Porphyr, Oligist. Fundorte sind hauptsächlich: Euböa (Kumi), Attika, Böotien (Tanagra, Dombrena am Helicon); Peloponnes: Gythium, Sikyon, Korinth, Epidauros; Makedonien: Athos; Thessalien. Finlay hat seine Sammlung für einen Engländer, der über den ganzen Gegenstand schreibt, kürzlich selber beschrieben. Herr v. Heldreich, der Finlay's Sammlung meist hat zusammenbringen helfen, besitzt etwa 20 Steine. Auch in Smyrna existirt ein Sammler, der Herr v. Gunzenbach; man findet auch dort herum dergleichen Steine, und das Volk nennt sie ebenfalls Donnerkeile."

Höchst merkwürdig sind die zu gleicher Zeit mit G. Finlay's Schrift bekannt gewordenen Entdeckungen des Geologen F. Fouqué auf der Insel Therasia im griechischen Archipel, über welche er in einem Artikel in der Revue des deux mondes vom 15. October 1869 unter dem Titel: "Ein vorhistorisches Pompeji" berichtet, einem Artikel, welcher in einem kurzen Auszug aus der Kölnischen Zeitung auch in die Meklenb. Anzeigen, 1869, No. 281, Beil., und in die Meklenb. Zeitung, 1869, No. 282, Beil., übergegangen ist. Therasia ist eine der vulkanischen Inseln bei der berühmten Insel Santorin, deren vulkanische Bewegungen noch in Thätigkeit sind. Hier lagern aus den ältesten Zeiten mächtige Schichten von vulkanischem Tuff. Unter einem Lager fand man nun

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beim Abräumen tief unten auf dem Urboden Reste von menschlichen Wohnungen von Lava=Blöcken, und in denselben ein menschliches Skelet, Gerippe von Schafen und Ziegen, große Thongefäße zur Aufbewahrung von Früchten, ein steinernes Weberschiffchen, eine Pfeilspitze und eine Säge aus Feuerstein, abgespaltene spanförmige Messer aus Obsidian u. s. w. Dies Alles deutet ebenfalls auf die Steinperiode, welche auch hier der nordischen ähnlich ist. Hoffentlich lassen sich ausführlichere Darstellungen mit Abbildungen erwarten.

G. C. F. Lisch.     

 


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b. Steinzeit.


Hünengräber von Stassow.

Auf dem Gute Stassow bei Tessin befanden sich 3 große Gräber der Steinzeit, von denen jetzt jedoch nur noch wenig bedeutende Ueberreste vorhanden sind. Der Herr Gutsbesitzer Rust, welcher seit langer Zeit die Gräber und deren Ueberreste gekannt hat, hat dem Vereine willkommene Nachrichten darüber gegeben.

Hünengrab Nr. 1.

Dieses Grab, welches in neuern Zeiten ganz abgetragen ist, war eines der größten im Lande. Es war ein Langgrab, dessen Längenaxe von Südwest nach Nordest ging, und war von mächtigen, unbearbeiteten Granitblöcken eingefaßt, welche mit den Spitzen nach oben gerichtet waren. Namentlich hatten die beiden Schlußsteine am Nordende eine ungewöhnliche Größe; Herr Rust "erinnert sich ganz genau, daß einer derselben 16 Fuß lang" war. Innerhalb dieser großen Steineinfassung stand an den innern Rändern entlang im Grabe eine zweite Einfassung von viel kleinern Steinen. Am Nordende standen innerhalb des Grabes drei große Steine im Dreieck, welches mit einem Decksteine belegt war. Am westlichen Fuße dieses Dreiecks war eine kleine Kiste von gespaltenen, flachen Steinen aufgebauet. Diese Platten bestanden nach Herrn Rust's nicht maßgeblicher Ansicht, da er nicht Mineralog ist, aus einer "Steinart zwischen Granit und Sandstein"; ohne Zweifel waren dies Platten von gespaltenem, rothem, jungem Sandstein, mit welchen bekanntlich alle Gräber der Steinzeit in Meklenburg ausgesetzt sind und welche ein charakteristisches Merkmal dieser Art von Gräbern bilden. Der Grund dieser Kiste war mit einer erdigen braunen und fettigen Masse von ungefähr 3 Zoll Dicke bedeckt. Gefunden wurden in dem Grabe einige "Steinwerkzeuge", welche Herr Rust dem wail. Landdrosten v. Schack auf Nustrow zur Beförderung an die Schweriner Sammlungen übergab. Obgleich schon 20 Jahre seit der Abtragung verflossen sind, so ist der Hügel noch immer deutlich erkennbar und es werden noch

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immer gespaltene Steinplatten, wie sie oben beschrieben sind, durch den Pflug zu Tage gefördert. Ein menschliches Skelet lag der Oberfläche so nahe, daß man wohl annehmen kann, daß es aus jungem Zeiten stammte.

Hünengrab Nr. 2.

Ein anderes Grab liegt an der Grenze von Grammow. Die äußere Steineinfassung ist von Herrn Rust entfernt; der Rücken des Grabes war schon lange vor seiner Zeit beackert. Die Längenaxe liegt in der Richtung von Westen nach Osten. Das Innere des Erdhügels ist noch unberührt.

Hünengrab Nr. 3.

Ein drittes Grabdenkmal steht im Holze. Dieses ist seinem Umfange nach bei weitem das bedeutendste. Es ist jedoch auch nicht mehr unversehrt, da wahrscheinlich des Herrn Rust Vorgänger von den zu Tage stehenden Ringsteinen manche ganz weg, andere aus ihre Lage gebracht haben. Jetzt hat das Grab eine starke Bedeckung von Laub und Holz, welches Jahrhunderte lang auf den Rücken niederfiel.

G. C. F. Lisch.     


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Hünengrab zu Blücherhof.

Auf der Feldmark des Rittergutes Blücherhof, ritterschaftlichen Amts Lübz, Pfarre Lütgendorf bei P.=St. Moltzow, und zwar in der Mitte des sogen. "Hünen=Keller=Schlages" liegt ein gewaltiges Hünengrab der Steinzeit, welches an Großartigkeit den ähnlichen Hünengräbern zu Klein =Görnow, Katelbogen und Eickhof, so wie den Riesenbetten (Hügelgräbern) zu Naschendorf, Groß=Labenz und Friedrichsruhe an die Seite zu setzen ist, ja dieselben theilweise noch übertrifft. Das Grab liegt frei auf einem Hügel, welcher nach Nord und Ost steil abfällt, während nach Süd und West der Zugang durch Beackerung geebnet ist.

Um den ganzen Grabhügel scheint noch ein großer Kreis von Steinpfeilern gestanden zu haben. Auch auf der Rasenfläche liegt noch eine Masse kleinerer Steine umher und ragen größere Steine aus dem Boden hervor.

Schwerin, den 31. Julii 1872

C. Ch. von Bülow,     
Justiz=Canzlei=Director.


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Pfahlbauten von Wismar

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n den Jahrbüchern XXXII. 1867, S. 177 und 211 flgd. ist zuletzt über die Pfahlbauten in den Torfmooren von Wismar (vgl. Jahrb. XXX) berichtet. Es sind seit dem Jahre 1867 die Grabungen und Forschungen fortgesetzt und auch noch manche Alterthümer gefunden, jedoch hat sich der Vorrath von Jahr zu Jahr vermindert und endlich im Jahre 1872 fast ganz aufgehört. Da nun die Alterthümer in diesen Mooren erschöpft zu sein scheinen, so mögen hier schließlich die Berichte über die Funde folgen, welche seit 1867 gemacht sind.

I. Moor im Müggeburger Reservat.

In dem alten Pfahlbaumoor von Wismar haben sich auch im Jahre 1868 wieder einige Alterthümer gefunden, wenn auch nicht so viele wie früher. Die Grabungen haben bei Theilnahme des Herrn Rentiers Mann unter der scharfen Aufsicht des Torfmeisters Wegener stattgefunden, und ich habe in Begleitung beider nach Beendigung des diesjährigen Torfstichs am 27.Julii 1868 das Moor besucht und untersucht und die gefundenen Sachen und die Nachrichten darüber abgeholt.

Die erste, ergiebige Fundstelle im Müggenburger Reservat (vgl. die Karte in Jahrb. XXX, Taf. I zu S. 14) ist seit dem Jahre 1867 ganz verlassen, weil hier theils der Torf zum größten Theile ausgestochen ist, theils die Gruben

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ganz voll Wasser stehen, das nicht gut fortzuschaffen ist. (Vgl. Jahrb. a. a. O. S. 177.) - Im Jahre 1869 fing man zwar wieder an, hier Torf zu graben, verließ aber bald die Stelle wieder. Bei dieser Gelegenheit wurden nur einige Knochen gefunden.

Auch östlich davon, im Moor am Hornstorfer Ende, wo seit zwei Jahren noch gegraben ist und sich während dieser Zeit, und früher ebenfalls, Alterthümer gefunden haben (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 211 flgd.), ist in diesem Jahre nur wenig gefunden, weil ebenfalls der Torfvorrath nicht mehr groß genug ist und nicht dick genug liegt.

Jedoch ist Folgendes gefunden:

4 verkohlte Pfahlköpfe, welche in die Schweriner Sammlungen gekommen sind, und folgende steinerne Alterthümer, welche sich im Besitze des Herrn Mann befinden:

1 kleiner Meißelkeil aus schwarzem Kieselschiefer,

1 halbmondförmige Säge (oder Sichel) aus Feuerstein, und

1 spanförmiges Messer aus Feuerstein, ferner

1 großer Arbeitskeil aus Diorit, welcher auf der ganz geschliffen gewesenen Oberfläche stark verwittert ist und ziemlich hoch im Moor gelegen hat, also in jüngern Zeiten verloren gegangen sein kann.

Ferner ist nachträglich gefunden:

1 Arbeitskeil aus Feuerstein, welchen ein Einwohner aus Wismar in seinem Hause in einer Torfsode vom "Reservat" entdeckte, und

1 abgeschlagenes Bahnende von einem Meißelkeil aus gelbem Feuerstein, beide von Herrn Mann geschenkt.

Außerdem sind noch sehr viele zerschlagene und ganze Thierknochen gefunden, welche in die Schweriner Sammlungen gekommen sind. Die Farbe aller dieser Knochen ist gleichmäßig dunkelbraun; die Farbe hat sich dies Mal erhalten, weil die Knochen auf meinen Wunsch in diesem Jahre gleich unter Dach gebracht wurden und nicht Monate lang in Regen, Wind und Sonnenschein liegen geblieben waren.

Die Knochen sind zum Theil nach den Bestimmungen theils des Herrn Professors Rütimeyer zu Basel, theils des Herrn Professors F. E. Schulze zu Rostock folgende:

Rind (Bos taurus).

Ein Rinderschädel (Brachykeros=Race), zerbrochen, jedoch noch mit einem Hornzapfen.

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Zwei Unterkiefer, zusammengehörend.

Zwei Unterkiefer, zusammengehörend (Brachykeros=Race, nach Rütimeyer's Bestimmung).

Ein rechter Unterkiefer (nach Schulze).

Viele Rinderknochen, ganz und zerschlagen (nach Rütimeyer und Schulze). Zwei Beinknochen (nach Rütimeyer) vom jungen Thier, an einem Ende zermalmt und angenagt.

Schwein (Sus scrofa).

Viele Knochen vom Schwein, z. B. 6 verschiedene Beinknochen (nach Rütimeyer's Bestimmung).

Hirsch (Cervus elaphus).

Ein Hirschhorn, schwach, Achtender, vollständig.

Ein abgeschlagenes Hirschhornende von einem starken Geweih, stark verwittert.

Mehrere Beinknochen, ganz und zerschlagen, (nach Schulze).

Reh (Cervus capreolus).

Zwei Rehhörner, nicht zusammengehörend.

Unterschenkelknochen (nach Rütimeyer).

Ein Ellenbogenknochen (ulna) (nach Rütimeyer), klein.

Pferd (Equus caballus).

Ein Pferdeschädel mit allen Zähnen, groß, wohl erhalten, dunkelbraun.

Zwei Beinknochen von einem jungen Thier (nach Rütimeyer).

Vier Beinknochen und ein Beckenbruchstück, Professor Schulze bemerkt hierzu daß "die Pferde auffallend klein gewesen sein müssen."


Nachtrag.

Von den im Sommer 1867 ausgegrabenen Knochen sind die bezeichnendsten nach Herausgabe des letzten Berichts (Jahrb. XXXII, S. 211) von dem Herrn Professor Rütimeyer zu Basel noch nachträglich bestimmt, wie folgt:

Rind.

1 Schädelstück vom Bos primigenius.

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Zahmes Rind.

1 Unterkiefer, zerschlagen.
1 Nasenbein.
1 Halswirbel.
1 Gelenkwirbel, abgehauen.
1 Fersenbein.

Ziege.

1 Beinknochen, mit abgeschlagenem Gelenkkopf.

Schwein.
Wildschwein.

1 Ellenbogenknochen (Ulna).

Torfschwein (Sus palustris).

2 Unterkiefer (zusammengehörend) vom alten Thier.
1 Beinknochen.

Zahmes Schwein.

1 Beinknochen, zerschlagen.

Hirsch.

1 Nackenwirbel.
1 Ellenbogenknochen (Ulna).
1 Rippe, zerbrochen.

Reh.

1 Beinknochen, zum Stechwerkzeug zerschlagen.
1 Beinknochen, gespalten.

Pferd.

1 Unterkiefer von einem ausgewachsenen Thier, fast vollständig.
1 Unterkiefer von einem Füllen.
1 Stück von einem zerschlagenen Schenkelknochen.

Hund.

1 Beinknochen von der ziemlich großen Race, von welcher früher schon mehrere Schädel gefunden sind.
1 Bruchstück vom Oberkiefer.

Mensch.

1 Oberarmknochen.
1 Schenkelknochen, etwas heller, jedoch sehr alt gefärbt.

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Ein Schädel. Herr Rentier Mann zu Wismar schenkte einen Menschenschädel, welcher früher in dem Pfahlbau von Wismar "in dem Müggenburger Reservat" gefunden ist, ein für die Erkenntniß der Pfahlbauten sehr wichtiges Geschenk. Der Schädel, welcher die charakteristische dunkelbraune Farbe hat, wie alle andern Knochen aus dieser Pfahlbaustelle, ist leider nicht ganz vollständig; es fehlt der Schädelgrund und das Gesicht, jedoch ist noch ein Augenbrauenbogen vorhanden, welcher ziemlich flach und glatt ist. Der Schädel ist ein Kurzschädel (Brachycephale) von großer Breite; die Hinterhauptschuppe (Squama occipitis) fällt grade und senkrecht ab, die Stirn ist niedrig. Das ganze Schädelgebein ist sehr dünne. Die Backenzähne in der auch noch vorhandenen Kinnlade sind stark abgeschliffen, die Schneidezähne sehr fein und schmal. Offenbar gehörte der Schädel einer alten Person und muthmaßlich einem Weibe. Wahrscheinlich gehört er zu den in den Jahrb. XXXII, S. 198 beschriebenen Knochen eines älteren Menschen, von denen Professor Virchow beim Anblick in Schwerin aussprach, daß sie einem alten Weibe angehörten, welches die Gicht gehabt habe. Es scheint sich hier wieder die Erfahrung zu bestätigen, daß in Pfahlbauten von menschlichen Knochen vorherrschend Knochen von alten Weibern und Kindern gefunden werden, welche beim Abbrennen der Pfahlbauwohnungen ertrunken sein mögen.


II. Moor auf der "Wolfsburg".

Nach Erschöpfung des Vorraths in den alten Mooren am Müggenburger Reservat ist im Frühling 1868 westlich von den bisher bearbeiteten Stellen und von dem auf der Karte zu Jahrb. XXX mit dem Namen "Swanzenbusch" bezeichneten Felde, links an dem auch auf der Karte bezeichneten Wege von Wismar nach Poel in dem Moor auf der "Wolfsburg" ein neuer Torfstich angelegt, welcher außerordentlich viele Knochen und auch einige von Menschenhand gefertigte Geräthe geliefert hat und mit der Zeit vielleicht die Entdeckung eines Pfahlbaues in Aussicht stellt. Pfähle sind in den ersten beiden Jahren nicht gefunden. Aber man hatte noch nicht tief und noch lange nicht bis auf den Grund gegraben. Auch ist der Torfstich wohl noch zu weit vom festen Ufer entfernt, rückt demselben aber immer näher. Möglich ist es, daß man beim Fortschreiten Pfahlbauwohnungen ent=

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deckt und man sich bis jetzt nur noch in den Umgebungen derselben befindet.

Auf diesem Moor ist an zwei Stellen gegraben, in den Jahren 1868 und 1869 ungefähr in der Mitte, von wo bei ausreichender Ausdehnung in den nächsten Jahren nach dem Lande hin weiter gegraben werden wird (A.), und in einiger Entfernung davon am nördlichen Ende gegen Hornstorf hin, wo der Torf nur eine schmale und nicht sehr tiefe Ausdehnung hat (B.). Diese beiden Stellen sollen hier mit Grube A. und B. bezeichnet werden.

Wolfsburg=Moor, Grube A.
Aufgrabungen von 1868.

In dieser Grube wurden im Jahre 1868 sehr viele Thierknochen gefunden, welche in einer Tiefe von ungefähr 4 Fuß lagen. Die Knochen sind fast alle ganz und wohl erhalten, selten zerbrochen, nicht zerschlagen, ein wenig heller an Farbe, als die früher im Pfahlbau im Müggenburger Reservat gefundenen Knochen, jedoch noch dunkelbraun. Die Knochen gehören vorherrschend größeren Thieren: Rind, Hirsch, Reh, Pferd. Manche Knochen gehören paarweise zusammen, z. B. Unterschenkelknochen vom Reh und Hirsch. Von einem starken Hirschgeweih wurden nur Bruchstücke gefunden. Merkwürdig ist ein seltener, brauner Knochen (Os penis), welcher nach der Bestimmung des Herrn Professors Steenstrup zu Kopenhagen und nach eigener Vergleichung mit demselben im zoologischen Museum daselbst dem grauen Seehund (Halicherus Gryphus oder griseus) angehört, welche an allen Küsten der Nord= und Ostsee bekannt ist. Ein sehr beschädigter Schenkelknochen von einem Menschen ist wohl älter, als die übrigen Knochen, da er eine altersgraue Farbe hat.

Ein Pfahlbau ist hier noch nicht sicher angezeigt, jedoch sind 1868 schon mehrere Alterthümer gefunden, welche reichere Funde vermuthen lassen.

In dem Besitz des Herrn Mann zu Wismar, welcher diese Fundstelle entdeckt hat, sind folgende Sachen gekommen:

1 gewöhnlicher Keil aus Feuerstein;

1 Säge (Sichel) aus Feuerstein, sehr krumm geschweift;

1 kleiner Bärenzahn und

1 kleine bronzene Heftel mit zwei Spiralplatten, ältester Art, außerordentlich gut erhalten.

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Für die Schweriner Sammlungen habe ich von dem Torfmeister Wegener folgende Sachen, welche in den letzten Zeiten gefunden sind, erhalten, und mit den Knochen abgeholt:

1 Reibstein aus altem Sandstein, sehr ausgeprägt;

1 Keil aus dunkelbraunem Kieselschiefer, mit spitzem Bahnende, ganz geschliffen, in jeder Hinsicht ganz einem in Griechenland in Böotien gefundenen Keile gleich (vgl. oben S. 107 flgd.) und von den meklenburgischen Feuersteinkeilen abweichend;

1 Meißel aus ähnlichem Gestein;

4 kleine spanförmige Messer aus Feuerstein, alle mit Schlagansatz, also absichtlich durch Menschen gespalten.

Aufgrabung von 1869.

Im Frühling und Sommer 1869 ward der Torfstich in dieser Grube A. auf der Wolfsburg fortgesetzt. Pfähle wurden wieder nicht gefunden und nur sehr wenig Alterthümer von Menschenhand, jedoch außerordentlich viele Thierknochen, welche dieselbe braune Farbe haben, wie die im Jahre 1868 ausgegrabenen. Am 31. Julii 1869 besuchte ich mit dem Herrn Mann das Moor und holte die Fundstücke ab.

Die Knochen waren bei weitem der Mehrzahl nach dunkelbraun. Nur einige wenige größere Knochen waren hellfarbig und offenbar jüngeren Ursprunges und sind daher ausgeschossen. Die dunkelfarbigen Knochen sind meistentheils vom Rind, Pferd, Hirsch, Reh, Schwein. Einige derselben sind offenbar in alter Zeit zerschlagen und zerkeilt, da auch die Bruchflächen ganz dunkel sind, nur wenige gespalten; die meisten sind unverletzt.

Die merkwürdigsten Knochen sind:

3 Pferdeschädel von ausgewachsenen Thieren mittleren Alters, kleiner Race, alle ungefähr gleich;

1 Pferdeschädel von einem ganz jungen Thiere (die Schädelnäthe sind noch nicht ganz verwachsen);

1 Griffelbein von einem Pferde kleiner Race;

1 abgeschlagenes Rinderhorn, vom Bos brachyceros;

2 Ellenbogenknochen (ulna) vom Rind, sehr geschickt zu Stechwerkzeugen;

mehrere Beinknochen vom Rind, offenbar zerschlagen;

2 Unterkiefer vom Rind kleiner Race;

2 zusammengehörende Unterkiefer von einem ganz jungen Rinde;

1 Stück von einem Hirschhorn mit der Rose;

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1 Ellenbogenknochen (ulna) vom Hirsch;

1 Rehhorn;

1 starker Eberhauer, sehr abgeschliffen und zerbrochen;

2 zusammengehörende Unterkiefer vom Hunde (canis familiaris) kleiner Race, ganz wie die früher im Pfahlbau am Reservat gefundenen;

1 Flügelknochen vom Schwan.

Merkwürdig ist

1 Bruchstück von einem Menschenschädel, einem jungen Kinde angehörend.

An Holz wurden dies Mal Bruchstücke von einer 1 3/4 Zoll dicken Stange gefunden, welche offenbar auf der Oberfläche bearbeitet und an den Enden abgekeilt ist, schwarz von Farbe.

An Alterthümern von Menschenhand wurden gefunden:

1 überall abgeriebene Reibkugel aus feinkörnigem Granit, aus der Steinperiode;

1 Scherbe von einem dickwandigen, stark mit Granitgrus durchkneteten Topfe, wie es scheint aus der Steinperiode, der einzigen alten Thonscherbe, welche hier bisher bemerkt ist.

Ob ein kugeliges, etwa 2 Zoll im Durchmesser haltendes Stück Schwefelkies durch Menschen in das Moor gebracht ist, läßt sich wohl nicht bestimmen; es ist sehr hart und giebt unter einer groben, scharfen Feile oder Raspel häufige Funken, aber keine Späne.

6 eiserne Hufeisen, alle von verschiedener Form und Größe, von der größten bis zur kleinsten,

1 eiserner Steigbügel von schlichter Arbeit und

Scherben eines dünnen blaugrauen Topfes aus dem Mittelalter, etwa aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, werden in jüngeren Zeiten hier verloren gegangen sein, wie die hellfarbigen Knochen; leider läßt sich nicht mehr ermitteln, wie tief diese Sachen gelegen haben.

Aufgrabung von 1870.

Auch im Frühling und Sommer 1870 ward der Torfstich in dieser Grube A. auf der Wolfsburg fortgesetzt, jedoch nicht in sehr großem Maaßstabe. Pfahlwerk und angebranntes Holz ward wieder nicht bemerkt, auch wurden dies Mal keine Alterthümer an Geräthen gefunden. Jedoch wurden wieder viele Thierknochen ausgegraben.

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Die durch den Herrn Mann in Wismar eingesandten Knochen, welche eine dunkelbraune Farbe haben, wie die früher gefundenen, sind vorherrschend vom Rind, Pferd, Hirsch, Reh, Schwein. Die meisten der in diesem Jahre hier gefundenen Knochen sind zerschlagen, davon einige, wie es scheint, zu Stech= und Schneidewerkzeugen.

Unter den Knochen befinden sich z. B.:
1 Hirschhornstange, zerbrochen, alt und morsch, und
4 Hirschhornenden, abgebrochen;
2 Beinknochen vom Hirsch;
3 Beinknochen vom Reh;
viele Knochen vom Rind;
viele Knochen vom Schaf;
1 Unterkiefer vom Schwein, zerbrochen, mittlerer Größe;
1 Unterkiefer vom Schwein, zerbrochen, jung;
viele Knochen von sehr kleinen Pferden, darunter auch viele zerschlagen.

Merkwürdig ist ein Schenkelknochen von einem Menschen, welcher an beiden Enden geöffnet und heller an Farbe ist, als die Thierknochen, jedoch auch mehr verwittert.

Wolfsburg=Moor, Grube B.
Aufgrabungen von 1869.

Im Frühling 1869 ward in einiger Entfernung von der Grube A. am nördlichen schmalen Ende dieser Moorfläche gegen Hornstorf hin eine zweite Grube, außer der Grube A., angelegt.

Auch diese Grube gab sehr viele Thierknochen, an Farbe ganz denen aus der Grube A. gleich, aber gar keine Pfähle und gar keine von Menschenhand gearbeitete Alterthümer, auch wenig zerschlagene Knochen. Bei weitem die meisten Knochen sind vom Rind und Pferd.

Die bemerkenswerthesten Thierknochen sind folgende:

2 Pferdeschädel kleiner Race, von denen der eine nach den ganz abgeschliffenen Zähnen alt, aber nicht größer und stärker ist, als die Schädel in der Grube A.;

1 Rinderschädel, kleine Race, Bruchstück;

1 Hirschschädel, Hinterhaupt, von dem das Geweih ausgebrochen ist;

einige zerbrochene und morsche Hirschgeweihe;

1 Ellenbogen (ulna) vom Hirsch;

2 Rehhörner von 2 verschiedenen Thieren.

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Ausgrabung von 1870.

Im Frühling 1870 ward diese Grube B. bedeutend verlängert und erweitert. Pfähle und Holzkohlen wurden nicht gefunden. Jedoch wurden außerordentlich viele Thierknochen ausgegraben, welche fast alle vollständig und selten zerschlagen sind. Das Gewicht derselben beträgt gegen 100 Pfund. Die Nachrichten und Fundstücke verdankt der Verein dem Herrn Mann zu Wismar.

In diesem Jahre wurden hier zurerst einige von Menschenhand gefertigte Alterthümer gefunden, welche also auf menschliche Wohnsitze hinzeigen. Diese Alterthümer sind:

1 großer Reibstein aus feinkörnigem Granit, ungefähr 4 Zoll im Durchmesser;

1 kleiner Reibstein aus feinkörnigem Granit, ungefähr 3 Zoll im Durchmesser;

1 mittlerer Reibstein aus altem, quarzigem, grauen Sandstein, ungefähr 3 11/2 Zoll im Durchmesser;

1 Reibstein im Besitze des Herrn Mann zu Wismar;

1 dicke Topfscherbe, nach heidnischer Weise bereitet.

An Knochen wurden unter andern gefunden:

1 Hundeschädel, "von unverhältnißmäßiger Größe und starkem Gebiß", welchen Herr Mann für einen Wolfsschädel halten möchte, im Besitze desselben;

1 Pferdeschädel, groß und stark, mit starken Zähnen, wahrscheinlich jüngeren Alters, und

1 Pferdeschädel, eben so groß und stark, von gelblich=weißer Farbe, sicher jung;

2 Pferdehufe, groß. Diese Pferdeknochen werden um so mehr aus jüngerer Zeit stammen, als sich in dem Moor auch 6 eiserne Hufeisen fanden, nämlich 2 große zusammengehörend, 1 großes, 2 mittlere zusammengehörend, 1 ganz kleines;

1 Unterkiefer vom Schwein, zerbrochen;

1 Schweineschädel, hell an Farbe, wahrscheinlich jüngeren Ursprungs;

1 Schweineunterkiefer, ganz hell an Farbe, wohl sicher jüngeren Ursprungs;

2 Unterkiefer von einem jungen Rinde, zusammengehörend.

Aufgrabung von 1871.

Im Jahre 1871 ward in dieser Grube B. weiter gegraben. Pfähle wurden wieder nicht gefunden, jedoch einige steinerne Alterthümer und sehr viele Thierknochen.

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An Alterthümern wurden gefunden:

1 großer Reibstein und

1 kleinerer Reibstein, aus feinem alten Sandstein, beide sehr bezeichnend bearbeitet.

Die Knochen waren meist vom Rind, Pferd, Hirsch, Schaf, Schwein. Die größeren Knochen, an Gewicht wohl 150 Pfund schwer, waren zum größten Theil unverletzt. Jedoch fanden sich viele in alter Zeit quer durchschlagene und längs gespaltene Knochen, auch an den Enden geöffnete Röhrenknochen.

Als beachtenswerth sind aufbewahrt:

1 Rinderschädel von Brachykeros=Race;

2 Pferdeschädel von kleiner Race;

viele zerschlagene und gespaltene Thierknochen;

2 kurze Stücke vom Hirschgeweih, an der Rose bearbeitet und geglättet.

Merkwürdig sind einige Bruchstücke von Schenkelknochen eines Menschen, welche heller an Farbe und kalkiger, verwittert an Masse sind, gerade wie der auf Wolfsburg A. 1870 gefundene Knochen. Wahrscheinlich sind hier Menschen von wilden Thieren getödtet und die Knochen an der Oberfläche des Moors gebleicht und nach und nach in die Tiefe gesunken oder überwachsen.

Aufgrabung von 1872.

Im Sommer 1872 sind in der Grube B. auf dem Moor wieder einige Alterthümer gefunden und unter der Fürsorge des Herrn Rentiers Mann durch den Torfmeister Wegener gesammelt und eingeliefert:

1 kugeliger Reibstein aus weißem Quarz;

1 halber Schmalmeißel (die Schneide) aus dunkelgrauem Feuerstein;

1 Bruchstück von einem Keil (Schneide) aus hellbraunem Feuerstein;

mehrere zerbrochene Hirschhörner, nämlich:

3 Rosen mit den nächsten Enden;

5 abgebrochene Enden.

Die noch zusammenhangenden Unterkiefer und einige Beinknochen von einem Rinde.


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Moorfunde und Pfahlbauten(?)
von Redentin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Südwestlich bei dem Hofe Redentin bei Wismar, nahe an dem Wege von Wismar nach Redentin, dehnt sich, von geringen Höhen umgeben, eine ziemlich große Wiesenniederung aus, in welcher seit mehreren Jahren Torf gestochen wird.

Hier wurden im Sommer des Jahres 1868

5 geschliffene Keile aus Feuerstein gefunden, nämlich 3 große Arbeitskeile mit der eigenthümlichen rauchbraunen Farbe auf der Oberfläche, auch auf den Bruchflächen (im Innern hellgrau), von denen einer nur in der Beilhälfte vorhanden; ferner

1 halber kleiner Meißelkeil von derselben Farbe und

1 gleicher zerbrochener Keil von dunkelgrauer Farbe.

Herr Rentier Mann zu Wismar, dem diese Keile gebracht wurden, hat dieselben erworben und dem Vereine geschenkt.

Später ist hier noch

1 abgeschlagene Schneide von einem Keil aus dunkelgrauem Feuerstein gefunden und auch von Herrn Mann geschenkt.

Alle Keile, welche ziemlich groß sind, sind sorgfältig gearbeitet und geschliffen.

Noch später ist hier noch gefunden:

1 Keil aus Feuerstein, fertig vorbereitet, aber noch nirgends geschliffen, braun von Farbe, wie die übrigen

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früher dort gefundenen Keile, nur zur oberen Hälfte 5" lang vorhanden, in der Mitte quer und schon in alter Zeit durchbrochen, da auch die Bruchfläche eben so braun gefärbt ist, ebenfalls geschenkt von dem Herrn Rentier Mann zu Wismar.

Ferner berichteten die Torfgräber, daß sie dabei noch 5 faustgroße Steinkugeln, also Reibsteine, gefunden und noch im Besitze zu Hause hätten. Leider sind die Arbeiter nach Beendigung des Torfstiches bei Aerntearbeiten an verschiedenen entfernten Orten beschäftigt gewesen, so daß diese "Kugeln" wohl verloren gegangen sind.

Außerdem berichteten die Arbeiter, daß jetzt und früher in dem Moor viel Pfahlholz ausgegraben und schon früher oft steinerne Geräthe beim Torfgraben gefunden, jedoch verworfen seien. Hoffentlich wird das Moor in den nächsten Jahren bei genauerer Aufmerksamkeit mehr liefern.

In Veranlassung dieser Entdeckungen fuhr ich am 27. Julii 1868 mit dem Herrn Mann nach Redentin, um die Lage des Moores in Augenschein zu nehmen. Wir gelangten gleichmäßig zu der Ansicht, daß die Lage und Größe des Moores, eines frühern Gewässers, zur Anlegung von Pfahlbauten besonders geeignet sei und sich daher in der Zukunft noch wissenschaftlicher Gewinn aus demselben erwarten lasse.

Diese Hoffnung hat sich im Sommer 1869 beim Torfstechen nicht erfüllt. Der Torfstich ward in diesem Jahre sehr früh beendet und das Moor war schon in der Mitte Julii von den Arbeitern verlassen. Alle eingezogenen Nachrichten schweigen aber gänzlich von Auffindung neuer Alterthümer.

Herr Mann besuchte im Julii 1869 auch das 3/4 Stunden vom Hofe entfernte, ungefähr 20,000 Quadratruthen große Torfmoor des Dorfes Redentin, wo noch 4 Arbeiter mit Torfgraben beschäftigt waren. Auch diese, welche mit den Arbeitern des Moores von Hof Redentin in Verkehr stehen, hatten nicht gehört, daß in diesem Jahre Alterthümer ausgegraben seien. Ueber das Dorf=Redentiner Moor berichteten aber die Arbeiter, daß auch dieses Moor in früheren Jahren eine gute Fundgrube für Alterthümer gewesen, später aber aller brauchbarer Torf daraus entnommen und dasselbe in den letzten Jahren ohne Alterthümer geblieben sei, um so mehr, da der dort jetzt noch verarbeitete Torf nur auf Stellen gewonnen werde, welche früher schon durchgearbeitet worden seien.

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Aus diesem Moor stammt aus frühern Zeiten sicher ein schönes, vollkommen neu erhaltenes Bronzeschwert (Jahrb. XX, S. 286), und wahrscheinlich ein zweites Schwert und mehrere Armschienen und Armringe von Bronze (Jahrb. XVI. S. 273 flgd.), vielleicht auch zwei Frameen von Bronze (Jahrb. XVIII, S. 253 flgd.).

Endlich ist noch ein mittelalterlicher Schwertknopf aus Eisen mit Bronzeniet, 25 Loth schwer, in diesem Moor gefunden und dem Vereine von Herrn Mann geschenkt.


Fortsetzung.

In dem Moor bei dem Hofe Redentin in der Nähe von Wismar ist im Sommer 1869 nichts gefunden.

Dagegen sind im Sommer 1869 in dem (von dem Müller zum Torfstechen benutzten) sogenannten "Müller=Moor" auf dem Felde von Redentin einige Sachen gefunden, welche für die Zukunft vielleicht von Wichtigkeit werden können, und im Herbste 1869 nachträglich an Herrn Mann zu Wismar zum Geschenke überliefert. Diese Sachen sind folgende:

1) ein roh zubehauener, jedoch schon in den Linien zur beabsichtigten Gestalt regelmäßig zugerichteter, noch nirgends geschliffener, starker Keil aus grauem Feuerstein, 7 1/2 Zoll lang;

2) die abgeschlagene Beilschneide eines ähnlichen und wohl gleich großen Keils von Feuerstein, 2 1/2 Zoll lang, sauber geschliffen, von rauchbrauner Farbe, auch auf den Bruchflächen, im Innern hellgrau. Dieser Keil ist an Größe, Bearbeitungsweise und Farbe genau den übrigen, oben aufgeführten rauchbraunen Keilen gleich, welche in den andern Redentiner Mooren gefunden sind.

Nach den Berichten der Torfarbeiter sind außerdem in diesem Moor sehr viele zerschlagene Thierknochen gefunden, welche aber alle von ihnen verworfen oder als alte Knochen verkauft sind.

Nur zwei Knochen, braun gefärbt, sind von den Arbeitern aufbewahrt und dem Herrn Mann übergeben, weil sie dieselben als Menschenknochen erkannt haben. Diese beiden Knochen sind sehr merkwürdig.

Der erste ist ein Unterkiefer, klein und schmächtig, wahrscheinlich von einer alten Person; zwei noch vorhandene

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Zähne sind fast ganz abgeschliffen; die Backenzähne der rechten Seite fehlen alle und die Zahnhöhlen sind zugewachsen.

Der zweite Knochen ist die obere Hälfte eines Schenkelknochens (femur), welcher in der Mitte schräge durchgebrochen ist. Der Knochen ist von gewöhnlicher Länge und Stärke und mag zu dem Gerippe gehört haben, von welchem der Unterkiefer stammt. Der Schenkelkopf ist zwar morsch, aber noch ziemlich vollständig. Der große Höcker (trochanter major) fehlt aber; derselbe kann ursprünglich, aber auch erst beim Aufgraben abgebrochen sein.

Merkwürdig ist der 4 1/2 Zoll lange, schräge Bruch des Knochens in der Mitte des Schenkels. Die Bruchfläche des Knochens hat nämlich dieselbe braune Farbe, wie die Oberfläche des ganzen Knochens. Der Knochen muß also ursprünglich, vor uralter Zeit, zerbrochen ins Wasser gefallen und der Torf darüber gewachsen sein. Es in nun die große, nicht unwichtige Frage, auf welche Weise der Knochen zerbrochen sein kann.

Es ist nämlich bei Untersuchung dieses Schenkelknochens wohl hin und wieder die Ansicht ausgesprochen, daß dieser Schenkelknochen nicht ein Bruch am lebenden Menschen, sondern daß der Knochen vom todten Menschen "zerschlagen", und also diese Zerschlagung ein Zeugniß für "Menschenfresserei" zur Steinzeit sei. Um diese allerdings wichtige Streitfrage zu entscheiden, sandte ich die beiden Knochen zur Untersuchung an den gewiß stimmfähigen Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin, welcher die große Güte gehabt hat, das folgende eingehende und ausführliche Erachten darüber abzustatten.

Moor=Knochen von Redentin.
A. Der zerbrochene menschliche Oberschenkel.

"I. Das Oberschenkelstück entspricht dem obern Drittheil des linken Os femoris eines Menschen. Nach der Dicke und Festigkeit der Rindenschicht und der Größe des Halses (Collum femoris) zu urtheilen, muß es ein kräftiges und gut genährtes Individuum gewesen sein, und es liegt kein Grund vor, irgend eine besondere Brüchigkeit (Fragilitas, Osteopsathyrosis) oder sonstige Prädisposition zu Knochenbruch daran anzunehmen. Auch findet sich nichts von jener Osteomalacia senilis, welche sonst gerade an diesem Knochen so häufig das höhere Lebensalter charakterisirt."

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Der Bruch selbst ist alt und allem Anschein nach von nicht minderem Alter, als die Versenkung des Knochens in den Torf. Seine Oberflächen zeigen dieselbe eisenschüssige Färbung, wie der übrige Knochen, und einzelne Theile derselben waren noch zu der Zeit, als der Knochen in meine Hände kam, mit demselben Filz von Pflanzenwurzeln überzogen, wie sie die Markhöhle ausfüllte. (Ein solcher von mir losgelöster Cylinder aus der Markhöhle steckt noch in derselben.) Nach Abtrennung dieses Wurzel=Ueberzuges sind die Kanten überall so scharf, daß sie einer Verwitterung an der Luft vor der Einsenkung in das Moor nicht unterlegen haben können.

Der Sitz des Bruches in der Diaphyse des Knochens, und zwar über der Mitte desselben, entspricht keineswegs dem gewöhnlichen Orte des Schenkelbruches bei alten Leuten. Dies ist vielmehr der Schenkelhals. Dagegen findet sich diese Art des Schiefbruches in dem oberen Drittheil des Knochens auch bei gewöhnlichen Brüchen jüngerer Personen am häufigsten. Es würde von diesem Gesichtspunkte aus nichts dagegen zu sagen sein, daß der Bruch am lebenden Menschen eingetreten sei.

Dagegen findet sich ein Umstand, der diesen Bruch von allen gewöhnlichen Brüchen unterscheidet. Im oberen Theil der Bruchfläche, welche gegen den innern Rand des Knochens in einer Länge von 3 Centim. sehr flach durch die compacte Rindensubstanz verläuft, war das Wurzelwerk sehr fest angelegt. Als ich dasselbe mit großer Vorsicht ablöste, ergab sich darunter eine längliche, klaffende Spalte von 2 Centim. Ausdehnung, welche, fast parallel mit der Längsaxe des Knochens gelegen, bis in die Markhöhle eindrang. Von der durch den Bruch selbst eröffneten Markhöhle ist sie durch ein Knochenstück von compacter Substanz von 4 Millim. Länge getrennt. Ihre Ränder sind ganz scharf. Insbesondere der obere und untere Winkel sind wie geschnitten. Die vollständige Perforation der Markhöhle ist nur in einer Längsausdehnung von 5 Millim. erfolgt, und zwar an einer Stelle, welche dem untern Winkel näher liegt. In der Mitte der Spalte klafft derselbe nach außen so stark, daß der hintere Rand von dem vorderen 6-7 Millim. entfernt ist. Es kann daher kein Zweifel sein, daß dieser Spalt durch das gewaltsame Eindringen eines spitzigen, keilförmigen Körpers erfolgt ist. Als einen solchen kann man sich nur eine Pfeil= oder Lanzenspitze oder ein ähnliches Werkzeug denken. Denn das obere oder

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untere spitzige Ende einer Axt= oder Beilfläche (Schneide) würde offenbar eine längere Verwundung, die bis in die Oberfläche des Knochens fortgesetzt sein müßte, hervorgebracht haben.

Ob der verwundende Körper von Metall oder Stein war, dafür sehe ich kein bestimmtes Anzeichen. Dagegen ergiebt die Richtung der Spalte, welche von innen, also von der rechten Seite her nach außen, und ein wenig schief von oben und hinten nach unten und vorne geht, daß für die Verletzung am Lebenden ein Pfeilschuß oder ein Lanzenstoß eine natürlichere Erklärung giebt, als ein Hieb mit einer Axt.

Es fragt sich jedoch, ob die Gewalt am Lebenden eingewirkt habe, oder ob der Knochen erst nach dem Tode aufgeschlagen ist. Meiner Meinung nach kann kein Zweifel darüber sein, daß die Gewalt während des Lebens eingewirkt hat. Wäre nach dem Tode der Knochen durch ein meißelartiges Werkzeug aufgeschlagen worden, so müßte die Richtung des Bruches mit der Richtung der einwirkenden Gewalt übereinstimmen, mit andern Worten, es müßte der Knochen in der Richtung von innen nach außen zerklüftet sein. Statt dessen liegt die Richtung der Bruchfläche fast unter einem rechten Winkel gegen die Richtung der Spalte. Dieser ist möglich, wenn durch eine große Gewalt, wie sie am besten ein Lanzenstoß versinnlicht, außer der schneidenden Wirkung der Spitze zugleich ein kräftiger Stoß gegen die Diaphyse des Knochens eingewirkt hat.

Ich bemerke ausdrücklich, daß sowohl die von heutigen Lappen bearbeiteten Thierknochen, als auch die Knochen aus den Kjökkenmöddings im zoologischen Museum zu Kopenhagen die Zerklüftung der Knochen stets in derselben Richtung mit der Längsausdehnung des spaltenden Körpers zeigen. Ueberdies ist kein Knochen, der zum Herausnehmen des Markes zerschlagen wurde, gebrochen, sondern er ist gespalten.

Meine Meinung geht also dahin:

1) Der fragliche Oberschenkel ist nicht zum Zwecke anthropophagischer Genüsse gespalten;

2) er ist wahrscheinlich durch einen und denselben Act verwundet und gebrochen;

3) die gewaltsame Einwirkung ist sehr wahrscheinlich durch einen Lanzenstoß erfolgt.

Unzweifelhaft muß der Tod des Individuums alsbald nach der Verletzung eingetreten sein, denn es fehlt jede

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Spur weiterer (reactiver) Veränderungen im Umfange der Verletzung.

Außer den angeführten Abweichungen giebt es noch eine andere Reihe von Verletzungen: fast der ganze Trochanter major und minor mit der zwischenliegenden Strecke, ein großer Theil des Randes des Schenkelkopfes und derjenige Theil des Halses, welcher zwischen dem Trochanter major und dem Kopfe liegt, ist bis auf verschiedene Tiefen defect, indem die Rindenschicht und ein Theil des schwammigen Gewebes ausgebrochen ist. Obwohl hier auf den ersten Blick die Möglichkeit einer Abnagung (im strengen Sinne des Wortes) vorzuliegen scheint, so muß dieselbe doch zurückgewiesen werden. Nirgends zeigen sich die Spuren von wirklichem Nagen; Eindrücke von Zähnen, wie sie sowohl beim Benagen durch Thiere, wie bei dem durch Menschen im Umfange der abgefressenen Theile stets zu sehen sind, fehlen vollständig. Es geht vielmehr durch den Hals des Schenkels und den Trochanter ein unregelmäßiger Spalt von großer Ausdehnung, der jedoch fast gar nicht klafft und daher schwer sichtbar ist. Dieser Spalt beweist, daß auch hier eine äußere Gewalt eingewirkt hat. Ob diese jedoch schon während des Lebens einwirkte, ist höchst zweifelhaft. Es ist sehr wohl möglich, daß sie erst bei dem Ausgraben des Knochens aus dem Moor eintrat; der Umstand, daß die verletzte Fläche nirgends frische Bruchflächen erkennen läßt und eine braunschwärzliche Farbe zeigt, beweiset nicht dagegen, da in diesem schwammigen Theile wahrscheinlich der Knochen in seiner ganzen Dicke von der moorigen Flüssigkeit durchtränkt worden ist. Auch darf wohl erwähnt werden, daß am Trochanter minor, wo die spongiöse Substanz fester ist, die zu Tage liegenden Theile der Knochenbalken eine mehr weißgraue Farbe zeigen, die sehr verschieden ist von der Substanz, welche direct mit dem Torfe in Berührung waren.

II. Obwohl der Oberschenkel einer kräftigen und großen Person angehört haben muß, so findet sich doch daran eine Eigenthümlichkeit von großer Wichtigkeit. Während sonst der Knochen in seiner Diaphyse eine fast drehrunde Gestalt hat, so zeigt sich hier sofort unterhalb des Trochanter major eine Abplattung desselben in der Richtung von vorne nach hinten, in der Art, daß ein Querschnitt unter dem Trochanter minor fast die Gestalt einer Säbelscheide haben würde. Insbesondere zieht sich vom Collum femoris her genau an der innern Seite eine

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fast scharfe Kante bis zu der Bruchfläche herunter, gleichwie an der äußern Seite vom Trochanter major her eine andere, wenngleich mehr abgerundete Kante verläuft. Die vordere Fläche ist fast ganz eben.

Dieses sehr ungewöhnliche Verhältniß erinnert an ähnliche Beobachtungen, wie sie namentlich durch Herrn Broca an prähistorischen Funden aus Frankreich, zuletzt bei denen aus den Höhlen von Des Eyzies, freilich mehr an der Tibia, jedoch auch am Femur gemacht worden sind. Obwohl gegenwärtig die ethnographische Bedeutung dieser Erscheinung noch nicht hat festgestellt werden können, so ist sie doch in hohem Grade bemerkenswerth.

B. Der menschliche Unterkiefer.

Ob der gefundene Unterkiefer derselben Person angehört hat, ist nicht sicher auszumachen. Seine ungleich zartere Beschaffenheit scheint eher dagegen zu sprechen. Auch sind die zwei Zähne so tief, fast bis auf die Wurzel abgenutzt, daß daraus ein höheres Alter des Individuums zu folgen scheint, als die Beschaffenheit des Schenkelknochens andeutet. Freilich sind beiderseits die Höhlen des Weisheitszahnes noch offen und nur die Alveolen des 2.-4.Backenzahnes rechts ganz obliterirt, so daß es scheint, als sei die Abnutzung verhältnißmäßig früh eingetreten. Höchst auffällig ist dabei die geringe Größe der Alveolen der Schneidezähne, welche zusammen genommen nur 1,5 Ctm. Längenausdehnung einnehmen. Die Folge davon ist eine sehr geringe Entwickelung des mittlern Theiles des Unterkiefers und ein starkes Vorspringen des zugespitzten Kinnes, sowie eine fast winkelige Stellung der beiden Kieferhälften zu einander. Der ganze Kiefer ist etwas zart, in der Mitte nur 2,2 Centim. hoch; der untere Umfang von einem Winkel zum andern beträgt 17,3 Centim., der Abstand der Winkel von einander 9,5 Centim. Die Gelenkfortsätze sind leider an ihrem oberen Ende verletzt, mögen aber vom Winkel an etwa 5 Centim. hoch gewesen sein. Die obere Incisur, zwischen Gelenk= und Kronenfortsatz, ist flach ausgerundet, und der ganze aufsteigende Ast, wenngleich dünne, doch verhältnißmäßig breit, er mißt in der Mitte 2,7 Centim. in der Breite. Der Kiefer ist demnach positiv orthognath. Er hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Unterkiefer der heutigen Lappen, von denen er sich jedoch durch die Bildung des Mittelstückes unterscheidet."

R. Virchow.     


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Im Sommer 1872 sind in dem Hofmoor zu Redentin doch noch einige Alterthümer gefunden und von dem Herrn Mann erworben und von demselben dem Vereine geschenkt. Diese Alterthümer sind:

3 große geschliffene Arbeitskeile aus dunkelgrauem und gelblichgrauem Feuerstein;

2 Beilschneiden von 2 zerbrochenen, großen, geschliffenen Keilen aus rauchbraunem Feuerstein.


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Bastgeflecht von Wietow.

Im Sommer 1872 ward zu Wietow bei Wismar tief im Torfmoor ein merkwürdiges Bastgeflecht gefunden und von dem Besitzer des Gutes, Herrn von Blücher, dem Vereine geschenkt.

Das Geflecht ist 8 Centim. lang und viereckig, an jeder Seite gegen 2 Centim. breit. Jede Seite besteht aus zwei Reihen kleiner Rollen, in jeder Reihe 9 bis 10 Stück. Das Ganze ist sehr künstlich und regelmäßig gearbeitet und gleicht einer viereckigen feinen Blechkette.

Der Stoff ist sicher Weidenbast, wie Herr v. Blücher und andere erfahrene Kenner urtheilen.

Aehnliche Geflechte aus Bast sind in der Schweiz in den Pfahlbauten der Steinzeit häufig gefunden, z. B. am Pfäffiker See; vgl. Keller Pfahlbauten, 4. Bericht, Taf. IV, Fig. 14.

Nach dem Bericht des Herrn von Blücher ist dieses Geflecht 10 Fuß tief im Torf auf der sogenannten "Torfleber" gefunden. Torfleber wird hin und wieder im Lande eine einige Zoll dicke Schicht unter dem gewachsenen Pflanzentorf genannt, welche frisch gestochen etwas heller und fester, jedoch zum Brennen nicht so gut ist, als der gewöhnliche Torf. Nach der Ansicht von Kennern besteht die Torfleber aus vermoderten Wasserpflanzen, namentlich Rohr und Schilf, und bildet den Boden des Torfs. Die Torfleber ist also Moder vom Grunde des ehemaligen Gewässers, welches im Laufe der Zeiten Torfmoor geworden ist. Hierzu stimmt auch eine vorliegende Probe aus einem andern Moor, welche, freilich stark nachgedunkelt, ganz erdig und hart ist.

Nach der Fundstelle und nach Vergleichung anderer Vorkommenheiten dürfte das Bastgeflecht von Wietow der Stein=

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zeit angehören und einen Pfahlbau an der Stelle anzeigen. Ohne Zweifel ist das Geflecht sehr alt.

G. C. F. Lisch.     

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Menschenschädel von Reez.

Auf dem dem Herrn von Plessen gehörenden Landgute Reez bei Schwaan ward im Monat Junii 1872 in einer der Ziegelei des Gutes Wahrstorf gegenüber liegenden Wiese am Ufer des Warnow=Flusses, 112 Fuß Hamb. Maaß von demselben entfernt, beim Torfgraben in einer Tiefe von ungefähr 10 Fuß durch die Maschine ein alter Menschenschädel emporgehoben und von dem Herrn von Plessen dem Vereine zum Geschenk zugesandt. Die Oberfläche der Wiese liegt fast in der Wage des Spiegels der Warnow, und die Wiese wird in uralter Zeit Wasser oder Morast gewesen sein. Früher ist in dieser Wiese nach der Beschaffenheit des Bodens kein Torf gegraben.

Mehr als dieser Schädel ist bis jetzt an dieser Stelle nicht gefunden.

