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Der Reppin,

Burgwall bei Müeß.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Auf der Straße von Schwerin nach Crivitz bemerkt man dicht hinter dem Dorfe Müeß, vor der Fähre, ungefähr eine Meile von Schwerin, links am Ufer des Großen Schweriner Sees, eine Reihe stattlicher Buchen und Eichen, welche sich gegen die Fähre hinzieht, und im Anfange dieser langen Baumgruppe eine allein stehende bedeutende Erderhebung, welche theilweise auch mit Bäumen und Buschwerk besetzt ist. Diese Gruppe war schon längere Zeit in die Augen gefallen, jedoch ziemlich unbekannt geblieben; erst in neueren Zeiten ist derselben mehr Aufmerksamkeit zugewendet: es ist auch ein Fahrweg dahin angelegt, wenn auch noch nicht sehr geebnet; die Oberfläche des "Berges" ist zum Theil auch geebnet und am Rande mit jungen Bäumen bepflanzt. Seit dieser Zeit ist der Berg auch hin und wieder zu Lande und zu Wasser besucht und dabei in Erfahrung gebracht, daß derselbe von den Einwohnern des Dorfes Müeß , der Reppin" 1 ) genannt wird.

Die Lage des Reppins ist in vieler Hinsicht sehr merkwürdig. Das große Becken des gegen 3 deutsche Meilen langen Großen Schweriner Sees, dessen Längenlinie grade von Norden nach Süden zieht, setzt sich nach Süden hin genau in derselben Richtung eben so weit bis gegen die Stadt Neustadt und die Elde in einem weiten, ebenen und tiefen Bruch= und Wiesenthal, oft ungefähr von der Breite des Schweriner Sees fort, durch welches der aus dem See kommende Fluß "die Stör" fließt, welcher im Süden des Thales die große Bruchwaldung "die Lewitz" stark bewässert. Ohne Zweifel war dieses ganze Wiesenthal ursprünglich auch ein Wasserbecken, aber seichter als der Schweriner See. Die Ufer dieser Wiesenniederung werden


1) Das wendische Wort Repin heißt wahrscheinlich: Rübendorf, Rübeland, von dem bömischen Worte repa: Rübe. Von demselben Worte wird auch der Dorfname Repelin abgeleitet sein. Vgl. Kosegarten, Pomm. Urk.=Buch I, S. 455, Note 7.
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von festen Landhöhen und hohen Ebenen begrenzt, auf denen am rechten Rande die Dörfer Müeß, Consrade, Plate und Banzkow, am linken Rande Steinfeld, Zittlitz und Peccatel liegen.

Am südlichsten Ufer des Schweriner Sees, am rechten Ufer der Stör, liegt nun auf einem Vorsprunge das Dorf Müeß und nahe dabei, unmittelbar am Flusse, die Fähre, der Uebergang über die Stör. Das Dorf Müeß aber beherrscht das ganze südliche Ufer des Sees. Hier steht nun hart am Seeufer der Reppin, eine isolirte, schroffe Erhebung von ungefähr 50 Fuß Höhe, in der Längenrichtung von Norden nach Süden, welche von Menschenhänden aufgeworfen oder doch erhöhet ist. Die ganze Höhe ist lehmig und von Niederungen umgeben. Höchst merkwürdig ist, daß von dem Südostende des Berges sich eine schmale, niedrige, wallartige Erhebung, welche den Zugang von der Landseite bildet, bis gegen die Fähre hinzieht, deren Boden ebenfalls lehmig ist und mit schönen, hohen Buchen und Eichen besetzt ist und auch noch mit zum Reppin gehört. Merkwürdig ist es, daß dieser Wall gewissermaßen einen Riegel bildet zwischen dem See und dem Wiesenthal. Man weiß nicht, was man über die Bildung sagen soll; für ein Menschenwerk scheint der Wall zu groß zu sein, und eine Diluvialbildung erscheint hier eben so seltsam.

