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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Ueber

Räucherwerk oder Harzkitt.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n den Jahrbüchern ist in neuern Zeiten oft von jenem "Räucherwerk", einer braunen harzigen Masse, die Rede gewesen, von der sich zuweilen Bruchstücke in Begräbnißurnen zwischen den zerbrannten Menschengebeinen gefunden haben und mit der oft die vertieften Stellen verzierter Bronzen ausgelegt sind. Es werden auch ganze Kuchen von diesem Harze gefunden, wie ich selbst denn auch ein großes Stück davon in dem Pfahlbau von Wismar entdeckt habe; vgl. Jahrb. XXXII, S. 213. Es handelte sich bisher noch um die Zeit, in welcher dieses vielleicht bald als Räucherwerk, bald als Kitt gebrauchte Harz im Gebrauch war.

Bei Gelegenheit der Untersuchung einer Urnenscherbe aus einem Begräbnißplatze der Bronzezeit von Sietow bei Röbel ward es mir Bedürfniß, diese Sache noch einmal in weiterm Umfange zu untersuchen. An dieser thönernen

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Urne ist auf der Außenfläche, jedoch nicht durchreichend, ein Stück ausgesprungen, und man hat zur Ebenung diese schadhafte Stelle mit jenem Kitt ausgefüllt, welcher am brennenden Lichte schmilzt, mit heller Flamme bis zur Verkohlung brennt und jenen ganz angenehmen Geruch von sich giebt, der an Birkentheer und Bernstein erinnert und dem Geruch der modernen Räucherkerzchen nicht unähnlich ist.

Nun erinnerte ich mich, daß 1841 in einem großen Grabe aus der Steinzeit zu Moltzow eine Urne gefunden ward, welche ebenfalls an einer ausgesprungenen Stelle mit einem Stück Scherbe von einer andern Urne durch einen Kitt ausgeflickt war; vgl. Jahresber. VI. S. 135-136. Das Grab gehört ohne Zweifel der Steinzeit an. Die Urne, welche schon an und für sich bestimmt den Charakter dieser Zeit trägt, ist in Jahrb. X, S. 254, abgebildet. Bei der jetzt vorgenommenen Untersuchung hat sich nun mit Sicherheit ergeben, daß der Teig, mit dem die Scherbe in die Lücke eingekittet ist, derselbe braune Harzkitt ist, aus welchem die "Räucherkuchen" bestehen: er brennt in heller Flamme, indem er schmilzt und endlich verkohlt, und giebt den eigenthümlichen, angenehmen Geruch von sich.

Dieses Harz kommt also schon in der Steinzeit vor. Und dazu stimmt auch die Entdeckung in dem Pfahlbau von Wismar, welcher auch der Steinzeit angehört.

In der Bronzezeit ist das Harz in Dänemark, wo an verschiedenen Orten viele "Räucherkuchen" gefunden sind, sicher beobachtet; vgl. Jahrb. XXXII, S. 214. Und derselben Zeit gehören die Bronzen an, deren vertiefte Verzierungen mit diesem Kitt ausgelegt sind. Ich habe diesen Gegenstand zuerst in den Jahrb. XXVI. 1861, S. 146, vgl. 148, an den Bronzeschwertern von Retzow und Bockup besprochen und seitdem wiederholt neue Entdeckungen gemacht, z. B. an dem Bronzedolch von Klein=Wolde in Jahrb. XXVII. S. 175 flgd., an dem Doppelknopf von Slate in Jahrb. XXXI, S. 131, an den Schmuckdosen von Klues, daselbst, S. 137, an der großen Schmuckdose von Kritzemow, Jahrb. XXXVII, S. 202. - Dabei muß bemerkt werden, daß der gravirte Ueberzug von Bronzen, welcher in Jahrb. XXX, S. 150 flgd., entdeckt und beschrieben ist, nicht aus diesem Harze besteht, da er nicht brennt und schmilzt, also erdiger Natur sein muß.

In das letzte Ende der Bronzezeit gehört die oben erwähnte Ausflickung einer Urne von Sietow, welche der von Moltzow gleich ist.

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Auch in der Eisenzeit begegnen wir diesem Harz oder Räucherwerk. Schon im Jahre 1837 wurden in einem sicher der Eisenzeit angehörenden Begräbnisse zu Malchin, welches im Jahresber. II, S. 72 und 75 beschrieben und dazu abgebildet ist, Stücke von diesem Räucherwerk gefunden, und 1842 in dem "Wendenkirchhofe" von Pritzier eine Kugel und mehrere Stücke von diesem Harz; vgl. Jahrb. VIII, B, S. 75. In dem großen, reichen Begräbnißplatze von Wotenitz, welcher alle sichern Zeichen der ersten Eisenzeit trägt, fand sich auch ein Stück von diesem Räucherwerk neben einer feinen goldenen Halskette, welche vielleicht hetrurischen Ursprunges sein mag; vgl. Jahrb. XXV, S. 256.

Dieses Harz findet sich also in allen Perioden der heidnischen Vorzeit und ist schon eine Erfindung der Steinzeit, welche es den Nachkommen bis in die Eisenzeit hinein, also wohl sicher bis in die Zeit der christlichen Zeitrechnung, hinterlassen hat.


Ueber die neuesten dänischen Forschungen über diesen Gegenstand theile ich im Folgenden eine Veröffentlichung des Herrn Justizraths Herbst zu Kopenhagen, Conservators und Archivars am Alterthums=Museum, mit.

Kittausfüllung (Emaillirung) der Bronzen.

In den Jahrbüchern ist wiederholt von einer braunen Kittausfüllung vertiefter Stellen antiker Bronzen die Rede gewesen, zuletzt in Jahrb. XXXIII, S. 131 und 137; es ist auch im Pfahlbau von Wismar ein Kuchen von diesem Kitt, sogenannter "Räucherkuchen" gefunden;, vgl. Jahrb. XXXII, S. 213. In Beziehung auf das Vorkommen dieses Kittes und dessen Zusammensetzung ist eine Beobachtung des Herrn Justizraths Strunk zu Kopenhagen mitgetheilt. Darauf hat auch der Herr Justizrath Herbst zu Kopenhagen seine Beobachtungen veröffentlicht in einer Abhandlung: Oxer fra Broncealderen in Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed, 1866, H. 2, Kjöbenhavn, p. 130. welche im Folgenden in einer Uebersetzung mitgetheilt werden:

"Die bei den Bronze=Aexten theils als eine Art Email und theils unter den Goldbelegungen und in den Schaftröhren als Bindemittel angewandte harzartige Masse von dunkelbrauner Farbe findet sich ziemlich häufig auf den Gegenständen aus dem Bronzealter. Man hat

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mehrmals, besonders in unsern Torfmooren 1 ), große Stücke derselben gefunden, in Form von runden, flach gedrückten Kuchen mit einem Loch in der Mitte (die früher sogenannten "Räucherkuchen"), und in angewandtem Zustande sieht man dieselbe auf nicht wenigen im altnordischen Museum aufbewahrten Gegenständen. Zur Einlegung als eine Art Email gebraucht, findet sich dieselbe auf mehreren Schwert= und Dolchheften, auf dem Boden von Hängeurnen, auf den sogen. Tutuli u. s. w.; als Dichtungsmittel gebrauchte man sie u. a. in den Fugen des Bodens eines Holzgefäßes (Annal. f. Oldk., 1848, p. 346), und als Bindemittel wandte man sie an zur Befestigung der Spitzen auf den Lanzenschäften, der Deckel auf den thönernen Urnen u. s. w. Die Masse brennt wie Harz und giebt einen eigenthümlichen bituminösen Geruch, und der ausgezeichnete Chemiker, Professor N. J. Berlin in Stockholm, hat vor einigen Jahren nach einer angestellten Untersuchung mir mündlich erklärt, daß dieselbe vornehmlich aus Birkenrinde und Harzen bestehe (vgl. N. G. Bruzelius Svenska Fornlemningar I, p. 71 - 72), jedoch vielleicht mit geringem Zusatz von Bernstein. Ein Zeugniß der Richtigkeit dieser Erklärung wegen der Bestandtheile der genannten Masse scheint ein merkwürdiges Stück in König Friedrichs VII. nachgelassener Alterthümer=Sammlung (die dem altnordischen Museum verehrt und darin aufgenommen ist) abzugeben. Dies ist eine gebogene, ovale Bronzeplatte von ungewisser Bestimmung, welche vor mehreren Jahren mit einer Partie prächtiger und ungewöhnlicher Gold= und Bronzesachen in einem Hügel auf Fünen gefunden ist. Diese Platte ist nämlich auf beiden Seiten mit einer verhältnißmäßig dicken Lage dieser harzartigen Masse belegt, und in dieser letzteren eine Menge größerer und kleinerer Stücke von Birkenrinde und Bernstein festgeklebt."

(Aus dem Dänischen übersetzt vom Herrn Archivschreiber Jahr zu Schwerin.)

Mehrere neuere Funde dieser Harzmasse in Dänemark sind auch aufgeführt und beschrieben in Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie, 1868, H. II, p. 119 und 124.



1) Auch in Schonen sind dergleichen gefunden.
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Schiff=Anker

und

Dorf Sasnitz auf Rügen.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


E s werden im Lande oft runde, scheibenförmige Steine von etwa 18 Zoll im Durchmesser und 3 bis 4 Zoll Dicke gefunden, welche in der Mitte ein rundes künstliches Loch haben.

Wenn diese Steine, namentlich paarweise, auf festem Lande gefunden werden und von festem Gestein (Granit) und auf der innern Fläche glatt abgerieben sind, so hat man wohl Veranlassung, sie für Handmühlensteine (vielleicht der Eisenzeit) zu halten.

Wenn diese Steine aber aus mürbem und blätterigem Gestein, z. B. leicht zu bearbeitendem Gneis oder Glimmerschiefer bestehen und dazu an Wasserufern und in zugewachsenen, nicht tiefen Mooren gefunden werden, so liegt es nahe, sie nicht für Mühlsteine zu halten. Man ist daher auf den Gedanken gekommen, Anker darin zu erkennen, ohne grade diese Annahme begründen oder wahrscheinlich machen zu können. Bei Warnemünde stand in der Ostsee früher ein altes Schiffswrack, in welchem mehrere hundert solcher Steine aus Glimmerschiefer lagen, welche nach und nach herausgeholt und verbraucht sind. Vgl. Jahrb. XXIX, S. 193.

Ich glaube jetzt den Gebrauch dieser Steine als Anker nachweisen oder doch sehr wahrscheinlich machen zu können, da ich die Originale entdeckt zu haben meine. Am östlichen Strande der Halbinsel Jasmund der Insel Rügen, am Rande des Stubbenitz=Waldes, südlich von der Stubben=

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kammer, unterhalb des Forsthofes Werder, am malerischen Kreidefelsen, liegt in reizenden Umgebungen ein kleines Fischerdorf Sasnitz, welches jetzt als Seebad viel besucht wird. Hoch über dem Strande erhebt sich ein mächtiges Kreidevorgebirge, der Hengst genannt, auf dessen Höhe eine uralte Tempel= oder Burgumwallung liegt, ein Arkona im Kleinen, welche von den Bewohnern der Sattel auf dem Hengst genannt wird, weil die Umwallung in einem Bogen Bogen von Schlucht zu Schlucht geht. So weit dieser Sasnitzer Strand geht, liegt an der Küste, theils im Wasser, theils auf dem Trockenen, eine große Reihe der mächtigsten Granitblöcke, wie sie auf einer Stelle selten gefunden werden. Diese Stelle muß einst eine mächtige Endmoräne der Eiszeit gewesen sein. Auch die Kreide dieser Strecke ("obere Kreide") scheint jünger zu sein; denn durch die Kreide ziehen wellenförmig in Bogen in fast gleichen Entfernungen von einander breite Streifen von fest zusammengepacktem, zertrümmertem, schwärzlichem Feuergestein. Der schmale Strand ist aber hoch mit kleinem, abgerundetem und abgeriebenen Feuersteingeröll bedeckt, wie der Heilige Damm bei Doberan 1 ). In diesen Umgebungen liegt an der Mündung eines Baches, des "Steinbaches", mit reizenden Ufern und an einem einigermaßen bequemen Zugange zum Meer das Dorf Sasnitz.

Hier am Strande im Meere haben sich die Fischer für ihre ziemlich großen Fahrzeuge (Schuten), welche für die Strandfahrt seetüchtig sind, kleine Hafen gebildet, indem sie aus den großen Granitblöcken vom Lande her in die See hinein Dämme oder Molen neben einander gebauet haben, zwischen denen je zweien immer eine Schute geschützt liegen kann.

Und diese Boote liegen noch heute am Lande "vor Anker" grade an solchen Ankersteinen, wie sie hier zu Lande gefunden werden. Es ist jedoch ein Unterschied zwischen den meklenburgischen und rügenschen Ankersteinen; denn die meklenburgischen sind durch Kunst hergestellt, die rügenschen sind Naturbildungen. Unter den unzählbaren Feuersteinen der Gegend von Sasnitz finden sich nämlich merkwürdiger Weise oft Stücke, welche von Natur die beschriebene Größe und Gestalt und von Natur in der Mitte ein großes, rundes, regelmäßiges Loch haben, so daß sie ohne alle Bearbeitung gebraucht werden können. Diese kleinen Häfen


1) Der Heilige Damm bei Doberan ist wahrscheinlich auch eine Endmoräne der Eiszeit.
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und Feuersteinanker sind gewiß uralte Einrichtungen, vielleicht Jahrtausende, seit der Steinzeit, alt und wohl die letzten Ueberreste einer uralten primitiven Schifferei. Diese Feuersteinanker sind sicher die Vorbilder der künstlich gearbeiteten. Man findet sie am Sasnitzer Strande nicht allein am Meeresufer als Anker in Gebrauch, sondern mancher Fischer hat bei seinem Hause einen gesammelten Vorrath wohl von einem Dutzend liegen. Auch vor dem Forsthofe an der Einfahrt in die Stubbenitz zur Stubbenkammer sind einige Prachtexemplare aufgestellt, alle, wie die Sasnitzer, wahre Museumsstücke.

Die kleinen Feuersteine mit einem natürlichen Loche werden in Sasnitz allgemein, wie auch in Meklenburg, zu brauchbaren Netzsenkern benutzt, welche in jüngern Zeiten aus gebranntem Thon nachgebildet wurden.

Sicher sind diese immer gleichen, ringförmigen Feuersteine Petrefacten. E. Boll sagt in seiner Schrift: "Die Insel Rügen", S. 81: "Zu den Amorphozoen oder Schwammkorallen mögen jene merkwürdigen ringförmigen Feuersteine gehört haben (Puggard nennt sie Spongia annulus), welche sich so häufig am Strande (der Halbinsel Jasmund) finden und von den Fischern zum Beschweren ihrer Netze gebraucht werden".

Auch die Sammlungen zu Schwerin haben jetzt sehr merkwürdige Exemplare aus Meklenburg erworben. Ein ausgezeichnet großes und regelmäßiges Exemplar ward in neuern Zeiten in der Gegend von Bützow bei den Eisenbahnarbeiten gefunden; ein zweites, großes, wenn auch kleineres Exemplar, welches noch ganz mit Kreide überzogen ist, ward im Herbste 1872 bei Schwerin auf der Paulshöhe bei dem Ausgraben der Kellerräume für die neue Brauerei in einer Tiefe von 28 Fuß im Diluvialsand gefunden.

Andern Nachrichten zufolge sollen zu Boltenhagen bei Klütz am Ostseestrande auch solche ringförmige Steine liegen.


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Ueber die Fassung der Steinkeile.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Cultur der Steinzeit in Norddeutschland und der in der Schweiz liegt in der Steinart des Keils, des Gerätes, welches in beiden Gegenden am häufigsten erscheint und zu den verschiedensten Zwecken gebraucht sein wird. Die Keile, welche in sehr großer Menge in der Schweiz gefunden werden, sind, da der Feuerstein in der Schweiz fehlt, alle aus grünsteinartigem Fels, aus Serpentin, Diorit und diesen verwandten Steinarten; dabei sind die Schweizer Keile am Bahnende zugespitzt. Die ebenfalls sehr zahlreichen Keile der nordeuropäischen Tiefländer sind vorherrschend aus Feuerstein und am Bahnende stumpf abgeschlagen, mit vierseitigem Durchschnitt; Keile aus Diorit werden auch gefunden, jedoch nur selten, und haben immer eine andere Gestalt, als die Feuersteinkeile, sind also wahrscheinlich aus der Fremde eingeführt.

Sehr merkwürdig ist nun die Befestigungsweise des Keils in den verschiedenen Ländern. So weit der Serpentinkeil reicht, werden sehr zahlreiche Fassungen oder Schäftungen von Hirschhorn gefunden; der Serpentinkeil ward zuerst in einem ausgehöhlten Ende Hirschhorn befestigt, und diese Fassung in einen Griff gesetzt. In den norddeutschen Tiefländern ist nie eine Keilfassung irgend einer Art für die Feuersteinkeile gefunden. Nur ein Mal ist in Meklenburg beobachtet worden, daß ein Feuersteinkeil in einen Holzklotz gesteckt war; leider ist das Werkzeug selbst nicht erhalten (vgl. Jahrb. XXVI. S. 131). Dieser auffallende und bedeutende Unterschied scheint seinen Grund in den verschiedenen Eigenschaften der Steinarten zu haben. (Vgl. Jahrb. XXX, S. 24 flgd.) Der Diorit und Serpentin ist sehr zähe und fest und kann den harten Widerstand des Hirschhorns ertragen. Der Feuerstein dagegen ist, wenn auch sehr hart und scharf, doch spröder und springt viel leichter, als der Diorit; daher findet man in Norddeutschland viel mehr beschädigte Keile, als in der Schweiz. Es war daher gerathen, den Feuerstein in ein elastisches Holz zu fassen, welches beim Schlage dem spröden Feuerstein nicht einen festen Widerstand leistete. Es werden daher in Norddeutschland auch wohl keine hörnerne Keilfassungen gefunden werden. Wahrscheinlich wurden die Keile unmittelbar in einen keulenartigen Holzgriff eingesetzt. In dem Pfahlbau von Wismar sind zwei Griffe von Holz, freilich sehr eingetrocknet, gefunden, welche zur Aufnahme eines kleinen Keils ausgehöhlt sind.

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Hiemit übereinstimmend und sehr bemerkenswerth ist eine Erfahrung, welche in den zahlreichen Pfahlbauten des Untersees des Bodensees gemacht ist. Hier ward als große Seltenheit in dem Pfahlbau bei Bodman eine große Werkstätte von Feuersteinwerkzeugen gefunden, jedoch, wie überhaupt am Untersee, keine einzige Keilfassung aus Hirschhorn. So auch ist es in dem Pfahlbau von Wangen an demselben See. Dem Gemeinderath Caspar Löhle zu Wangen ist am Untersee bei seinen langjährigen Pfahlbauforschungen nur eine einzige Hirschhornfassung eines Keils zu Gesicht gekommen. Vgl. Keller Pfahlbauten, fünfter Bericht, S. 15 flgd., und Lindenschmit Hohenzollernsche Sammlungen, S. 179.

Es scheinen also die hirschhörnernen Keilfassungen sogleich zu verschwinden, sobald die Bearbeitung des Feuersteins auftritt, selbst wenn die Grenzen sehr nahe liegen.

G. C. F. Lisch.     


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Streitaxt von Eldenburg
und
die Bohrung der Streitäxte.

Bekannt im Lande ist die Steingeräth=Fabrik bei Eldenburg bei Waren an der Elde zwischen dem Müritz= und Cölpin=See, einem wichtigen Uebergangspunkte zwischen von großen Gewässern. Schon früher sind hier oft verunglückte Steingeräthe und große Massen von Abfall gefunden, namentlich auf der Feldmark des Landgutes Klink (vgl. Jahrb. III, B, S. 41 und 66). Auf einer dieser Stellen bei Eldenburg fand der Herr Gymnasiallehrer Struck zu Waren im Jahre 1871 den obern Theil einer noch nicht vollendeten, großen Streitaxt, welche unterhalb des Schaftloches quer durchbrochen war, so daß die untere Beilschneide fehlte, das Schaftloch aber vollständig vorhanden war. Das Gestein war Hornblende und Granit, die Zusammensetzung also nicht sehr fest. Das Schaftloch war noch nicht vollendet und sehr merkwürdig. Während sonst die noch nicht vollendeten Streitäxte zur Herstellung des Schaftloches in der Regel von beiden Seiten mit kegelförmigen Vertiefungen durch Ausreiben angebohrt sind, war an der Eldenburger Streitaxt als sehr seltener Fall das Schaftloch mit einem Centrum= oder Kreisbohrer 1 1/2 Zoll tief angebohrt. In der Mitte des beabsichtigten Schaftloches stand der Steinkern oder Zapfen und

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ringsumher war eine ausgebohrte kreisförmige Vertiefung, welche mit ausgewitterter Knochenmasse und Sand ausgefüllt war. Dies waren ohne Zweifel die Reste des Bohrers. Wie schon oft vermuthet ist, war also zur Steinzeit der Centrumbohrer für das ringförmige Ausschleifen des Schaftloches ein Röhrenknochen und das Schleifmaterial Sand. Leider ist dieses einzige Stück in seiner Art untergegangen; bei dem Versuche den Knochen herauszubringen und das Loch zu reinigen, ward mit der Streitaxt auf einen Stein geschlagen; da das Gestein aber sehr mürbe war, so zersprang die Streitaxt in viele Stücke und alles ging verloren.

G. C. F. Lisch.     


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Steinzeit in Griechenland.

In Italien war die Steinzeit schon seit mehrern Jahren gesichert. In den neuesten Zeiten ist es unzweifelhaft geworden, daß die Cultur dieser Periode über das ganze Land verbreitet gewesen ist. Virchow sagt hierüber in seinem Berichte über den internationalen archäologischen Congreß zu Bologna in der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie am 11. November 1871: "Im Verlaufe der letzten zwei Jahre ist eine ganz unglaubliche Masse von Gegenständen aus der Steinzeit in Italien gesammelt worden. - - Wenn man z. B. für den Nachweis einer Steinwerkstätte verlangt, daß nicht bloß die Splitter und die rohen Producte, sondern auch die daraus gefertigten Instrumente in der Reihenfolge ihrer Ausarbeitung beigebracht werden, so ist das an einer ganzen Reihe von Stellen in Italien in der vorzüglichsten Weise geschehen, und zwar an weit auseinander liegenden Stellen."

Auch aus Griechenland sind Stimmen über Funde aus der Steinzeit vernommen, welche die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, daß es in den ältesten Zeiten auch hier nicht anders gewesen sei, als sonst in fast ganz Europa. Es ist hierüber vor einigen Jahren eine kleine wichtige Schrift in griechischer Sprache mit Abbildungen erschienen, unter dem Titel:

Schrift über Steinzeit in Griechenland
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(Beobachtungen über die vorhistorische Archäologie in der Schweiz und Griechenland, von George Finlay. Athen, 1869.) (22 Seiten und 4 Tafeln Holzschnitte.) Gewidmet ist diese Schrift dem Pfahlbauentdecker Professor Dr. Ferdinand Keller zu Zürich.

Finlay berichtet zunächst vorzüglich über die Schweizerischen Pfahlbauten und knüpft daran Untersuchungen der Schriftstellen griechischer Schriftsteller über Pfahlbauten, und berichtet dann über einzelne Funde steinerner Alterthümer in Griechenland.

Von großem Werthe sind die Abbildungen, welche uns genau dieselben Geräthe vor Augen führen, welche in den Ostseeländern, namentlich in Meklenburg, gefunden werden.

1) Vor allen ist eine durchbohrte Streitaxt (Fig. 3) aus "dunklem Serpentin", mit grader Bahn, gefunden zu Tanagra, merkwürdig, welche in jeder Hinsicht genau mit den ältesten Streitäxten der meklenburgischen Steinzeit übereinstimmt.

2) Genau dieselbe Gestalt und Bearbeitungsweise zeigen die spanförmigen Messer (Fig. 8 und 9), aus Obsidian, gefunden in Gräbern auf der Insel Jos.

3) Eben so stimmt ein Bruchstück eines kleinen an der Küste von Attika gefundenen Obsidian=Blockes überein, von dem kleine Späne abgesplittert sind (Fig. 10), grade so wie sie in Meklenburg aus Feuerstein gefunden sind, - nicht "sehr geschickt gearbeitet" ("very skilfully worked"), wie Finlay meint.

4) Die kleinen (Meißel=)Keile aus schwarzem Feuerstein ("black petrosilex", πετροχαλιξ) aus Böotien (Fig. 4 und 5) gleichen ganz den sonst gefundenen, ebenso

5) ein kleiner Keil (Fig. 6) aus "reinem Kupfer", gefunden auf Euböa.

6) Kleine spitzige Bruchstücke von spanförmigen Messern aus Obsidian (Fig. 14 und 15), welche wohl zu Pfeilspitzen gebraucht wurden, und von Finlay aus einem Tumulus zu Marathon ausgegraben wurden, wie schon vielfach berichtet ist, und eben so ein gleiches Stück aus Argos, gleichen ganz den häufig in den Ostseeländern gefundenen Feuersteinsplittern.