Der Schädel ist durch die Maschine freilich zerdrückt, hat aber in den Oberhauptbeinen von den Augenbrauen bis zur Hinterhauptschuppe wieder zusammengesetzt werden können. Der Schädel ist brachycephal; die Stirne ist sehr schmal, das Hinterhaupt sehr breit und gewölbt. Die Knochenwände sind sehr dünne, die Schädelnäthe noch nirgends verwachsen. Die Augenbrauenbogen, welche über der Nasenwurzel nahe zusammentreten, sind zwar hoch, jedoch nicht sehr stark. Nach allen diesen Kennzeichen wird der Schädel einem noch jugendlichen, vielleicht weiblichen Individuum angehört haben. Im Ganzen ist der Schädel einem im Pfahlbau von Wismar gefundenen Schädel sehr ähnlich. Die Farbe ist sehr hellbraun oder schmutzig dunkelgelb. Daß er nicht schwärzlich ist, wie manche sehr alte Torfschädel, rührt wohl daher, daß er in einem Lager von Binsen ähnlicher Masse gelegen haben wird, mit der die Schädelhöhlung gefüllt und zusammengedrückt war.

Nach allen Anzeichen wird der Schädel in die Steinzeit fallen. Vielleicht haben einst in dem Moore Pfahlbauten dieser Zeit gestanden; jedoch ist bis jetzt nichts weiter gefunden, was diese Vermuthung unterstützen könnte.

G. C. F. Lisch.     


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Moorfund von Dalliendorf.

Die Frau Kammerherrin von Leers zu Schwerin schenkte 1871 dem Vereine aus dem Nachlaß ihres verstorbenen Gemahls, des Kammerherrn von Leers auf Schönfeld, die steinernen Alterthümer, welche vor ungefähr 20 Jahren zu Dalliendorf bei Kleinen beim "Ausmodden" eines "Wasserloches" oder Teiches mit vielen Knochen und Geweihen gefunden sind. Diese Alterthümer sind:

4 Keile aus Feuerstein, von denen 3 flach, dünn und ganz geschliffen sind, von mir sonst wohl Streitkeile (Waffen) genannt, und 1 dick und weniger geschliffen und vielfach ausgesprungen ist;

1 Schmalmeißel aus Feuerstein;
1 Dolch aus Feuerstein mit viereckigem Griff;
1 Streitaxt mit Schaftloch aus Diorit von schönen Formen.

Möglich ist es, daß einst in diesem Gewässer, als es noch größer war, ein Pfahlbau gestanden hat.

G. C. F. Lisch.     


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Feuersteinsäge von Schwerin.

In dem Hofküchengarten am Kalkwerder bei Schwerin fand der Herr Hofgärtner Lehmeyer eine Säge aus Feuerstein (halbmondförmiges Messer), welche derselbe den großherzoglichen Sammlungen übergab. In dieser Gegend bei Schwerin sind schon früher Alterthümer gefunden.

G. C. F. Lisch.     


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Gezahnte Lanzenspitze aus Feuerstein.

Der Herr Ingenieur Brüssow zu Schwerin schenkte dem Vereine eine gezahnte Lanzenspitze oder Dolchklinge aus weißlichem Feuerstein, welche nach den ihm mitgetheilten allgemeinen Nachrichten an der "Lauenburgischen Grenze" gefunden ist. Das Ganze ist 8 Zoll oder 19 Centim. lang, wovon ungefähr 5 bis 6 Centim. auf die

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weniger bearbeitete Griffzunge fallen. Die vollständig erhaltene Waffe, denn hiefür müssen wir das Geräth halten, ist außerordentlich schön und regelmäßig gearbeitet, an beiden Seitenflächen mit größern, flachen Schlägen geebnet, aber an den beiden Schneiden zu ziemlich hohen, regelmäßigen, scharfen Zähnen, wie eine Säge ausgekröselt, ungefähr wie in Madsen Afbildninger, T. I. Taf. 37, No. 32. Das Stück ist außerordentlich selten, und die Schweriner Sammlungen haben bisher noch kein ähnliches Exemplar besessen. Vor kurzem hat auch Herr Rentier Mann zu Wismar ein gleiches, jedoch etwas größeres Exemplar, 9 1/4 Zoll oder 22 1/2 Centim. lang, erworben, welches im südlichen Ditmarschen gefunden ist; beide Exemplare sind so ähnlich, daß sie fast zusammen zu gehören scheinen. Herr Mann hat dem Vereine eine schöne Zeichnung seines Exemplars geschenkt.

G. C. F. Lisch.     


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Keil vom Walfisch bei Wismar.

Auf der kleinen Insel "Walfisch" vor dem Hafen von Wismar ward ein kleiner, 3 Zoll langer, geschliffener Keil aus hellbraunem Feuerstein gefunden und von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar geschenkt.

G. C. F. Lisch.     


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Keil von Güstrow.

Der Herr Hauptmann a. D. Baron von Nettelbladt zu Güstrow schenkte einen Keil aus Feuerstein, welcher im Torfmoor des Landarbeitshauses zu Güstrow gefunden, überall nur roh, wenn auch ganz regelmäßig zugehauen und noch nirgends geschliffen und rauchbraun von Farbe ist, genau wie viele Keile aus Pfahlbauten. Dies scheint auf eine ehemalige Wasseransiedelung zu deuten, um so mehr, da auch ein ganz schwarzer Gelenkknochen dabei gefunden ist.

G. C. F. Lisch.     


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Eine große Bernsteinperle,

1 1/4 Zoll im Durchmesser, gefunden im Torfmoor zu Wilserhütte bei Serrahn, ward geschenkt von dem Herrn Hauptmann a. D. Baron von Nettelbladt zu Güstrow.

G. C. F. Lisch.     


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Bernsteinschmuck von Dargun.

In der Pene=Niederung bei Dargun, nahe an der Pene, wurden im Frühling 1870 beim Torfstechen im Moor viele Eichenpfähle gefunden, welche das Vorhandensein von ehemaligen Pfahlbauten anzuzeigen schienen. Bei den Pfählen, jedoch nicht ganz in der Nähe derselben, ward ein, ohne Zweifel der Steinzeit angehörender Bernsteinschmuck gefunden, welcher von dem Herrn Forstmeister Schröder zu Dargun an die Sammlungen eingesandt ist. Der Schmuck ist ein roh bearbeitetes Stück Bernstein, ungefähr in der Form eines stumpfen Keils oder Hammers von 1 1/2 Zoll Länge, 1 Zoll Breite und ungefähr 1/2 Zoll Dicke, welches von beiden Seiten her trichterförmig angebohrt und durchbohrt ist.

G. C. F. Lisch.     


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Schleifstein von Reinstorf.

Zu Reinstorf bei Bützow ward ein großer Schleifstein gefunden und von dem Herrn Schnapauff zu Reinstorf geschenkt. Der Stein ist im Durchschnitt 2 Fuß lang, 1 Fuß breit, 1/2 Fuß dick und 84 Pfund schwer. Die Masse besteht aus grauem, feinkörnigen Granit (nicht Sandstein). Die Oberfläche ist überall ebenmäßig, ganz glatt und sanft concav abgeschliffen, wie die Schleifsteine aus altem Sandstein für das Schleifen der Feuersteinkeile, ohne daß irgend eine Vertiefung ausgeschliffen wäre. Man muß daher diesen Stein eher für einen Schleifstein als für einen Mahlstein halten. Der Stein ist in einem ungefähr 100 Quadratruthen großen Torfmoore, ungefähr 5 Fuß tief unter der Oberfläche gefunden; er lag nach den eingeholten Berichten auf einer umgefallenen großen Eiche, welche ganz schwarz geworden

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war. Herr Schnapauff hat an der Fundstelle weiter nachgraben lassen, es hat sich aber nichts weiter gefunden als dieser Stein.

G. C. F. Lisch.     


[Aufsatz]
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Keil von Warbelow.

Der Herr Gutsbesitzer Otto auf Warbelow bei Gnoien hat Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge für die großherzoglichen Sammlungen einen zu Warbelow gefundenen Keil aus Feuerstein zum Geschenke überreicht, welcher in Deutschland zu den größten Seltenheiten gehört. Dieser Keil ist aus dunkelgrauem Feuerstein, 12 1/2 Zoll Hamb. Maaß oder 30 Centim. lang, in der Mitte gegen 3 Zoll oder 7 Centim. breit und 1 1/2 Zoll oder 3 1/2 Centim. dick, 3 1/3 Pfund schwer, an beiden Breitseiten bis zur scharfen Schneide regelmäßig geschliffen, an den beiden Schmalseiten in großen Schlägen zugehauen und am Bahnende stumpf vierseitig abgeschlagen. Feuersteinkeile von dieser Größe sind in den dänischen Landen, namentlich in der Sammlung zu Kopenhagen, nicht selten, gehören aber in Deutschland zu den größten Seltenheiten. Der größte Keil in Deutschland ist vielleicht der Keil von Gutow in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin, welcher 14 Zoll lang und 3 1/2 Pfund schwer ist (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 299). Auf diesen Gutowschen Keil wird denn wohl der Keil von Warbelow folgen. Ich wenigstens habe in Deutschland noch keine größeren Keile gesehen.

Außerdem schenkte Herr Otto noch einen roh, aber regelmäßig zugerichteten, noch nirgends geschliffenen Feuersteinkeil von 8 1/2 Zoll Länge.

G. C. F. Lisch.     

 

Vignette
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c. Bronzezeit.


Kegelgräber

auf den Wegestrecken

von Sternberg nach Parchim und Dobbertin,

von

Dr. G. C. F. Lisch.


B ei dem Bau der beiden Chausseen von Sternberg nach Parchim und von Sternberg=Dabel nach Dobbertin in den letzten Jahren sind auf den Feldmarken südlich von Sternberg sehr viele Kegelgräber aufgebrochen, um Steine zur Chaussee zu gewinnen. Diese Gegend, in der Mitte des Landes, welche schon früher manche Alterthümer geliefert hat, scheint bis dahin den Verwüstungen durch Ackerkultur ziemlich entgangen zu sein. Die Gräber sind sehr zahlreich und scheinen nicht sehr hoch gewesen zu sein. Alle gehören der Bronzezeit an und haben zahlreiche Alterthümer geliefert. Alle Alterthümer sind außerordentlich ähnlich, sowohl an Gestalt, als auch an Rost, so daß man wohl mit Recht schließen darf, daß alle derselben Zeit und Bildung angehören; sie gewähren daher in dieser Hinsicht einen willkommenen Ueberblick.

Die Gräber, von denen Kunde und Alterthümer an den Verein gekommen sind, sind bis jetzt folgende.

Kegelgrab in der Gegend von Sternberg.

Beim Steinbrechen für die Parchim=Sternberger Chaussee sind folgende Alterthümer aus Bronze mit starkem Rost gefunden:

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1 Schwert von Bronze, 57 1/2 Centim. lang, in mehrere Stücke zerbrochen, mit Nietlöchern in der Griffzunge zum Befestigen eines Holzgriffes;

1 große Nadel (?) oder Stecken von Bronze mit großem, rundem Knopf. Es sind nur 2 Bruchstücke vorhanden: der Griff, welcher 12 Centim. lang ist und im Kopfe 6 1/2 Centim. Durchmesser hat, und ein kleineres Bruchstück der Nadel. Ueber diese Nadel, welche gewöhnlich Schwertlänge haben, vgl. Jahrb. XXXIII, S. 125 flgd.;

1 Pfeilspitze von Bronze, mit Schaftzunge;

1 Sichel von Bronze, 10 Centim. lang;

1 "Schabemesser" von Bronze, 8 Centim. lang;

Bruchstücke von Armringen von Bronze.

Diese Alterthümer sind durch Verkauf in Privatbesitz gekommen.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Holzendorf.

Auf der Feldmark des Hofes Holzendorf bei Sternberg, wo die merkwürdige Bronze=Gießstätte gefunden ist (vgl. Jahrb. XXXIV, S. 220 flgd.), ward beim Bau der Chaussee von Parchim nach Sternberg im Jahre 1869 ein Kegelgrab abgetragen, welches beim Herausholen der Steine zum Chausseebau durchwühlt war. Bei dem Abtragen und der Ebenung des Platzes fanden sich aber noch die bronzenen Alterthümer, welche durch die Sorge des Herrn Senators Beyer zu Parchim gerettet und in die Schweriner Sammlungen gekommen sind. Diese Bronzen, welche alle mit gleichem edlen Rost bedeckt sind, sind folgende:

1 gewundener dünner Kopfring, 6 Zoll im Durchmesser, vollständig erhalten;

1 gewundener dünner Kopfring, eben so groß, in der Mitte durchbrochen und auch auf den Bruchflächen oxydirt;

1 Bruchstück von einem gewundenen Ringe, 4 Zoll lang;

2 gleiche massive Armringe von ovalem Durchschnitt, mit schmalen, starken Querreifen verziert;

2 breitere, dünne, blechartige Armringe, dicht mit Schrägelinien verziert;

1 Bruchstück von einem ähnlichen Armringe;

4 gleiche sogenannte Hütchen, auf der Oberfläche mit vielen und feinen concentrischen Reifen verziert;

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6 gleiche sogenannte Hütchen, auf der Oberfläche mit wenigen und breitern concentrischen Reifen verziert;

4 Fingerringe von feinem, ganz dünnem Bronzedrath.

Vielleicht waren in diesem Hügel zwei verbrannte Leichen bestattet, da sich alle mitgegebenen Alterthümer doppelt finden, und muthmaßlich waren die zuerst aufgeführten Armringe und Hütchen die älteren, d. h. um ein wenig älter, als die folgenden. Sicher waren diese Gräber nach den Beigaben an Schmuck Frauengräber.

Dieser Fund zeigt in jeder Hinsicht eine große Uebereinstimmung mit dem im Folgenden aufgeführten Funde von Karbow. Auch in diesem Funde fanden sich viele sogenannte Hütchen. Ueberhaupt läßt sich die Beobachtung feststellen, daß sich diese Hütchen, welche man in frühern Zeiten als Kopfaufsätze betrachtete, oft in großer Anzahl neben einander finden. Ich halte sie für Knöpfe für Obergewänder aus der ältern Bronzezeit, und nicht mehr für Verzierung des Pferdegeschirrs, wie ich wohl früher mit Andern angenommen habe.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Turloff.

In der Forst von Turloff bei Sternberg, angrenzend an Hohen=Pritz, wurden im Februar 1869 beim Steinbrechen zur Chaussee in Hügeln neben zerbrochenen Urnen mit zerbrannten Knochen die im Folgenden aufgeführten Alterthümer gefunden und vom Herrn Karl Krull zu Kukuk an die großherzoglichen Sammlungen abgeliefert. Diese Hügel sind nach dem Bau und den gefundenen Alterthümern ohne Zweifel Kegelgräber der Bronzezeit gewesen.

Kegelgrab Nr. 1.

In einem Hügel ward

ein gewundener Halsring von Bronze, vollständig, und

ein gewundener Kopfring von Bronze, zerbrochen, beide mit dickem Rost bedeckt, gefunden.

Kegelgrab Nr. 2.

In einem andern Hügel, neben einem "Topfe" mit zerbrannten Knochen, wurden folgende Alterthümer gefunden:

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2 reich mit Linien verzierte Armringe von Bronze, voll gegossen, zusammen gehörend, zerbrochen;

ein eben so reich, aber anders verzierter Armring von Bronze, vollständig;

ein sogenanntes Hütchen von Bronze: alle mit gleichem, tiefem Rost bedeckt;

ferner

ein Knopf von Bernstein, 1 3/8 Zoll im Durchmesser und 3/4 Zoll dick, mit abgeschrägten Seitenflächen, in der Mitte durchbohrt, nicht durchscheinend und auf der Oberfläche blind und etwas verwittert; zum "Spindelstein" hat dieser Knopf nicht dienen können, da das Loch dazu lange nicht weit genug, sondern nur so eng ist, um einen dicken Faden durchziehen zu können.

Kegelgrab Nr. 3.

In einem dritten Hügel wurden

2 Armringe von Bronze gefunden, voll gegossen, beide von gleichem Durchmesser, aber verschieden an Breite und Dicke, beide reich, jedoch verschieden mit Linien verziert, und zwar in gleicher Weise wie die Armringe in dem Grabe Nr. 2. Diese beiden Ringe sind mit einem hellgrünen, oft bläulichen, dichten, edlen Rost bedeckt, unter welchem alle Verzierungen scharf erhalten sind.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Kläden.

Nr. 1.

Fortsetzung von Jahrbüchern XVI, S. 258.

Zum Bau der Chaussee von Sternberg=Dabel nach Dobbertin wurden im Herbste des Jahres 1870 auf den Feldmarken Dabel, Borkow, Woserin und Kläden Steine ausgebrochen. Die Arbeiter "visitirten" auf Erhöhungen den Erdboden mit Stangen und fanden denn auch gewöhnlich bald, was sie suchten. Fast alle diese kleinen Erhöhungen in dieser noch wenig erforschten Gegend sind Kegelgräber der Bronzezeit. Unter den Steinen wurden denn auch oft gerostete Bronzegeräthe gefunden, welche die Arbeiter aber gewöhnlich verheimlichten und vorenthielten, unter der Angabe, daß sie erst Sicherheit gewinnen müßten, ob die gefundenen Sachen aus edlem Metall seien oder nicht. Dies

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ist der gewöhnliche Hergang solcher Aufgrabungen, bei denen die gefundenen Gegenstände sehr häufig verloren gehen.

Besonders reich an Kegelgräbern ist die bei dem Dorfe Kläden ("Klähn"), Kloster=Amts Dobbertin, gelegene Forst, welche die "Klädener Forst" genannt wird. Schon im Jahre 1850 wurden hier mehrere Steinhügel ausgebrochen, in denen sich schöne Urnen fanden, welche durch die Bemühungen des verstorbenen Klosterhauptmanns Barons Le Fort, mit welchem ich später auch zur Besichtigung die Forst durchfuhr, gerettet und den Sammlungen des Vereins überwiesen wurden (vgl. Jahrb. XVI. S. 258). Auch im Herbste 1870 erwiesen sich die in der Forst noch liegenden Hügel als Kegelgräber, welche "Knochenurnen" und Bronze=Alterthümer enthielten. Durch die Sorgfalt des Herrn Ingenieurs Wehner und die Vermittelung des Herrn Senators Beyer zu Parchim sind denn einige Fundstücke aus der Klädener Forst in die Sammlungen des Vereins gekommen:

Eine kleine Deckel=Urne von seltener, fast ganz cylindrischer Form. Die Urne bildet einen beinahe regelmäßigen Cylinder mit fast senkrechten Wänden, 7 Zoll hoch und ungefähr 6 Zoll weit. Auf die Mündung ist als Deckel eine Schale mit fast senkrechten Wänden, 2 Zoll hoch und 6 Zoll weit, gestülpt, welche genau auf die Mündung paßt;

die Schale wird von vorne herein zum Deckel bestimmt gewesen sein, da die Mündung der Urne, so weit als die Deckschale hinabreicht, etwas eingezogen ist, so daß die Wände der Urne und der aufgestülpten Schale zusammen eine fast senkrechte Linie bilden. Die Urne war ganz mit zerbrannten Knochen und Asche gefüllt. Darin lag

ein kleiner, gerosteter Ring von Bronze, 3/4 Zoll im Durchmesser, roh gearbeitet.

Es wurden in andern Gräbern noch mehr mit zerbrannten Knochen gefüllte Urnen gefunden, welche, wie die im Jahre 1850 ausgegrabenen, alle größer waren und hin und wieder auch bronzene Alterthümer enthielten. Von diesen übergab der Herr Ingenieur Wehner:

eine grade Nadel von Bronze, mit kleinem Knopf, stark gerostet, zerbrochen, jetzt noch 7 Zoll lang, und

eine unter dem hohlen Knopf knieförmig gebogene Nadel, 4 3/4 Zoll lang, ohne allen Rost und sehr gut erhalten, ungefähr wie Frid. Franc., Taf. XXXII, Fig. 25.

Größere Bronze=Geräthe, auch Waffen, konnte man von den Arbeitern nicht habhaft werden.

G. C. F. Lisch.     

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Später sind in der "Klädener" Forst in Steinhügeln beim Steinbrechen noch Alterthümer gefunden, welche ebenfalls durch den Herrn Senator Beyer zu Parchim gewonnen und im Frühling 1871 dem Verein überliefert sind.

Wahrscheinlich stammen diese Alterthümer aus zwei verschiedenen Gräbern oder einem Doppelgrabe, da dieselben theils in Waffen, theils in Schmuck bestehen.

Kegelgrab Nr. 2.

Ein Schwert von Bronze, ungefähr 16 Zoll lang in der Klinge, welches vor der Beilegung in 4 Stücke zerbrochen ist, da die Bruchenden auch gerostet sind; die Spitze fehlt. Die kurze, 3 Zoll lange Griffzunge ist zur Aufnahme einer Holz= oder Lederbekleidung eingerichtet, da sie Nietlöcher und Nietstifte hat. Ohne Spur eines Leichenbrandes.

Ein Paar Handbergen von Bronze, in viele kleine Bruchstücke durch den Lecenter>Kegelgrab Nr. 3.

Eine kleine Urne von Thon von schöner Form, 4 Zoll hoch, mit einem Henkel zum Durchstecken eines Fingers.

Ein gewundener Kopfring von Bronze, sehr weit, in 4 zum Theil verbogene Stücke zerbrochen, deren Bruchenden gerostet sind: die Endstücke fehlen.

Zwei Armringe von Bronze, massiv, mit Quer= und Schrägestrichen verziert.

Ein Armring, dünner und glatt, auch massiv, 2 Bruchstücke.

Eine kleine Heftel von Bronze, von der Construction der Hefteln der reinen Bronzezeit, mit massiven, dünne gegossenen oder gehämmerten runden Endplatten, mit Schrägestrichen am Rande verziert, zerbrochen.

Alle diese Bronzen des Grabes Nr. 3 sind mit Rost, zum Theil mit edlem Rost bedeckt und nicht vom Leichenbrande berührt.

Ring aus Golddraht

Ein Fingerring von Gold , für einen weiblichen Finger passend. Dieser Fingerring ist, wie die hieneben stehende Abbildung eines gleichen, aber etwas weitern Goldringes zeigt, in spiralförmiger Gestalt aus doppeltem Golddrath gebildet, welcher an beiden Enden verbunden, also aus einem großen Ringe ohne Enden gebogen ist. Leider ist der Ring zerrissen

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und hinter einander in zwei Lieferungen in den Besitz des Vereins gekommen. Die beiden noch vorhandenen Bruchstücke sind 1 Ducat schwer. Das größere Bruchstück hat 5 Windungen und besteht an einem Ende noch aus doppeltem, verbundenem Golddrath. Das andere Ende scheint, wie öfter vorkommt, vor der Beilegung aufgeschnitten zu sein. Nach meinen schon früher geäußerten Ansichten sind diese goldenen Spiral=Fingerringe Trau= oder Eheringe der Bronzezeit.

Dieser Goldring ist dadurch in hohem Grade merkwürdig, daß der Golddrath hohl ist, indem der Drath durch Biegung aus einem schmalen, dünnen Goldblechstreifen gebildet ist. Man sieht dies klar nicht nur an den abgebrochenen Enden, sondern an der Fuge, welche an der innern Wand des Drathes der ganzen Länge nach umherläuft. Mir ist ein zweites Beispiel noch nicht vorgekommen; in den Schweriner Sammlungen sind die zahlreichen Ringe dieser Art alle massiv. Dieses Kunststück ist ein Zeichen von geschickter Arbeit, ob aus Absicht des Betruges oder der Stellung eines wohlfeileren Preises mag dahin gestellt bleiben.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Mestlin.

Im "Mestliner Holze" bei Goldberg ward im Jahre 1870 durch die Chausseearbeiter für die Chaussee von Crivitz nach Goldberg ein Kegelgrab zerstört. In demselben standen 2 Urnen welche jedoch zerbrachen. Außerdem fanden sich folgende Alterthümer aus Bronze:

1 gewundener Kopfring, zerbrochen;
2 Armringe;
1 "Hütchen";
verschiedene kleine Bronzegeräthe.

Diese Alterthümer sind in den Besitz des Herrn Dr. Wiechmann zu Kadow, nach dessen Mittheilungen der vorstehende Bericht abgefaßt ist, übergegangen.

Bei dem Bau der Chausseen von Parchim nach Sternberg und Putlitz und von Goldberg nach Crivitz, also in der südlichen Mitte des Landes, sind viele Kegelgräber zerstört, welche alle fast denselben Inhalt von Bronzegeräthen hatten, so daß ein Grab fast alle andern repräsentiren kann.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Woserin.

Bei dem Bau der Chaussee von Sternberg=Dabel nach Dobbertin sind im Jahre 1870 auch auf der Feldmark von Woserin bei Sternberg viele Kegelgräber aufgebrochen. Nach den Mittheilungen der Frau Schultz, geb. v. Blücher, zu Woserin sind von den in diesen Gräbern gefundenen Alterthümern 2 Urnen erhalten.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Dabel.

Auf dem Felde von Dabel bei Sternberg, wo schon früher wiederholt Kegelgräber schöne Ausbeute gegeben haben, wurde beim Bau der Sternberg=Parchimschen Chaussee 4 Fuß tief, also wohl ohne Zweifel in einem Kegelgrabe, ein Paar sogenannter Handbergen (Armringe mit zwei großen Spiralplatten) aus Bronze von vorzüglicher Beschaffenheit gefunden, wie sie im Friderico-Francisceum Taf. IV, und in Jahrb. IX, S. 320, abgebildet sind. Beide Stücke sind vollständig, sehr gut erhalten und mit tiefem, glänzendem edlen Rost bedeckt. Ein Stück ist jedoch ein Mal, das andere zwei Male im Bügel zerbrochen. Diese Brüche sind alt, wie alle Bruchflächen beweisen, welche ebenfalls gerostet sind. Die Stücke sind von dem Herrn Ingenieur Wehner beim Chausseebau erworben und durch den Herrn Senator Beyer zu Parchim eingesandt.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Borkow.

Beim Bau der Chaussee von Sternberg nach Dobbertin ward im Jahre 1871 beim Steinbrechen eine thönerne Urne von ungefähr 20 Centim. Höhe gefunden, welche jedoch beim Ausgraben völlig zerfiel. Die Urne war mit zerbrannten Knochen, Asche und Sand gefüllt. Auf dem Boden der Urne lag ein kleiner Doppelknopf von Bronze ohne allen Rost. Die obere Platte des Knopfes, 13 Millim. im Durchmesser, ist glatt; die untere Platte besteht aus zwei kleinen Platten, jede von 7 Millim. Durchmesser, welche nach

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Art der Spiralwindungen im Relief verziert sind. Eingesandt vom Herrn Chausseebau=Ingenieur Wehner.

G. C. F. Lisch.     

Zu Borkow bei Sternberg ward ferner in der Erde, ohne Grabhügel, eine Lanzenspitze oder Dolchklinge, mit kurzer Schaftzunge, 6 Zoll lang, von Bronze mit hellgrünem edlen Rost, gefunden und von dem Herrn Senator Beyer zu Parchim geschenkt.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab und Begräbnißplatz von Karbow.

Beim "Steinausgraben" auf einer an der Westseite des Domanialdorfes Karbow, bei Plau und Lübz, belegenen Hufe wurden mehrere bronzene Alterthümer gefunden und von dem Großherzoglichen Amte Lübz eingefordert und an die großherzoglichen Sammlungen eingesandt. Diese Alterthümer, welche ganz der Bronzezeit angehören, sind folgende:

1 Diadem mit Spiralen verziert,
1 dünner, gewundener Kopfring,
2 gleiche, massive Armringe,
10 sogenannte Hütchen, und
1 lange Nadel (oder Stachel), 18 Zoll lang, mit großem Knopf, in mehrere Stücke zerbrochen. (Vgl. über diese langen Nadeln (oder Treibstecken) Jahrbücher XXXIII, S. 125 flgd.)

Die meisten Gegenstände deuten auf ein Frauengrab. Die großen "Nadeln" scheinen Geräthe für Männer gewesen zu sein. Doch läßt sich nicht mehr ermitteln, ob die hier aufgeführten Alterthümer aus einem oder mehreren Gräbern stammen.

Dabei berichtet das großherzogliche Amt, daß sich auf der gedachten Hufe noch eine Menge mit etwa 2 Fuß hoch Erde bedeckter Steinhaufen in einem Kreise von etwa 200 Fuß befinden (Begräbnißplatz der Bronzezeit), und

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daß der frühere Pastor Ritter zu Vietlübbe (an Karbow grenzend) vor Jahren ähnliche Gegenstände auf der erwähnten Hufe ausgegraben hat. Dies werden die Kegelgräber von Vietlübbe (Jahrb. IX, S. 379 flgd., XI. S. 391 flgd. und XII, S. 372) oder von Retzow (Jahrb. IX, S. 381 und XI. S. 384 flgd.) sein, da Ritter in der dortigen Gegend früher viel gegraben hat. Von Kegelgräbern zu Karbow ist in den Jahrbüchern noch nicht die Rede gewesen.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Darze.

Zu Darze bei Parchim, in den Tannen neben der Schmiede und dem Kruge, am Mühlbach und am Wege nach Stralendorf, ward beim Bau der Chaussee von Parchim nach Sternberg im Jahre 1869 ein Kegelgrab abgetragen, welches schon zerstört war. Im Jahre 1868 waren zum Chausseebau alle Steine herausgeholt. Beim darauf folgenden Ebenen des Platzes zeigte sich, daß die Urne mit den Resten des verbrannten Leichnams unangerührt geblieben war. Die Urne ist hellbraun, vollkommen im Charakter der Urnen der Bronzezeit und 9 Zoll hoch; sie hat einen engen Hals und 2 kleine Henkelchen oder Oehren auf dem Bauchrande und gleicht an Gestalt ganz der in Jahrb. XI. S. 362, Nr. 1, abgebildeten Urne. Die zerbrannten Knochen in der Urne, namentlich vom Schädel und Gelenken, sind noch sehr dünne und fein, so daß das Grab einem noch ganz jungen, nicht ausgewachsenen Menschen angehört hat. Der Herr Senator Beyer zu Parchim hat diese Urne, welche vollständig wieder zusammen gesetzt werden konnte, gerettet und den Schweriner Sammlungen zugewandt.

In der abgetragenen Erde, und bestimmt nicht in der Urne, fanden sich einige Gegenstände, welche sehr auffällig sind, aber sicher nicht zu der bestatteten Leiche gehören und einer viel jüngeren Zeit angehören. Diese Gegenstände sind folgende:

1) Eine halbmondförmig gebogene, platte, oben durch Querreifen verzierte Bronzestange von 2 1/2 Zoll Länge, ohne Rost(!). Das Bruchstück sieht aus wie ein Stück aus der Spirale einer sogenannten Handberge und ist an einem

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Ende schräge durchschnitten und zugespitzt, scheinbar gefeilt. Diese Bearbeitung des Bruchstücks fällt offenbar in eine jüngere Zeit und gehört nicht zu dem Grabe, da es in diesem hätte gerostet sein müssen.

2) Eine schlanke eiserne Pfeilspitze, mit wenig Rost, welche offenbar dem Mittelalter angehört.

3) Eine heidnische Urnenscherbe, welche wohl dem Kegelgrabe, aber nicht der oben aufgeführten Urne angehört. Wahrscheinlich haben also zwei Urnen in dem Grabe gestanden.

Wenn auf diese Sachen auch kein Gewicht zu legen ist, so werden sie hier doch aus Gewissenhaftigkeit genannt; es ist um so weniger Gewicht darauf zu legen, als die Nachrichten nur von den Arbeitern stammen.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Rövershagen.

Im Hinrichshäger Revier der Stadt Rostock, auf dem sogenannten Hamannshau (Abtheilung 24), zur Zeit mit 40= bis 80 jährigen Eichen bestanden, ungefähr 50 Ruthen östlich vom Fesselbrandswege und etwa 500 Ruthen von der Ostsee, über deren Spiegel der Platz ungefähr 11 Fuß erhaben liegt, ward der dortige Jäger, welcher im Wege liegende Steine entfernen wollte, darauf aufmerksam, daß dieselben mit anderen einen Kreis bildeten. Auf Veranlassung des Herrn Forstinspectors ward nun die Stelle näher untersucht. Es fanden sich drei Steinkreise, die im Durchmesser 21 Fuß hielten, dicht neben einander in der Richtung von Westen nach Osten. Die umgebenden Steine, einer, und wo dieselben kleiner waren, zwei auseinander, lagen 1 bis 2 Fuß unter dem Boden, der aus einer ungefähr 1 Fuß starken sandigen Humusschicht, darauf aus brauner, verkohlter Humuserde, dann aus hellem Sande besteht. In der Mitte des mittleren Kreises fanden sich 4 Fuß unter der Erde drei Urnen. Dieselben standen jede auf flachen Steinen, waren mit andern umstellt, auf welchen ein flacher Deckstein lag. Zwei der Urnen waren gänzlich zertrümmert, die dritte ward stark beschädigt geborgen und entsprach in dem untern Theile - der obere fehlte - der in Jahrb. XI. S. 362, Nr. 2

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abgebildeten Urne, doch ließ sich an einer kleinen am Bauchrande noch vorhandenen Erhöhung nicht erkennen, ob da ein durchbohrtes Knötchen gesessen hatte. Sie war aus rothem, mit mäßig grobem Steingrus vermengtem Thon gearbeitet und, so viel vorhanden, fast 3/4 bis 1 Fuß hoch. Verzierungen fehlten gänzlich. Im Innern fanden sich Knochenreste mit Erde und Wurzelfasern vermischt. Bei Entfernung derselben zerfiel auch diese Urne trotz aller Vorsicht in Scherben. In den beiden andern Steinkreisen ward bei der eifrigsten Nachforschung nichts gefunden.

Rövershagen.

Dolberg.     

 

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d. Eisenzeit.


Begräbnißplatz von Hohen=Viecheln.

Zu Hohen=Viecheln, am Nordende des großen Schweriner Sees, waren im Herbste 1872 Wegearbeiter am rechten Ufer des "Schiffgrabens", wo die Landstraße zwischen Grevesmühlen und Warin beinahe die Höhe erreicht und dieselbe von dem "Graben" schräge durchschnitten wird, mit Grabungen beschäftigt. Bei der Arbeit fanden sie unter der Erdoberfläche eine Reihe von Urnen, welche in Zwischenräumen von ungefähr 9 Fuß neben einander gestanden hatten. Auf die Nachricht von dem Funde begaben sich die Herren Oberforstmeister Plüschow und Dr. Crull zu Wismar bald an Ort und Stelle. Leider fanden sie nichts mehr vor, als einige Urnenscherben und zerbrannte Knochen, so wie einen Spindelstein, welchen ihnen der Herr Förster Schröder zu Mödentin übergab.

So sehr geringe nun die Ausbeute ist, so ist die Entdeckung dieses Platzes wegen der nach heidnischer Weise bearbeiteten Urnenscherben doch nicht zu verachten. Mehrere Scherben stammen von roh gearbeiteten, dickwandigen braunen Urnen, andere von feinen schwarzen Gefäßen. Besonders wichtig sind aber mehrere Scherben von glänzend schwarzen Gefäßen, welche mit verschiedenartigen Punktlinien verziert sind. Der Begräbnißplatz gehört also ohne Zweifel denjenigen Plätzen der ersten Eisenzeit an, welche in den Jahrbüchern oft und zuletzt XXXVII, S. 237, besprochen sind, und in welche auch die römischen Alterthümer in Meklenburg fallen. Der Begräbnißplatz von Hohen=Viecheln hat also dieselbe Beschaffenheit wie der Begräbnißplatz auf dem ganz nahe gelegenen Landgute Neu=Stieten; vergl. Jahrb. XXXIII. S. 139.

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Der Spindelstein ist ungewöhnlich groß, 4 1/2 Centim. im Durchmesser, von Thonstein und auf den breiten Flächen mit concentrischen Kreisen und am Rande mit Schrägestrichen verziert.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbniß= oder Wohnplatz von Lübow.

Im Jahre 1861 ward zwischen Lübow und Kletzin bei Wismar durch einen Arbeiter eine Sandgrube zugeworfen. Bei dieser Arbeit fand derselbe mehrere Alterthümer, von denen die folgenden durch den ehemaligen Unterofficier Büsch zu Wismar erworben und dem Verein geschenkt sind.

Zuerst sind mehrere thönerne Urnenscherben aus der altern Eisenperiode zu bemerken. Eine dunkelbraune Scherbe ist mit Punktlinien in Mäanderform verziert und deutet auf einen heidnischen Begräbnißplatz aus der ältern Eisenzeit, da bisher nur auf Begräbnißplätzen an Urnen solche Verzierungen bemerkt sind. Eine andere Scherbe ist ein Rand= und Seitenstück, dessen Wand mit Löchern durchbohrt ist, also eine Art Sieb oder Trichter, welcher dem zu Klaber gefundenen und in Jahrb. XIV, S. 341 abgebildeten, sehr seltenen Geräthe gleich gewesen sein muß; dieses Geräth, so wie der Fuß eines Kruges, deuten auf einen heidnischen Wohnplatz. Auch auf einem ähnlichen Platze zu Hinter=Wendorf ist ein Randstück eines Gefäßes gefunden, dessen Wandung von Löchern durchbohrt ist. Zwei andere Scherben von verschiedenen Gefäßen lassen keine genaue Bestimmung zu. Eine sechste Scherbe ist ein Randstück von einem Topfe aus blaugrauem Thon aus dem christlichen Mittelalter, vielleicht aus dem 13. Jahrhundert.

Außerdem ward eine Bronzenadel gefunden und gerettet. Diese Nadel ist 10 Zoll lang, hat Oben zur Verzierung eine Scheibe von 3 Zoll Durchmesser, welche genau in der Gestalt eines vierspeichigen Rades durchbrochen ist, und oben auf diesem Rade ein Oehr. Diese Nadel ist also andern ähnlichen Nadeln gleich, ist jedoch in der Form und Verzierung etwas unregelmäßig und leichtfertig gearbeitet, gewiß nicht so sauber, wie die Geräthe der reinen Bronzezeit. Diese Nadel ist dadurch merkwürdig, daß dergleichen, wenn der Platz wirklich aus der Eisenperiode stammen sollte, diese Nadeln und deren Verzierung aus der Bronzezeit in die Eisenzeit hinübergehen würden.

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Außerdem ward ein geflochtener Ring von Bronzedrath, welcher auf einen sehr starken Finger paßte, und ein Stück gelbliches Metall in Form eines verzierten Dreiecks, welches an den Spitzen mit Löchern versehen war, gefunden; beide Stücke sind aber durch Kinder verspielt.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbnißplatz von Bartelsdorf.
Nachtrag zu Jahrb. XXVIII, S. 301 flgd.

Der merkwürdige Begräbnißplatz von Bartelsdorf bei Rostock hat seit der letzten Lieferung im Jahre 1863 bis in den Monat Julii 1864 nur einige zerfallene Menschengebeine und ein eisernes Messer geliefert.

Im Julii 1864.

G. C. F. Lisch.     

Der große Begräbnißplatz von Bartelsdorf, welcher seit dem Jahre 1863 in den Jahrbüchern (XXVIII, S. 301 flgd.) zur Untersuchung und Behandlung gezogen ist, scheint jetzt ausgebeutet zu sein, da seit einem Jahre nichts mehr gefunden ist. Freilich sind andere Arbeiter eingetreten, welche andere Stellen zur Ausgrabung von Sand in Angriff genommen haben, als die früheren; es ist aber nach der Versicherung derselben nirgends eine Spur von Alterthümern mehr gefunden.

Im August 1865.

G. C. F. Lisch.     

Der Herr Maler W. Gähte schenkte am Ende des Jahres 1868 dem Vereine den bronzenen Kopfring, welcher vor mehreren Jahren auf dem oft besprochenen Begräbnißplatze von Bartelsdorf bei Rostock gefunden und, für die ungefähre Zeitbestimmung sehr wichtig, in den Jahrbüchern XXVIII, S. 305, und hier wieder abgebildet ist.

bronzener Kopfring

G. C. F. Lisch.     

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Im Jahrb. XXVIII, S. 303, ist die Beobachtung mitgetheilt, daß die begrabenen, ohne Zweifel aus dem Anfange des Christenthums stammenden Leichen zu Bartelsdorf alle einen Stein auf der Brust, und auch auf den Knieen, liegen hatten. Dieselbe Erscheinung beobachtete auch Herr Ritter im Wendenkirchhofe zu Helm, in welchem er neben vielen verbrannten Leichen auch zwei unverbrannte Leichen in Särgen fand, denen ein Stein auf die Brust gelegt war (vgl. Jahresbericht IV, S. 46). Auch die Alterthümer dieser Leichen gleichen denen von Bartelsdorf. Beide werden ungefähr aus derselben Zeit stammen.

G. C. F. Lisch.     


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Glasperle von Dämelow.

Zu Dämelow bei Kleinen (oder Brüel) fand der Besitzer des Gutes, Herr von Storch, an verschiedenen Stellen seines Feldes mehrere kleine, runde, einfarbige, hellblaue Glasperlen, von denen er die eine noch erhaltene, durch Vermittelung des Lieutenants Rettich zu Schwerin, dem Vereine schenkte. Diese Perle ist auch auf der Oberfläche eines Torfmoors gefunden; eine andere gleiche fand sich in der Nähe des Schwarzen Sees nach Rubow hin, ist aber verloren gegangen. Die Perle, gegen 1 Centim. im Durchmesser, ist sehr schön von Farbe und Arbeit und nach allen Zeichen römischen Ursprunges. Dies ist um so wahrscheinlicher, als Dämelow nur ungefähr eine Stunde von Häven entfernt ist, wo bekanntlich viele römische Alterthümer in Gräbern gefunden sind. Diese Perlen von Dämelow werden also wahrscheinlich durch die Leute, welche zu Häven begraben sind, verbreitet sein.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbnißplatz von Roggow.

Zu Roggow bei Teterow, ungefähr 120 Ruthen östlich vom Hofe und 40 Ruthen links vom Wege nach Wotrum, auf der Spitze einer Erdzunge, genannt der Kleine Werder, zwischen dem sogenannten Kleinen See und der Pumpwiese, wurden, nach der Mittheilung des Herrn Pogge auf Pölitz, auf einer sandigen Stelle von 16 bis 20 Quadratruthen ungefähr 1 Fuß tief unter der Erdoberfläche beim Bekarren einer

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Wiese ungefähr 30 mit "Asche" gefüllte Urnen gefunden, welche einzeln in der Erde standen, aber beim Abgraben der Erde sogleich zerfielen. - Ohne Zweifel war diese Stelle ein Begräbnißplatz aus der Eisenzeit.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbnißplatz von Jaëbitz.

Auf dem Felde von Jaëbitz bei Plau wurden, nach der Mittheilung des Herrn Pogge auf Pölitz, ungefähr 60 Ruthen östlich vom Hofe auf einem ungefähr 8 Fuß über die umgebenden Niederungen erhöheten Sandfelde beim Aufwerfen von Wällen eine Menge von Urnenscherben gefunden, welche ungefähr 1 Fuß unter der Erdoberfläche lagen, alle niedergedrückt waren und eine Schicht von ungefähr 1/2 Fuß Mächtigkeit bildeten. Wahrscheinlich ist dies eine Begräbnißstelle aus der Eisenzeit gewesen. Die Scherben waren mit Steingrus durchknetet. Neben denselben lag graue, aschenartige Erde.

G. C. F. Lisch.     

 

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e. Römergräber.


Römische Gräber im Norden.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D ie Entdeckung der "Römergräber" von Häven in Meklenburg (Jahrb. XXXV, 1870, S. 99 flgd.) wird ohne Zweifel einen großen Einfluß auf die Beurtheilung der Grabalterthümer im mittleren Nordeuropa ausüben, und hat ihn zum Theil schon ausgeübt. In den Jahrb. XXXVII, 1872, S. 241 flgd., ist nachgewiesen, daß sich auch auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland und Fühnen, sehr viele römische Alterthümer finden, welche wahrscheinlich alle zu römischen Gräbern gehören, wenn auch die Aufgrabungen nicht immer vollständig erforscht sind.

In den neuesten Zeiten sind wieder sehr großartige Entdeckungen gemacht, welche die Forschung und Erkenntniß bedeutend fördern werden, und zwar nicht allein auf Seeland, sondern auch sogar im schwedischen Schonen und auf Bornholm.


Römisches Grab von Vallöby auf Seeland.

In den Jahrb. XXXVII, S. 249, ist ein seltener Fund von meist römischen Alterthümern beschrieben, welcher im Spätsommer 1871 zu Vallöby bei Kjöge im Amte Prästö, auf Seeland, gemacht ward. Diese Alterthümer waren: ein rothes, sogenanntes samisches Thongefäß mit erhabenen Figuren, Bruchstücke von zwei großen Bronzegefäßen, einer Kelle und einem Siebe, drei Brettsteine von weißem Glase und zwei silberne Becher mit vergoldeten Ornamenten und "barbarischen Figuren".

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Eine fortgesetzte neuere Aufgrabung hat ergeben, daß diese Sachen in einer kleinen Abtheilung eines größeren Grabes gestanden hatten, welches bis zur Aufdeckung unberührt geblieben war. Im Spätsommer 1872 fand Professor Engelhardt dieses Grab und deckte es auf; die Beschreibung ist vorläufig mitgetheilt in der dänischen Zeitung Fädrelandet, 1872, No. 228, October 1. Engelhardt fand in einer Tiefe von 6 Fuß unter der Oberfläche der natürlichen Erderhöhung eine Grabkiste, welche von kleinen Feldsteinen aufgebauet war und in der Richtung von Nord nach Süd lag, also ganz wie in Häven. Der innere Raum des Grabes war 7 1/2 Fuß lang und 2 Fuß breit; in demselben lag eine unverbrannte bekleidete Leiche. An der rechten Seite der Füße der Leiche standen 4 große Bronze=Gefäße oder Eimer, und ein schwarzes Thongefäß; in dem einem Gefäße lagen Vogelknochen. Am Kopfende lagen zur rechten Seite 2 silberne Hefteln mit verzierter Goldbelegung. In der Mitte des Grabes an den linken Seiten lagen 60 runde Dammbrettsteine ("Brikker"), zur einen Hälfte von durchsichtigem dunkelrothem, zur andern Hälfte von weißem Glase. An der rechten Seite lag ein prächtiges Armband von feinem Ducatengold und 3 Fingerringe von verziertem Golde, zusammen 255 dänische Riksdaler an Werth. Endlich fanden sich am südöstlichen Ende des Grabes noch 40 schwarze und weiße Dammbrettsteine, wie die oben erwähnten.

Am Kopfende der Leiche war eine besondere Grababtheilung von 1 1/2 Fuß Länge, in welcher wahrscheinlich im Jahre 1871 die oben beschriebenen Sachen und jetzt noch die Bruchstücke von 2 "halbrömischen" Glasgefäßen und einem dünnen Bronzegefäße gefunden wurden.

Engelhardt schreibt die Gräber dieser Art dem ältern Eisenalter und dem 3. Jahrhundert n. Chr. und einer reichen und mächtigen Bevölkerung zu, die im Besitze einer Menge "halbrömischer" Gegenstände war, welche, neben einer nicht geringen "nationalen Cultur", Handelsartikel bildeten. Ich möchte aber Gräber dieser Art für "ganz römische" halten, da Skelete, Bestattungsweise und Mitgaben dafür reden, während die Zahl der Mitgaben von nationaler Cultur gegen die römischen verschwindend klein ist.

Man vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 7.


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Römische Altertümer von Schonen.

Auch im südlichen Schweden, in Schonen, sind Gräber mit römischen Alterthümern vorhanden. Nach des Herrn Dr. Hans Hildebrand zu Stockholm brieflicher Mittheilung fand in dem Fischerdorfe Abbekas westlich von Ystad im Jahre 1872 ein Bauer beim Pflügen folgende Gegenstande, welche von der Schwedischen Akademie für das Staats=Museum angekauft sind:

ein großes, fast kesselförmiges Gefäß aus Bronze mit zwei Henkeln, römische Arbeit oder im Süden angefertigte Imitation eines römischen Originals;

eine Kelle mit Sieb darin, von Bronze, römisch;

zwei gleiche Glasbecher mit eingeschliffenen Reifen und Halbkugeln, römisch;

Reste von einem eisernen Ringpanzer und von eisernen Waffen;

zwei thönerne Töpfe, Bruchstücke;

gebrannte Knochen; feines Zeug.

Die Nachricht ist auch vorläufig veröffentlicht in Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademiens Månadsblad, 1872, October, Nr. 10, p. 159.

Die bronzenen und gläsernen Sachen stimmen offenbar mit den dänischen und meklenburgischen überein.

Vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 7 flgd.


Römische Altertümer auf Bornholm.

In den Jahrb. XXXVII, S. 241 flgd., ist nachgewiesen, daß sich auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland und Fühnen, viele römische Alterthümer finden, welche höchst wahrscheinlich zu Römergräbern gehören. Auch auf der dänischen Insel Bornholm sind in neuern Zeiten unleugbare Spuren römischen Verkehrs gefunden. Die Insel ist sehr reich an Alterthümern aus allen Perioden der Vorzeit. Der Amtmann E. Vedel zu Soroe hat sich seit mehreren Jahren eifrig damit beschäftigt, die Gräber auf der Insel Bornholm zu erforschen und besonders sehr zahlreiche Begräbnisse der Eisenzeit aufzudecken. Er giebt hierüber zuerst Nachricht in den Jahrbüchern für nordische Alterthumskunde, 1870, S. 1 flgd.

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("Aarbø for Nordisk Oldkyndighed og Historie, Kiøbenhavn").

Vedel berichtet, daß sich auf Bornholm sehr zahlreiche Begräbnißplätze der Eisenzeit finden, welche daran erkennbar sind, daß sich in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche schwarze gebrannte Flecke ("pletter") finden, auf denen die verbrannten Leichen in Urnen und auch ohne Urnen beigegesetzt sind. Die eisernen Alterthümer sind denen in Norddeutschland gleich. Vedel nennt diese Begräbnisse Brandflecke (brandpletter) oder Brandgräber. Diese Gräber sind also ohne Zweifel die heimischen Gräber der Eisenzeit in Dänemark, die bisher noch wenig beobachtet sind. Sie gleichen ganz den gleichzeitigen Begräbnissen in Meklenburg. Vedel theilt sie nach verschiedenen Erscheinungen in mehrere, auch zeitlich verschiedenen Klassen, jedoch wie es scheint etwas zu scharf.

Auf die Beschreibung dieser Begräbnisse kommt es hier so sehr nicht an, um so mehr da sie hier zu weit führen würde. Dagegen hat Vedel in neuern Zeiten bei diesen Brandgräbern oder Brandgruben, welche immer "innerhalb des altern Eisenalters liegen", zahlreiche "brandlose Gräber" ("ubraeudte grave") entdeckt, in denen die reichen unverbrannt beigesetzt sind. Diese Gräber, welche namentlich bei Kannikegaard auf der südlichen Spitze der Insel zahlreich vorkommen, sind den Römergräbern von Häven sehr ähnlich, vielleicht gleich, und bieten in Vergleichung mit diesen manche höchst merkwürdige Erscheinung. Vedel hat genaue Beschreibungen mit Abbildungen geliefert in Aarbøger etc., 1872, p. 61 flgd. Die Leichen liegen ungefähr 2 Ellen unter der Erdoberfläche; einige liegen in Steinkisten, einige in Sandgruben, welche mitunter mit kantigen Steinen zugedeckt sind. Der Kopf der Leiche liegt allemal im Norden, so daß die Leiche gerade nach Süden geschauet hat. Alles dies stimmt mit der Bestattungsweise in Häven überein. Die brandlosen Gräber auf Bornholm liegen sehr selten innerhalb einer Brandgräbergruppe, sondern entweder gerade am Rande derselben, wie in Meklenburg zu Börzow (Jahrb. XXXVII, S. 224), oder ganz außerhalb, und zwar in Reihen von Osten nach Westen in der Richtung von Norden nach Süden, gerade wie zu Häven.

Ueberraschend übereinstimmend sind aber die sonst seltenen Alterthümer, welche sich dort wie hier finden. In den brandlosen Gräbern auf Bornholm finden sich auch eiserne Alterthümer, z. B. Schwerter, Beile, Messer u. s. w., welche

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in den andern bisher bekannt gewordenen Römergräbern noch nicht beobachtet, aber den gleichen Geräthen der gleichzeitigen einheimischen Eisenzeit gleich sind. Wichtiger sind die Schmuckgegenstände, welche auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Süden deuten. Es sind zahlreiche schöne Hefteln von Bronze und von Silber gefunden, auch mit Verzierungsplatten belegt (Taf. 5, Fig. 11, und Taf. 8, Fig. 2), wie die Hefteln von Häven (vgl. Jahrb. XXXV, Taf. 2, Fig. 22-24). Höchst merkwürdig ist die neue, seltene Heftel von Bronze mit Silber belegt (Taf. 8, Fig. 1), die aus Zierplatten zusammengesetzt ist, welche denen der neu gefundenen silbernen Hefteln von Häven (abgebildet Jahrb. XXXVII, S. 212) völlig gleichen und von demselben Künstler gearbeit sein müssen. Der silberne Halsring von Kannikegaard (Taf. 7, Fig. 4) stimmt in der eigenthümlichen Form des Schlusses ganz mit dem silbernen Halsringe von Häven überein (Jahrb. XXXV, Taf. 2, Fig. 21).