Was aber den Reppin noch jetzt selbst in den herrlichen Umgebungen hoch erhebt, das ist die unvergleichliche Aussicht, die sich von seinem Gipfel bietet, um so mehr, da dieselbe eine Rundsicht gewährt. Richtet man den Blick gegen Norden, so hat man vor sich den Großen See und zunächst die beiden lieblichen Inseln Kaninchenwerder und Ziegelwerder; rechts die bewaldeten Prachthöhen von Raben=Steinfeld und weiterhin Görslow bis nach Rampe hinab; links über Zippendorf und das Holz hinweg die große Seefläche, die Stadt Schwerin und den Schelfwerder; hinter sich das Wiesenthal bis über Consrade hinaus und zur einen Seite das Steinfelder Holz, zur andern das Zippendorfer Holz und das Buchholz; mitten inne das Dorf Müeß. Die Aussicht sucht ihres gleichen im Lande. Und mitten darin steht der Reppin ohne Beschränkung der Aussicht und Rundsicht.

Schon längere Zeit war der Berg der Gegenstand der Aufmerksamkeit mehrerer theilnehmender Freunde gewesen; namentlich wandten die Herren Architekt G. Stern und Secretair L. Fromm zu Schwerin ihre Aufmerksamkeit dem

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Reppin zu und brachten mir wiederholt Nachrichten und Alterthümer vom Reppin, letztere namentlich Herr Stern. Es ließ sich nicht mehr bezweifeln, daß der Reppin in alten Zeiten von Menschen bewohnt gewesen sei. Am 20. August 1870 besuchte ich denn selbst die Stelle, um die Bedeutung derselben zu erforschen. Ich gewann sehr bald die Ueberzeugung, daß der Reppin einst eine feste Wohnstätte gewesen sei, und das bildet, was wir jetzt in der Regel einen Burgwall zu nennen pflegen. Wahrscheinlich ist er von Menschenhänden künstlich aufgeführt, oder doch wenigstens erhöhet und in den Seiten geformt. Sicher bildete er in den ältesten Zeiten den festen Punkt in der Gegend von Schwerin, der als Burgwall älter sein mag, als Schwerin.

Der Reppin=Burgwall bildet in seiner Grundform ein längliches Viereck, in der Längenrichtung von Süden nach Norden, dessen Oberfläche ungefähr 80 Schritte lang und ungefähr 30 Schritte breit ist. Die Höhe mag ungefähr 50 Fuß betragen. Die Seitenwände sind im Norden und Westen und theilweise im Osten und Süden sehr steil und regelmäßig abgegraben. Von dem südlichen und östlichen Ende zieht sich der oben beschriebene Wall nach der Fähre hin, sich an den Burgwall anlehnend. Die Oberfläche ist in neueren Zeiten zum größern Theil geebnet; an der südlichen Seite senkt sie sich etwas. Der Burgwall ist zunächst umher von tiefem, wiesenartigem Gartenland, in alten Zeiten gewiß Morast, umgeben. In einiger Entfernung liegt sehr fruchtbares Gartenland und auch Ackerland.

Wenn auch die Formung des Burgwalles sicher auf ein Menschenwerk hindeutet, so fehlte es doch lange Zeit dafür an Beweisen, d. h. an Alterthümern von Menschenhand bereitet, bis es den eifrigen Nachforschungen des Herrn Architekten Stern gelang, die ersten Spuren menschlicher Thätigkeit zu entdecken; bei einem Erdauswurfe von ungefähr 3/4 Fuß Tiefe fand derselbe 3 Topfscherben aus der letzten heidnischen Zeit, und bei fortgesetzter Aufmerksamkeit "neben" dem Reppin eine zur Beurtheilung schon genügende Anzahl von Alterthümern. Es würde freilich eine größere Anzahl derselben willkommen sein; dazu würde aber eine umfängliche und tiefe Nachgrabung erforderlich werden. Zu einer ungefähren Uebersicht und zur Vorbereitung mag das jetzt Vorhandene schon ausreichen.

Der Burgwall Reppin ist freilich etwas abweichend, denn er liegt nicht ganz in weitem, tiefem Moor, wie gewöhnlich die wendischen Burgwälle; seine näheren Umgebung sind

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schon mehr culturfähig. Nach den aufgefundenen Alterthümern scheint der Reppin nicht allein zur wendischen Zeit, sondern zu allen Zeiten der heidnischen Vorzeit bewohnt gewesen zu sein, und vielleicht am wenigsten zur wendischen Zeit, nachdem der Burgwall von Schwerin angelegt war.

Die bisher gefundenen Alterthümer von Reppin sind folgende:

1) Aus der Steinzeit.

