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e. Römergräber.


Römische Gräber im Norden.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D ie Entdeckung der "Römergräber" von Häven in Meklenburg (Jahrb. XXXV, 1870, S. 99 flgd.) wird ohne Zweifel einen großen Einfluß auf die Beurtheilung der Grabalterthümer im mittleren Nordeuropa ausüben, und hat ihn zum Theil schon ausgeübt. In den Jahrb. XXXVII, 1872, S. 241 flgd., ist nachgewiesen, daß sich auch auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland und Fühnen, sehr viele römische Alterthümer finden, welche wahrscheinlich alle zu römischen Gräbern gehören, wenn auch die Aufgrabungen nicht immer vollständig erforscht sind.

In den neuesten Zeiten sind wieder sehr großartige Entdeckungen gemacht, welche die Forschung und Erkenntniß bedeutend fördern werden, und zwar nicht allein auf Seeland, sondern auch sogar im schwedischen Schonen und auf Bornholm.


Römisches Grab von Vallöby auf Seeland.

In den Jahrb. XXXVII, S. 249, ist ein seltener Fund von meist römischen Alterthümern beschrieben, welcher im Spätsommer 1871 zu Vallöby bei Kjöge im Amte Prästö, auf Seeland, gemacht ward. Diese Alterthümer waren: ein rothes, sogenanntes samisches Thongefäß mit erhabenen Figuren, Bruchstücke von zwei großen Bronzegefäßen, einer Kelle und einem Siebe, drei Brettsteine von weißem Glase und zwei silberne Becher mit vergoldeten Ornamenten und "barbarischen Figuren".

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Eine fortgesetzte neuere Aufgrabung hat ergeben, daß diese Sachen in einer kleinen Abtheilung eines größeren Grabes gestanden hatten, welches bis zur Aufdeckung unberührt geblieben war. Im Spätsommer 1872 fand Professor Engelhardt dieses Grab und deckte es auf; die Beschreibung ist vorläufig mitgetheilt in der dänischen Zeitung Fädrelandet, 1872, No. 228, October 1. Engelhardt fand in einer Tiefe von 6 Fuß unter der Oberfläche der natürlichen Erderhöhung eine Grabkiste, welche von kleinen Feldsteinen aufgebauet war und in der Richtung von Nord nach Süd lag, also ganz wie in Häven. Der innere Raum des Grabes war 7 1/2 Fuß lang und 2 Fuß breit; in demselben lag eine unverbrannte bekleidete Leiche. An der rechten Seite der Füße der Leiche standen 4 große Bronze=Gefäße oder Eimer, und ein schwarzes Thongefäß; in dem einem Gefäße lagen Vogelknochen. Am Kopfende lagen zur rechten Seite 2 silberne Hefteln mit verzierter Goldbelegung. In der Mitte des Grabes an den linken Seiten lagen 60 runde Dammbrettsteine ("Brikker"), zur einen Hälfte von durchsichtigem dunkelrothem, zur andern Hälfte von weißem Glase. An der rechten Seite lag ein prächtiges Armband von feinem Ducatengold und 3 Fingerringe von verziertem Golde, zusammen 255 dänische Riksdaler an Werth. Endlich fanden sich am südöstlichen Ende des Grabes noch 40 schwarze und weiße Dammbrettsteine, wie die oben erwähnten.

Am Kopfende der Leiche war eine besondere Grababtheilung von 1 1/2 Fuß Länge, in welcher wahrscheinlich im Jahre 1871 die oben beschriebenen Sachen und jetzt noch die Bruchstücke von 2 "halbrömischen" Glasgefäßen und einem dünnen Bronzegefäße gefunden wurden.