7) Merkwürdig ist ein großer in Böotien gefundener Keil (Fig 1 und 2) aus grünlich=grauem Diorit ("of a greenish gray stone said to be diorite"), welcher überall geschliffen ist und von der gewöhnlichen Form der Feuerstein=

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keile in den Ostseeländern im Einzelnen abweicht. Es ist aber genau ein solcher Keil, von demselben Gestein, derselben Form und derselben Arbeit, wie ein in dem "Wolfsburg" genannten Torfmoor bei Wismar, nahe an der Ostseeküste gefundener (vgl. unten).

In den neuesten Zeiten sind weitere Berichte über Finlays Bestrebungen bekannt geworden. In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie am 24. Junii 1871 wird Folgendes mitgetheilt. "Herr Bastian theilt folgenden Brief des Dr. G. Hirschfeld aus Athen mit. Hier in Athen existiren zwei Sammler (von Steininstrumenten), wohl auch die einzigen in Griechenland, der Engländer George Finlay und der Botaniker Th. v. Heldreich. Seit der Zeit, da Finlays Brochure geschrieben wurde, ist seine Sammlung erst bedeutend geworden. Sie besteht jetzt aus fast 300 Nummern. Die Instrumente bestehen in Beilen, Meißeln, Hämmern; zwei Exemplare sind durchbohrt, um einen Stiel aufzunehmen, eins davon stammt aus Gythion. Das Material ist am häufigsten rother und schwarzer Kieselschiefer; dann kommen vor: Serpentin, Diorit, Nephrit, Granit, Porphyr, Oligist. Fundorte sind hauptsächlich: Euböa (Kumi), Attika, Böotien (Tanagra, Dombrena am Helicon); Peloponnes: Gythium, Sikyon, Korinth, Epidauros; Makedonien: Athos; Thessalien. Finlay hat seine Sammlung für einen Engländer, der über den ganzen Gegenstand schreibt, kürzlich selber beschrieben. Herr v. Heldreich, der Finlay's Sammlung meist hat zusammenbringen helfen, besitzt etwa 20 Steine. Auch in Smyrna existirt ein Sammler, der Herr v. Gunzenbach; man findet auch dort herum dergleichen Steine, und das Volk nennt sie ebenfalls Donnerkeile."

Höchst merkwürdig sind die zu gleicher Zeit mit G. Finlay's Schrift bekannt gewordenen Entdeckungen des Geologen F. Fouqué auf der Insel Therasia im griechischen Archipel, über welche er in einem Artikel in der Revue des deux mondes vom 15. October 1869 unter dem Titel: "Ein vorhistorisches Pompeji" berichtet, einem Artikel, welcher in einem kurzen Auszug aus der Kölnischen Zeitung auch in die Meklenb. Anzeigen, 1869, No. 281, Beil., und in die Meklenb. Zeitung, 1869, No. 282, Beil., übergegangen ist. Therasia ist eine der vulkanischen Inseln bei der berühmten Insel Santorin, deren vulkanische Bewegungen noch in Thätigkeit sind. Hier lagern aus den ältesten Zeiten mächtige Schichten von vulkanischem Tuff. Unter einem Lager fand man nun

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beim Abräumen tief unten auf dem Urboden Reste von menschlichen Wohnungen von Lava=Blöcken, und in denselben ein menschliches Skelet, Gerippe von Schafen und Ziegen, große Thongefäße zur Aufbewahrung von Früchten, ein steinernes Weberschiffchen, eine Pfeilspitze und eine Säge aus Feuerstein, abgespaltene spanförmige Messer aus Obsidian u. s. w. Dies Alles deutet ebenfalls auf die Steinperiode, welche auch hier der nordischen ähnlich ist. Hoffentlich lassen sich ausführlichere Darstellungen mit Abbildungen erwarten.

G. C. F. Lisch.     

 


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b. Steinzeit.


Hünengräber von Stassow.

Auf dem Gute Stassow bei Tessin befanden sich 3 große Gräber der Steinzeit, von denen jetzt jedoch nur noch wenig bedeutende Ueberreste vorhanden sind. Der Herr Gutsbesitzer Rust, welcher seit langer Zeit die Gräber und deren Ueberreste gekannt hat, hat dem Vereine willkommene Nachrichten darüber gegeben.

Hünengrab Nr. 1.

Dieses Grab, welches in neuern Zeiten ganz abgetragen ist, war eines der größten im Lande. Es war ein Langgrab, dessen Längenaxe von Südwest nach Nordest ging, und war von mächtigen, unbearbeiteten Granitblöcken eingefaßt, welche mit den Spitzen nach oben gerichtet waren. Namentlich hatten die beiden Schlußsteine am Nordende eine ungewöhnliche Größe; Herr Rust "erinnert sich ganz genau, daß einer derselben 16 Fuß lang" war. Innerhalb dieser großen Steineinfassung stand an den innern Rändern entlang im Grabe eine zweite Einfassung von viel kleinern Steinen. Am Nordende standen innerhalb des Grabes drei große Steine im Dreieck, welches mit einem Decksteine belegt war. Am westlichen Fuße dieses Dreiecks war eine kleine Kiste von gespaltenen, flachen Steinen aufgebauet. Diese Platten bestanden nach Herrn Rust's nicht maßgeblicher Ansicht, da er nicht Mineralog ist, aus einer "Steinart zwischen Granit und Sandstein"; ohne Zweifel waren dies Platten von gespaltenem, rothem, jungem Sandstein, mit welchen bekanntlich alle Gräber der Steinzeit in Meklenburg ausgesetzt sind und welche ein charakteristisches Merkmal dieser Art von Gräbern bilden. Der Grund dieser Kiste war mit einer erdigen braunen und fettigen Masse von ungefähr 3 Zoll Dicke bedeckt. Gefunden wurden in dem Grabe einige "Steinwerkzeuge", welche Herr Rust dem wail. Landdrosten v. Schack auf Nustrow zur Beförderung an die Schweriner Sammlungen übergab. Obgleich schon 20 Jahre seit der Abtragung verflossen sind, so ist der Hügel noch immer deutlich erkennbar und es werden noch

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immer gespaltene Steinplatten, wie sie oben beschrieben sind, durch den Pflug zu Tage gefördert. Ein menschliches Skelet lag der Oberfläche so nahe, daß man wohl annehmen kann, daß es aus jungem Zeiten stammte.

Hünengrab Nr. 2.

Ein anderes Grab liegt an der Grenze von Grammow. Die äußere Steineinfassung ist von Herrn Rust entfernt; der Rücken des Grabes war schon lange vor seiner Zeit beackert. Die Längenaxe liegt in der Richtung von Westen nach Osten. Das Innere des Erdhügels ist noch unberührt.

Hünengrab Nr. 3.

Ein drittes Grabdenkmal steht im Holze. Dieses ist seinem Umfange nach bei weitem das bedeutendste. Es ist jedoch auch nicht mehr unversehrt, da wahrscheinlich des Herrn Rust Vorgänger von den zu Tage stehenden Ringsteinen manche ganz weg, andere aus ihre Lage gebracht haben. Jetzt hat das Grab eine starke Bedeckung von Laub und Holz, welches Jahrhunderte lang auf den Rücken niederfiel.

G. C. F. Lisch.     


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Hünengrab zu Blücherhof.

Auf der Feldmark des Rittergutes Blücherhof, ritterschaftlichen Amts Lübz, Pfarre Lütgendorf bei P.=St. Moltzow, und zwar in der Mitte des sogen. "Hünen=Keller=Schlages" liegt ein gewaltiges Hünengrab der Steinzeit, welches an Großartigkeit den ähnlichen Hünengräbern zu Klein =Görnow, Katelbogen und Eickhof, so wie den Riesenbetten (Hügelgräbern) zu Naschendorf, Groß=Labenz und Friedrichsruhe an die Seite zu setzen ist, ja dieselben theilweise noch übertrifft. Das Grab liegt frei auf einem Hügel, welcher nach Nord und Ost steil abfällt, während nach Süd und West der Zugang durch Beackerung geebnet ist.

Um den ganzen Grabhügel scheint noch ein großer Kreis von Steinpfeilern gestanden zu haben. Auch auf der Rasenfläche liegt noch eine Masse kleinerer Steine umher und ragen größere Steine aus dem Boden hervor.

Schwerin, den 31. Julii 1872

C. Ch. von Bülow,     
Justiz=Canzlei=Director.


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Pfahlbauten von Wismar

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


I n den Jahrbüchern XXXII. 1867, S. 177 und 211 flgd. ist zuletzt über die Pfahlbauten in den Torfmooren von Wismar (vgl. Jahrb. XXX) berichtet. Es sind seit dem Jahre 1867 die Grabungen und Forschungen fortgesetzt und auch noch manche Alterthümer gefunden, jedoch hat sich der Vorrath von Jahr zu Jahr vermindert und endlich im Jahre 1872 fast ganz aufgehört. Da nun die Alterthümer in diesen Mooren erschöpft zu sein scheinen, so mögen hier schließlich die Berichte über die Funde folgen, welche seit 1867 gemacht sind.

I. Moor im Müggeburger Reservat.

In dem alten Pfahlbaumoor von Wismar haben sich auch im Jahre 1868 wieder einige Alterthümer gefunden, wenn auch nicht so viele wie früher. Die Grabungen haben bei Theilnahme des Herrn Rentiers Mann unter der scharfen Aufsicht des Torfmeisters Wegener stattgefunden, und ich habe in Begleitung beider nach Beendigung des diesjährigen Torfstichs am 27.Julii 1868 das Moor besucht und untersucht und die gefundenen Sachen und die Nachrichten darüber abgeholt.

Die erste, ergiebige Fundstelle im Müggenburger Reservat (vgl. die Karte in Jahrb. XXX, Taf. I zu S. 14) ist seit dem Jahre 1867 ganz verlassen, weil hier theils der Torf zum größten Theile ausgestochen ist, theils die Gruben

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ganz voll Wasser stehen, das nicht gut fortzuschaffen ist. (Vgl. Jahrb. a. a. O. S. 177.) - Im Jahre 1869 fing man zwar wieder an, hier Torf zu graben, verließ aber bald die Stelle wieder. Bei dieser Gelegenheit wurden nur einige Knochen gefunden.

Auch östlich davon, im Moor am Hornstorfer Ende, wo seit zwei Jahren noch gegraben ist und sich während dieser Zeit, und früher ebenfalls, Alterthümer gefunden haben (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 211 flgd.), ist in diesem Jahre nur wenig gefunden, weil ebenfalls der Torfvorrath nicht mehr groß genug ist und nicht dick genug liegt.

Jedoch ist Folgendes gefunden:

4 verkohlte Pfahlköpfe, welche in die Schweriner Sammlungen gekommen sind, und folgende steinerne Alterthümer, welche sich im Besitze des Herrn Mann befinden:

1 kleiner Meißelkeil aus schwarzem Kieselschiefer,

1 halbmondförmige Säge (oder Sichel) aus Feuerstein, und

1 spanförmiges Messer aus Feuerstein, ferner

1 großer Arbeitskeil aus Diorit, welcher auf der ganz geschliffen gewesenen Oberfläche stark verwittert ist und ziemlich hoch im Moor gelegen hat, also in jüngern Zeiten verloren gegangen sein kann.

Ferner ist nachträglich gefunden:

1 Arbeitskeil aus Feuerstein, welchen ein Einwohner aus Wismar in seinem Hause in einer Torfsode vom "Reservat" entdeckte, und

1 abgeschlagenes Bahnende von einem Meißelkeil aus gelbem Feuerstein, beide von Herrn Mann geschenkt.

Außerdem sind noch sehr viele zerschlagene und ganze Thierknochen gefunden, welche in die Schweriner Sammlungen gekommen sind. Die Farbe aller dieser Knochen ist gleichmäßig dunkelbraun; die Farbe hat sich dies Mal erhalten, weil die Knochen auf meinen Wunsch in diesem Jahre gleich unter Dach gebracht wurden und nicht Monate lang in Regen, Wind und Sonnenschein liegen geblieben waren.

Die Knochen sind zum Theil nach den Bestimmungen theils des Herrn Professors Rütimeyer zu Basel, theils des Herrn Professors F. E. Schulze zu Rostock folgende:

Rind (Bos taurus).

Ein Rinderschädel (Brachykeros=Race), zerbrochen, jedoch noch mit einem Hornzapfen.

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Zwei Unterkiefer, zusammengehörend.

Zwei Unterkiefer, zusammengehörend (Brachykeros=Race, nach Rütimeyer's Bestimmung).

Ein rechter Unterkiefer (nach Schulze).

Viele Rinderknochen, ganz und zerschlagen (nach Rütimeyer und Schulze). Zwei Beinknochen (nach Rütimeyer) vom jungen Thier, an einem Ende zermalmt und angenagt.

Schwein (Sus scrofa).

Viele Knochen vom Schwein, z. B. 6 verschiedene Beinknochen (nach Rütimeyer's Bestimmung).

Hirsch (Cervus elaphus).

Ein Hirschhorn, schwach, Achtender, vollständig.

Ein abgeschlagenes Hirschhornende von einem starken Geweih, stark verwittert.

Mehrere Beinknochen, ganz und zerschlagen, (nach Schulze).

Reh (Cervus capreolus).

Zwei Rehhörner, nicht zusammengehörend.

Unterschenkelknochen (nach Rütimeyer).

Ein Ellenbogenknochen (ulna) (nach Rütimeyer), klein.

Pferd (Equus caballus).

Ein Pferdeschädel mit allen Zähnen, groß, wohl erhalten, dunkelbraun.

Zwei Beinknochen von einem jungen Thier (nach Rütimeyer).

Vier Beinknochen und ein Beckenbruchstück, Professor Schulze bemerkt hierzu daß "die Pferde auffallend klein gewesen sein müssen."


Nachtrag.

Von den im Sommer 1867 ausgegrabenen Knochen sind die bezeichnendsten nach Herausgabe des letzten Berichts (Jahrb. XXXII, S. 211) von dem Herrn Professor Rütimeyer zu Basel noch nachträglich bestimmt, wie folgt:

Rind.

1 Schädelstück vom Bos primigenius.

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Zahmes Rind.

1 Unterkiefer, zerschlagen.
1 Nasenbein.
1 Halswirbel.
1 Gelenkwirbel, abgehauen.
1 Fersenbein.

Ziege.

1 Beinknochen, mit abgeschlagenem Gelenkkopf.

Schwein.
Wildschwein.

1 Ellenbogenknochen (Ulna).

Torfschwein (Sus palustris).

2 Unterkiefer (zusammengehörend) vom alten Thier.
1 Beinknochen.

Zahmes Schwein.

1 Beinknochen, zerschlagen.

Hirsch.

1 Nackenwirbel.
1 Ellenbogenknochen (Ulna).
1 Rippe, zerbrochen.

Reh.

1 Beinknochen, zum Stechwerkzeug zerschlagen.
1 Beinknochen, gespalten.

Pferd.

1 Unterkiefer von einem ausgewachsenen Thier, fast vollständig.
1 Unterkiefer von einem Füllen.
1 Stück von einem zerschlagenen Schenkelknochen.

Hund.

1 Beinknochen von der ziemlich großen Race, von welcher früher schon mehrere Schädel gefunden sind.
1 Bruchstück vom Oberkiefer.

Mensch.

1 Oberarmknochen.
1 Schenkelknochen, etwas heller, jedoch sehr alt gefärbt.

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Ein Schädel. Herr Rentier Mann zu Wismar schenkte einen Menschenschädel, welcher früher in dem Pfahlbau von Wismar "in dem Müggenburger Reservat" gefunden ist, ein für die Erkenntniß der Pfahlbauten sehr wichtiges Geschenk. Der Schädel, welcher die charakteristische dunkelbraune Farbe hat, wie alle andern Knochen aus dieser Pfahlbaustelle, ist leider nicht ganz vollständig; es fehlt der Schädelgrund und das Gesicht, jedoch ist noch ein Augenbrauenbogen vorhanden, welcher ziemlich flach und glatt ist. Der Schädel ist ein Kurzschädel (Brachycephale) von großer Breite; die Hinterhauptschuppe (Squama occipitis) fällt grade und senkrecht ab, die Stirn ist niedrig. Das ganze Schädelgebein ist sehr dünne. Die Backenzähne in der auch noch vorhandenen Kinnlade sind stark abgeschliffen, die Schneidezähne sehr fein und schmal. Offenbar gehörte der Schädel einer alten Person und muthmaßlich einem Weibe. Wahrscheinlich gehört er zu den in den Jahrb. XXXII, S. 198 beschriebenen Knochen eines älteren Menschen, von denen Professor Virchow beim Anblick in Schwerin aussprach, daß sie einem alten Weibe angehörten, welches die Gicht gehabt habe. Es scheint sich hier wieder die Erfahrung zu bestätigen, daß in Pfahlbauten von menschlichen Knochen vorherrschend Knochen von alten Weibern und Kindern gefunden werden, welche beim Abbrennen der Pfahlbauwohnungen ertrunken sein mögen.


II. Moor auf der "Wolfsburg".

Nach Erschöpfung des Vorraths in den alten Mooren am Müggenburger Reservat ist im Frühling 1868 westlich von den bisher bearbeiteten Stellen und von dem auf der Karte zu Jahrb. XXX mit dem Namen "Swanzenbusch" bezeichneten Felde, links an dem auch auf der Karte bezeichneten Wege von Wismar nach Poel in dem Moor auf der "Wolfsburg" ein neuer Torfstich angelegt, welcher außerordentlich viele Knochen und auch einige von Menschenhand gefertigte Geräthe geliefert hat und mit der Zeit vielleicht die Entdeckung eines Pfahlbaues in Aussicht stellt. Pfähle sind in den ersten beiden Jahren nicht gefunden. Aber man hatte noch nicht tief und noch lange nicht bis auf den Grund gegraben. Auch ist der Torfstich wohl noch zu weit vom festen Ufer entfernt, rückt demselben aber immer näher. Möglich ist es, daß man beim Fortschreiten Pfahlbauwohnungen ent=

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deckt und man sich bis jetzt nur noch in den Umgebungen derselben befindet.

Auf diesem Moor ist an zwei Stellen gegraben, in den Jahren 1868 und 1869 ungefähr in der Mitte, von wo bei ausreichender Ausdehnung in den nächsten Jahren nach dem Lande hin weiter gegraben werden wird (A.), und in einiger Entfernung davon am nördlichen Ende gegen Hornstorf hin, wo der Torf nur eine schmale und nicht sehr tiefe Ausdehnung hat (B.). Diese beiden Stellen sollen hier mit Grube A. und B. bezeichnet werden.

Wolfsburg=Moor, Grube A.
Aufgrabungen von 1868.

In dieser Grube wurden im Jahre 1868 sehr viele Thierknochen gefunden, welche in einer Tiefe von ungefähr 4 Fuß lagen. Die Knochen sind fast alle ganz und wohl erhalten, selten zerbrochen, nicht zerschlagen, ein wenig heller an Farbe, als die früher im Pfahlbau im Müggenburger Reservat gefundenen Knochen, jedoch noch dunkelbraun. Die Knochen gehören vorherrschend größeren Thieren: Rind, Hirsch, Reh, Pferd. Manche Knochen gehören paarweise zusammen, z. B. Unterschenkelknochen vom Reh und Hirsch. Von einem starken Hirschgeweih wurden nur Bruchstücke gefunden. Merkwürdig ist ein seltener, brauner Knochen (Os penis), welcher nach der Bestimmung des Herrn Professors Steenstrup zu Kopenhagen und nach eigener Vergleichung mit demselben im zoologischen Museum daselbst dem grauen Seehund (Halicherus Gryphus oder griseus) angehört, welche an allen Küsten der Nord= und Ostsee bekannt ist. Ein sehr beschädigter Schenkelknochen von einem Menschen ist wohl älter, als die übrigen Knochen, da er eine altersgraue Farbe hat.

Ein Pfahlbau ist hier noch nicht sicher angezeigt, jedoch sind 1868 schon mehrere Alterthümer gefunden, welche reichere Funde vermuthen lassen.

In dem Besitz des Herrn Mann zu Wismar, welcher diese Fundstelle entdeckt hat, sind folgende Sachen gekommen:

1 gewöhnlicher Keil aus Feuerstein;

1 Säge (Sichel) aus Feuerstein, sehr krumm geschweift;

1 kleiner Bärenzahn und

1 kleine bronzene Heftel mit zwei Spiralplatten, ältester Art, außerordentlich gut erhalten.

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Für die Schweriner Sammlungen habe ich von dem Torfmeister Wegener folgende Sachen, welche in den letzten Zeiten gefunden sind, erhalten, und mit den Knochen abgeholt:

1 Reibstein aus altem Sandstein, sehr ausgeprägt;

1 Keil aus dunkelbraunem Kieselschiefer, mit spitzem Bahnende, ganz geschliffen, in jeder Hinsicht ganz einem in Griechenland in Böotien gefundenen Keile gleich (vgl. oben S. 107 flgd.) und von den meklenburgischen Feuersteinkeilen abweichend;

1 Meißel aus ähnlichem Gestein;

4 kleine spanförmige Messer aus Feuerstein, alle mit Schlagansatz, also absichtlich durch Menschen gespalten.

Aufgrabung von 1869.

Im Frühling und Sommer 1869 ward der Torfstich in dieser Grube A. auf der Wolfsburg fortgesetzt. Pfähle wurden wieder nicht gefunden und nur sehr wenig Alterthümer von Menschenhand, jedoch außerordentlich viele Thierknochen, welche dieselbe braune Farbe haben, wie die im Jahre 1868 ausgegrabenen. Am 31. Julii 1869 besuchte ich mit dem Herrn Mann das Moor und holte die Fundstücke ab.

Die Knochen waren bei weitem der Mehrzahl nach dunkelbraun. Nur einige wenige größere Knochen waren hellfarbig und offenbar jüngeren Ursprunges und sind daher ausgeschossen. Die dunkelfarbigen Knochen sind meistentheils vom Rind, Pferd, Hirsch, Reh, Schwein. Einige derselben sind offenbar in alter Zeit zerschlagen und zerkeilt, da auch die Bruchflächen ganz dunkel sind, nur wenige gespalten; die meisten sind unverletzt.

Die merkwürdigsten Knochen sind:

3 Pferdeschädel von ausgewachsenen Thieren mittleren Alters, kleiner Race, alle ungefähr gleich;

1 Pferdeschädel von einem ganz jungen Thiere (die Schädelnäthe sind noch nicht ganz verwachsen);

1 Griffelbein von einem Pferde kleiner Race;

1 abgeschlagenes Rinderhorn, vom Bos brachyceros;

2 Ellenbogenknochen (ulna) vom Rind, sehr geschickt zu Stechwerkzeugen;

mehrere Beinknochen vom Rind, offenbar zerschlagen;

2 Unterkiefer vom Rind kleiner Race;

2 zusammengehörende Unterkiefer von einem ganz jungen Rinde;

1 Stück von einem Hirschhorn mit der Rose;

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1 Ellenbogenknochen (ulna) vom Hirsch;

1 Rehhorn;

1 starker Eberhauer, sehr abgeschliffen und zerbrochen;

2 zusammengehörende Unterkiefer vom Hunde (canis familiaris) kleiner Race, ganz wie die früher im Pfahlbau am Reservat gefundenen;

1 Flügelknochen vom Schwan.

Merkwürdig ist

1 Bruchstück von einem Menschenschädel, einem jungen Kinde angehörend.

An Holz wurden dies Mal Bruchstücke von einer 1 3/4 Zoll dicken Stange gefunden, welche offenbar auf der Oberfläche bearbeitet und an den Enden abgekeilt ist, schwarz von Farbe.

An Alterthümern von Menschenhand wurden gefunden:

1 überall abgeriebene Reibkugel aus feinkörnigem Granit, aus der Steinperiode;

1 Scherbe von einem dickwandigen, stark mit Granitgrus durchkneteten Topfe, wie es scheint aus der Steinperiode, der einzigen alten Thonscherbe, welche hier bisher bemerkt ist.

Ob ein kugeliges, etwa 2 Zoll im Durchmesser haltendes Stück Schwefelkies durch Menschen in das Moor gebracht ist, läßt sich wohl nicht bestimmen; es ist sehr hart und giebt unter einer groben, scharfen Feile oder Raspel häufige Funken, aber keine Späne.

6 eiserne Hufeisen, alle von verschiedener Form und Größe, von der größten bis zur kleinsten,

1 eiserner Steigbügel von schlichter Arbeit und

Scherben eines dünnen blaugrauen Topfes aus dem Mittelalter, etwa aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, werden in jüngeren Zeiten hier verloren gegangen sein, wie die hellfarbigen Knochen; leider läßt sich nicht mehr ermitteln, wie tief diese Sachen gelegen haben.

Aufgrabung von 1870.

Auch im Frühling und Sommer 1870 ward der Torfstich in dieser Grube A. auf der Wolfsburg fortgesetzt, jedoch nicht in sehr großem Maaßstabe. Pfahlwerk und angebranntes Holz ward wieder nicht bemerkt, auch wurden dies Mal keine Alterthümer an Geräthen gefunden. Jedoch wurden wieder viele Thierknochen ausgegraben.

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Die durch den Herrn Mann in Wismar eingesandten Knochen, welche eine dunkelbraune Farbe haben, wie die früher gefundenen, sind vorherrschend vom Rind, Pferd, Hirsch, Reh, Schwein. Die meisten der in diesem Jahre hier gefundenen Knochen sind zerschlagen, davon einige, wie es scheint, zu Stech= und Schneidewerkzeugen.