Besonders reich sind die Bornholmer Gräber an gefärbtem und eingelegtem Glas, wie die Gräber von Häven. Es finden sich lange Perlenschnüre und einzelne Perlen von gefärbtem und Mosaik=Glas, in Kugel= und in Stangenform. Auffallend sind die Mosaikperlen mit Sternmuster (Taf. 7, Fig. 8), welche denen von Häven (Jahrb. a. a. O. Taf. 1, Fig. 9-10) völlig gleich sind und aus derselben Werkstätte stammen müssen, sowie auch die gereifelten Perlen (Jahrb. Taf. I., Fig. 11). Höchst merkwürdig ist die genaue Uebereinstimmung der seltenen beutel= oder birnenförmigen Bernsteinbommeln von Kannikegaard (Taf. 8., Fig. 8) und von Häven (Jahrb. Taf. 1, Fig. 14); auf Seeland sind ebenfalls dieselben Bommeln gefunden. Auch ein kleines hölzernes Eimer mit 4 Bronzebändern (Taf. 8, Fig. 4) ist zu Kannikegaard gefunden, wie zu Häven (Jahrb. Taf. 2, Fig. 16). Auch die auf Bornholm in den brandlosen Gräbern gefundenen thönernen Urnen gleichen den Urnen der ersten Eisenzeit im nördlichen Deutschland, jedoch fehlen dort auch die Norddeutschland eigenthümlichen Urnen mit mäanderartigen Verzierungen aus Punktlinien.

Nach allen diesen Uebereinstimmungen wird man nicht leugnen können, daß sich wenigstens eine mittelbare römische Cultur auch über Bornholm erstreckt hat, welche höchst wahrscheinlich ihren Weg über Norddeutschland genommen hat. Mit der Zeit und bei geschärfterer Beobachtung werden sich ohne Zweifel noch mehr Zeugnisse finden. (Nach

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brieflichen Mittheilungen hat der Amtmann Vedel im Sommer 1872 seine Forschungen auf Bornholm fortgesetzt.)

Schon früher sind auf Bornholm oft römische Alterthümer gefunden, namentlich viele römische Münzen, auch Schmucksachen von Gold und Glas. Vgl. Engelhardt Nydam Mosefund, Kjöbenhaven, 1865, p. 51 - 52.


Grab von Farmen Gaard in Norwegen.

"Auch in Norwegen mehren sich die Funde römischer Alterthümer mit jedem Jahre und zeigen uns, wie weit die Producte einer classischen Cultur, die nachweisbar großen Einfluß auf die unserige geübt, nach dem Norden hinaufgekommen sind." Im Sommer 1872 ward zu Farmen Gaard, in der Pfarre Vangs, in Hedemarken, am Mjösen=See, in einem Hügelgrabe ("tumulus") ein schönes, höchst merkwürdiges, mit zerbrannten Menschenknochen gefülltes römisches Bronzegefäß gefunden, dessen römischer Ursprung durch eine lateinische Inschrift verbürgt ist.

Vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 8.

Dieses seltene Denkmal, welches zusammen mit einem zweiten Bronze=Gefäß gefunden ist, befindet sich in der Privat=Sammlung des eifrigen Sammlers und Forschers A. Lorange zu Frederikshald in Norwegen.

Die Bronze=Urne hat ungefähr die Formen von großen thönernen Begräbnißurnen, wie sie wohl in Scandinavien vorkommen, und ist nach der von Herrn Lorange mitgetheilten Abbildung in Farbendruck ungefähr 24 Centimeter hoch.

Um den obern Bauchrand läuft eine Inschrift in großen, alten, römischen Unzial=Buchstaben, welche nach dem Farbendruck zu urtheilen von Silber eingelegt sind. Leider ist die Inschrift nicht vollständig erhalten, da das Gefäß einige Brüche hat. Was von der Inschrift nach der Abbildung noch erhalten ist lautet:

LIBERTINVS ° ET ° APRVS ° CVRATOR . . . . . VERVNT °

Leider fehlt in der Abbildung das Wort, welches klaren Aufschluß geben könnte.

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Engelhardt zu Kopenhagen nimmt folgende Lesung an:

LIBERTINVS ° ET ° APRVS ° CVRATORES ° POSVERVNT °
(Libertinus et Aprus curato[res pos]uerunt).

Vgl. Mémoires de la Société des Antiquaires du Nord pour 1872, Copenhague 1872, p. 48, Not. (Auch im Separat=Abdruck.)

Außerdem fand Herr Lorange in Hügeln vollständig bekleidete Leichen, welche mit Schmuck aus der Zeit der ersten Eisenzeit geziert waren.

"Das Gefäß von Farmen Gaard war also ursprünglich dazu bestimmt, die Asche eines Römers zu bewahren. Ob dies geschehen," oder ob das Gefäß in die Hände von Normannen gerathen und zur Bestattung eines Normannen verwandt ist, "laßt sich schwerlich bestimmen." Thatsache ist, "daß dieses Gefäß später in Norwegen seine ursprüngliche Bestimmung als Todtenurne erfüllte".

 

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II. Zur Baukunde.


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Die Ringwälle und Burgwälle.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Viel besprochen sind in neueren Zeiten die "Burgwälle", nachdem sie selbst und ihre Eigenthümlichkeiten entdeckt sind; jedoch sind sie noch nicht vollständig geordnet. Es wird aber jetzt schon möglich sein, die einzelnen Arten zu scheiden und zu bestimmen.

Die Wohnstätten, welche in Meklenburg vorherrschend, auch im Munde des Volks, "Burgwälle" ("Borgwall") genannt werden, gehören der wendischen Zeit an, und waren größten Theils Haupt= oder Gau=Burgen der slavischen Fürsten und Tempelburgen. Sie wurden alle um die Mitte des 12. Jahrhunderts bei der Eroberung der Wendenlande und der Germanisirung und Christianisirung zerstört und werden zum größeren Theile von den gleichzeitigen Schriftstellern mit Namen genannt. Sie sind sicher daran zu erkennen, daß man unter der Oberfläche große Massen von gleichartigen Topfscherben, röthlich gebrannte Lehmstücke (von den "Klehmstaken": Lehmschlag), Thierknochen, Kohlen, auch hin und wieder kleine eiserne Geräthe findet; die Topfscherben, welche noch nach heidnischer Weise aus Lehm mit Steingrus bereitet und nicht im Töpferofen gebrannt sind, haben am Gefäßrande vorherrschend Wellenlinien zur Verzierung, welche sich auch durch andere geschichtliche Gründe sicher dem 11. und 12. Jahrh. n. Chr. zuweisen lassen. In Meklenburg lassen sich diese wendischen Burgwälle jetzt auch

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an der Lage und Bauart erkennen. Die wendischen Burgwälle sind in Sümpfen oder Gewässern aus Erde künstlich ein= und aufgeschüttete Hügel, welche früher von einem Randwalle oder einer Brustwehr von etwa 5 Fuß Höhe und darüber umgeben waren, so daß die Menschen und niedrigen Hauser dahinter vor Wurfgeschossen gesichert waren. Die Befestigung erhielten sie durch ihre Lage im Sumpfe und Wasser. Viele, und vielleicht die meisten, liegen in ehemaligen Sümpfen, welche oft eine sehr bedeutende Tiefe haben, selbst über 50 Fuß, und gewöhnlich jetzt noch nicht feste Wiesen tragen, z. B. die Burgen Meklenburg, Werle, Ilow, Rostock. Andere liegen in Landseen, auf Inseln, Landzungen oder Landengen in nicht zu weiter Entfernung vom Ufer, z. B. Schwerin, Dobin, Quetzin, Teterow. Alle sind von loser Erde eingeschüttet und oft über 20 und 30 Fuß erhöhet, um auch die Erstürmung abzuwehren. Sie sind wegen der leichten Arbeit jetzt größten Theils geebnet und unter den Pflug gebracht. Die Arbeit der Aufschüttung scheint eine allgemeine Landespflicht gewesen zu sein, von der Niemand befreiet war; diese Arbeit scheint das "Burgwerk" und "Brückenwerk" gewesen zu sein ("Borgwerk, Bruckwerk"), welches in älteren Urkunden bis ins 14. Jahrh. hinein als Landesdienst häufig vorkommt. - Eben so scheint es in Neu=Vorpommern (Festland Rügen) gewesen zu sein; wenigstens haben die Burgwälle z. B. von Barth und Werder, die ich untersucht habe, dieselbe Lage, denselben Bau und dieselben Alterthümer. Auf der Insel Rügen haben sie zum Theil eine nur ähnliche Lage und sind mehr auf Höhen und festem Boden aufgeschüttet und durch höhere und steilere Randwälle gesichert, wahrscheinlich weil es hier an großen Sümpfen und Landseen fehlt.

Es giebt aber in Meklenburg auch Burgwälle, welche eine ganz andere Beschaffenheit haben, und die ich vorläufig, nach dem Vorgange der Benennung in Mittel=Deutschland, "Ringwälle" nennen will. Es wird jetzt an der Zeit sein, sie von den wendischen "Burgwällen" zu scheiden und schärfer als bisher zu beobachten. Diese Ringwälle liegen alle auf festem Erdboden und auf den höchsten Gipfeln von Höhen, welche oft sehr bedeutend sind und von denen man eine weite Aussicht hat. Die Burgräume sind geebnet und mit einem Walle auf fester Erde umgeben. Sie zeigen also grade entgegengesetzte Merkmale gegen die wendischen Burgwälle. Fast alle liegen jetzt in Wäldern. Es sind noch nicht sehr viele bekannt; es mögen in Wäldern noch viele

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unerkannt stehen. Zu den Burgen dieser Art gehören folgende: die "Hohe Burg" zu Schlemmin bei Bützow, im Walde, auf einer der größten und sehr weit sichtbaren Berghöhen des Landes (vgl. Jahrb. VII, A., S. 176); der Burgwall von Ilow bei Neu=Bukow, auf einer bedeutenden Waldhöhe an der Grenze von Madsow, verschieden von dem wendischen Burgwall tief im Sumpfe (vgl. Jahrb. VII., A., S. 167); der Burgwall von Kl.=Lukow bei Teterow (vgl. Jahrb. VII., B., S. 96); der Burgwall von Sagel bei Malchin (vgl. Jahrb. IV., B., S. 92); der Burgwall von Gr.=Görnow hoch auf dem steilen Ufer der Ober=Warnow (vgl. Jahrb. IV., B., S. 93); vielleicht der Burgwall von Wieschendorf (vgl. Jahrb. III., B., S. 180). In Meklenburg=Strelitz gehören zu diesen Ringwällen wohl gewiß die Wälle von Rülow bei Stargard auf dem "Langen Berge" (vgl. Jahrb. VI., B., S. 104 flgd.) und vielleicht die Burg Stargard, welche schon von den Wenden den wendischen Namen "Altenburg" (star-gorod) erhielt.

Auf allen diesen Burgplätzen haben sich bis jetzt keine Spuren menschlicher Ansiedelungen gefunden. Nur zu Rülow ist hart am Langen Berge ein sehr bedeutender Fund von alten Bronze=Geräthen gemacht.

Es ist die Frage, welcher Zeit diese Ringwälle, welche oft eine große Ausdehnung haben, angeboren. Nach Bau, Lage und Alterthümern sind sie nicht wendisch. Also werden sie aus einer älteren Zeit stammen, aus der Zeit einer germanischen oder keltischen Bevölkerung der Bronzezeit, worauf auch der große Bronzefund von Rülow zu deuten scheint.

Der Zweck dieser Wälle war wohl vorübergehende Zuflucht für Menschen und Vieh und Abwehr etwaniger Erstürmung in Kriegszeiten im Kampfe Mann gegen Mann. Für Festungen sind diese Ringwälle oft zu groß und zu wenig geschützt. Die wendischen Burgwälle eignen sich durch ihre Lage zu "Festungen" viel mehr.

Von sehr großem Interesse ist die Vergleichung dieser Meklenburgischen Ringwälle mit den viel besprochenen Ringwällen des Taunus=Gebirges, welche mit den Meklenburgischen in jeder Hinsicht die größte Aehnlichkeit haben. Um Homburg v. d. H., ungefähr eine Meile von der Stadt entfernt, erheben sich in einem weiten Bogen die höchsten Berge des Taunus=Gebirges, unter diesen z. B. auch die beiden höchsten Gipfel dieses Gebirges, der Feldberg und der Altkönig. Alle diese Gipfel sind von dem Homburger

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Lande und von der Ebene bis nach Frankfurt a. M. hin klar erkennbar. Auf vielen dieser isolirten Gipfel, welche das umher liegende Gebirge überragen, stehen nun alte länglich=viereckige Umwallungen, welche man Ringwälle genannt hat; sie stehen frei und beherrschen nicht allein die nächste Umgebung, sondern bieten auch eine sehr weite, großartige Uebersicht. Diese Ringwälle stehen außer allem Zusammenhange mit den Römerwällen, mit ihren Gräben und Castellen: Pfahlgraben, Limes Imperii Romani, welche eine bestimmte, geschlossene Richtung haben. Diese Nordgrenze des Römerreiches hat nicht einzelne hervorragende Gipfel verschanzt, auch nicht grade hohe Gipfel gesucht, sondern zieht über Gebirgskämme und ist dort befestigt, wo Uebergänge leicht sind, z. B. bei der berühmten römischen Saalburg bei Homburg. Diese Werke, welche einen bestimmten Grenzwall bilden, sind nach langen, weit reichenden Forschungen jetzt leicht als römische zu erkennen. Die "Ringwälle" sind aber ganz anderer Art und Schutzwehren einheimischer Völkerschaften und wahrscheinlich viel älter, als die Römerwerke.

Um mich von der Beschaffenheit der Ringwälle zu unterrichten, habe ich im Frühling 1870 zwei dieser Ringwälle besucht, auf der sogenannten Goldgrube und auf dem Altkönig, dessen Befahrung allerdings sehr schwierig und beschwerlich ist.

Im Allgemeinen geben die Reisehandbücher und Gebirgsbeschreibungen sehr übertriebene Schilderungen von den Nassauischen Ringwällen. Diese sind in der That nicht "riesenmäßige Werke aus ungeheuren Steinblöcken", nicht "Cyklopenmauern", sondern Schutzwälle, wie sie eben von Menschen ohne besondere Hülfsmittel aufgeführt werden konnten und wie sie sich auch wohl in andern Ländern finden.

Am 3. Juni 1870 befuhr ich von Homburg aus den Berg Goldgrube zunächst bei Ober=Ursel 1 ). Der Ringwall auf der Goldgrube ist einer der lehrreichsten. Dieser Ringwall ist einer der größten und ausgedehntesten und ist im Walde von Erde aufgeführt, in welcher hin und wieder größere und kleinere Steine stecken, wie sie gerade zur Hand gewesen sind. Er nimmt einen ungewöhnlich großen Raum


1) Die Beförderung zur Befahrung der Goldgrube verdanke ich dem Herrn Hof=Apotheker Rüdiger zu Hamburg v. d. H., welcher mich auch selbst in Gesellschaft des Herrn Dr. Rolle begleitet und geführt hat.
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ein, so daß er selbst von einer starken Besatzung als Festung nicht vertheidigt werden könnte, da die Festungslinie zu groß sein würde. Der Ringwall ist hoch genug, um Menschen hinter demselben zu schützen, und macht allerdings einen großen Eindruck.

Am 6. Juni 1870 befuhr ich 1 ) von Homburg aus den Altkönig, welcher der Stadt Königstein zunächst liegt. Der Ringwall auf dem jetzt kahlen Gipfel des Berges ist allerdings sehr bedeutend und mächtig, da er einen sehr weiten Umfang und an manchen Stellen eine Höhe von fast 12 Fuß hat. Aber von Cyklopenmauern ist keine Spur zu sehen. Der ganze Wall ist nämlich, weil hier Erde fehlt, ganz aus zahllosen Steintrümmern, wie sie seit dem Gebirgshervorbruch umher lagen, zusammengetragen und besteht aus lauter "tragbaren Stücken", welche alle nackt und frei sind von Erde und Pflanzenwuchs. Der Wall ist nur "eine fleißige Arbeit vieler Hände." Die Aussicht über die Vorberge und die Ebene bis zu den gegenüber streichenden Gebirgen ist weit und großartig.

Diese Nassauischen "Ringwälle" von hervorragender Bedeutung, denen die übrigen gleichen, sind nun den oben beschriebenen Mecklenburgischen Burgwällen außerordentlich ähnlich, wie z. B. der Ringwall auf der Goldgrube der Hohen Burg von Schlemmin an Lage, Bau und Größe.

Funde von irgend einer alterthümlichen oder geschichtlichen Bedeutung sind auch in den Nassauischen Ringwällen bisher nicht gemacht. Nur auf der Goldgrube sollen Kleinigkeiten gefunden sein, früher schon von einem Landgrafen, in neuern Zeiten von Privatleuten Sachen, welche im Frankfurter Geschichtsvereine vorgezeigt sind (vgl. Zeitschrift Didaskalia, 1867, Nr. 5 und 17).

Der Zweck dieser Umwallungen wird nur Zuflucht und Vertheidigung für größere Massen an Menschen und Vieh gewesen sein. Dies ist auch in neuern Zeiten wiederholt ausgesprochen.

Die Zeit der Aufführung dieser Ringwälle wird sehr weit zurückreichen. Es erscheint nicht annehmbar, daß sie zum Schütze gegen die Römer errichtet sein sollten; denn zu Festungen gegen ein so starkes und geübtes Kriegervolk, wie


1) Die Beförderung zu der sehr schwierigen Befahrung des Altkönig verdanke ich dem Herrn von Schmalkalden, großherzoglich Hessen=Darmstädtischen Oberförster, zu Homburg v. d. H., welcher mich auch selbst in Gesellschaft der Herren Lieutenants von Eckartstein und von Specht begleitete und führte.
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die Römer waren, sind die Ringwälle lange nicht stark genug. Sie scheinen germanischen Völkerschaften der Bronzezeit zugeschrieben werden zu müssen, wenn sie nicht noch älter sind. Germanisch müssen sie sein; römisch oder romanisirend sind sie sicher nicht. Vielleicht bildeten sie einst Schutzburgen auf einer Völkerscheide, von der wir jetzt keine Kunde mehr haben.

Merkwürdig bleibt aber die Aehnlichkeit mit den "Burgen" in Meklenburg. Aehnliche Wälle auf Höhen werden sich mit der Zeit bei umsichtigerer Forschung noch mehr in Deutschland finden.

Zu ganz derselben Ansicht über die Ringwälle ist auch der Oberst von Cohausen 1 ) (zuletzt in Wiesbaden) gelangt, welcher diese Wälle lange und eingehend durchforscht hat und der sicherste Gewährsmann in dieser Angelegenheit ist. Er hält die Nassauischen und anderen Ringwälle für "vorübergehende Zufluchtsorte in Zeiten der Gefahr" 2 ) und nennt sie auch "Bauernfestungen". Er kommt zu dem Ergebnisse: "Solche Zufluchtsorte waren es, welche die Bewohner der reichen Mainebene im nahen Taunus fanden, die sie sich sicherten und ausbauten auf dem Altkönig, in den Altenhöfen, in der Goldgrube, auf der Giekelsburg und noch in acht oder zehn anderen Umwallungen jenes Gebirges". Er stützt sich hiebei auf die "Gallischen Mauern" in Caesar de B. G. VII, 23 und auf die Dacischen Festungen, abgebildet auf der Trajanssäule. Cohausen nimmt aber dabei an, daß diese Taunus=Ringwälle ursprünglich anders ausgesehen haben, als jetzt, indem sie mit Balken, Bäumen und Sträuchern, die jetzt vergangen sind, steil durchgebauet und befestigt gewesen sind. Diese Annahme, daß die Ringwälle einst mit Holz durchgebauet gewesen sind, ist jetzt ziemlich allgemein in den Main= und Rheinlanden; die Wälle, wie sie jetzt beschaffen sind, würden sonst nicht zum Schutze ausgereicht haben, da sie jetzt nicht mehr hoch und steil genug sind, indem sie den mittelalter=


1) Vgl. Ringwälle und ähnliche Anlagen "im Taunus und anderwärts. Von A. von Cohausen." Braunschweig. Druckerei von George Westermann. 1861. Separat=Abdruck aus Westermann's Monatsschrift. - Vgl. auch: "Taunusführer. Herausgegeben von dem Frankfurter Taunusklub. Nr. 1. Der obere Taunus. 1870." Vgl. z. B. S. 20, 27, 35.
2) Vgl. "Alte Verschanzungen, Burgen und Stadtbefestigungen im Rheinlande und in Preußen, von A. von Cohausen", in der Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, herausgegeben von Dr. Foß, 1867, October und November.
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lichen "Landwehren" der Feldmarken mancher niederdeutschen Städte gleichen. Ueber den besonderen Zweck der Taunus=Ringwälle sind in den neuesten Forschungen auch schon Muthmaßungen aufgestellt. Schuster in seiner neuesten Schrift 1 ) glaubt nachweisen zu können, daß "die Richtung derselben sich wesentlich nach Osten wendet und wohl mit dem Kampfe von Germanen gegen weiter westlich nachdrängende Germanen zusammenhange; vielleicht aber dürfte diese östliche Richtung eher auf die letzten Kämpfe der rechtsrheinischen Kelten mit den andringenden Germanen hindeuten."

Manche Erscheinungen werden sich vielleicht mit der Zeit durch diese Vergleichungen erklären lassen. So will ich bei dieser Gelegenheit nur noch den "Baumgärtner Berg" erwähnen, welcher in der Gegend bekannt und viel genannt ist, ohne Erklärung zu finden. Auf dem Wege von Rühn nach Eickhof, in der Richtung von Bützow nach Warin, berührt man den in den Jahrbüchern oft erwähnten "classischen Boden" der heidnischen Vorzeit Meklenburgs in der Mitte des Landes (vgl. Friderico-Francisceum, Erläuterung S. 16). So wie man auf diesem Wege die Feldmark des Dorfes Baumgarten betritt, sieht man zu den Seiten nah und ferne gewaltige Kegelgräber der Bronzezeit emporragen. Wenn man sich von Bützow her dem Dorfe nähert, so glaubt man links am Wege auf einer natürlichen Erhebung ein riesenmäßiges, regelmäßiges Kegelgrab zu erkennen. Je mehr man sich aber dem Dorfe nähert und die Seite des Hügels zum Anblick gewinnt, desto mehr erkennt man die langgestreckte Gestalt desselben, so daß man annehmen muß, der Hügel habe etwas Besonderes zu bedeuten. Eine Naturbildung dieser Art würde sehr ungewöhnlich sein. Für einen Grabhügel scheint die Masse zu groß und zu lang.

Man wird zu dem Gedanken gebracht, die Anhöhe sei etwa eine burgartige Verschanzung, eine Art Wall. Ich kann diese Oertlichkeit hier nur andeutend bezeichnen und darauf aufmerksam machen; es gehört längere Zeit und Arbeit zu der Untersuchung, als mir die Umstände gegönnt haben.

Bei dieser Gelegenheit kann ich es nicht unterlassen, auf neu entdeckte Kegelgräber in dieser Gegend hinzuweisen.

Auf dem Felde von Eickhof sind viele Kegelgräber. Nicht weit westlich vom Hofe auf dem festen, hügeligen Boden


1) Vgl. "Schuster über die Heidenschanzen Deutschlands." Vgl. auch Professor Dr. J. Becker zu Frankfurt in den Heidelberger Jahrbüchern, 1871, Nr. 13, S. 207-208.
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stehen drei sehr große Kegelgräber, welche das Volk mit dem Namen "Golgatha" bezeichnet. Der Herr Pächter Seeler erzählte, daß er aus einem dieser Hügel, die er für mittelalterliche Befestigungen zu der großen Ritterburg Eickhof gehalten habe, viele Steine, die "im Kreise gelegen hätten", als Fundamentsteine habe ausbrechen lassen.

Herr Ritter auf Friedrichshöhe berichtet, daß südwestlich von Warin, eine Viertelstunde von der Stadt entfernt, an dem Fußsteige nach Tempzin und Zahrenstorf in einem Tannengehölze eine große Gruppe von Kegelgräbern liegt, von denen 7 wohl erhalten sind; zu einem, der oben abgeplattet ist, führt ein gewundener Pfad hinauf.

Der Herr Canzlei=Director a. D. von. Bülow zu Schwerin berichtet, daß bei Ruchow noch viele große Gräber stehen. In der Nähe des Hofes steht ein großes Kegelgrab von ungefähr 20 Fuß Höhe, zu dessen Spitze ein gewundener Pfad hinaufführt. Etwas weiter entfernt stehen zwei andere eben so große Kegelgräber.

 


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Der Reppin,

Burgwall bei Müeß.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Auf der Straße von Schwerin nach Crivitz bemerkt man dicht hinter dem Dorfe Müeß, vor der Fähre, ungefähr eine Meile von Schwerin, links am Ufer des Großen Schweriner Sees, eine Reihe stattlicher Buchen und Eichen, welche sich gegen die Fähre hinzieht, und im Anfange dieser langen Baumgruppe eine allein stehende bedeutende Erderhebung, welche theilweise auch mit Bäumen und Buschwerk besetzt ist. Diese Gruppe war schon längere Zeit in die Augen gefallen, jedoch ziemlich unbekannt geblieben; erst in neueren Zeiten ist derselben mehr Aufmerksamkeit zugewendet: es ist auch ein Fahrweg dahin angelegt, wenn auch noch nicht sehr geebnet; die Oberfläche des "Berges" ist zum Theil auch geebnet und am Rande mit jungen Bäumen bepflanzt. Seit dieser Zeit ist der Berg auch hin und wieder zu Lande und zu Wasser besucht und dabei in Erfahrung gebracht, daß derselbe von den Einwohnern des Dorfes Müeß , der Reppin" 1 ) genannt wird.

Die Lage des Reppins ist in vieler Hinsicht sehr merkwürdig. Das große Becken des gegen 3 deutsche Meilen langen Großen Schweriner Sees, dessen Längenlinie grade von Norden nach Süden zieht, setzt sich nach Süden hin genau in derselben Richtung eben so weit bis gegen die Stadt Neustadt und die Elde in einem weiten, ebenen und tiefen Bruch= und Wiesenthal, oft ungefähr von der Breite des Schweriner Sees fort, durch welches der aus dem See kommende Fluß "die Stör" fließt, welcher im Süden des Thales die große Bruchwaldung "die Lewitz" stark bewässert. Ohne Zweifel war dieses ganze Wiesenthal ursprünglich auch ein Wasserbecken, aber seichter als der Schweriner See. Die Ufer dieser Wiesenniederung werden


1) Das wendische Wort Repin heißt wahrscheinlich: Rübendorf, Rübeland, von dem bömischen Worte repa: Rübe. Von demselben Worte wird auch der Dorfname Repelin abgeleitet sein. Vgl. Kosegarten, Pomm. Urk.=Buch I, S. 455, Note 7.
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von festen Landhöhen und hohen Ebenen begrenzt, auf denen am rechten Rande die Dörfer Müeß, Consrade, Plate und Banzkow, am linken Rande Steinfeld, Zittlitz und Peccatel liegen.

Am südlichsten Ufer des Schweriner Sees, am rechten Ufer der Stör, liegt nun auf einem Vorsprunge das Dorf Müeß und nahe dabei, unmittelbar am Flusse, die Fähre, der Uebergang über die Stör. Das Dorf Müeß aber beherrscht das ganze südliche Ufer des Sees. Hier steht nun hart am Seeufer der Reppin, eine isolirte, schroffe Erhebung von ungefähr 50 Fuß Höhe, in der Längenrichtung von Norden nach Süden, welche von Menschenhänden aufgeworfen oder doch erhöhet ist. Die ganze Höhe ist lehmig und von Niederungen umgeben. Höchst merkwürdig ist, daß von dem Südostende des Berges sich eine schmale, niedrige, wallartige Erhebung, welche den Zugang von der Landseite bildet, bis gegen die Fähre hinzieht, deren Boden ebenfalls lehmig ist und mit schönen, hohen Buchen und Eichen besetzt ist und auch noch mit zum Reppin gehört. Merkwürdig ist es, daß dieser Wall gewissermaßen einen Riegel bildet zwischen dem See und dem Wiesenthal. Man weiß nicht, was man über die Bildung sagen soll; für ein Menschenwerk scheint der Wall zu groß zu sein, und eine Diluvialbildung erscheint hier eben so seltsam.

Was aber den Reppin noch jetzt selbst in den herrlichen Umgebungen hoch erhebt, das ist die unvergleichliche Aussicht, die sich von seinem Gipfel bietet, um so mehr, da dieselbe eine Rundsicht gewährt. Richtet man den Blick gegen Norden, so hat man vor sich den Großen See und zunächst die beiden lieblichen Inseln Kaninchenwerder und Ziegelwerder; rechts die bewaldeten Prachthöhen von Raben=Steinfeld und weiterhin Görslow bis nach Rampe hinab; links über Zippendorf und das Holz hinweg die große Seefläche, die Stadt Schwerin und den Schelfwerder; hinter sich das Wiesenthal bis über Consrade hinaus und zur einen Seite das Steinfelder Holz, zur andern das Zippendorfer Holz und das Buchholz; mitten inne das Dorf Müeß. Die Aussicht sucht ihres gleichen im Lande. Und mitten darin steht der Reppin ohne Beschränkung der Aussicht und Rundsicht.

Schon längere Zeit war der Berg der Gegenstand der Aufmerksamkeit mehrerer theilnehmender Freunde gewesen; namentlich wandten die Herren Architekt G. Stern und Secretair L. Fromm zu Schwerin ihre Aufmerksamkeit dem

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Reppin zu und brachten mir wiederholt Nachrichten und Alterthümer vom Reppin, letztere namentlich Herr Stern. Es ließ sich nicht mehr bezweifeln, daß der Reppin in alten Zeiten von Menschen bewohnt gewesen sei. Am 20. August 1870 besuchte ich denn selbst die Stelle, um die Bedeutung derselben zu erforschen. Ich gewann sehr bald die Ueberzeugung, daß der Reppin einst eine feste Wohnstätte gewesen sei, und das bildet, was wir jetzt in der Regel einen Burgwall zu nennen pflegen. Wahrscheinlich ist er von Menschenhänden künstlich aufgeführt, oder doch wenigstens erhöhet und in den Seiten geformt. Sicher bildete er in den ältesten Zeiten den festen Punkt in der Gegend von Schwerin, der als Burgwall älter sein mag, als Schwerin.

Der Reppin=Burgwall bildet in seiner Grundform ein längliches Viereck, in der Längenrichtung von Süden nach Norden, dessen Oberfläche ungefähr 80 Schritte lang und ungefähr 30 Schritte breit ist. Die Höhe mag ungefähr 50 Fuß betragen. Die Seitenwände sind im Norden und Westen und theilweise im Osten und Süden sehr steil und regelmäßig abgegraben. Von dem südlichen und östlichen Ende zieht sich der oben beschriebene Wall nach der Fähre hin, sich an den Burgwall anlehnend. Die Oberfläche ist in neueren Zeiten zum größern Theil geebnet; an der südlichen Seite senkt sie sich etwas. Der Burgwall ist zunächst umher von tiefem, wiesenartigem Gartenland, in alten Zeiten gewiß Morast, umgeben. In einiger Entfernung liegt sehr fruchtbares Gartenland und auch Ackerland.

Wenn auch die Formung des Burgwalles sicher auf ein Menschenwerk hindeutet, so fehlte es doch lange Zeit dafür an Beweisen, d. h. an Alterthümern von Menschenhand bereitet, bis es den eifrigen Nachforschungen des Herrn Architekten Stern gelang, die ersten Spuren menschlicher Thätigkeit zu entdecken; bei einem Erdauswurfe von ungefähr 3/4 Fuß Tiefe fand derselbe 3 Topfscherben aus der letzten heidnischen Zeit, und bei fortgesetzter Aufmerksamkeit "neben" dem Reppin eine zur Beurtheilung schon genügende Anzahl von Alterthümern. Es würde freilich eine größere Anzahl derselben willkommen sein; dazu würde aber eine umfängliche und tiefe Nachgrabung erforderlich werden. Zu einer ungefähren Uebersicht und zur Vorbereitung mag das jetzt Vorhandene schon ausreichen.

Der Burgwall Reppin ist freilich etwas abweichend, denn er liegt nicht ganz in weitem, tiefem Moor, wie gewöhnlich die wendischen Burgwälle; seine näheren Umgebung sind

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schon mehr culturfähig. Nach den aufgefundenen Alterthümern scheint der Reppin nicht allein zur wendischen Zeit, sondern zu allen Zeiten der heidnischen Vorzeit bewohnt gewesen zu sein, und vielleicht am wenigsten zur wendischen Zeit, nachdem der Burgwall von Schwerin angelegt war.

Die bisher gefundenen Alterthümer von Reppin sind folgende:

1) Aus der Steinzeit.

Der Herr Architekt Stern fand neben dem Burgwall in der Tiefe:

einen kleinen Keil aus hellgrauem Feuerstein, 3 Zoll lang, mit spitziger Bahn und scharfen Seitenrändern, nur an der Schneide geschliffen, wohl der ältesten Zeit angehörend;

einen halben Keil aus hellgrauem Thonstein, zerbrochen, nur in dem Beilende 3 Zoll lang vorhanden;

zwei von Natur beilartig geformte Steine, 3 Zoll lang, wohl zu Beilen gebraucht;

einen langen, schmalen Schleifstein aus Talkschiefer, wie es scheint, 9 Zoll lang und 1 1/2 Zoll breit, auf einer Seite ganz glatt abgeschliffen, wie solche Steine schon früher in Meklenburg beobachtet sind;

mehrere Scherben von dickwandigen Wirthschaftstöpfen;

eine kleine Scherbe von einem Topfe oder einer Urne, mit Strichverzierungen, 1 1/2 Zoll hoch und 2 Zoll breit. Dieses Bruchstück ist sehr merkwürdig, da es grade eine Gruppe von senkrechten Strichen enthält, ganz gleich denen, mit welchen die Urnen der Steinhäuser der Steinzeit verziert sind. Die vorhandenen 9 senkrechten Striche sind mit einem spitzen Werkzeuge stichweise, d. h. in kurzen Stichen, regelmäßig eingedrückt, wie die in Jahrb. X, S. 258, abgebildeten Strichverzierungen auf Urnen aus dem großen Steingrabe von Prieschendorf. Dieses kleine Bruchstück ist ebenfalls ein sicheres Zeichen einer sehr alten Zeit.

Ich selbst fand in kurzer Zeit in der Oberfläche des Burgwalles 8 mehr und minder große Splitter und Kerne von Feuersteinen, welche ohne Zweifel von Menschenhand bearbeitet sind und der ersten Steinzeit angehören werden, so z. B. ein starkes, dreiseitiges, spitziges, gespaltenes Messer, 4 Zoll lang, augensichtlich von Menschenhand abgesplittert und gebraucht, ferner einen sogenannten "Schraper", 2 1/2 Zoll lang; an den meisten Stücken läßt sich noch der Schlagansatz von der Verfertigung erkennen.

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Der Herr Oberzoll=Director Oldenburg und der Herr Baumeister Luckow, welche die Stelle im Sommer 1871 theilnehmend besuchten, fanden auf der Oberfläche sehr bald 6 durch Menschenhand abgespaltete Feuersteinspäne, unter denselben ein regelmäßiges Spanmesser mit Schlagansatz.

2) Aus der Bronzezeit.

Der Herr Architekt Stern fand neben dem Burgwall in der Tiefe mehrere große Randstücke von Töpfen oder Urnen mit fein geschlämmtem, dunkelbraunem Ueberzug, ganz so, wie sie häufig in den Kegelgräbern der Bronzezeit vorkommen, und auch Scherben von dickwandigen Wirthschaftstöpfen. Diese Bruchstücke gleichen genau den auf dem Wohnplatze aus der sicher nachgewiesenen Bronzezeit in dem benachbarten, ganz nahen Dorfe Zippendorf gefundenen Scherben (vgl. Jahrb. XXXI, S. 60 flgd.), so daß die Töpfe vielleicht aus einer und derselben Fabrik stammen.

Einige zerschlagene und gespaltene Thierknochen, welche ganz das Ansehen der bei Zippendorf gefundenen haben, werden derselben Zeit angehören.

3) Aus der Eisenzeit.

Der Herr Secretair Fromm fand auf dem Burgwalle mehrere Topfscherben, welche ohne allen Zweifel der letzten wendischen Zeit angehören, so z. B. ein Randstück mit den bekannten eingeritzten wellenförmigen Randverzierungen und ein Randstück mit eingeschnittenen Parallellinien, wie solche Verzierungen auf allen geschichtlich verbürgten Burgwällen und sonstigen Wohnstätten der letzten Wendenzeit häufig beobachtet werden. Auch Herr Architekt Stern fand in der Oberfläche in geringer Tiefe mehrere ähnliche Topfscherben.

Ein Stück von einem Henkel eines mittelalterlichen, fest gebrannten, blaugrauen Henkel= oder Wassertopfes wird in jüngern Zeiten hier zufällig verloren gegangen sein.

Aus diesen Beschreibungen wird denn wohl hervorgehen, daß der merkwürdige und schöne "Reppin" zu allen Zeiten des Heidenthums bis auf die Einführung des Christenthums von Menschen bewohnt gewesen ist.

 


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Die Burg und Vogtei Malchin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Von einem fürstlichen Burgwall in oder bei Malchin und von einer Vogtei (Land, Amt) Malchin ist seit Jahrhunderten nicht die Rede gewesen. Von dem Herrn Maler Greve zu Malchin, Mitglied des Vereins, darauf aufmerksam gemacht, daß in den weiten Wiesen bei Malchin ein geräumiges Ackerstück liege, welches noch heute der "Borgwall" genannt werde, unternahm ich mit mehreren kundigen Einwohnern der Stadt und durch deren Beförderung am 27. September 1867 eine Untersuchung dieser Stelle.

Der "Burgwall" liegt eine gute Viertelstunde südöstlich von der Stadt vor dem Mühlenthor, in den weiten Wiesen an der Obern Pene, welche aus dem See von Rittermannshagen kommt und bei Malchin in die große Pene fließt, jenseit des Flusses von der Stadt aus gesehen, und zwar, nach allgemeinen Bestimmungen, zwischen der Obern Pene und der Chaussee nach Stavenhagen, in der Gegend nach dem Hainholze hin. Er liegt nahe bei der jetzigen Schinderei 1 ), nicht weit von der Krebsmühle, an einer Stelle am Zugange nicht weit vom festen Lande, von welchem ein schmaler, fester Weg nach dem Burgwall eingeschüttet ist, sonst überall von sehr weiten, feuchten Wiesen umgeben.

Der Burgwall bildet ein großes rundliches Viereck, welcher nach wiederholten Messungen überall ungefähr 125 Schritt im Durchmesser hat und sich ungefähr 6 Fuß hoch über die Wiesenhöhe erhebt. Er ist von loser Erde künstlich eingeschüttet und erhöhet; dies beweiset schon der lose, lockere Boden, wenn man ihn betritt, da die aus lockererer Erde aufgeschütteten Burgwälle noch nirgends fest geworden sind; es ist aber auch durch Nachgrabungen erwiesen, welche überall vielerlei ganz dünne Schichten von verschiedener Erde zeigten,


1) Die hier genannte Krebsmühle beim Burgwall war ein uraltes Eigenthum der adeligen Familie von Kardorf und wahrscheinlich der Rest eines Burglehns. Am 13. Juli 1306 vermachte der Ritter Friedrich von Kardorf diese Mühle dem Kloster Dargun, wo er sich ein Familienbegräbniß erwählt hatte. Vgl. Mecklb. Urk.=B. V, Nr. 3101.
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vorherrschend aber schwarze Wiesenerde, in welcher ganz schmale Streifen Lehm lagen.

Bei den Nachforschungen haben sich bis jetzt leider noch keine Gefäßscherben gefunden. Jedoch fanden sich beim Nachgraben ganze alte Thierknochen und Bruchstücke von Thierknochen und Geweihen; auch ward in der Tiefe ein Stück ganz verrostetes und mit Erde fest überzogenes Eisen gefunden.

Nach allen angegebenen Kennzeichen, namentlich nach der großen Ausdehnung der Fläche, stammt dieser Burgwall, welcher ohne Zweifel der Landesherrschaft gehörte, aus der Heidenzeit und wird in der ersten christlichen Zeit nach der Gründung der Stadt verlassen sein.

Ohne Zweifel war der Burgwall der Sitz der Vogtei oder der Verwaltung des Landes ("terra") Malchin zur Heidenzeit. Nach der Gründung der deutschen Stadt im J. 1236 wird ohne Zweifel der Sitz der landesherrlichen Vogtei in die Stadt verlegt sein; denn die Fürsten von Werle hatten in der Stadt ein "Haus" oder Schloß. In der christlichen Zeit wird das Land Malchin ("terra Malchin") im J. 1274 zuerst (vgl. Meklenb. Urk.=Buch II. Nr. 1347, S. 500) und später wiederholt, wenn auch nur selten genannt.

Im J. 1316 kommt das Schloß zu Malchin zuerst vor, als am 23. März 1316 die Fürsten von Werle dem Könige Erich von Dänemark und dem Fürsten Heinrich von Meklenburg das "Haus, Schloß und Land Malchin" für 10,000 löthige Mark Silbers zu Pfande setzten (vgl. Mekl. Urk.=Buch VI. Nr. 3818, S. 199 u. 201). Eben so wird in dem Theilungsvertrage der Fürsten von Werle vom 2. December 1316 "Malchin Land, Haus (d. i. Schloß), Stadt und Mannen" (Lehnleute) genannt; vgl. daselbst Nr. 3860, S. 239; - ferner 1322 (vgl. daselbst VII, Nr. 4358). In der bewegten, selbstbewußten und thatkrätigen Zeit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, aus der auch wohl die ehrwürdigen Denkmäler der Stadtthore stammen, konnte Malchin sogar den Landesherren trotzen und das fürstliche Haus in der Stadt abbrechen (brekinghe des huses to Malchin"). Ungeachtet dieser Gewaltthat erlangten die Malchiner doch am 11. Juni 1372 einen ehrenhaften und vortheilhaften Frieden, indem der Fürst Johann von Werle den Bürgern der Stadt Malchin alle Strafe und allen Unwillen nachließ, ihnen den Wall und die Stätte des fürstlichen Hauses innerhalb der Stadtmauern mit allen Zubehörungen zu Bürgerrecht verkaufte

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und sich verwillkührte, ferner in der Stadt kein Haus zu haben, mit der besonderen Erlaubniß, daß die Bürger mit der fürstlichen Hausstätte nach ihrem Gefallen schalten und walten könnten. (Vgl. Lisch Maltzan Urk. II, Nr. 293, S. 245). Seit dieser Zeit ist auch von einer fürstlichen Burgstätte in Malchin nie wieder die Rede. Die Fürsten kehrten nun aber dafür Malchin den Rücken. Am 1. Novbr. 1375 verpfändeten die Fürsten Lorenz und Johann von Werle ihrem Marschall Maltzan von Schorssow (ohne Vornamen) das höchste Gericht mit allen Gerichtsbußen in dem Lande Malchin und das höchste und niedere Gericht binnen der Stadt Malchin mit der Polizei ("leyd", d. i. "Geleit") in dem Lande und das Hundekorn von dem ganzen Lande (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 311, S. 293). Maltzan mag aber zu scharf regiert haben; denn die Bürger erschlugen ihn zu Faulenrost in des Fürsten Johann Gegenwart. Am 5. März 1385 söhnte sich die Stadt mit dem Fürsten aus, nachdem die Gewaltthäter ihre Buße bezahlt hatten (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 338, S. 356).

Von dem damaligen Geiste der Bürgerschaft zeugt auch die noch stehende Kirche, welche nach der großen Feuersbrunst von 1397 neu aufgebauet und vergrößert ward (vgl. Jahrb. XXXI. S. 85).

Seit diesen Zeiten ist von dem Lande Malchin wenig die Rede, und die Vogtei ward wahrscheinlich gar nicht von der Stadt aus verwaltet. Schon am 25. Mai 1302 gewann der Rath der Stadt, als er den dritten Theil der Gerichtsgefälle im Stadtgebiete erwarb, das Recht, die fürstlichen Vögte in deren Abwesenheit zu vertreten (vgl. Meklenb. Urk.=B. V, Nr. 2796). Wir haben zwei Verzeichnisse der Ritterschaft des Landes Malchin: vom J. (1425) (gedruckt in Lisch Maltzan. Urk., II, Nr. 419, S. 554) und vom J. 1491 (gedruckt daselbst IV, Nr. 712, S. 211); nach dem letzteren gehörten dazu die ritterschaftlichen Güter von Rittermannshagen bis Hohen=Demzin nördlich und umher. Die Vogtei war wesentlich eine ritterschaftliche, da hier wenig oder gar kein Domanial=Eigenthum war. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war "das Land Malchin und das Gericht zu Malchin" an den Erblandmarschall Maltzan auf Grubenhagen verpfändet, z. B. 1482 (vgl. Lisch Maltzan. Urk. IV, Nr. 665, S. 76) und im J. 1492 verglichen sich die Fürsten mit den Maltzan wegen dieser Verpfändung (vgl. daselbst Nr. 713 bis 715). Seit dieser Zeit scheint die Vogtei Malchin aufgehört

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zu haben und mit der Vogtei Stavenhagen verbunden worden zu sein. In dem Aufgebots=Register vom J. 1506 wird Schorssow allein als zu "Malchin" gehörend aufgeführt, während die übrigen ehemaligen Güter der Vogtei Malchin, wenn auch nur summarisch nach ihren Besitzern, in der Vogtei Stavenhagen verzeichnet stehen.

Um die Erforschung der ehemaligen fürstlichen Burgstelle innerhalb der Stadt Malchin, deren Gebäude um das Jahr 1372 gewaltsam abgebrochen wurden, habe ich mich lange vergeblich bemühet, bis es mir endlich im J. 1868 gelungen ist, die muthmaßliche Stelle aufzufinden. Ich glaube, daß die Burg am Süd= oder Südostende der Stadt, links vom Steinthor, wenn man aus der Stadt geht, unmittelbar an der Stadtmauer, am Ende der Frohnstraße gestanden hat, wo in der Ecke ein Haus steht, welches früher die "Schinderei" oder die Frohnerei gewesen ist; der Scharfrichter in Malchin nannte sich in den letzten Jahrhunderten immer Frohn. Diese Lage ist ganz passend. Diese Stelle ist die höchste in der Stadt und der Boden steigt hier in der Stadt rasch am meisten Berg an, wogegen er nach außen hin von der Stadtmauer schroff abfällt; in der Tiefe liegen tiefe Gärten, welche sich an die Obere Pene lehnen. Man kann auch noch an Vorsprüngen in der Stadtmauer und an den Straßenzügen sehen, daß hier in alter Zeit Veränderungen in dem Grundplan der Stadt vorgegangen sind; vielleicht lag früher die Burg außerhalb der Stadtmauern, und der Platz ward erst nach 1372 in die Stadt hineingezogen. Auch versichert der jetzige Besitzer der Frohnerei, in den zum Hause gehörenden Hofplätzen und Gärten an verschiedenen Stellen wiederholt Reste alter Fundamente gefunden zu haben. Eine andere Stelle für den mittelalterlichen Burgplatz ist in oder an der Stadt schwerlich zu finden. Dieser jüngere Burgplatz liegt dem alten heidnischen Burgwall gegenüber.


Hiedurch angeregt beobachteten die oben bezeichneten Einwohner der Stadt im Frühling 1868 nicht nur die Beackerung der Flächen, sondern machten auch eigens dazu angestellte Nachgrabungen in die Tiefe, und fanden dabei nicht nur wieder zerschlagene, alte Thierknochen, sondern auch ein Randstück eines thönernen Gefäßes mit den charakteristischen Verzierungen der Gefäße der allerletzten Heidenzeit. Es leidet also keinen Zweifel, daß die oben aufge=

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stellten Vermuthungen Grund haben und der "Burgwall" der wendische Burgwall Malchin aus der letzten Heidenzeit ist.


Mit der fürstlichen Vogtei wird es auch zusammenhangen, daß es auch fürstliche Münzen der Stadt Malchin gab. Es sind in den neuern Zeiten wiederholt Münzen entdeckt, welche in die Zeit 1379 - 81 fallen werden und die Umschriften tragen: Umschrift (Stadt des Herrn von Werle) und Umschrift (Malchinsche Münze). Vgl. Jahrb. XV, S. 350, und VI. B., S. 52.


In der Gegend der Stadt Malchin wird auch die alte Burg Kiek in de Pene zu suchen sein, welche im frühen Mittelalter öfter genannt wird, namentlich in Verhältnissen zu Pommern; jedoch ist die Lage noch nicht erforscht und der Platz noch nicht untersucht. Aber es liegen, nach obrigkeitlichen Bekanntmachungen, in den weiten Stadtwiesen unterhalb Malchin an der Pene, nach Cummerow und dem Cummerower See hin Wiesenstücke, welche obrigkeitlich als in Kiekdepên liegend bezeichnet werden. Hier wird also der Platz oder Wall der mittelalterlichen Burg Kiek in de Pene am Ufer der Pene in der Wiese, gegen die Grenze von Meklenburg, zu suchen sein. Wahrscheinlich ist aber diese Burg keine heidnische, sondern nur eine mittelalterliche; dies wird sich jedoch nur durch Nachgrabungen ermitteln lassen, wenn der Platz gefunden ist. Die Burg kommt neben Cummerow und den Gütern der preußischen Enclave bei Malchin z. B. schon 23. Decbr. 1322 und 5. Jan. 1324 vor; vgl. Lisch Urkunden des Geschl. Maltzan und Meklenb. Urk.=Buch.

 

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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


Kirchliche Bauwerke.


Die Kirche zu Benthen.

Die bisher ganz unbekannt gewesene Kirche zu Benthen, nördlich von Lübz, ist eine der merkwürdigsten Kirchen im Lande und außerordentlich gut gebauet. Die Kirche ist nämlich ganz im romanischen Baustyl und zur Hälfte von Felsen gebauet, der eben so merkwürdigen, ungefähr eine Meile entfernten Kirche von Frauenmark bei Crivitz außerordentlich ähnlich; vgl. Jahrb. XXV, S. 282 flgd.

Die Kirche hat eine halbkreisförmige Apsis, einen quadratischen Chor, ein oblonges, weiteres Schiff und einen quadratischen Thurm. Die Apsis hat an der Ostseite ein Fenster, der Chor an jeder Seite zwei Fenster, das Schiff an jeder Seite drei Fenster. Alle Fenster und die Hauptpforte sind im Rundbogen gewölbt, selbst die Fenster des Schiffes, aus behauenen Granitquadern. Daß die Apsis hinter dem Altare nur ein Fenster hat, erinnert sehr an die Kirche zu Frauenmark, welche hier jedoch eine Fensterrose besitzt.

Die halbkreisförmige Apsis ist eigenthümlich construirt. Der Bau ist nämlich auf einen Halbkreis angelegt; die beiden Seiten oder die beiden westlichen Drittheile sind auch rundbogig; das östliche Drittheil der Wand liegt aber in einer graden Linie.

Die Wände sind außerordentlich gut aufgeführt. Der Chor und die Apsis sind von großen Ziegeln und haben einen gut und künstlerisch gegliederten Sockel. Der Chor hat an beiden Seiten einen einfachen Rundbogenfries, welcher jetzt der Apsis fehlt. Das Schiff ist ganz von grauen Granitquadern aufgeführt, die Wände aus gespaltenen und sorgfältig gewählten, die Ecken und Sockel aus behauenen Steinen. Die Lücken und Fugen sind mit einem weißen Kalk ausgefüllt, welcher jetzt porcellanhart und wie neu ist;

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die Fugen sind durch eine eingerissene Doppellinie zum Schmuck bezeichnet.

Die Hauptpforte in der Südwand des Schiffes ist sehr würdig. Die Pfeiler auf beiden Seiten sind aus behauenem Granit, von einem Kämpfer oder einer vorspringenden Granitplatte bedeckt, auf welcher die große, halbkreisförmige Thürwölbung aus großen Ziegeln ruhet.

Das Thurmgebäude ist auch von Granitfeldsteinen erbauet, jünger als die Kirche und etwas verfallen, wenigstens nicht so gediegen in der Erscheinung, wie die Kirche.

Im Innern ist die Apsis mit einer Halbkuppel ohne Rippen oder Näthe gewölbt.

Der Chor ist gewölbt und hat 4 Rippen von quadratischem Durchschnitt, das Einzige, was an eine etwas jüngere Zeit erinnert. Der Triumphbogen ist ein breiter Bogen im Rundbogen.

Das Schiff ist auf Wölbung angelegt, jetzt aber mit einer Balkendecke bedeckt.

Eine Seltenheit im Bau bietet die Kirche in ihrer Erscheinung noch, nämlich daß die Fenster außen mit einer Leiste aus Kalkputz von ungefähr 1 Fuß Breite auf der Wand, wahrscheinlich seit der Erbauung, eingefaßt sind, was auf den grauen Granitwänden eine ganz gute Wirkung macht.

Dieser Bau ist nun durch eine alte geschichtliche Nachricht außerordentlich merkwürdig. Der Bau weiset nach allen seinen Eigenthümlichkeiten auf das Ende des 12. Jahrhunderts zurück. Es fehlt nun ganz an allen alten Nachrichten über das Lehngut Benthen und dessen alte Besitzer. Wir haben aber noch die alte Urkunde über die Weihung der Kirche entdeckt, welche im 16. Jahrhundert in dem Altar gefunden ward und im Meklenburgischen Urkunden=Buch Bd. IV, Nr. 2693, S. 218, gedruckt ist. Nach dieser Urkunde weihete der Bischof Hermann I. von Schwerin am 5. Juli 1267 die Kirche zu Benthen im Besondern zu Ehren des Apostels Mathias und der Heiligen Florentius und Cassius. Die Urkunde lautet:

Nos Hermannus dei gratia Zwerinensis episcopus dedicauimus ecclesiam in Benthem in honorem omnipotentis dei et Jesu Christi geni[tric]is virginis Marie et singulariter Mathie apostoli et sanctorum Florentii et Cassii martyrum anno domini millesimo [CC°LXVII], III nonas Julii, p[ontificatu]s nostri anno V°.