Der Herr Architekt Stern fand neben dem Burgwall in der Tiefe:

einen kleinen Keil aus hellgrauem Feuerstein, 3 Zoll lang, mit spitziger Bahn und scharfen Seitenrändern, nur an der Schneide geschliffen, wohl der ältesten Zeit angehörend;

einen halben Keil aus hellgrauem Thonstein, zerbrochen, nur in dem Beilende 3 Zoll lang vorhanden;

zwei von Natur beilartig geformte Steine, 3 Zoll lang, wohl zu Beilen gebraucht;

einen langen, schmalen Schleifstein aus Talkschiefer, wie es scheint, 9 Zoll lang und 1 1/2 Zoll breit, auf einer Seite ganz glatt abgeschliffen, wie solche Steine schon früher in Meklenburg beobachtet sind;

mehrere Scherben von dickwandigen Wirthschaftstöpfen;

eine kleine Scherbe von einem Topfe oder einer Urne, mit Strichverzierungen, 1 1/2 Zoll hoch und 2 Zoll breit. Dieses Bruchstück ist sehr merkwürdig, da es grade eine Gruppe von senkrechten Strichen enthält, ganz gleich denen, mit welchen die Urnen der Steinhäuser der Steinzeit verziert sind. Die vorhandenen 9 senkrechten Striche sind mit einem spitzen Werkzeuge stichweise, d. h. in kurzen Stichen, regelmäßig eingedrückt, wie die in Jahrb. X, S. 258, abgebildeten Strichverzierungen auf Urnen aus dem großen Steingrabe von Prieschendorf. Dieses kleine Bruchstück ist ebenfalls ein sicheres Zeichen einer sehr alten Zeit.

Ich selbst fand in kurzer Zeit in der Oberfläche des Burgwalles 8 mehr und minder große Splitter und Kerne von Feuersteinen, welche ohne Zweifel von Menschenhand bearbeitet sind und der ersten Steinzeit angehören werden, so z. B. ein starkes, dreiseitiges, spitziges, gespaltenes Messer, 4 Zoll lang, augensichtlich von Menschenhand abgesplittert und gebraucht, ferner einen sogenannten "Schraper", 2 1/2 Zoll lang; an den meisten Stücken läßt sich noch der Schlagansatz von der Verfertigung erkennen.

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Der Herr Oberzoll=Director Oldenburg und der Herr Baumeister Luckow, welche die Stelle im Sommer 1871 theilnehmend besuchten, fanden auf der Oberfläche sehr bald 6 durch Menschenhand abgespaltete Feuersteinspäne, unter denselben ein regelmäßiges Spanmesser mit Schlagansatz.

2) Aus der Bronzezeit.

Der Herr Architekt Stern fand neben dem Burgwall in der Tiefe mehrere große Randstücke von Töpfen oder Urnen mit fein geschlämmtem, dunkelbraunem Ueberzug, ganz so, wie sie häufig in den Kegelgräbern der Bronzezeit vorkommen, und auch Scherben von dickwandigen Wirthschaftstöpfen. Diese Bruchstücke gleichen genau den auf dem Wohnplatze aus der sicher nachgewiesenen Bronzezeit in dem benachbarten, ganz nahen Dorfe Zippendorf gefundenen Scherben (vgl. Jahrb. XXXI, S. 60 flgd.), so daß die Töpfe vielleicht aus einer und derselben Fabrik stammen.

Einige zerschlagene und gespaltene Thierknochen, welche ganz das Ansehen der bei Zippendorf gefundenen haben, werden derselben Zeit angehören.

3) Aus der Eisenzeit.

Der Herr Secretair Fromm fand auf dem Burgwalle mehrere Topfscherben, welche ohne allen Zweifel der letzten wendischen Zeit angehören, so z. B. ein Randstück mit den bekannten eingeritzten wellenförmigen Randverzierungen und ein Randstück mit eingeschnittenen Parallellinien, wie solche Verzierungen auf allen geschichtlich verbürgten Burgwällen und sonstigen Wohnstätten der letzten Wendenzeit häufig beobachtet werden. Auch Herr Architekt Stern fand in der Oberfläche in geringer Tiefe mehrere ähnliche Topfscherben.

Ein Stück von einem Henkel eines mittelalterlichen, fest gebrannten, blaugrauen Henkel= oder Wassertopfes wird in jüngern Zeiten hier zufällig verloren gegangen sein.

Aus diesen Beschreibungen wird denn wohl hervorgehen, daß der merkwürdige und schöne "Reppin" zu allen Zeiten des Heidenthums bis auf die Einführung des Christenthums von Menschen bewohnt gewesen ist.