Unter den Knochen befinden sich z. B.:
1 Hirschhornstange, zerbrochen, alt und morsch, und
4 Hirschhornenden, abgebrochen;
2 Beinknochen vom Hirsch;
3 Beinknochen vom Reh;
viele Knochen vom Rind;
viele Knochen vom Schaf;
1 Unterkiefer vom Schwein, zerbrochen, mittlerer Größe;
1 Unterkiefer vom Schwein, zerbrochen, jung;
viele Knochen von sehr kleinen Pferden, darunter auch viele zerschlagen.

Merkwürdig ist ein Schenkelknochen von einem Menschen, welcher an beiden Enden geöffnet und heller an Farbe ist, als die Thierknochen, jedoch auch mehr verwittert.

Wolfsburg=Moor, Grube B.
Aufgrabungen von 1869.

Im Frühling 1869 ward in einiger Entfernung von der Grube A. am nördlichen schmalen Ende dieser Moorfläche gegen Hornstorf hin eine zweite Grube, außer der Grube A., angelegt.

Auch diese Grube gab sehr viele Thierknochen, an Farbe ganz denen aus der Grube A. gleich, aber gar keine Pfähle und gar keine von Menschenhand gearbeitete Alterthümer, auch wenig zerschlagene Knochen. Bei weitem die meisten Knochen sind vom Rind und Pferd.

Die bemerkenswerthesten Thierknochen sind folgende:

2 Pferdeschädel kleiner Race, von denen der eine nach den ganz abgeschliffenen Zähnen alt, aber nicht größer und stärker ist, als die Schädel in der Grube A.;

1 Rinderschädel, kleine Race, Bruchstück;

1 Hirschschädel, Hinterhaupt, von dem das Geweih ausgebrochen ist;

einige zerbrochene und morsche Hirschgeweihe;

1 Ellenbogen (ulna) vom Hirsch;

2 Rehhörner von 2 verschiedenen Thieren.

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Ausgrabung von 1870.

Im Frühling 1870 ward diese Grube B. bedeutend verlängert und erweitert. Pfähle und Holzkohlen wurden nicht gefunden. Jedoch wurden außerordentlich viele Thierknochen ausgegraben, welche fast alle vollständig und selten zerschlagen sind. Das Gewicht derselben beträgt gegen 100 Pfund. Die Nachrichten und Fundstücke verdankt der Verein dem Herrn Mann zu Wismar.

In diesem Jahre wurden hier zurerst einige von Menschenhand gefertigte Alterthümer gefunden, welche also auf menschliche Wohnsitze hinzeigen. Diese Alterthümer sind:

1 großer Reibstein aus feinkörnigem Granit, ungefähr 4 Zoll im Durchmesser;

1 kleiner Reibstein aus feinkörnigem Granit, ungefähr 3 Zoll im Durchmesser;

1 mittlerer Reibstein aus altem, quarzigem, grauen Sandstein, ungefähr 3 11/2 Zoll im Durchmesser;

1 Reibstein im Besitze des Herrn Mann zu Wismar;

1 dicke Topfscherbe, nach heidnischer Weise bereitet.

An Knochen wurden unter andern gefunden:

1 Hundeschädel, "von unverhältnißmäßiger Größe und starkem Gebiß", welchen Herr Mann für einen Wolfsschädel halten möchte, im Besitze desselben;

1 Pferdeschädel, groß und stark, mit starken Zähnen, wahrscheinlich jüngeren Alters, und

1 Pferdeschädel, eben so groß und stark, von gelblich=weißer Farbe, sicher jung;

2 Pferdehufe, groß. Diese Pferdeknochen werden um so mehr aus jüngerer Zeit stammen, als sich in dem Moor auch 6 eiserne Hufeisen fanden, nämlich 2 große zusammengehörend, 1 großes, 2 mittlere zusammengehörend, 1 ganz kleines;

1 Unterkiefer vom Schwein, zerbrochen;

1 Schweineschädel, hell an Farbe, wahrscheinlich jüngeren Ursprungs;

1 Schweineunterkiefer, ganz hell an Farbe, wohl sicher jüngeren Ursprungs;

2 Unterkiefer von einem jungen Rinde, zusammengehörend.

Aufgrabung von 1871.

Im Jahre 1871 ward in dieser Grube B. weiter gegraben. Pfähle wurden wieder nicht gefunden, jedoch einige steinerne Alterthümer und sehr viele Thierknochen.

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An Alterthümern wurden gefunden:

1 großer Reibstein und

1 kleinerer Reibstein, aus feinem alten Sandstein, beide sehr bezeichnend bearbeitet.

Die Knochen waren meist vom Rind, Pferd, Hirsch, Schaf, Schwein. Die größeren Knochen, an Gewicht wohl 150 Pfund schwer, waren zum größten Theil unverletzt. Jedoch fanden sich viele in alter Zeit quer durchschlagene und längs gespaltene Knochen, auch an den Enden geöffnete Röhrenknochen.

Als beachtenswerth sind aufbewahrt:

1 Rinderschädel von Brachykeros=Race;

2 Pferdeschädel von kleiner Race;

viele zerschlagene und gespaltene Thierknochen;

2 kurze Stücke vom Hirschgeweih, an der Rose bearbeitet und geglättet.

Merkwürdig sind einige Bruchstücke von Schenkelknochen eines Menschen, welche heller an Farbe und kalkiger, verwittert an Masse sind, gerade wie der auf Wolfsburg A. 1870 gefundene Knochen. Wahrscheinlich sind hier Menschen von wilden Thieren getödtet und die Knochen an der Oberfläche des Moors gebleicht und nach und nach in die Tiefe gesunken oder überwachsen.

Aufgrabung von 1872.

Im Sommer 1872 sind in der Grube B. auf dem Moor wieder einige Alterthümer gefunden und unter der Fürsorge des Herrn Rentiers Mann durch den Torfmeister Wegener gesammelt und eingeliefert:

1 kugeliger Reibstein aus weißem Quarz;

1 halber Schmalmeißel (die Schneide) aus dunkelgrauem Feuerstein;

1 Bruchstück von einem Keil (Schneide) aus hellbraunem Feuerstein;

mehrere zerbrochene Hirschhörner, nämlich:

3 Rosen mit den nächsten Enden;

5 abgebrochene Enden.

Die noch zusammenhangenden Unterkiefer und einige Beinknochen von einem Rinde.


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Moorfunde und Pfahlbauten(?)
von Redentin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Südwestlich bei dem Hofe Redentin bei Wismar, nahe an dem Wege von Wismar nach Redentin, dehnt sich, von geringen Höhen umgeben, eine ziemlich große Wiesenniederung aus, in welcher seit mehreren Jahren Torf gestochen wird.

Hier wurden im Sommer des Jahres 1868

5 geschliffene Keile aus Feuerstein gefunden, nämlich 3 große Arbeitskeile mit der eigenthümlichen rauchbraunen Farbe auf der Oberfläche, auch auf den Bruchflächen (im Innern hellgrau), von denen einer nur in der Beilhälfte vorhanden; ferner

1 halber kleiner Meißelkeil von derselben Farbe und

1 gleicher zerbrochener Keil von dunkelgrauer Farbe.

Herr Rentier Mann zu Wismar, dem diese Keile gebracht wurden, hat dieselben erworben und dem Vereine geschenkt.

Später ist hier noch

1 abgeschlagene Schneide von einem Keil aus dunkelgrauem Feuerstein gefunden und auch von Herrn Mann geschenkt.

Alle Keile, welche ziemlich groß sind, sind sorgfältig gearbeitet und geschliffen.

Noch später ist hier noch gefunden:

1 Keil aus Feuerstein, fertig vorbereitet, aber noch nirgends geschliffen, braun von Farbe, wie die übrigen

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früher dort gefundenen Keile, nur zur oberen Hälfte 5" lang vorhanden, in der Mitte quer und schon in alter Zeit durchbrochen, da auch die Bruchfläche eben so braun gefärbt ist, ebenfalls geschenkt von dem Herrn Rentier Mann zu Wismar.

Ferner berichteten die Torfgräber, daß sie dabei noch 5 faustgroße Steinkugeln, also Reibsteine, gefunden und noch im Besitze zu Hause hätten. Leider sind die Arbeiter nach Beendigung des Torfstiches bei Aerntearbeiten an verschiedenen entfernten Orten beschäftigt gewesen, so daß diese "Kugeln" wohl verloren gegangen sind.

Außerdem berichteten die Arbeiter, daß jetzt und früher in dem Moor viel Pfahlholz ausgegraben und schon früher oft steinerne Geräthe beim Torfgraben gefunden, jedoch verworfen seien. Hoffentlich wird das Moor in den nächsten Jahren bei genauerer Aufmerksamkeit mehr liefern.

In Veranlassung dieser Entdeckungen fuhr ich am 27. Julii 1868 mit dem Herrn Mann nach Redentin, um die Lage des Moores in Augenschein zu nehmen. Wir gelangten gleichmäßig zu der Ansicht, daß die Lage und Größe des Moores, eines frühern Gewässers, zur Anlegung von Pfahlbauten besonders geeignet sei und sich daher in der Zukunft noch wissenschaftlicher Gewinn aus demselben erwarten lasse.

Diese Hoffnung hat sich im Sommer 1869 beim Torfstechen nicht erfüllt. Der Torfstich ward in diesem Jahre sehr früh beendet und das Moor war schon in der Mitte Julii von den Arbeitern verlassen. Alle eingezogenen Nachrichten schweigen aber gänzlich von Auffindung neuer Alterthümer.

Herr Mann besuchte im Julii 1869 auch das 3/4 Stunden vom Hofe entfernte, ungefähr 20,000 Quadratruthen große Torfmoor des Dorfes Redentin, wo noch 4 Arbeiter mit Torfgraben beschäftigt waren. Auch diese, welche mit den Arbeitern des Moores von Hof Redentin in Verkehr stehen, hatten nicht gehört, daß in diesem Jahre Alterthümer ausgegraben seien. Ueber das Dorf=Redentiner Moor berichteten aber die Arbeiter, daß auch dieses Moor in früheren Jahren eine gute Fundgrube für Alterthümer gewesen, später aber aller brauchbarer Torf daraus entnommen und dasselbe in den letzten Jahren ohne Alterthümer geblieben sei, um so mehr, da der dort jetzt noch verarbeitete Torf nur auf Stellen gewonnen werde, welche früher schon durchgearbeitet worden seien.

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Aus diesem Moor stammt aus frühern Zeiten sicher ein schönes, vollkommen neu erhaltenes Bronzeschwert (Jahrb. XX, S. 286), und wahrscheinlich ein zweites Schwert und mehrere Armschienen und Armringe von Bronze (Jahrb. XVI. S. 273 flgd.), vielleicht auch zwei Frameen von Bronze (Jahrb. XVIII, S. 253 flgd.).

Endlich ist noch ein mittelalterlicher Schwertknopf aus Eisen mit Bronzeniet, 25 Loth schwer, in diesem Moor gefunden und dem Vereine von Herrn Mann geschenkt.


Fortsetzung.

In dem Moor bei dem Hofe Redentin in der Nähe von Wismar ist im Sommer 1869 nichts gefunden.

Dagegen sind im Sommer 1869 in dem (von dem Müller zum Torfstechen benutzten) sogenannten "Müller=Moor" auf dem Felde von Redentin einige Sachen gefunden, welche für die Zukunft vielleicht von Wichtigkeit werden können, und im Herbste 1869 nachträglich an Herrn Mann zu Wismar zum Geschenke überliefert. Diese Sachen sind folgende:

1) ein roh zubehauener, jedoch schon in den Linien zur beabsichtigten Gestalt regelmäßig zugerichteter, noch nirgends geschliffener, starker Keil aus grauem Feuerstein, 7 1/2 Zoll lang;

2) die abgeschlagene Beilschneide eines ähnlichen und wohl gleich großen Keils von Feuerstein, 2 1/2 Zoll lang, sauber geschliffen, von rauchbrauner Farbe, auch auf den Bruchflächen, im Innern hellgrau. Dieser Keil ist an Größe, Bearbeitungsweise und Farbe genau den übrigen, oben aufgeführten rauchbraunen Keilen gleich, welche in den andern Redentiner Mooren gefunden sind.

Nach den Berichten der Torfarbeiter sind außerdem in diesem Moor sehr viele zerschlagene Thierknochen gefunden, welche aber alle von ihnen verworfen oder als alte Knochen verkauft sind.

Nur zwei Knochen, braun gefärbt, sind von den Arbeitern aufbewahrt und dem Herrn Mann übergeben, weil sie dieselben als Menschenknochen erkannt haben. Diese beiden Knochen sind sehr merkwürdig.

Der erste ist ein Unterkiefer, klein und schmächtig, wahrscheinlich von einer alten Person; zwei noch vorhandene

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Zähne sind fast ganz abgeschliffen; die Backenzähne der rechten Seite fehlen alle und die Zahnhöhlen sind zugewachsen.

Der zweite Knochen ist die obere Hälfte eines Schenkelknochens (femur), welcher in der Mitte schräge durchgebrochen ist. Der Knochen ist von gewöhnlicher Länge und Stärke und mag zu dem Gerippe gehört haben, von welchem der Unterkiefer stammt. Der Schenkelkopf ist zwar morsch, aber noch ziemlich vollständig. Der große Höcker (trochanter major) fehlt aber; derselbe kann ursprünglich, aber auch erst beim Aufgraben abgebrochen sein.

Merkwürdig ist der 4 1/2 Zoll lange, schräge Bruch des Knochens in der Mitte des Schenkels. Die Bruchfläche des Knochens hat nämlich dieselbe braune Farbe, wie die Oberfläche des ganzen Knochens. Der Knochen muß also ursprünglich, vor uralter Zeit, zerbrochen ins Wasser gefallen und der Torf darüber gewachsen sein. Es in nun die große, nicht unwichtige Frage, auf welche Weise der Knochen zerbrochen sein kann.

Es ist nämlich bei Untersuchung dieses Schenkelknochens wohl hin und wieder die Ansicht ausgesprochen, daß dieser Schenkelknochen nicht ein Bruch am lebenden Menschen, sondern daß der Knochen vom todten Menschen "zerschlagen", und also diese Zerschlagung ein Zeugniß für "Menschenfresserei" zur Steinzeit sei. Um diese allerdings wichtige Streitfrage zu entscheiden, sandte ich die beiden Knochen zur Untersuchung an den gewiß stimmfähigen Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin, welcher die große Güte gehabt hat, das folgende eingehende und ausführliche Erachten darüber abzustatten.

Moor=Knochen von Redentin.
A. Der zerbrochene menschliche Oberschenkel.

"I. Das Oberschenkelstück entspricht dem obern Drittheil des linken Os femoris eines Menschen. Nach der Dicke und Festigkeit der Rindenschicht und der Größe des Halses (Collum femoris) zu urtheilen, muß es ein kräftiges und gut genährtes Individuum gewesen sein, und es liegt kein Grund vor, irgend eine besondere Brüchigkeit (Fragilitas, Osteopsathyrosis) oder sonstige Prädisposition zu Knochenbruch daran anzunehmen. Auch findet sich nichts von jener Osteomalacia senilis, welche sonst gerade an diesem Knochen so häufig das höhere Lebensalter charakterisirt."

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Der Bruch selbst ist alt und allem Anschein nach von nicht minderem Alter, als die Versenkung des Knochens in den Torf. Seine Oberflächen zeigen dieselbe eisenschüssige Färbung, wie der übrige Knochen, und einzelne Theile derselben waren noch zu der Zeit, als der Knochen in meine Hände kam, mit demselben Filz von Pflanzenwurzeln überzogen, wie sie die Markhöhle ausfüllte. (Ein solcher von mir losgelöster Cylinder aus der Markhöhle steckt noch in derselben.) Nach Abtrennung dieses Wurzel=Ueberzuges sind die Kanten überall so scharf, daß sie einer Verwitterung an der Luft vor der Einsenkung in das Moor nicht unterlegen haben können.

Der Sitz des Bruches in der Diaphyse des Knochens, und zwar über der Mitte desselben, entspricht keineswegs dem gewöhnlichen Orte des Schenkelbruches bei alten Leuten. Dies ist vielmehr der Schenkelhals. Dagegen findet sich diese Art des Schiefbruches in dem oberen Drittheil des Knochens auch bei gewöhnlichen Brüchen jüngerer Personen am häufigsten. Es würde von diesem Gesichtspunkte aus nichts dagegen zu sagen sein, daß der Bruch am lebenden Menschen eingetreten sei.

Dagegen findet sich ein Umstand, der diesen Bruch von allen gewöhnlichen Brüchen unterscheidet. Im oberen Theil der Bruchfläche, welche gegen den innern Rand des Knochens in einer Länge von 3 Centim. sehr flach durch die compacte Rindensubstanz verläuft, war das Wurzelwerk sehr fest angelegt. Als ich dasselbe mit großer Vorsicht ablöste, ergab sich darunter eine längliche, klaffende Spalte von 2 Centim. Ausdehnung, welche, fast parallel mit der Längsaxe des Knochens gelegen, bis in die Markhöhle eindrang. Von der durch den Bruch selbst eröffneten Markhöhle ist sie durch ein Knochenstück von compacter Substanz von 4 Millim. Länge getrennt. Ihre Ränder sind ganz scharf. Insbesondere der obere und untere Winkel sind wie geschnitten. Die vollständige Perforation der Markhöhle ist nur in einer Längsausdehnung von 5 Millim. erfolgt, und zwar an einer Stelle, welche dem untern Winkel näher liegt. In der Mitte der Spalte klafft derselbe nach außen so stark, daß der hintere Rand von dem vorderen 6-7 Millim. entfernt ist. Es kann daher kein Zweifel sein, daß dieser Spalt durch das gewaltsame Eindringen eines spitzigen, keilförmigen Körpers erfolgt ist. Als einen solchen kann man sich nur eine Pfeil= oder Lanzenspitze oder ein ähnliches Werkzeug denken. Denn das obere oder

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untere spitzige Ende einer Axt= oder Beilfläche (Schneide) würde offenbar eine längere Verwundung, die bis in die Oberfläche des Knochens fortgesetzt sein müßte, hervorgebracht haben.

Ob der verwundende Körper von Metall oder Stein war, dafür sehe ich kein bestimmtes Anzeichen. Dagegen ergiebt die Richtung der Spalte, welche von innen, also von der rechten Seite her nach außen, und ein wenig schief von oben und hinten nach unten und vorne geht, daß für die Verletzung am Lebenden ein Pfeilschuß oder ein Lanzenstoß eine natürlichere Erklärung giebt, als ein Hieb mit einer Axt.

Es fragt sich jedoch, ob die Gewalt am Lebenden eingewirkt habe, oder ob der Knochen erst nach dem Tode aufgeschlagen ist. Meiner Meinung nach kann kein Zweifel darüber sein, daß die Gewalt während des Lebens eingewirkt hat. Wäre nach dem Tode der Knochen durch ein meißelartiges Werkzeug aufgeschlagen worden, so müßte die Richtung des Bruches mit der Richtung der einwirkenden Gewalt übereinstimmen, mit andern Worten, es müßte der Knochen in der Richtung von innen nach außen zerklüftet sein. Statt dessen liegt die Richtung der Bruchfläche fast unter einem rechten Winkel gegen die Richtung der Spalte. Dieser ist möglich, wenn durch eine große Gewalt, wie sie am besten ein Lanzenstoß versinnlicht, außer der schneidenden Wirkung der Spitze zugleich ein kräftiger Stoß gegen die Diaphyse des Knochens eingewirkt hat.

Ich bemerke ausdrücklich, daß sowohl die von heutigen Lappen bearbeiteten Thierknochen, als auch die Knochen aus den Kjökkenmöddings im zoologischen Museum zu Kopenhagen die Zerklüftung der Knochen stets in derselben Richtung mit der Längsausdehnung des spaltenden Körpers zeigen. Ueberdies ist kein Knochen, der zum Herausnehmen des Markes zerschlagen wurde, gebrochen, sondern er ist gespalten.

Meine Meinung geht also dahin:

1) Der fragliche Oberschenkel ist nicht zum Zwecke anthropophagischer Genüsse gespalten;

2) er ist wahrscheinlich durch einen und denselben Act verwundet und gebrochen;

3) die gewaltsame Einwirkung ist sehr wahrscheinlich durch einen Lanzenstoß erfolgt.

Unzweifelhaft muß der Tod des Individuums alsbald nach der Verletzung eingetreten sein, denn es fehlt jede

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Spur weiterer (reactiver) Veränderungen im Umfange der Verletzung.

Außer den angeführten Abweichungen giebt es noch eine andere Reihe von Verletzungen: fast der ganze Trochanter major und minor mit der zwischenliegenden Strecke, ein großer Theil des Randes des Schenkelkopfes und derjenige Theil des Halses, welcher zwischen dem Trochanter major und dem Kopfe liegt, ist bis auf verschiedene Tiefen defect, indem die Rindenschicht und ein Theil des schwammigen Gewebes ausgebrochen ist. Obwohl hier auf den ersten Blick die Möglichkeit einer Abnagung (im strengen Sinne des Wortes) vorzuliegen scheint, so muß dieselbe doch zurückgewiesen werden. Nirgends zeigen sich die Spuren von wirklichem Nagen; Eindrücke von Zähnen, wie sie sowohl beim Benagen durch Thiere, wie bei dem durch Menschen im Umfange der abgefressenen Theile stets zu sehen sind, fehlen vollständig. Es geht vielmehr durch den Hals des Schenkels und den Trochanter ein unregelmäßiger Spalt von großer Ausdehnung, der jedoch fast gar nicht klafft und daher schwer sichtbar ist. Dieser Spalt beweist, daß auch hier eine äußere Gewalt eingewirkt hat. Ob diese jedoch schon während des Lebens einwirkte, ist höchst zweifelhaft. Es ist sehr wohl möglich, daß sie erst bei dem Ausgraben des Knochens aus dem Moor eintrat; der Umstand, daß die verletzte Fläche nirgends frische Bruchflächen erkennen läßt und eine braunschwärzliche Farbe zeigt, beweiset nicht dagegen, da in diesem schwammigen Theile wahrscheinlich der Knochen in seiner ganzen Dicke von der moorigen Flüssigkeit durchtränkt worden ist. Auch darf wohl erwähnt werden, daß am Trochanter minor, wo die spongiöse Substanz fester ist, die zu Tage liegenden Theile der Knochenbalken eine mehr weißgraue Farbe zeigen, die sehr verschieden ist von der Substanz, welche direct mit dem Torfe in Berührung waren.

II. Obwohl der Oberschenkel einer kräftigen und großen Person angehört haben muß, so findet sich doch daran eine Eigenthümlichkeit von großer Wichtigkeit. Während sonst der Knochen in seiner Diaphyse eine fast drehrunde Gestalt hat, so zeigt sich hier sofort unterhalb des Trochanter major eine Abplattung desselben in der Richtung von vorne nach hinten, in der Art, daß ein Querschnitt unter dem Trochanter minor fast die Gestalt einer Säbelscheide haben würde. Insbesondere zieht sich vom Collum femoris her genau an der innern Seite eine

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fast scharfe Kante bis zu der Bruchfläche herunter, gleichwie an der äußern Seite vom Trochanter major her eine andere, wenngleich mehr abgerundete Kante verläuft. Die vordere Fläche ist fast ganz eben.

Dieses sehr ungewöhnliche Verhältniß erinnert an ähnliche Beobachtungen, wie sie namentlich durch Herrn Broca an prähistorischen Funden aus Frankreich, zuletzt bei denen aus den Höhlen von Des Eyzies, freilich mehr an der Tibia, jedoch auch am Femur gemacht worden sind. Obwohl gegenwärtig die ethnographische Bedeutung dieser Erscheinung noch nicht hat festgestellt werden können, so ist sie doch in hohem Grade bemerkenswerth.

B. Der menschliche Unterkiefer.

Ob der gefundene Unterkiefer derselben Person angehört hat, ist nicht sicher auszumachen. Seine ungleich zartere Beschaffenheit scheint eher dagegen zu sprechen. Auch sind die zwei Zähne so tief, fast bis auf die Wurzel abgenutzt, daß daraus ein höheres Alter des Individuums zu folgen scheint, als die Beschaffenheit des Schenkelknochens andeutet. Freilich sind beiderseits die Höhlen des Weisheitszahnes noch offen und nur die Alveolen des 2.-4.Backenzahnes rechts ganz obliterirt, so daß es scheint, als sei die Abnutzung verhältnißmäßig früh eingetreten. Höchst auffällig ist dabei die geringe Größe der Alveolen der Schneidezähne, welche zusammen genommen nur 1,5 Ctm. Längenausdehnung einnehmen. Die Folge davon ist eine sehr geringe Entwickelung des mittlern Theiles des Unterkiefers und ein starkes Vorspringen des zugespitzten Kinnes, sowie eine fast winkelige Stellung der beiden Kieferhälften zu einander. Der ganze Kiefer ist etwas zart, in der Mitte nur 2,2 Centim. hoch; der untere Umfang von einem Winkel zum andern beträgt 17,3 Centim., der Abstand der Winkel von einander 9,5 Centim. Die Gelenkfortsätze sind leider an ihrem oberen Ende verletzt, mögen aber vom Winkel an etwa 5 Centim. hoch gewesen sein. Die obere Incisur, zwischen Gelenk= und Kronenfortsatz, ist flach ausgerundet, und der ganze aufsteigende Ast, wenngleich dünne, doch verhältnißmäßig breit, er mißt in der Mitte 2,7 Centim. in der Breite. Der Kiefer ist demnach positiv orthognath. Er hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Unterkiefer der heutigen Lappen, von denen er sich jedoch durch die Bildung des Mittelstückes unterscheidet."