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In der erhaltenen alten Abschrift steht statt der römischen Jahreszahl die Zahl in arabischen Ziffern: 200°67, die Zahl selbst ist aber nach dem Namen und dem Regierungsjahr des Bischofs Hermann ohne Zweifel richtig.

Dieses Jahr 1267 ist nun allerdings ein etwas junges Datum für einen ganz und strenge ausgeführten romanischen Bau. Aber man wird die hier angegebene Zeit der Vollendung der Kirche, an welcher wohl lange gebauet sein wird, wohl als zuverlässig annehmen müssen. Die nicht weit von Benthen entfernte, ganz ähnliche Kirche zu Frauenmark wird vielleicht auch nicht viel älter und im zweiten Viertheil des 13. Jahrh. erbauet sein (vgl. Jahrb. XXV, S. 288 flgd.). Auch ist es urkundlich nachgewiesen, daß noch im J. 1275 zu Röbel und 1278 zu Parchim stark romanisirender Uebergangsstyl herrschte (vgl. Jahrb. XXXIII, S. 149 und S. 164). Etwas länger mag sich in den Pfarren Frauenmark und Benthen der romanische Baustyl gehalten haben, als sonst wo, und vielleicht mag die Kirche zu Benthen nach dem Muster oder gar noch von dem Baumeister der Kirche zu Frauenmark erbauet sein, deren Baustyl aus dem Lande Gadebusch herzuleiten sein wird. Ueberhaupt aber sind diese Kirchen auf den Rittergütern wegen ihres alten Styls und ihrer Gediegenheit merkwürdig. Die Kirche zu Frauenmark ward von der Ritterfamilie von Dragun gebauet. Die nahe bei Benthen liegende, alte, ebenfalls noch romanisirende Kirche zu Brütz, früher Brüsewitz, welche 1295 vollendet ward, ist urkundlich von der Familie von Brüsewitz gegründet und erbauet (vgl. folgende Seite). Die Familiengruppe mit der "Pferdebremse" im Schilde, zu welcher z. B. die v. Brüsewitz und v. Weltzin gehörten, war grade in dieser Gegend ansässig und wird mit den Seitenverwandten bei der Colonisirung des Landes Parchim viel für Kirchen und Pfarren gethan haben. Daher sind diese Kirchen sehr auffällig in einer Gegend des südlichen Meklenburgs, in welcher in den Bauerdörfern nur ärmliche Holzkirchen zu finden sind, z. B. zu Bergrade, Paarsch, Lutheran, Benzin.

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Brütz.

Die Kirche zu Brütz, früher Brüsewitz, bei Goldberg, ist wegen ihrer urkundlichen Geschichte merkwürdig und von Werth. Wir besitzen nämlich die ausführliche Bestätigungsurkunde des Bischofs Gottfried I. von Schwerin und des Fürsten Nicolaus II. von Werle vom 10. August 1295, welche im Meklenburgischen Urkunden=Buch III, Nr. 2350, S. 597, gedruckt ist. Nach dieser Urkunde hatte der Ritter Nicolaus von Brüsewitz der Alte zu den Zeiten des Fürsten Borwin und des schweriner Bischofs Brunward die Kirche gegründet ("antiquus Nicolaus de Bruseuisz miles, primus fundator ecclesie"). Dieser Ritter kommt denn auch 1230 und 1231 bei dem Fürsten Johann von Meklenburg vor, später bei den Grafen von Schwerin bis 1236, im J. 1235 auch als Besitzer in Grantzin bei Benthen. Die von diesem alten Ritter Nicolaus von Brüsewitz gegründete Kirche wird aber die noch stehende Kirche zu Brüsewitz nicht sein können, da sie dann den nahen Kirchen zu Frauenmark und Benthen ähnlich sein müßte (vgl. oben).

Im J. 1295 wird die Kirche vollendet sein; denn nach der oben erwähnten Urkunde vom 10. August 1295 bestätigten der Bischof Gottfried I. von Schwerin und der Fürst Nicolaus II. von Werle die Kirche und Pfarre zu Brüsewitz, mit dem, was der Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz, der Beförderer dieser Sache ("presentis negotii promotor"), nach der ersten Gründung versichert hatte ("ea quae ipse ecclesie Brusewitz contulit"). Dieser jüngere Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz kommt 1273 bis 1300 vorherrschend bei den Fürsten von Werle in der Gegend von Parchim und Plau vor. Kirche und Pfarre wurden reich ausgesteuert; so z. B. erhielt die Pfarre unter Anderm 7 Hufen in Brüsewitz und 2 Hufen in Grambow. Dafür sollte aber der Pfarrer noch zwei andere Priester halten und alle sollten Seelenmessen lesen, der Pfarrer am Hauptaltare, die andern Priester an dem S. Marien=Altare und an dem S. Katharinen=Altare. Die Personen, für welche Seelenmessen gelesen werden sollten, waren: der Bischof Brunward von Schwerin († 1237), der Fürst Borwin I. († 1227), die von ihm zunächst abstammenden Fürsten und die Grafen von Schwerin seit Borwin's l. Zeit, ferner außer dem Ritter Nicolaus I. von Brüsewitz und seiner Gemahlin Adelheid und dem Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz

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und seiner Gemahlin Gertrud viele andere Ritter und deren Frauen, welche ohne Zweifel verschwägerte Verwandte der Familie von Brüsewitz waren; so z. B. werden namhaft gemacht: die Ritter Hermann von Hagenow (1241 - 1266) mit seiner Frau Mechthild und Heinrich von Hagenow (1247) mit seiner Frau Gertrud, welche in jener Gegend ansässig und wahrscheinlich Zeitgenossen des Ritters Nicolaus von Brüsewitz des Alten waren; ferner die Ritter Danquard von Gustävel (1273 -1291) mit seiner Frau Gertrud und Johann von Gustävel mit seiner Frau Mechthild, der Ritter Werner von Lukow mit seiner Frau Adelheid, der Ritter Martin von Mallin (1277 - 1287) mit seiner Frau Bertha und seinen Söhnen, der Ritter Johann vom Kroge (1282 brandenburgischer Vasall) mit seiner Frau und seinen Söhnen. Alle diese Personen, meist Ritter des Landes Parchim, waren wahrscheinlich Schwäger und Schwiegersöhne des Ritters Nicolaus II. von Brüsewitz, da sie in derselben Zeit mit diesem vorkommen. Man sieht aus diesen Namen deutlich die große Zahl der alten Ritter und deren Bemühungen, zur Colonisirung des Landes gut für die Kirchen und Pfarren zu sorgen.

Die jetzt stehende Kirche zu Brütz ist nun ohne Zweifel die Kirche, welche 1295 bestätigt ward. Sie war sicher von dem Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz erbauet, nachdem die Pfarre von dem alten Ritter Nicolaus I. von Brüsewitz gegründet und mit einer hölzernen Kirche ausgesteuert war.

Die Kirche ist ein guter Ziegelbau und besteht aus einem Chor und einem Schiffe.

Der Chor ist jetzt ganz verbauet und seiner Eigenthümlichkeiten beraubt.

Das Schiff ist aber noch ein nennenswerthes Gebäude im alten Uebergangsstyl. Die Ecken haben noch Lissenen. An jeder Seite hat das Schiff zwei Mal drei gekuppelte Fenster. Jede der 4 Fensternischen enthält 3 schmale Fenster im Uebergangsstyle, von denen das mittlere höher ist als die beiden andern, welche zusammen unter einem großen Bogen im Uebergangsstyle stehen. Die Pfeiler zwischen den 3 Fenstern sind innen und außen mit einer Halbsäule bekleidet, eine seltene Erscheinung.

Im Innern ist das Schiff auf Wölbung angelegt; es fehlen jedoch jetzt die Gewölbe.

Die Kirche wird also eine der letzten Kirchen im Uebergangsstyl sein, während zu ihrer Zeit sonst schon der alt=

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gothische Styl herrscht. Es scheinen aber die alten, von alten Rittern erbaueten Kirchen, wie z. B. auch die nahen Kirchen von Benthen und Frauenmark, den alten Baustyl länger bewahrt zu haben, als manche andere Kirchen.

Die Kirche besitzt auch noch eine alte Glocke mit der Inschrift:

Inschrift

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Boddin.

Nach meiner Untersuchung vom J. 1847 (in Jahrb. XII, S. 471) war "die Kirche zu Boddin bei Gnoien so modernisirt, daß von dem alten Baustyl keine Spur mehr übrig war." Weiter ließ sich nichts sagen. Die Eigenthümlichkeiten des alten Baues sind also auf immer vernichtet, was jetzt freilich sehr zu bedauern ist. Im J. 1871 ist die Kirche wieder restaurirt. Als bei dieser Restauration auch der alte Altartisch abgebrochen ward, fand man im Innern zwischen großen Felsblöcken einen Lehmklumpen. Dieser umhüllte eine gedrechselte hölzerne Büchse, welche blutroth angemalt war. In der Büchse fanden sich einige kleine bunte seidene Lappen, in welche, wie gewöhnlich, die jetzt zerfallenen Reliquienknochen der Heiligen der Kirche gewickelt gewesen waren. Außerdem befand sich in der Büchse eine kleine Pergament=Urkunde des Bischofs Hermann von Camin (1252 † 1288), eines Grafen von Gleichen, durch welche derselbe bezeugt, daß er den Altar am 7. Juni 1288 zu Ehren des Heil. Nicolaus, als ersten Localheiligen, des Heil. Mauricius und der Heil. Elisabeth geweihet habe. Diese Urkunde ist eine der letzten bekannten dieses Bischofs. Die Kirche ist also schon im J. 1288 vollendet gewesen. Das wohl erhaltene Siegel des Bischofs, welches an einem Pergamentstreifen angehängt gewesen war, ist durch Moder abgefallen; der Umschriftrand ist stark beschnitten, weil die Büchse für das Siegel etwas zu klein war. Der Herr Pastor Dr. Krüger hat mir Alles zur Entzifferung zugeschickt gehabt. Die Urkunde ist im Folgenden abgedruckt.

G. C. F. Lisch.     

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Der Bischof Hermann von Camin weihet den Altar der Kirche zu Boddin.

1288, Juni 17, Boddin.

Anno domini M°CC°LXXXVIII°, feria secunda post diem beati Bonifacii consecratum est hoc altare a venerabili patre domino Hermanno episcopo Kaminensi in honore sancti Nycolai, [Mau]ricii, Elizabet et aliorum sanctorum, quorum reliquie sunt incluse.

Nach dem schon etwas von Moder angegriffenen Originale auf einem schmalen Streifen Pergament, welches in dem bei der Restauration der Kirche im J. 1871 abgebrochenen Altartische in einer hölzernen Büchse gefunden ward. Das durch Moder von der Urkunde abgelösete Siegel ist das große runde Siegel des Bischofs Hermann von Camin (1252 † 1288): das Bild eines sitzenden Bischofs, welcher die rechte Hand zum Segnen erhebt und mit der linken Hand den Krummstab hält. Die Umschrift, welche stark beschnitten ist, weil die Büchse für das Siegel zu klein war, lautet, mit Ergänzungen nach anderen Originalen:

Umschrift

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Die Kirche zu Bössow.

Das Ratzeburger Zehntenregister von 1230 führt das Dorf Burissowe, das heutige Bössow, unter den nach Damshagen eingepfarrten Ortschaften auf; in den Jahren 1309 bis 1311 und wahrscheinlich im letzten Jahre gründete der Ritter Johann Storm daselbst eine Pfarre (Mekl. Urk.=Buch 3491), zu welcher noch das bis dahin nach Grevesmühlen gehörige Torstorf und Großenhof gelegt wurden. Ob damals schon die heutige Kirche gebauet wurde, ist schwer zu entscheiden. Die Gesammtanlage wie die Details sind von einer so großen Einfachheit, man kann wohl sagen Rohheit, daß sie mehr dem Anfange des 16. Jahrh. entsprechen, als dem 14. Säculum, während doch manche Umstände auf letzteres hinweisen könnten. Die Kirche bildet eine längliche, im Osten dreiseitig aus dem Sechseck, wie es scheint, geschlossene Halle, die nicht gewölbt ist und auch nicht mit der Absicht sie zu wölben aufgeführt wurde. Beide Langseiten haben je zwei Fenster, die drei Chorseiten jede eins.

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Die Fenster sind in kurzen Blenden angebracht, die mit einem Bogen geschlossen sind, welcher sich stark dem Rundbogen nähert. Sie sind einpfostig und mit rohen Stäben eingefaßt. Fries und Gesimse fehlen dem Gebäude. Im Westen ist ein mit einem allerseits abgewalmten Dache bedeckter Thurm vorgelegt, der sich gegen die Kirche mit einem weiten Bogen öffnet. Eine Sacristei ist nicht vorhanden, auch nicht in Aussicht genommen.

Wenn es gestattet ist, hiernach die Kirche der ersten Hälfte des 14. Jahrh. zuzuweisen, so könnte möglicherweise die Vollendung in die Mitte desselben gesetzt werden, denn 1354 am 11. Mai bekannten sich Gottschalk Storm, Marquard vom Loo und eine Anzahl Bauern verschuldet mit 25 M. L., Martini zahlbar:

Lib. parv. civ. W. f. 134. Gotscalcus Storm, Marquardus de Lo, Conradus Assel, Johannes Kerkhof, Vicke Clatte de Borzowe, Hinricus Wittehoued, Godeke Danquardes, Henneke Rike tenentur iunctis manibus domino Volmaro Lewetzowen XXV m. Lub. d. in festo beati Martini episcopi nunc proximo affuturo sine briga persoluendas expedite. Actum LIIII °, Cantate.

am 8. December desselben Jahres mit 40 M. L., nächsten Martini zahlbar:

Lib. p. civ. W. f. 138, Gotscalcus Storm, Marquardus de Lo, Conradus Assele, Johannes Kerkhof, Hinricus Wittehoued, Vicke Klatte, et Gotfridus Danquardi et Henneke Rike tenentur iunctis manibus domino Volmaro Lewetzowen XL m. Lub. d. in festo beati Martini proximo affuturo sine omni protractione et briga persoluendas. Actum LIIII ° in die sancte concepcionis beate Marie.

und am 22. März 1361 mit 55 M. L., Michaelis zahlbar:

Lib. p. c. W. f. 170. Dominus Gotscalcus Storm et sui subditi de villa Borsowe Johannes Kerkhof, Gotfridus Danquardes, Johannes Rike, Hinricus Wittehoued, Johannes Werners, Vicko de Borsowe tenentur coniunctis manibus domino Volmaro Lewetzowe et Thidemanno de Sundis et eorum veris heredibus quinquaginta quatuor m. Lub. d. in festo sancti Michahelis nunc proxime

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affuturo ipsis expedite et sine briga persoluend[a]s. Antedicti sex debitores arbitrati sunt eoram domino Andrea Bukowen et me, quod post dictum festum sancti Michahelis, si non persoluerint, ut premittitur, quod nullo ducatu frui volunt neque debent propter debita premissa et pro domino Volmaro et Thidemanno de Sundis et eorum veris heredibus. Actum feria secunda post dominicam Palmarum.

Ohne Zweifel wurden diese Schulden im öffentlichen Interesse gemacht; bei Privatschulden würden Standesgenossen gebürgt haben. Möglicherweise könnten sie zum Behufe des Thurmbaues contrahirt worden sein.

Auch zwei andere Umstände können dafür sprechen, daß wir in der That einen Bau des 14. Jahrh. vor uns haben, nämlich die Existenz zweier Grabsteine, die beide letzterem angehören, und ein gemaltes Fenster, welches schwerlich später als aus dem Anfange des 15. Jahrh. zu datiren ist. Auf jene ist weniger Gewicht zu legen, da sie aus dem ersten Bau in einen jüngeren hinübergenommen sein könnten, wie das häufig der Fall war, aber die Fensterschildereien sind offenbar für diesen unseren gegenwärtigen Bau angefertigt worden und tragen bestimmt einen Charakter, der dem 14. Jahrh. sehr nahe steht, was ganz besonders von dem darin angebrachten Wappen gilt. In dem Bogen der heraldisch rechten Lucht ist ein rechts gekehrter Stechhelm mit einfach bogig ausgeschnittener rother Decke angebracht, der eine Art Rad oder Rosette trägt, welches mit drei Paar je von einander gekehrten weißgrauen Federn (?) besteckt ist. Die Nabe und die Felgen des Rades sind roth, der Speichenraum aber ist gleichmäßig acht Mal roth und weiß getheilt. In dem Bogen der linken Lucht sieht man einen gelehnten, unten spitz zulaufenden (dreiseitigen) weißen Schild mit drei (2.1) sechsspeichigen, rothen Rädern, das Wappen der Storm. (Der Wappenschild der Storm ist abgebildet im Mekl. Urk.=Buch, Bd. VI, zu Nr. 4008). Die Form des Helms, der Decke und des Schildes entsprechen bestimmt einer älteren Zeit. Weniger läßt sich das von den figürlichen Darstellungen sagen, da es bei diesen ihrer Seltenheit wegen an Erfahrung mangelt. Von sechs Tafeln haben sich vier, nämlich eine in der rechten, drei in der linken Lucht erhalten. Die Figuren sind weiß auf blauem Grunde, und die Glorien, Kronen, Attribute u. s. w. gelb gefärbt. Jede Tafel ist von einem Bogen überspannt und

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auf der ersten links sieht man auch eine Inschrift, die sich jedoch nicht entziffern ließ; ein Datum scheint sie nicht zu geben. Zeichnung und Composition sind ohne Verdienst, dennoch aber diese Reste bei ihrem Alter und der Seltenheit gemalter Fenster von großem Werthe. Der Inhalt ergiebt sich aus folgender Uebersicht:

Übersicht

Von den erwähnten beiden Grabsteinen hat der eine auf den Ecken die Evangelistensymbole und die Umschrift:

Umschrift

d. i. Anno domini MCCCLXXI in die Phylippi et Jacobi (Mai 1) obiit Johannes Kerchaf. Anno domini MCCCLXX (nicht ausgefüllte Lücke) obiit Walburgis vxor eius.

Die Lücke ist nicht ausgefüllt. Ueber Johannes Kerkhof vgl. oben das Wismarsche Stadtbuch.

Der andere Stein hat gleichfalls die Evangelistensymbole auf den Ecken und die Umschrift:

Umschrift
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d. i. Anno domini M°CCCXCVI in die beati Dyonisii episcopi (October 9) obiit dominus Johannes Storm, miles, . . . . . . . . . . Deedleuus, Johannes, filii eius. Orate deum pro ipsorum animabus.

Die zweite kurze Seite ist von dem Altarschrankwerke bedeckt. Auf der inneren Fläche des Steins sieht man einen gelehnten gespitzten (dreiseitigen) Schild mit drei (2.1) sechsspeichigen Rädern und über demselben einen Stechhelm mit bogig ausgeschnittener Decke, über dem sich drei Paar je von einander gekehrten Reiherfedern 1 ) erheben. Die minder reiche Ausstattung des Helmschmucks gegenüber demjenigen des Fensters scheint für das jüngere Alter des letzteren zusprechen.

Die Lucht rechts vom Altar enthält auf kleinen Scheiben in Farben die Wappen eines Henneke v. Plessen, eines v. Plessen und einer v. Bülow und ein v. Alefeld'sches und ein v. Bassewitz'sches. Letztere haben die Unterschrift:

Jvrgen v. Alefelt patron diser kirch mortvvs a° 1589

und

Dorotheia v. Basseviten (!) motva (!) a° 1610.

Die Kanzel stammt aus dem 17. Jahrhundert, der Altar in moderner Gothik sammt dem Taufständer aus dem gegenwärtigen. Auch die Glocke gehört der neueren Zeit an.

Dr. Crull.     


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Die Kirche zu Lambrechtshagen.

Die Kirche zu Lambrechtshagen bei Doberan und Rostock ist zwar ein alter Bau, jedoch nicht von so großem Umfange wie mehrere Landkirchen in dem Gebiete der ehemaligen Abtei Doberan.

Die Kirche besteht aus einem viereckigen Chor mit einem Gewölbe, einem einschiffigen Schiff mit zwei Gewölben und einem massiven Thurm.

Der Chor ist von großen Feldsteinen (Granitfindlingen) aufgeführt, welche sorgfältig gewählt und an den Ecken be=


1) Ich gebrauche diesen Ausdruck auf die Autorität von Milde hin, der die gleiche Zierrath auf dem Siegel des Timmo Colre Meinerstorp, Holst, u. Lauenb. Siegel zu Taf. 9, N. 126, so nennt. Gleicher Gestalt sind die jetzt als herabhangende Lilien geformten Zierrathen an dem v. Lützow'schen Helme in der Kirche zu Gadebusch auf einem Glasgemälde, welche der Länge nach halb grün, halb gelb gefärbt sind.
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hauen sind; die gleich liegenden Kalkfugen sind durch eingeritzte Linien bezeichnet. Jede der drei Außenwände hat zwei Fenster im Uebergangsstyle, welche jedoch etwas größer sind, als sonst die Fenster des Uebergangsstyls, und schon etwas an den altgothischen Styl erinnern Der Bau wird also ungefähr in die Mitte der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen. Die Einfassungen der Fenster sind von großen Ziegeln aufgemauert. Die Gewölberippen haben einen quadratischen Durchschnitt. Spuren von rother Wandmalerei liegen unter der Kalktünche.

Das Schiff ist ein im junggothischen Style aus Ziegeln aufgeführter Bau aus dem 15. Jahrhundert von zwei Gewölben Länge, mit Einem weiten Fenster unter jedem Gewölbe an jeder Seite. Die Gewölberippen haben einen birnenförmigen Durchschnitt.

An alten Denkmälern und Geräthen besitzt die Kirche gar nichts mehr. Nach einer Papier=Inschrift ist sie im J. 1805 neu gepflastert und "ausgeweißt" und damit gründlich renovirt. Auch die Glocken sind neu.

Der einzige Ueberrest aus alter Zeit ist die hölzerne Thür eines kleinen Wandschrankes hinter dem Altare mit altem Eisenbeschlage. Die Thür hat auf der Außenseite in Relief geschnitzt einen Wappenschild von alter Form mit einem schräge links darauf gelegten Dolche, über dem Schilde den Löwen des H. Marcus.

Lambrechtshagen war im Mittelalter, wie das nahe gelegene Lichtenhagen, ein Lehn der ausgestorbenen adeligen Familie v. Gummern. (Vgl. oben S. 27 flgd.)

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Dambeck,
A. Neustadt.

Die Kirche zu Dambeck ist ein von Feldsteinen außerordentlich tüchtig und solide aufgeführtes Gebäude. Sie bildet ein Oblongum, dem im Westen ein Thurm, ebenfalls von Feldsteinen, vorgelegt ist. Die Altarwand hat drei Fenster, die Nord= und Südwand haben je zwei Fenster älteren Ursprungs und in der Nähe der Altarwand je ein quadratisches Fenster neueren Datums. Die älteren Fenster sind sämmtlich klein und schmal und mit dem Spitzbogen

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geschlossen, ihre Einfassung besteht, wie die der beiden Pforten, der Süd= und Westpforte, ebenfalls mit dem Spitzbogen, aus Ziegeln. Die Kirche hat eine Bretterdecke; das Gestühl von Eichenholz trägt offenbar einen alten Charakter, ist jedoch ohne allen Schmuck und ohne Kunstwerth. Die sehr breiten Rücklehnen sind alle aus einem Stück gearbeitet. Die Kanzel über dem Altar stammt aus neuerer Zeit. Der Thurm ist, wie schon gesagt, ebenfalls von Feldsteinen äußerst solide aufgeführt, jedoch wohl erst später angebaut. Der untere Theil ist auf Gewölbe angelegt, die aber nicht zur Ausführung gekommen sind.

Nachträglich bemerke ich noch, daß die Altarwand im Aeußern quadratisch gefugt ist.

Eine der Glocken ist alt, sie trägt in gothischer Minuskel folgende Inschrift um den Helm:

Inschrift

Die zweite Glocke vom Jahre 1746 hat auf dem Mantel die Inschrift:

CHRISTOPH AUGUST BAUER 1 )
KIRCHENRATH UND PASTOR
HAT MICH ZUM GUSS BEFÖRDERT
1746
ME FECIT J. C. HEINTZE.

Die Kirche zu Balow, Filial von Dambeck, ist in den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unter dem Patronat eines Herrn von Ditten erbauet worden und hat nichts Bemerkenswerthes.

Beckentin, den 11. Nov. 1871.

H. Rönnberg, cand. theol.     


[Aufsatz]

1) Ueber diesen sehr merkwürdigen Mann, welcher auch Gesandter des Herzogs Carl Leopold war, vergleiche man dessen Autobiographie im Dambecker Kirchenbuche, gedruckt in Wehnert Meklenb. Gemeinn. Blättern, Bd. II, H. 3, S. 121 flgd.
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Der "Neustädter Altar"

aus der

Jacobi=Kirche zu Lübek

im Antiquarium zu Schwerin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Das großherzogliche Antiquarium besitzt einen mittelalterlichen Flügelaltar, welcher zu den vollendetsten und schönsten Kunstschöpfungen des Mittelalters in Norddeutschland gehört und in Vollendung des Styls und Sauberkeit der Arbeit viele der gleichzeitigen berühmten Werke in der Kirche zu Doberan noch übertrifft. Die Geschichte dieses Altars ist sehr bemerkenswerth und schon in den Jahrb. X, 1845, S. 318 berührt; schon damals erklärte ich den Altar für "ein Kunstwerk erster Größe von ausgezeichneter Schönheit und so großer Vollendung, daß er selten seinesgleichen finde" 1 ).

Große Brände verzehrten im J. 1725 die Stadt Grabow und im J. 1728 die Stadt Neustadt und vernichteten zugleich das Innere der Kirchen daselbst. Es ward erlaubt, zur Aufhülfe dieser Städte Geld zu sammeln. Nach Ueberlieferungen schenkten bei dieser Gelegenheit die Lübecker jeder dieser Kirchen einen alten Altar und ließen sich moderne Altäre im Zopfstyl machen. Der an die Kirche zu Neustadt geschenkte Altar ward aber, nach junger Sage, schon weil die Kirche sehr klein ist, nie aufgestellt, sondern in eine Vorhalle der Kirche gesetzt, wo er lange vielen Unbilden ausgesetzt war, aber doch glücklicher Weise in Vergessenheit gerieth. Als die Kirche im J. 1840 restaurirt ward und ich deshalb in Neustadt war, entdeckte ich den Altar, indem mich mein Weg in die damals augenblicklich sonst versperrte Kirche durch die Materialienkammer über den Altar hinweg führte, und im J. 1841 bewirkte ich die Versetzung desselben nach Schwerin, um ihn zu retten. Durch die Fürsorge des Hochseligen Großherzogs Paul Friedrich ward der Maler L. Fischer mit


1) Später hat auch Lübke den Werth dieses Kunstwerkes erkannt. Er sagt: "Im Antiquarium zu Schwerin obenan steht ein Altarwerk "aus der Kirche von Neustadt, das an Schönheit seines Gleichen vielleicht nur in dem Altarwerke von Triebsees hat." (Vgl. auch Meklenburg. Anzeigen, 1869, Nr. 96, Beilage.)
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der Restauration beauftragt und um das Jahr 1845 damit beschäftigt, die großen Figuren und einen Theil der Gemälde zu restauriren, starb aber darüber weg. So ist der Altar noch jetzt beschaffen.

Der Altar ist ein einfacher, großer Flügelaltar. Bei der ungewöhnlichen Größe besteht aber die Mitteltafel aus zwei großen, getrennten Stücken, von denen jedes so groß ist, wie ein Flügel; diese beiden Tafeln sind dicht zusammengeschoben gewesen, so daß sie Eine Flache gebildet haben; der Altar besteht daher aus vier gleich großen Stücken und nicht aus drei, wie gewöhnlich. Jedes Stück enthält im Mittelraume 4 ganze Figuren unter sehr reichen Baldachinen. Die beiden mittelsten Figuren, welche die Krönung Mariä darstellen, bilden eine quer über die Zusammenfügung gehende, zusammenhangende Gruppe, indem auf einer Bank rechts Maria anbetend und links Christus segnend sitzt. An jeder Seite stehen zunächst 6 Apostel 1 ), an jedem Ende ein Localheiliger. Da die Figuren und die Baldachine sehr groß sind, so hat der Altar nur eine Reihe von Hauptfiguren in der Mittellinie des Ganzen. Aber so wie oben die hohen Baldachine einen großen Raum wegnehmen, so ist unten ein niedriger Streifen zu kleinen halben Heiligenbildern mit kurzen Baldachinen angewandt. Unter jeder großen ganzen Figur steht eine halbe kleinere, mit der Ausnahme, daß unter dem Mittelstücke mit der Krönung Mariä, welche 2 Figuren hat, 3 halbe Heiligenbilder stehen.

Die Wand ist in Goldgrund ausgeführt. Um das Haupt einer jeden Figur ist ein Heiligenschein, in welchen der Name des Heiligen mit großen, gotischen Buchstaben eingegraben oder eingepreßt ist. Um die Namen und die Anordnung der Figuren zu erhalten, da der Kreidegrund an vielen Stellen, namentlich unten, schon sehr lose und abgefallen ist, so gebe ich hier die Namen, so wie sie im J. 1861 noch sicher zu entziffern waren. Von den halben Figuren sind nur noch 7, welche mit gesperrter Schrift gedruckt sind, vorhanden; die übrigen 10 fehlen. Die in ( ) eingeklammerten Namen sind gänzlich verschwunden;


1) Der Altar der Kirche zu Neustadt vor dem Brande hatte auch die 12 Apostel, welche im J. 1517 geschnitzt waren; der Preis war 40 Gulden. In den Renterei=Rechnungen steht:
"XXX gulden dem Bilde Sznitzer von den XII apostelen, die zu der nyenstad gesnitzt worden, vnde myn g. h. bliben em X gulden schuldich von den apostelen, am sonabende nach fab. et sebast. 1518."
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der Name der H. Barbara konnte nach der Figur mit Sicherheit ergänzt werden. An den zwei in der Mitte ergänzten Stellen ist weder Name noch Figur mehr vorhanden; die eine noch erhaltene Stelle hat in dem Heiligenscheine den Namen: Name die beiden fehlenden Figuren waren also wahrscheinlich auch zwei Erzengel. Die Architektur und der Goldgrund der vordem Seite des linken Flügels ist fast ganz zerstört, da diese Seite früher, vor der Ueberführung nach Schwerin, bloß gelegen hat.

Der Altar enthält also folgende Figuren und Namen, welche so stehen, daß die hier oben stehenden Figuren in der Ansicht links, die unten stehenden in der Ansicht rechts stehen, also der H. Valentin zu äußerst links, der H. Laurentius zu äußerst rechts in der Ansicht.

>Links in der Ganze Figuren Halbe Figuren
Ansicht. in der Mitte. unten.
Rechter Valentinus. Agneta.
Flügel. Simon. Ghertrudis.
Mateus. Margareta.
Matias. Aghate.
--------------- ---------------
Rechtes Jacobus major. (Barbara.)
Mittelstück. Johannes. Dorotea.
Petrus. Katerina.
Maria. (Michael.)
--------------- (Rafael.)
Linkes Christus. Ghabriel.
Mittelstück. Paulus. Johannes bapt.
Andreas. Anthonius.
Jacobus minor. Erassmus.
--------------- ---------------
Linker Bartolemeus. Laurencius.
Flügel. Tomas. Stefanus.
Philippus. Olavus.
Laurentius. Georrius.
------------ ------------

Der H. Laurentius ist wirklich zwei Male, oben und unten, vorhanden.

Die beiden Rückwände zeigen, wenn der Altar zugeklappt ist, Gemälde von großem Kunstwerthe: rechts (in der Ansicht links) das Leben Mariä in 4 Abtheilungen (die Verkündigung Mariä, die Geburt Christi, die Flucht nach Aegypten, der Tod Mariä), links (in der Ansicht rechts) die Leiden Christi eben so. Diese Gemälde gehören zu den besten mittelalterlichen Gemälden in Norddeutschland.

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Der Altar ist nun ein altes Kunstwerk ersten Ranges, welches eine unübertreffliche Reinheit des Styls zeigt. Namentlich ist die Vorderseite meisterhaft. Die Architektur und das reiche Schnitzwerk, namentlich in den Baldachinen, ist in einer so großen Feinheit und künstlerischen Strenge durchgeführt, daß das Werk von keinem andern übertroffen wird. Besonders schön sind aber die großen Figuren, welche in so richtiger und edler Zeichnung und in so idealer Haltung angeführt sind, daß ihnen vielleicht keine andern gleichkommen. dadurch zeichnet sich eben dieses Meisterwerk vor allen andern aus, daß die Figuren für jede hoch gebildete Zeit richtig und ideal sind, ohne daß ihnen die Schwächen der Zeit der Verfertigung ankleben; sie sind weder zu lang gezogen und verdreht, wie oft die ganz alten Figuren, noch zu kurz, gedrückt und schwerfällig, wie oft die Figuren jüngerer Zeit, viel weniger in dem eckigen, hölzernen Faltenwurf, welcher so oft in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. zu Tage tritt. Wir besitzen in dem Lübeker Altare ein Kunstwerk aus der Zeit der höchsten Blüthe und Vollendung der Gothik.

Nicht geringern Werth haben die Gemälde auf den Rückseiten der Flügel. Freilich ist die Zeichnung oft verfehlt, und das Verhältniß unrichtig und die Auffassung etwas naiv, während die geschnitzten Figuren fast vollkommen in der Zeichnung sind, aber das Gefühl und der Ausdruck in der Malerei ist so tief und innig, daß sich kaum etwas Besseres denken läßt. Namentlich ist das Gemälde des Todes der Jungfrau Maria, welches leider etwas gelitten hat, von einer unübertrefflichen Würde und Schönheit. Nicht minder ist die Technik der Malerei außerordentlich schön. Die Malerei ist ohne Zweifel ein ausgezeichnetes Werk der Schule, welche man die alte kölnische Schule zu nennen pflegt.

Die Rückwände der beiden Flügel zeigen, wenn der Altar zugeklappt ist, Gemälde von großem Kunstwerthe. Jeder Flügel ist durch zwei mit Arabesken verzierte Leisten in 4 Theile geteilt.

Der Flügel zur Rechten (in der Ansicht links) stellt Scenen aus dem Leben der Jungfrau Maria dar:

1) Die Geburt Christi. Maria und 4 Engel beten das auf dem Boden in einer Glorie liegende kleine Christkind knieend an; Joseph hält hinter Maria ein brennendes Licht; im Hintergrunde sind die Hirten sichtbar.

2) Die Anbetung der Weisen. Maria sitzt im Bette und hält das Christkind über dem Bette auf dem Arme, in Erwartung, da von den Weisen nichts zu sehen ist, oder

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Maria Reinigung (Purificatio Mariae), in Ruhe. Joseph und eine Frau sind mit Suppenkochen beschäftigt.

3) Die Flucht nach Aegypten; Joseph führt den Esel. 4) Der Tod Maria, von sämmtlichen Aposteln umgeben.

Der Flügel zur Linken (in der Ansicht rechts) stellt Scenen aus den Leiden Christi dar:

1) Christus betet am Oelberge vor dem Kelche.

2) Christus wird von Judas durch einen Kuß verrathen.

3) Christus wird mit Dornen gekrönt.

4) Christus wird verspottet.

Wichtig ist die Bestimmung der Zeit, in welche der Altar fallen kann. Nach der Reinheit des Styls und der vollkommenen, strengen Ausbildung der Gothik, welche noch keine mißverstandenen und übertriebenen Bildungen zeigt, gehört der Altar ohne Zweifel der Mitte der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. an und wird um das Jahr 1360 gemacht sein. Er wird aus gleicher Zeit mit den Doberaner Chorstühlen stammen, welche derselben Zeit angehören. Einen ziemlich sichern Beweis giebt der ungewöhnlich reiche Altar in der Kirche zu Grabow 1 ), welcher nach dem Brande der Stadt im J. 1725 ebenfalls von den Lübekern dahin geschenkt ward. Die Mittelgruppe dieses Altars stellt in jüngerer Schnitzerei die Stätte Golgatha dar; hinter dieser Darstellung steht auf dem alten, weißen, nicht vergoldeten Kreidegrunde mit gleichzeitiger Schrift:

Inschrift

Dieser Altar ist aber bei weitem nicht so rein und edel, wie der Neustädter, und zeigt schon die ersten Spuren eines mehr gedrückten Styls. Wenn nun der Grabower Altar sicher im J. 1379 vollendet ist, so wird der Neustädter etwa 20 Jahre älter sein und spätestens in die Zeit 1360-1368 fallen; älter wird er aber auch nicht sein.

Nicht unrichtig ist auch die Beantwortung der Frage, aus welcher Kirche in Lübek der Altar nach Neustadt geschenkt ist. In den Jahrb. X, S. 318, ist die Vermuthung aufgestellt, daß der Altar aus der Marienkirche zu Lübek stamme, weil in der Mitte die Maria dargestellt sei und unter den Heiligenbildern sich das Bild des H. Olav finde, dessen Verehrung durch die Bergenfahrer der Marienkirche eigenthümlich sei. Diese Ansicht wird aber nicht richtig sein können, da sowohl der Hauptaltar dieser Kirche, von ähnlicher Arbeit wie der Neustädter, teilweise noch erhalten ist,


1) Vgl. die folgende Abhandlung.
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als auch der große Altar, welcher in der "Sängerkapelle" dieser Kirche, früher Marienkapelle, gestanden hat. Es ist vielmehr wahrscheinlicher, daß der Altar aus der Jacobikirche stammt, da hier im J. 1715 oder 1716 ein neuer Altar gebauet, also der alte zurückgesetzt ist, welcher den Leuten mit der Zeit im Wege stehen mochte. In der letzten Hälfte des 17. Jahrh. haben übrigens alle Kirchen in Lübek ihre jetzt noch stehenden, neuen Altäre erhalten. In Lübek hat sich keine Nachricht darüber auffinden lassen, wo die alten Altäre geblieben sind, und die Acten des Schweriner Archivs lassen auch gänzlich im Stich.

Hiemit stimmen auch die Heiligen überein, welche sich außerdem in der Jacobikirche fanden. In der Zeitschrift des Vereins für Lübecksche Geschichte, Bd. II, Heft 1, 1863, S. 133 flgd., hat der Herr Archivar Wehrmann zu Lübek das Verzeichniß aller Kirchenschätze abdrucken lassen, welche im J. 1530 bei der Abschaffung des katholischen Gottesdienstes aus allen Kirchen in das Archiv gebracht wurden. In diesem Verzeichnisse sind von allen Kirchen viele silberne Heiligenbilder aufgeführt; aber nur von der Jacobikirche finden sich die Localheiligen, welche auch in dem Altar stehen. Unter den 8 silbernen Heiligenbildern, welche die Jacobikirche besaß, war an 1. Stelle S. Jacobus, 2. S. Laurentius und 5. S. Valentinus, und diese Heiligenbilder finden sich, und zwar in ganzer Figur, nur auf dem Neustädter Altar wieder, auf welchem der H. Laurentius sogar 2 Male, in ganzer Figur und als Brustbild, zu finden ist. Außerdem waren 4 S. Johannes (Bapt.) und 7 S. Barbara, welche in Brustbildern in dem Altare stehen, auch in silbernen Bildern vorhanden. Vorzüglich entscheidend sind aber die Figuren des H. Laurentius und des H. Valentinus, so daß es wohl keinem Zweifel unterliegt, daß der Neustädter Altar aus der Jacobikirche zu Lübek stammt. Hiemit stimmte früher auch der Pastor Klug an der Jacobikirche überein.


Seit dem Jahre 1842 habe ich unablässig nach der Herkunft dieses Altars geforscht, weil seine Geschichte für die norddeutsche Kunstgeschichte wichtig werden kann, namentlich im Verein mit meinen gediegenen und kundigen Lübeker Freunden, habe aber nicht weiter gelangen können, als bis zu dem Ergebniß, welches ich in den vorstehenden Zeilen gefunden und bis auf den letzten Satz im J. 1861 niedergeschrieben habe. Ich bin seitdem nicht müde geworden, nach Nachrichten

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auszuschauen, jedoch vergeblich, habe aber diesen Aufsatz in Hoffnung auf einen glücklichen Fund neun Jahre zurückgelegt.

Da erschien in den "Meklenburgischen Anzeigen", 1869, Nr. 257, Novbr. 3, ein anonymer Zeitungs=Artikel aus Neustadt über die jüngste Restauration der Kirche, in welchem es auch heißt: "Bei der jetzigen Renovation der Kirche ist vielfach der Wunsch geäußert, es möchte auch das alte Altarblatt, das im J. 1746 (!) aus der Jacobikirche zu Lübek gekauft (!) ward und bei der Errichtung der Orgel im J. 1771 des mangelnden Platzes (!) wegen fortgenommen werden mußte, thunlichst wieder seinen Platz in der hiesigen Kirche erhalten."

Diese Nachricht schien mir in mehreren Theilen nicht zuverlässig zu sein. Die kleine, arme Stadt war durch den Brand von 1728 so sehr heruntergekommen, daß sie, nach den Archiv=Acten, erst in den Jahren 1735-1738 daran denken konnte, die Kirche mit der nothdürftigsten Einrichtung zum Gottesdienst durch fremde Hülfe zu versehen, wozu Erlaubniß zu geringe ausfallenden Collecten im Lande erbeten werden mußten; die Kirche ward nach 1738 noch lange nicht wieder fertig. Es ist durchaus nicht wahrscheinlich, daß die arme Stadt in ihrer Noth ein so großes, werthvolles Kunstwerk hätte kaufen können, dessen Größe außerdem für die kleine Kirche gar nicht paßte. Der Altar ist sicher nicht "gekauft". Dagegen ist mir die Sage, welche ich im J. 1840 von alten Leuten in Neustadt eingezogen habe, viel wahrscheinlicher, daß der Altar von Lübek geschenkt sei, da auch in Lübek für Neustadt collectirt ward.

Die übrigen Nachrichten in den "Meklenburgischen Anzeigen" waren aber zum Theil neu und zum Theil mit Archiv=Acten übereinstimmend, so daß ich die Forschung nach der Quelle dieser Angaben wieder aufnahm. Längere Zeit wollte es mir nicht glücken, diese etwas trübe Quelle zu erforschen. Da wandte ich mich mit der Darstellung der Sachlage an den Herrn Kirchenrath Hane mit der Bitte um Nachforschungen im Kirchen=Archive, und dieser hat denn auch das Glück gehabt, folgende sichere Nachricht nach langem Suchen zu erforschen. Das älteste Neustädter Kirchenbuch, 1675 beginnend, enthält von der Hand des Pastors Frese folgende Nachricht:

"Im Mense Maji 1746 Ward Cantzel völlig mit Verdeck ins Geschick gebracht. Ingleichen das Altar, doch ohne alle Ausputzung (!), und kostet über 35 Rthlr. die itzige Darstellung. Wir

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beyde Prediger Frese und Ratich haben liebreich die Milden Gaben und Monatl. Collecten (ohne Geld aus der Oeconomie zu suchen) dazu angewand. Die Cantzel ist aus Wismar von der Marien=Kirche und der Altar aus Lübek von Jacobs=Kirche. Erstere ließ der Schwartzb. H. Major von Burchstadt neu mit Farben auszieren. Noch größere Liebe hat der H. von Pressentin erzeigt, welcher ao. 1742 die Beichtstühle anmahlen und mit Fenstern versehen lassen."

Dies ist also die ächte, gleichzeitige Quelle. Der Altar ist also sicher aus der Jacobikirche zu Lübek und wahrscheinlich von dort schon in den 30ger Jahren geschenkt, aber erst 1746 aufgestellt. Daß er von Lübek "gekauft" sei, davon steht kein Wort in der Nachricht. Die Aufstellung der Kanzel und des Altars, vielleicht gar mit dem Transport, kostete zusammen 35 Rthlr. Dafür konnte man solche Werke nicht kaufen. Glücklicher Weise blieb der Altar aus Armuth "ohne alle Ausputzung" mit "Farben"; denn sonst würde er sicher mit Oelfarben überschmiert worden sein.

Der Altar ist also wirklich in der Kirche aufgestellt gewesen. Aber darüber, wie er zurückgestellt ist, gaben die "Meklenburgischen Anzeigen" eine willkommene Andeutung, die mit den Archiv=Acten übereinstimmt. Die Anzeigen sagen, daß "das alte Altarbild bei der Errichtung der Orgel im J. 1771 des mangelnden Platzes wegen (!) fortgenommen (?) werden mußte", oder vielmehr weggeworfen ward. Dies stimmt zu den Archiv=Acten. Der Kirche fehlte noch lange eine Orgel und man war oft bemüht, ein altes Werk zu kaufen. Endlich war dazu im J. 1770 Aussicht. Am 28. Mai 1770 ward berichtet, daß ,"zur Anschaffung einer neuen Orgel der Bau eines Orgel=Chors, welches über den Altar gebracht werden soll, unumgänglich nothwendig." Da nun zu der geschmacklosen Aufführung einer Orgel über dem Altare die Kirche wohl viel zu klein ist, so ist leicht anzunehmen, daß der alte Altar mit den "Puppen" im J. 1770 der Orgel mit dem Orgel=Chore hat weichen müssen. Und so hat der Altar 70 Jahre lang ganz unbeachtet bei Seite gelegen.


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Der Altar der Kirche zu Grabow.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Der alte Altar in der Kirche zu Grabow, welcher eine Zeit lang durch ein modernes schlechtes Oelgemälde verdeckt war, ist seit der Befreiung von dieser Verhüllung häufig Gegenstand ernsterer Betrachtung geworden und viel besser erschienen, als es bei der ersten flüchtigen Anschauung (nach Jahrb. X, S. 319) der Fall sein konnte, um so mehr da er in der protestantischen Zeit unglaublich verschmiert und beschädigt war. Das Werk stellt sich als eine ungewöhnlich große und namentlich in der Architektur außerordentlich reiche Arbeit aus der besten Zeit des gothischen Styls heraus. Daher ist der Altar, welcher stark beschädigt und übermalt war, auf Wunsch des ganzen Stadtraths und auf Befehl Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs in Restauration 1 ) gegeben und wird nach Vollendung derselben jedenfalls eine große Wirkung machen.

Der Altar ist ein großes Lübeker Werk und von der Stadt Lübek nach dem großen Brande der Stadt Grabow vom J. 1725 zur Unterstützung nach Grabow verschenkt worden (vgl. oben S. 198), jedoch ist es bis jetzt unbekannt, aus welcher Kirche. Auf dem weißen, nicht vergoldeten Kreidegrund der Hinterwand hinter dem Mittelstück steht in gleichzeitiger Schrift:

Inschrift

Und diese Inschrift giebt dem Altare einen hohen Werth, da wir dadurch nicht allein ein sicher verbürgtes Jahr, sondern auch ein Werk aus noch guter Zeit haben, mit der auch die Ausführung vollkommen übereinstimmt.

Der Altarschrein ist ungefähr 6 Fuß hoch und in der Mitteltafel 12 Fuß und in jedem der beiden Flügel 6 Fuß, im Ganzen also 24 Fuß breit. Außer dem Mittelstück enthält der Altar auf den Tafeln 44 ganze, stehende Figuren unter Baldachinen, in der Predelle 12 sitzende Figuren unter Baldachinen und in der Krönungsleiste 20 Brustbilder.


1) Die Restauration ist seit 1867 dem geschickten und. gewissenhaften Hofmaler Greve in Malchin anvertrauet worden. - Der restaurirte Altar ist letzt schon längst wieder in der Kirche aufgestellt. - Ich bemerke, daß der folgende Aufsatz während der Restauration geschrieben ist G. C. F. Lisch.
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Die Restauration gebot ein genauer Studium des Werkes und daher kann in Folgendem eine vollständige Beschreibung mitgeteilt werden, welche in vieler Hinsicht von Werth werden kann.

Die Mitteltafel.

Jeder Flügel enthält 6 Nischen, jede für ein Heiligenbild. Die Mitteltafel enthält jedoch an jeder Seite nur 5 Nischen, so daß für das Mittelstück, das Hauptbild, nur ein Raum von 2 Nischen Breite zur Verfügung gestanden hat. Dieser Raum ist also verhältnißmäßig nur sehr schmal.

Das alte Mittelstück ist jedoch nicht mehr vorhanden. Man hat schon in altprotestantischer Zeit, zur Zeit der Renaissance, das uns unbekannte mittlere Hauptbild, welches wohl zu "katholisch" erschienen sein mag, entfernt und dabei zugleich den mittleren Hauptbaldachin verworfen. Jetzt enthält es Christum am Kreuze auf einem Berge, mit Schädel und Beinknochen am Fuße des Kreuzes, und Maria und Johannes Ev. Die Figuren sind gerade nicht ganz schlecht, aber schon flau und offenbar modern. Zum Beweise steht auf der Rückseite des Berges:

I. R.
An. 1596.

Also sind diese Figuren schon früh in Lübek eingesetzt.

Auf der Mitteltafel stehen an jeder Seite des Mittelstücks in 2 Reihen über einander an jeder Seite und in jeder Reihe 5 Figuren, unten Apostel, oben gekrönte heilige Jungfrauen, alle ziemlich ähnlich und viele ohne Attribute. Die Apostel und die weiblichen Heiligen setzen sich in den Flügeln fort. Da viele Attribute fehlten und manche gar nicht vorhanden sind, so hat bei der Restauration Manches durch Forschungen ergänzt werden müssen.

Die Apostel halten alle ein Buch. Die Attribute sind zum größten Theile abgebrochen, jedoch sind die meisten Figuren an den Gesichtern kenntlich. Die Jungfrauen sind sich ziemlich ähnlich. Alle tragen gleiche Kronen auf dem Haupte, welche aus Blei gegossen und vergoldet sind. Mehrere Attribute fehlen.

Mitteltafel.
Unten.
Zur Rechten des Mittelstücks.

1. S. Petrus Ap. (Schlüssel).
2. S. Andreas Ap. (Schrägekreuz).

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3) S. Johannes Ev. Ap. Kelch.
4) S. Jacobus d. j. Ap. (Walkerbaum).
5) S. Bartholomäus Ap. Messer.

Zur Linken des Mittelstücks.

6) S. Paulus Ap. Schwert.
7) S. Jacobus d. a. Ap. Pilgerstab.
8) S. Thomas Ap. (Lanze).
9) S. Philippus Ap. Doppelkreuz.
10) S. Matthäus Ap. im Kopftuch. Buchbeutel.

Oben.
Zur Rechten des Mittelstücks.

11) (S. Christina). Hat kein Attribut gehabt.
12) (S. Cecilia). Hat kein Attribut gehabt.
13) S. Agnes. Lamm.
14) (S. Agatha). (Schere).
15) (S. Apollonia). (Zange).

Zur Linken des Mittelstücks.

16) S. Dorothea mit Rosenkranz. Korb.
17) S. Margaretha. Drachen.
18) S. Katharina. Schwert und Rad.
19) S. Barbara. Thurm.
20) S. Hedwig. Kirche.

In den Flügeln

stehen unten die noch fehlenden Apostel und 10 Propheten, ohne Attribute, welche an ihrer seit dem Mittelalter herkömmlichen Stellung kenntlich sind und sich in der Krönungsleiste wiederholen. In den oberen Reihen stehen verschiedene Heilige.

Flügel zur Rechten.
Unten.

21) S. Mathias. (Beil).
22) Prophet Jesaias.
23) Prophet Jeremias.
24) Prophet Ezechiel.
25) Prophet Daniel. Hinten eingeritzt daniel.
26) Prophet Hosea.

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Flügel zur Linken.
Unten.

27) S. Simon Ap. (Säge).
28) S. Judas Thaddäus Ap. (Keule).
29) Prophet Joel.
30) Prophet Amos.
31) Prophet Obadja.
32) Prophet Jona.

Flügel zur Rechten.
Oben.

33) S. Maria Magdalena. Salbenbüchse.
34) 35) 36) Die Heil. Drei Könige, in verschiedenen Lebensaltern.
37) S. Georgius im Harnisch (Lanze).
38) S. Ursula. Geschlossenes Buch.

Flügel zur Linken.
Oben.

39) S. Elisabeth. Brot und Fischteller.
40) S. Michael. Drache.
41) S. Stephanus, Diakon. Steine auf dem Arme.
42) (S. Erasmus). Bischof mit Bischofstab.
43) S. Laurentius, Diakon. Buch. (Rost).
44) Prophet Micha.

Die Krönungsleiste,

welche ungefähr 1 Fuß hoch ist, hat kein hohes Laubwerk zur Krönung, sondern besteht aus Quadraten, welche abwechselnd eine durchbrochene gothische Rosette und in einem runden Rahmen ein Brustbild enthalten.

Ueber dem Mittelstück stehen:
rechts:

die 5 klugen Jungfrauen, mit

aufgerichteten Lampen.
links:

die 5 thörichten Jungfrauen, mit

umgekehrten Lampen.

Die Lampen haben Glockenform.

