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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Ueber

Räucherwerk oder Harzkitt.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n den Jahrbüchern ist in neuern Zeiten oft von jenem "Räucherwerk", einer braunen harzigen Masse, die Rede gewesen, von der sich zuweilen Bruchstücke in Begräbnißurnen zwischen den zerbrannten Menschengebeinen gefunden haben und mit der oft die vertieften Stellen verzierter Bronzen ausgelegt sind. Es werden auch ganze Kuchen von diesem Harze gefunden, wie ich selbst denn auch ein großes Stück davon in dem Pfahlbau von Wismar entdeckt habe; vgl. Jahrb. XXXII, S. 213. Es handelte sich bisher noch um die Zeit, in welcher dieses vielleicht bald als Räucherwerk, bald als Kitt gebrauchte Harz im Gebrauch war.

Bei Gelegenheit der Untersuchung einer Urnenscherbe aus einem Begräbnißplatze der Bronzezeit von Sietow bei Röbel ward es mir Bedürfniß, diese Sache noch einmal in weiterm Umfange zu untersuchen. An dieser thönernen

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Urne ist auf der Außenfläche, jedoch nicht durchreichend, ein Stück ausgesprungen, und man hat zur Ebenung diese schadhafte Stelle mit jenem Kitt ausgefüllt, welcher am brennenden Lichte schmilzt, mit heller Flamme bis zur Verkohlung brennt und jenen ganz angenehmen Geruch von sich giebt, der an Birkentheer und Bernstein erinnert und dem Geruch der modernen Räucherkerzchen nicht unähnlich ist.

Nun erinnerte ich mich, daß 1841 in einem großen Grabe aus der Steinzeit zu Moltzow eine Urne gefunden ward, welche ebenfalls an einer ausgesprungenen Stelle mit einem Stück Scherbe von einer andern Urne durch einen Kitt ausgeflickt war; vgl. Jahresber. VI. S. 135-136. Das Grab gehört ohne Zweifel der Steinzeit an. Die Urne, welche schon an und für sich bestimmt den Charakter dieser Zeit trägt, ist in Jahrb. X, S. 254, abgebildet. Bei der jetzt vorgenommenen Untersuchung hat sich nun mit Sicherheit ergeben, daß der Teig, mit dem die Scherbe in die Lücke eingekittet ist, derselbe braune Harzkitt ist, aus welchem die "Räucherkuchen" bestehen: er brennt in heller Flamme, indem er schmilzt und endlich verkohlt, und giebt den eigenthümlichen, angenehmen Geruch von sich.

Dieses Harz kommt also schon in der Steinzeit vor. Und dazu stimmt auch die Entdeckung in dem Pfahlbau von Wismar, welcher auch der Steinzeit angehört.

In der Bronzezeit ist das Harz in Dänemark, wo an verschiedenen Orten viele "Räucherkuchen" gefunden sind, sicher beobachtet; vgl. Jahrb. XXXII, S. 214. Und derselben Zeit gehören die Bronzen an, deren vertiefte Verzierungen mit diesem Kitt ausgelegt sind. Ich habe diesen Gegenstand zuerst in den Jahrb. XXVI. 1861, S. 146, vgl. 148, an den Bronzeschwertern von Retzow und Bockup besprochen und seitdem wiederholt neue Entdeckungen gemacht, z. B. an dem Bronzedolch von Klein=Wolde in Jahrb. XXVII. S. 175 flgd., an dem Doppelknopf von Slate in Jahrb. XXXI, S. 131, an den Schmuckdosen von Klues, daselbst, S. 137, an der großen Schmuckdose von Kritzemow, Jahrb. XXXVII, S. 202. - Dabei muß bemerkt werden, daß der gravirte Ueberzug von Bronzen, welcher in Jahrb. XXX, S. 150 flgd., entdeckt und beschrieben ist, nicht aus diesem Harze besteht, da er nicht brennt und schmilzt, also erdiger Natur sein muß.

In das letzte Ende der Bronzezeit gehört die oben erwähnte Ausflickung einer Urne von Sietow, welche der von Moltzow gleich ist.

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Auch in der Eisenzeit begegnen wir diesem Harz oder Räucherwerk. Schon im Jahre 1837 wurden in einem sicher der Eisenzeit angehörenden Begräbnisse zu Malchin, welches im Jahresber. II, S. 72 und 75 beschrieben und dazu abgebildet ist, Stücke von diesem Räucherwerk gefunden, und 1842 in dem "Wendenkirchhofe" von Pritzier eine Kugel und mehrere Stücke von diesem Harz; vgl. Jahrb. VIII, B, S. 75. In dem großen, reichen Begräbnißplatze von Wotenitz, welcher alle sichern Zeichen der ersten Eisenzeit trägt, fand sich auch ein Stück von diesem Räucherwerk neben einer feinen goldenen Halskette, welche vielleicht hetrurischen Ursprunges sein mag; vgl. Jahrb. XXV, S. 256.