R. Virchow.     


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Im Sommer 1872 sind in dem Hofmoor zu Redentin doch noch einige Alterthümer gefunden und von dem Herrn Mann erworben und von demselben dem Vereine geschenkt. Diese Alterthümer sind:

3 große geschliffene Arbeitskeile aus dunkelgrauem und gelblichgrauem Feuerstein;

2 Beilschneiden von 2 zerbrochenen, großen, geschliffenen Keilen aus rauchbraunem Feuerstein.


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Bastgeflecht von Wietow.

Im Sommer 1872 ward zu Wietow bei Wismar tief im Torfmoor ein merkwürdiges Bastgeflecht gefunden und von dem Besitzer des Gutes, Herrn von Blücher, dem Vereine geschenkt.

Das Geflecht ist 8 Centim. lang und viereckig, an jeder Seite gegen 2 Centim. breit. Jede Seite besteht aus zwei Reihen kleiner Rollen, in jeder Reihe 9 bis 10 Stück. Das Ganze ist sehr künstlich und regelmäßig gearbeitet und gleicht einer viereckigen feinen Blechkette.

Der Stoff ist sicher Weidenbast, wie Herr v. Blücher und andere erfahrene Kenner urtheilen.

Aehnliche Geflechte aus Bast sind in der Schweiz in den Pfahlbauten der Steinzeit häufig gefunden, z. B. am Pfäffiker See; vgl. Keller Pfahlbauten, 4. Bericht, Taf. IV, Fig. 14.

Nach dem Bericht des Herrn von Blücher ist dieses Geflecht 10 Fuß tief im Torf auf der sogenannten "Torfleber" gefunden. Torfleber wird hin und wieder im Lande eine einige Zoll dicke Schicht unter dem gewachsenen Pflanzentorf genannt, welche frisch gestochen etwas heller und fester, jedoch zum Brennen nicht so gut ist, als der gewöhnliche Torf. Nach der Ansicht von Kennern besteht die Torfleber aus vermoderten Wasserpflanzen, namentlich Rohr und Schilf, und bildet den Boden des Torfs. Die Torfleber ist also Moder vom Grunde des ehemaligen Gewässers, welches im Laufe der Zeiten Torfmoor geworden ist. Hierzu stimmt auch eine vorliegende Probe aus einem andern Moor, welche, freilich stark nachgedunkelt, ganz erdig und hart ist.

Nach der Fundstelle und nach Vergleichung anderer Vorkommenheiten dürfte das Bastgeflecht von Wietow der Stein=

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zeit angehören und einen Pfahlbau an der Stelle anzeigen. Ohne Zweifel ist das Geflecht sehr alt.

G. C. F. Lisch.     

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Menschenschädel von Reez.

Auf dem dem Herrn von Plessen gehörenden Landgute Reez bei Schwaan ward im Monat Junii 1872 in einer der Ziegelei des Gutes Wahrstorf gegenüber liegenden Wiese am Ufer des Warnow=Flusses, 112 Fuß Hamb. Maaß von demselben entfernt, beim Torfgraben in einer Tiefe von ungefähr 10 Fuß durch die Maschine ein alter Menschenschädel emporgehoben und von dem Herrn von Plessen dem Vereine zum Geschenk zugesandt. Die Oberfläche der Wiese liegt fast in der Wage des Spiegels der Warnow, und die Wiese wird in uralter Zeit Wasser oder Morast gewesen sein. Früher ist in dieser Wiese nach der Beschaffenheit des Bodens kein Torf gegraben.

Mehr als dieser Schädel ist bis jetzt an dieser Stelle nicht gefunden.

Der Schädel ist durch die Maschine freilich zerdrückt, hat aber in den Oberhauptbeinen von den Augenbrauen bis zur Hinterhauptschuppe wieder zusammengesetzt werden können. Der Schädel ist brachycephal; die Stirne ist sehr schmal, das Hinterhaupt sehr breit und gewölbt. Die Knochenwände sind sehr dünne, die Schädelnäthe noch nirgends verwachsen. Die Augenbrauenbogen, welche über der Nasenwurzel nahe zusammentreten, sind zwar hoch, jedoch nicht sehr stark. Nach allen diesen Kennzeichen wird der Schädel einem noch jugendlichen, vielleicht weiblichen Individuum angehört haben. Im Ganzen ist der Schädel einem im Pfahlbau von Wismar gefundenen Schädel sehr ähnlich. Die Farbe ist sehr hellbraun oder schmutzig dunkelgelb. Daß er nicht schwärzlich ist, wie manche sehr alte Torfschädel, rührt wohl daher, daß er in einem Lager von Binsen ähnlicher Masse gelegen haben wird, mit der die Schädelhöhlung gefüllt und zusammengedrückt war.

Nach allen Anzeichen wird der Schädel in die Steinzeit fallen. Vielleicht haben einst in dem Moore Pfahlbauten dieser Zeit gestanden; jedoch ist bis jetzt nichts weiter gefunden, was diese Vermuthung unterstützen könnte.

G. C. F. Lisch.     


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Moorfund von Dalliendorf.

Die Frau Kammerherrin von Leers zu Schwerin schenkte 1871 dem Vereine aus dem Nachlaß ihres verstorbenen Gemahls, des Kammerherrn von Leers auf Schönfeld, die steinernen Alterthümer, welche vor ungefähr 20 Jahren zu Dalliendorf bei Kleinen beim "Ausmodden" eines "Wasserloches" oder Teiches mit vielen Knochen und Geweihen gefunden sind. Diese Alterthümer sind:

4 Keile aus Feuerstein, von denen 3 flach, dünn und ganz geschliffen sind, von mir sonst wohl Streitkeile (Waffen) genannt, und 1 dick und weniger geschliffen und vielfach ausgesprungen ist;

1 Schmalmeißel aus Feuerstein;
1 Dolch aus Feuerstein mit viereckigem Griff;
1 Streitaxt mit Schaftloch aus Diorit von schönen Formen.

Möglich ist es, daß einst in diesem Gewässer, als es noch größer war, ein Pfahlbau gestanden hat.

G. C. F. Lisch.     


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Feuersteinsäge von Schwerin.

In dem Hofküchengarten am Kalkwerder bei Schwerin fand der Herr Hofgärtner Lehmeyer eine Säge aus Feuerstein (halbmondförmiges Messer), welche derselbe den großherzoglichen Sammlungen übergab. In dieser Gegend bei Schwerin sind schon früher Alterthümer gefunden.

G. C. F. Lisch.     


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Gezahnte Lanzenspitze aus Feuerstein.

Der Herr Ingenieur Brüssow zu Schwerin schenkte dem Vereine eine gezahnte Lanzenspitze oder Dolchklinge aus weißlichem Feuerstein, welche nach den ihm mitgetheilten allgemeinen Nachrichten an der "Lauenburgischen Grenze" gefunden ist. Das Ganze ist 8 Zoll oder 19 Centim. lang, wovon ungefähr 5 bis 6 Centim. auf die

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weniger bearbeitete Griffzunge fallen. Die vollständig erhaltene Waffe, denn hiefür müssen wir das Geräth halten, ist außerordentlich schön und regelmäßig gearbeitet, an beiden Seitenflächen mit größern, flachen Schlägen geebnet, aber an den beiden Schneiden zu ziemlich hohen, regelmäßigen, scharfen Zähnen, wie eine Säge ausgekröselt, ungefähr wie in Madsen Afbildninger, T. I. Taf. 37, No. 32. Das Stück ist außerordentlich selten, und die Schweriner Sammlungen haben bisher noch kein ähnliches Exemplar besessen. Vor kurzem hat auch Herr Rentier Mann zu Wismar ein gleiches, jedoch etwas größeres Exemplar, 9 1/4 Zoll oder 22 1/2 Centim. lang, erworben, welches im südlichen Ditmarschen gefunden ist; beide Exemplare sind so ähnlich, daß sie fast zusammen zu gehören scheinen. Herr Mann hat dem Vereine eine schöne Zeichnung seines Exemplars geschenkt.

G. C. F. Lisch.     


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Keil vom Walfisch bei Wismar.

Auf der kleinen Insel "Walfisch" vor dem Hafen von Wismar ward ein kleiner, 3 Zoll langer, geschliffener Keil aus hellbraunem Feuerstein gefunden und von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar geschenkt.

G. C. F. Lisch.     


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Keil von Güstrow.

Der Herr Hauptmann a. D. Baron von Nettelbladt zu Güstrow schenkte einen Keil aus Feuerstein, welcher im Torfmoor des Landarbeitshauses zu Güstrow gefunden, überall nur roh, wenn auch ganz regelmäßig zugehauen und noch nirgends geschliffen und rauchbraun von Farbe ist, genau wie viele Keile aus Pfahlbauten. Dies scheint auf eine ehemalige Wasseransiedelung zu deuten, um so mehr, da auch ein ganz schwarzer Gelenkknochen dabei gefunden ist.

G. C. F. Lisch.     


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Eine große Bernsteinperle,

1 1/4 Zoll im Durchmesser, gefunden im Torfmoor zu Wilserhütte bei Serrahn, ward geschenkt von dem Herrn Hauptmann a. D. Baron von Nettelbladt zu Güstrow.

G. C. F. Lisch.     


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Bernsteinschmuck von Dargun.

In der Pene=Niederung bei Dargun, nahe an der Pene, wurden im Frühling 1870 beim Torfstechen im Moor viele Eichenpfähle gefunden, welche das Vorhandensein von ehemaligen Pfahlbauten anzuzeigen schienen. Bei den Pfählen, jedoch nicht ganz in der Nähe derselben, ward ein, ohne Zweifel der Steinzeit angehörender Bernsteinschmuck gefunden, welcher von dem Herrn Forstmeister Schröder zu Dargun an die Sammlungen eingesandt ist. Der Schmuck ist ein roh bearbeitetes Stück Bernstein, ungefähr in der Form eines stumpfen Keils oder Hammers von 1 1/2 Zoll Länge, 1 Zoll Breite und ungefähr 1/2 Zoll Dicke, welches von beiden Seiten her trichterförmig angebohrt und durchbohrt ist.

G. C. F. Lisch.     


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Schleifstein von Reinstorf.

Zu Reinstorf bei Bützow ward ein großer Schleifstein gefunden und von dem Herrn Schnapauff zu Reinstorf geschenkt. Der Stein ist im Durchschnitt 2 Fuß lang, 1 Fuß breit, 1/2 Fuß dick und 84 Pfund schwer. Die Masse besteht aus grauem, feinkörnigen Granit (nicht Sandstein). Die Oberfläche ist überall ebenmäßig, ganz glatt und sanft concav abgeschliffen, wie die Schleifsteine aus altem Sandstein für das Schleifen der Feuersteinkeile, ohne daß irgend eine Vertiefung ausgeschliffen wäre. Man muß daher diesen Stein eher für einen Schleifstein als für einen Mahlstein halten. Der Stein ist in einem ungefähr 100 Quadratruthen großen Torfmoore, ungefähr 5 Fuß tief unter der Oberfläche gefunden; er lag nach den eingeholten Berichten auf einer umgefallenen großen Eiche, welche ganz schwarz geworden

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war. Herr Schnapauff hat an der Fundstelle weiter nachgraben lassen, es hat sich aber nichts weiter gefunden als dieser Stein.

G. C. F. Lisch.     


[Aufsatz]
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Keil von Warbelow.

Der Herr Gutsbesitzer Otto auf Warbelow bei Gnoien hat Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge für die großherzoglichen Sammlungen einen zu Warbelow gefundenen Keil aus Feuerstein zum Geschenke überreicht, welcher in Deutschland zu den größten Seltenheiten gehört. Dieser Keil ist aus dunkelgrauem Feuerstein, 12 1/2 Zoll Hamb. Maaß oder 30 Centim. lang, in der Mitte gegen 3 Zoll oder 7 Centim. breit und 1 1/2 Zoll oder 3 1/2 Centim. dick, 3 1/3 Pfund schwer, an beiden Breitseiten bis zur scharfen Schneide regelmäßig geschliffen, an den beiden Schmalseiten in großen Schlägen zugehauen und am Bahnende stumpf vierseitig abgeschlagen. Feuersteinkeile von dieser Größe sind in den dänischen Landen, namentlich in der Sammlung zu Kopenhagen, nicht selten, gehören aber in Deutschland zu den größten Seltenheiten. Der größte Keil in Deutschland ist vielleicht der Keil von Gutow in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin, welcher 14 Zoll lang und 3 1/2 Pfund schwer ist (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 299). Auf diesen Gutowschen Keil wird denn wohl der Keil von Warbelow folgen. Ich wenigstens habe in Deutschland noch keine größeren Keile gesehen.

Außerdem schenkte Herr Otto noch einen roh, aber regelmäßig zugerichteten, noch nirgends geschliffenen Feuersteinkeil von 8 1/2 Zoll Länge.

G. C. F. Lisch.     

 

Vignette
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c. Bronzezeit.


Kegelgräber

auf den Wegestrecken

von Sternberg nach Parchim und Dobbertin,

von

Dr. G. C. F. Lisch.


B ei dem Bau der beiden Chausseen von Sternberg nach Parchim und von Sternberg=Dabel nach Dobbertin in den letzten Jahren sind auf den Feldmarken südlich von Sternberg sehr viele Kegelgräber aufgebrochen, um Steine zur Chaussee zu gewinnen. Diese Gegend, in der Mitte des Landes, welche schon früher manche Alterthümer geliefert hat, scheint bis dahin den Verwüstungen durch Ackerkultur ziemlich entgangen zu sein. Die Gräber sind sehr zahlreich und scheinen nicht sehr hoch gewesen zu sein. Alle gehören der Bronzezeit an und haben zahlreiche Alterthümer geliefert. Alle Alterthümer sind außerordentlich ähnlich, sowohl an Gestalt, als auch an Rost, so daß man wohl mit Recht schließen darf, daß alle derselben Zeit und Bildung angehören; sie gewähren daher in dieser Hinsicht einen willkommenen Ueberblick.

Die Gräber, von denen Kunde und Alterthümer an den Verein gekommen sind, sind bis jetzt folgende.

Kegelgrab in der Gegend von Sternberg.

Beim Steinbrechen für die Parchim=Sternberger Chaussee sind folgende Alterthümer aus Bronze mit starkem Rost gefunden:

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1 Schwert von Bronze, 57 1/2 Centim. lang, in mehrere Stücke zerbrochen, mit Nietlöchern in der Griffzunge zum Befestigen eines Holzgriffes;

1 große Nadel (?) oder Stecken von Bronze mit großem, rundem Knopf. Es sind nur 2 Bruchstücke vorhanden: der Griff, welcher 12 Centim. lang ist und im Kopfe 6 1/2 Centim. Durchmesser hat, und ein kleineres Bruchstück der Nadel. Ueber diese Nadel, welche gewöhnlich Schwertlänge haben, vgl. Jahrb. XXXIII, S. 125 flgd.;

1 Pfeilspitze von Bronze, mit Schaftzunge;

1 Sichel von Bronze, 10 Centim. lang;

1 "Schabemesser" von Bronze, 8 Centim. lang;

Bruchstücke von Armringen von Bronze.

Diese Alterthümer sind durch Verkauf in Privatbesitz gekommen.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Holzendorf.

Auf der Feldmark des Hofes Holzendorf bei Sternberg, wo die merkwürdige Bronze=Gießstätte gefunden ist (vgl. Jahrb. XXXIV, S. 220 flgd.), ward beim Bau der Chaussee von Parchim nach Sternberg im Jahre 1869 ein Kegelgrab abgetragen, welches beim Herausholen der Steine zum Chausseebau durchwühlt war. Bei dem Abtragen und der Ebenung des Platzes fanden sich aber noch die bronzenen Alterthümer, welche durch die Sorge des Herrn Senators Beyer zu Parchim gerettet und in die Schweriner Sammlungen gekommen sind. Diese Bronzen, welche alle mit gleichem edlen Rost bedeckt sind, sind folgende:

1 gewundener dünner Kopfring, 6 Zoll im Durchmesser, vollständig erhalten;

1 gewundener dünner Kopfring, eben so groß, in der Mitte durchbrochen und auch auf den Bruchflächen oxydirt;

1 Bruchstück von einem gewundenen Ringe, 4 Zoll lang;

2 gleiche massive Armringe von ovalem Durchschnitt, mit schmalen, starken Querreifen verziert;

2 breitere, dünne, blechartige Armringe, dicht mit Schrägelinien verziert;

1 Bruchstück von einem ähnlichen Armringe;

4 gleiche sogenannte Hütchen, auf der Oberfläche mit vielen und feinen concentrischen Reifen verziert;

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6 gleiche sogenannte Hütchen, auf der Oberfläche mit wenigen und breitern concentrischen Reifen verziert;

4 Fingerringe von feinem, ganz dünnem Bronzedrath.

Vielleicht waren in diesem Hügel zwei verbrannte Leichen bestattet, da sich alle mitgegebenen Alterthümer doppelt finden, und muthmaßlich waren die zuerst aufgeführten Armringe und Hütchen die älteren, d. h. um ein wenig älter, als die folgenden. Sicher waren diese Gräber nach den Beigaben an Schmuck Frauengräber.

Dieser Fund zeigt in jeder Hinsicht eine große Uebereinstimmung mit dem im Folgenden aufgeführten Funde von Karbow. Auch in diesem Funde fanden sich viele sogenannte Hütchen. Ueberhaupt läßt sich die Beobachtung feststellen, daß sich diese Hütchen, welche man in frühern Zeiten als Kopfaufsätze betrachtete, oft in großer Anzahl neben einander finden. Ich halte sie für Knöpfe für Obergewänder aus der ältern Bronzezeit, und nicht mehr für Verzierung des Pferdegeschirrs, wie ich wohl früher mit Andern angenommen habe.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Turloff.

In der Forst von Turloff bei Sternberg, angrenzend an Hohen=Pritz, wurden im Februar 1869 beim Steinbrechen zur Chaussee in Hügeln neben zerbrochenen Urnen mit zerbrannten Knochen die im Folgenden aufgeführten Alterthümer gefunden und vom Herrn Karl Krull zu Kukuk an die großherzoglichen Sammlungen abgeliefert. Diese Hügel sind nach dem Bau und den gefundenen Alterthümern ohne Zweifel Kegelgräber der Bronzezeit gewesen.

Kegelgrab Nr. 1.

In einem Hügel ward

ein gewundener Halsring von Bronze, vollständig, und

ein gewundener Kopfring von Bronze, zerbrochen, beide mit dickem Rost bedeckt, gefunden.

Kegelgrab Nr. 2.

In einem andern Hügel, neben einem "Topfe" mit zerbrannten Knochen, wurden folgende Alterthümer gefunden:

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2 reich mit Linien verzierte Armringe von Bronze, voll gegossen, zusammen gehörend, zerbrochen;

ein eben so reich, aber anders verzierter Armring von Bronze, vollständig;

ein sogenanntes Hütchen von Bronze: alle mit gleichem, tiefem Rost bedeckt;

ferner

ein Knopf von Bernstein, 1 3/8 Zoll im Durchmesser und 3/4 Zoll dick, mit abgeschrägten Seitenflächen, in der Mitte durchbohrt, nicht durchscheinend und auf der Oberfläche blind und etwas verwittert; zum "Spindelstein" hat dieser Knopf nicht dienen können, da das Loch dazu lange nicht weit genug, sondern nur so eng ist, um einen dicken Faden durchziehen zu können.

Kegelgrab Nr. 3.

In einem dritten Hügel wurden

2 Armringe von Bronze gefunden, voll gegossen, beide von gleichem Durchmesser, aber verschieden an Breite und Dicke, beide reich, jedoch verschieden mit Linien verziert, und zwar in gleicher Weise wie die Armringe in dem Grabe Nr. 2. Diese beiden Ringe sind mit einem hellgrünen, oft bläulichen, dichten, edlen Rost bedeckt, unter welchem alle Verzierungen scharf erhalten sind.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Kläden.

Nr. 1.

Fortsetzung von Jahrbüchern XVI, S. 258.

Zum Bau der Chaussee von Sternberg=Dabel nach Dobbertin wurden im Herbste des Jahres 1870 auf den Feldmarken Dabel, Borkow, Woserin und Kläden Steine ausgebrochen. Die Arbeiter "visitirten" auf Erhöhungen den Erdboden mit Stangen und fanden denn auch gewöhnlich bald, was sie suchten. Fast alle diese kleinen Erhöhungen in dieser noch wenig erforschten Gegend sind Kegelgräber der Bronzezeit. Unter den Steinen wurden denn auch oft gerostete Bronzegeräthe gefunden, welche die Arbeiter aber gewöhnlich verheimlichten und vorenthielten, unter der Angabe, daß sie erst Sicherheit gewinnen müßten, ob die gefundenen Sachen aus edlem Metall seien oder nicht. Dies

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ist der gewöhnliche Hergang solcher Aufgrabungen, bei denen die gefundenen Gegenstände sehr häufig verloren gehen.

Besonders reich an Kegelgräbern ist die bei dem Dorfe Kläden ("Klähn"), Kloster=Amts Dobbertin, gelegene Forst, welche die "Klädener Forst" genannt wird. Schon im Jahre 1850 wurden hier mehrere Steinhügel ausgebrochen, in denen sich schöne Urnen fanden, welche durch die Bemühungen des verstorbenen Klosterhauptmanns Barons Le Fort, mit welchem ich später auch zur Besichtigung die Forst durchfuhr, gerettet und den Sammlungen des Vereins überwiesen wurden (vgl. Jahrb. XVI. S. 258). Auch im Herbste 1870 erwiesen sich die in der Forst noch liegenden Hügel als Kegelgräber, welche "Knochenurnen" und Bronze=Alterthümer enthielten. Durch die Sorgfalt des Herrn Ingenieurs Wehner und die Vermittelung des Herrn Senators Beyer zu Parchim sind denn einige Fundstücke aus der Klädener Forst in die Sammlungen des Vereins gekommen:

Eine kleine Deckel=Urne von seltener, fast ganz cylindrischer Form. Die Urne bildet einen beinahe regelmäßigen Cylinder mit fast senkrechten Wänden, 7 Zoll hoch und ungefähr 6 Zoll weit. Auf die Mündung ist als Deckel eine Schale mit fast senkrechten Wänden, 2 Zoll hoch und 6 Zoll weit, gestülpt, welche genau auf die Mündung paßt;

die Schale wird von vorne herein zum Deckel bestimmt gewesen sein, da die Mündung der Urne, so weit als die Deckschale hinabreicht, etwas eingezogen ist, so daß die Wände der Urne und der aufgestülpten Schale zusammen eine fast senkrechte Linie bilden. Die Urne war ganz mit zerbrannten Knochen und Asche gefüllt. Darin lag

ein kleiner, gerosteter Ring von Bronze, 3/4 Zoll im Durchmesser, roh gearbeitet.

Es wurden in andern Gräbern noch mehr mit zerbrannten Knochen gefüllte Urnen gefunden, welche, wie die im Jahre 1850 ausgegrabenen, alle größer waren und hin und wieder auch bronzene Alterthümer enthielten. Von diesen übergab der Herr Ingenieur Wehner:

eine grade Nadel von Bronze, mit kleinem Knopf, stark gerostet, zerbrochen, jetzt noch 7 Zoll lang, und

eine unter dem hohlen Knopf knieförmig gebogene Nadel, 4 3/4 Zoll lang, ohne allen Rost und sehr gut erhalten, ungefähr wie Frid. Franc., Taf. XXXII, Fig. 25.

Größere Bronze=Geräthe, auch Waffen, konnte man von den Arbeitern nicht habhaft werden.

G. C. F. Lisch.     

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Später sind in der "Klädener" Forst in Steinhügeln beim Steinbrechen noch Alterthümer gefunden, welche ebenfalls durch den Herrn Senator Beyer zu Parchim gewonnen und im Frühling 1871 dem Verein überliefert sind.

Wahrscheinlich stammen diese Alterthümer aus zwei verschiedenen Gräbern oder einem Doppelgrabe, da dieselben theils in Waffen, theils in Schmuck bestehen.

Kegelgrab Nr. 2.

Ein Schwert von Bronze, ungefähr 16 Zoll lang in der Klinge, welches vor der Beilegung in 4 Stücke zerbrochen ist, da die Bruchenden auch gerostet sind; die Spitze fehlt. Die kurze, 3 Zoll lange Griffzunge ist zur Aufnahme einer Holz= oder Lederbekleidung eingerichtet, da sie Nietlöcher und Nietstifte hat. Ohne Spur eines Leichenbrandes.

Ein Paar Handbergen von Bronze, in viele kleine Bruchstücke durch den Lecenter>Kegelgrab Nr. 3.

Eine kleine Urne von Thon von schöner Form, 4 Zoll hoch, mit einem Henkel zum Durchstecken eines Fingers.

Ein gewundener Kopfring von Bronze, sehr weit, in 4 zum Theil verbogene Stücke zerbrochen, deren Bruchenden gerostet sind: die Endstücke fehlen.

Zwei Armringe von Bronze, massiv, mit Quer= und Schrägestrichen verziert.

Ein Armring, dünner und glatt, auch massiv, 2 Bruchstücke.

Eine kleine Heftel von Bronze, von der Construction der Hefteln der reinen Bronzezeit, mit massiven, dünne gegossenen oder gehämmerten runden Endplatten, mit Schrägestrichen am Rande verziert, zerbrochen.