Engelhardt schreibt die Gräber dieser Art dem ältern Eisenalter und dem 3. Jahrhundert n. Chr. und einer reichen und mächtigen Bevölkerung zu, die im Besitze einer Menge "halbrömischer" Gegenstände war, welche, neben einer nicht geringen "nationalen Cultur", Handelsartikel bildeten. Ich möchte aber Gräber dieser Art für "ganz römische" halten, da Skelete, Bestattungsweise und Mitgaben dafür reden, während die Zahl der Mitgaben von nationaler Cultur gegen die römischen verschwindend klein ist.

Man vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 7.


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Römische Altertümer von Schonen.

Auch im südlichen Schweden, in Schonen, sind Gräber mit römischen Alterthümern vorhanden. Nach des Herrn Dr. Hans Hildebrand zu Stockholm brieflicher Mittheilung fand in dem Fischerdorfe Abbekas westlich von Ystad im Jahre 1872 ein Bauer beim Pflügen folgende Gegenstande, welche von der Schwedischen Akademie für das Staats=Museum angekauft sind:

ein großes, fast kesselförmiges Gefäß aus Bronze mit zwei Henkeln, römische Arbeit oder im Süden angefertigte Imitation eines römischen Originals;

eine Kelle mit Sieb darin, von Bronze, römisch;

zwei gleiche Glasbecher mit eingeschliffenen Reifen und Halbkugeln, römisch;

Reste von einem eisernen Ringpanzer und von eisernen Waffen;

zwei thönerne Töpfe, Bruchstücke;

gebrannte Knochen; feines Zeug.

Die Nachricht ist auch vorläufig veröffentlicht in Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademiens Månadsblad, 1872, October, Nr. 10, p. 159.

Die bronzenen und gläsernen Sachen stimmen offenbar mit den dänischen und meklenburgischen überein.

Vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 7 flgd.


Römische Altertümer auf Bornholm.

In den Jahrb. XXXVII, S. 241 flgd., ist nachgewiesen, daß sich auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland und Fühnen, viele römische Alterthümer finden, welche höchst wahrscheinlich zu Römergräbern gehören. Auch auf der dänischen Insel Bornholm sind in neuern Zeiten unleugbare Spuren römischen Verkehrs gefunden. Die Insel ist sehr reich an Alterthümern aus allen Perioden der Vorzeit. Der Amtmann E. Vedel zu Soroe hat sich seit mehreren Jahren eifrig damit beschäftigt, die Gräber auf der Insel Bornholm zu erforschen und besonders sehr zahlreiche Begräbnisse der Eisenzeit aufzudecken. Er giebt hierüber zuerst Nachricht in den Jahrbüchern für nordische Alterthumskunde, 1870, S. 1 flgd.

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("Aarbø for Nordisk Oldkyndighed og Historie, Kiøbenhavn").

Vedel berichtet, daß sich auf Bornholm sehr zahlreiche Begräbnißplätze der Eisenzeit finden, welche daran erkennbar sind, daß sich in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche schwarze gebrannte Flecke ("pletter") finden, auf denen die verbrannten Leichen in Urnen und auch ohne Urnen beigegesetzt sind. Die eisernen Alterthümer sind denen in Norddeutschland gleich. Vedel nennt diese Begräbnisse Brandflecke (brandpletter) oder Brandgräber. Diese Gräber sind also ohne Zweifel die heimischen Gräber der Eisenzeit in Dänemark, die bisher noch wenig beobachtet sind. Sie gleichen ganz den gleichzeitigen Begräbnissen in Meklenburg. Vedel theilt sie nach verschiedenen Erscheinungen in mehrere, auch zeitlich verschiedenen Klassen, jedoch wie es scheint etwas zu scharf.