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Ueber den Flügeln stehen:

10 Propheten, welche Spruchbänder mit ihren Namen in den Händen tragen:

   Zur Rechten:
1) Jesaias.
2) Jeremias.
3) Hesekiel.
4) Daniel.
5) Hosea.
   Zur Linken:
6) Joel.
7) Amos.
8) Obadja.
9) Jona.
10) Micha.
Die Predelle,

welche ungewöhnlich schön construirt ist, enthält 12 Nischen, in denen Figuren sitzend dargestellt sind. Die meisten sind Kirchenväter, deren Namen hinter den Figuren in gleichzeitiger Schrift auf dem Kreidegrund geschrieben stehen und auch mit der römischen Schrift des 16. Jahrh. in Gold auf den Fußboden gemalt gewesen, aber in jungen Zeiten leicht schwarz übermalt worden sind, jedoch so daß die Schrift zum Theil noch leise durchschimmert. Außerdem halten alle Figuren, mit Ausnahme der Jungfrau Maria, ein Band mit einem Spruche in gothischer Minuskel in den Händen, welche alle leider übermalt sind, an manchen Stellen unleserlich, auch oft stark abgekürzt, daher oft nicht ganz sicher aufzulösen und zu erklären 1 ).

In der Mitte der Ansicht sitzt:

1) die Jungfrau Maria, ohne Spruchband, mit einem geschlossenen Buche in der Hand.


1) Ich Verdanke eine festere Bestimmung mancher Stellen in diesen schwierigen Sprüchen dem Herrn Consistorialrath Professor Dr. Krabbe zu Rostock, welcher, nachdem ich ihm alle Spruchbänder mitgetheilt, mit großer Arbeit und Gelehrsamkeit manches Dunkle aufgeklärt hat. Die vorhandenen Schriftzüge mußten aber dabei respectirt werden.
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Vor ihr, links in der Ansicht, sitzt:

2) ein Engel mit Spruchband

Spruchband

Zur Rechten des Engels, von der Rechten nach der Linken hin in der Ansicht, sitzen:

3) S. Gregorius ( S. Gregorius ), mit einer Kappe auf dem Kopfe. Spruchband:

Spruchband

Das ganz fehlende Wort gracia ist nach dem Vorschlage des Herrn Professors Krabbe aufgenommen, da "Origines in seinen Schriften ausführlich von der doctrina de gratia handelt und der Gedanke auch seiner dogmatischen Stellung entspricht."

4) S. Hieronymus ( S. Hieronymus ), mit Cardinalshut. Spruchband:

Spruchband

5) S. Augustinus ( S. Augustinus ), mit Bischofsmütze. Spruchband:

Spruchband

Das zweite Wort war sehr undeutlich (  ) übermalt. Nach Krabbe's Forschung ist wohl sicher  zu lesen, "da dieses Wort vielfach in den dogmatischen Ausführungen Augustins vorkommt und der Gedanke seiner dogmatischen Auffassung entspricht."

6) S. Ambrosius ( S. Ambrosius ), mit Bischofsmütze. Spruchband:

Spruchband

Es kann nicht anders ergänzt werden, als  da im Original ohne Verständniß  , übermalt war.

7) S. Origenes ( S. Origenes ), mit Kappe auf dem Kopfe. Spruchband:

Spruchband

Zur Linken der Jungfrau Maria, von der Linken nach der Rechten hin in der Ansicht:

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8) Johannes der Täufer, mit der Rechten auf ein Lamm zeigend. Spruchband:

Spruchband

9) S. Dionysius ( S. Dionysius ), als Bischof, seine abgehauene Stirn mit der Bischofsmütze im Arme haltend. Spruchband:

Spruchband

An der letzten Stelle würde  vielleicht besser passen; aber es stand deutlich  im Original.

10) S. Chrysostomus, als Bischof. Die Hinterschrift des Namens fehlt; es ward jedoch Chrysostomus vermuthet und endlich auch der Name S . CHRYSOSTOMVS durch die schwarze Uebermalung des Fußes durchschimmernd entdeckt.

Spruchband

Das vierte Wort ist im Original durchaus nicht zu lesen und Herr Professor Krabbe hat keinen ähnlichen Spruch bei Chrysostomus finden können. Da nun im Original  oder  zu stehen schien, so habe ich nur  lesen können und aufnehmen zu müssen geglaubt.

11) S. Bernhardus ( S. Bernhardus ), als Mönch, mit Tonsur. Spruchband:

Spruchband

Wenn auch im Original die ersten Worte dunkel sind, so werden doch die Worte  nach Sirach 21, 2 richtig sein.

12) S. Benedictus ( S. Benedictus ), in Mönchstracht, mit Kappe. Spruchband:

Spruchband

Das erste Wort, welches im Original ohne Verständniß  geschrieben ist, ist, auch im Einverständnisse mit Krabbe, wohl  zu lesen, da auch die "Vulgata" diesen Ausdruck immer gebraucht. Die Schreibung  im Original statt  war offenbar falsch.

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Die Gemälde auf den Rückseiten der Flügel

sind gut gemalt und noch gut erhalten. Jede Tafel hat in 2 Reihen übereinander je 3 Bilder, die ganze Fläche der zugeklappten Flügel also 12 Bilder. Je 3 Bilder stellen ein bestimmtes biblisches Ereigniß dar, und zwar in der Ansicht folgende Hauptgruppen je von 3 Bildern.

A. Die Schöpfung. B. Der Sündenfall.
C. Die Erzväter. D. Die Geburt Christi.
(Verheißung.) (Erlösung.)

In den beiden ersten Gruppen ist Gott immer als "Gott Sohn" d. h. mit einem jugendlichen, Christo ähnlichen, Gesicht dargestellt.

A. Die Schöpfung.

1) Schöpfung der Pflanzen (1. Mos. 1, 12): Gott segnet Gras, Kraut und Bäume.

2) Schöpfung der Thiere (1. Mos. 1, 25): Gott segnet viele vierfüßige Thiere und Vögel.

3) Schöpfung des Menschen Adam. Gott segnet Adam, der noch halb in der Erde sitzt (1. Mos. 1, 26 u. 2, 7).

B. Der Sündenfall.

4) Schöpfung des Weibes Eva (1. Mos. 2, 21).

5) Warnung vor dem Sündenfall (1. Mos. 2, 17 und 3, 3).

6) Sündenfall am Baum des Erkenntnisses (1. Mos. 3, Vers 6).

C. Die Erzväter (die Verheißung).

7) Abraham will Jsaak opfern (1. Mos. 22, 10-12). Ein Engel halt Abrahams Arm mit dem Messer zurück.

8) Jsaak schickt seinen Sohn Esau zur Jagd aufs Feld (1. Mos. 27, 3). Jsaak sitzt mit geschlossenen ("dunkeln") Augen (1. Mos. 27, 1), hinter ihm Rebecca, vor ihm steht ein Jäger mit "Köcher und Bogen".

9) Jacob wird von Jsaak gesegnet (1. Mos. 27, 23 und 25). Jsaak, in derselben Gestalt mit geschlossenen Augen, hält eine Schüssel mit einem gebratenen Vogel und umarmt einen jungen Menschen, Jacob, der von der Rebecca hereingeführt wird.

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D. Die Geburt Christi (die Erlösung).

10) Verkündigung Maria. Maria knieet vor einem Betpult. Der Engel hält ein Spruchband:

Spruchband

11) Geburt Christi. Das Christkind in der Krippe. Maria und Joseph.

12) Anbetung der Heil. Drei Könige. Der jüngste ist nicht schwarz.

 

Vignette
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III. Zur Siegel und Wappenkunde.


Spuren der Thiersage auf mittelalterlichen Siegeln.

Im Jahre 1319 wurden sämmtliche Pfarren und auch sonstige geistliche Lehne des Bisthums Ratzeburg unter der Leitung M. Peters, des Pfarrers zu Schönberg, abgeschätzt. Im Geh. und Haupt=Archiv zu Schwerin und im Archiv des Stifts Ratzeburg zu Neustrelitz wird noch eine große Anzahl von jenen kleinen Pergamenten aufbewahrt, auf denen die einzelnen Pfarrer ihre jährlichen Einkünfte beurkundet haben. Manche von diesen Priestern führten selbst ein Siegel, andere ließen ihre "Taxa" durch M. Peter besiegeln, noch andere ersuchten einen benachbarten Amtsbruder, der im Besitz eines Siegels war, um solchen Dienst.

Alle uns erhaltenen Taxen sind nun bereits im sechsten Bande des Meklenburgischen Urkunden=Buches abgedruckt. Aber des anhangenden Siegels wegen wiederholen wir hier die daselbst unter Nr. 4119 zu findende Taxe der bei Klüz gelegenen Pfarre Elmenhorst aus dem Original auf Pergament im Archiv zu Neustrelitz. Sie lautet so:

Ego Gerhardus, rector ecclesie in Helmhorst, recognosco, beneficium meum annuatim residenti valere XVI 1/2 marcas Lubicensis monete de mansis, de altari vero XII marcas slauicalis monete. Sigillo carui, et ob hoc sigillo domini Gotscalci Lupi, rectoris ecclesie de Clutze, sum vsus.

Das Meklenb. Urkunden=Buch giebt hiezu die Bemerkung: "An dem aus dem Pergamente geschnittenen Bande hängt ein parabolisches Siegel, auf dem ein stehender Mann mit einem Krückenstabe (St. Antonius?). Die Umschrift ist nicht zu erkennen."

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Bei dieser Siegelbeschreibung ist aber ein Irrthum untergelaufen.

Siegel

Das (oben verletzte) parabolische Siegel, welches an der Elmenhorster Taxe hängt und nach der Angabe des Elmenhorster Pfarrers Gerhard das Siegel des Klüzer Pfarrers Gottschalk Wulf sein soll, zeigt nicht einen Mann mit einem Krückenstabe, sondern vielmehr, wie man auch aus dem hieneben stehenden Holzschnitt, der nach des Geschichtsmalers Milde zu Lübek vom Original genommener getreuer Zeichnung angefertigt ist, ersehen kann, einen nach menschlicher Weise aufgerichteten Wolf, der an einem in der linken Tatze gehaltenen Krummstab nach links hin schreitet und mit der rechten Tatze einen Vogel am Halse fortträgt. Der Vogel ist nicht mehr genau zu bestimmen; er kann, da man auf dem Kopfe keinen Kamm wahrnimmt, für einen Hahn nicht angesehen werden, wahrscheinlich soll er eine Gans sein.

Von der Umschrift ist es mir so wenig wie Milde gelungen, die ersten 4 oder 5 erhaltenen, aber etwas verschobenen Buchstaben mit Sicherheit zu entziffern; dann aber sieht man klar: Umschrift -. Der nächste Buchstabe ist verstümmelt, wie ihn der Holzschnitt zeigt, man kann ihn als K oder R oder B ergänzen, und die nächsten sind nicht mehr sicher zu lesen.

Für diese Angaben glaube ich um so mehr einstehen zu können, da nicht nur Herrn Milde's geübtes Auge ganz dasselbe gesehen hat wie ich, sondern auch Herr Geh. Archivrath Dr. Lisch und Herr Archivrath Dr. Beyer meiner Auffassung beigetreten sind. Zu bedauern bleibt übrigens, daß ein zweiter Abdruck dieses Siegels, welcher an der von "Gotscalcus dictus Lupus, rector ecclesie parrochyalis in Clutze", ausgestellten Taxe der Pfarre zu Klüz 1 ) gehangen hat, gänzlich abgefallen und verloren gegangen ist. Vielleicht hätte uns dieser zu Anfang der Umschrift noch die Buchstaben Umschrift gegeben und uns der Mühe überhoben, den Schluß durch eine Conjectur zu ergänzen. Wahrscheinlich gehen wir aber nicht fehl, wenn wir die ganze Umschrift so verstehen:

Umschrift

Denn einmal ist uns im Bisthume Ratzeburg kein anderer Ort bekannt, der mit  anhöbe, zum andern aber


1) Abgedruckt im Meklenb. Urkunden=Buch VI, Nr. 4120.
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war Schwarzenbek im Lauenburgischen im 13. und 14. Jahrhundert im Besitze eines ritterbürtigen lauenburgischen Geschlechtes Wulf. Der lauenburgische Ritter Albert Wulf, welcher von 1288-1325 in Urkunden erscheint und am sachsen=lauenburgischen Hofe sehr angesehen war, auch 1308 als herzoglich sächsischer Commissar an der Wahl Heinrichs von Luxemburg zum deutschen König Theil genommen hat 1 ), wird mitunter geradezu auch Albert Wulf von Schwarzenbek oder Wulveke von Schwarzenbek genannt 2 ).

Ein Siegel dieses Ritters habe ich leider nicht beschrieben oder abgebildet gefunden; doch ist anderweitig bekannt, daß das lauenburgische Rittergeschlecht Wulf zu jenen lauenburgischen Familien (Scharpenberg, Züle etc. .) gehörte, die einen Stral im Schilde führten. Das Schildsiegel des Detlev Wulf vom J. 1302, welches bei Milde, Siegel des Mittelalters H. VI. auf Taf. XIII unter Nr. 185 abgebildet ist, enthält einen rechtsgewendeten geschachten Stral, und auf dem Helmsiegel Eckhard Wulfs vom J. 1384 (ebendaselbst unter Nr. 186 dargestellt) sehen wir den Helm mit einem Stral geziert.

Von diesem Wappenbilde weicht nun freilich das Siegelbild des Pfarrers Gottschalk Wulf weit ab; aber aus dieser Verschiedenheit folgt noch keine Berechtigung die Annahme zu verwerfen, daß jener Pfarrer aus der Familie der Wulf von Schwarzenbek stammte, vielleicht auch ursprünglich in Schwarzenbek oder anderswo eine Vicarei verwaltete und sein altes Siegel nicht nöthig fand durch ein neues zu ersetzen, als er die Pfarre zu Klüz erlangte. Denn abgesehen davon, daß Geistliche mitunter sogar eine Wappenfigur führten, die nicht die ihres Geschlechts war 3 ), war es ja ganz gewöhnlich, daß Cleriker in älterer Zeit ihr Wappen gar nicht ins Siegel aufnahmen, sondern dafür ein Heiligenbild, oder etwa einen Kelch, oder ein Rauchfaß, oder ein anderes heiliges Geräth zum Siegelbilde wählten.


1) Lupus de Swartenbeke, miles[Abb]. Siehe Schlesw.=Holst.=Lauenb. Urkunden=Sammlung II, S. 69.
2) Albertus Lupus, miles, 1288 (Schlesw. Holst. Lauenb. Urk.=Samml. I, S. 128; Meklenb. Urk. Buch III, S. 326); Albertus Lupus, 1289 (Meklenb. Urk.=Buch III, S. 342); Wlueke de Swartenbeke, 1291 (Lüb. Urk.=Buch I, 516, 522; Meklenb. Urk. Buch III, S. 408, 420); Albertus Lupus, miles, 1294 (Meklenb. Urk.=Buch III, S. 537); Albertus Wulf, 1296 (das. S. 644); Albertus Lupus de Swartenbeke, 1296 (Schlesw. Holst.=Lauenb. Urk.=Samml. I, 529); Albertus Wolf de Swartzenbeke, miles, 1325 (das. II, S. 56); Wulff de Swartenbeke, miles, 1325 (das. II, S. 63).
3) S. Wigger, Gesch. der Familie von Blücher I, S. 190.
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Immerhin aber bleibt es merkwürdig genug, daß der Priester Gottschalk Wulf gerade darauf verfiel, statt einer Heiligenfigur oder eines ähnlichen Bildes, ein Thierbild, einen Wolf, zu wählen, der an einem Krummstabe einherschreitet und eine Gans davonträgt. Dieses Bild unterscheidet sich selbst noch wesentlich von solchen Siegeln, die uns einfach eine Scene aus dem Thierleben vorführen, etwa einen Fuchs mit einer Gans oder einem Hahn im Maule auf dem Schilde oder auf dem Helme 1 ).

Siegel

Merkwürdiger als letztere erscheint uns allerdings schon das aus dem Meklenb. Urk.=Buch Bd. VIII, S. 470, hieneben wiederum abgebildete Siegel des Burchard Wulf (aus dem östlichen Meklenburg), welches der Knappe Heinrich Wulf statt des seinigen an eine Urkunde gehängt hat, die Heinrich und Segeband Thun am 17. Octbr. 1334 für das Kloster Dargun ausstellten 2 ). Auf diesem Siegel sehen wir hinter dem Wappenthiere, dem steigenden Wolf, im linken oberen Schildwinkel noch einen Mann in langen Kleidern mit einem Stabe in der Rechten. Doch ist diese Figur im Hintergrunde zu undeutlich, als daß sie sich ohne anderweitige Analogien befriedigend erklären ließe.

Der Krummstab in der Tatze des nach menschlicher Weise einherschreitenden Wolfes mit der Gans beweist deutlich genug, daß auf dem Siegel des Priesters Gottschalk nicht Thierleben veranschaulicht, sondern eine Thiersage dargestellt werden sollte.

Wenn man erwägt, daß in der Thiersage des Mittelalters die Geistlichkeit nicht eben respectvoll behandelt wird, mag es immerhin befremden, aber es ist Thatsache, daß die Geistlichkeit die Thiersage liebte; sonst wäre es nicht zu erklären, daß diese so häufig in den Kirchen als Ornament verwendet ist. Um einige Beispiele aus nächster Nähe anzuführen 3 ), war - nach Dr. Crull's Mittheilung - an den Chorschranken zu St. Marien in Wismar noch vor 50 bis 60 Jahren ein Medaillon zu sehen, auf welchem der Fuchs


1) Hildebrand, Herald. Musterbuch, Taf. XIX, Fig. 23, 27, 29.
2) Meklenb. Urk.=Buch VIII, Nr. 5544.
3) Ueber im Straßburger Münster angeblich 1298 "in Stein gehauene Thiergestalten, die offenbar zu der Fabel von Reinhart gehörten", vgl. J. Grimm, Reinhart Fuchs, S. CCXVIII.
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dargestellt war, wie er den Gänsen predigt. In Lübek sind - nach Milde's Angabe - bei den Dominicanern (in der Burgkirche) an den Kragsteinen Scenen aus der Fuchsfabel angebracht, und auf den Schlußsteinen der Bögen unter dem Chor der Katharinenkirche finden sich die drei Darstellungen, wie der Fuchs mit Stab und Kapuze vier Gänsen predigt, wie ihn zwei Gänse am Galgen emporziehen, und wie er mit einer Gans im Maule davonläuft, während eine andere Gans auf dem Rücken am Boden liegt 1 ). Also auch hier wieder der predigende Fuchs! Das merkwürdigste Zeugniß aber für die Beliebtheit und die Verbreitung der Fuchsfabel in unsern Gegenden, lange bevor (1498) das Thierepos Reineke de Vos niederdeutsch zu Lübek herauskam, liefert jedenfalls die von Milde im ersten Bande der Zeitschrift für Lübekische Geschichte und Alterthumskunde abgebildete und erläuterte (nach den Wappen auf den Säumen zu schließen, wohl aus dem Hause der Grafen von Holstein stammende) gestickte Altardecke aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts mit einer Reihe von Darstellungen aus der Fuchssage. Hier sehen wir abermals den Fuchs, wie er, bekleidet mit einer Kapuze, den Krückstock in der Linken, dreien Gänsen predigt, und daneben das Bild, wie er mit einer Gans im Maule davon läuft.

Man könnte darum, ohne eine Anschauung unsers Siegels, wohl versucht sein, anzunehmen, daß auch Gottschalk Wulf diese anscheinend sehr beliebte Darstellung gewählt habe; denn in der That sind auf den Siegeln Fuchs und Wolf ja oft sehr schwer zu unterscheiden. Aber, wie der oben abgebildete Holzschnitt zeigt, ist hier der Typus des Wolfes ganz unzweideutig und unverkennbar ausgeprägt, das Thier führt überdies - abweichend von jenen Darstellungen - hier den Krummstab und hält auch die Gans nicht im Rachen; und selbst wenn das Bild auch weniger klar wäre, würde es schon des Namens wegen auf einen Wolf zu deuten sein. Man darf nun aber nicht etwa annehmen, der Pfarrer von Klüz habe einfach das Thier, dessen Namen er trug, dem Fuchs substituirt, vielmehr liegt die Deutung näher, daß er seine eigene Person in humoristischer Weise bildlich als Wolf darstellte, und zwar unter Anleitung der Thiersage, zu deren ältesten Bestandtheilen die Darstellung des Wolfes als Mönch gehörte.


1) Zeitschr. des Vereins f. Lüb. Gesch. I, S. 127.
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Schon in einem lateinischen Gedichte des 10. Jahrhunderts, der Ecbasis cujusdam captivi per tr[o]pologiam 1 ), wird vom "Meister" Wolf erzählt, daß er bereits fast 8 Jahre ein Mönchsleben geführt und seit drei Monaten kein süßes Fleisch gekostet hat, dann aber, wie er seine geistlichen Lieder durch den Wald hin singend ein verirrtes Kalb antrifft, dieses am nächsten Morgen zu verzehren beschließt. Indessen der Stier und seine Genossen belagern ihn, der Fuchs lockt ihn mit List aus seiner Höhle im Wasgau, und der Stier stößt ihn nun nieder. Eine weitere Spur von dem Mönchthum des Wolfes findet sich im Luparius aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts 2 ); im Isengrimus (aus dem 12. Jahrh.) nennt (V. 613) der Bock den Wolf spöttisch einen Abt. Im Reinardus läßt sich Isengrim vom Fuchse eine Tonsur scheeren und ins Kloster Blandinium führen, aber wegen seiner üblen Aufführung ertheilen die Mönche ihm spöttisch mit Schlägen und Stößen die Weihe, so daß er entflieht 3 ). Endlich findet sich im Reinaert von Willam die Matoc, einem flandrischen Dichter des 13. Jahrhunderts, die Beichte des Fuchses, und namentlich seine Erzählung, wie er Isengrim im Kloster Elemar zum Mönch gemacht und ihm dann die schlimmsten Abenteuer bereitet hat (V. 1486 f.), schon ebenso, wie wir sie aus der 1498 gedruckten niedersächsischen Bearbeitung, dem Reineke Vos (I. 17), kennen.

Die Geschichten, welche Reineke aus dem Mönchsleben Isengrims mittheilt, eigneten sich natürlich nicht für ein Siegelbild. Ueberhaupt zeigt uns das in Rede stehende Siegel wohl kaum ein einzelnes Abenteuer 4 ), vielmehr stellt der Pfarrer Gottschalk Wulf den Wolf einfach dar, wie er als Mönch vom Einsammeln zurückkehrt; sein Rachen ist schon geöffnet, Isengrim kann kaum die Zeit erwarten, wo er seinen heimgebrachten Fang verzehren mag. -

Auf diese Betrachtungen über ein Siegelbild aus der Thiersage mögen nun noch einige Bemerkungen folgen über die vielleicht gleichfalls aus der deutschen Thiersage zu deutende Wappenfigur eines alten meklenburgischen Adelsgeschlechts, der von Bellin.


1) Grimm und Schmeller, Lat. Gedichte des X. und XI. Jh., S. 243 f.
2) J. Grimm, Reinhart Fuchs, S. CXCI.
3) Daselbst S. LXXIV.
4) Die bei Grimm, Reinhart S. 315, mitgetheilte Fabel (aus dem 13. Jahrhundert): "Der Wolf und die gense", ist anderer Art; hier erscheint auch der Wolf nicht im geistlichen Gewande.
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Dieses Geschlecht ist nicht wappenverwandt und allem Ansehen nach überhaupt nicht verwandt mit den drei brandenburgischen Familien, welche v. Ledebur in seinem Preußischen Adelslexikon (I, S. 45) behandelt hat. Von diesen letzteren führte die eine Familie (welche 1751 erloschen sein soll) "im blauen Felde Kopf und Hals eines Adlers oder Hahns", die zweite (am Ende des 17. Jahrhunderts ausgestorbene) einen "Stamm mit Blättern"; das Siegel der dritten, welche nach v. Ledebur noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. zu Fehrbellin saß, woher auch die beiden ersten stammten, war "getheilt, oben drei Schwerter, unten ein Löwe". Von diesen drei brandenburgischen Familien ist die eine dadurch, daß Jakob Heinrich v. Bellin die Erbjungfrau Katharine Barstorf heirathete, 1618 allerdings auf eine Weile auch in Meklenburg (auf Barstorf, Qualzow und Zahren) ansässig geworden; sie geht uns hier aber nicht an. Wenn dann aber v. Ledebur (S. 46) hinzufügt, daß es auch in Meklenburg verschiedene, nunmehr ausgestorbene Familien dieses Namens gegeben habe, von denen die eine drei Rosen, eine andere einen Widderkopf im Schilde führte: so wird die erste dieser beiden Angaben aus einer unzuverlässigen Quelle geflossen sein. Wenigstens ist mir nie ein Siegel der v. Bellin in Meklenburg mit drei Rosen vorgekommen, wohl aber mehrere mit dem Widderkopf.

Die v. Bellin werden bis 1273 in den meklenburgischen Urkunden nie genannt; am 5. Aug. 1273 aber erscheint zu Güstrow in der Umgebung des Fürsten Nicolaus von Werle der Ritter Johannes de Belin, und 1274 auch der Knappe Bernardus de Bellyn, der bald hernach die Ritterwürde erworben haben muß, da am 29. Juni 1277 bei den Fürsten Heinrich und Johann von Werle "milites Johannes et Bernardus fratres de Belin" als Zeugen genannt werden. Beide kommen dann nach Ausweis des Personenregisters zum Mekl. Urk.=Buch IV, B, S. 118 noch oft in werleschen Urkunden vor. Ihre Nachkommen besaßen das Stammgut Bellin (in der Herrschaft Werle, zwischen Güstrow und Krakow) noch mindestens 1424 und allem Ansehen nach bis zum Abgange des Geschlechts um die Mitte des 15. Jahrhunderts.

Das älteste bekannte Siegel dieser Familie v. Bellin ist das hieneben abgebildete

Siegel
Umschrift
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mit dem vorwärts schauenden Widderkopfe. Es hängt an einem (nach dem Original auf der Lübeker Trese im Urkunden=Buche der Stadt Lübek II, 2, S. 616 gedruckten) vom 1. Octbr. 1337 datirten Schuldbriefe des Knappen Nicolaus v. Bülow auf Zibühl, dessen Bürge "Johannes Bellyn" war; und ein zweites Exemplar dieses Siegels hat sich erhalten an einer im Klosterarchiv zu Dobbertin aufbewahrten Urkunde, welche die Fürsten Nicolaus und Bernhard von Werle am 25. Aug. 1342 zu Güstrow ausgestellt haben. Ganz dieselbe Figur führte auch noch "Clawes Bellin, wanaftich to Bellin", auf dem Schilde in seinem runden Siegel, von dem ein Abdruck an einer (im Großh. Geh. Archiv zu Schwerin befindlichen) Urkunde vom 6. Januar 1424 erhalten ist.

Dieses Wappen hat nun schon früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der um die Genealogie des meklenburgischen Adels hochverdiente v. Hoinckhusen bemerkt in seinem Manuscript (um 1740) von den meklenburgischen v. Bellin, sie hätten "nach Zeugnis derer angetroffenen alten "Siegel einen Widderkopff im Schilde geführet". "Da nun", fährt er fort, "in der vormahligen Landes=Sprache Schaff "Bellin benähmet worden, so bin der Meynung, daß sie annoch Sclavischer Abkunfft".

Ohne Zweifel hat v. Hoinckhusen Recht, wenn er den Ortsnamen Bellin für wendisch ansieht; wir finden ihn nämlich in mehreren ehemals wendischen Gegenden, in Holstein bei Lütjenburg, in der Altmark (Alt= und Neuen= oder Nieder= und Hohen=Bellin), im Brandenburgischen (Fehrbellin), ein anderes Bellin bei Königsberg in der Neumark, ein anderes bei Ukermünde. Aber ein Irrthum ist es freilich, wenn v. Hoinckhusen dem Namen die Bedeutung "Schaf" giebt. Für ein redendes Wappen möchte übrigens auch ich den Widderkopf, den die Herren v. Bellin führen, ansehen, nämlich für das Haupt des Widders in der Thiersage.

An sich ist die deutsche Deutung eines wendischen Ortsnamens gar nicht auffallend; es giebt dafür gar viele Beispiele. Der Name der Stadt Kröpelin ist ohne Zweifel ein wendischer; noch in wendischer Zeit, 1177, besaß das Kloster Doberan "Crupelin", das damals noch ein Dorf war. Die Stadt deutete hernach aber ihren Namen deutsch aus, indem sie einen auf Händen und Füßen kriechenden Krüppel (niedersächsisch kröpel) unter dem Schild mit dem Stierkopfe in ihr ältestes Stadtsiegel aufnahm 1 ). Das älteste Stadtsiegel von


1) S. die Abbildung des Siegels im Mekl. Urk.=Buch V, S. 300.
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"Godebuz" zeigt nur den Stierkopf; nachdem man aber den wendischen Namen Godebuz deutsch in Gadebusch umgedeutet hatte, nahm der Rath der Stadt, um doch auch den Busch im Siegel vertreten zu sehen - denn den Stierkopf legte man später dem Wendengötzen Radegast bei -, neben dem Stierkopf auch noch einen Busch in sein Secretsiegel auf 1 ).

Die v. Grävenitz führen bekanntlich einen Dachs auf dem Helm, weil ihr Name anklingt an das Appellativum greving, wie der Dachs im (älteren) niedersächsischen Dialekt (und namentlich auch im Reineke Vos) heißt. Dies ist also gewissermaßen eine Analogie zu dem Widderkopfe der v. Bellin; doch kann ich nicht sagen, seit wann diese Helmzier auf Siegeln erscheint. Und das mag auf den ersten Blick Bedenken gegen die obige Annahme erregen, daß schon im 13. Jahrhundert in unsern Gegenden der Widder der Thiersage den französischen Namen Belin oder Bellin (von beler=belare) geführt haben soll. Indessen kommt schon im Reinardus neben einem Widder, der den älteren Namen des Widders in der Thiersage, Joseph, führt, auch ein anderer mit dem Namen Belinus vor, im Renart heißt der Widder wiederholt Belin, und ebenso im Reinaert; der Name stand also im 13. Jahrhundert bereits längst in der Thiersage fest und wird mit dieser aus Nord=Frankreich und den Niederlanden über den Rhein nach Niedersachsen verpflanzt sein, wo, wie wir oben sahen, die Thiersage im Anfange des 14. Jahrhunderts bereits ausführlich bekannt war.

Ist unsere Annahme richtig, so enthält also auch das Wappen der Herren von Bellin eine Spur der Thiersage aus dem Mittelalter. Zur Gewißheit läßt sich freilich diese Vermuthung nicht erheben; es würde darauf ankommen, ob sie sich durch analoge Erscheinungen stützen läßt. Der Gegenstand erschien dem Verfasser interessant genug, um die Aufmerksamkeit der Sphragistiker auf denselben zu lenken; weiter bezwecken diese Andeutungen nichts. Mittheilungen über andere Spuren der Thiersage auf Siegeln würden sehr willkommen sein.

Schwerin.

Dr. F. Wigger.     



1) Beide Siegel sind abgebildet im Mekl. Urk.=Buch I, zu Nr. 315.
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Die Spitze im Schilde
adeliger Familien.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Die jetzige Familie Behr=Negendank in Neu=Vorpommern und Meklenburg, in welcher sich die im Mannesstamme erloschene Familie Negendank fortsetzt, ebenso die jetzige Familie v. Plüskow, in welcher die ebenfalls im Mannesstamme ausgestorbene alte Familie gleichen Namens fortgepflanzt ist, führen jetzt und auch sonst in den Zeiten der neuern Geschichte im Schilde eine quer gelegte sogenannte Spitze, d. h. ein spitzwinkliges, gleichschenkliges Dreieck, welches sich mit der Basis an den einen, mit der Spitze an den andern Schildesrand lehnt, und zwar mit drei Farben: golden, silbern, roth, so daß jede der drei Abtheilungen des also getheilten Schildes eine andere Farbe hat. Es war die Richtigkeit dieser Eintheilung und der Farben wohl schon hin und wieder bezweifelt; denn wenn die Spitze eine Wappenfigur ist, mit welcher der Schild belegt ist, so kann die Schildfläche sachgemäß nur Eine, der ganze Schild also nur zwei Farben haben.

Die Herausgabe des Meklenburgischen Urkunden=Buches, welches auch die ältesten Siegel in getreuen Abbildungen aufnimmt, gab Veranlassung zu umfassenden Forschungen, als die ältesten Siegel der Familie Negendank zur Untersuchung und Abbildung kamen.

Siegel

Das Ergebniß der Forschung war, daß die Annahme von der Belegung des Schildes mit einer Spitze unrichtig ist. Die ältesten Negendankschen Siegel im Staats=Archive zu Schwerin sind die Siegel der Brüder Eckhart und Dethlev Negendank, Ritter, vom 17. Dec. 1329 (vgl. Meklb. Urk.=Buch VIII, Nr. 5102), von denen das Siegel des Ritters Dethlev hieneben ab=

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gebildet 1 ) ist. Hiernach führen in alter Zeit die Negendank

einen quer getheilten Schild, welcher unten wieder schräge getheilt ist, ohne Belegung mit Wappenzeichen,

sondern nur in den verschiedenen Abtheilungen verschieden gefärbt: daher die jetzigen und auch die früheren drei Farben des Schildes. Aus dieser Schrägetheilung des untern Schildestheiles ist irrthümlich die Spitze entstanden.

Im Allgemeinen läßt sich über diesen Schild sagen, daß der obere Theil nicht grade immer die Hälfte, sondern häufiger nur ungefähr ein Drittheil beträgt, also eigentlich mehr ein "Schildeshaupt" bildet, wahrscheinlich um den Abtheilungen mehr gleichen Raum zu geben, daß die Schrägetheilung bald eine linke, bald eine rechte, eine gewisse Schrägetheilung also nicht immer Regel ist und daß sich die Schraffirung, welche bekanntlich nur eine Bezeichnung der Farbe ist, sich auf verschiedenen Siegeln auf den verschiedenen Theilen des Schildes findet, endlich daß die theilende Querlinie nicht immer ganz grade ist, was allerdings zu Irrthümern führen konnte. Aber nie ist in alter Zeit eine Spitze quer auf die Mitte des Schildes gelegt.

Genau so gebildet sind im Schweriner Archive z. B. ein Siegel vom 12. Aug. 1347 und andere Siegel an jüngeren Urkunden, sowie in den Sammlungen des Vereins mehrere gute Siegel aus dem 15. Jahrh. Im Archive der Stadt Wismar ist das älteste Negendanksche Siegel vom 15. Juni 1347 das des Knappen Eckhart, auf dem die Verschiedenheit der Farben aller drei Felder bezeichnet ist: das obere ganz mit kleinen, das mittlere mit einer Ranke, das untere leer;

aus jüngeren Zeiten kommen viele Siegel in diesem Archive vor. In der Kirche zu Proseken bei Wismar, der Pfarrkirche der meisten alten Negendankschen Landgüter, kamen neben vielen alten Wandmalereien unter der Kalktünche auch mehrere alte Negendanksche Wappen zum Vorschein, so z. B. auf der Nordwand des Chores wenigstens 4 Schilde, auf dem Gewölbe der südlichen Kappe das ganze Wappen mit Schild und Helm (mit dem geharnischten Bein) und dabei die Inschrift: Umschrift Alle diese Wappen 2 ), in den


1) Diese Abbildung ist ein Geschenk des Herrn Regierungs=Präsidenten Grafen Behr=Negendank auf Semlow.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar, welcher diese Wappen vor der jüngsten "Renovirung" der Kirche gezeichnet hat.
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oben angegebenen Farben, waren genau so, wie das oben abgebildete Siegel, d. h. ebenfalls mit einer horizontalen Linie.

Gleichen Schild mit den Negendank hat die jetzt ausgestorbene alte Familie von Plüskow, nämlich einen Schild quer getheilt und in der untern Hälfte schräge getheilt, bald rechts, bald links. Die ältesten Siegel sind die der Knappen Vicke, Lüdeke und Henneke Pluschowe, Brüder, an einer Ratzeburger Urkunde im Archive zu Neustrelitz 1 ), auf denen in dem untern Abschnitt eines schräge rechts, zwei schräge links getheilt sind. Die Quertheilungslinie ist auf zwei Siegeln freilich nicht ganz horizontal, wodurch das Bild sich allerdings etwas einer Spitze nähert; dennoch kann ich die Zeichnung nicht für eine Spitze anerkennen, da sich kein regelrechtes gleichschenkliges Dreieck darin erkennen läßt. Im Archive der Stadt Wismar sind 5 Siegel der von Plüskow aus den Jahren 1436, 1465 (2) und 1496(2) vorhanden 2 ), welche alle horizontal quer getheilt sind, bald rechts, bald links, so daß der unten anstoßende Nebenwinkel auch ein rechter Winkel ist.

Gleichen Schild hatte auch die ausgestorbene Familie von Parkentin, aus dem Lauenburgischen stammend, welche unter dieser und unter der Namensform Berkentin oder Barkentin auch in Meklenburg ansässig war. Milde in seinen "Siegeln des Mittelalters", Heft 5, Taf. 9, Nr. 135 und 136, hat zwei schöne Siegel aus dem Lübeker Archive abgebildet, deren Schilde sehr klar und bestimmt horizontal quer und in der untern Hälfte schräge rechts getheilt sind; auf dem Siegel Nr. 135 sind die drei Farben durch verschiedene Zeichnungen angedeutet: oben durch Puncte in der Schraffirung, in der Mitte durch ein leeres Feld, unten durch Schraffirung ohne Puncte; auf dem Siegel Nr. 136 ist allein das mittlere Feld schraffirt. Milde beschreibt diesen Schild ganz richtig, indem er S. 87 flgd. sagt, daß "die frühern Familienmitglieder den Schild quer, unten wieder schräge rechts theilten".

Gleichen Schild haben einige alte holsteinsche Adelsgeschlechter, deren Siegel bei Milde in seinen "Siegeln des Mittelalters" abgebildet sind. In Heft 7, Taf. 16, Nr. 242, steht das Siegel des Emeke Sten, welches ebenfalls


1) Nach den Mittheilungen des Herrn Archivraths, Pastors Masch zu Demern, welcher auch Staniolabdrücke einzusenden die Güte gehabt hat. Masch ist mehr geneigt, die Figur für eine Spitze zu halten.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar.
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quer getheilt ist, jedoch sehr hoch, und unten schräge rechts getheilt ist. Hiezu sagt aber Milde S. 165, abweichend von der Blasonirung des Schildes der Parkentin, daß auf dem Schilde eine Spitze quer rechts liegt. Aehnlich ist das Wappen der von Ratlow, abgebildet bei Milde a. a. O. Heft 6, Taf. 10, Nr. 137-139, wenn auch die Bildung, auf Nr. 137 mehr einer Spitze gleicht.

So scheint es, daß alle diese Familien in alter Zeit sicher einen quer und unten schräge getheilten Schild zum Wappen haben und daß die Spitze auf dem Schilde ein Mißverständniß jüngerer Zeiten ist.

Möglich und sogar wahrscheinlich ist es, daß alle diese Familien mit demselben Schilde ursprünglich stammverwandt sind, da auch ihre alten Gütersitze nicht sehr weit von einander liegen. Und so ist es leicht möglich, daß die Stammväter der Familien Negendank und von Plüskow aus Holstein nach Meklenburg bei der Germanisirung dieses Landes eingewandert sind.


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Siegel des Bernhard Falkenberg.

Auf der Feldmark der Stadt Neu=Brandenburg ward im Sommer 1872 ein Siegelstempel gefunden, welcher in den Besitz des Herrn Gutspächters Mussäus zu Schönenkamp bei Neukalen kam. Durch die Theilnahme des Herrn Burgemeisters Hofrath Mau zu Neukalen gelangte der Verein zu der Nachricht über diesen Fund und zu Abdrücken von dem Stempel.

Das Siegel ist parabolisch oder "spitzoval", 3 1/2 Centim. hoch, von Bronze, grün gerostet und auf der Rückseite mit einem Henkel oder einer Oese versehen, wie alle Siegelstempel des Mittelalters. Im gegitterten und geblümten Felde enthält es die Darstellung Christi am Kreuze, mit der Inschrifttafel I. N. R. I., ohne Maria und Johannes. Am Fuße des Kreuzes steht ein glatter Wappenschild mit drei schraffirten oder punctirten rechten Schrägebalken. Die Umschrift lautet:

Umschrift
( Inschriftskreuz S . Bernardi Valkenberch secret.)

Nach dem Kunststyl und den Schriftzügen fällt das Siegel ungefähr in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Nach der

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Form und der Darstellung gehörte es einem Geistlichen an. Und hiernach muß man auch wohl das letzte Wort Umschrift erklären, das ich nicht anders als durch secret[arii] aufzulösen vermag, um so mehr, da in der Umschrift kein anderer geistlicher Titel vorkommt, wie sonst gewöhnlich ist. Daß das Wort secretum (Secretsiegel) heißen könnte, glaube ich nicht, da im Anfange schon S (sigillum) steht und sigillum - secretum nicht durch andere Worte getrennt zu werden pflegen, wenn sie überhaupt zusammen vorkommen.

Der ehemalige Besitzer des Siegels war also ohne Zweifel ein vornehmer Geistlicher und wahrscheinlich Geheimschreiber (Secretair), Protonotar oder Canzler eines Fürsten oder eines Bischofs. Für seine Herkunft aus vornehmer Familie zeugt der Wappenschild in so früher Zeit, dessen Wappenzeichen freilich bis jetzt noch unbekannt ist.

Ohne Zweifel gehörte der Eigenthümer zu der altadeligen Familie von Falkenberg im Lande Stargard. Es gab und giebt viele adelige Familien v. Falkenberg im mittleren und südlichen Deutschland; diese haben aber alle ein anderes Wappen, als das hier auftretende. Eine Familie v. Falkenberg saß aber auf dem Gute Falkenberg in der Altmark bei Seehausen. Diese wird dieselbe sein, welche sich in der Mittelmark, namentlich in der Gegend von Berlin, ausbreitete (vgl. Riedel Cod. dipl. Brandenb. Register). Wahrscheinlich wird diese auch dieselbe sein, welche auch in das Land Stargard zog, wie ohne Zweifel viele andere alte Familien aus der Altmark. Leider ist das Wappen dieser Familie noch nicht bekannt geworden und daher läßt sich das Wappen auf unserm Siegel durch Vergleichungen noch nicht feststellen. Auch F. Boll in seiner Geschichte des Landes Stargard, I, 1846, S. 154, führt "die von Falkenberg" unter den alten adeligen Familien des Landes Stargard auf und führt sie auf das Dorf gleiches Namens in der Altmark zurück. So viel die spärlichen Urkunden des Landes Stargard gestatten, lassen sich hier die v. Falkenberg oft als Ritter, auch als Vögte des Landes, seit dem J. 1276 bis 1465, erkennen, und zwar mit Besitzungen in der Nähe von Neu=Brandenburg zu Warlin und Neuenkirchen, auch auf Rossow. Nach den Jahrbüchern XIV, 1849, S. 243, welche F. Boll noch nicht kannte, war im J. 1449 "Claus Falkenberg erbgesessen zu Arensberg".

Gleiche Ansichten über diese Familie hat auch Latomus vom Adel des Landes Stargard, 1617, indem er sagt:

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Die Falkenberge. "Ao. 1465 haben auch zween dieses Geschlechts im Lande Stargard, nemlich Hans Falkenberg zu Werlien und Andreas zu Werlien und Neuenkirchen ihre schönen Lehngüter gehabt. Itzt aber ist ihr Gedächtniß dieses Orts erloschen, ohne daß in der Mark noch etliche wohnen und geseßen sind, deren sich einer aus dem Lande Stargard mit denen von Jasmund durch Heirahten befreundet und einen Sohn hinterlassen hat".

Eben so berichtet v. Gamm:

"Falkenberg". Diese Familie stammet aus der "Mark Brandenburg her, wovon in des Zedler's Universal=Lexicon P. IX, p. 131, mit mehreren nachzulesen. Sie hatten sich vor verschiedenen Jahrhunderten nach der Herrschaft Stargardt gewandt und dorten einige Lehne erhalten, sind aber mit Ausgang des XV. Seculi erloschen. Vid. Latomi Beschreibung des Stargardischen Adels".

Die Familie muß am Ende des 15. Jahrh. in Meklenburg ausgestorben sein, da seit dem Anfange des 16. Jahrh. der Name nicht mehr genannt wird.

Der hier zur Frage stehende Bernhard Falkenberg wird also zu dieser Familie gehören und sein Wappen das Wappen derselben Familie sein.

G. C. F. Lisch.     


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Doppelsiegel des Hans von Graften.

Der Herr Gehrtz zu Schwerin fand auf dem Schweriner Stadtfelde beim Lankower See ein mittelalterliches Doppelsiegel aus Bronze aus dem 15. Jahrhundert und schenkte dasselbe dem Vereine. Das größere, runde Siegel hat im Felde eine Hausmarke und die Umschrift:

Umschrift

das kleinere, runde Siegel hat nur dieselbe Hausmarke. Der erste Buchstabe des Namens Umschrift ist etwas undeutlich. Der Name ist überhaupt nicht bekannt.

G. C. F. Lisch.     


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Siegel des Johann Suneke zu Wismar.

In Wismar ward auf dem Kirchhofe der St. Marienkirche ein altes bronzenes Siegel in Form eines "Petschaftes" mit 2 runden Platten, eine unten und eine oben (ein Doppelsiegel), gefunden. Die untere größere Platte enthält in einem Kreise eine Hausmarke, bestehend aus zwei ins Andreaskreuz gelegten Stäben, von denen der eine glatt, der andere ebenfalls glatt, aber am oberen Ende mit einem kleinen Haken versehen ("Zainhaken") ist. Die obere kleinere runde Platte hat dieselbe Hausmarke, ohne Inschrift. Die untere größere Platte hat die Umschrift:

Umschrift

Der Name Suneke kommt, nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar, zwischen 1430 und 1490 in Wismar vor.

G. C. F. Lisch.     


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Siegel des Hermann Stihk.

Bei Stargard in Meklenburg=Strelitz ward bei den sogenannten Tilly=Schanzen ein bronzener Siegelstempel gefunden. Das Siegel ist rund und enthält einen stehenden Schild mit einer schwer zu deutenden Figur, welche ich für eine Tasche oder einen Beutel halten möchte; die Umschrift lautet:

Umschrift

Nach dem Styl der Buchstaben fällt das Siegel ungefähr in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Eine Familie Stihk (oder Stich) ist bisher in Meklenburg ganz unbekannt gewesen. Der Herr Karl Krull zu Stargard war in dem Besitz des Siegels.

G. C. F. Lisch.     

 

Vignette
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IV. Zur Naturkunde.


Ringförmige Feuersteine.

In den Jahrbüchern XXXVIII, oben S. 101, sind die merkwürdigen, großen, ringförmigen Feuersteine besprochen, welche sich vorzüglich an den Kreideufern der Insel Rügen finden und hier noch heute zu Schiffsankern gebraucht werden, in alten Zeiten aber auch zu Vorbildern für künstlich gearbeitete Anker dieser Art benutzt wurden. Man hält diese immer ähnlichen Steine jetzt für Petrefacten und nennt sie wohl "Schwammkorallen, Spongia annulus." (Nach Puggard; vgl. E. Boll: Die Insel Rügen, S. 81.)

In Meklenburg sind diese ringförmigen Feuersteine bisher noch gar nicht oder doch gewiß nur sehr selten beobachtet worden. Desto willkommener ist das Geschenk gewesen, welches der Herr Kammer=Ingenieur von Haften zu Bützow den Schweriner Sammlungen mit einem seltenen Exemplare gemacht hat, welches in der Gegend von Bützow gefunden ist.

Dieses vollständige, wohl erhaltene Exemplar, 102 Pfund schwer, ist an Gestalt etwas abweichend von den gewöhnlich vorkommenden, da es viel höher ist. Das Stück ist nicht flach, sondern hoch und hat eine nach oben und unten hin etwas zugespitzte cylindrische Gestalt, welche ziemlich regelmäßig ist; es gleicht ganz einer cylindrischen Urne der Bronzezeit mit einem etwas ausgedehnten scharfen Bauchrande in der Mitte und ist daher auch für ein Gefäß gehalten. Der Stein hat eine Höhe von 14 Zoll Hamburger Maaß, einen Durchmesser von 15 Zoll im Bauche, 10 Zoll im untern Rande und 9 Zoll im obern Rande. Genau durch die Mitte von oben nach unten geht ein regelmäßiges, etwas gewundenes, rundes Loch von 4 Zoll Durchmesser. Der Umfang des Bauches mißt 4 1/4 Fuß. Ein sehr seltenes Stück, wie dergleichen sehr selten in eine Sammlung kommt.

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Durch die Fürsorge des Herrn Baumeisters Luckow zu Schwerin erwarb der Verein ein zweites Exemplar, welches im Herbst 1872 auf Paulshöhe bei Schwerin beim Ausgraben der Kellerräume für die neue Bierbrauerei in einer Tiefe von 28 Fuß im Diluvialsande gefunden ward. Dieses Exemplar, welches noch ganz mit Kreide überzogen ist, ist freilich kleiner, als das Bützowsche, aber doch immer noch groß und dabei ziemlich klar in der Form und regelmäßig ausgebildet.

Im März 1873 schenkte der Herr Baumeister Luckow noch ein Exemplar, welches früher ebendaselbst bei Schwerin in einer stark mit Feuersteinen durchzogenen Diluvial=Sandschicht etwa 18 Fuß tief mit vielen anderen Geschieben ausgegraben ist, Dieses Stück, welches sehr merkwürdig ist, ist nur ein Bruchstück eines ungewöhnlich großen und hohen Exemplars, vielleicht 1/5 des Ganzen, aber noch klar und erkennbar. Das Exemplar ist der Länge nach durchspalten. Das noch vorhandene Bruchstück ist 94 Pfund schwer, und 33 Centimeter (11 Zoll Hamb. Maaß) lang oder hoch und 35 Centimer (15 Zoll) breit. Die Masse ist dunkelgrauer Feuerstein. Das frühere Ganze ist nicht allein gespalten, sondern auch auf der Außenfläche vielfach zerstoßen, so daß diese in Vermengung mit der zum Theil noch anhaftenden Kreide fast aussieht wie ein Conglomerat oder wie ein "Französischer Mühlstein." Die Gewalt, welche zur Diluvialzeit diese Zertrümmerungen hervorgebracht hat, muß ungeheuer gewesen sein. Die Spaltung der Länge nach ist so geschehen, daß noch ein Theil des Loches, welches die ringförmige Gestalt gebildet hat, in seiner ganzen Länge vorhanden ist. Dieses Loch ist 16 Centimeter breit und noch ganz mit Kreide fest belegt; es lassen sich darin 2 Querwülste erkennen. Es geht aus dieser Erscheinung wieder hervor, daß die Ringsteine auch im Diluvium Meklenburgs (aus der Kreide) vorkommen; es ist aber doch merkwürdig, daß so wenig Exemplare im Lande vorhanden sind und gefunden werden, und daß man schon früh, vielleicht nach Rügens Vorgange, zu Nachbildungen schritt.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthiergehörne von Dämelow.

Der Herr von Storch auf Dämelow schenkte mehrere auf seinem Gute Dämelow bei Kleinen gefundene Rennthiergehörne:

1) eine Rennthierstange, welche in einer von Lehmhügeln umgebenen Modergrube mindestens 10 bis 12 Fuß tief aus der untersten Schicht des Moders hervorgeholt ist. Es ist nicht mehr ganz vollständig, da die Krone oder Schaufel fehlt. Das noch vorhandene Stück der Stange ist von der Rose an 45 Cent. oder 18 Zoll lang. Die Stange, welche alle sichern Zeichen eines alten Rennthiergeweihes hat, ist nur dünne, also wahrscheinlich von einem jungen Thiere, glatt und ohne Perlen, auf der Oberfläche mit Furchen für die Blutgefäße versehen, sehr fest und gelblichgrau von Farbe, wie alle im Lande gefundenen alten Rennthiergeweihe.

Herr von Storch schenkte ferner:

2) eine ebenfalls zerbrochene, eben so lange, aber starke Rennthierstange, welche in einem Torfmoor zu Dämelow gefunden und grau von Farbe ist, und

3) ein Bruchstück von einem Rennthiergeweih von einem jungen Thier, von der Rose an 24 Cent. lang, welches in demselben Torfmoor gefunden und dunkelgrau von Farbe ist.

Außerdem sind in demselben Torfmoor mehrere Stangen, Enden und gespaltene und angearbeitete Bruchstücke von Hirschhorn, Rehbockgehörne, Feuersteinsplitter u. s. w. gefunden, so daß hier ein Pfahlbau angezeigt zu sein scheint.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthiergeweih von Waren.

In den Meklenburg. Anzeigen 1872, Nr. 285, ward berichtet, daß das Maltzansche Museum zu Waren in den Besitz einer Geweihstange vom Rennthier gekommen sei. Auf Anfrage hat der Herr Gymnasiallehrer Struck zu Waren die Güte gehabt, folgende Aufklärung darüber zu geben: "Die Rennthierstange ist 1838 oder 39 von dem verstorbenen Conrector Wennmohs in einem Torfmoor Waren's in

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einer Wiesenkalkschicht über 10 Fuß tief gefunden 1 ). Es ist eine Stange der rechten Seite, stark gebogen, von glatter Oberfläche und gelblichgrauer Färbung. Längs derselben zeigen sich noch deutlich die Furchen der Blutgefäße. Nur oben zeigt sie Verwitterung, sonst ist sie sehr fest, und unten noch mit einem Schädelrudiment versehen. Von dem Rosenstock mit den einzelnen Perlen ist wenig mehr als ein Wulst zu sehen. Sie wiegt 2 Pfund 270 Gr. und ist 94 Cent. lang."