Alle diese Bronzen des Grabes Nr. 3 sind mit Rost, zum Theil mit edlem Rost bedeckt und nicht vom Leichenbrande berührt.

Ring aus Golddraht

Ein Fingerring von Gold , für einen weiblichen Finger passend. Dieser Fingerring ist, wie die hieneben stehende Abbildung eines gleichen, aber etwas weitern Goldringes zeigt, in spiralförmiger Gestalt aus doppeltem Golddrath gebildet, welcher an beiden Enden verbunden, also aus einem großen Ringe ohne Enden gebogen ist. Leider ist der Ring zerrissen

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und hinter einander in zwei Lieferungen in den Besitz des Vereins gekommen. Die beiden noch vorhandenen Bruchstücke sind 1 Ducat schwer. Das größere Bruchstück hat 5 Windungen und besteht an einem Ende noch aus doppeltem, verbundenem Golddrath. Das andere Ende scheint, wie öfter vorkommt, vor der Beilegung aufgeschnitten zu sein. Nach meinen schon früher geäußerten Ansichten sind diese goldenen Spiral=Fingerringe Trau= oder Eheringe der Bronzezeit.

Dieser Goldring ist dadurch in hohem Grade merkwürdig, daß der Golddrath hohl ist, indem der Drath durch Biegung aus einem schmalen, dünnen Goldblechstreifen gebildet ist. Man sieht dies klar nicht nur an den abgebrochenen Enden, sondern an der Fuge, welche an der innern Wand des Drathes der ganzen Länge nach umherläuft. Mir ist ein zweites Beispiel noch nicht vorgekommen; in den Schweriner Sammlungen sind die zahlreichen Ringe dieser Art alle massiv. Dieses Kunststück ist ein Zeichen von geschickter Arbeit, ob aus Absicht des Betruges oder der Stellung eines wohlfeileren Preises mag dahin gestellt bleiben.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Mestlin.

Im "Mestliner Holze" bei Goldberg ward im Jahre 1870 durch die Chausseearbeiter für die Chaussee von Crivitz nach Goldberg ein Kegelgrab zerstört. In demselben standen 2 Urnen welche jedoch zerbrachen. Außerdem fanden sich folgende Alterthümer aus Bronze:

1 gewundener Kopfring, zerbrochen;
2 Armringe;
1 "Hütchen";
verschiedene kleine Bronzegeräthe.

Diese Alterthümer sind in den Besitz des Herrn Dr. Wiechmann zu Kadow, nach dessen Mittheilungen der vorstehende Bericht abgefaßt ist, übergegangen.

Bei dem Bau der Chausseen von Parchim nach Sternberg und Putlitz und von Goldberg nach Crivitz, also in der südlichen Mitte des Landes, sind viele Kegelgräber zerstört, welche alle fast denselben Inhalt von Bronzegeräthen hatten, so daß ein Grab fast alle andern repräsentiren kann.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Woserin.

Bei dem Bau der Chaussee von Sternberg=Dabel nach Dobbertin sind im Jahre 1870 auch auf der Feldmark von Woserin bei Sternberg viele Kegelgräber aufgebrochen. Nach den Mittheilungen der Frau Schultz, geb. v. Blücher, zu Woserin sind von den in diesen Gräbern gefundenen Alterthümern 2 Urnen erhalten.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Dabel.

Auf dem Felde von Dabel bei Sternberg, wo schon früher wiederholt Kegelgräber schöne Ausbeute gegeben haben, wurde beim Bau der Sternberg=Parchimschen Chaussee 4 Fuß tief, also wohl ohne Zweifel in einem Kegelgrabe, ein Paar sogenannter Handbergen (Armringe mit zwei großen Spiralplatten) aus Bronze von vorzüglicher Beschaffenheit gefunden, wie sie im Friderico-Francisceum Taf. IV, und in Jahrb. IX, S. 320, abgebildet sind. Beide Stücke sind vollständig, sehr gut erhalten und mit tiefem, glänzendem edlen Rost bedeckt. Ein Stück ist jedoch ein Mal, das andere zwei Male im Bügel zerbrochen. Diese Brüche sind alt, wie alle Bruchflächen beweisen, welche ebenfalls gerostet sind. Die Stücke sind von dem Herrn Ingenieur Wehner beim Chausseebau erworben und durch den Herrn Senator Beyer zu Parchim eingesandt.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Borkow.

Beim Bau der Chaussee von Sternberg nach Dobbertin ward im Jahre 1871 beim Steinbrechen eine thönerne Urne von ungefähr 20 Centim. Höhe gefunden, welche jedoch beim Ausgraben völlig zerfiel. Die Urne war mit zerbrannten Knochen, Asche und Sand gefüllt. Auf dem Boden der Urne lag ein kleiner Doppelknopf von Bronze ohne allen Rost. Die obere Platte des Knopfes, 13 Millim. im Durchmesser, ist glatt; die untere Platte besteht aus zwei kleinen Platten, jede von 7 Millim. Durchmesser, welche nach

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Art der Spiralwindungen im Relief verziert sind. Eingesandt vom Herrn Chausseebau=Ingenieur Wehner.

G. C. F. Lisch.     

Zu Borkow bei Sternberg ward ferner in der Erde, ohne Grabhügel, eine Lanzenspitze oder Dolchklinge, mit kurzer Schaftzunge, 6 Zoll lang, von Bronze mit hellgrünem edlen Rost, gefunden und von dem Herrn Senator Beyer zu Parchim geschenkt.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab und Begräbnißplatz von Karbow.

Beim "Steinausgraben" auf einer an der Westseite des Domanialdorfes Karbow, bei Plau und Lübz, belegenen Hufe wurden mehrere bronzene Alterthümer gefunden und von dem Großherzoglichen Amte Lübz eingefordert und an die großherzoglichen Sammlungen eingesandt. Diese Alterthümer, welche ganz der Bronzezeit angehören, sind folgende:

1 Diadem mit Spiralen verziert,
1 dünner, gewundener Kopfring,
2 gleiche, massive Armringe,
10 sogenannte Hütchen, und
1 lange Nadel (oder Stachel), 18 Zoll lang, mit großem Knopf, in mehrere Stücke zerbrochen. (Vgl. über diese langen Nadeln (oder Treibstecken) Jahrbücher XXXIII, S. 125 flgd.)

Die meisten Gegenstände deuten auf ein Frauengrab. Die großen "Nadeln" scheinen Geräthe für Männer gewesen zu sein. Doch läßt sich nicht mehr ermitteln, ob die hier aufgeführten Alterthümer aus einem oder mehreren Gräbern stammen.

Dabei berichtet das großherzogliche Amt, daß sich auf der gedachten Hufe noch eine Menge mit etwa 2 Fuß hoch Erde bedeckter Steinhaufen in einem Kreise von etwa 200 Fuß befinden (Begräbnißplatz der Bronzezeit), und

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daß der frühere Pastor Ritter zu Vietlübbe (an Karbow grenzend) vor Jahren ähnliche Gegenstände auf der erwähnten Hufe ausgegraben hat. Dies werden die Kegelgräber von Vietlübbe (Jahrb. IX, S. 379 flgd., XI. S. 391 flgd. und XII, S. 372) oder von Retzow (Jahrb. IX, S. 381 und XI. S. 384 flgd.) sein, da Ritter in der dortigen Gegend früher viel gegraben hat. Von Kegelgräbern zu Karbow ist in den Jahrbüchern noch nicht die Rede gewesen.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgrab von Darze.

Zu Darze bei Parchim, in den Tannen neben der Schmiede und dem Kruge, am Mühlbach und am Wege nach Stralendorf, ward beim Bau der Chaussee von Parchim nach Sternberg im Jahre 1869 ein Kegelgrab abgetragen, welches schon zerstört war. Im Jahre 1868 waren zum Chausseebau alle Steine herausgeholt. Beim darauf folgenden Ebenen des Platzes zeigte sich, daß die Urne mit den Resten des verbrannten Leichnams unangerührt geblieben war. Die Urne ist hellbraun, vollkommen im Charakter der Urnen der Bronzezeit und 9 Zoll hoch; sie hat einen engen Hals und 2 kleine Henkelchen oder Oehren auf dem Bauchrande und gleicht an Gestalt ganz der in Jahrb. XI. S. 362, Nr. 1, abgebildeten Urne. Die zerbrannten Knochen in der Urne, namentlich vom Schädel und Gelenken, sind noch sehr dünne und fein, so daß das Grab einem noch ganz jungen, nicht ausgewachsenen Menschen angehört hat. Der Herr Senator Beyer zu Parchim hat diese Urne, welche vollständig wieder zusammen gesetzt werden konnte, gerettet und den Schweriner Sammlungen zugewandt.

In der abgetragenen Erde, und bestimmt nicht in der Urne, fanden sich einige Gegenstände, welche sehr auffällig sind, aber sicher nicht zu der bestatteten Leiche gehören und einer viel jüngeren Zeit angehören. Diese Gegenstände sind folgende:

1) Eine halbmondförmig gebogene, platte, oben durch Querreifen verzierte Bronzestange von 2 1/2 Zoll Länge, ohne Rost(!). Das Bruchstück sieht aus wie ein Stück aus der Spirale einer sogenannten Handberge und ist an einem

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Ende schräge durchschnitten und zugespitzt, scheinbar gefeilt. Diese Bearbeitung des Bruchstücks fällt offenbar in eine jüngere Zeit und gehört nicht zu dem Grabe, da es in diesem hätte gerostet sein müssen.

2) Eine schlanke eiserne Pfeilspitze, mit wenig Rost, welche offenbar dem Mittelalter angehört.

3) Eine heidnische Urnenscherbe, welche wohl dem Kegelgrabe, aber nicht der oben aufgeführten Urne angehört. Wahrscheinlich haben also zwei Urnen in dem Grabe gestanden.

Wenn auf diese Sachen auch kein Gewicht zu legen ist, so werden sie hier doch aus Gewissenhaftigkeit genannt; es ist um so weniger Gewicht darauf zu legen, als die Nachrichten nur von den Arbeitern stammen.

G. C. F. Lisch.     


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Kegelgräber von Rövershagen.

Im Hinrichshäger Revier der Stadt Rostock, auf dem sogenannten Hamannshau (Abtheilung 24), zur Zeit mit 40= bis 80 jährigen Eichen bestanden, ungefähr 50 Ruthen östlich vom Fesselbrandswege und etwa 500 Ruthen von der Ostsee, über deren Spiegel der Platz ungefähr 11 Fuß erhaben liegt, ward der dortige Jäger, welcher im Wege liegende Steine entfernen wollte, darauf aufmerksam, daß dieselben mit anderen einen Kreis bildeten. Auf Veranlassung des Herrn Forstinspectors ward nun die Stelle näher untersucht. Es fanden sich drei Steinkreise, die im Durchmesser 21 Fuß hielten, dicht neben einander in der Richtung von Westen nach Osten. Die umgebenden Steine, einer, und wo dieselben kleiner waren, zwei auseinander, lagen 1 bis 2 Fuß unter dem Boden, der aus einer ungefähr 1 Fuß starken sandigen Humusschicht, darauf aus brauner, verkohlter Humuserde, dann aus hellem Sande besteht. In der Mitte des mittleren Kreises fanden sich 4 Fuß unter der Erde drei Urnen. Dieselben standen jede auf flachen Steinen, waren mit andern umstellt, auf welchen ein flacher Deckstein lag. Zwei der Urnen waren gänzlich zertrümmert, die dritte ward stark beschädigt geborgen und entsprach in dem untern Theile - der obere fehlte - der in Jahrb. XI. S. 362, Nr. 2

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abgebildeten Urne, doch ließ sich an einer kleinen am Bauchrande noch vorhandenen Erhöhung nicht erkennen, ob da ein durchbohrtes Knötchen gesessen hatte. Sie war aus rothem, mit mäßig grobem Steingrus vermengtem Thon gearbeitet und, so viel vorhanden, fast 3/4 bis 1 Fuß hoch. Verzierungen fehlten gänzlich. Im Innern fanden sich Knochenreste mit Erde und Wurzelfasern vermischt. Bei Entfernung derselben zerfiel auch diese Urne trotz aller Vorsicht in Scherben. In den beiden andern Steinkreisen ward bei der eifrigsten Nachforschung nichts gefunden.

Rövershagen.

Dolberg.     

 

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d. Eisenzeit.


Begräbnißplatz von Hohen=Viecheln.

Zu Hohen=Viecheln, am Nordende des großen Schweriner Sees, waren im Herbste 1872 Wegearbeiter am rechten Ufer des "Schiffgrabens", wo die Landstraße zwischen Grevesmühlen und Warin beinahe die Höhe erreicht und dieselbe von dem "Graben" schräge durchschnitten wird, mit Grabungen beschäftigt. Bei der Arbeit fanden sie unter der Erdoberfläche eine Reihe von Urnen, welche in Zwischenräumen von ungefähr 9 Fuß neben einander gestanden hatten. Auf die Nachricht von dem Funde begaben sich die Herren Oberforstmeister Plüschow und Dr. Crull zu Wismar bald an Ort und Stelle. Leider fanden sie nichts mehr vor, als einige Urnenscherben und zerbrannte Knochen, so wie einen Spindelstein, welchen ihnen der Herr Förster Schröder zu Mödentin übergab.

So sehr geringe nun die Ausbeute ist, so ist die Entdeckung dieses Platzes wegen der nach heidnischer Weise bearbeiteten Urnenscherben doch nicht zu verachten. Mehrere Scherben stammen von roh gearbeiteten, dickwandigen braunen Urnen, andere von feinen schwarzen Gefäßen. Besonders wichtig sind aber mehrere Scherben von glänzend schwarzen Gefäßen, welche mit verschiedenartigen Punktlinien verziert sind. Der Begräbnißplatz gehört also ohne Zweifel denjenigen Plätzen der ersten Eisenzeit an, welche in den Jahrbüchern oft und zuletzt XXXVII, S. 237, besprochen sind, und in welche auch die römischen Alterthümer in Meklenburg fallen. Der Begräbnißplatz von Hohen=Viecheln hat also dieselbe Beschaffenheit wie der Begräbnißplatz auf dem ganz nahe gelegenen Landgute Neu=Stieten; vergl. Jahrb. XXXIII. S. 139.

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Der Spindelstein ist ungewöhnlich groß, 4 1/2 Centim. im Durchmesser, von Thonstein und auf den breiten Flächen mit concentrischen Kreisen und am Rande mit Schrägestrichen verziert.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbniß= oder Wohnplatz von Lübow.

Im Jahre 1861 ward zwischen Lübow und Kletzin bei Wismar durch einen Arbeiter eine Sandgrube zugeworfen. Bei dieser Arbeit fand derselbe mehrere Alterthümer, von denen die folgenden durch den ehemaligen Unterofficier Büsch zu Wismar erworben und dem Verein geschenkt sind.

Zuerst sind mehrere thönerne Urnenscherben aus der altern Eisenperiode zu bemerken. Eine dunkelbraune Scherbe ist mit Punktlinien in Mäanderform verziert und deutet auf einen heidnischen Begräbnißplatz aus der ältern Eisenzeit, da bisher nur auf Begräbnißplätzen an Urnen solche Verzierungen bemerkt sind. Eine andere Scherbe ist ein Rand= und Seitenstück, dessen Wand mit Löchern durchbohrt ist, also eine Art Sieb oder Trichter, welcher dem zu Klaber gefundenen und in Jahrb. XIV, S. 341 abgebildeten, sehr seltenen Geräthe gleich gewesen sein muß; dieses Geräth, so wie der Fuß eines Kruges, deuten auf einen heidnischen Wohnplatz. Auch auf einem ähnlichen Platze zu Hinter=Wendorf ist ein Randstück eines Gefäßes gefunden, dessen Wandung von Löchern durchbohrt ist. Zwei andere Scherben von verschiedenen Gefäßen lassen keine genaue Bestimmung zu. Eine sechste Scherbe ist ein Randstück von einem Topfe aus blaugrauem Thon aus dem christlichen Mittelalter, vielleicht aus dem 13. Jahrhundert.

Außerdem ward eine Bronzenadel gefunden und gerettet. Diese Nadel ist 10 Zoll lang, hat Oben zur Verzierung eine Scheibe von 3 Zoll Durchmesser, welche genau in der Gestalt eines vierspeichigen Rades durchbrochen ist, und oben auf diesem Rade ein Oehr. Diese Nadel ist also andern ähnlichen Nadeln gleich, ist jedoch in der Form und Verzierung etwas unregelmäßig und leichtfertig gearbeitet, gewiß nicht so sauber, wie die Geräthe der reinen Bronzezeit. Diese Nadel ist dadurch merkwürdig, daß dergleichen, wenn der Platz wirklich aus der Eisenperiode stammen sollte, diese Nadeln und deren Verzierung aus der Bronzezeit in die Eisenzeit hinübergehen würden.

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Außerdem ward ein geflochtener Ring von Bronzedrath, welcher auf einen sehr starken Finger paßte, und ein Stück gelbliches Metall in Form eines verzierten Dreiecks, welches an den Spitzen mit Löchern versehen war, gefunden; beide Stücke sind aber durch Kinder verspielt.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbnißplatz von Bartelsdorf.
Nachtrag zu Jahrb. XXVIII, S. 301 flgd.

Der merkwürdige Begräbnißplatz von Bartelsdorf bei Rostock hat seit der letzten Lieferung im Jahre 1863 bis in den Monat Julii 1864 nur einige zerfallene Menschengebeine und ein eisernes Messer geliefert.

Im Julii 1864.

G. C. F. Lisch.     

Der große Begräbnißplatz von Bartelsdorf, welcher seit dem Jahre 1863 in den Jahrbüchern (XXVIII, S. 301 flgd.) zur Untersuchung und Behandlung gezogen ist, scheint jetzt ausgebeutet zu sein, da seit einem Jahre nichts mehr gefunden ist. Freilich sind andere Arbeiter eingetreten, welche andere Stellen zur Ausgrabung von Sand in Angriff genommen haben, als die früheren; es ist aber nach der Versicherung derselben nirgends eine Spur von Alterthümern mehr gefunden.

Im August 1865.

G. C. F. Lisch.     

Der Herr Maler W. Gähte schenkte am Ende des Jahres 1868 dem Vereine den bronzenen Kopfring, welcher vor mehreren Jahren auf dem oft besprochenen Begräbnißplatze von Bartelsdorf bei Rostock gefunden und, für die ungefähre Zeitbestimmung sehr wichtig, in den Jahrbüchern XXVIII, S. 305, und hier wieder abgebildet ist.

bronzener Kopfring

G. C. F. Lisch.     

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Im Jahrb. XXVIII, S. 303, ist die Beobachtung mitgetheilt, daß die begrabenen, ohne Zweifel aus dem Anfange des Christenthums stammenden Leichen zu Bartelsdorf alle einen Stein auf der Brust, und auch auf den Knieen, liegen hatten. Dieselbe Erscheinung beobachtete auch Herr Ritter im Wendenkirchhofe zu Helm, in welchem er neben vielen verbrannten Leichen auch zwei unverbrannte Leichen in Särgen fand, denen ein Stein auf die Brust gelegt war (vgl. Jahresbericht IV, S. 46). Auch die Alterthümer dieser Leichen gleichen denen von Bartelsdorf. Beide werden ungefähr aus derselben Zeit stammen.

G. C. F. Lisch.     


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Glasperle von Dämelow.

Zu Dämelow bei Kleinen (oder Brüel) fand der Besitzer des Gutes, Herr von Storch, an verschiedenen Stellen seines Feldes mehrere kleine, runde, einfarbige, hellblaue Glasperlen, von denen er die eine noch erhaltene, durch Vermittelung des Lieutenants Rettich zu Schwerin, dem Vereine schenkte. Diese Perle ist auch auf der Oberfläche eines Torfmoors gefunden; eine andere gleiche fand sich in der Nähe des Schwarzen Sees nach Rubow hin, ist aber verloren gegangen. Die Perle, gegen 1 Centim. im Durchmesser, ist sehr schön von Farbe und Arbeit und nach allen Zeichen römischen Ursprunges. Dies ist um so wahrscheinlicher, als Dämelow nur ungefähr eine Stunde von Häven entfernt ist, wo bekanntlich viele römische Alterthümer in Gräbern gefunden sind. Diese Perlen von Dämelow werden also wahrscheinlich durch die Leute, welche zu Häven begraben sind, verbreitet sein.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbnißplatz von Roggow.

Zu Roggow bei Teterow, ungefähr 120 Ruthen östlich vom Hofe und 40 Ruthen links vom Wege nach Wotrum, auf der Spitze einer Erdzunge, genannt der Kleine Werder, zwischen dem sogenannten Kleinen See und der Pumpwiese, wurden, nach der Mittheilung des Herrn Pogge auf Pölitz, auf einer sandigen Stelle von 16 bis 20 Quadratruthen ungefähr 1 Fuß tief unter der Erdoberfläche beim Bekarren einer

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Wiese ungefähr 30 mit "Asche" gefüllte Urnen gefunden, welche einzeln in der Erde standen, aber beim Abgraben der Erde sogleich zerfielen. - Ohne Zweifel war diese Stelle ein Begräbnißplatz aus der Eisenzeit.

G. C. F. Lisch.     


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Begräbnißplatz von Jaëbitz.

Auf dem Felde von Jaëbitz bei Plau wurden, nach der Mittheilung des Herrn Pogge auf Pölitz, ungefähr 60 Ruthen östlich vom Hofe auf einem ungefähr 8 Fuß über die umgebenden Niederungen erhöheten Sandfelde beim Aufwerfen von Wällen eine Menge von Urnenscherben gefunden, welche ungefähr 1 Fuß unter der Erdoberfläche lagen, alle niedergedrückt waren und eine Schicht von ungefähr 1/2 Fuß Mächtigkeit bildeten. Wahrscheinlich ist dies eine Begräbnißstelle aus der Eisenzeit gewesen. Die Scherben waren mit Steingrus durchknetet. Neben denselben lag graue, aschenartige Erde.

G. C. F. Lisch.     

 

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e. Römergräber.


Römische Gräber im Norden.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D ie Entdeckung der "Römergräber" von Häven in Meklenburg (Jahrb. XXXV, 1870, S. 99 flgd.) wird ohne Zweifel einen großen Einfluß auf die Beurtheilung der Grabalterthümer im mittleren Nordeuropa ausüben, und hat ihn zum Theil schon ausgeübt. In den Jahrb. XXXVII, 1872, S. 241 flgd., ist nachgewiesen, daß sich auch auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland und Fühnen, sehr viele römische Alterthümer finden, welche wahrscheinlich alle zu römischen Gräbern gehören, wenn auch die Aufgrabungen nicht immer vollständig erforscht sind.

In den neuesten Zeiten sind wieder sehr großartige Entdeckungen gemacht, welche die Forschung und Erkenntniß bedeutend fördern werden, und zwar nicht allein auf Seeland, sondern auch sogar im schwedischen Schonen und auf Bornholm.


Römisches Grab von Vallöby auf Seeland.

In den Jahrb. XXXVII, S. 249, ist ein seltener Fund von meist römischen Alterthümern beschrieben, welcher im Spätsommer 1871 zu Vallöby bei Kjöge im Amte Prästö, auf Seeland, gemacht ward. Diese Alterthümer waren: ein rothes, sogenanntes samisches Thongefäß mit erhabenen Figuren, Bruchstücke von zwei großen Bronzegefäßen, einer Kelle und einem Siebe, drei Brettsteine von weißem Glase und zwei silberne Becher mit vergoldeten Ornamenten und "barbarischen Figuren".

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Eine fortgesetzte neuere Aufgrabung hat ergeben, daß diese Sachen in einer kleinen Abtheilung eines größeren Grabes gestanden hatten, welches bis zur Aufdeckung unberührt geblieben war. Im Spätsommer 1872 fand Professor Engelhardt dieses Grab und deckte es auf; die Beschreibung ist vorläufig mitgetheilt in der dänischen Zeitung Fädrelandet, 1872, No. 228, October 1. Engelhardt fand in einer Tiefe von 6 Fuß unter der Oberfläche der natürlichen Erderhöhung eine Grabkiste, welche von kleinen Feldsteinen aufgebauet war und in der Richtung von Nord nach Süd lag, also ganz wie in Häven. Der innere Raum des Grabes war 7 1/2 Fuß lang und 2 Fuß breit; in demselben lag eine unverbrannte bekleidete Leiche. An der rechten Seite der Füße der Leiche standen 4 große Bronze=Gefäße oder Eimer, und ein schwarzes Thongefäß; in dem einem Gefäße lagen Vogelknochen. Am Kopfende lagen zur rechten Seite 2 silberne Hefteln mit verzierter Goldbelegung. In der Mitte des Grabes an den linken Seiten lagen 60 runde Dammbrettsteine ("Brikker"), zur einen Hälfte von durchsichtigem dunkelrothem, zur andern Hälfte von weißem Glase. An der rechten Seite lag ein prächtiges Armband von feinem Ducatengold und 3 Fingerringe von verziertem Golde, zusammen 255 dänische Riksdaler an Werth. Endlich fanden sich am südöstlichen Ende des Grabes noch 40 schwarze und weiße Dammbrettsteine, wie die oben erwähnten.

Am Kopfende der Leiche war eine besondere Grababtheilung von 1 1/2 Fuß Länge, in welcher wahrscheinlich im Jahre 1871 die oben beschriebenen Sachen und jetzt noch die Bruchstücke von 2 "halbrömischen" Glasgefäßen und einem dünnen Bronzegefäße gefunden wurden.

