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Alter Wohnplatz am Alten Garten zu Schwerin.

Als im Jahre 1873 auf dem sogenannten Alten Garten zu Schwerin, vor dem großherzoglichen Residenzschlosse, nahe am Burgsee die Fundamente zu dem Siegesdenkmale gelegt werden sollten, mußten Tiefgrabungen von bedeutendem Umfange vorgenommen werden. Der Boden ward dabei an mehreren Stellen bis 16 Fuß tief ausgegraben. Dabei ergab es sich, daß oben eine Schicht Erde und Schutt von 12 Fuß Dicke aufgeschüttet ist; dieser Auftrag ist Jahrhunderte lang durch Abfall und Brandschutt eingeschüttet; überall lagen zwischen der Erde Bruchstücke von Ziegeln, hin und wieder auch Scherben von mittelalterlichen, blaugrauen Töpfen. Unter dem Auftrage von 12 Fuß lag eine Schicht Torf von ungefähr 2 Fuß Dicke, unter dem Torf stand reiner Sand ("Seesand") mit vielen ganz kleinen Muscheln und Schnecken.

Diese Bildung ist also ganz der Bildung der Insel gleich, auf welcher das großherzogliche Schloß steht, welche ich beim Schloßbau lange beobachtet und in den Jahrbüchern XV, 1850, S. 159 flgd., geschildert habe.

Der ganze Alte Garten mit Umgebungen war in alter Zeit ohne Zweifel ein Sumpf, welcher Jahrhunderte lang

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nach und nach zugeschüttet ist, wie das hier zur Frage stehende Beispiel zeigt, zunächst um einen festen Zugang auf der langen Strecke von der Stadt nach der Schloßinsel zu gewinnen.

Die Stelle des Siegesdenkmals am westlichen Ende, am Burgsee, scheint die am frühesten bewohnte gewesen zu sein. Früher war hier neben der Straße zum Schlosse, zwischen dieser und dem Burgsee, eine umschrankte Reitbahn eingerichtet, welche schlechtweg die "Bahn" genannt ward. Zwischen dem Schlosse und der Bahn und dem jetzigen Collegiengebäude, wo früher ein Franziskanerkloster stand, lag bis auf die neuesten Zeiten ein Schmiedehaus, welches die Bahnschmiede genannt ward. Die Denkmalsstelle liegt also dem Festlande der Stadt nahe, vielleicht am nächsten, und daher ist es möglich, daß hier in alter Zeit eine menschliche Ansiedelung stand, vielleicht ein Pfahlbau. Zwar fanden sich in der Tiefe in dem Auftrag genug Pfähle; alle waren aber offenbar verhältnißmäßig jungen Ursprunges und rührten wohl von einem Stackwerk zur Uferbefestigung oder von der Umschrankung der Bahn her. Altes Holz ist sicher nicht gefunden.

Jedoch haben sich andere Spuren von menschlichen Ansiedelungen gefunden, und zwar in der Mitte der westlichen Seite zunächst nach dem Burgsee hin. Hier ward unmittelbar auf dem Torf eine große Menge von Thierknochen gefunden, von denen manche zerschlagen sind; diese gehören alle Hausthieren an, wie dem Rind, Schaf, Schwein, auch einem Hunde ein großer Schädel, und waren alle schwarz von Farbe.

Zwischen diesen Knochen fanden sich aber auch Geräthe, welche ohne Zweifel von Menschenhänden bearbeitet sind, und zwar folgende:

eine nach Weise der heidnischen Zeit gearbeitete Topfscherbe mit eingedrückten Verzierungen der Eisenzeit;

ein kurzer Pfriemen aus einer dünnen Spitze eines Hirschhornendes, 3 1/2 Zoll lang, an vielen Stellen sichtlich mit scharfen eisernen Messern zugespitzt;

zwei "Griffelbeine " als Stechwerkzeuge, ebenfalls mit scharfen Messerschnitten bearbeitet;

eine Rippe, wahrscheinlich von einem jungen Rinde, welche an einem Ende in 3 regelmäßigen, scharfen Spitzen ausgeschnitten ist, wahrscheinlich als Werkzeug zum Eindrücken und Einritzen der gebräuchlichen Topfverzierungen.

Aus allen diesen Funden geht hervor, daß hier einst Menschen gelebt und gearbeitet haben. Vielleicht war hier,

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dem festen Lande zunächst, in der ältern Eisenzeit eine menschliche Wohnstätte, noch ehe der wendische Burgwall auf der Schloßinsel aufgeschüttet ward, zu welcher der weite Zugang durch den Sumpf des Alten Gartens sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein mußte.

Vielleicht war die Stelle noch viel früher bewohnt. Gegen 16 Fuß von dem Knochenlager entfernt ward das Stirnbein von einem wilden Urstier (bos primigenius), vom Hinterhauptbein bis zum Nasenbein, jedoch ohne die Hörner, gefunden; das Exemplar gehört, nach Vergleichung mit andern vollständigen Exemplaren, zu den größern. Es gehört schon nach der Farbe nicht zu den übrigen Knochen und ist ohne Zweifel viel älter als diese.

Auf der Schloßinsel fanden sich in der Tiefe schöne Geräthe der Steinzeit (vgl. Jahrb. a. a. O.), welche vielleicht mit diesem Urstier gleichzeitig sein können.

G. C. F. Lisch.     

 

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