Diese Stange gleicht also ganz der schönen Rennthierstange, welche bei Güstrow unter gleichen Verhältnissen 14 Fuß tief in Wiesenkalk gefunden ist und dieselbe Farbe hat; vgl. Jahrb. XXVI. S. 298.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthierhörner von Wiek und Oettelin.

Der Herr Forstmeister Mecklenburg zu Wabel, früher zu Oettelin, hat mir mit Kenntniß und glaubwürdig Nachricht von der Auffindung von Bruchstücken zweier Rennthierhörner gegeben, welche von ihm gesehen und untersucht, später aber verloren gegangen sind.

Ein Rennthierhorn ward zu Oettelin bei Bützow, zwischen Bützow und Schwaan, beim Graben eines Brunnens tief im Lehm gefunden, aber zerbrochen und verworfen.

Ein Rennthierhorn ward zu Wiek bei Schwaan, zwischen Schwaan und Bützow, tief in dem Moor, in welchem der Burgwall Werle liegt, gefunden, aber von den Arbeitern beim Graben zerstochen und vernachlässigt.

G. C. F. Lisch.     



1) Auch in Pommern fand Professor Virchow im April des J. 1872 in einem Torfmoor bei Bonin am Lüptow=See, am Fuße des Gollenberges nicht weit von Cöslin, eine gleiche, "prächtige Rennthierstange" 8 Fuß tief unter dem Torf auf dem alten Sandboden, mit einem "Auerochsen=Gehörn". Vgl. Virchow in der Berliner Zeitschrift für Anthropologie etc. ., Sitzung am 27. April 1872, Separat=Abdruck S. 13 mit Abbildungen.
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Elengeweih von Malchin.

Zu Malchin, vor dem jetzigen Bahnhofe, tief im Moor, wo 1863 beim Bahnhofbau das Gerippe eines großen Rindes von der Primigenius=Race gefunden ist (vgl. Jahrb. XXIX, S. 275 flgd.), ward nahe bei der Fundstelle des Rindsgerippes auch eine schöne Elenschaufel von einem jungen Thier gefunden und 1872 von dem Herrn Baurath Wachenhusen, früher Eisenbahn=Baudirector zu Malchin, geschenkt.

Derselbe schenkte auch ein Hirschhorn von einem jungen Thier, welches ebenfalls an derselben Stelle in einiger Entfernung ausgegraben ist.

G. C. F. Lisch.     


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Pferdeschädel als Brücken und Stege.

In früheren Zeiten wurden Pferdeschädel zu Stegen über schmale Wasserläufe benutzt. Dies wird durch folgende Aussage vom J. 1570 bewiesen.

Zeugenverhör über die Fischerei im Dassower See und in der Pötenitzer Wiek, sowie über den Priwal,

angestellt durch Tilemann Stella zu Dassow im April 1570.

"Claws Pfluger zu Volckersdorff ist alt vber 70 jhar, gedenckt die Meckelburgische vhede (1506) gar wol, mag etwan 8 jhar alt gewesen sein, hatt noch nit wol reiten können."

Er antwortet auf die Frage (36): "wie weit das wasser bey menschen gedencken das Landt ingewaschen habe" -
Folgendes:

"36. er habe wol ehe von den alten gehöret, das das Wasser daselbst so schmal und flach gewesen, das man von dem Volckersdorffer graßort auff den Teskawer Steinort vber Drey pferts köppe hatt gehen können."

Ein anderer Zeuge spricht ähnlich über die Pferdeköpfe. Die Benutzung der Schädel scheint für ärmliche Verhältnisse ganz praktisch zu sein, nämlich wenn der Untergrund der Wasserläufe moorig ist, so daß größere Steine versinken. Die Pferdeschädel sind leicht, fest, dauerhaft, groß, lang, oben eben und möglichst horizontal im Liegen. Eine "tiefere" Bedeutung werden in solchen Fällen die Pferdeschädel nicht

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haben. Ich erinnere mich noch, in meiner Jugend an Wasserläufen "Pferdeköpfe" liegen gesehen zu haben, ohne freilich die Bestimmung zu kennen oder über dieselbe nachzudenken.

Mit diesem Gebrauche mag auch die Sage zusammenhangen, daß der Sund zwischen der Insel Fehmarn und Holstein in alten Zeiten nur die Breite eines "Pferdekopfes" gehabt habe.

G. C. F. Lisch.     


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Ueber ein altes Boot oder Schiff von Doberan.

Die gewaltige Sturmfluth vom 13. Novbr. 1872, welche die Ostseeküsten so ungeheuer verheert hat, hat in der Gegend des Seebades am "Heiligen Damm" bei Doberan ein seltenes altes Wasserfahrzeug ans Licht gebracht.

Hinter den Stranddünen des "Heiligen Dammes" östlich von den Häusern des Seebades erstreckt sich eine weite Wiesenniederung wohl eine Meile weit gegen Süden in das Land hinein, an dem Dorfe Börgerende und dem langen Dorfe Rethwisch entlang.

Durch diese Niederung fließen die vereinigten lebendigen Bäche von dem Flecken, der ehemaligen Cistercienser=Mönchs=Abtei, Doberan und der Umgegend her. Am Ende dieser Niederung im Norden, nicht weit von den Stranddünen, liegt ein ziemlich großer Süßwassersee, welcher der Conventer=See 1 ) heißt, ohne Zweifel, weil früher die Fischerei in dem See dem Mönchs=Convente des Klosters diente, ein bekannter Aufenthalt der wilden Schwäne.

In diesen See fließen an dem Südende die genannten Bäche, welche jetzt vereinigt sind und als Ein Fluß wohl die Dober oder Daber genannt werden. Im Norden, nicht weit vom Ostseestrande oder dem "Heiligen Damm", hat der See durch die Dünen einen Ausfluß ins Meer, welcher die Jennewitz heißt, mit einer Schleuse in den Dünen, durch


1) Nach einer Sage in und bei Doberan soll hier früher ein Fischer Namens Convent gewohnt haben, welcher ein Haus am See besaß und dem See den Namen gab. Der See wird aber wohl richtiger von dem "Convent=Fischer" des Klosters, als von einem "Fischer Convent" den Namen haben. Der See wird auch wohl der Conventer See genannt.
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welche das überflüssige Wasser des Sees ins Meer, bei niedrigem Wasserstande desselben, gelassen wird.

Früher bildete das einfließende Wasser drei Bäche oder Flüsse, von denen der mittlere, die Dober, in das Südende des Sees floß und noch fließt. Links und rechts, oder im Westen und Osten, flossen zwei andere Bäche in den See. Diese Nebenarme sind aber längst hoch zugewachsen, zugeschüttet und überwachsen, jedoch sind die früheren Wasserbetten noch zu erkennen.

Ohne Zweifel war in den allerältesten Zeiten die ganze Niederung ein Gewässer und die ganze Wiesendecke ist jetzt noch nicht dick und liegt wahrscheinlich auf einem Sumpfe.

Am frühen Morgen des 13. Novbr. 1872 durchbrach nun die gewaltige Sturmfluth die breiten und hohen Stranddünen 1 ) und das Meer überfluthete brandend und verwüstend wohl eine Meile lang die ganze Niederung und auch einen großen Theil des langen Dorfes Rethwisch, wo es viele Häuser umwarf, viel Vieh ertränkte und tausendfältigen Schaden anrichtete. Noch am Ende Mai 1873 hingen vertrocknete Seetang=Fäden und Pflanzenwurzeln aus der Fluth, fast eine Meile weit vom Strande, in den Wipfeln der blühenden Obstbäume und der Weidenbäume an dem Landwege.

Durch diese gewaltige Naturrevolution ward nun ein uraltes Wasserfahrzeug tief aus der Wiesenniederung ans Licht gefördert. In der Wiese hinter dem Gehöfte des Erbpächters Hesse zu Rethwisch, ungefähr 300 Schritte von dem Conventer=See entfernt, nach dem Dorfe Rethwisch hin, ward nach dem Versiegen des Wassers ein altes Boot oder Schiff gefunden. Das Boot hatte 12 Fuß tief unter der Rasendecke der Niederung gelegen und war ohne Zweifel durch einen unterirdischen Seitendruck der gewaltigen Wassermasse so in die Höhe gedrängt, daß der Schnabel oder das Vordertheil 12 Fuß hoch aus der Wiesendecke in die Luft hineinragte. Ohne Zweifel hatte das Fahrzeug in dem Bette des dritten, östlichen ehemaligen Flußarmes gelegen. Auch sonst in der Nähe des Fundortes des Schiffes hatte die


1) Von der furchtbaren Gewalt der Sturmfluth kann man sich einen Begriff machen, wenn man vernimmt, daß bei dem Seebade Doberan der aus Steinen bestehende "Heilige Damm" über den Haufen geworfen, die Dünen weggeschwemmt, die Ufer zerrissen und die hohen Ebenen überschwemmt wurden, ja daß sogar ein mit Brettern beladenes finnisches Schiff vom Meere über den Heiligen Damm und die Dünen geworfen und tief im Lande auf eine Höhe am Buchenwalde gesetzt ward, wo es abgebrochen werden mußte.
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Fluth die Wiesendecke zu Hügeln empor getrieben. Darauf ward das Fahrzeug frei und auf die Wiese gelegt.

Am 30. Mai 1873 besuchte ich 1 ) die Gegend und auch das Wasserfahrzeug, welches jedoch schon fast ganz zerfallen war und sich nicht hatte erhalten lassen, obgleich schon bald nach der Sturmfluth Bedacht darauf genommen war 2 ). Ich fand noch den Kiel oder Boden, einige Seitenstücke und die beiden Enden vor, jedoch in völlig morschem Zustande, so daß sich nichts mehr erhalten und transportiren ließ.

Das Boot oder der Kahn ist aus einem einzigen mächtigen Eichenstamme gearbeitet ("Einbaum"). Es ist 30 Fuß Hamburger Maaß lang, oben 5 Fuß breit, im Boden 3 Fuß breit und an den Seiten gegen 3 Fuß hoch. An jedem Ende ist eine kleine Abtheilung ausgehöhlt; die Querwände dazu sind auch aus dem Eichbaum gearbeitet. Wie das Fahrzeug gearbeitet gewesen ist, ließ sich nicht mehr ermitteln, da alle Oberflächen sehr vergangen und zerstört waren. Jedoch fand ich auf der inneren Fläche noch kleine Stücke schwarzen Holzes, welche ich zwischen den Fingern zu schwarzer Farbe zerdrücken und zerreiben konnte. Das Fahrzeug scheint also durch Ausbrennen gemacht zu sein.

Wozu das Fahrzeug gedient hat, ist ebenfalls schwer zu ermitteln, da alle Anzeichen für die Bestimmung fehlen. Die Abtheilungen an den Enden scheinen für ein Fischerboot zu sprechen. Dazu ist aber wohl das Fahrzeug zu lang und zu schwer für kleine Gewässer. Eher läßt sich vermuthen, daß es zu Meerfahrten gedient hat und "seehaltig" gewesen ist, also eine Art Schiff.

In diesem Falle würde das Fahrzeug den allerältesten Zeiten angehören. Jedenfalls ist es sehr alt und der Fund sehr selten.


Ein Seitenstück zu dem Doberaner Boot oder Schiff bildet, wenigstens in den Lagerungsverhältnissen, das vielfach besprochene Danziger Schiff, welches wohl ungefähr um dieselbe Zeit ans Licht gekommen ist. Bei der Anlegung eines neuen Hafenbassins für Danzig bei dem Dorfe Brösen


1) Die Beförderung und Führung verdanke ich der kundigen Theilnahme des Herrn Amtmanns von Lützow zu Doberan.
2) Die erste Nachricht von dem Funde und Bemühungen um die einstweilige Erhaltung verdanke ich dem Herrn Oberforstmeister von Wickede zu Doberan.
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entdeckte man, 1000 Fuß vom Strande landeinwärts, im tiefen Seesande, 15 Fuß tief, das Wrack eines ehemals hier gestrandeten, noch ziemlich wohl erhaltenen, jedoch hin und wieder zerbrochenen Fahrzeuges. Dieses Danziger Fahrzeug ist aber schon ein Schiff im neuern Sinne des Wortes. Es ist 57 Fuß lang, 16 Fuß breit und 5 Fuß tief, aus eichenen Rippen und gespaltenen Planken erbauet, ohne Spuren von einem Steuerruder. Die Beobachter und Forscher schreiben diesem Schiffe aus geologischen Gründen ein Alter von 600 Jahren oder ein noch höheres Alter zu. Die Beschreibung und Beurtheilung dieses Fundes ist mitgetheilt in der Illustrirten Zeitung, Leipzig 1873, Nr. 1542, Jan. 18, S. 43, mit einer Abbildung des Fahrzeuges in der Grube das. S. 44.

Das Doberaner Fahrzeug ist dagegen ein Einbaum und läßt nach allen Zeichen auf ein viel höheres Alter schließen.

G. C. F. Lisch.     


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Alter Wohnplatz am Alten Garten zu Schwerin.

Als im Jahre 1873 auf dem sogenannten Alten Garten zu Schwerin, vor dem großherzoglichen Residenzschlosse, nahe am Burgsee die Fundamente zu dem Siegesdenkmale gelegt werden sollten, mußten Tiefgrabungen von bedeutendem Umfange vorgenommen werden. Der Boden ward dabei an mehreren Stellen bis 16 Fuß tief ausgegraben. Dabei ergab es sich, daß oben eine Schicht Erde und Schutt von 12 Fuß Dicke aufgeschüttet ist; dieser Auftrag ist Jahrhunderte lang durch Abfall und Brandschutt eingeschüttet; überall lagen zwischen der Erde Bruchstücke von Ziegeln, hin und wieder auch Scherben von mittelalterlichen, blaugrauen Töpfen. Unter dem Auftrage von 12 Fuß lag eine Schicht Torf von ungefähr 2 Fuß Dicke, unter dem Torf stand reiner Sand ("Seesand") mit vielen ganz kleinen Muscheln und Schnecken.

Diese Bildung ist also ganz der Bildung der Insel gleich, auf welcher das großherzogliche Schloß steht, welche ich beim Schloßbau lange beobachtet und in den Jahrbüchern XV, 1850, S. 159 flgd., geschildert habe.

Der ganze Alte Garten mit Umgebungen war in alter Zeit ohne Zweifel ein Sumpf, welcher Jahrhunderte lang

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nach und nach zugeschüttet ist, wie das hier zur Frage stehende Beispiel zeigt, zunächst um einen festen Zugang auf der langen Strecke von der Stadt nach der Schloßinsel zu gewinnen.

Die Stelle des Siegesdenkmals am westlichen Ende, am Burgsee, scheint die am frühesten bewohnte gewesen zu sein. Früher war hier neben der Straße zum Schlosse, zwischen dieser und dem Burgsee, eine umschrankte Reitbahn eingerichtet, welche schlechtweg die "Bahn" genannt ward. Zwischen dem Schlosse und der Bahn und dem jetzigen Collegiengebäude, wo früher ein Franziskanerkloster stand, lag bis auf die neuesten Zeiten ein Schmiedehaus, welches die Bahnschmiede genannt ward. Die Denkmalsstelle liegt also dem Festlande der Stadt nahe, vielleicht am nächsten, und daher ist es möglich, daß hier in alter Zeit eine menschliche Ansiedelung stand, vielleicht ein Pfahlbau. Zwar fanden sich in der Tiefe in dem Auftrag genug Pfähle; alle waren aber offenbar verhältnißmäßig jungen Ursprunges und rührten wohl von einem Stackwerk zur Uferbefestigung oder von der Umschrankung der Bahn her. Altes Holz ist sicher nicht gefunden.

Jedoch haben sich andere Spuren von menschlichen Ansiedelungen gefunden, und zwar in der Mitte der westlichen Seite zunächst nach dem Burgsee hin. Hier ward unmittelbar auf dem Torf eine große Menge von Thierknochen gefunden, von denen manche zerschlagen sind; diese gehören alle Hausthieren an, wie dem Rind, Schaf, Schwein, auch einem Hunde ein großer Schädel, und waren alle schwarz von Farbe.

Zwischen diesen Knochen fanden sich aber auch Geräthe, welche ohne Zweifel von Menschenhänden bearbeitet sind, und zwar folgende:

eine nach Weise der heidnischen Zeit gearbeitete Topfscherbe mit eingedrückten Verzierungen der Eisenzeit;

ein kurzer Pfriemen aus einer dünnen Spitze eines Hirschhornendes, 3 1/2 Zoll lang, an vielen Stellen sichtlich mit scharfen eisernen Messern zugespitzt;

zwei "Griffelbeine " als Stechwerkzeuge, ebenfalls mit scharfen Messerschnitten bearbeitet;

eine Rippe, wahrscheinlich von einem jungen Rinde, welche an einem Ende in 3 regelmäßigen, scharfen Spitzen ausgeschnitten ist, wahrscheinlich als Werkzeug zum Eindrücken und Einritzen der gebräuchlichen Topfverzierungen.

Aus allen diesen Funden geht hervor, daß hier einst Menschen gelebt und gearbeitet haben. Vielleicht war hier,

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dem festen Lande zunächst, in der ältern Eisenzeit eine menschliche Wohnstätte, noch ehe der wendische Burgwall auf der Schloßinsel aufgeschüttet ward, zu welcher der weite Zugang durch den Sumpf des Alten Gartens sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein mußte.

Vielleicht war die Stelle noch viel früher bewohnt. Gegen 16 Fuß von dem Knochenlager entfernt ward das Stirnbein von einem wilden Urstier (bos primigenius), vom Hinterhauptbein bis zum Nasenbein, jedoch ohne die Hörner, gefunden; das Exemplar gehört, nach Vergleichung mit andern vollständigen Exemplaren, zu den größern. Es gehört schon nach der Farbe nicht zu den übrigen Knochen und ist ohne Zweifel viel älter als diese.

Auf der Schloßinsel fanden sich in der Tiefe schöne Geräthe der Steinzeit (vgl. Jahrb. a. a. O.), welche vielleicht mit diesem Urstier gleichzeitig sein können.

G. C. F. Lisch.     

 

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V. Nachträge.


Das Land Drenow.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Nachtrag zu Jahrb. XXXVIII, S. 25 flgd.


In den Jahrbüchern XXXVIII, S. 25 flgd., ist das bisher in seiner Lage unbekannt gebliebene Land Drenow zur Untersuchung gezogen und erforscht. Es ist dort nach allen erforschbaren Urkunden erwiesen, daß es das Land zwischen der Unter=Warnow und der Abtei Doberan und zwischen dem Meere und der Vogtei Schwan war, und vorzüglich die Kirchspiele Lichtenhagen und Lambrechtshagen umfaßte. Seitdem ist eine neue Urkunde bekannt geworden und in das Meklenb. Urkunden=Buch, Band VIII, Nr. 5649, S. 577, aufgenommen, nach welcher am 10. März 1336 der Fürst Albrecht von Meklenburg den Brüdern Johann, Heinrich, Hermann und Ludolf Pilgrim ("Pelegrim"), Bürgern zu Rostock, den Besitz des Dorfes Sievershagen, belegen in Drenow:

"integram villam Siverdeshagen sitam in Drenowe ",

bestätigte, welches sie von den v. Bülow auf Gülzow gekauft hatten.

Sievershagen liegt aber zwischen Lichtenhagen und Lambrechtshagen, es wird also hiedurch die Lage der Drenow noch genauer bestimmt.

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In den Jahrb. a. a. O. ist ferner nachgewiesen, daß die adelige Familie von Gummern sicher seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts im Lehnsbesitze der genannten Güter Lambrechtshagen und Lichtenhagen war. Es läßt sich aber jetzt auch erweisen, daß die von Gummern schon früher und wie sie in den Besitz von Lambrechtshagen gekommen sind. Nach einer im Staatsarchive zu Schwerin aufgefundenen und im Meklenburg. Urkunden=Buche, Band VI. Nr. 4200, S. 543, schon gedruckten Urkunde hatten am 3. Junii 1320 die Brüder Johann, Ludwig, Otto, Hermann und Heinrich von Zwertze, d. i. Schwaß, bei Rostock und Lambrechtshagen, dem Gastmeisteramte des Klosters Doberan eine jährliche Hebung von 35 Mark Wendischer Pfenninge aus dem Dorfe Lambrechtshagen verschrieben. Am 13. Septbr. 1389 übernimmt und bestätigt nun der Knappe Arnold von Gummern (Arnoldus de Gummeren, famulus) für sich und seine Erben diese Verschreibung, unter Transsumirung der Verschreibungs=Urkunde, da das Dorf Lambrechtshagen von den "genannten von Schwaß" durch Kauf an ihn gekommen sei. Er sagt am 13. Septbr. 1389 bei der Transsumirung der Urkunde von 1320:

"Huius littere presens transscriptum, quia villa Lamberteshaghen ad me Arnoldum (de Gummeren, famuli) meosque heredes a dictis de Zwertze empcionis titulo deuenit, firmiter seruare et contra non facere per me uel heredes meos presentibus spondeo et bona fide promitto. In cuius maiorem euidenciam sigillum meum vna cum sigillis famosorum, qui placitis hiis interfuerunt, videlicet domini Werneri de Axecowe, militis, Hinrici Molteken, aduocati in Zwan, Johannis Basseuissen, famuli, presentibus est appensum. Datum anno domini M°CCC°LXXXIX, in profesto exaltacionis sancte crucis".

Siegel

An dieser Bestätigungsurkunde hängt nun an erster Stelle das wohl erhaltene, hieneben abgebildete Siegel des Knappen Arnold von Gummern mit einer schräge rechts gelehnten, mit der Spitze nach unten gekrümmten heraldischen "Spitze", ähnlich einer Sensenspitze, und mit der Umschrift:

Umschrift
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Dieses Siegel wird das einzige, wohl erhaltene, sicher verbürgte sein, welches noch vorhanden 1 ) ist. Im Schweriner Staats=Archive sind außerordentlich viele Siegel der von Gummern, welche aber alle sehr schlecht erhalten und sehr undeutlich sind. Ich habe auf allen diesen Siegeln, wie ich in Jahrb. a. a. O. S. 28 ausgesprochen habe, in dem Wappen nichts anders erkennen können, als einen schräge liegenden geästeten Stamm oder einen abgehauenen Ast mit drei Zweigen oder Blättern, welcher einige Male sehr klar zu erkennen ist, auch ganz klar auf einem abgerissenen Exemplar in der Sammlung des Vereins. Ich habe dies um so mehr annehmen zu können geglaubt, als die Familien von Bevernest und von Platen, welche mit den von Gummern stammverwandt zu sein scheinen, dieses Wappen führten. Das Wappen des Arnold von Gummern, welches in dem abgebildeten Siegel sehr scharf und klar dargestellt ist, hat aber eine andere Gestalt. Ein Helmsiegel der von Gummern ist leider nicht vorhanden.

Der hier 1389 genannte Knappe Arnold von Gummern, welcher der Stammhalter der von Gummern auf Lambrechtshagen gewesen sein wird, wird derselbe sein, welcher zuerst 1348 und 1384 auf Bartelsdorf bei Rostock vorkommt. Vgl. Jahrb. a. a. O. S. 28.


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Echte Wendische Götzen.

Von

W. Freiherrn den Hammerstein.


Nachtrag zu Jahrbüchern XXXVII, S. 172 flgd.


Der historische Verein von und für Ober=Bayern zu München hat den lithographirten Bericht über seine Monatsversammlung vom 1. Mai 1873 dem Vereine für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zugesandt. In


1) Der Verein besitzt ein zweites, eben so klares Exemplar, welches von irgend einer Urkunde abgerissen und später den Sammlungen geschenkt ist.
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diesem Berichte heißt es unter Anderem: "Herr Dr. v. Mayerfels entlarvte einige im 37. Jahrgange der Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde abgebildete und daselbst für echte wendische Götzen erklärte Figuren als mittelalterliche gothische Leuchter, wie solche bei den süddeutschen Antiquitätenhändlern häufig anzutreffen 1 ) sind".


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Eine alte Stola.

In der Justiz=Canzlei zu Schwerin lag seit langen Zeiten eine wohl aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammende Decke von dunkelrothem geblümten Sammet, die an jeder Langseite mit einem Streifen mit mittelalterlicher Stickerei besetzt ist, welche ohne Zweifel ein Ganzes und sicher einen Priesterschmuck (eine Stola) gebildet haben. Jeder Streifen hat 4 Heiligenfiguren enthalten, von denen auf einem Streifen eine verloren gegangen ist, wahrscheinlich die Jungfrau Maria. Die Figuren stehen auf rothem Grunde auf buntfarbigen Teppichen unter goldenen gothischen Baldachinen. Die ganzen Nischen mit Figur, Teppich und Baldachin sind 15 Zoll hoch und 6 Zoll breit, die Figuren sind 9 Zoll hoch.

Die Figuren sind folgende:

1. [S. Maria?]
Verloren gegangen.
1. S. Anna, "selbdritte" mit
Maria und dem Christkinde
auf dem Arme.
2. S. Petrus
mit Schlüssel,
2. S. Paulus
mit Schwert.
3. S. Catharina
mit Rad und Schwert.
4. S. Barbara
mit Thurm.
4. S. Bartholomäus
mit Messer und Wappen.
5. S. Johannes
der Evangelist
mit Kelch.

Zu den Füßen des Apostels Bartholomäus steht ein Wappen: ein rother Schild mit einem silbernen Halbmond (mit Silber=


1) Auch in Meklenburg sollen sich Leuchter dieser Art im Privatbesitz befinden.     D. Red.
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lahn auf gelber Seide gestickt). Dies ist das Wappen der jetzt ausgestorbenen meklenburgischen adeligen Familie von Halberstad.

Die alte Familie von Halberstad war in alter Zeit im Besitze der Güter "Brüsewitz", später und jetzt Großen=Brütz, mit einer Pfarre, und Kleinen=Brütz, jetzt Brüsewitz, und zum Theil auch des Gutes Langen=Brütz, in der Pfarre Zittow, alle bei Schwerin.

Es ist daher leicht möglich und wahrscheinlich, daß die Stola aus der Kirche zu Groß=Brütz stammt. Wie dieselbe nach Schwerin und mit der Decke in die Justiz=Canzlei gekommen sei, läßt sich nicht ermitteln.

Die Frage nach dem Alter der Stola läßt sich wohl dahin beantworten, daß sie nach der Architektur der Baldachine, nach der Schildform des Wappens, nach dem ganzen Kunststyl und der Arbeit in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts gehört.

Durch Vermittelung des Herrn Justizraths von Prollius ist die Decke in die großherzoglichen Alterthümersammlungen gekommen.

G. C. F. Lisch.     


Kleine Nachträge.

Der Herr Rector Römer zu Grabow giebt während des Druckes dieses Bandes folgende nachträgliche Berichtigungen zu demselben:

1) Zu S. 5. Der Name Peperkorn findet sich in Meklenburg schon 1312, in Magdeburg 1409, in Oldeslohe 1361, (ist also nicht grade am Rhein zu suchen).

2) Zu S. 13. Der letzte Darguner Abt Jacob Baumann war schon am 1. Juni 1522 der drittletzte von 12 Mönchen des Klosters Himmelpfort; vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A. XIII, p. 100, Nr. 107 ("frater Jacobus Bwman", bei Aufzählung der "fratres religiosi dicti monasterii professi").

3) Zu S. 18. Die Verhandlung mit dem Tempziner Präceptor Gregorius Detlevi kann nicht im J. 1560 statt gefunden haben; man wird sie weiter zurück setzen müssen, denn am 8. Jan. 1560 lebte Dr. Drachstedt nicht mehr.

 

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XXXVIII. 1.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, im October 1872.

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I. Wissenschaftliche Thätigkeit.

A n wissenschaftlichem Arbeiten für die Jahrbücher sind zur Zeit nur einige Nachrichten über bemerkenswerthe Alterthümer in Meklenburg eingereicht worden, nämlich

1) von dem Herrn Canzleidirector a. D. v. Bülow in Schwerin ausführliche Berichte über Funde auf den Feldmarken Wendorf und Weberin im Amte Crivitz, Groß= und Klein=Görnow, Amts Sternberg, Eickelberg, Amts Meklenburg, Labenz, Amts Warin, und Blücherhof, Amts Lübz;

2) Berichte des Herrn Geh. Archivraths Dr. Lisch über verschiedene kirchliche Alterthümer, die wir seiner amtlichen Thätigkeit als Conservator verdanken, namentlich über die Glocken der Kirche zu Dobbertin, und

3) des Herrn Candidaten Rönnberg zu Beckentin über die Glocken und ein bronzenes Taufgefäß der Kirche zu Kröpelin.

Auch in Bezug auf das Urkunden=Buch ist nichts besonderes zu melden. Der Druck des VIII. Bandes ist bis zum 37. Bogen vorgeschritten, und für den nächstfolgenden Zeitraum sind viele Siegel=Holzschnitte in Arbeit.

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Ueber die auf den 16/17. Septbr. d. J. zu Darmstadt angesetzte General=Versammlung des Gesammtvereins, wozu auch uns die Einladung nebst dem Programm zugesandt worden ist, ist zur Zeit noch keine weitere Nachricht eingegangen. Besucht ist dieselbe unserer Seits nicht.

II. Die Sammlungen des Vereins.

Unser Antiquarium hatte sich wiederum zahlreichen Besuches zu erfreuen. Hervorzuheben ist die Anwesenheit des Herrn Professors Engelhardt aus Kopenhagen am 28. bis 31. Julii, welcher besonders die Alterthümer der Eisenzeit einer genauen Vergleichung mit denen der Kopenhagener Sammlung unterwarf. Ihm folgte unmittelbar am 31. Julii und 1. August Herr Archivar Eckhoff aus Leeuwarden in Holland. Ferner nahm Herr Professor Conze aus Wien, welcher längere Zeit auf Lesbos gelebt hat, unsere Sammlungen am 26. Septbr. in Augenschein, um die nordischen Bronze=Alterthümer mit denen Alt=Griechenlands zu vergleichen. Am 30. Septbr. und die folgenden Tage besuchten der bekannte Reisende Herr Dr. Berini, jetzt in Hamburg und der Photograph Dammann daselbst das Antiquarium wiederholt zur Photographie der alten Schädel für das zur Herausgabe vorbereitete photographisch=ethnographische Globus=Album. Endlich im Anfange October erfreueten sich die Sammlungen des zahlreichen Besuches meklenburgischer Lehrer, welche zu der allgemeinen Lehrer=Versammlung in Schwerin vereinigt waren, und großes Interesse für die hier niedergelegten Alterthümer zeigten, was vielleicht nicht ohne erfreuliche Folgen bleiben wird. Schon in den nächsten Tagen nach ihrer Abreise gingen verschiedene Sendungen von Alterthümern ein.

Als neue Erwerbungen für die einzelnen Sammlungen sind zu verzeichnen:

A. Alterthümersammlung.

1) Aus der Steinzeit.

1 Menschenschädel, gefunden auf dem Gute Reez bei Schwan beim Torfstich auf einer Wiese ungefähr 10 Fuß tief, geschenkt von dem Herrn v. Plessen auf Reez.

1 Keil aus Hornblende, 1 Keil aus Feuerstein, 1halbmondförmige Sichel (oder Säge) aus Feuerstein und

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einige Knochen, gefunden in einem Torfmoore der Erbmühle zu Mühlen=Rosin, am Inselsee bei Güstrow, an derselben Stelle, wo früher die in dem Quartalberichte XXXVII, 3, verzeichneten Alterthümer gefunden wurden, geschenkt von dem Herrn Erbmüller Vick durch Vermittelung des Herrn Senators Beyer zu Güstrow.

1 geschliffener Keil aus hellgrauem Feuerstein, 9 Cent. lang, gefunden auf der Stadtfeldmark von Neukalen, geschenkt von dem Herrn Bürgermeister Mau daselbst.

1 Keil aus hellbraunem Feuerstein, 10 Cent. lang, gefunden in der Haide bei Woosten bei Goldberg, geschenkt von dem Herrn Förster Bärens zu Sandhof.

1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, 23 Cent. lang, gefunden vor ungefähr 8 Jahren beim Drainiren auf dem sogenannten Kuhmoor bei Rehna, geschenkt von dem Herrn Apotheker Soldat zu Rehna, jetzt zu Sülze.

1 großer, überall geschliffener Keil aus hellbraunem Feuerstein, gefunden zu Plate bei Schwerin in der Stör, geschenkt von dem Herrn Studiosus Groth zu Schwerin.

1 sehr gut geschliffener Keil aus hellgrauem Feuerstein, ohne irgend eine Nachricht unter dem Poststempel Ludwigslust eingesandt.

1 roh geschlagene, an den Seiten stark abgenutzte Lanzen= oder Harpunenspitze aus Feuerstein, 7 Cent. lang, gefunden auf dem Kalkwerder am Ufer des großen Schweriner Sees, geschenkt von dem Herrn Oberzolldirector Oldenburg in Schwerin.

1 sehr kleine, nur 8 Cent. lange, aber doch 14 Gramm schwere Lanzen= (oder Pfeil=)Spitze und eine 9 Cent. lange Säge oder Sichel, gefunden auf dem Pfarracker zu Lohmen bei Dobbertin, geschenkt von dem Herrn Pastor Lierow daselbst.

1 halbmondförmige Säge aus dunkelgrauem Feuerstein, gefunden in einer Sandgrube in Neukloster, geschenkt von dem Herrn Lehrer Kreutzer zu Zehlendorf bei Lage.

1 halbmondförmige Säge aus Feuerstein, gefunden in dem Hofküchengarten am Kalkwerder bei Schwerin. (An die großherzogliche Sammlung abgeliefert.)

2) Aus der Bronzezeit.

Eine unvollständige große Hängeurne aus Bronze, gefunden vor mehren Jahren im westlichen Meklenburg, von dem Vereine angekauft.

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3) Aus dem christlichen Mittelalter.

1 gußeiserne Ofenplatte mit einem gut gezeichneten Reliefbilde aus der biblischen Geschichte, gefunden zu Brützkow bei Rehna, geschenkt von dem Herrn Max v. Lehsten zu Hof Rühn.

3 wahrscheinlich mittelalterliche Menschenschädel, gefunden zu Parchim auf dem Mönchhofe, einer Eldeinsel, auf welcher früher das Franciskanerkloster stand, unmittelbar auf dem Torfboden, der aber nur 4 Fuß hoch mit Dammerde bedeckt ist. Eingesandt von dem Herrn Senator Beyer daselbst.

B. Büchersammlung.

I. Kunstgeschichte.

  1. Kleinere Kunst und Industrie im Alterthum, dargestellt von Dr. C. Friederichs. Düsseldorf 1871. 8°.

II. Nordamerika.

  1. Report of the commission of agricultur for the years 1870, 1871. Washington 1872. 8°.
  2. Bureau of Statistics - Report on Immigration 1871. Washington 1872. 8°.
  3. Annual Report of the board of regents of the Smithsonian Institution, for the year 1871. 8°. (Nr. 2-4 Tauschexemplare v. d. gen. Gesellschaft.)

III. Russische Ostsee=Provinzen.

  1. Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft zu Dorpat. Bd. VII, 2. Dorpat 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)

IV. Dänemark.

  1. Mémoires des Antiquaires du Nord. 1870, 1871. Copenhague. 8°.
  2. Aarbøger for Nordisk oldkyndighed og historie. 1871, II. III. IV.; 1872, I. 8°. (Nr. 6 u. 7 Tauschexemplare v. d. Königl. Gesellschaft für nord. Altertumskunde zu Kopenhagen.)
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V. Schweden.

  1. Antiqvarisk Tidskrift for Sverige III. 2 u. IV, 1. 8°.
  2. Konigl. Vitterhets historie och Antiqvites Akademiens Manadsblad. 1972. No. 1 - 7. 8°. (Nr. 8 und 9 Tauschexemplare v. d. Akademie zu Stockholm.)
  3. Studier i jämföranda fornforskning, af Dr. Hans Hildebrand. Stockholm 1872. 8°. (Geschenk des Herrn Verfassers.)

VI. Belgien.

  1. Bulletin de la Société scientifique et littéraire au Limbourg. Tom. XII. Tongres 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)

VII. Die Schweiz.

  1. Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, XXXVI. enth.: Die biblischen Deckengemälde in der Kirche von Zillis, im Canton Graubündten, von Dr. J. Rudolf Rahn. Zürich 1872. 4°.

VIII. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Correspondenzblatt des Gesammtvereins der Deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XX, Nr. 6. 7. 8. (Zwei Exemplare.)

IX. Oesterreich.

  1. Fontes Rerum Austriacarum. Abth. II, Bd. XXXV. Wien 1871. 8°.
  2. Archiv für Oesterreichische Geschichte. Bd. XLVII, 2. Wien 1871. 8°.
  3. Sitzungsberichte der K. K. Akademie der Wissenschaften. Bd. LXVIII. 2. 3. 4.; LXIX, 1. 2. 3. Wien 1871. 8° (Nr. 14-16 Tauschexemplare v. d. gen. Akademie.)
  4. Topographie von Niederösterreich. Heft 2 u. 3. Wien 1871. 4°.
  5. Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich. Jahrg. V. Wien 1871. 8°. (Nr. 17. u. 18 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)

X. Bayern und Würtemberg.

  1. Sitzungsberichte der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1871, Heft 5 u. 6; 1872, Heft 1. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Akademie.)
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  1. Dreiunddreißigster Bericht des historischen Vereins zu Bamberg. 187l. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)
  2. Würtembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Jahrg. 1870. 8°. (Tauschexemplar von dem Königl. statistisch=topographischen Büreau zu Stuttgart.)

XI. Sachsen.

  1. Mittheilungen des Königl. Sächsischen Alterthumsvereins. Heft 22. Dresden 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)

XII. Preußen, Pommern, Sachsen und Lausitz.

  1. Altpreußische Monatsschrift. Bd. IX, 4. Königsberg 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. Alterthumsgesellschaft Prussia.)
  2. Königin Margarete. Ein Bild aus Stralsunds Vergangenheit. Novelle von Th. Pyl. Stralsund 1872.
  3. Lieder und Sprüche des Fürsten Wizlaw v. Rügen, übersetzt und erläutert von Dr. Th. Pyl. (Nr. 24 u. 25. Geschenke des Herrn Verfassers.)
  4. Geschichts=Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. VII, 2. (Tauschexemplar v. d. Vereine für Geschichte und Alterthumskunde des Herzogthums und Erzstifts Magdeburg.)
  5. Regesten der Herren v. Borch im Erzbisthum Magdeburg, herausg. von L. v. Borch, Erbherrn zu Briesenthal. 8°. (Geschenk des Herrn Herausgebers.)
  6. Neues Lausitzisches Magazin. Bd. XLIX, 1. Görlitz 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften.)

XIII. Schleswig=HoIstein und Lauenburg.

  1. Zeitschrift der Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schleswig=Holstein und Lauenburg. Bd. III, l. Kiel 1872. 8 °. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)

XIV. Meklenburg.

  1. Geschichte Meklenburgs, dargestellt von Adolf Pentz. Theil II. 8°. (Geschenk des Herrn Verfassers.)
  2. Illustrirtes Meklenburgisches Volksbuch auf das Jahr 1872. 8°.
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  1. Das Wittwen=Institut für Prediger, Lehrer etc. . in Meklenburg, dargestellt von F. Wagner. 1872. 8°. (Nr. 31. u. 32. Geschenke der Hinstorff'schen Hofbuchhandlung.)

C. Naturaliensammlung.

Ein großer ringförmiger Feuerstein (Spongia annulus), gefunden in diesem Herbste auf der Paulshöhe bei Schwerin beim Ausgraben der Kellerräume für eine neue Bierbrauerei in einer Tiefe von 28 Fuß. Geschenk des Herrn Bauconducteurs Luckow zu Schwerin.

1 kleiner Pferdeschädel, gefunden im Sommer 1871 bei Ziehung eines tiefen Grabens in dem sumpfigen Boden des sogenannten Gartbruches, einem Gehölze nahe bei Neukalen. Der Schädel ist bräunlich gefärbt, das Nasenbein abgebrochen. Geschenk des Herrn Bürgermeisters Mau zu Neukalen.

1 großer Zahn mit einem Stücke des Oberkiefers vom Höhlenbären (Ursus spelaeus) und mehre kleine Knochen aus dem sogenannten "Scharzfelder Einhornloch", der bekannten Tropfsteinhöhle bei Lauterberg am südlichen Harz. Geschenk des Herrn Architekten G. Stern in Schwerin.

III. Die Matrikel des Vereins.

Auf die Mittheilung unsers ersten Secretairs an den Herrn Grafen v. Moltke über die in der letzten General=Versammlung erfolgte Proclamation Seiner Excellenz zum Ehrenmitgliede erfolgte unterm 27. Julii d. J. die eigenhändige schmeichelhafte Antwort, daß er es sich "zur besonderen Ehre anrechnen werde, dem Vereine für die Geschichte seines Geburtslandes anzugehören". In Folge dessen ist demselben das betreffende Diplom nebst dem letzten Bande der Jahrbücher und den bis jetzt erschienenen 7 Bänden des Urkunden=Buches eingesandt worden.

Unter den correspondirenden Mitgliedern hatte der Verein in diesem Quartal den Verlust zweier bedeutender Männer zu beklagen. Am 1. Septbr. 1872 starb zu Neustrelitz der Staatsminister Wilhelm Freiherr v. Hammerstein im 65. Lebensjahre unerwartet am Schlagflusse. Geboren am 6. Mai 1808 trat er sofort nach vollendetem Studium in den Staatsdienst seiner Heimath, des

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Königreichs Hannover, war schon im Jahre 1839 Regierungsrath bei der Landdrostei Lüneburg, 1843-48 vortragender Rath im Ministerium des Innern, 1850 Finanzminister, 1852 - 54 und zum zweiten Male 1862 - 65 Minister des Innern. Im Jahre 1866 nahm er seinen Abschied, ward aber von seinen Mitbürgern in den constituirenden und den ersten ordentlichen Reichstag gewählt, bis er 1868 von Sr. K. H. dem Großherzoge von Meklenburg=Strelitz zum Staatsminister berufen ward. Neben diesen richtigen Staatsgeschäften fand der Verstorbene stets die nöthige Zeit zu gründlichen historischen Studien, deren Resultate theilweise dem Drucke übergeben sind und allgemeine Anerkennung gefunden haben. Dahin gehören namentlich die Abhandlung über die alten Gerichte des Stiftes Verden, über die Besitzungen der Grafen v. Schwerin am linken Elbufer, und vor allen sein bedeutendstes Werk: Der Bardengau. Die Abhandlung über die Grafen von Schwerin, welche zuerst 1859 in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen und 1860 etwas abgekürzt im 25. Bande unsrer Jahrbücher erschien, brachte ihn in engern wissenschaftlichen Verkehr mit unserm ersten Secretair Herrn Geh. Archivrath Lisch, welcher dem Verfasser das von ihm selbst und dem verstorbenen Dr. Duve zu Ratzeburg gesammelte Material über denselben Gegenstand zu Gebote stellte. In Folge dieser Verbindung ward der Verstorbene bereits am 12. April 1868 zu unserm correspondirenden Mitgliede ernannt, und hat seitdem unserm Vereine bei jeder Gelegenheit sein lebhaftes Interesse bewiesen. Noch der letzte Band unserer Jahrbücher, welcher erst in diesem Herbste ausgegeben werden wird, enthält 2 neue Abhandlungen von seiner Hand, und noch 8 Tage vor seinem Tode, am 25. August, sandte er mehre kleine Arbeiten ein.

Ihm folgte schon am 8. Septbr. d. J. der Geh. Archivrath Dr. Adolf Friedrich Riedel zu Berlin, ein Meklenburger von Geburt, Sohn des Pastors Riedel zu Biendorf, später zu Vietlübbe bei Gadebusch, geb. zu Biendorf am 5. Decbr. 1809 und correspondirendes Mitglied des Vereins seit dessen Gründung im Jahre 1835. Der Verstorbene war ein Mann von ungewöhnlicher geistiger Gewandtheit und Thätigkeit, wofür die lange Reihe seiner Schriften Zeugniß ablegt. Gleich seine erste Arbeit, die Mark Brandenburg im 13. Jahrhundert, hat seinen Ruf als Historiker begründet, und findet noch jetzt allgemeine und verdiente Anerkennung. Sein bedeutendstes Werk ist aber der 36 Bände Text und

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5 Registerbände umfassende Novus codex diplom. Brandenburgensis, der trotz aller Mängel im Einzelnen doch als eine der wichtigsten Quellen der Geschichte ganz Norddeutschlands anerkannt und für den Forscher wahrhaft unentbehrlich ist. Daneben fehlte es dem Verstorbenen nicht an Neigung und Muße zu einer zeitweise sehr bedeutenden politischen Wirksamkeit, ja selbst zu umfassenden industriellen Unternehmungen, bis der Typhus seiner Thätigkeit im 63. Jahre seines Lebens ein Ziel setzte.

Neu ernannt ward in der letzten Quartal=Versammlung am 7. d. M. zum correspondirenden Mitgliede Herr Professor Engelbrecht zu Kopenhagen, früher Vorsteher der verhältnißmäßig bedeutenden Alterthumssammlung in Schleswig, die jetzt theilweise in deutschen Besitz übergegangen ist. Derselbe ist einer der bedeutendsten und unbefangensten Forscher Dänemarks und hat diesen Sommer eine wissenschaftliche Reise, vorzugsweise zum Studium der sogenannten alten Eisenzeit, in Deutschland und Frankreich unternommen, auf deren Resultate man mit Recht gespannt sein darf.

An ordentlichen Mitgliedern gewann der Verein seit der General=Versammlung am 11. Julii d. J. die Herren Conrector a. D. Schultz in Schwerin, Pensionair Krefft zu Kirch=Stück, Hauptmann Ulrich v. d. Lühe zu Schwerin, Advocat Dr. Mantius daselbst, cand. philol. Reimers zu Rostock, Kammer=Ingenieur Alban zu Schwerin und Lehrer Stark an der Realschule daselbst. Gestorben ist dagegen nur einer, der Dr. med. Hüen zu Rostock, früher zu Marlow, Mitglied des Vereins seit 14. Decbr. 1856, gestorben am 8. Septbr. 1872. Der Verein ist dem Verstorbenen für die wiederholte Einsendung interessanter Geschenke zu besonderem Danke verpflichtet.

W. G. Beyer, Dr., Archivrath,     
als zweiter Secretair des Vereins.   

 

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XXXVIII. 2

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, im Januar 1873.

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I. Wissenschaftliche Thätigkeit.

F ür die Jahrbücher des Vereins sind während des letzten und theilweise schon des vorhergehenden Quartals folgende Abhandlungen eingeliefert:

1) Kleine Funde in Meklenburg aus wendischer und vorwendischer Zeit, von dem inzwischen verstorbenen Staatsminister Freiherrn v. Hammerstein zu Neustrelitz (am 25. August v. J., kurz vor seinem Tode eingesandt).

2) Das Heilige Moor bei Sanitz, von dem Herrn Geh. Archivrath Dr. Lisch.

3) Das Land Drenow, von demselben.

4) Die Stadt Woldegk, von demselben.

5) Zur Geschichte der letzten Prälaten in Meklenburg, von demselben.

6) Magdalene von Meklenburg=Stargard, Gemahlin des Grafen Burkhard von Barby, von demselben.

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7) Die letzten Nachkommen des Fürsten Pribislav von Parchim, von demselben.

8) Urkunden über die Kriege der Erzbischöfe von Magdeburg in Bezug auf Meklenburg, 1381-1384, von dem Herrn Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg.

Der größere Theil dieser Arbeiten ist bereits in den ersten 5 Bogen des unter der Presse befindlichen 38. Bandes der Jahrbücher zum Abdrucke gekommen.

Der Druck des Meklenburgischen Urkunden=Buches ist in der letzten Zeit aus verschiedenen Gründen etwas langsamer vorgeschritten, als gewöhnlich, doch ist der 50. Bogen des 8. Bandes bereits unter der Presse.

II. Die Sammlungen des Vereins.

Verzeichniß der neuen Erwerbungen:

A. Alterthümersammlung.

1) Aus der Steinzeit.

5 Feuersteinspäne, offenbar von Menschenhand geschlagen und gebraucht, gefunden auf dem Feisneck=Burgwall bei Waren, geschenkt von dem Herrn Gymnasiallehrer Struck daselbst.

1 kleiner Keil aus Feuerstein, roh behauen, anscheinend aus einem Bruchstücke eines größeren, geschliffenen Keils; die abgebrochene Spitze eines Dolches aus Feuerstein; 5 Feuersteinspäne oder Messer, zum Theil an der Schneide abgenutzt, und 1 Spindelstein aus Thon, gefunden zu Weitendorf bei Brüel an einer Stelle nahe an der Warnow, wo schon früher ähnliche Gegenstände gefunden sind, vielleicht einer Fabrikstätte, und geschenkt von dem Herrn Gutsbesitzer Burgwedel auf Weitendorf.

1 Dolch aus Feuerstein, sehr schmal und sorgfältig bearbeitet, gefunden zu Vietgest, geschenkt von dem Herrn Senator Beyer zu Güstrow.

1 Unterschenkelknochen (tibia) von einem alten, großen Rinde, dunkelbraun gefärbt, gefunden zu Mühlen=Rosin in dem Torfmoor der Erbmühle am Inselsee, wo schon wiederholt viele Alterthümer der Steinzeit gefunden sind (Quartalber. XXXVIII. 1, S. 3), geschenkt von dem

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Herrn Senator Beyer zu Güstrow. - Der Knochen wird nicht einem wilden bos primigenius angehören, aber doch wohl einem großen Thiere der alten zahmen Race. Ein anderer dort gefundener kleinerer Knochen ist schon verwittert.

2) Aus der Bronzezeit.

Ein Schwert aus Bronze, gefunden zu Neuhof bei Zehna, 4-5 Fuß tief in der Erde, geschenkt von dem Gutsbesitzer Herrn Gösch daselbst.

3) Aus der Eisenzeit.

1 hellblaue römische Glasperle, mit mehren gleicher Art gefunden zu Dämelow bei Kleinen, geschenkt von dem Herrn v. Storch auf Dämelow.

1 Spindelstein und einige Urnenscherben von einem Begräbnißplatze der ersten Eisenzeit zu Hohen=Vicheln, geschenkt nebst Beschreibung des Platzes von dem Herrn Dr. Crull und Oberforstmeister Plüschow zu Wismar.

4) Aus dem christlichen Mittelalter.

1 regelmäßig bearbeiteter, gelbgrauer Sandstein von der Form einer Halbkugel mit einem eingeriebenen Kreise auf der geebneten Unterfläche, 2 Pfund schwer und 11 Centim. im Durchmesser, gefunden zu Gevezin bei Neubrandenburg beim Sandgraben mehre Fuß tief in der Erde, geschenkt von dem Herrn Gutsbesitzer Pogge daselbst.

B. Bildersammlung.

Bildniß des Dr. Hadrian v. Minsicht, Leibarztes des Herzogs Adolph Friedrich 1631- 38. Photographie von einem Kupferstiche. Geschenkt von dem Herrn Oberstabsarzt Dr. Blanck zu Schwerin.

Darstellung der Uebergabe der Stadt Wismar an den König Christian von Dänemark, 13. December 1675, mit der dänischen Unterschrift: "Malet af C. A. Lorentzen, Stukket af Georg Haas". Kupferstich. Geschenkt von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar.

"Charte von Meklenburg, gezeichnet von F. Münchmeyer, gestochen von E. C. A. Behrns a. Hagenow," anscheinend hauptsächlich zum Zwecke der Darstellung des Eldeflusses. Q.=F. Geschenkt von dem Herrn Oberforstmeister Plüschow zu Wismar.

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C. Büchersammlung.

I. Belgien.

  1. Bulletin de l'Institut Archeologique Liegeois. T. X, 3. XI. 1. Liege 1871 u. 72. 8°. (Tauschexemplar von dem genannten Institut.)
  2. Annales de la Société Archéologique de Namur. T. XI. 3. Namur 1871. 8°. (Tauschexemplar von der genannten Gesellschaft.)

II. Die Schweiz.

  1. Basler Chroniken. Bd. I. Leipzig 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. historisch. Gesellschaft in Basel.)
  2. Der Geschichtsfreund. Bd. XXVII. 8° (Tauschexempl. von dem historisch. Vereine der fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug.)

III. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XIX. Nr. 9 bis 11. (Zwei Exemplare.)

IV. Bayern.

  1. Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte. Bd. XXVII, 3; XXIX, 1 u. 2; XXX. München 1869 bis 1870. 8°.
  2. Die Sammlungen des histor. Vereins von und für Oberbayern. Abth. III. Heft 2. 8°. (Nr. 6 u. 7 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)
  3. Verhandlungen des histor. Vereines von Oberpfalz u. Regensburg. Bd. XXVIII. Stadtamhof 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)
  4. Vierunddreißigster Bericht über das Wirken und den Stand des histor. Vereins für Oberfranken zu Bamberg 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)

V. Baden.

  1. Denkmale der Kunst u. Geschichte Badens. Fortsetzung des Alterthumsvereines zu Baden=Baden 1865, 1867, 1868. 4°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)
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VI. Sachsen.