Engelhardt schreibt die Gräber dieser Art dem ältern Eisenalter und dem 3. Jahrhundert n. Chr. und einer reichen und mächtigen Bevölkerung zu, die im Besitze einer Menge "halbrömischer" Gegenstände war, welche, neben einer nicht geringen "nationalen Cultur", Handelsartikel bildeten. Ich möchte aber Gräber dieser Art für "ganz römische" halten, da Skelete, Bestattungsweise und Mitgaben dafür reden, während die Zahl der Mitgaben von nationaler Cultur gegen die römischen verschwindend klein ist.

Man vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 7.


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Römische Altertümer von Schonen.

Auch im südlichen Schweden, in Schonen, sind Gräber mit römischen Alterthümern vorhanden. Nach des Herrn Dr. Hans Hildebrand zu Stockholm brieflicher Mittheilung fand in dem Fischerdorfe Abbekas westlich von Ystad im Jahre 1872 ein Bauer beim Pflügen folgende Gegenstande, welche von der Schwedischen Akademie für das Staats=Museum angekauft sind:

ein großes, fast kesselförmiges Gefäß aus Bronze mit zwei Henkeln, römische Arbeit oder im Süden angefertigte Imitation eines römischen Originals;

eine Kelle mit Sieb darin, von Bronze, römisch;

zwei gleiche Glasbecher mit eingeschliffenen Reifen und Halbkugeln, römisch;

Reste von einem eisernen Ringpanzer und von eisernen Waffen;

zwei thönerne Töpfe, Bruchstücke;

gebrannte Knochen; feines Zeug.

Die Nachricht ist auch vorläufig veröffentlicht in Kongl. Vitterhets Historie och Antiquitets Akademiens Månadsblad, 1872, October, Nr. 10, p. 159.

Die bronzenen und gläsernen Sachen stimmen offenbar mit den dänischen und meklenburgischen überein.

Vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 7 flgd.


Römische Altertümer auf Bornholm.

In den Jahrb. XXXVII, S. 241 flgd., ist nachgewiesen, daß sich auf den dänischen Inseln, namentlich auf Seeland und Fühnen, viele römische Alterthümer finden, welche höchst wahrscheinlich zu Römergräbern gehören. Auch auf der dänischen Insel Bornholm sind in neuern Zeiten unleugbare Spuren römischen Verkehrs gefunden. Die Insel ist sehr reich an Alterthümern aus allen Perioden der Vorzeit. Der Amtmann E. Vedel zu Soroe hat sich seit mehreren Jahren eifrig damit beschäftigt, die Gräber auf der Insel Bornholm zu erforschen und besonders sehr zahlreiche Begräbnisse der Eisenzeit aufzudecken. Er giebt hierüber zuerst Nachricht in den Jahrbüchern für nordische Alterthumskunde, 1870, S. 1 flgd.

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("Aarbø for Nordisk Oldkyndighed og Historie, Kiøbenhavn").

Vedel berichtet, daß sich auf Bornholm sehr zahlreiche Begräbnißplätze der Eisenzeit finden, welche daran erkennbar sind, daß sich in geringer Tiefe unter der Erdoberfläche schwarze gebrannte Flecke ("pletter") finden, auf denen die verbrannten Leichen in Urnen und auch ohne Urnen beigegesetzt sind. Die eisernen Alterthümer sind denen in Norddeutschland gleich. Vedel nennt diese Begräbnisse Brandflecke (brandpletter) oder Brandgräber. Diese Gräber sind also ohne Zweifel die heimischen Gräber der Eisenzeit in Dänemark, die bisher noch wenig beobachtet sind. Sie gleichen ganz den gleichzeitigen Begräbnissen in Meklenburg. Vedel theilt sie nach verschiedenen Erscheinungen in mehrere, auch zeitlich verschiedenen Klassen, jedoch wie es scheint etwas zu scharf.

Auf die Beschreibung dieser Begräbnisse kommt es hier so sehr nicht an, um so mehr da sie hier zu weit führen würde. Dagegen hat Vedel in neuern Zeiten bei diesen Brandgräbern oder Brandgruben, welche immer "innerhalb des altern Eisenalters liegen", zahlreiche "brandlose Gräber" ("ubraeudte grave") entdeckt, in denen die reichen unverbrannt beigesetzt sind. Diese Gräber, welche namentlich bei Kannikegaard auf der südlichen Spitze der Insel zahlreich vorkommen, sind den Römergräbern von Häven sehr ähnlich, vielleicht gleich, und bieten in Vergleichung mit diesen manche höchst merkwürdige Erscheinung. Vedel hat genaue Beschreibungen mit Abbildungen geliefert in Aarbøger etc., 1872, p. 61 flgd. Die Leichen liegen ungefähr 2 Ellen unter der Erdoberfläche; einige liegen in Steinkisten, einige in Sandgruben, welche mitunter mit kantigen Steinen zugedeckt sind. Der Kopf der Leiche liegt allemal im Norden, so daß die Leiche gerade nach Süden geschauet hat. Alles dies stimmt mit der Bestattungsweise in Häven überein. Die brandlosen Gräber auf Bornholm liegen sehr selten innerhalb einer Brandgräbergruppe, sondern entweder gerade am Rande derselben, wie in Meklenburg zu Börzow (Jahrb. XXXVII, S. 224), oder ganz außerhalb, und zwar in Reihen von Osten nach Westen in der Richtung von Norden nach Süden, gerade wie zu Häven.

Ueberraschend übereinstimmend sind aber die sonst seltenen Alterthümer, welche sich dort wie hier finden. In den brandlosen Gräbern auf Bornholm finden sich auch eiserne Alterthümer, z. B. Schwerter, Beile, Messer u. s. w., welche

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in den andern bisher bekannt gewordenen Römergräbern noch nicht beobachtet, aber den gleichen Geräthen der gleichzeitigen einheimischen Eisenzeit gleich sind. Wichtiger sind die Schmuckgegenstände, welche auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Süden deuten. Es sind zahlreiche schöne Hefteln von Bronze und von Silber gefunden, auch mit Verzierungsplatten belegt (Taf. 5, Fig. 11, und Taf. 8, Fig. 2), wie die Hefteln von Häven (vgl. Jahrb. XXXV, Taf. 2, Fig. 22-24). Höchst merkwürdig ist die neue, seltene Heftel von Bronze mit Silber belegt (Taf. 8, Fig. 1), die aus Zierplatten zusammengesetzt ist, welche denen der neu gefundenen silbernen Hefteln von Häven (abgebildet Jahrb. XXXVII, S. 212) völlig gleichen und von demselben Künstler gearbeit sein müssen. Der silberne Halsring von Kannikegaard (Taf. 7, Fig. 4) stimmt in der eigenthümlichen Form des Schlusses ganz mit dem silbernen Halsringe von Häven überein (Jahrb. XXXV, Taf. 2, Fig. 21).

Besonders reich sind die Bornholmer Gräber an gefärbtem und eingelegtem Glas, wie die Gräber von Häven. Es finden sich lange Perlenschnüre und einzelne Perlen von gefärbtem und Mosaik=Glas, in Kugel= und in Stangenform. Auffallend sind die Mosaikperlen mit Sternmuster (Taf. 7, Fig. 8), welche denen von Häven (Jahrb. a. a. O. Taf. 1, Fig. 9-10) völlig gleich sind und aus derselben Werkstätte stammen müssen, sowie auch die gereifelten Perlen (Jahrb. Taf. I., Fig. 11). Höchst merkwürdig ist die genaue Uebereinstimmung der seltenen beutel= oder birnenförmigen Bernsteinbommeln von Kannikegaard (Taf. 8., Fig. 8) und von Häven (Jahrb. Taf. 1, Fig. 14); auf Seeland sind ebenfalls dieselben Bommeln gefunden. Auch ein kleines hölzernes Eimer mit 4 Bronzebändern (Taf. 8, Fig. 4) ist zu Kannikegaard gefunden, wie zu Häven (Jahrb. Taf. 2, Fig. 16). Auch die auf Bornholm in den brandlosen Gräbern gefundenen thönernen Urnen gleichen den Urnen der ersten Eisenzeit im nördlichen Deutschland, jedoch fehlen dort auch die Norddeutschland eigenthümlichen Urnen mit mäanderartigen Verzierungen aus Punktlinien.

Nach allen diesen Uebereinstimmungen wird man nicht leugnen können, daß sich wenigstens eine mittelbare römische Cultur auch über Bornholm erstreckt hat, welche höchst wahrscheinlich ihren Weg über Norddeutschland genommen hat. Mit der Zeit und bei geschärfterer Beobachtung werden sich ohne Zweifel noch mehr Zeugnisse finden. (Nach

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brieflichen Mittheilungen hat der Amtmann Vedel im Sommer 1872 seine Forschungen auf Bornholm fortgesetzt.)

Schon früher sind auf Bornholm oft römische Alterthümer gefunden, namentlich viele römische Münzen, auch Schmucksachen von Gold und Glas. Vgl. Engelhardt Nydam Mosefund, Kjöbenhaven, 1865, p. 51 - 52.


Grab von Farmen Gaard in Norwegen.

"Auch in Norwegen mehren sich die Funde römischer Alterthümer mit jedem Jahre und zeigen uns, wie weit die Producte einer classischen Cultur, die nachweisbar großen Einfluß auf die unserige geübt, nach dem Norden hinaufgekommen sind." Im Sommer 1872 ward zu Farmen Gaard, in der Pfarre Vangs, in Hedemarken, am Mjösen=See, in einem Hügelgrabe ("tumulus") ein schönes, höchst merkwürdiges, mit zerbrannten Menschenknochen gefülltes römisches Bronzegefäß gefunden, dessen römischer Ursprung durch eine lateinische Inschrift verbürgt ist.

Vgl. auch die Nachricht im Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 1873, Jan., Nr. 1, S. 8.

Dieses seltene Denkmal, welches zusammen mit einem zweiten Bronze=Gefäß gefunden ist, befindet sich in der Privat=Sammlung des eifrigen Sammlers und Forschers A. Lorange zu Frederikshald in Norwegen.

Die Bronze=Urne hat ungefähr die Formen von großen thönernen Begräbnißurnen, wie sie wohl in Scandinavien vorkommen, und ist nach der von Herrn Lorange mitgetheilten Abbildung in Farbendruck ungefähr 24 Centimeter hoch.

Um den obern Bauchrand läuft eine Inschrift in großen, alten, römischen Unzial=Buchstaben, welche nach dem Farbendruck zu urtheilen von Silber eingelegt sind. Leider ist die Inschrift nicht vollständig erhalten, da das Gefäß einige Brüche hat. Was von der Inschrift nach der Abbildung noch erhalten ist lautet:

LIBERTINVS ° ET ° APRVS ° CVRATOR . . . . . VERVNT °

Leider fehlt in der Abbildung das Wort, welches klaren Aufschluß geben könnte.

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Engelhardt zu Kopenhagen nimmt folgende Lesung an:

LIBERTINVS ° ET ° APRVS ° CVRATORES ° POSVERVNT °
(Libertinus et Aprus curato[res pos]uerunt).

Vgl. Mémoires de la Société des Antiquaires du Nord pour 1872, Copenhague 1872, p. 48, Not. (Auch im Separat=Abdruck.)

Außerdem fand Herr Lorange in Hügeln vollständig bekleidete Leichen, welche mit Schmuck aus der Zeit der ersten Eisenzeit geziert waren.

"Das Gefäß von Farmen Gaard war also ursprünglich dazu bestimmt, die Asche eines Römers zu bewahren. Ob dies geschehen," oder ob das Gefäß in die Hände von Normannen gerathen und zur Bestattung eines Normannen verwandt ist, "laßt sich schwerlich bestimmen." Thatsache ist, "daß dieses Gefäß später in Norwegen seine ursprüngliche Bestimmung als Todtenurne erfüllte".

 

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II. Zur Baukunde.


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Die Ringwälle und Burgwälle.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Viel besprochen sind in neueren Zeiten die "Burgwälle", nachdem sie selbst und ihre Eigenthümlichkeiten entdeckt sind; jedoch sind sie noch nicht vollständig geordnet. Es wird aber jetzt schon möglich sein, die einzelnen Arten zu scheiden und zu bestimmen.

Die Wohnstätten, welche in Meklenburg vorherrschend, auch im Munde des Volks, "Burgwälle" ("Borgwall") genannt werden, gehören der wendischen Zeit an, und waren größten Theils Haupt= oder Gau=Burgen der slavischen Fürsten und Tempelburgen. Sie wurden alle um die Mitte des 12. Jahrhunderts bei der Eroberung der Wendenlande und der Germanisirung und Christianisirung zerstört und werden zum größeren Theile von den gleichzeitigen Schriftstellern mit Namen genannt. Sie sind sicher daran zu erkennen, daß man unter der Oberfläche große Massen von gleichartigen Topfscherben, röthlich gebrannte Lehmstücke (von den "Klehmstaken": Lehmschlag), Thierknochen, Kohlen, auch hin und wieder kleine eiserne Geräthe findet; die Topfscherben, welche noch nach heidnischer Weise aus Lehm mit Steingrus bereitet und nicht im Töpferofen gebrannt sind, haben am Gefäßrande vorherrschend Wellenlinien zur Verzierung, welche sich auch durch andere geschichtliche Gründe sicher dem 11. und 12. Jahrh. n. Chr. zuweisen lassen. In Meklenburg lassen sich diese wendischen Burgwälle jetzt auch

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an der Lage und Bauart erkennen. Die wendischen Burgwälle sind in Sümpfen oder Gewässern aus Erde künstlich ein= und aufgeschüttete Hügel, welche früher von einem Randwalle oder einer Brustwehr von etwa 5 Fuß Höhe und darüber umgeben waren, so daß die Menschen und niedrigen Hauser dahinter vor Wurfgeschossen gesichert waren. Die Befestigung erhielten sie durch ihre Lage im Sumpfe und Wasser. Viele, und vielleicht die meisten, liegen in ehemaligen Sümpfen, welche oft eine sehr bedeutende Tiefe haben, selbst über 50 Fuß, und gewöhnlich jetzt noch nicht feste Wiesen tragen, z. B. die Burgen Meklenburg, Werle, Ilow, Rostock. Andere liegen in Landseen, auf Inseln, Landzungen oder Landengen in nicht zu weiter Entfernung vom Ufer, z. B. Schwerin, Dobin, Quetzin, Teterow. Alle sind von loser Erde eingeschüttet und oft über 20 und 30 Fuß erhöhet, um auch die Erstürmung abzuwehren. Sie sind wegen der leichten Arbeit jetzt größten Theils geebnet und unter den Pflug gebracht. Die Arbeit der Aufschüttung scheint eine allgemeine Landespflicht gewesen zu sein, von der Niemand befreiet war; diese Arbeit scheint das "Burgwerk" und "Brückenwerk" gewesen zu sein ("Borgwerk, Bruckwerk"), welches in älteren Urkunden bis ins 14. Jahrh. hinein als Landesdienst häufig vorkommt. - Eben so scheint es in Neu=Vorpommern (Festland Rügen) gewesen zu sein; wenigstens haben die Burgwälle z. B. von Barth und Werder, die ich untersucht habe, dieselbe Lage, denselben Bau und dieselben Alterthümer. Auf der Insel Rügen haben sie zum Theil eine nur ähnliche Lage und sind mehr auf Höhen und festem Boden aufgeschüttet und durch höhere und steilere Randwälle gesichert, wahrscheinlich weil es hier an großen Sümpfen und Landseen fehlt.

Es giebt aber in Meklenburg auch Burgwälle, welche eine ganz andere Beschaffenheit haben, und die ich vorläufig, nach dem Vorgange der Benennung in Mittel=Deutschland, "Ringwälle" nennen will. Es wird jetzt an der Zeit sein, sie von den wendischen "Burgwällen" zu scheiden und schärfer als bisher zu beobachten. Diese Ringwälle liegen alle auf festem Erdboden und auf den höchsten Gipfeln von Höhen, welche oft sehr bedeutend sind und von denen man eine weite Aussicht hat. Die Burgräume sind geebnet und mit einem Walle auf fester Erde umgeben. Sie zeigen also grade entgegengesetzte Merkmale gegen die wendischen Burgwälle. Fast alle liegen jetzt in Wäldern. Es sind noch nicht sehr viele bekannt; es mögen in Wäldern noch viele

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unerkannt stehen. Zu den Burgen dieser Art gehören folgende: die "Hohe Burg" zu Schlemmin bei Bützow, im Walde, auf einer der größten und sehr weit sichtbaren Berghöhen des Landes (vgl. Jahrb. VII, A., S. 176); der Burgwall von Ilow bei Neu=Bukow, auf einer bedeutenden Waldhöhe an der Grenze von Madsow, verschieden von dem wendischen Burgwall tief im Sumpfe (vgl. Jahrb. VII., A., S. 167); der Burgwall von Kl.=Lukow bei Teterow (vgl. Jahrb. VII., B., S. 96); der Burgwall von Sagel bei Malchin (vgl. Jahrb. IV., B., S. 92); der Burgwall von Gr.=Görnow hoch auf dem steilen Ufer der Ober=Warnow (vgl. Jahrb. IV., B., S. 93); vielleicht der Burgwall von Wieschendorf (vgl. Jahrb. III., B., S. 180). In Meklenburg=Strelitz gehören zu diesen Ringwällen wohl gewiß die Wälle von Rülow bei Stargard auf dem "Langen Berge" (vgl. Jahrb. VI., B., S. 104 flgd.) und vielleicht die Burg Stargard, welche schon von den Wenden den wendischen Namen "Altenburg" (star-gorod) erhielt.

Auf allen diesen Burgplätzen haben sich bis jetzt keine Spuren menschlicher Ansiedelungen gefunden. Nur zu Rülow ist hart am Langen Berge ein sehr bedeutender Fund von alten Bronze=Geräthen gemacht.

Es ist die Frage, welcher Zeit diese Ringwälle, welche oft eine große Ausdehnung haben, angeboren. Nach Bau, Lage und Alterthümern sind sie nicht wendisch. Also werden sie aus einer älteren Zeit stammen, aus der Zeit einer germanischen oder keltischen Bevölkerung der Bronzezeit, worauf auch der große Bronzefund von Rülow zu deuten scheint.

Der Zweck dieser Wälle war wohl vorübergehende Zuflucht für Menschen und Vieh und Abwehr etwaniger Erstürmung in Kriegszeiten im Kampfe Mann gegen Mann. Für Festungen sind diese Ringwälle oft zu groß und zu wenig geschützt. Die wendischen Burgwälle eignen sich durch ihre Lage zu "Festungen" viel mehr.

Von sehr großem Interesse ist die Vergleichung dieser Meklenburgischen Ringwälle mit den viel besprochenen Ringwällen des Taunus=Gebirges, welche mit den Meklenburgischen in jeder Hinsicht die größte Aehnlichkeit haben. Um Homburg v. d. H., ungefähr eine Meile von der Stadt entfernt, erheben sich in einem weiten Bogen die höchsten Berge des Taunus=Gebirges, unter diesen z. B. auch die beiden höchsten Gipfel dieses Gebirges, der Feldberg und der Altkönig. Alle diese Gipfel sind von dem Homburger

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Lande und von der Ebene bis nach Frankfurt a. M. hin klar erkennbar. Auf vielen dieser isolirten Gipfel, welche das umher liegende Gebirge überragen, stehen nun alte länglich=viereckige Umwallungen, welche man Ringwälle genannt hat; sie stehen frei und beherrschen nicht allein die nächste Umgebung, sondern bieten auch eine sehr weite, großartige Uebersicht. Diese Ringwälle stehen außer allem Zusammenhange mit den Römerwällen, mit ihren Gräben und Castellen: Pfahlgraben, Limes Imperii Romani, welche eine bestimmte, geschlossene Richtung haben. Diese Nordgrenze des Römerreiches hat nicht einzelne hervorragende Gipfel verschanzt, auch nicht grade hohe Gipfel gesucht, sondern zieht über Gebirgskämme und ist dort befestigt, wo Uebergänge leicht sind, z. B. bei der berühmten römischen Saalburg bei Homburg. Diese Werke, welche einen bestimmten Grenzwall bilden, sind nach langen, weit reichenden Forschungen jetzt leicht als römische zu erkennen. Die "Ringwälle" sind aber ganz anderer Art und Schutzwehren einheimischer Völkerschaften und wahrscheinlich viel älter, als die Römerwerke.

Um mich von der Beschaffenheit der Ringwälle zu unterrichten, habe ich im Frühling 1870 zwei dieser Ringwälle besucht, auf der sogenannten Goldgrube und auf dem Altkönig, dessen Befahrung allerdings sehr schwierig und beschwerlich ist.

Im Allgemeinen geben die Reisehandbücher und Gebirgsbeschreibungen sehr übertriebene Schilderungen von den Nassauischen Ringwällen. Diese sind in der That nicht "riesenmäßige Werke aus ungeheuren Steinblöcken", nicht "Cyklopenmauern", sondern Schutzwälle, wie sie eben von Menschen ohne besondere Hülfsmittel aufgeführt werden konnten und wie sie sich auch wohl in andern Ländern finden.

Am 3. Juni 1870 befuhr ich von Homburg aus den Berg Goldgrube zunächst bei Ober=Ursel 1 ). Der Ringwall auf der Goldgrube ist einer der lehrreichsten. Dieser Ringwall ist einer der größten und ausgedehntesten und ist im Walde von Erde aufgeführt, in welcher hin und wieder größere und kleinere Steine stecken, wie sie gerade zur Hand gewesen sind. Er nimmt einen ungewöhnlich großen Raum


1) Die Beförderung zur Befahrung der Goldgrube verdanke ich dem Herrn Hof=Apotheker Rüdiger zu Hamburg v. d. H., welcher mich auch selbst in Gesellschaft des Herrn Dr. Rolle begleitet und geführt hat.
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ein, so daß er selbst von einer starken Besatzung als Festung nicht vertheidigt werden könnte, da die Festungslinie zu groß sein würde. Der Ringwall ist hoch genug, um Menschen hinter demselben zu schützen, und macht allerdings einen großen Eindruck.

Am 6. Juni 1870 befuhr ich 1 ) von Homburg aus den Altkönig, welcher der Stadt Königstein zunächst liegt. Der Ringwall auf dem jetzt kahlen Gipfel des Berges ist allerdings sehr bedeutend und mächtig, da er einen sehr weiten Umfang und an manchen Stellen eine Höhe von fast 12 Fuß hat. Aber von Cyklopenmauern ist keine Spur zu sehen. Der ganze Wall ist nämlich, weil hier Erde fehlt, ganz aus zahllosen Steintrümmern, wie sie seit dem Gebirgshervorbruch umher lagen, zusammengetragen und besteht aus lauter "tragbaren Stücken", welche alle nackt und frei sind von Erde und Pflanzenwuchs. Der Wall ist nur "eine fleißige Arbeit vieler Hände." Die Aussicht über die Vorberge und die Ebene bis zu den gegenüber streichenden Gebirgen ist weit und großartig.

Diese Nassauischen "Ringwälle" von hervorragender Bedeutung, denen die übrigen gleichen, sind nun den oben beschriebenen Mecklenburgischen Burgwällen außerordentlich ähnlich, wie z. B. der Ringwall auf der Goldgrube der Hohen Burg von Schlemmin an Lage, Bau und Größe.

Funde von irgend einer alterthümlichen oder geschichtlichen Bedeutung sind auch in den Nassauischen Ringwällen bisher nicht gemacht. Nur auf der Goldgrube sollen Kleinigkeiten gefunden sein, früher schon von einem Landgrafen, in neuern Zeiten von Privatleuten Sachen, welche im Frankfurter Geschichtsvereine vorgezeigt sind (vgl. Zeitschrift Didaskalia, 1867, Nr. 5 und 17).

Der Zweck dieser Umwallungen wird nur Zuflucht und Vertheidigung für größere Massen an Menschen und Vieh gewesen sein. Dies ist auch in neuern Zeiten wiederholt ausgesprochen.

Die Zeit der Aufführung dieser Ringwälle wird sehr weit zurückreichen. Es erscheint nicht annehmbar, daß sie zum Schütze gegen die Römer errichtet sein sollten; denn zu Festungen gegen ein so starkes und geübtes Kriegervolk, wie


1) Die Beförderung zu der sehr schwierigen Befahrung des Altkönig verdanke ich dem Herrn von Schmalkalden, großherzoglich Hessen=Darmstädtischen Oberförster, zu Homburg v. d. H., welcher mich auch selbst in Gesellschaft der Herren Lieutenants von Eckartstein und von Specht begleitete und führte.
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die Römer waren, sind die Ringwälle lange nicht stark genug. Sie scheinen germanischen Völkerschaften der Bronzezeit zugeschrieben werden zu müssen, wenn sie nicht noch älter sind. Germanisch müssen sie sein; römisch oder romanisirend sind sie sicher nicht. Vielleicht bildeten sie einst Schutzburgen auf einer Völkerscheide, von der wir jetzt keine Kunde mehr haben.

Merkwürdig bleibt aber die Aehnlichkeit mit den "Burgen" in Meklenburg. Aehnliche Wälle auf Höhen werden sich mit der Zeit bei umsichtigerer Forschung noch mehr in Deutschland finden.