Dieses Harz findet sich also in allen Perioden der heidnischen Vorzeit und ist schon eine Erfindung der Steinzeit, welche es den Nachkommen bis in die Eisenzeit hinein, also wohl sicher bis in die Zeit der christlichen Zeitrechnung, hinterlassen hat.


Ueber die neuesten dänischen Forschungen über diesen Gegenstand theile ich im Folgenden eine Veröffentlichung des Herrn Justizraths Herbst zu Kopenhagen, Conservators und Archivars am Alterthums=Museum, mit.

Kittausfüllung (Emaillirung) der Bronzen.

In den Jahrbüchern ist wiederholt von einer braunen Kittausfüllung vertiefter Stellen antiker Bronzen die Rede gewesen, zuletzt in Jahrb. XXXIII, S. 131 und 137; es ist auch im Pfahlbau von Wismar ein Kuchen von diesem Kitt, sogenannter "Räucherkuchen" gefunden;, vgl. Jahrb. XXXII, S. 213. In Beziehung auf das Vorkommen dieses Kittes und dessen Zusammensetzung ist eine Beobachtung des Herrn Justizraths Strunk zu Kopenhagen mitgetheilt. Darauf hat auch der Herr Justizrath Herbst zu Kopenhagen seine Beobachtungen veröffentlicht in einer Abhandlung: Oxer fra Broncealderen in Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed, 1866, H. 2, Kjöbenhavn, p. 130. welche im Folgenden in einer Uebersetzung mitgetheilt werden:

"Die bei den Bronze=Aexten theils als eine Art Email und theils unter den Goldbelegungen und in den Schaftröhren als Bindemittel angewandte harzartige Masse von dunkelbrauner Farbe findet sich ziemlich häufig auf den Gegenständen aus dem Bronzealter. Man hat

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mehrmals, besonders in unsern Torfmooren 1 ), große Stücke derselben gefunden, in Form von runden, flach gedrückten Kuchen mit einem Loch in der Mitte (die früher sogenannten "Räucherkuchen"), und in angewandtem Zustande sieht man dieselbe auf nicht wenigen im altnordischen Museum aufbewahrten Gegenständen. Zur Einlegung als eine Art Email gebraucht, findet sich dieselbe auf mehreren Schwert= und Dolchheften, auf dem Boden von Hängeurnen, auf den sogen. Tutuli u. s. w.; als Dichtungsmittel gebrauchte man sie u. a. in den Fugen des Bodens eines Holzgefäßes (Annal. f. Oldk., 1848, p. 346), und als Bindemittel wandte man sie an zur Befestigung der Spitzen auf den Lanzenschäften, der Deckel auf den thönernen Urnen u. s. w. Die Masse brennt wie Harz und giebt einen eigenthümlichen bituminösen Geruch, und der ausgezeichnete Chemiker, Professor N. J. Berlin in Stockholm, hat vor einigen Jahren nach einer angestellten Untersuchung mir mündlich erklärt, daß dieselbe vornehmlich aus Birkenrinde und Harzen bestehe (vgl. N. G. Bruzelius Svenska Fornlemningar I, p. 71 - 72), jedoch vielleicht mit geringem Zusatz von Bernstein. Ein Zeugniß der Richtigkeit dieser Erklärung wegen der Bestandtheile der genannten Masse scheint ein merkwürdiges Stück in König Friedrichs VII. nachgelassener Alterthümer=Sammlung (die dem altnordischen Museum verehrt und darin aufgenommen ist) abzugeben. Dies ist eine gebogene, ovale Bronzeplatte von ungewisser Bestimmung, welche vor mehreren Jahren mit einer Partie prächtiger und ungewöhnlicher Gold= und Bronzesachen in einem Hügel auf Fünen gefunden ist. Diese Platte ist nämlich auf beiden Seiten mit einer verhältnißmäßig dicken Lage dieser harzartigen Masse belegt, und in dieser letzteren eine Menge größerer und kleinerer Stücke von Birkenrinde und Bernstein festgeklebt."

(Aus dem Dänischen übersetzt vom Herrn Archivschreiber Jahr zu Schwerin.)

Mehrere neuere Funde dieser Harzmasse in Dänemark sind auch aufgeführt und beschrieben in Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie, 1868, H. II, p. 119 und 124.



1) Auch in Schonen sind dergleichen gefunden.