  1. Mittheilungen von dem Freiberger Alterthumsvereine. Heft 9. Freiberg 1872. 8°. (Tauschexemplar v. dem gen. Vereine.)

VII. Preußen, Schlesien, Brandenburg, Sachsen.

  1. Altpreußische Monatsschrift. Bd. IX, 5-7. Königsberg 1872. 8°. (Tauschexpl. v. d. Gesellschaft Prussia.)
  2. Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Bd. XI. l. Breslau 1871. 8°.
  3. Scriptores Rerum Silesiacarum. Bd. VII. Breslau 1872. 4°.
  4. Acta Publica. Verhandlungen u. Correspondenzen der schlesischen Fürsten und Stände. Jahrg. 1620. Breslau 1872. 4°.
  5. Regesten zur schlesischen Geschichte. Vom Jahre 1251 bis 1258. Breslau 1872. 4°.
    (Nr. 13-16 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)
  6. Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin. Heft 5 u. 6. 8°.
  7. Berliner Chronik nebst Urkundenbuch. Jahrg. 1872. Fol. (Nr. 17 u. 18 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)
  8. Zeitschrift des Harz=Vereines für Geschichte und Alterthumskunde. Jahrg. V, 1 u. 2. Wernigerode 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)

VIII. Hannover.

  1. Die Alterthümer der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne, herausgegeben v. Alterthumsvereine in Lüneburg. Lief. VI. gr. 4°. (Tauschexpl. v. d. gen. Vereine.)

IX. Lübek.

  1. Urkundenbuch der Stadt Lübeck IV, 6-10. 4°. (Tauschexemplar v. d. Vereine f. Lüb. Geschichte u. Alterthumskunde.)

X. Meklenburg.

  1. Meklenb. Landrecht von Dr. H. Böhlau, Bd. II, 1. Weimar 1872. 8°. (Geschenk des Herrn Verfassers.)
  2. Die Hauptgottheiten der westwendischen Völkerschaften - und: Die Landwehren und die Grenzheiligthümer der Redarier. Vom Archivrath Dr. Beyer. Separatabdruck
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aus den Meklenb. Jahrbüchern. Jahrg. XXXVII. (Geschenk des Herrn Verfassers.)

  1. Die öffentliche Schule auf gefährlichem Irrwege. Vortrag vom Rector Heinr. Burgwardt. Wismar 1872. 8°. (Geschenk der Hinstorffschen Buchhandlung.)

D. Naturhistorische Sammlung.

Der hinterste Backenzahn eines Mammuths, ungefähr 33 Centim. lang und 15 Centim. dick, gefunden in der Gegend von Eschweiler am Niederrhein. Geschenk des Herrn Bauraths Wachenhusen in Schwerin.

Eine Elenschaufel und ein Hirschhorn, gefunden nahe bei einander in einem Moor bei Malchin, wo schon früher das Gerippe eines Rindes gefunden ward (Jahrb. XXIX, 275), geschenkt von dem Herrn Baurath Wachenhusen.

Schädel und Knochen von einem großen Hunde und Unterkiefer nebst anderen Knochen von einem Schweine, gefunden zu Klein=Woltersdorf bei Wismar 9 Fuß tief in einem Torfmoor, wo schon früher ein Hirschgeweih gefunden ward, geschenkt von dem Herrn Gutsbesitzer Voß daselbst.

Ein gleichmäßig geformter rundlicher Feuersteinblock, 47 Pfund schwer, nicht unwichtig zur Erläuterung der Anfertigung von Steinwaffen, gefunden beim Ausgraben der Kellerräume einer neuen Brauerei auf der Paulshöhe bei Schwerin, geschenkt von dem Herrn Bauconducteur Luckow in Schwerin (Der Keller ist bis 40 Fuß tief ausgegraben, wobei nur schöner, reiner Diluvialsand, mit wenig Steinschutt herausgefördert ward.)

Eine Sammlung schwarzer Schiefertafeln mit sehr schönen Pflanzenabdrücken, gefunden in der Gegend von Stolberg bei Aachen, geschenkt von dem Herrn Baurath Wachenhusen in Schwerin.

III. Die Matrikel des Vereins.

Zu den Vereinen und Anstalten, mit welchen unser Verein in regelmäßigem Schriftenaustausch und Correspondenz steht, ist in dem letzten Quartal das deutsche Centralmuseum für Völkerkunde in Leipzig hinzugekommen.

Als ordentliche Mitglieder sind dem Vereine die Herren Advocat Kahle in Parchim, Realschullehrer Schildt

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in Schwerin und Musikdirector Maßmann in Wismar beigetreten, wogegen wir auch den Verlust einer gleichen Anzahl älterer Mitglieder zu beklagen haben. Zu ihnen gehört namentlich der am 3. Decbr. 1872 im 89. Lebensjahre verstorbene ritterschaftliche Syndicus, Geh. Justizrath Dr. T. P. F. Ditmar in Rostock, welcher seit den 15. April 1835 Mitglied unseres Vereins war. Der Verstorbene, ein ausgezeichneter und überaus scharfsinniger Jurist, und vielleicht der gründlichste Kenner des meklenburgischen Staatsrechtes seiner Zeit, hat sich auch als Schriftsteller durch seine "Sammlung neuerer Meklenburg=Schwerinscher Gesetze und anderer auf die Rechtsgelehrsamkeit Bezug habender Urkunden" einen Namen erworben. Obgleich nur der erste Band (1841) und die 1.-3. Lieferung des zweiten Bandes (1847) erschienen sind, füllte das Werk zu seiner Zeit doch durch die vorzugsweise Berücksichtigung des von seinen Vorgängern fast ganz vernachlässigten. Staatsrechtes eine fühlbare Lücke aus. Auch von seinen zahlreichen und werthvollen amtlichen Erachten über staatsrechtliche Fragen sind mehre durch den Druck in weitern Kreisen bekannt geworden, z. B. ein "Historisch=erachtlicher Bericht über die Entstehung und Fortbildung der landesherrlichen oder bischöflichen Gewalt in Meklenburg und einige darauf bezügliche Verhältnisse. 1851".

Außerdem hat der Herr Pastor Zander zu Barkow, Mitglied des Vereins seit 19. Junii 1844, nach erfolgter Niederlegung seines Pfarramtes zu gegenwärtigem Neujahr gekündigt, und endlich ist der erst vor Kurzem beigetretene Herr Lieutenant v. Flotow aus Woldzegarten in Folge seiner Entfernung aus Meklenburg wiederum ausgeschieden.

W. G. Beyer, Dr. Archivrath,     
als zweiter Secretair des Vereins.   

 

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XXXVIII. 3

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, im April 1873.

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I. Wissenschaftliche Thätigkeit.

U nter dieser Rubrik ist auch für das abgelaufene Quartal seit Neujahr nur des ordnungsmäßigen ruhigen Fortschreitens der beiden Hauptwerke des Vereins kurz zu gedenken.

Der 8. Band des Meklenburgischen Urkunden=Buches ist bis zum 57. Bogen im Drucke vorgeschritten und die Vollendung desselben, sowie des folgenden 9. Bandes ist sowohl wissenschaftlich, als materiell durch den vorhandenen Cassenvorrath gesichert, nachdem die letzte Rate der bekanntlich auf 5 Jahre bewilligten Staatshülfe eingezahlt ist. Auch hat die mit dieser Angelegenheit betraute Commission nicht versäumt, schon jetzt die nöthigen Schritte zu thun, um die Stockung dieses wichtigen vaterländischen Unternehmens, so viel an ihr ist, zu verhindern. Hoffen wir auf einen günstigen Erfolg ihrer Bemühungen!

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Für die Jahrbücher des Vereins, deren Fortsetzung durch den ersten Secretair, Herrn Geh. Archivrath Dr. Lisch, gleichfalls mit gewohntem Eifer betrieben wird, habe ich aus dem letzten Quartal nur folgende antiquarische Beiträge allgemeinern Inhalts von dem Herrn Herausgeber anzumelden:

1) Ueber Räucherwerk und Harzkitt in der vorchristlichen Zeit.

2) Schiffsanker und Dorf Sasnitz auf Rügen.

3) Ueber die Fassung der Steinkeile.

4) Ueber die Bohrung der Streitäxte.

5) Die Steinzeit in Griechenland.

Außerdem wird der nächste Band wiederum eine Reihe von Berichten desselben Verfassers über einzelne, wichtige Alterthumsfunde bringen. Auch die gleichfalls von dem ersten Secretair geführte auswärtige Correspondenz ist in der jüngsten Zeit wieder sehr lebhaft gewesen, worüber der Schlußbericht dieses Jahres nähere Mittheilungen bringen wird.

II. Die Sammlungen des Vereins.

Verzeichniß der neuen Erwerbungen seit Anfang dieses Jahres:

A. Alterthümersammlung.

1) Aus der Steinzeit.

1 Steinhammer aus feinkörnigem Granit, auf jeder Seite mit einem unvollendeten Bohrloche, gefunden am Ufer des Zarrentiner Sees, geschenkt von dem Herrn Amtsregistrator Röhlcke zu Zarrentin, durch Vermittlung des Herrn Baumeisters Daniel zu Rehna.

3 ganze und 2 halbe Keile aus Feuerstein, gefunden im Sommer 1872 im Torfmoor bei dem Hofe Redentin, geschenkt von dem Herrn Rentier Mann in Wismar.

1 halber Schmalmeißel aus Feuerstein, 1 Reibstein aus Quarz, mehre zerbrochene Hirschgeweihe und einige Thierknochen, gefunden auf der sogenannten Wolfsburg im Torfmoor bei Wismar, geschenkt von dem Herrn Rentier Mann in Wismar.

1 halber Keil und ein spanförmiges Messer aus Feuerstein, gefunden auf dem Weitendorfer Felde bei Brüel,

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wo schon früher wiederholt ähnliche Sachen gefunden wurden, geschenkt von dem Herrn Burgwedel auf Weitendorf.

Bruchstück eines Keiles aus Feuerstein, gefunden zu Neukloster, geschenkt von dem Herrn W. Herlitz daselbst.

1 künstliches Geflecht aus Weidenbast, gefunden 10 Fuß tief im Wietower Torfmoor bei Wismar, geschenkt von dem Herrn v. Blücher auf Wietow. (Ausführlicher besprochen in den diesjährigen Jahrbüchern.)

2) Aus der Bronzezeit.

1 Framea aus Bronze mit flacher Schaftrinne, stark verrostet, und ein Spindelstein aus Sandstein, auf beiden Seiten mit strahlenförmig auslaufenden eingegrabenen Linien verziert, gefunden auf dem Wietower Felde bei Ziehung eines Grabens, geschenkt von dem Herrn v. Blücher auf Wietow.

3) Aus dem Mittelalter und der neuern Zeit.

Ein Abdruck in rothem Wachse von einer alten runden Holzform (den Jahrb. VIII. Bd., S. 38 beschriebenen ähnlich) mit dem Wappenbilde eines Adlers. Geschenk Sr. Durchlaucht des Fürsten K. F. von Hohenlohe=Waldenburg zu Kupferzell.

1 eiserner Säbel mit breiter, zweischneidiger Klinge, und 1 schmaler, vierschneidiger Stoßdegen, beide vielleicht aus dem 17. Jahrhundert, sowie 2 Unterkinnladen von einem großen Rinde und 1 Unterkinnbacken von einem kleinen Rinde, gefunden in dem Bette des ehemaligen Mühlenbaches vor der "Windpforte" hinter dem "Fürstengarten" bei Wismar, in der Nähe von Lehnensruh. Geschenk des Herrn Rentiers Mann in Wismar.

B. Münzsammlung.

8 Silbermünzen, sogenannte Wendenpfenninge, Nachbildungen aus dem 11. Jahrhundert, aus einem größern Funde von Blowatz bei Wismar. Geschenk des Herrn Dr. Crull in Wismar.

1 französische Kupfermünze (unklar). Geschenk eines Ungenannten.

5 alte silberne Scheidemünzen der Stadt Rostock. Geschenk des Herrn Amtsverwalters Burchard in Rostock.

1 kleine silberne Medaille auf den König CarI XII. von Schweden 1707; 1 messingene Denkmünze auf die

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internationale Gartenbauausstellung zu Hamburg 1869; 1 silberne deutsche und 1 vergoldete französische Wallfahrts= (Marien) Medaille; 1 meklenburgischer Scharf 1570; 3 Rostocker Pfenninge 1622, 1725, 1829; 3 meklenburgische Kupfermünzen 1872. Geschenk des Herrn Drosten v. Pressentin in Schwerin.

1 kleine Medaille auf "Marquis of Granby" 1774, bei Schwerin gefunden. Angekauft.

C. Bildersammlung.

Das Portrait des meklenburgischen Oberpräsidenten und Geheimen Pathos Dietrich v. der Lühe auf Thelkow etc. . († 24. Aug. 1673) und das Wappen der v. der Lühe, große Photographien nach den Kupferstichen in der Leichenrede auf den verstorbenen Oberpräsidenten. Geschenk des Herrn Hauptmanns v. der Lühe in Schwerin.

D. Büchersammlung.

I. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XX, 12. (Zwei Exemplare.)

II. Oesterreich.

  1. Mittheilungen der K. K. Central=Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Jahrg. XVII. Wien 1873. Kl. Folio. (Tauschexemplar v. d. gen. Commission.)

III. Bayern.

  1. Sitzungsberichte der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1872. Heft 2 u. 3. München 8°.
  2. Inhaltsverzeichniß zu Jahrg. 1860 - 70 der Sitzungsberichte der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. (Nr. 3 u. 4 Tauschexemplare v. d. gen. Akademie.)

IV. Baden.

  1. Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts=, Alterthums= und Volkskunde von Freiburg. Bd. II, 3. Freiburg i. Br. 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)
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V. Frankfurt a. M.

  1. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Bd. V, 1872. 8°.
  2. Neujahrsblatt des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt a. M. 1872. 4°.
  3. Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins. Bd. IV. Nr. 3. 1872. 8°. (Nr. 6 - 8 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)

VI. Preußen, Pommern, Sachsen.

  1. Altpreußische Monatsschrift. Bd. X, 1. Königsberg. (Tauschexemplar v. d. Alterthumsgesellschaft Prussia.)
  2. Geschichts=Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. VII, 4. 8°. (Tauschex. v. d. Vereine f. Gesch. u. Alterthumsk. des Herzogthums u. Erzstifts Magdeburg.)
  3. Zeitschrift des Harz=Vereins für Geschichte u. Alterthumskunde. Jahrg. V, 3 u. 4. Wernigerode 1872. 8°. (Tauschexempl. v. d. gen. Vereine.)

VII. Hannover.

  1. Jahrbücher der Gesellschaft für bildende Kunst u. vaterländische Alterthümer zu Emden. Heft 1. Emden und Aurich 1872. 8°. (Tauschex. v. d. gen. Gesellschaft.)

VIII. Braunschweig.

  1. Urkundenbuch der Stadt Braunschweig. Bd. I. Abth. III. Bogen 34- 87. 1873. 4°. (Geschenk des Magistrats der St. Braunschweig.)

IX. Schleswig, Holstein und Lauenburg.

  1. Zeitschrift der Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Dritter Band (Schluß=Heft). Kiel 1873. 8°.
  2. Register über die Zeitschriften und Sammelwerke für Schlesw.=Holst.=Lauenb. Geschichte, von Dr. Eduard Alberti. Kiel 1873. 8°. (Nr. 13 u. 14 Tauschex. v. d. gen. Vereine.)

X. Hamburg.

  1. Hamburgs Bürgerbewaffnung. Ein geschichtl. Rückblick von C. F. Gaedechens. Hamburg 1872. 4°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine für Hamb. Geschichte.)
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XI. Meklenburg.

  1. Großh. Mecklenburg=Schwerinscher Staats=Kalender 1873. 8°. (Geschenk des Herrn Dr. Fr. W. Bärensprung.)
  2. Programm des Gymnasium Fridericianum von Ostern 1873, enth.: L. v. Passavant gegen Agricola's Sprichwörter, in wortgetreuem Abdruck herausg. u. erläutert vom Oberlehrer Dr. Fr. Latendorf. 4°. (Geschenk des Herrn Director Dr. Büchner.)
  3. Jahresbericht über die Realschule zu Schwerin 1873. 4°. (Geschenk des Herrn Director Giseke.)

E. Naturhistorische Sammlung.
(Vergl. oben sub A. 1.)

1 alte Rennthierstange und andere Geweihstücke, gefunden zu Dämelow bei Kleinen 12 Fuß tief in der Erde. Geschenk des Herrn v. Storch auf Dämelow.

III. Die Matrikel des Vereins.

Durch den Tod des Professors Ludwig Giesebrecht zu Stettin, den die Zeitungen bereits zur allgemeinen Kunde gebracht haben, hat nicht nur die historische Wissenschaft überhaupt, insbesondere die Geschichtsforschung der deutschen Ostseeländer, sondern auch unser Verein unmittelbar einen schmerzlichen Verlust erlitten, da er uns seit 38 Jahren als correspondirendes Mitglied angehörte. Der Verstorbene ist zu Mirow in Meklenburg geboren, wo sein Vater Benjamin Giesebrecht Prediger war, und sein Bruder, ordentliches Mitglied unsers Vereins, noch heute als Nachfolger des Vaters wirkt, wogegen der berühmte Verfasser der deutschen Kaisergeschichte, Wilhelm von Giesebrecht, jetzt Professor in München, der Sohn eines dritten, in Berlin verstorbenen ältern Bruders ist. Die ältern Vorfahren aber waren seit langer Zeit als Bürger und Hausbesitzer in Rostock angesessen. Unser Ludwig Giesebrecht ward bald nach seiner Rückkehr aus den Freiheitskämpfen gegen Napoleon I., die er als Freiwilliger mitgemacht hatte, im Jahre 1816, als Lehrer an dem Gymnasium zu Stettin angestellt, woselbst er, später zum Professor ernannt, 50 Jahre hindurch eine segensreiche Thätigkeit entwickelte, bis er sich, nach erlebtem Amtsjubiläum, zurückzog. Als Schriftsteller machte er sich zuerst durch eine im Vereine mit Haken unter dem Titel: Pommersche

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Provinzial=Blätter herausgegebene Zeitschrift bekannt. Größer sind seine Verdienste um die vaterländische Geschichte, deren Erforschung er sich mit ganzer Liebe und dem glücklichsten Erfolge hingab. Schon im Jahre 1824 ward in Pommern, bei Gelegenheit der Jubelfeier der Einführung des Christenthums durch den Bischof Otto, die Gründung eines Vereins für pommersche Geschichte und Alterthumskunde angeregt, welcher hauptsächlich in Folge "des rastlosen Eifers der Professoren Giesebrecht und Kosegarten", beide altmeklenburgischen Geschlechtern angehörig, schon am 15. Juni 1825 in der ersten General=Versammlung eröffnet werden konnte, und dessen Stettiner Abtheilung bis zum Jahre 1829 durch Giesebrecht als ersten Secretair geleitet ward. Unter den Arbeiten des Vereins, welche zuerst theilweise in der erwähnten Zeitschrift, und nach deren Aufhören in den von dem Vereine selbst herausgegebenen "baltischen Studien" veröffentlicht wurden, zeichnen sich namentlich seine eignen zahlreichen historischen Abhandlungen aus, wogegen sein Urtheil in antiquarischen Dingen weniger sicher war. Diese Verdienste des Verstorbenen um den pommerschen Verein mußten hier besonders hervorgehoben werden, weil letzterer das unmittelbare Vorbild des unsrigen geworden ist, indem dessen Gründer, unser Lisch, bei einem längern Aufenthalte in Stettin zum Zwecke specieller archivalischer Studien vor Antritt seines Amtes als Archivar im Jahre 1834 vorzugsweise durch jenen zu diesem, für die meklenburgische Geschichtsforschung so folgenreich gewordenen, Unternehmen angeregt ward, weshalb Giesebrechts und Kosegartens Namen in unsrer Matrikel unter den ersten correspondirenden Mitgliedern fast obenanstehen. - Das Hauptverdienst aber erwarb sich der Verstorbene durch seine im Jahre 1843 in 3 Bänden erschienenen, durch Gelehrsamkeit und Scharfsinn gleich ausgezeichneten "Wendischen Geschichten", ein Werk, dessen hoher Werth für die Geschichte der deutschen, einst slavischen Ostseeländer durch die Kritik allgemein anerkannt ist und dem Verfasser für immer seine Stelle unter den ersten vaterländischen Geschichtsforschern angewiesen hat. Im Jahre 1848 ward seine wissenschaftliche Thätigkeit auf kurze Zeit unterbrochen, indem das Vertrauen seiner Mitbürger den als ächten Vaterlandsfreund bekannten Mann als Abgeordneten der Stadt Stettin für das deutsche Parlament nach Frankfurt sandte. Nach seiner Rückkehr nahm er dieselbe in erweitertem Umfange wieder auf, indem er in den Jahren 1860-65 mit Böhmert unter dem Titel Damaris eine

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philosophische Zeitschrift mit religiöser Tendenz herausgab und sich nebenbei auch als talentvoller Dichter bewährte. Daß er aber seine historischen Studien darüber nicht vergaß, beweist die noch in hohem Alter, 10 Jahre vor seinem Tode, veröffentlichte kleine, mit Jugendfrische geschriebene Abhandlung über eine allgemein interessante Episode aus der Geschichte seiner engsten Heimath: "Der Fürstenhof in Mirow während der Jahre 1708-1761", so viel ich weiß, sein Schwanengesang. Er starb am 18. März zu Jasenitz im Kreise seiner Verwandten, 81 Jahre alt, nur 1 1/2 Jahr nach dem Tode eines andern im Auslande berühmt gewordenen meklenburger Historikers, des gleichfalls zu den Unsrigen gehörigen Professors A. F. Riedel zu Berlin 1 ).

Auch aus dem Kreise der ordentlichen Mitglieder des Vereins riß der Tod zwei Männer heraus, die, dem Mittelpunkte unsrer Thätigkeit näherstehend, Gelegenheit hatten, sich persönlich mehr daran zu betheiligen, als ferner stehende. Am 18. März, also an demselben Tage mit dem Professor Giesebrecht, starb der Präpositus Dr. Hermann Schencke, Pastor zu Pinnow, geb. zu Schwerin im Jahre 1803 und Mitglied des Vereins seit dem 11. Juli 1849. Sein lebhaftes Interesse an den Arbeiten desselben bewies er theils durch häufige Geschenke für unsre Sammlungen, Berichte über Alterthümer, Mittheilungen von Sagen aus seiner Nachbarschaft, theils durch den regelmäßigen Besuch der General=, häufig auch der Quartal=Versammlungen des Vereines fast bis zu seinem Ende, ungeachtet seines schweren, körperlichen Leidens in den letzten Jahren seines Lebens. Und wie hier bethätigte er auch bei anderer Gelegenheit seinen gemeinnützigen, vaterländischen Sinn, vor allem durch seine erfolgreiche Thätigkeit als Mitglied des Patriotischen Vereines, dessen Crivitzer District 1845 durch ihn gegründet und bis zum Sommer 1872 als dessen Vorsteher geleitet ward, in Folge dessen ihm die Stadt Crivitz schon im Jahre 1857 in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste um dieselbe das Ehrenbürgerrecht verlieh 2 ).

Ihm folgte am 30. d. M. der Geschichts= und Portrait=Maler Fischer in Schwerin aus einer angesehenen französischen Familie Poisson, dessen Vater in der Revolution nach Deutschland auswanderte, und sich unter dem obigen deutschen Namen als Maler in Schwerin niederließ, wo sich


1) Quartalbericht XXXVIII. 1. (Octbr. .1872.)
2) Vergl. Meklenb. Anzeigen 1873, Nr. 69.
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Vater und Sohn den Ruhm als Künstler von hervorragendem Talente erworben haben. Letzterer trat dem Vereine am 20. Juni 1847 bei, und hat demselben mehre Zeichnungen von Alterthümern geliefert 1 ).

Als neue Mitglieder beigetreten sind in diesem Quartale der Herr Wilh. zurNedden, Lehrer an der höhern Schule zu Ludwigslust 2 ), und neuerdings der Herr Erblandmarschall Freiherr v. Maltzan auf Burg Penzlin.

Endlich ist zu erwähnen, daß von Seiten des South Kensington Museum zu London Einleitungen zum Austausch der beiderseitigen Druckschriften mit unserm Vereine getroffen sind.

W. G. Beyer, Dr., Archivrath,     
als zweiter Secretair des Verein.   

 

Vignette

1) Ueber seine Thätigkeit als Maler vergl. Meklenburgische Zeitung 1873, Nr. 100.
2) Neffe des verstorbenen Pastors zurNedden zu Konow, unsers vieljährigen Mitliedes, welcher seinem Erben die lange Reihe unsrer Jahrbücher, seine Lieblings=Lectüre, mit dem fast letztwilligen Wunsche hinterlassen hat, dieselben regelmäßig fortzusetzen.
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XXXVIII. 4

Quartal= und Schlussbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, im Juli 1873.

Vignette

D ie Wissenschaft der nationalen Alterthumskunde in Deutschland ist bekanntlich kaum ein halbes Jahrhundert alt, und fand bei ihrer ersten Verpflanzung aus dem stammverwandten germanischen Norden auf deutschen Boden und zwar zunächst in die Küstenländer der Ostsee nach dem Wiedererwachen des patriotisch=nationalen Geistes in Folge der sieg= und ruhmreichen Freiheitskriege gegen Napoleon den ersten bei unsern Philologen und Archäologen des klassischen Alterthums lange Zeit hindurch wenig Vertrauen und keinerlei Unterstützung. Gleichwohl sind ihre Fortschritte nach Ueberwindung aller Vorurtheile schon jetzt anerkannt sehr bedeutend. Durch den Fleiß und die Liebe der historischen Vereine sind die in allen Ländern deutscher Zunge angelegten Sammlungen von Alterthümern bereits an mehren Orten, vor allem in unsrer lieben Heimath, zu bedeutenden Nationalmuseen herangewachsen, die im Begriffe sind, sich die staatliche Anerkennung zu erwerben, und zur Förderung der Wissenschaft und Volksbildung neben den Museen der antiken Kunst in öffentlichen Gebäuden dem ganzen Volke geöffnet zu werden. Ja, es dürfte nachgerade die Geschichte unserer jungen Wissenschaft

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selbst zum Zwecke der Nachweisung der bisher gewonnenen Resultate eine lohnende Arbeit sein.

Es sei mir erlaubt, hier nur die Hauptmomente in dem Gange der betreffenden Forschungen, die bis jetzt fast ausschließlich durch die zahlreichen freien Vereine gefördert sind, kurz hervorzuheben, wobei die Verdienste gerade unsers Vereines nicht verschwiegen werden dürfen. Gleich beim Beginne der Arbeit führte die Ordnung der theilweise schon früher gesammelten Alterthümer zu der wichtigen Entdeckung einer historischen Tatsache, welche für den weitern Gang der Untersuchung gradezu entscheidend ward. Ich meine die vielbesprochene Dreitheilung unsrer Grab=Alterthümer nach dem Material und der Beschaffenheit der Alterthümer selbst und der damit zusammentreffenden Verschiedenheit in der Bauart der sie umschließenden Gräber, woraus in Verbindung mit andern Momenten mit Sicherheit deren Abstammung aus drei auf einander folgenden großen Perioden der Geschichte unsrer Gegenden gefolgert werden durfte. Die Tatsache selbst drängt sich jedem vorurtheilsfreien Beobachter von selbst auf, und ist daher namentlich in Dänemark sehr früh beachtet, und beiläufig auch ausgesprochen worden, wogegen es das unbestrittene Verdienst unseres Lisch ist, dieselbe zuerst der wissenschaftlichen Ordnung der Alterthümer und der weitern Forschung consequent zum Grunde gelegt zu haben, worauf der umsichtige Vorstand des großen Kopenhagener Museums sofort seinem Beispiel folgte. Von dort aus verbreiteten sich diese Ansichten demnächst über ganz Deutschland, und haben sich gegenwärtig trotz aller Vorurtheile und oft leidenschaftlichen Widerspruchs fast überall, neuerdings auch in England und theilweise selbst in Frankreich, unter den dortigen ganz ähnlichen historischen Erscheinungen, unbedingte Anerkennung erworben.

Auf Grundlage dieser wissenschaftlichen Ordnung der nationalen Alterthümer nach 3 großen Kulturepochen wendete sich die Forschung nunmehr zur Bestimmung des Ursprungs dieser im ganzen Norden Europas gleichmäßigen Entwickelung der Kulturverhältnisse. Stand dieselbe mit einem Wechsel der Bevölkerung dieser Gegenden in Verbindung? War sie die Wirkung eines ruhigen und allmählichen inneren Fortschritts der Bildung des Volkes, oder beruhete dieser Fortschritt auf dem Einfluß fremder, schon früher auf einer höhern Stufe der Kultur stehenden Völker? Diese Fragen sind Gegenstand langer Streitigkeiten geworden und haben zu gründlichen Untersuchungen geführt, die noch heute fort=

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dauern, aber schon jetzt nicht resultatlos geblieben sind. Allgemein anerkannt ist zuvörderst, daß die sogenannte Steinzeit die gemeinschaftliche Grundlage der Kultur aller europäischen Völker, nicht bloß diesseits, sondern auch jenseits der Alpen und des Balkan sei. In Betreff der folgenden Perioden stellte sich Dänemark fest und hartnäckig auf den einseitig nationalen Standpunkt, indem es auch hier eine ursprüngliche und selbstständige Kultur des Nordens behauptet, und den Einfluß fremder Völker mindestens auf ein möglichst geringes Maaß zu beschränken sucht, und nur eine mehr oder weniger nahe Verwandtschaft mit der Kultur des Auslandes auch in diesen Perioden zugiebt. Dagegen fand in Schweden eine zeitlang die besonders von Nilsen mit großer Energie und Gelehrsamkeit verfochtene Ansicht fast allgemeine Anerkennung, daß die ganze zunächst auf die Steinzeit folgende Bronze=Kultur nicht bloß phönizischen Ursprungs sei, sondern daß auch alle bedeutenden Kunstproducte dieser Zeit entweder direct durch den Handel in den Norden eingeführt, oder durch phönizische Kolonien dort fabricirt seien. In neuerer Zeit hat indeß diese in Deutschland von Anfang an bestrittene Ansicht selbst in Schweden entschiedenen Widerspruch gefunden, namentlich bei Wiberg 1 ), welcher sich der in Deutschland vorherrschenden Ansicht anschließt, daß in dieser Periode vorzugsweise die etruskische Kultur Oberitaliens, theils direct über die Alpen, theils über Gallien und Britannien, auf den germanischen Norden Einfluß gewonnen habe.

Mitten in diesen Streit fiel die neue wichtige Entdeckung der Pfahlbauten in der Schweiz, welche Alterthümer aller 3 Perioden in sich vereinigten und der Annahme einer constant fortschreitenden Bildung in diesem Gebiete das Wort zu reden schienen, während anderer Seits die Verwandtschaft, ja häufig die Identität der dort gefundenen Alterthümer mit den nordischen, namentlich durch Morlots leider nur unvollständig bekannt gewordene Vergleichung der reichen Schätze unsrer Schweriner Sammlungen mit denen der Pfahlbauten, bis zur Evidenz nachgewiesen ward, wogegen der Inhalt der letztern den im Allgemeinen allerdings ähnlichen Funden in den benachbarten Ländern jenseits der Alpen ferner zu stehen scheinen. Auch in dieser immer noch ungelösten Frage war es unserm Vereine gegönnt, noch in andrer Weise durch die Entdeckung der einheimischen Pfahlbauten, der ersten in Deutschland, direct einzugreifen. Doch gehören unsre Bauten


1) Wiberg, der Einfluß der klassischen Völker auf den Norden.
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dieser Art, so weit sie bis jetzt aufgedeckt worden sind, fast ausschließlich der jüngsten Periode derselben an und haben daher auf das Urtheil über die hier bisher besprochene Bronzeperiode keinen Einfluß haben können.

Kaum hatte sich die durch die Entdeckung der Pfahlbauten angeregte lebhafte Bewegung auf dem Gebiete der nationalen Alterthumskunde in Deutschland ein wenig beruhigt, als die neueste Aufdeckung römischer, oder genauer römisch=keltischer Gräber in Meklenburg der Forschung eine neue Richtung gab, die schon jetzt, zunächst für die richtige Beurtheilung der Kultur der dritten oder der Eisenperiode, entscheidend geworden ist, und deren Leitung noch immer vorzugsweise in der Hand unsers Vereins oder vielmehr seines Vorstehers liegt, von welchem die erste Anregung ausging. Als völlig gesichertes Resultat dieser mit Eifer fortgesetzten Forschung steht namentlich die historische Thatsache fest, daß der römische Handel schon seit der ersten Kaiserzeit einen viel bedeutendern Einfluß auf die Kultur des Innern Deutschlands ausübte, als bisher angenommen ward, und bereits seit dem 3ten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung seine festen Stationen bis in die damals noch germanischen Ostseeländer, sowie über das Meer hinaus zu den Inseln Nordens vorgeschoben hatte, so daß die ganze Eigenthümlichkeit dieser Periode, namentlich der in Dänemark noch unterschiedenen sogenannten älteren Eisenzeit, wesentlich diesem römischen und mittelbar, ja in der ältern Zeit theilweise unmittelbar, griechischem Einflusse zugeschrieben werden muß.

Die nächste Aufgabe der Forschung ist nun vor allen Dingen die möglichst genaue Feststellung der Handelswege, auf welchen dies neue Bildungselement in unsre Heimath eindrang. Zu dem Zwecke erlaubte ich mir schon vor 4 Jahren im Anschluß an die umfassenderen Arbeiten meines Collegen Lisch eine vollständige Uebersicht der bis jetzt in Meklenburg gefundenen römischen Fabrikate, namentlich auch der für die Chronologie vorzugsweise entscheidenden Münzen, mit möglichst genauer Angabe des Fundortes mitzutheilen 1 ), woran


1) Quartalbericht XXXIV. 4. S. 8-15. Am Schlüsse des dort mitgetheilten Münzverzeichnisses S. 12 haben sich leider einige Fehler eingeschlichen. Der dort erwähnte Kaiser Valentinian ist der erste dieses Namens, 364 - 75, und Anastasius lebte 491-528. Auch ist S. 13 statt Macrinus zu lesen Marcianus. Nachträglich kommen noch hinzu: 1 Kupf.=M. von Hadrian, gef. zu Kl.=Vielen bei Penzlin (Jahrb. XXXVI. 204), sowie 1 K.=M. von Antonin Pius, gef. zu Farpen bei Wismar, und 1 G.=M. von Theodos. II., gef. bei Demern im Fürstenthum Ratzeburg (das. 205).
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ich die schon früher von Wiberg (S. 845 ff.) ausgesprochene Vermuthung knüpfte und kurz zu begründen suchte, daß diese Fabrikate in der ältern Zeit vorzugsweise auf den großen Handelsstraßen von der Mitteldonau, namentlich von Dacien aus, die Flußthäler der Waag und March hinauf durch das nordwestliche Ungarn und Mähren zu den Quellen der Weichsel, Oder und Elbe und weiter an diesen großen Strömen hinab an die südwestliche Küste des baltischen Oceans eingeführt seien, was aber die Concurrenz des Handelsverkehrs von Gallien aus über den Rhein und die Elbe, sowie auf dem Seewege in die Mündung der Elbe und durch den Sund in die Ostsee, namentlich in der spätern Zeit, natürlich nicht ausschließe.

Die Existenz jener Handelsstraßen schon in der frühesten Zeit ist durch die ausdrücklichen Zeugnisse der klassischen Schriftsteller, namentlich des Plinius und Ptolomaeus, außer Zweifel gestellt, und diese Zeugnisse werden in Bezug auf den obern Theil dieser Straßen nicht nur im südwestlichen Ungarn und in Mähren, sondern auch, was uns vorzugsweise interessirt, an der obern Oder in Schlesien durch die entdeckten Spuren römischer Niederlassungen und die unbezweifelten, überaus zahlreichen Funde römischer Alterthümer vollkommen bestätigt 1 ). Weiter hinab wird die Forschung zur Zeit hauptsächlich dadurch erschwert, daß uns aus den zunächst angränzenden Gegenden, namentlich den polnischen Landschaften zwischen Oder und Weichsel, selbst aus der preußischen Provinz Posen alle antiquarischen Nachrichten so gut wie ganz fehlen. Sogar aus dem brandenburgischen Odergebiet sind nur vereinzelte Funde nachzuweisen, vermuthlich weil alles Hierhergehörige in die königliche Sammlung in Berlin geflossen ist, wo es, nicht nach Provinzen geordnet, sich der Forschung entzieht. - Wir sind daher genöthigt, bei der Verfolgung unsrer Straßen diese Lücke vorläufig zu überspringen und uns sofort zu dem pommerschen Küstengebiete zu beiden Seiten der Oder, also zu dem unmittelbaren Nachbarlande Meklenburgs zu wenden, wo sich vorzugsweise durch die Bemühungen der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin und Greifswald, und durch den Eifer mehrer Privatpersonen,


1) Wiberg a. a. O. 99 - 101, woran sich die unter Sachsen aufgeführten Funde in der Lausitz unmittelbar anschließen. Seine Quelle ist vorzugsweise Kruse, Budorgis. Hin und wieder sind einige topographische Irrthümer zu verbessern und die neueren Funde hinzuzufügen.
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welche große wertvolle Sammlungen besitzen, ein bedeutendes Material aufgehäuft hat, das jedoch einer strengen Sichtung und Ordnung, sowie der wissenschaftlichen Bearbeitung zur Zeit fast ganz entbehrt. Die letztere muß freilich auch jetzt noch einem tüchtigen einheimischen Bearbeiter überlassen bleiben, wogegen ich versuchen will, im unmittelbaren Anschluß an meine frühere Arbeit über Meklenburg, in dem Folgenden eine geographisch geordnete Zusammenstellung der bis jetzt entdeckten und bei der meistens leider sehr mangelhaften Beschreibung erkennbaren römischen Alterthümer in diesem Gebiete zu geben.

A. Linkes Odergebiet: Ukermark, Vorpommern und Rügen.

1) Römische Geräthe und Schmucksachen.

1 Kelle und 1 genau in dieselbe passendes Sieb aus Bronze, auf der Drehbank bearbeitet, ganz sowie die in Meklenburg gefundenen Geräthe dieser Gattung. Gef. bei Quoltitz auf Jasmund, jetzt in der Sammlung zu Stralsund. Briefliche Mittheilung des Herrn Bibliothekars Baier in Stralsund.

1 Schildbuckel aus Bronze mit einer viel besprochenen bildlichen Darstellung, die man auf den Opfertod des Marc. Curtius bezieht, gef. zu Nardewitz auf Jasmund (mit Quoltitz gränzend). In der Rosenberg'schen Sammlung. Balt. Studien XVI. 1. 49 u. 89 ff.

Schmuck aus einem S=förmig gebogenem Golddraht, dessen Enden mit je 4 Paaren kleiner Knöpfe in Form einer Krone verziert sind; 2 größere Bruchstücke von Fürspangen aus Silber; 1 kleiner medaillenförmiger Schmuck aus 2 convexen, mit kleinen Knötchen verzierten Bronzeplatten; 1 bronzene Schnalle; 1 bronzene Haarnadel; 1 kleine auf der Drehscheibe geformte Urne aus rothem Thon; 1 vollständiger Schädel und Bruchstücke eines zweiten Schädels nebst andern unverbrannten Knochenresten, gef. in einem nicht näher beschriebenen Grabe bei Unruh auf Rügen (1 5/8 M. W. von Bergen). In der Sammlung des Dr. Hagenow zu Greifswald. Balt. Stud. XV. 2. 55. Nr. 599, 56 Nr. 600, 61. Nr. 641; 62. Nr. 651 und 65. Nr. 659-61.

Schmucksachen aus Gold, Silber und Bronze, erstere zum Theil von feiner Filigran=Arbeit, und 1 Spindelstein aus Sandstein, gef. neben verwitterten Knochenresten bei Garz

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auf dem sogenannten Langen Berge, dem berühmten slavischen Tempelwalle gegenüber, auf dessen südwestlichem Abhange sich mehre Gräber der Eisenzeit befinden. In der Rosenberg'schen Sammlung. Balt. Stud. XVI 1. 56.

1 Bronze=Urne mit einem sichelförmigen und einem nur schwach gebogenen Messer aus gleichem Metalle, gef. zwischen Asche in einer kleinen Kiste von flachen Steinen unter einem runden, 10 F. hohen Hügel, in dessen Oberfläche 30 irdene Urnen aus der Eisenzeit mit verschiedenen Schmucksachen aus Eisen zwischen Asche und Knochenresten standen, bei Sellin an der Landenge vor Mönchguth. In der Rosenberg'schen Sammlung. Balt. Stud. XVI. 1. 51. Vergl. S. 18. Nr. VI. d. und e.

1 ähnliche Urne unbekannten Fundortes. Das.

Kleine Masken aus Terracotta, gef. auf Rügen ohne nähere Ortsangabe. In der Berliner Sammlung. Wiberg a. a. O. 114.

1 Fibel aus Bronze mit silberner verzierter Platte neben mehren menschlichen Gerippen unter einem länglichen Hügel ohne Steinsetzungen, gef. auf Rügen, ohne nähere Ortsangabe. In der Rosenberg'schen Sammlung. Balt. Stud. XVI. 1. 59.

1 Bronze=Gefäß mit den Köpfen eines bärtigen Silen,. eines jugendlichen Bachus und zweier Bachantinnen von Reben und Weinlaub umgeben, in edlem griechischen Stil, gef. zu Vorland bei Grimmen. In der v. Hagenow'schen Sammlung. Balt. Stud. VII. 1. 273, XVI. 1. 147 ff.

1 Perle aus buntem Glasfluß von der Größe einer Haselnuß, gef. im Torfmoor zu Nielitz bei Grimmen. In der v. Hagenow'schen Sammlung. Balt. Stud. XV. 2. 58.

3 Perlen aus Glasfluß und 1 aus Bernstein nebst einer Pfeilspitze aus Feuerstein, zwischen kleinen Steinen, Urnenscherben, Kohlen und Asche, gef. in den Sanddünen bei KI.=Ladebow, 1/2 M. von Greifswald. (In der Nähe wurden auch Messer und Pfeilspitzen aus Feuerstein gleichfalls unter Urnenscherben gefunden.) Balt. Stud. VII. 1. 277, vergl. mit S. 271. Nr. 407, 280 Nr. 486-88, 282 Nr. 520-22 und Nr. 524-52.

Bruchstück einer Perle aus gelbem Glasfluß, gef. bei Wolgast. Balt. Stud. XV. 2. 59.

1 Kessel aus dünnem Bronzeblech mit engem Halse, dessen Niete zu beiden Seiten durch "Engelsköpfchen" mit Schwingen, die in Schlangenköpfe ausgehen, verdeckt sind.

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In diesem Gefäße lagen 2 einfache Goldreife zwischen Erde und Asche und darüber war ein zweiter bauchiger Kessel mit verengtem Halse gestülpt, gef. zu Klatzow bei Treptow am linken Ufer der Tollense (also im Gebiete der Liutizischen Tolenzer). Balt. Stud. XI. 1. 112-13.

1 Knauf aus Bronze mit 4 Gesichtern. F.=O. unbek. In der Hagenow'schen Sammlung. Balt. Stud. XII. 1. 178.

2) Münzen. (Chronologisch.)

Griechische K.=M. (unklar), gef. bei Stettin. Balt. Stud. V. 1. 153.

Röm. S.=M. aus der Zeit der Republik: A. Weiblicher Kopf mit Flügelhelm: LlBO-X., R. die beiden Dioskuren zu Pferde mit eingelegten Lanzen, darüber Q MARC., darunter ROMA, gef. auf Rügen. Im Museum zu Stralsund. Schriftl. Mittheilung des Bibliothekars Baier.

Caes. Div.-Imp. Aug., mit 6 andern aus der Zeit bis Commodus. K.=M. von Hanshagen bei Greifswald. Balt. Stud. XVI. 2. 36/37.

Caes. Aug. German. K.=M. aus Vorpommern, F.=O. unbek. Balt. Stud. VII. l. 234.

Augustus, K.=M. von Grabow bei Stettin, Pomm. Jahresber. III. 12. - K.=M. nebst einem Nero und einem Caligula von Rüstow bei Loitz. Pyl, Greifswalder Sammlung. p. 39.

Caligula, (37-41 n. Chr.) s. Augustus.

Tiberius? (41-54), A: Imp. Caes ...., R.: Judaea capta. K.=M. von Hanshagen. Balt. Stud. R. II. 1. 194.

Nero, (54-68), S.=M. s. Augustus. - K.=M. von Pasewalk. Pomm. Jahresbericht I. 33.

Galba-Constantin (68-337), 21 K.=M. von Hohendorf bei Anclam. Jahresbericht III. 12, lV. 7, Pyl, Greifswalder Sammlung 39.

Vespasian (69-70), S.=M. von Westenhagen bei Greifswald. Pyl, Greifsw. S. 39.

Domitian (81-96), K.=M. von Hanshagen. s. August.

Trajan (98-117) 2 K.=M. v. Hanshagen. s. oben August.

Hadrian (117-38) K.=M. unbek. F.=O., Pyl, Greifswalder Sammlung 39.

Antonin. Pius (158-61), S.=M. v. Stralsund. Im dortigen Museum. Mittheilung von Baier. - S.=M.

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mit einer Faustina, von Kluptow auf Rügen bei Bergen. Balt. Stud. V. 1. 183.

Faustina, Gemahlin Marc. Aurel. (161-88). S.=M. v. Kluptow. s. Antonin. Pius.

Lucilla (Tochter des Marc. Aur. 161 - 88), S.=M. v. Loewitz bei Stettin. Balt. Stud. I. 1. 193. - K.=M. v. Hanshagen. s. oben August.

Commodus (180- 92) K.=M. von Hanshagen. s. oben August.

Albinus, Gegenkaiser von Septimius Severus in Gallien (193-211). K.-M. von Grabow bei Stettin. Balt. Stud. X. 1. 186.

Caracalla (211-217) S.=M. von Rügen. A. Bärtiger Kopf mit Lorbeerkranz ANT. P. FEL. AVG. R. Sitzende weibliche Figur. .NAE. Gef. auf Rügen. Stralsunder Museum. Mittheil. von Baier. - S.=M. von Kniepow bei Garz auf Rügen: A. Bärt. Kopf mit Lorbeerkranz mit CAES (ungewiß). R. Sitzende weibliche Figur. (Vielleicht dieselbe?) Daselbst. Mittheil. von Baier.

Maximin. Thrax (325-38), K.=M. von Schillersdorf bei Stettin, mit 6 andern von Diocletian, Constantin und Maximinian. Balt. Stud. XVIII. 1. 59.

Gordianus (238-44), K.=M. von Stralsund. Im dortigen Museum. Mittheil. von Baier.

Diocletian (289-313) 2 K.=M. von Schillersdorf, s. Maximin.

Constantin (306-37), 21 K.=M. von Galba bis Constantin. s. Galba. - 3 K.=M., nebst 4 andern von Maximin bis Constantin. s. Maximin. - 2 K.=M. unbek. F.=O. Pyl, Greifsw. Samml. 39.

Außerdem werden noch mehre der unter B. 2 verzeichneten weströmischen Kaisermünzen hieher gehören, deren Zeit oder Fundort unbekannt sind. Endlich nach einer Lücke von mehr als 60 Jahren folgen Goldmünzen von Honorius (395-423), Theodos. II. (408-450), Leo (451-79) und Anastasius (491-518), gef. zu verschiedenen Zeiten, im Ganzen mindestens 18 Stück, bei Caseburg auf Usedom. Balt. Stud. XXI. 2. 239, XXII. 1. 4 u. 26-27.

B. Rechtes Odergebiet. Hinterpommern und Westpreußen.

1) Römische Geräthe und Schmucksachen.

1 kleine Bronzefigur mit Silberblech überzogen, worin man eine Nachbildung einer Statuette des Merkur

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vermuthet. (1 Arm u. 1 F. fehlen.) Gef. in einem Pfuhl bei der Libenower Mühle am Gerberstorfer Wege bei Bahn, Kr. Pyritz. Balt. Stud. XXII. 22. im Anhang.

1 kleine weibliche Figur mit Schleier und Füllhorn aus Bronze mit Spuren früherer Vergoldung. (Nach Kugler eine Abundantia oder Fortuna von römischer Arbeit aus dem 1. oder 2. Jahrhundert.) Gef. bei Belkow an der Medue. Balt. Stud. VII. 1. 230.

Verschiedenes Metallgeräthe, größtentheils aus Silber, theilweise aus Gold oder Bronze, nebst Bruchstücken von dickem, weißem Glase, Bernsteinkorallen u. s. w., als Beigabe eines 7 Fuß tief unter der Erde, ohne Spuren eines regelmäßigen Grabes, mit dem Kopfe nach Osten und den Füßen nach Westen ruhenden männlichen Skelets. Gef. zu Stuchow bei Cammin. Balt. Stud. VII. 1. 274 ff.

1 bronzenes Hifthorn nebst einem Schwerte und menschlichen Gebeinen, gef. bei Köslin in dem sogenannten Hünenberge, nach andern auf dem Gollenberge, und lange Zeit hindurch zu Köslin als Nachwächterhorn gebraucht. Balt. Stud. IV. 1. 154-55.

1 Bronzefigur, angeblich versilbert, gef. in einem Torfmoore bei Schievelbein, in welchem auch Steinwaffen gefunden wurden. Balt. Stud. I. (Jahr.=Ber. V. 18-19.) Bruchstücke einer Schale aus Bronze, 3 Stückchen Eisen und 1 steinerner Messergriff (!), ferner eine Urne oder ein Kochgeschirr mit 3 Füßen aus Bronze, gef. neben irdenen Graburnen auf einem heidnischen Begräbnißplatze bei Blumenwerder, Kr. Dramburg. Unmittelbar daneben befinden sich auch "Hünengräber" mit unverbrannten Leichen. Pommerscher Jahrber. IV. 19 ff. und 13 (Balt. Stud. I.)

1 Goldring mit 10 dreiseitigen Flächen, auf deren einer 4 nordische Runenzeichen, auf einer andern ein Hakenkreuz und auf den übrigen die bekannte schlangenförmige Thierbildung nordischer Alterthümer leicht eingeritzt stehen. Ferner ein schlichter Goldring, ein scharf abgeschlagenes Stück eines großen Hals= oder Armringes aus Gold, eine parabolische Perle aus spiralförmig gewundenem Golddraht, 6 Gold=Bracteaten mit einem Henkelchen und filigranartiger Einfassung mit der auf diesen Bracteaten oft vorkommenden Darstellung, die man auf die nordische Sigurdsage bezieht, alles offenbar byzantinische Arbeit für den nordischen Handel, endlich 2 ächte Goldmünzen von Theodos. II. Zeno und Anastasius, gef. bei Malchow, Kreis Schlave, unter einem von dem Volke für einen Opferstein gehaltenen großen

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Granitblocke, in dessen Nähe sich eine große Menge 5 Fuß hoher Grabhügel befindet. Pommersch. Jahresber. I. 29-33.

2) Münzen.

4 griechische und 65 röm. K.=M. nebst 29 römischen S.=M., meistens aus der Kaiserzeit, die jüngste von Valentinian I. (364-75), gef. bei Bresin, Kr. Schlochau, durch einen Bauern beim Pflügen. Balt. Stud. V. 1. 153.

2 griech. K =M. und 2 röm. S.=M., unbek. F.=O. Balt. Stud. IV. 1. 58.

1 griech, 2 röm. Münzen von Jul. Caes. und Vitellius. Barbarische Nachbildungen in Blei. F.=O. unbek. Balt. Stud. VII. 1. 274.

Augustus (30 v. Chr. - 14 n. Chr.) s. oben.

Caesar German., K.=M. mit mehren andern, worunter eine G.=M., von Rubenhagen bei Regenwalde. Balt. Stud. XX. 2. 51.

Tiberius (41-54) S.=M., F.=O. unbek. Balt. Stud. II. 1. 194.

Nero (54-68) G.=M. von Schimmerfitz, Kr. Lauenburg. Balt. Stud. II. 1. 194.

Vespasian (69-70), S.=M., nebst 11 andern von Hadrian, Anton., Faustina, Lucilla, Commodus und Julia, von Strussow, Kr. Bütow. Balt. Stud. VI. 1. 222.

Domitian (81-96), S.=M. nebst einer von Faustina, von Tiezow bei Belgard. Pomm. Jahresber. I. 33, - S.=M. von Wittstock bei Greifenhagen. Balt. Stud. XIV. 1. 113.

Trajan (98 - 117), S.=M. von Gr.=Mölln bei Cöslin. Pomm. Jahrb. III. 112. - S.=M. mit einer andern von Hadrian von Emmenthal bei Cöslin. Balt. Stud. VI. 1. 217. - S.=M. mit 11 andern von Vespasian. - Commodus. s. Vespasian.

Hadrian (117-38). S.=M. mit 11 andern von Vespasian. - Commodus. s. Vespasian. - S.=M. mit 1 andern von Trajan. s. Trajan.