Zu ganz derselben Ansicht über die Ringwälle ist auch der Oberst von Cohausen 1 ) (zuletzt in Wiesbaden) gelangt, welcher diese Wälle lange und eingehend durchforscht hat und der sicherste Gewährsmann in dieser Angelegenheit ist. Er hält die Nassauischen und anderen Ringwälle für "vorübergehende Zufluchtsorte in Zeiten der Gefahr" 2 ) und nennt sie auch "Bauernfestungen". Er kommt zu dem Ergebnisse: "Solche Zufluchtsorte waren es, welche die Bewohner der reichen Mainebene im nahen Taunus fanden, die sie sich sicherten und ausbauten auf dem Altkönig, in den Altenhöfen, in der Goldgrube, auf der Giekelsburg und noch in acht oder zehn anderen Umwallungen jenes Gebirges". Er stützt sich hiebei auf die "Gallischen Mauern" in Caesar de B. G. VII, 23 und auf die Dacischen Festungen, abgebildet auf der Trajanssäule. Cohausen nimmt aber dabei an, daß diese Taunus=Ringwälle ursprünglich anders ausgesehen haben, als jetzt, indem sie mit Balken, Bäumen und Sträuchern, die jetzt vergangen sind, steil durchgebauet und befestigt gewesen sind. Diese Annahme, daß die Ringwälle einst mit Holz durchgebauet gewesen sind, ist jetzt ziemlich allgemein in den Main= und Rheinlanden; die Wälle, wie sie jetzt beschaffen sind, würden sonst nicht zum Schutze ausgereicht haben, da sie jetzt nicht mehr hoch und steil genug sind, indem sie den mittelalter=


1) Vgl. Ringwälle und ähnliche Anlagen "im Taunus und anderwärts. Von A. von Cohausen." Braunschweig. Druckerei von George Westermann. 1861. Separat=Abdruck aus Westermann's Monatsschrift. - Vgl. auch: "Taunusführer. Herausgegeben von dem Frankfurter Taunusklub. Nr. 1. Der obere Taunus. 1870." Vgl. z. B. S. 20, 27, 35.
2) Vgl. "Alte Verschanzungen, Burgen und Stadtbefestigungen im Rheinlande und in Preußen, von A. von Cohausen", in der Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, herausgegeben von Dr. Foß, 1867, October und November.
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lichen "Landwehren" der Feldmarken mancher niederdeutschen Städte gleichen. Ueber den besonderen Zweck der Taunus=Ringwälle sind in den neuesten Forschungen auch schon Muthmaßungen aufgestellt. Schuster in seiner neuesten Schrift 1 ) glaubt nachweisen zu können, daß "die Richtung derselben sich wesentlich nach Osten wendet und wohl mit dem Kampfe von Germanen gegen weiter westlich nachdrängende Germanen zusammenhange; vielleicht aber dürfte diese östliche Richtung eher auf die letzten Kämpfe der rechtsrheinischen Kelten mit den andringenden Germanen hindeuten."

Manche Erscheinungen werden sich vielleicht mit der Zeit durch diese Vergleichungen erklären lassen. So will ich bei dieser Gelegenheit nur noch den "Baumgärtner Berg" erwähnen, welcher in der Gegend bekannt und viel genannt ist, ohne Erklärung zu finden. Auf dem Wege von Rühn nach Eickhof, in der Richtung von Bützow nach Warin, berührt man den in den Jahrbüchern oft erwähnten "classischen Boden" der heidnischen Vorzeit Meklenburgs in der Mitte des Landes (vgl. Friderico-Francisceum, Erläuterung S. 16). So wie man auf diesem Wege die Feldmark des Dorfes Baumgarten betritt, sieht man zu den Seiten nah und ferne gewaltige Kegelgräber der Bronzezeit emporragen. Wenn man sich von Bützow her dem Dorfe nähert, so glaubt man links am Wege auf einer natürlichen Erhebung ein riesenmäßiges, regelmäßiges Kegelgrab zu erkennen. Je mehr man sich aber dem Dorfe nähert und die Seite des Hügels zum Anblick gewinnt, desto mehr erkennt man die langgestreckte Gestalt desselben, so daß man annehmen muß, der Hügel habe etwas Besonderes zu bedeuten. Eine Naturbildung dieser Art würde sehr ungewöhnlich sein. Für einen Grabhügel scheint die Masse zu groß und zu lang.

Man wird zu dem Gedanken gebracht, die Anhöhe sei etwa eine burgartige Verschanzung, eine Art Wall. Ich kann diese Oertlichkeit hier nur andeutend bezeichnen und darauf aufmerksam machen; es gehört längere Zeit und Arbeit zu der Untersuchung, als mir die Umstände gegönnt haben.

Bei dieser Gelegenheit kann ich es nicht unterlassen, auf neu entdeckte Kegelgräber in dieser Gegend hinzuweisen.

Auf dem Felde von Eickhof sind viele Kegelgräber. Nicht weit westlich vom Hofe auf dem festen, hügeligen Boden


1) Vgl. "Schuster über die Heidenschanzen Deutschlands." Vgl. auch Professor Dr. J. Becker zu Frankfurt in den Heidelberger Jahrbüchern, 1871, Nr. 13, S. 207-208.
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stehen drei sehr große Kegelgräber, welche das Volk mit dem Namen "Golgatha" bezeichnet. Der Herr Pächter Seeler erzählte, daß er aus einem dieser Hügel, die er für mittelalterliche Befestigungen zu der großen Ritterburg Eickhof gehalten habe, viele Steine, die "im Kreise gelegen hätten", als Fundamentsteine habe ausbrechen lassen.

Herr Ritter auf Friedrichshöhe berichtet, daß südwestlich von Warin, eine Viertelstunde von der Stadt entfernt, an dem Fußsteige nach Tempzin und Zahrenstorf in einem Tannengehölze eine große Gruppe von Kegelgräbern liegt, von denen 7 wohl erhalten sind; zu einem, der oben abgeplattet ist, führt ein gewundener Pfad hinauf.

Der Herr Canzlei=Director a. D. von. Bülow zu Schwerin berichtet, daß bei Ruchow noch viele große Gräber stehen. In der Nähe des Hofes steht ein großes Kegelgrab von ungefähr 20 Fuß Höhe, zu dessen Spitze ein gewundener Pfad hinaufführt. Etwas weiter entfernt stehen zwei andere eben so große Kegelgräber.

 


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Der Reppin,

Burgwall bei Müeß.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Auf der Straße von Schwerin nach Crivitz bemerkt man dicht hinter dem Dorfe Müeß, vor der Fähre, ungefähr eine Meile von Schwerin, links am Ufer des Großen Schweriner Sees, eine Reihe stattlicher Buchen und Eichen, welche sich gegen die Fähre hinzieht, und im Anfange dieser langen Baumgruppe eine allein stehende bedeutende Erderhebung, welche theilweise auch mit Bäumen und Buschwerk besetzt ist. Diese Gruppe war schon längere Zeit in die Augen gefallen, jedoch ziemlich unbekannt geblieben; erst in neueren Zeiten ist derselben mehr Aufmerksamkeit zugewendet: es ist auch ein Fahrweg dahin angelegt, wenn auch noch nicht sehr geebnet; die Oberfläche des "Berges" ist zum Theil auch geebnet und am Rande mit jungen Bäumen bepflanzt. Seit dieser Zeit ist der Berg auch hin und wieder zu Lande und zu Wasser besucht und dabei in Erfahrung gebracht, daß derselbe von den Einwohnern des Dorfes Müeß , der Reppin" 1 ) genannt wird.

Die Lage des Reppins ist in vieler Hinsicht sehr merkwürdig. Das große Becken des gegen 3 deutsche Meilen langen Großen Schweriner Sees, dessen Längenlinie grade von Norden nach Süden zieht, setzt sich nach Süden hin genau in derselben Richtung eben so weit bis gegen die Stadt Neustadt und die Elde in einem weiten, ebenen und tiefen Bruch= und Wiesenthal, oft ungefähr von der Breite des Schweriner Sees fort, durch welches der aus dem See kommende Fluß "die Stör" fließt, welcher im Süden des Thales die große Bruchwaldung "die Lewitz" stark bewässert. Ohne Zweifel war dieses ganze Wiesenthal ursprünglich auch ein Wasserbecken, aber seichter als der Schweriner See. Die Ufer dieser Wiesenniederung werden


1) Das wendische Wort Repin heißt wahrscheinlich: Rübendorf, Rübeland, von dem bömischen Worte repa: Rübe. Von demselben Worte wird auch der Dorfname Repelin abgeleitet sein. Vgl. Kosegarten, Pomm. Urk.=Buch I, S. 455, Note 7.
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von festen Landhöhen und hohen Ebenen begrenzt, auf denen am rechten Rande die Dörfer Müeß, Consrade, Plate und Banzkow, am linken Rande Steinfeld, Zittlitz und Peccatel liegen.

Am südlichsten Ufer des Schweriner Sees, am rechten Ufer der Stör, liegt nun auf einem Vorsprunge das Dorf Müeß und nahe dabei, unmittelbar am Flusse, die Fähre, der Uebergang über die Stör. Das Dorf Müeß aber beherrscht das ganze südliche Ufer des Sees. Hier steht nun hart am Seeufer der Reppin, eine isolirte, schroffe Erhebung von ungefähr 50 Fuß Höhe, in der Längenrichtung von Norden nach Süden, welche von Menschenhänden aufgeworfen oder doch erhöhet ist. Die ganze Höhe ist lehmig und von Niederungen umgeben. Höchst merkwürdig ist, daß von dem Südostende des Berges sich eine schmale, niedrige, wallartige Erhebung, welche den Zugang von der Landseite bildet, bis gegen die Fähre hinzieht, deren Boden ebenfalls lehmig ist und mit schönen, hohen Buchen und Eichen besetzt ist und auch noch mit zum Reppin gehört. Merkwürdig ist es, daß dieser Wall gewissermaßen einen Riegel bildet zwischen dem See und dem Wiesenthal. Man weiß nicht, was man über die Bildung sagen soll; für ein Menschenwerk scheint der Wall zu groß zu sein, und eine Diluvialbildung erscheint hier eben so seltsam.

Was aber den Reppin noch jetzt selbst in den herrlichen Umgebungen hoch erhebt, das ist die unvergleichliche Aussicht, die sich von seinem Gipfel bietet, um so mehr, da dieselbe eine Rundsicht gewährt. Richtet man den Blick gegen Norden, so hat man vor sich den Großen See und zunächst die beiden lieblichen Inseln Kaninchenwerder und Ziegelwerder; rechts die bewaldeten Prachthöhen von Raben=Steinfeld und weiterhin Görslow bis nach Rampe hinab; links über Zippendorf und das Holz hinweg die große Seefläche, die Stadt Schwerin und den Schelfwerder; hinter sich das Wiesenthal bis über Consrade hinaus und zur einen Seite das Steinfelder Holz, zur andern das Zippendorfer Holz und das Buchholz; mitten inne das Dorf Müeß. Die Aussicht sucht ihres gleichen im Lande. Und mitten darin steht der Reppin ohne Beschränkung der Aussicht und Rundsicht.

Schon längere Zeit war der Berg der Gegenstand der Aufmerksamkeit mehrerer theilnehmender Freunde gewesen; namentlich wandten die Herren Architekt G. Stern und Secretair L. Fromm zu Schwerin ihre Aufmerksamkeit dem

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Reppin zu und brachten mir wiederholt Nachrichten und Alterthümer vom Reppin, letztere namentlich Herr Stern. Es ließ sich nicht mehr bezweifeln, daß der Reppin in alten Zeiten von Menschen bewohnt gewesen sei. Am 20. August 1870 besuchte ich denn selbst die Stelle, um die Bedeutung derselben zu erforschen. Ich gewann sehr bald die Ueberzeugung, daß der Reppin einst eine feste Wohnstätte gewesen sei, und das bildet, was wir jetzt in der Regel einen Burgwall zu nennen pflegen. Wahrscheinlich ist er von Menschenhänden künstlich aufgeführt, oder doch wenigstens erhöhet und in den Seiten geformt. Sicher bildete er in den ältesten Zeiten den festen Punkt in der Gegend von Schwerin, der als Burgwall älter sein mag, als Schwerin.

Der Reppin=Burgwall bildet in seiner Grundform ein längliches Viereck, in der Längenrichtung von Süden nach Norden, dessen Oberfläche ungefähr 80 Schritte lang und ungefähr 30 Schritte breit ist. Die Höhe mag ungefähr 50 Fuß betragen. Die Seitenwände sind im Norden und Westen und theilweise im Osten und Süden sehr steil und regelmäßig abgegraben. Von dem südlichen und östlichen Ende zieht sich der oben beschriebene Wall nach der Fähre hin, sich an den Burgwall anlehnend. Die Oberfläche ist in neueren Zeiten zum größern Theil geebnet; an der südlichen Seite senkt sie sich etwas. Der Burgwall ist zunächst umher von tiefem, wiesenartigem Gartenland, in alten Zeiten gewiß Morast, umgeben. In einiger Entfernung liegt sehr fruchtbares Gartenland und auch Ackerland.

Wenn auch die Formung des Burgwalles sicher auf ein Menschenwerk hindeutet, so fehlte es doch lange Zeit dafür an Beweisen, d. h. an Alterthümern von Menschenhand bereitet, bis es den eifrigen Nachforschungen des Herrn Architekten Stern gelang, die ersten Spuren menschlicher Thätigkeit zu entdecken; bei einem Erdauswurfe von ungefähr 3/4 Fuß Tiefe fand derselbe 3 Topfscherben aus der letzten heidnischen Zeit, und bei fortgesetzter Aufmerksamkeit "neben" dem Reppin eine zur Beurtheilung schon genügende Anzahl von Alterthümern. Es würde freilich eine größere Anzahl derselben willkommen sein; dazu würde aber eine umfängliche und tiefe Nachgrabung erforderlich werden. Zu einer ungefähren Uebersicht und zur Vorbereitung mag das jetzt Vorhandene schon ausreichen.

Der Burgwall Reppin ist freilich etwas abweichend, denn er liegt nicht ganz in weitem, tiefem Moor, wie gewöhnlich die wendischen Burgwälle; seine näheren Umgebung sind

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schon mehr culturfähig. Nach den aufgefundenen Alterthümern scheint der Reppin nicht allein zur wendischen Zeit, sondern zu allen Zeiten der heidnischen Vorzeit bewohnt gewesen zu sein, und vielleicht am wenigsten zur wendischen Zeit, nachdem der Burgwall von Schwerin angelegt war.

Die bisher gefundenen Alterthümer von Reppin sind folgende:

1) Aus der Steinzeit.

Der Herr Architekt Stern fand neben dem Burgwall in der Tiefe:

einen kleinen Keil aus hellgrauem Feuerstein, 3 Zoll lang, mit spitziger Bahn und scharfen Seitenrändern, nur an der Schneide geschliffen, wohl der ältesten Zeit angehörend;

einen halben Keil aus hellgrauem Thonstein, zerbrochen, nur in dem Beilende 3 Zoll lang vorhanden;

zwei von Natur beilartig geformte Steine, 3 Zoll lang, wohl zu Beilen gebraucht;

einen langen, schmalen Schleifstein aus Talkschiefer, wie es scheint, 9 Zoll lang und 1 1/2 Zoll breit, auf einer Seite ganz glatt abgeschliffen, wie solche Steine schon früher in Meklenburg beobachtet sind;

mehrere Scherben von dickwandigen Wirthschaftstöpfen;

eine kleine Scherbe von einem Topfe oder einer Urne, mit Strichverzierungen, 1 1/2 Zoll hoch und 2 Zoll breit. Dieses Bruchstück ist sehr merkwürdig, da es grade eine Gruppe von senkrechten Strichen enthält, ganz gleich denen, mit welchen die Urnen der Steinhäuser der Steinzeit verziert sind. Die vorhandenen 9 senkrechten Striche sind mit einem spitzen Werkzeuge stichweise, d. h. in kurzen Stichen, regelmäßig eingedrückt, wie die in Jahrb. X, S. 258, abgebildeten Strichverzierungen auf Urnen aus dem großen Steingrabe von Prieschendorf. Dieses kleine Bruchstück ist ebenfalls ein sicheres Zeichen einer sehr alten Zeit.

Ich selbst fand in kurzer Zeit in der Oberfläche des Burgwalles 8 mehr und minder große Splitter und Kerne von Feuersteinen, welche ohne Zweifel von Menschenhand bearbeitet sind und der ersten Steinzeit angehören werden, so z. B. ein starkes, dreiseitiges, spitziges, gespaltenes Messer, 4 Zoll lang, augensichtlich von Menschenhand abgesplittert und gebraucht, ferner einen sogenannten "Schraper", 2 1/2 Zoll lang; an den meisten Stücken läßt sich noch der Schlagansatz von der Verfertigung erkennen.

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Der Herr Oberzoll=Director Oldenburg und der Herr Baumeister Luckow, welche die Stelle im Sommer 1871 theilnehmend besuchten, fanden auf der Oberfläche sehr bald 6 durch Menschenhand abgespaltete Feuersteinspäne, unter denselben ein regelmäßiges Spanmesser mit Schlagansatz.

2) Aus der Bronzezeit.

Der Herr Architekt Stern fand neben dem Burgwall in der Tiefe mehrere große Randstücke von Töpfen oder Urnen mit fein geschlämmtem, dunkelbraunem Ueberzug, ganz so, wie sie häufig in den Kegelgräbern der Bronzezeit vorkommen, und auch Scherben von dickwandigen Wirthschaftstöpfen. Diese Bruchstücke gleichen genau den auf dem Wohnplatze aus der sicher nachgewiesenen Bronzezeit in dem benachbarten, ganz nahen Dorfe Zippendorf gefundenen Scherben (vgl. Jahrb. XXXI, S. 60 flgd.), so daß die Töpfe vielleicht aus einer und derselben Fabrik stammen.

Einige zerschlagene und gespaltene Thierknochen, welche ganz das Ansehen der bei Zippendorf gefundenen haben, werden derselben Zeit angehören.

3) Aus der Eisenzeit.

Der Herr Secretair Fromm fand auf dem Burgwalle mehrere Topfscherben, welche ohne allen Zweifel der letzten wendischen Zeit angehören, so z. B. ein Randstück mit den bekannten eingeritzten wellenförmigen Randverzierungen und ein Randstück mit eingeschnittenen Parallellinien, wie solche Verzierungen auf allen geschichtlich verbürgten Burgwällen und sonstigen Wohnstätten der letzten Wendenzeit häufig beobachtet werden. Auch Herr Architekt Stern fand in der Oberfläche in geringer Tiefe mehrere ähnliche Topfscherben.

Ein Stück von einem Henkel eines mittelalterlichen, fest gebrannten, blaugrauen Henkel= oder Wassertopfes wird in jüngern Zeiten hier zufällig verloren gegangen sein.

Aus diesen Beschreibungen wird denn wohl hervorgehen, daß der merkwürdige und schöne "Reppin" zu allen Zeiten des Heidenthums bis auf die Einführung des Christenthums von Menschen bewohnt gewesen ist.

 


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Die Burg und Vogtei Malchin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Von einem fürstlichen Burgwall in oder bei Malchin und von einer Vogtei (Land, Amt) Malchin ist seit Jahrhunderten nicht die Rede gewesen. Von dem Herrn Maler Greve zu Malchin, Mitglied des Vereins, darauf aufmerksam gemacht, daß in den weiten Wiesen bei Malchin ein geräumiges Ackerstück liege, welches noch heute der "Borgwall" genannt werde, unternahm ich mit mehreren kundigen Einwohnern der Stadt und durch deren Beförderung am 27. September 1867 eine Untersuchung dieser Stelle.

Der "Burgwall" liegt eine gute Viertelstunde südöstlich von der Stadt vor dem Mühlenthor, in den weiten Wiesen an der Obern Pene, welche aus dem See von Rittermannshagen kommt und bei Malchin in die große Pene fließt, jenseit des Flusses von der Stadt aus gesehen, und zwar, nach allgemeinen Bestimmungen, zwischen der Obern Pene und der Chaussee nach Stavenhagen, in der Gegend nach dem Hainholze hin. Er liegt nahe bei der jetzigen Schinderei 1 ), nicht weit von der Krebsmühle, an einer Stelle am Zugange nicht weit vom festen Lande, von welchem ein schmaler, fester Weg nach dem Burgwall eingeschüttet ist, sonst überall von sehr weiten, feuchten Wiesen umgeben.

Der Burgwall bildet ein großes rundliches Viereck, welcher nach wiederholten Messungen überall ungefähr 125 Schritt im Durchmesser hat und sich ungefähr 6 Fuß hoch über die Wiesenhöhe erhebt. Er ist von loser Erde künstlich eingeschüttet und erhöhet; dies beweiset schon der lose, lockere Boden, wenn man ihn betritt, da die aus lockererer Erde aufgeschütteten Burgwälle noch nirgends fest geworden sind; es ist aber auch durch Nachgrabungen erwiesen, welche überall vielerlei ganz dünne Schichten von verschiedener Erde zeigten,


1) Die hier genannte Krebsmühle beim Burgwall war ein uraltes Eigenthum der adeligen Familie von Kardorf und wahrscheinlich der Rest eines Burglehns. Am 13. Juli 1306 vermachte der Ritter Friedrich von Kardorf diese Mühle dem Kloster Dargun, wo er sich ein Familienbegräbniß erwählt hatte. Vgl. Mecklb. Urk.=B. V, Nr. 3101.
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vorherrschend aber schwarze Wiesenerde, in welcher ganz schmale Streifen Lehm lagen.

Bei den Nachforschungen haben sich bis jetzt leider noch keine Gefäßscherben gefunden. Jedoch fanden sich beim Nachgraben ganze alte Thierknochen und Bruchstücke von Thierknochen und Geweihen; auch ward in der Tiefe ein Stück ganz verrostetes und mit Erde fest überzogenes Eisen gefunden.

Nach allen angegebenen Kennzeichen, namentlich nach der großen Ausdehnung der Fläche, stammt dieser Burgwall, welcher ohne Zweifel der Landesherrschaft gehörte, aus der Heidenzeit und wird in der ersten christlichen Zeit nach der Gründung der Stadt verlassen sein.

Ohne Zweifel war der Burgwall der Sitz der Vogtei oder der Verwaltung des Landes ("terra") Malchin zur Heidenzeit. Nach der Gründung der deutschen Stadt im J. 1236 wird ohne Zweifel der Sitz der landesherrlichen Vogtei in die Stadt verlegt sein; denn die Fürsten von Werle hatten in der Stadt ein "Haus" oder Schloß. In der christlichen Zeit wird das Land Malchin ("terra Malchin") im J. 1274 zuerst (vgl. Meklenb. Urk.=Buch II. Nr. 1347, S. 500) und später wiederholt, wenn auch nur selten genannt.

Im J. 1316 kommt das Schloß zu Malchin zuerst vor, als am 23. März 1316 die Fürsten von Werle dem Könige Erich von Dänemark und dem Fürsten Heinrich von Meklenburg das "Haus, Schloß und Land Malchin" für 10,000 löthige Mark Silbers zu Pfande setzten (vgl. Mekl. Urk.=Buch VI. Nr. 3818, S. 199 u. 201). Eben so wird in dem Theilungsvertrage der Fürsten von Werle vom 2. December 1316 "Malchin Land, Haus (d. i. Schloß), Stadt und Mannen" (Lehnleute) genannt; vgl. daselbst Nr. 3860, S. 239; - ferner 1322 (vgl. daselbst VII, Nr. 4358). In der bewegten, selbstbewußten und thatkrätigen Zeit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, aus der auch wohl die ehrwürdigen Denkmäler der Stadtthore stammen, konnte Malchin sogar den Landesherren trotzen und das fürstliche Haus in der Stadt abbrechen (brekinghe des huses to Malchin"). Ungeachtet dieser Gewaltthat erlangten die Malchiner doch am 11. Juni 1372 einen ehrenhaften und vortheilhaften Frieden, indem der Fürst Johann von Werle den Bürgern der Stadt Malchin alle Strafe und allen Unwillen nachließ, ihnen den Wall und die Stätte des fürstlichen Hauses innerhalb der Stadtmauern mit allen Zubehörungen zu Bürgerrecht verkaufte

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und sich verwillkührte, ferner in der Stadt kein Haus zu haben, mit der besonderen Erlaubniß, daß die Bürger mit der fürstlichen Hausstätte nach ihrem Gefallen schalten und walten könnten. (Vgl. Lisch Maltzan Urk. II, Nr. 293, S. 245). Seit dieser Zeit ist auch von einer fürstlichen Burgstätte in Malchin nie wieder die Rede. Die Fürsten kehrten nun aber dafür Malchin den Rücken. Am 1. Novbr. 1375 verpfändeten die Fürsten Lorenz und Johann von Werle ihrem Marschall Maltzan von Schorssow (ohne Vornamen) das höchste Gericht mit allen Gerichtsbußen in dem Lande Malchin und das höchste und niedere Gericht binnen der Stadt Malchin mit der Polizei ("leyd", d. i. "Geleit") in dem Lande und das Hundekorn von dem ganzen Lande (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 311, S. 293). Maltzan mag aber zu scharf regiert haben; denn die Bürger erschlugen ihn zu Faulenrost in des Fürsten Johann Gegenwart. Am 5. März 1385 söhnte sich die Stadt mit dem Fürsten aus, nachdem die Gewaltthäter ihre Buße bezahlt hatten (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 338, S. 356).

Von dem damaligen Geiste der Bürgerschaft zeugt auch die noch stehende Kirche, welche nach der großen Feuersbrunst von 1397 neu aufgebauet und vergrößert ward (vgl. Jahrb. XXXI. S. 85).