Auf die Beschreibung dieser Begräbnisse kommt es hier so sehr nicht an, um so mehr da sie hier zu weit führen würde. Dagegen hat Vedel in neuern Zeiten bei diesen Brandgräbern oder Brandgruben, welche immer "innerhalb des altern Eisenalters liegen", zahlreiche "brandlose Gräber" ("ubraeudte grave") entdeckt, in denen die reichen unverbrannt beigesetzt sind. Diese Gräber, welche namentlich bei Kannikegaard auf der südlichen Spitze der Insel zahlreich vorkommen, sind den Römergräbern von Häven sehr ähnlich, vielleicht gleich, und bieten in Vergleichung mit diesen manche höchst merkwürdige Erscheinung. Vedel hat genaue Beschreibungen mit Abbildungen geliefert in Aarbøger etc., 1872, p. 61 flgd. Die Leichen liegen ungefähr 2 Ellen unter der Erdoberfläche; einige liegen in Steinkisten, einige in Sandgruben, welche mitunter mit kantigen Steinen zugedeckt sind. Der Kopf der Leiche liegt allemal im Norden, so daß die Leiche gerade nach Süden geschauet hat. Alles dies stimmt mit der Bestattungsweise in Häven überein. Die brandlosen Gräber auf Bornholm liegen sehr selten innerhalb einer Brandgräbergruppe, sondern entweder gerade am Rande derselben, wie in Meklenburg zu Börzow (Jahrb. XXXVII, S. 224), oder ganz außerhalb, und zwar in Reihen von Osten nach Westen in der Richtung von Norden nach Süden, gerade wie zu Häven.

Ueberraschend übereinstimmend sind aber die sonst seltenen Alterthümer, welche sich dort wie hier finden. In den brandlosen Gräbern auf Bornholm finden sich auch eiserne Alterthümer, z. B. Schwerter, Beile, Messer u. s. w., welche

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in den andern bisher bekannt gewordenen Römergräbern noch nicht beobachtet, aber den gleichen Geräthen der gleichzeitigen einheimischen Eisenzeit gleich sind. Wichtiger sind die Schmuckgegenstände, welche auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Süden deuten. Es sind zahlreiche schöne Hefteln von Bronze und von Silber gefunden, auch mit Verzierungsplatten belegt (Taf. 5, Fig. 11, und Taf. 8, Fig. 2), wie die Hefteln von Häven (vgl. Jahrb. XXXV, Taf. 2, Fig. 22-24). Höchst merkwürdig ist die neue, seltene Heftel von Bronze mit Silber belegt (Taf. 8, Fig. 1), die aus Zierplatten zusammengesetzt ist, welche denen der neu gefundenen silbernen Hefteln von Häven (abgebildet Jahrb. XXXVII, S. 212) völlig gleichen und von demselben Künstler gearbeit sein müssen. Der silberne Halsring von Kannikegaard (Taf. 7, Fig. 4) stimmt in der eigenthümlichen Form des Schlusses ganz mit dem silbernen Halsringe von Häven überein (Jahrb. XXXV, Taf. 2, Fig. 21).

Besonders reich sind die Bornholmer Gräber an gefärbtem und eingelegtem Glas, wie die Gräber von Häven. Es finden sich lange Perlenschnüre und einzelne Perlen von gefärbtem und Mosaik=Glas, in Kugel= und in Stangenform. Auffallend sind die Mosaikperlen mit Sternmuster (Taf. 7, Fig. 8), welche denen von Häven (Jahrb. a. a. O. Taf. 1, Fig. 9-10) völlig gleich sind und aus derselben Werkstätte stammen müssen, sowie auch die gereifelten Perlen (Jahrb. Taf. I., Fig. 11). Höchst merkwürdig ist die genaue Uebereinstimmung der seltenen beutel= oder birnenförmigen Bernsteinbommeln von Kannikegaard (Taf. 8., Fig. 8) und von Häven (Jahrb. Taf. 1, Fig. 14); auf Seeland sind ebenfalls dieselben Bommeln gefunden. Auch ein kleines hölzernes Eimer mit 4 Bronzebändern (Taf. 8, Fig. 4) ist zu Kannikegaard gefunden, wie zu Häven (Jahrb. Taf. 2, Fig. 16). Auch die auf Bornholm in den brandlosen Gräbern gefundenen thönernen Urnen gleichen den Urnen der ersten Eisenzeit im nördlichen Deutschland, jedoch fehlen dort auch die Norddeutschland eigenthümlichen Urnen mit mäanderartigen Verzierungen aus Punktlinien.