Antonin. Pius (138-61), 4 S.=M. mit 8 andern von Vespas.-Commod. s. Vespasian. - Viele S.=M. von Anton. P. bis Philipp. Arabs von Krien a. d. Stolpe. Balt. Stud. VI. 1. 217. - S.=M. von Putzerlin bei Stargard. Balt. Stud. II. 1. 193.

Faustina, Gem. des Marc. Aurel. (161 - 80) S.=M. mit einer andern von Domitian. s. Domit. - S.=M. mit 11 andern von Vespas. bis Septim. Severus.

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s. Vespasian. - K.=M. von Persanzig bei Neu=Stettin. Balt. Stud. II. 1. 193, - S.=M. unb. F.=O. Balt. Stud. II. 1. 194. - S.=M. von Gr.=Zarnow bei Greifenhagen in einem Topfe zwischen Pommerschen Münzen des 19. Jahrh. Balt. Stud. XVI. 2. 15.

Lucilla, Tochter des Marc. Aurel, S.=M. mit 11 andern von Vespasian-Septim. Sever. s. Vespasian.

Commodus (180-92) 3 S.=M. mit 9 andern von Vespas. Septim. Sever. s. Vespasian.

Julia, Gem. des Septim. Sever. (193-211), S.=M. mit 11 andern von Vespas. bis hieher. s. Vespasian.

Maximin. Thrax (235-38), K.=M. mit 6 andern Kaisermünzen seit Diocletian. s. Diocletian.

Philipp. Arabs (244-49), S.=M. mit vielen andern Kaisermünzen seit Anton. P. s. Antonin. - S.=M., unbek. F.=O., Balt. Stud. VI. 1. 217.

Gallien (259-68), S.=M. mit nachgeahmten Münzen von Probus und Dioclet., unbek. F.=O. Balt. Stud. XI. l. 109.

Tetricus, Gegenkaiser des Aurelian. (274), K.=M. aus dem Gnagelander Torfmoor (!) Balt. Stud. VI. 1. 217.

Probus (276-82), versilberte K.=M. mit einer andern dergleichen von Dioclet. und einer ächten von Gallien. s. Gallien.

Diocletian (284-813), versilberte K.=M. mit einer andern dergleichen von Probus und einer ächten S.=M. von Gallien, s. Gallien.

Constantin (306 - 37), 21 K.=M. von Galba bis Constantin. s. Galba. - K.=M. von Regenwalde. Balt. Stud. IX. 1. 259.

Valentinian I. (364 - 75), 93 griech. und röm. S.=M. aus der Zeit der Republik bis zum Kaiser Valentinian. s. oben zu Anfang.

Außerdem werden in der Stettiner Sammlung noch folgende römische Münzen unbestimmter Zeit, meistens Kaisermünzen, und andre unbekannten Fundorts aufbewahrt, welche theilweise außerhalb Pommerns gefunden sein werden:

2 röm. Münzen neben einem Schmuck von Wolfszähnen, gef. bei Pyritz. Balt. Stud. XVII. 1. 9. VergI. mit 6. und 54.

2 röm. Münzen aus Hinterpommern. Bal. Stud. IV. 1. 157.

1 röm. S.=M. Balt. Stud. XVII. 2. 111.

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4 röm. Kaisermünzen. Balt. Stud. IV. 1. 145.

Eine Sammlung von 64 röm. Kaisermünzen. Jahresber. IV. 40.

Hieran schließen sich endlich folgende byzantinische Kaisermünzen:

Theodos. II. (408-50) 1 G.=M., unbek. F.=O. (vielleicht von Malchow). Jahresber. I. - 3 G.=M. von Theodos. II., Zeno und Anastas. nebst einem Ring von Golddraht, gef. bei Malchow, Kr. Schlawe. V. oben unter Schmucksachen. - 2 G.=M. von Theodos. II. und Leo I. nebst Schmucksachen von byzantinischer Arbeit und 6 Goldbracteaten. Gef. bei Köslin. Balt. Stud. VII. 2. 134 V. oben Schmucksachen. - 150 G.=M. von Theod.-Anastasius, gef. bei Bresen, A. Putzig, bei Danzig. Kruse, Necroliv. l).-

Leo I. (451 - 74) G.=M. von Köslin. V. Theod.

Zeno (474-91.) G.=M. von Malchow, Köslin und Bresen.

Anastasius (491-518), mehre G.=M. von Malchow und Bresen.

Desgleichen eine große Menge Kaisermünzen von Gold ohne nähere Bezeichnung, bei Großendorf auf der Halbinsel Hela bei Danzig. Necrolivon. D.

Aus der vorstehenden Zusammenstellung ergiebt sich nun zuvörderst ganz unverkennbar ein sehr bedeutender Unterschied in dem Charakter der römischen Alterthümer diesseits und jenseits der Oder, und zwar in der Weise, daß sich die hierher gehörigen Funde in Hinterpommern denen in Schlesien näher anschließen, während diejenigen in Vorpommern und auf Rügen im Wesentlichen mit denen in Meklenburg übereinstimmen. Daneben aber tragen die Alterthümer jenseits der Oder, wenn ich richtig urteile, den Charakter höhern Alters, als die Mehrzahl derjenigen von diesseits des Stromes. Nicht nur, daß sich dort, wie in Schlesien, eine ziemlich bedeutende Anzahl griechischer und römischer Münzen aus der Zeit der Republik findet, die hier zu den größten Seltenheiten gehören, auch die Grabalterthümer beider zuletzt genannten Provinzen stehen einander näher, wenngleich sie an Zahl und Bedeutung abnehmen, je weiter man sich von den Quellen des Stromes entfernt. Während z. B. in Schlesien zu Massel bei Trebnitz sogar vollständige, gemauerte, acht römische Columbarien mit den darin aufgestellten Todtenurnen gefunden sind, weiset das Verzeichniß der Hinter=

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pommerschen Alterthümer mit Sicherheit nur ein einziges römisches Grab zu Stuchow bei Cammin auf, und zwar ohne Leichenbrand, wogegen der römische Ursprung der Urnen und Geräthe von Kl.=Blumenwerder bei Dramburg wenigstens zweifelhaft erscheint. Andererseits ist der römische Charakter der Gräber ohne Leichenbrand von Unruh bei Bergen, von Garz und von Quoltiz auf Jasmund ganz unzweifelhaft, und auch die Bronzefibel von Rügen, deren genauerer Fundort unbekannt ist, gehört wahrscheinlich hieher, während die auf Leichenbrand hinweisenden Gräber von Sellin auf Rügen, Ladebow bei Greifswald und Klatzow bei Treptow nicht ganz so sicher hieher zu zählen sind.

Diese Erscheinungen lassen nach meiner Auffassung eine ältere, der ganzen Ostseeküste gemeinsame, auf römischem Einflusse ruhende Kulturepoche vermuthen, deren höchste Blüthe nach Ausweisung der Münzen in die Zeit nach der Gründung der römischen Provinz Dacien durch den Kaiser Trajan (106 n. Chr.) bis nach den Markomannischen Kriegen, also in das Zeitalter der Antonine fällt, eine Kultur, welche sich ganz unbezweifelt von der Donau aus, so weit es unsre Gegend betrifft, durch das Oderthal bis an die Ostseeküste ausbreitete. Bald nach dieser Zeit scheint aber der Verkehr auf dieser Straße eine Störung erlitten zu haben, welche höchst wahrscheinlich mit den nach ihrem Ursprunge und ihrem Verlaufe unbekannten Völkerbewegungen in dem Gebiete der Weichsel und Oder zusammenhängt, auf deren Existenz wir nur aus ihrer Wirkung, der Ausbreitung der Macht der Gothen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meere schließen dürfen. In diese kriegerischen Zeiten gehört denn wahrscheinlich auch die Vergrabung nicht ganz unbedeutender Schätze römischer Münzen zur Zeit des Septimius Severus und Constantins des Gr., während die immer noch ziemlich bedeutende Anzahl von Münzen der folgenden Kaiser beweist, daß der Verkehr auf dieser alten Handelsstraße bis zur Mündung der Oder hinab auch jetzt nicht ganz aufgehoben war. Aber die Sicherheit, welche die Gründung fester Handels=Stationen als nothwendige Bedingung voraussetzt, fehlte in diesen unruhigen Zeiten, in welcher die untere Oder zugleich eine scharfe Gränze zwischen den Völkern gothischen und swevischen Stammes gebildet zu haben scheint. Erst mit dem Einbruche der Hunnen in das östliche Europa um das Jahr 375, zu welcher Zeit unverkennbar der große Schatz von 98 Silber= und Kupfermünzen aus dem ganzen Zeitraum vom Ende der Republik bis zu dem Kaiser Valentinian (364-75) der

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Erde anvertraut ward, hörte alle Verbindung der Römer mit den Küstenländern der Ostsee vollständig auf 1 ).

Aus dem ganzen folgenden Jahrhundert findet sich in unsrer Gegend auch nicht eine einzige römische Münze und in dieser Zwischenzeit hatte der Verkehr dauernd andre Bahnen genommen. Während vor jener Katastrophe, wie schon Tacitus berichtet, vorzugsweise Kupfer= und Silbergeld in Deutschland circulirte, finden wir seit Theodosius II. (408-50) bis Anastasius (491-518) ausschließlich byzantinische Goldmünzen in Umlauf, und neben diesen Münzen liegt oft reicher goldener Schmuck desselben Ursprungs. Diese Goldschätze, welche auch in Scandinavien häufig mit sogenannten nordischen Goldbracteaten zusammen gefunden werden, fanden ihren Weg in unsre Gegenden nachweislich durch das Innere Rußlands, und kommen in dem damals noch germanischen Küstengebiete diesseits der Oder nur selten vor. In ganz Vorpommern und Rügen ist bis jetzt außer der Insel Usedom in der Odermündung keine einzige gefunden und in Meklenburg nur 4-5 Münzen dieser Art von Theodosius (Jahrb. XXXVl. 205), Anastasius (XXXIV. Q.=B. 12) und Justinian (XVIII. 298 und XXXIV. 248). Doch gehört vielleicht auch der Goldschmuck von Wotenitz hieher (XXV. 252, XXVI. 161 und XXXVI. 142). Mit dem Anfange des 6. Jahrhunderts verschwinden auch diese byzantinischen Münzen und Schmucksachen fast ebenso plötzlich, als sie ein Jahrhundert früher auftauchten und wurden durch die sogenannten kufischen oder arabischen Silbermünzen mit kunstreichen Arbeiten aus demselben Metall vollständig verdrängt Auch diese gelangten durch Vermittelung der Bulgaren auf demselben Wege, wie die byzantinischen Goldfunde, durch das Innere Rußlands über die Weichsel und Oder, und finden sich in Hinterpommern häufig und in großer Menge beieinander, während auch sie diesseits des Stromes zu den Seltenheiten gehören.

Diese Thatsachen beweisen, wie mir scheint, vollständig, daß der früher offenbar lebhafte Handelsverkehr von der Donau durch das Oderthal in die westlichen Ostseeländer, der schon im 3ten Jahrhunderte Störungen erlitt und nach und nach auf das rechte Stromufer beschränkt ward, mit dem Einbruche der Hunnen völlig aufhörte, und erst im 5ten und 6ten Jahrhunderte durch den Handel mit dem byzanti=


1) In Vorpommern sind die jüngsten weströmischen Kaisermünzen von Constantin. In Meklenburg sind dagegen wie in Hinterpommern und in Schlesien noch Münzen von Valentinian und Valens (364 -78) gefunden worden.
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nischen Kaiserreiche, sowie demnächst mit den mohamedanischen Staaten Kleinasiens durch das Innere Rußlands ersetzt ward. Dieser orientalische Handel hat aber die Mündung der Oder niemals überschritten, wogegen die diesseits des Stromes gelegenen Küstenländer unverkennbar ihren Verkehr mit dem weströmischen Reiche fortsetzten, ja durch die neuesten Untersuchungen unsers Lisch ist vollkommen klar nachgewiesen, daß dieser Handel hier grade in der Zeit nach der Stockung des Oderverkehrs einen größeren Aufschwung nahm, und durch eingewanderte fremde Handelsleute, die hier anscheinend feste Stationen gegründet hatten, vermittelt ward. Größere Schwierigkeiten bietet dagegen die Ermittelung der Straßen, welche dieser Handel in jener Zeit einschlug. Die sorgfältige Vergleichung der damals in diese Gegenden, namentlich nach Meklenburg, eingeführten römischen Fabrikate mit den in den Ruinen der im 2ten Jahrhundert, vielleicht schon unter Hadrian, gegründeten und bis gegen Ende des 5ten Jahrhunderts blühenden römisch=gallischen Colonie Heddernheim am Rhein zahlreich gefundenen Alterthümern, hat mit Sicherheit eine überaus große Uebereinstimmung beider nachgewiesen und dadurch die Zeit ihres Ursprungs wenigstens annähernd festgestellt. Auch liegt die Vermuthung unter diesen Umständen allerdings nahe, daß das römisch gebildete Gallien zu dieser Zeit als das Mutterland der gesammten römischen Kultur in dem bezeichneten Gebiete zu betrachten sei, zumal es aus andern Gründen nicht zu bezweifeln ist, daß eben damals und von uralten Zeiten her auf dem Seewege von den Küsten Galliens und Britanniens nach den Inseln der Ostsee ein anscheinend lebhafter Handelsverkehr stattfand. Es ist daher immerhin möglich, daß auch die Anlage eines Theiles der mittelalterlichen Handelsstraßen vom Rhein in das Innere Deutschlands als Fortsetzung der alten römischen Etappenstraßen schon in diese Zeit falle, obwohl dieser Weg quer über mächtige Ströme und mit dichten Urwaldungen bedeckte Gebirge dem Handel unendlich viel größere Schwierigkeiten darbieten mußte, als jener längs der Ufer der von Süden nach Norden fließenden schiffbaren Flüsse, die überall die ältesten Führer des Völkerverkehrs sind. Wenn aber auch hiernach die Existenz eines gallischen Handelsverkehrs mit den Ostseevölkern für die fragliche Zeit nicht zu bezweifeln ist, so folgt doch daraus nicht, daß der ältere Donauhandel damit sofort völlig aufgehört habe, und die Aehnlichkeit der römischen Fabrikate des Nordens mit denen von Heddernheim ist doch nicht entscheidend für den gallischen Ursprung der

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erstern, da der Stil der bezüglichen Geräthe nach dem Muster der acht italischen ohne Zweifel in allen Provinzen des römischen Reiches wesentlich derselbe war. Nun ist aber schon oben nachgewiesen, daß in der That der Verkehr der Donauländer selbst auf den Weichsel= und Oderstraßen, wenn auch gestört und in seiner Ausdehnung allmählich beschränkt, bis zum Anfange der Völkerwanderung niemals ganz aufgehört habe. Wie viel weniger ist dies daher von der weiter westlich gelegenen, durch die Karpaten und das Riesengebirge geschützten Straße die March hinauf, durch Mähren und Böhmen zur Moldau und Elbe anzunehmen!

Die Vermuthung, daß die Bedürfnisse der zwischen der untern Oder und Elbe bis an die Ostsee und darüber hinaus sitzenden germanischen Völker nunmehr hauptsächlich auf diesem zuletzt erwähnten Wege befriedigt worden seien, ohne die Existenz der gallischen Concurrenz abzuleugnen, scheint besonders durch zwei in unsern Jahrbüchern bereits wiederholt besprochne Thatsachen eine directe Bestätigung zu finden: ich meine die Entdeckung eines römischen Fabrikstempels auf einer zu Hagenow in Meklenburg ausgegrabenen Bronzekelle und zwei in einem Römergrabe bei Häven gefundene Knöpfe. Jener Stempel befindet sich nämlich auch auf einer bei Teplitz in Böhmen entdeckten Kelle, welche zu einem dem Hagenower überhaupt sehr ähnlichen Funde gehört, was darauf hinweis't, daß auch das Hagenower Gefäß auf dem Wege durch Böhmen an die untere Elbe gelangt sei, wenigstens scheint mir diese Voraussetzung bedeutend näher zu liegen, als daß beide Gefäße auf 2 völlig verschiedenen Wegen mitten durch Deutschland dort nach Meklenburg, hier nach Böhmen gelangt sei, zumal hinlänglich bekannt ist, daß grade Böhmen seiner Lage entsprechend seit Marbods Zeiten stets in näherem Verkehr mit den römischen Donauprovinzen gestanden habe, wogegen sonst, so viel ich weiß, nicht die geringste Spur einer römischen Handelsstraße vom Rhein über das noch im Mittelalter so verrufne Böhmische Waldgebirge bekannt ist. Noch wichtiger scheinen mir die erwähnten silbernen und vergoldeten Knöpfe von Häven zu sein, auf deren einem ein Vogel abgebildet ist, der auf den Kopf eines Fisches hackt, eine Darstellung, welche auf Altertümern der griechischen Colonien am Ufer des Schwarzen Meeres, in der Nähe der Donaumündungen, nicht, selten vorkommt, namentlich als Münzzeichen der berühmten Handelsstädte Sinope, Olbia und Jstros, wie schon Wiberg und ausführlicher Lisch nachgewiesen haben. Weniger

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entscheidend ist das auf dem 2ten Knopfe befindliche Bild eines Ebers, das zwar gleichfalls, z. B. als Feldzeichen, in Mösien, aber auch auf gallischen Münzen vorkommt. In Verbindung mit jenem Vogel ist aber auch diese Darstellung immerhin beachtenswerth. Nun ist zwar darauf hingewiesen, daß die VIII römische Legion, welche vom Jahre 70 bis um 230 im Taunus stand, vorher, also etwa um die Mitte des ersten Jahrhunderts, in Mösien gestanden habe. Aber die Annahme, daß jene Knöpfe durch einen Legionair aus Mösien nach Gallien gebracht, und von dort vielleicht 200 Jahre später auf dem Handelswege über Rhein, Weser und Elbe nach Meklenburg gekommen seien, wäre doch allzu gewagt, während die Einfuhr von Schmucksachen von der untern Donau auf dem angegebenen Wege durch Böhmen an die Ostseeküste nichts Auffallendes hat, zumal Alterthümer mit ähnlichen Darstellungen, z. B. ein Helm mit dem Vogel auf dem Fische, erweislich auch auf der Straße vom Pontus in das Innere Rußlands gelangten.

Schließlich kann ich nicht unterlassen, noch auf eine andere hieher gehörige Erscheinung aufmerksam zu machen, die mir für die Geschichte unsrer Gegend überhaupt, und namentlich in mythologischer Beziehung ein hervorragendes Interesse zu bieten scheint. Aus meinen obigen Nachweisungen ergiebt sich nämlich, daß keine Provinz verhältnißmäßig so reich an römischen Münzen und andern Alterthümern ist, als die Insel Rügen. Ich sehe darin den deutlichen Beweis, daß dies merkwürdige Eiland schon zu der Zeit der ältern germanischen Bevölkerung eine ähnliche hervorragende Rolle gespielt habe, als unter den später eingewanderten Slaven. Ist aber das, so darf man nicht weiter zweifeln, daß das berühmte, den 7 swevischen Völkerschaften unserer Küste gemeinsame Heiligthum der Erdmutter des Tacitus nirgends anderswo, als auf Rügen zu suchen sei, wenngleich ich an anderer Stelle nachgewiesen zu haben glaube, daß man irrte, wenn man dasselbe in der sogenannten Herthaburg auf Jasmund zu erkennen glaubte. Weiter aber glaube ich in dieser hervorragenden Stellung Rügens zur Zeit der Germanen eine neue Unterstützung meiner gleichfalls schon wiederholt ausgesprochenen Vermuthung gefunden zu haben, daß die slavischen Tempelburgen Rügens und der Nachbarländer keine neue Gründungen der Wenden sind, sondern schon viele Jahrhunderte vor ihnen als die heiligen Stätten germanischer Götter bestanden, deren Dienst demnächst nach

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der Eroberung des Landes durch die während der sogenannten Völkerwanderung aus ihren alten Sitzen im Osten Europas gegen den Westen vordringenden Slaven auf die entsprechenden slavischen Götter übertragen ward.


Wenden wir uns nunmehr zu dem Berichte über die innern Angelegenheiten unsers Vereins während des Schlußquartals des 38sten Jahres seines Bestandes mit gelegentlichen Rückblicken auf die nächst vorhergehenden Quartale.

Der 38ste Band der Jahrbücher des Vereins, des offiziellen Organs seiner wissenschaftlichen Thätigkeit, lag, wie alljährlich, so auch in der letzten, unter dem Präsidio des Herrn Minister=Präsidenten, Grafen v. Bassewitz, am 11ten d. M. abgehaltenen Generalversammlung gedruckt auf dem grünen Tische. Der erste historische Theil bringt wieder 6 Abhandlungen von unserm immer noch gleich fruchtbaren ersten Secretair, Herrn Geh. Archivrath Dr. Lisch, namentlich 1) einen Beitrag zur Reformations=Geschichte Meklenburgs, die ihm schon so viel verdankt: "Die letzten Prälaten in Meklenburg", mit welchen das ehemals so mächtige Mönchthum allmählich und unbeachtet erlosch (S. 1-24, mit einem Nachtrage S. 94 und 240); ferner mehre Beiträge zur Topographie des Landes, nämlich 2) über die Lage des Landes Drenow in dem Winkel zwischen dem linken Ufer der Warnow=Mündung und der Ostseeküste, wozu in heidnischer Zeit wahrscheinlich auch der Ort Doberan gehörte, und das südlich durch das Land Schwaan, westlich durch Kubande (Kröpelin) begränzt ward (S. 25-47 und Nachtrag S. 236); 3) das Hillige Moor bei Vietow im Kirchspiel Sanitz, wo in der ersten christlichen Zeit eine Kapelle stand, vielleicht auf einem ehemaligen heidnischen Heiligthum, obgleich der Herr Verfasser dieser Vermuthung widerspricht, wogegen der Unterzeichnete den Ort Vietow schon früher zu den Swantewits=Dörfern rechnete. (S. 48-52); 4) die Stadt Woldeck, nach einem Plan des Ortes von 1780, ein nicht unwichtiger Beitrag zur Städtegeschichte Meklenburgs (S. 70-83); endlich 2 Beiträge zur Genealogie unsers Fürstenhauses, nämlich 5)Magdalena von Meklenburg=Stargard, Gemalin des Grafen Burchard von Barby (S. 65 - 69) und 6) die Nachkommen des Fürsten Pribislav von Parchim=Richenberg (S. 92-93). Außerdem bringt diese Abtheilung unter dem Titel: "Kleine Funde in Meklenburg aus wendischer und vorwendischer Zeit eine

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Fortsetzung der in dem vorhergehenden Jahrgange mitgetheilten mythologischen Forschungen des inzwischen verstorbenen Freiherrn v. Hammerstein zu Neustrelitz (S. 53-64) und 3, von dem Archivrath Mülverstedt mitgetheilte Urkunden aus dem königlichen Staatsarchiv zu Magdeburg über die Kriege der Erzbischöfe von Magdeburg in Beziehung auf Meklenburg aus dem Ende des 14ten Jahrhunderts (S. 84-91). - Die fast ausschließlich von dem Herausgeber Lisch herrührende antiquarische Abtheilung, welche dies Mal die stärkere ist, und 9 Bogen umfaßt, enthält neben zahlreichen Nachrichten über einzelne Alterthümer unter anderm einen ausführlichen Bericht über die Wismarschen Pfahlbauten seit 1867, und eine Fortsetzung der hochwichtigen Forschungen über römische Alterthümer im Norden, namentlich auf Seeland, Bornholm, Schonen und in Norwegen. Ferner giebt der Herr Verfasser Nachrichten verschiedener heidnischer Burgwälle und mittelalterliche Kirchenbauten Meklenburgs u. s. w. Endlich liefert Herr Archivar Dr. Wigger eine interessante kleine Abhandlung über Spuren der Thiersage auf Siegeln des Mittelalters.

Der zu Anfang des Jahrs 1872 begonnene Druck des VIII. Bandes unsers Meklenburgischen Urkundenbuches ist jetzt bis zum 71sten Bogen vorgeschritten, so daß dessen Vollendung noch vor Ablauf des Jahres sicher zu erwarten steht. Zu den für diesen Band bestimmten artistischen Beilagen sind in dem letzten Quartale die Holzschnitte von 3 alten Siegeln der Familie v. Kamptz aus dem 14ten Jahrhundert durch Geschenk des Herrn E. v. Kamptz in Schwerin hinzugekommen. Das Werk erfreuet sich fortwährend der regen Theilnahme und literarischen Unterstützung der Geschichtsforscher Norddeutschlands. Auch haben wir mit Dank anzuerkennen, daß sich 2 Lehrer unsrer höhern Schulen, die zugleich Vereinsmitglieder sind, zu freiwilligen Mitarbeitern angeboten haben und bereits in fruchtbringende Thätigkeit getreten sind. Hoffentlich werden das hohe Ministerium und die Stände des Landes dem vaterländischen Unternehmen auch die pecuniäre Hülfe nach Ablauf der 5 Jahre, für welche sie bewilligt worden ist, am Schlusse des Jahres nicht entziehen.

Auch das von unserm Mitgliede, Herrn Oberlehrer Dr. Schiller, unternommene mittelniederdeutsche Wörterbuch, dessen Herausgabe derselbe bekanntlich im Vereine mit dem Herrn Dr. Lübben zu Oldenburg im Herbst des Jahres

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1871 begonnen hat, schreitet gleichfalls rüstig fort, so daß so eben das dritte Heft des ersten Bandes (von besaten-bone) so eben versendet werden konnte. Das Urtheil der gelehrten Welt ist dem Unternehmen fortdauernd günstig, wenngleich demselben immer noch eine kräftigere Unterstützung durch das Publicum, also namentlich ein größerer Absatz zu wünschen wäre. Dagegen ist demselben neuerdings eine erfreuliche Beförderung von Staatswegen zu Theil geworden. Auf dringende Empfehlung des Werkes durch die letzte Germanistenversammlung ist nämlich nicht nur durch den Reichskanzler eine bestimmte Summe zur directen Unterstützung desselben bewilligt worden, sondern es haben auch Se. K. H. der Großherzog geruhet, Herrn Dr. Schiller theilweise schon in dem eben begonnenen Quartale von dem Unterrichte in dem Gymnasium bei Belassung seines vollen Gehaltes zu entbinden, so daß derselbe nunmehr in der glücklichen Lage ist, seine ganze Zeit ungestört seinen Lieblingsstudien und der Vollendung des mit großer Aufopferung begonnenen Werkes zu widmen.

Eine sehr erfreuliche Erscheinung ist das wachsende Interesse der philosophischen Facultät unsrer Landesuniversität für die Pflege der meklenburgischen Geschichte. Es ist an dieser Stelle schon wiederholt dankend darauf aufmerksam gemacht, daß dieselbe in neuerer Zeit die Themate zu den Preisschriften der Studirenden aus dem Gebiete der einheimischen Geschichte mit spezieller Hinweisung auf die in dem Urkundenbuche geöffneten neuen Quellen zu wählen pflegt. Auch das von dem Herrn Prof. Dr. Schirrmacher geleitete historische Seminar hat seiner Wirksamkeit vorzugsweise diese Richtung gegeben, und in dem abgelaufenen Jahre hat der genannte Herr Dirigent in seinen Beiträgen zur Geschichte Meklenburgs, vornehmlich im 13ten Jahrhundert, die Erstlingsfrüchte dieser Arbeiten durch den Druck veröffentlicht. Es sind 6 fleißig gearbeitete Abhandlungen, welche unsre studirende Jugend hier dem Vaterlande darbietet, und die wir mit um so größerm Rechte in den Kreis unsrer Besprechungen ziehen, als das Material dazu fast ausschließlich dem Meklenburgischen Urkundenbuche und den Jahrbüchern des Vereins entnommen ist und überdies mehre der Herren Verfasser unserm Vereine als Mitglieder angehören. Es sind namentlich folgende von der Kritik bereits günstig aufgenommene Arbeiten: 1) Geschichte der Stadt Rostock bis zum Jahre 1300 von Theodor Herrlich, 2) die 4 Parochial=Kirchen Rostocks. Ein Beitrag zur

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Geschichte des Backsteinbaues in der norddeutschen Tiefebne, nebst 16 Blättern Skizzen. Als Anhang: Ansicht der Stadt Rostock aus dem 16ten Jahrhundert mit einem Gedichte von Hans Sachs und Erläuterung. Von Dr. Gustav Floercke; 3) Geschichte der Stadt Wismar von der Gründung bis zum Ende des 13ten Jahrhunderts, nebst einer Karte von Stadt und Gebiet Wismar. Von Franz Schildt; 4) die meklenburgische Kirche unter Bischof Brunward (1192-1238). Von Adolf Grimm; 5) Geschichte des Klosters Doberan bis zum Jahre 1300. Von Friedrich Compart; 6) die Gewerbe Mecklenburgs im 13ten Jahrhundert. Von Wilhelm Beckmann.

Endlich ist an diesem Orte noch der stets wachsenden Correspondenz unsers ersten Secretairs, Herrn Archivraths Dr. Lisch, mit fremden Vereinen und Gelehrten zur Förderung der wissenschaftlichen Aufgaben des Vereins zu gedenken. Diese Correspondenz hat namentlich seit Entdeckung der Römergräber in Mecklenburg neuerdings wieder nach allen Richtungen hin an Umfang gewonnen. Selbst das sonst auch der deutschen Wissenschaft gegenüber so spröde Frankreich hat uns auf dem Gebiete der nationalen Alterthumskunde die Friedenshand geboten. Der Director des französischen National=Museums zu St. Germain bei Paris, Herr Alexander Bertrand, welcher vor einigen Jahren bei Gelegenheit seiner Reise zu dem archäologischen Congresse in Kopenhagen auch die Sammlungen in Schwerin besuchte, ist nämlich neuerdings in schriftlichen Verkehr mit uns getreten, wobei es sich zunächst freilich nur um gewisse Bronze=Alterthümer handelte, dann aber auch zum Austausch der Ansichten über die Bronzezeit in Frankreich im Vergleiche mit derjenigen im Norden von Mitteleuropa überhaupt führte. Fruchtbringender indeß sind die Verhandlungen mit einigen nordischen Gelehrten und verschiedener Provinzen Deutschlands gewesen.

Die Sammlungen des Vereines erfreuen sich fortwährend eines lebhaften Interesses und fleißigen Besuches des einheimischen und auswärtigen Publicums. Von namhaften Gelehrten wurden dieselben in dem abgelaufenen Geschäftsjahre namentlich besucht und theilweise studirt und benutzt von Herrn Prof. Engelhardt aus Kopenhagen, früherm Hauptgründer und Vorsteher der Alterthumssammlung zu Flensburg, 28.-36. Jul. 1872, Archivar Eckhoff aus Leeuwarden, 31. Jul.-1. Aug. 1872, Prof. Conze aus Wien, 26. Sptbr. 1872, Dr. Berini und Photograph Dammann aus Hamburg, 30. Sptbr. 1872.

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Endlich gab die im Anfang des Monats October zu Schwerin gehaltene Lehrerversammlung zahlreichen Volkslehrern Meklenburgs Gelegenheit zum Besuche des Antiquariums.

Die Verzeichnisse der neuen Erwerbungen der Alterthumssammlung, der Münzsammlung und der Bibliothek während des letzten Quartals von Ostern bis Johannis befinden sich in den

Beilagen Nr. 1-3.

Der Zuwachs der Sammlungen während des ganzen Geschäftsjahrs betrugen demnach 1) für die Alterthümer=Sammlung 62 Stücke, nämlich aus der Steinzeit 20 Keile, 1 Hammer, 4 Dolche, 2 Lanzenspitzen, 1 Pfeilspitze, 4 Sägen, 1 Spindelstein, 1 Reibstein, 1 Bastgeflecht und 1 menschlicher Schädel, sowie eine Menge Thierknochen dieser Zeit und spanförmige Feuersteinmesser = 36 Stücke; aus der Bronzezeit: 1 Schwert, 1 Framea, 1 Paar Handbergen, 1 Paar Armringe, 1 Hängeurne, 1 Arbeitsmeißel und 1 Spindelstein = 7 Stück; - aus der Eisenzeit: 1 römische Glasperle, 1 Sporn mit Spitze und 1 Spindelstein = 3 Stück, sowie mehre Urnenscherben und Knochen; - fremde Alterthümer aus dem Heidenthum 5 Stücke; - aus dem christlichen Mittelalter endlich 11 Stücke, darunter 1 Säbel, 1 Degen, 1 Sporn, 1 Siegelring, 1 Löffel, 1 Ofenplatte und 3 unvollständige Menschenschädel.

2) Für die Münzsammlung 52 Stücke, darunter 29 Meklenburgische, 3 altrömische, 1 türkische, 2 französische, 9 schwedische, 3 dänische, 1 Braunschweigische und 3 Bremische, zum Theil in Meklenburg gefunden, sowie 3 auswärtige Medaillen.

3) Für die Bildersammlung: 2 Portraits, 1 Stadtansicht, 1 Charte und 1 Wappen.

4) Für die Büchersammlung: 106 Bände, darunter 14 Meklenburgica. Endlich

5) für die Naturhistorische Sammlung: 1 Zahn vom Höhlenbären, 1 Backenknochen vom Mammuth, 1 Pferdeschädel, 1 Rennthierstange, 1 Hirschhorn und 2 große ringförmige Feuersteine (Spongia annulus).

In Betreff der Matrikel des Vereines habe ich im Ganzen nur Erfreuliches zu berichten, wenngleich wir auch in diesem Jahre schmerzliche Verluste erlitten haben. Zuvörderst bemerke ich bezüglich der mit uns verbundenen Vereine und Institute, daß die Leitung der Angelegenheiten des Gesammtvereins dem auf der im September 1872 zu Darmstadt gehaltenen Generalversammlung gefaßten

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Beschlüsse gemäß von dem Vereine zu Altenburg, welcher sich dieser im Ganzen ziemlich undankbaren Arbeit eine Reihe von Jahren hindurch mit anerkennungswerther Aufopferung unterzogen hatte, auf den Vorstand des Historischen Vereins für das Großherzogthum Hessen=Darmstadt, als nunmehrigen Verwaltungsausschuß, übergangen ist, und daß der Herr Gerichtsaccessist L. Wörner daselbst die verantwortliche Redaction des Correspondenzblattes, des gemeinschaftlichen Organes der verbundenen Vereine, übernommen hat. Auf die officielle Anzeige dieser Veränderung hat unser Verein unterm 13. April 1873 sich zur Fortsetzung des bisherigen Verhältnisses und namentlich zur weitern Haltung des Correspondenzblattes bereit erklärt. Von dem letztern sind seitdem die ersten 8 Nummern von Januar- August 1873 in etwas veränderter Gestalt erschienen, deren erstere beide namentlich den Bericht über die Verhandlungen auf der Generalversammlung enthalten. Speciell für Meklenburg Interessantes ist nicht vorgekommen.

Von den einzelnen correspondirenden Vereinen hat sich die Schleswig=Holstein=Lauenburgische Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer in Kiel nach fast vierzigjährigem Bestande nach Beschluß der Generalversammlung vom 14. Jan. und der Bekanntmachung der zu dem Zwecke ernannten Commission vom 21. April 1873 aufgelöst. Die von dem Vereine gegründete Sammlung von Alterthümern, sowie die Vereinsschriften, werden demnächst mit dem, durch die Königl. Regierung der Universität Kiel überwiesenen, frühern Flensburger Museum Nordischer Alterthümer zu einem Schleswig=Holsteinischen Museum vaterländischer Alterthümer vereinigt, zu dessen Aufstellung in dem neuen Universitätsgebäude zu Kiel die nötigen Räumlichkeiten hergestellt werden sollen. Bekanntlich ist aber die Schleswig=Holstein=Lauenburgische Gesellschaft für vaterländische Geschichte zu Kiel völlig selbstständig und wird von dem erwähnten Beschlusse ihres Schwestervereines nicht mitbetroffen. - Neue Verbindungen zur Correspondenz und Schriftenaustausch sind dagegen in diesem Jahre mit dem deutschen Centralmuseum für Völkerkunde in Leipzig und dem South=Kensington Museum in London angeknüpft worden.

Der Verlust dreier hervorragender correspondirender Mitglieder des Vereins durch den Tod, des Freiherrn v. Hammerstein zu Neustrelitz, des Geh. Archivraths Dr. Ad. Riedel zu Berlin und des Prof. Ludwig Giesebrecht

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zu Stettin ist schon in den vorhergehenden Quartalberichten d. J. ausführlich besprochen, sowie die Ernennung des Herrn Prof. Engelhardt zu Kopenhagen in dem Octoberberichte angezeigt worden. Die Zahl der correspondirenden Mitglieder, welche nach dem letzten Abdruck der Matrikel vom 11. Juli 1872 61 betrug, hat sich daher gegenwärtig auf 59 vermindert.

Dagegen zählt der Verein nach der Ernennung des Herrn Feldmarschalls Grafen v. Moltke Excellenz wiederum 3 Ehrenmitglieder.

Von den ordentlichen Mitgliedern endlich verlor der Verein schon in den ersten 3 Quartalen die Herren Dr. med. Hüen zu Rostock, Geh. Justizrath Dr. Ditmar daselbst, Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow und Portraitmaler Th. Fischer zu Schwerin durch den Tod, wozu in dem letzten Quartale noch der Herr Graf Carl August Ludwig v. Bassewitz auf Bristow, Grube und Glasow, ein Bruder unsers verehrten Herrn Präsidenten Excellenz, hinzugekommen ist. Derselbe trat dem Vereine bereits vor 28 Jahren, am 14. Novbr. 1845, bei und starb am 5. Mai 1873 im 46sten Lebensjahre.- Außerdem sind noch 2 Mitglieder, die Herren Pastor Zander zu Barkow und Lieutenant v. Flotow auf Woldzegarten, freiwillig ausgetreten, so daß der Verlust des Vereins im Ganzen 7 Mitglieder beträgt. Dagegen sind demselben folgende 13 Herren: Conrector a. D. Schultz in Schwerin, Pensionair Krefft zu Kirchstück, Hauptmann Ulr. v. d. Lühe in Schwerin, Advocat Dr. Mantius daselbst, Cand. phil. Reimers in Rostock, Kammeringenenieur Alban in Schwerin, Realschullehrer Starck daselbst, Advocat Kahle in Parchim, Realschullehrer Schildt in Schwerin, Musikdirector Maßmann in Wismar, Lehrer an der höhern Bürgerschule W. zurNedden zu Ludwigslust, Erblandmarschall Freiherr v. Maltzan auf Burg=Pentzlin, und neuerdings am 25. Januar d. J. Herr Gutsadministrator Grapengießer zu Boddin, als ordentliche Mitglieder beigetreten, so daß sich die Zahl derselben von 268 auf 274 vermehrt hat.

In dem Verwaltungs=Ausschusse des Vereins ist keine Veränderung eingetreten, da auch die 4 bisherigen Repräsentanten in der Generalversammlung für das nächste Jahr wiedergewählt worden sind. Derselbe besteht daher annoch aus folgenden Mitgliedern:

Präsident: Herr Ministerpräsident Graf v. Bassewitz, Excellenz.

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Vicepräsident: Herr Staatsrath Dr. Wetzell.
Erster Secretair: Herr Geh. Archivrath Dr. Lisch.
Zweiter Secretair: der unterzeichnete Archivrath Dr. Beyer.
Berechner: Herr Minist.=Secretair Dr. Wedemeier.
Bibliothekar: Herr Oberlehrer Dr. Schiller.
Repräsentanten: die Herren Prorector a. D. Reitz, Archivar Dr. Wigger, Justizrath v. Prollius und Revisionsrath Balck.

Ebenso hat auch der Herr Archivrath Pastor Masch zu Demern die Aufsicht über die Münzsammlung und der Herr Architect Stern desgleichen über die Bildersammlung noch ferner übernommen.

Ueber die pecuniairen Verhältnisse des Vereins berichtete der Herr Berechner in der Generalversammlung durch Verlesung des in der

Beilage Nr. 4

befindlichen Auszuges aus den der Versammlung vorgelegten Rechnung der Vereinscasse vom 1l. Juli 1872 bis zum 30. Juni 1873. Die Vergleichung derselben mit dem Vorjahr ergiebt zwar eine Vermehrung der belegten Capitalien um 207 Thlr., 21 ßl. aber eine Abminderung des Cassenvorraths um 234 Thlr. 36 ßl. 9 pf., so daß sich das Vermögen des Vereins beim Abschlusse der Rechnung um 27 Thlr. 15 ßl= 9 pf. verschlechtert hat und beim Abschluß der Rechnung 2247 Thlr. 46 ßl. 9 pf. betrug. Ebenso betrug die Einnahme des letzten Jahres, excl. der eingezogenen Capitalien, 29 Thlr. 30 ßl. 9 pf. weniger, als im Vorjahr, obgleich die Beiträge der ordentlichen Mitglieder, sowie die Zinsen um eine Kleinigkeit gestiegen sind, wogegen sich die Ausgabe, wiederum excl. der belegten Capitalien, um 112 Thlr. 8 ßl. 3 pf. höher belief. Letzteres liegt zwar größtentheils in den steigenden und fallenden Posten, namentlich den Druckkosten (382 Thlr. gegen 301 Thlr.) und Buchbinderarbeiten (68 Thlr. gegen 49 Thlr. im Vorjahr), aber auch die feststehende Ausgabe für Gehalte und Honorare ist von 54 Thlr. 32 ßl. auf 96 Thlr. 16 ßl. gestiegen, so daß die Finanzen des Vereins leider nicht sehr brillant sind, und wir künftig allerdings darauf bedacht sein müssen, die Ausgaben thunlichst zu beschränken.

W. G. Beyer, Dr. Archivrath,     
als zweiter Secretair des Vereins.   

 

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Beilage Nr. 1.
horizontale Klammer

Verzeichnis

der neuen Erwerbungen der Alterthumssammlung.
(Ostern bis Johannis 1873.)

1) Aus der Steinzeit.

2 Keile aus Feuerstein, gef. zu Ahrenshop auf dem Dars in dem Gehölze nahe an der Gränze des Fischlandes, geschenkt von dem Herrn Candidaten Reimers in Rostock.

1 noch nicht geschliffner Keil aus Feuerstein, gef. bei Schwerin, geschenkt von dem Herrn Studiosus Westphal aus Schwerin.

1 Keil aus Feuerstein, gef. zu Krusenhagen bei Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. Crull in Wismar.

1 Keil aus Feuerstein, gef. zu Rohlsdorf bei Wismar, gesch. von demselben.

1 Dolch aus Feuerstein, gef. zu Redentin bei Wismar, gesch. von demselben.

1 Dolch aus Feuerstein, gef. zu Lüchow bei Gnoien, gesch. von dem Herrn Studiosus Westphal aus Schwerin.

1 spanförmiges Messer, 9 Cent. lang, 1 spanförmige Pfeilspitze, 4 Cent. lang, 1 breiter Span, 5 Cent. lang, und 1 kunstgerecht abgesplitterte, am Rande abgekröselte, kreisrunde Platte, 2 1/2 Cent. Durchmesser, alles aus Feuerstein, gef. zu Weitendorf bei Brüel an der Warnow, wo schon früher wiederholt ähnliche Sachen gefunden wurden, geschenkt von dem Gutsbesitzer Herrn Burgwedel auf Weitendorf.

2) Aus der Bronzezeit.

1 paar zerbrochene Handbergen und 1 Paar massive breite Armringe aus Bronze, gef. zu Neu=Zapel bei Crivitz, geschenkt von dem Herrn Erbzinspächter Ripke das.

1 kleiner Arbeitsmeißel aus Bronze, 5 Cent. lang und 1 Cent. breit, gef. zu Zidderich bei Goldberg, geschenkt von dem Herrn Pensionair Reichwald zu Zidderich.

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3) Aus der Eisenzeit.

1 kleiner eiserner Sporn mit Stachel, gef. zu Dämelow bei Kleinen, geschenkt von dem Herrn v. Storch auf Dämelow.

Mehre Urnenscherben, Knochen und sogenannte Klehmstakenstücke von dem Burgwall von Werle bei Wiek, geschenkt von dem Herrn Handlungsgehülfen Getzmann jun. in Lage.

4) Heidnische Alterthümer vom Ausland.

1 antikes ovales Marmorrelief mit einem römischen Kaiserkopfe (Augustus?), 16 Cent. hoch, 2 altrömische Silbermünzen, 1 thönerner Henkelkrug aus Palästrina (Präneste) in Italien und ein Stück altrömischer Wandmalerei auf Kalk aus der Villa des Asinus Pollio in Rom, geschenkt von dem Herrn Dr. Bärensprung in Schwerin.

5) Aus dem christlichen Mittelalter.

1 bronzener Siegelring mit einem von Pfeilen oder Nägeln durchbohrten Herzen, unter welchem, wie es scheint, 4 gothische Buchstaben inri eingravirt sind, gef. zu Redefin auf dem Acker, geschenkt von dem Herrn Conrector Schultz a. D. in Schwerin.

1 Löffel aus Messing und verzinnt, mit rundem Blatt und am Stielende mit der Figur des Apostels Petrus mit dem Schlüssel, gef. zu Sukow bei Güstrow beim Ausgraben eines Fundamentes, angekauft durch Vermittelung des Herrn Küsters Timm zu Sukow.

1 Sporn aus Eisen mit einem messingenen Stachel, gef. zu Benz bei Wismar, geschenkt von dem Herrn Dr. Crull in Wismar.


Ein Spiel deutscher Karten aus Rudolstadt (1854), geschenkt von dem Herrn Drost v. Pressentin in Schwerin.

 

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Beilage Nr. 2.
horizontale Klammer

Verzeichniß

der neu erworbenen Münzen.
(Ostern bis Johannis 1873.)

Eine Sammlung von 23 Silber= und Kupfermünzen unbekannten Fundorts, nämlich: 3 alte römische Münzen von Vespasian, 1 türkische Münze, 8 schwedische Noththaler von 1718, 1 dänische, 1 braunschweigische, 1 Bremische, 1 meklenburgische, 1 Rostocksche und 1 Wismarsche Münze, geschenkt von dem Herrn Advocaten Weber zu Doberan.

1 kleine eiserne Medaille auf die Völkerschlacht bei Leipzig, geschenkt von dem Herrn Drosten v. Pressentin in Schwerin.

1 dänisches Achtschillingsstück von 1712, gef. auf dem Schelffelde bei Schwerin, geschenkt von dem Schiffer Herrn Hans Horn in Schwerin.

1 dänisches Vierschillingsstück von 1841, geschenkt von dem Herrn Advocaten Löwenthal in Schwerin.

3 neueste Meklenburg=Schwerinsche Kupfermünzen von 1872, geschenkt von der Custodin Fräulein Buchheim in Schwerin.

3 neueste Meklenburg=Strelitzische Kupfermünzen von dem Herrn Georg Kayser in Schwerin.

 

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Beilage Nr. 3.
horizontale Klammer

Verzeichniß

der neu erworbenen Bücher.

I. Die Niederlande.

1) Officiatorum Frederici de Baden. St. 2. Deventer. 1872. 80.

2) Verzameling van stukken die betrekking hebben tot Overysselsk regt en geschiedenis. St. 7. und 8. Deventer 1872 u. Zwolle 1873. 8°.

3) Overijselske Stad-, Dijk - en Markeregten II., 1. Zwolle 1873. 8:
(Nr. 1-3. Tauschexemplare vom Vereine für Erforschung Ober=Ysselschen Rechts und Geschichte zu Zwolle).

II. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

4) Anzeiger für Kunde d. deutschen Vorzeit. Jahrg. XIX. 1872. (Tauschexemplar v. Germanischen Museum.)

III. Oesterreich.

5) Oesterreichische Geschichts=Quellen. II. Abth. XXXVI. Band. Wien 1871. 8°.

6) Archiv f. Oesterreichische Geschichte. Bd. XLVIII, 1. Wien 1872. 8°.

7) Sitzungsberichte der K. K. Akademie der Wissenschaften. Bd. LXX, 1-3; LXXI, 1. Wien 1872.
(Nr. 5-7 Tauschexemplare v. d. gen. Akademie)

8) Mittheilungen der K. K. Geographischen Gesellschaft. Jahrg. X. 1866 und 67, redigirt v. Franz Foetterle. Wien 1868. 8°; Jahrg. XIII. XIV. XV., redigirt von M. A. Becker. Wien 1871-73. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)

9) Topographie von Nieder=Oesterreich. Heft 4. Wien 1872. 4°.

10) Blätter des Vereines f. Landeskunde von Nieder=Oesterreich. Jahrg. VI. Wien 1872. 8°.
(Nr. 9-10 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)

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11) Zeitschrift des Ferdinandeum f. Tirol u. Vorarlberg. Dritte Folge. Heft XVII. Innsbruck 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)

12) Beiträge zur Kunde Steiermärkischer Geschichtsquellen. Jahrg. IX. Graz 1873. 8°.

13) Mittheilungen des historischen Vereines f. Steiermark. Heft XX. Graz 1873. 8°.
(Nr. 12-13 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)

14) Archiv des Vereines f. siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge. Band X, 2. Hermannstadt 1872. 8°.

15) Programm des Gymnasiums zu Hermannstadt, enth.: Schuster, Beitrag z. Gesch. des evangel. Gymnasiums zu Hermannstadt. 1872. 4°.

16) Programm des evangel. Gymnasiums zu Schäßburg, enth.: Hoch, Gesch. des Schäßb. Gymn. Fortsetzung. 1872. 4°.
(Nr. 14-16 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)

17) Magyar Tudomànyos Akadémia Ertesiöje 10-17. 8. Pest 1871-72. 8°.

18) Archaegeoiogial Közleméyek. VIII. Pest 1871. Fol.

19) Monumenta Hungariae historica Pest 1872. 8°.

20) Tudom. Akadémiae Almanach. Pest 1872. 8°.
(Nr. 17 - 20 Tauschexemplare v. d. Akademie der Wissensch. in Pest.)

IV. Bayern.

21) Archiv des histor. Vereines von Unterfranken u. Aschaffenburg. Bd. XXII, 1. Würzburg 1873. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)

V. Württemberg.

22) Zeitschrift des histor. Vereines f. d. wirtemberg. Franken. Bd. VIII, 2. 1. (1868 u. 70), Bd. IX, 1. (1871). Weinsberg. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)

VI. Großherzogthum Hessen.

23) Archiv f. Hessische Geschichte u. Alterthumskunde. Bd. XIII, 1. Darmstadt 1872. 8°. (Tauschexemplar v. d. histor. Vereine f. das Großh. Hessen.)

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VII. Hohenzollern.

24) Zum Urkundlichen Beweise über die Abstammung des Preuß. Königshauses von den Grafen v. Hohenzollern. Separat=Abdr. aus Bd. II. der Hohenzollern'schen Forschungen von Dr. R. G. Stillfried. Berlin 1873. (Geschenk vom Königl. Ober=Ceremonienmeister Grafen von Stillfried, Excellenz.)

VIII. Brandenburg, Preußen, Lausitz.

25) Berlinsche Chronik nebst Urkundenbuch. Lieferung IX. 1872. Fol. (Tauschexemplar v. d. Vereine für d. Gesch. Berlins.)

26) Altpreuß. Monatsschrift. Bd. X, 2. 3. Königsberg 1873. 8°. (Tauschexemplar v. d. Alterthumsgesellschaft Prussia.)

27) Neues Lausitzisches Magazin. Bd. XLIX, 2. 8°. (Tauschexemplar v. d. Oberlausitz. Gesellschaft der Wissensch. zu Görlitz.)

IX. Schleswig=Holstein und Lauenburg.

28) Vorgeschichtliche Steindenkmäler in Schleswig=Holstein. Heft. II. 1873. 4°. (Tauschexemplar v. d. SchI.=Holst.=Lauenb. Gesellsch. f. die Sammlung u. Erhaltung vaterl. Alterthümer.)

X. Meklenburg.

29) Programm des Gymn. Fridericianum. Ostern 1873. 4°, enth. L. v. Passavant gegen Agricolas Sprichwörter, herausg. und erläutert v. Oberlehrer Dr. Fr. Latendorf. (Geschenk des Herrn Directors Dr. Büchner.)

30) Jahresbericht über die Realschule zu Schwerin. Ostern 1873. 4°. (Geschenk des Herrn Directors Giseke.)

31) Programm des Friedrich=Franz=Gymnasium. Ostern 1873. 4°, enth.: Dr. Pfitzner, Das Geburtsjahr Jesu Christi. (Geschenk des Herrn Direktors Dr. Hense.)

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32) Programm der Domschule zu Güstrow. Ostern 1873. 4°., enth.: Th. Fritzsche, De interpolationibus Horatianis. P. I. (Geschenk des Herrn Direktors Dr. Raspe.)

33) Programm der Gr. Stadtschule zu Rostock. Ostern 1873. 4°., enth.: 1) Krause, Ueber den 1. u. 2. Theil der Rostocker Chronik. 2) Eine Kinderlehre des 13. Jahrh. (Geschenk des Herrn Directors Dr. Krause.)

K. Schiller, Dr., Oberlehrer,     
als Bibliothekar des Vereins.     

 

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Beilage Nr. 4.
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Auszug

aus der Berechnung der Vereins=Casse vom 1. Juli 1872
bis zum 30. Juni 1873.

Auszug aus der Berechnung der Vereins-Kasse
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Auszug aus der Berechnung der Vereins-Kasse

Schwerin, den 30. Juni 1873.

F. Wedemeier, Dr., Ministerial=Secretair,     
z. Z. Cassen=Berechner.                  

 

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