Nach allen diesen Uebereinstimmungen wird man nicht leugnen können, daß sich wenigstens eine mittelbare römische Cultur auch über Bornholm erstreckt hat, welche höchst wahrscheinlich ihren Weg über Norddeutschland genommen hat. Mit der Zeit und bei geschärfterer Beobachtung werden sich ohne Zweifel noch mehr Zeugnisse finden. (Nach

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brieflichen Mittheilungen hat der Amtmann Vedel im Sommer 1872 seine Forschungen auf Bornholm fortgesetzt.)

Schon früher sind auf Bornholm oft römische Alterthümer gefunden, namentlich viele römische Münzen, auch Schmucksachen von Gold und Glas. Vgl. Engelhardt Nydam Mosefund, Kjöbenhaven, 1865, p. 51 - 52.


Grab von Farmen Gaard in Norwegen.

"Auch in Norwegen mehren sich die Funde römischer Alterthümer mit jedem Jahre und zeigen uns, wie weit die Producte einer classischen Cultur, die nachweisbar großen Einfluß auf die unserige geübt, nach dem Norden hinaufgekommen sind." Im Sommer 1872 ward zu Farmen Gaard, in der Pfarre Vangs, in Hedemarken, am Mjösen=See, in einem Hügelgrabe ("tumulus") ein schönes, höchst merkwürdiges, mit zerbrannten Menschenknochen gefülltes römisches Bronzegefäß gefunden, dessen römischer Ursprung durch eine lateinische Inschrift verbürgt ist.

Vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 8.

Dieses seltene Denkmal, welches zusammen mit einem zweiten Bronze=Gefäß gefunden ist, befindet sich in der Privat=Sammlung des eifrigen Sammlers und Forschers A. Lorange zu Frederikshald in Norwegen.

Die Bronze=Urne hat ungefähr die Formen von großen thönernen Begräbnißurnen, wie sie wohl in Scandinavien vorkommen, und ist nach der von Herrn Lorange mitgetheilten Abbildung in Farbendruck ungefähr 24 Centimeter hoch.

Um den obern Bauchrand läuft eine Inschrift in großen, alten, römischen Unzial=Buchstaben, welche nach dem Farbendruck zu urtheilen von Silber eingelegt sind. Leider ist die Inschrift nicht vollständig erhalten, da das Gefäß einige Brüche hat. Was von der Inschrift nach der Abbildung noch erhalten ist lautet:

LIBERTINVS ° ET ° APRVS ° CVRATOR . . . . . VERVNT °

Leider fehlt in der Abbildung das Wort, welches klaren Aufschluß geben könnte.

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Engelhardt zu Kopenhagen nimmt folgende Lesung an:

LIBERTINVS ° ET ° APRVS ° CVRATORES ° POSVERVNT °
(Libertinus et Aprus curato[res pos]uerunt).

Vgl. Mémoires de la Société des Antiquaires du Nord pour 1872, Copenhague 1872, p. 48, Not. (Auch im Separat=Abdruck.)

Außerdem fand Herr Lorange in Hügeln vollständig bekleidete Leichen, welche mit Schmuck aus der Zeit der ersten Eisenzeit geziert waren.

"Das Gefäß von Farmen Gaard war also ursprünglich dazu bestimmt, die Asche eines Römers zu bewahren. Ob dies geschehen," oder ob das Gefäß in die Hände von Normannen gerathen und zur Bestattung eines Normannen verwandt ist, "laßt sich schwerlich bestimmen." Thatsache ist, "daß dieses Gefäß später in Norwegen seine ursprüngliche Bestimmung als Todtenurne erfüllte".

 

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