Seit diesen Zeiten ist von dem Lande Malchin wenig die Rede, und die Vogtei ward wahrscheinlich gar nicht von der Stadt aus verwaltet. Schon am 25. Mai 1302 gewann der Rath der Stadt, als er den dritten Theil der Gerichtsgefälle im Stadtgebiete erwarb, das Recht, die fürstlichen Vögte in deren Abwesenheit zu vertreten (vgl. Meklenb. Urk.=B. V, Nr. 2796). Wir haben zwei Verzeichnisse der Ritterschaft des Landes Malchin: vom J. (1425) (gedruckt in Lisch Maltzan. Urk., II, Nr. 419, S. 554) und vom J. 1491 (gedruckt daselbst IV, Nr. 712, S. 211); nach dem letzteren gehörten dazu die ritterschaftlichen Güter von Rittermannshagen bis Hohen=Demzin nördlich und umher. Die Vogtei war wesentlich eine ritterschaftliche, da hier wenig oder gar kein Domanial=Eigenthum war. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war "das Land Malchin und das Gericht zu Malchin" an den Erblandmarschall Maltzan auf Grubenhagen verpfändet, z. B. 1482 (vgl. Lisch Maltzan. Urk. IV, Nr. 665, S. 76) und im J. 1492 verglichen sich die Fürsten mit den Maltzan wegen dieser Verpfändung (vgl. daselbst Nr. 713 bis 715). Seit dieser Zeit scheint die Vogtei Malchin aufgehört

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zu haben und mit der Vogtei Stavenhagen verbunden worden zu sein. In dem Aufgebots=Register vom J. 1506 wird Schorssow allein als zu "Malchin" gehörend aufgeführt, während die übrigen ehemaligen Güter der Vogtei Malchin, wenn auch nur summarisch nach ihren Besitzern, in der Vogtei Stavenhagen verzeichnet stehen.

Um die Erforschung der ehemaligen fürstlichen Burgstelle innerhalb der Stadt Malchin, deren Gebäude um das Jahr 1372 gewaltsam abgebrochen wurden, habe ich mich lange vergeblich bemühet, bis es mir endlich im J. 1868 gelungen ist, die muthmaßliche Stelle aufzufinden. Ich glaube, daß die Burg am Süd= oder Südostende der Stadt, links vom Steinthor, wenn man aus der Stadt geht, unmittelbar an der Stadtmauer, am Ende der Frohnstraße gestanden hat, wo in der Ecke ein Haus steht, welches früher die "Schinderei" oder die Frohnerei gewesen ist; der Scharfrichter in Malchin nannte sich in den letzten Jahrhunderten immer Frohn. Diese Lage ist ganz passend. Diese Stelle ist die höchste in der Stadt und der Boden steigt hier in der Stadt rasch am meisten Berg an, wogegen er nach außen hin von der Stadtmauer schroff abfällt; in der Tiefe liegen tiefe Gärten, welche sich an die Obere Pene lehnen. Man kann auch noch an Vorsprüngen in der Stadtmauer und an den Straßenzügen sehen, daß hier in alter Zeit Veränderungen in dem Grundplan der Stadt vorgegangen sind; vielleicht lag früher die Burg außerhalb der Stadtmauern, und der Platz ward erst nach 1372 in die Stadt hineingezogen. Auch versichert der jetzige Besitzer der Frohnerei, in den zum Hause gehörenden Hofplätzen und Gärten an verschiedenen Stellen wiederholt Reste alter Fundamente gefunden zu haben. Eine andere Stelle für den mittelalterlichen Burgplatz ist in oder an der Stadt schwerlich zu finden. Dieser jüngere Burgplatz liegt dem alten heidnischen Burgwall gegenüber.


Hiedurch angeregt beobachteten die oben bezeichneten Einwohner der Stadt im Frühling 1868 nicht nur die Beackerung der Flächen, sondern machten auch eigens dazu angestellte Nachgrabungen in die Tiefe, und fanden dabei nicht nur wieder zerschlagene, alte Thierknochen, sondern auch ein Randstück eines thönernen Gefäßes mit den charakteristischen Verzierungen der Gefäße der allerletzten Heidenzeit. Es leidet also keinen Zweifel, daß die oben aufge=

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stellten Vermuthungen Grund haben und der "Burgwall" der wendische Burgwall Malchin aus der letzten Heidenzeit ist.


Mit der fürstlichen Vogtei wird es auch zusammenhangen, daß es auch fürstliche Münzen der Stadt Malchin gab. Es sind in den neuern Zeiten wiederholt Münzen entdeckt, welche in die Zeit 1379 - 81 fallen werden und die Umschriften tragen: Umschrift (Stadt des Herrn von Werle) und Umschrift (Malchinsche Münze). Vgl. Jahrb. XV, S. 350, und VI. B., S. 52.


In der Gegend der Stadt Malchin wird auch die alte Burg Kiek in de Pene zu suchen sein, welche im frühen Mittelalter öfter genannt wird, namentlich in Verhältnissen zu Pommern; jedoch ist die Lage noch nicht erforscht und der Platz noch nicht untersucht. Aber es liegen, nach obrigkeitlichen Bekanntmachungen, in den weiten Stadtwiesen unterhalb Malchin an der Pene, nach Cummerow und dem Cummerower See hin Wiesenstücke, welche obrigkeitlich als in Kiekdepên liegend bezeichnet werden. Hier wird also der Platz oder Wall der mittelalterlichen Burg Kiek in de Pene am Ufer der Pene in der Wiese, gegen die Grenze von Meklenburg, zu suchen sein. Wahrscheinlich ist aber diese Burg keine heidnische, sondern nur eine mittelalterliche; dies wird sich jedoch nur durch Nachgrabungen ermitteln lassen, wenn der Platz gefunden ist. Die Burg kommt neben Cummerow und den Gütern der preußischen Enclave bei Malchin z. B. schon 23. Decbr. 1322 und 5. Jan. 1324 vor; vgl. Lisch Urkunden des Geschl. Maltzan und Meklenb. Urk.=Buch.

 

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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


Kirchliche Bauwerke.


Die Kirche zu Benthen.

Die bisher ganz unbekannt gewesene Kirche zu Benthen, nördlich von Lübz, ist eine der merkwürdigsten Kirchen im Lande und außerordentlich gut gebauet. Die Kirche ist nämlich ganz im romanischen Baustyl und zur Hälfte von Felsen gebauet, der eben so merkwürdigen, ungefähr eine Meile entfernten Kirche von Frauenmark bei Crivitz außerordentlich ähnlich; vgl. Jahrb. XXV, S. 282 flgd.

Die Kirche hat eine halbkreisförmige Apsis, einen quadratischen Chor, ein oblonges, weiteres Schiff und einen quadratischen Thurm. Die Apsis hat an der Ostseite ein Fenster, der Chor an jeder Seite zwei Fenster, das Schiff an jeder Seite drei Fenster. Alle Fenster und die Hauptpforte sind im Rundbogen gewölbt, selbst die Fenster des Schiffes, aus behauenen Granitquadern. Daß die Apsis hinter dem Altare nur ein Fenster hat, erinnert sehr an die Kirche zu Frauenmark, welche hier jedoch eine Fensterrose besitzt.

Die halbkreisförmige Apsis ist eigenthümlich construirt. Der Bau ist nämlich auf einen Halbkreis angelegt; die beiden Seiten oder die beiden westlichen Drittheile sind auch rundbogig; das östliche Drittheil der Wand liegt aber in einer graden Linie.

Die Wände sind außerordentlich gut aufgeführt. Der Chor und die Apsis sind von großen Ziegeln und haben einen gut und künstlerisch gegliederten Sockel. Der Chor hat an beiden Seiten einen einfachen Rundbogenfries, welcher jetzt der Apsis fehlt. Das Schiff ist ganz von grauen Granitquadern aufgeführt, die Wände aus gespaltenen und sorgfältig gewählten, die Ecken und Sockel aus behauenen Steinen. Die Lücken und Fugen sind mit einem weißen Kalk ausgefüllt, welcher jetzt porcellanhart und wie neu ist;

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die Fugen sind durch eine eingerissene Doppellinie zum Schmuck bezeichnet.

Die Hauptpforte in der Südwand des Schiffes ist sehr würdig. Die Pfeiler auf beiden Seiten sind aus behauenem Granit, von einem Kämpfer oder einer vorspringenden Granitplatte bedeckt, auf welcher die große, halbkreisförmige Thürwölbung aus großen Ziegeln ruhet.

Das Thurmgebäude ist auch von Granitfeldsteinen erbauet, jünger als die Kirche und etwas verfallen, wenigstens nicht so gediegen in der Erscheinung, wie die Kirche.

Im Innern ist die Apsis mit einer Halbkuppel ohne Rippen oder Näthe gewölbt.

Der Chor ist gewölbt und hat 4 Rippen von quadratischem Durchschnitt, das Einzige, was an eine etwas jüngere Zeit erinnert. Der Triumphbogen ist ein breiter Bogen im Rundbogen.

Das Schiff ist auf Wölbung angelegt, jetzt aber mit einer Balkendecke bedeckt.

Eine Seltenheit im Bau bietet die Kirche in ihrer Erscheinung noch, nämlich daß die Fenster außen mit einer Leiste aus Kalkputz von ungefähr 1 Fuß Breite auf der Wand, wahrscheinlich seit der Erbauung, eingefaßt sind, was auf den grauen Granitwänden eine ganz gute Wirkung macht.

Dieser Bau ist nun durch eine alte geschichtliche Nachricht außerordentlich merkwürdig. Der Bau weiset nach allen seinen Eigenthümlichkeiten auf das Ende des 12. Jahrhunderts zurück. Es fehlt nun ganz an allen alten Nachrichten über das Lehngut Benthen und dessen alte Besitzer. Wir haben aber noch die alte Urkunde über die Weihung der Kirche entdeckt, welche im 16. Jahrhundert in dem Altar gefunden ward und im Meklenburgischen Urkunden=Buch Bd. IV, Nr. 2693, S. 218, gedruckt ist. Nach dieser Urkunde weihete der Bischof Hermann I. von Schwerin am 5. Juli 1267 die Kirche zu Benthen im Besondern zu Ehren des Apostels Mathias und der Heiligen Florentius und Cassius. Die Urkunde lautet:

Nos Hermannus dei gratia Zwerinensis episcopus dedicauimus ecclesiam in Benthem in honorem omnipotentis dei et Jesu Christi geni[tric]is virginis Marie et singulariter Mathie apostoli et sanctorum Florentii et Cassii martyrum anno domini millesimo [CC°LXVII], III nonas Julii, p[ontificatu]s nostri anno V°.

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In der erhaltenen alten Abschrift steht statt der römischen Jahreszahl die Zahl in arabischen Ziffern: 200°67, die Zahl selbst ist aber nach dem Namen und dem Regierungsjahr des Bischofs Hermann ohne Zweifel richtig.

Dieses Jahr 1267 ist nun allerdings ein etwas junges Datum für einen ganz und strenge ausgeführten romanischen Bau. Aber man wird die hier angegebene Zeit der Vollendung der Kirche, an welcher wohl lange gebauet sein wird, wohl als zuverlässig annehmen müssen. Die nicht weit von Benthen entfernte, ganz ähnliche Kirche zu Frauenmark wird vielleicht auch nicht viel älter und im zweiten Viertheil des 13. Jahrh. erbauet sein (vgl. Jahrb. XXV, S. 288 flgd.). Auch ist es urkundlich nachgewiesen, daß noch im J. 1275 zu Röbel und 1278 zu Parchim stark romanisirender Uebergangsstyl herrschte (vgl. Jahrb. XXXIII, S. 149 und S. 164). Etwas länger mag sich in den Pfarren Frauenmark und Benthen der romanische Baustyl gehalten haben, als sonst wo, und vielleicht mag die Kirche zu Benthen nach dem Muster oder gar noch von dem Baumeister der Kirche zu Frauenmark erbauet sein, deren Baustyl aus dem Lande Gadebusch herzuleiten sein wird. Ueberhaupt aber sind diese Kirchen auf den Rittergütern wegen ihres alten Styls und ihrer Gediegenheit merkwürdig. Die Kirche zu Frauenmark ward von der Ritterfamilie von Dragun gebauet. Die nahe bei Benthen liegende, alte, ebenfalls noch romanisirende Kirche zu Brütz, früher Brüsewitz, welche 1295 vollendet ward, ist urkundlich von der Familie von Brüsewitz gegründet und erbauet (vgl. folgende Seite). Die Familiengruppe mit der "Pferdebremse" im Schilde, zu welcher z. B. die v. Brüsewitz und v. Weltzin gehörten, war grade in dieser Gegend ansässig und wird mit den Seitenverwandten bei der Colonisirung des Landes Parchim viel für Kirchen und Pfarren gethan haben. Daher sind diese Kirchen sehr auffällig in einer Gegend des südlichen Meklenburgs, in welcher in den Bauerdörfern nur ärmliche Holzkirchen zu finden sind, z. B. zu Bergrade, Paarsch, Lutheran, Benzin.

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Brütz.

Die Kirche zu Brütz, früher Brüsewitz, bei Goldberg, ist wegen ihrer urkundlichen Geschichte merkwürdig und von Werth. Wir besitzen nämlich die ausführliche Bestätigungsurkunde des Bischofs Gottfried I. von Schwerin und des Fürsten Nicolaus II. von Werle vom 10. August 1295, welche im Meklenburgischen Urkunden=Buch III, Nr. 2350, S. 597, gedruckt ist. Nach dieser Urkunde hatte der Ritter Nicolaus von Brüsewitz der Alte zu den Zeiten des Fürsten Borwin und des schweriner Bischofs Brunward die Kirche gegründet ("antiquus Nicolaus de Bruseuisz miles, primus fundator ecclesie"). Dieser Ritter kommt denn auch 1230 und 1231 bei dem Fürsten Johann von Meklenburg vor, später bei den Grafen von Schwerin bis 1236, im J. 1235 auch als Besitzer in Grantzin bei Benthen. Die von diesem alten Ritter Nicolaus von Brüsewitz gegründete Kirche wird aber die noch stehende Kirche zu Brüsewitz nicht sein können, da sie dann den nahen Kirchen zu Frauenmark und Benthen ähnlich sein müßte (vgl. oben).

Im J. 1295 wird die Kirche vollendet sein; denn nach der oben erwähnten Urkunde vom 10. August 1295 bestätigten der Bischof Gottfried I. von Schwerin und der Fürst Nicolaus II. von Werle die Kirche und Pfarre zu Brüsewitz, mit dem, was der Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz, der Beförderer dieser Sache ("presentis negotii promotor"), nach der ersten Gründung versichert hatte ("ea quae ipse ecclesie Brusewitz contulit"). Dieser jüngere Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz kommt 1273 bis 1300 vorherrschend bei den Fürsten von Werle in der Gegend von Parchim und Plau vor. Kirche und Pfarre wurden reich ausgesteuert; so z. B. erhielt die Pfarre unter Anderm 7 Hufen in Brüsewitz und 2 Hufen in Grambow. Dafür sollte aber der Pfarrer noch zwei andere Priester halten und alle sollten Seelenmessen lesen, der Pfarrer am Hauptaltare, die andern Priester an dem S. Marien=Altare und an dem S. Katharinen=Altare. Die Personen, für welche Seelenmessen gelesen werden sollten, waren: der Bischof Brunward von Schwerin († 1237), der Fürst Borwin I. († 1227), die von ihm zunächst abstammenden Fürsten und die Grafen von Schwerin seit Borwin's l. Zeit, ferner außer dem Ritter Nicolaus I. von Brüsewitz und seiner Gemahlin Adelheid und dem Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz

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und seiner Gemahlin Gertrud viele andere Ritter und deren Frauen, welche ohne Zweifel verschwägerte Verwandte der Familie von Brüsewitz waren; so z. B. werden namhaft gemacht: die Ritter Hermann von Hagenow (1241 - 1266) mit seiner Frau Mechthild und Heinrich von Hagenow (1247) mit seiner Frau Gertrud, welche in jener Gegend ansässig und wahrscheinlich Zeitgenossen des Ritters Nicolaus von Brüsewitz des Alten waren; ferner die Ritter Danquard von Gustävel (1273 -1291) mit seiner Frau Gertrud und Johann von Gustävel mit seiner Frau Mechthild, der Ritter Werner von Lukow mit seiner Frau Adelheid, der Ritter Martin von Mallin (1277 - 1287) mit seiner Frau Bertha und seinen Söhnen, der Ritter Johann vom Kroge (1282 brandenburgischer Vasall) mit seiner Frau und seinen Söhnen. Alle diese Personen, meist Ritter des Landes Parchim, waren wahrscheinlich Schwäger und Schwiegersöhne des Ritters Nicolaus II. von Brüsewitz, da sie in derselben Zeit mit diesem vorkommen. Man sieht aus diesen Namen deutlich die große Zahl der alten Ritter und deren Bemühungen, zur Colonisirung des Landes gut für die Kirchen und Pfarren zu sorgen.

Die jetzt stehende Kirche zu Brütz ist nun ohne Zweifel die Kirche, welche 1295 bestätigt ward. Sie war sicher von dem Ritter Nicolaus II. von Brüsewitz erbauet, nachdem die Pfarre von dem alten Ritter Nicolaus I. von Brüsewitz gegründet und mit einer hölzernen Kirche ausgesteuert war.

Die Kirche ist ein guter Ziegelbau und besteht aus einem Chor und einem Schiffe.

Der Chor ist jetzt ganz verbauet und seiner Eigenthümlichkeiten beraubt.

Das Schiff ist aber noch ein nennenswerthes Gebäude im alten Uebergangsstyl. Die Ecken haben noch Lissenen. An jeder Seite hat das Schiff zwei Mal drei gekuppelte Fenster. Jede der 4 Fensternischen enthält 3 schmale Fenster im Uebergangsstyle, von denen das mittlere höher ist als die beiden andern, welche zusammen unter einem großen Bogen im Uebergangsstyle stehen. Die Pfeiler zwischen den 3 Fenstern sind innen und außen mit einer Halbsäule bekleidet, eine seltene Erscheinung.

Im Innern ist das Schiff auf Wölbung angelegt; es fehlen jedoch jetzt die Gewölbe.

Die Kirche wird also eine der letzten Kirchen im Uebergangsstyl sein, während zu ihrer Zeit sonst schon der alt=

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gothische Styl herrscht. Es scheinen aber die alten, von alten Rittern erbaueten Kirchen, wie z. B. auch die nahen Kirchen von Benthen und Frauenmark, den alten Baustyl länger bewahrt zu haben, als manche andere Kirchen.

Die Kirche besitzt auch noch eine alte Glocke mit der Inschrift:

Inschrift

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Boddin.

Nach meiner Untersuchung vom J. 1847 (in Jahrb. XII, S. 471) war "die Kirche zu Boddin bei Gnoien so modernisirt, daß von dem alten Baustyl keine Spur mehr übrig war." Weiter ließ sich nichts sagen. Die Eigenthümlichkeiten des alten Baues sind also auf immer vernichtet, was jetzt freilich sehr zu bedauern ist. Im J. 1871 ist die Kirche wieder restaurirt. Als bei dieser Restauration auch der alte Altartisch abgebrochen ward, fand man im Innern zwischen großen Felsblöcken einen Lehmklumpen. Dieser umhüllte eine gedrechselte hölzerne Büchse, welche blutroth angemalt war. In der Büchse fanden sich einige kleine bunte seidene Lappen, in welche, wie gewöhnlich, die jetzt zerfallenen Reliquienknochen der Heiligen der Kirche gewickelt gewesen waren. Außerdem befand sich in der Büchse eine kleine Pergament=Urkunde des Bischofs Hermann von Camin (1252 † 1288), eines Grafen von Gleichen, durch welche derselbe bezeugt, daß er den Altar am 7. Juni 1288 zu Ehren des Heil. Nicolaus, als ersten Localheiligen, des Heil. Mauricius und der Heil. Elisabeth geweihet habe. Diese Urkunde ist eine der letzten bekannten dieses Bischofs. Die Kirche ist also schon im J. 1288 vollendet gewesen. Das wohl erhaltene Siegel des Bischofs, welches an einem Pergamentstreifen angehängt gewesen war, ist durch Moder abgefallen; der Umschriftrand ist stark beschnitten, weil die Büchse für das Siegel etwas zu klein war. Der Herr Pastor Dr. Krüger hat mir Alles zur Entzifferung zugeschickt gehabt. Die Urkunde ist im Folgenden abgedruckt.

G. C. F. Lisch.     

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Der Bischof Hermann von Camin weihet den Altar der Kirche zu Boddin.

1288, Juni 17, Boddin.

Anno domini M°CC°LXXXVIII°, feria secunda post diem beati Bonifacii consecratum est hoc altare a venerabili patre domino Hermanno episcopo Kaminensi in honore sancti Nycolai, [Mau]ricii, Elizabet et aliorum sanctorum, quorum reliquie sunt incluse.

Nach dem schon etwas von Moder angegriffenen Originale auf einem schmalen Streifen Pergament, welches in dem bei der Restauration der Kirche im J. 1871 abgebrochenen Altartische in einer hölzernen Büchse gefunden ward. Das durch Moder von der Urkunde abgelösete Siegel ist das große runde Siegel des Bischofs Hermann von Camin (1252 † 1288): das Bild eines sitzenden Bischofs, welcher die rechte Hand zum Segnen erhebt und mit der linken Hand den Krummstab hält. Die Umschrift, welche stark beschnitten ist, weil die Büchse für das Siegel zu klein war, lautet, mit Ergänzungen nach anderen Originalen:

Umschrift

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Die Kirche zu Bössow.

Das Ratzeburger Zehntenregister von 1230 führt das Dorf Burissowe, das heutige Bössow, unter den nach Damshagen eingepfarrten Ortschaften auf; in den Jahren 1309 bis 1311 und wahrscheinlich im letzten Jahre gründete der Ritter Johann Storm daselbst eine Pfarre (Mekl. Urk.=Buch 3491), zu welcher noch das bis dahin nach Grevesmühlen gehörige Torstorf und Großenhof gelegt wurden. Ob damals schon die heutige Kirche gebauet wurde, ist schwer zu entscheiden. Die Gesammtanlage wie die Details sind von einer so großen Einfachheit, man kann wohl sagen Rohheit, daß sie mehr dem Anfange des 16. Jahrh. entsprechen, als dem 14. Säculum, während doch manche Umstände auf letzteres hinweisen könnten. Die Kirche bildet eine längliche, im Osten dreiseitig aus dem Sechseck, wie es scheint, geschlossene Halle, die nicht gewölbt ist und auch nicht mit der Absicht sie zu wölben aufgeführt wurde. Beide Langseiten haben je zwei Fenster, die drei Chorseiten jede eins.

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Die Fenster sind in kurzen Blenden angebracht, die mit einem Bogen geschlossen sind, welcher sich stark dem Rundbogen nähert. Sie sind einpfostig und mit rohen Stäben eingefaßt. Fries und Gesimse fehlen dem Gebäude. Im Westen ist ein mit einem allerseits abgewalmten Dache bedeckter Thurm vorgelegt, der sich gegen die Kirche mit einem weiten Bogen öffnet. Eine Sacristei ist nicht vorhanden, auch nicht in Aussicht genommen.

Wenn es gestattet ist, hiernach die Kirche der ersten Hälfte des 14. Jahrh. zuzuweisen, so könnte möglicherweise die Vollendung in die Mitte desselben gesetzt werden, denn 1354 am 11. Mai bekannten sich Gottschalk Storm, Marquard vom Loo und eine Anzahl Bauern verschuldet mit 25 M. L., Martini zahlbar:

Lib. parv. civ. W. f. 134. Gotscalcus Storm, Marquardus de Lo, Conradus Assel, Johannes Kerkhof, Vicke Clatte de Borzowe, Hinricus Wittehoued, Godeke Danquardes, Henneke Rike tenentur iunctis manibus domino Volmaro Lewetzowen XXV m. Lub. d. in festo beati Martini episcopi nunc proximo affuturo sine briga persoluendas expedite. Actum LIIII °, Cantate.

am 8. December desselben Jahres mit 40 M. L., nächsten Martini zahlbar:

Lib. p. civ. W. f. 138, Gotscalcus Storm, Marquardus de Lo, Conradus Assele, Johannes Kerkhof, Hinricus Wittehoued, Vicke Klatte, et Gotfridus Danquardi et Henneke Rike tenentur iunctis manibus domino Volmaro Lewetzowen XL m. Lub. d. in festo beati Martini proximo affuturo sine omni protractione et briga persoluendas. Actum LIIII ° in die sancte concepcionis beate Marie.

und am 22. März 1361 mit 55 M. L., Michaelis zahlbar:

Lib. p. c. W. f. 170. Dominus Gotscalcus Storm et sui subditi de villa Borsowe Johannes Kerkhof, Gotfridus Danquardes, Johannes Rike, Hinricus Wittehoued, Johannes Werners, Vicko de Borsowe tenentur coniunctis manibus domino Volmaro Lewetzowe et Thidemanno de Sundis et eorum veris heredibus quinquaginta quatuor m. Lub. d. in festo sancti Michahelis nunc proxime

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affuturo ipsis expedite et sine briga persoluend[a]s. Antedicti sex debitores arbitrati sunt eoram domino Andrea Bukowen et me, quod post dictum festum sancti Michahelis, si non persoluerint, ut premittitur, quod nullo ducatu frui volunt neque debent propter debita premissa et pro domino Volmaro et Thidemanno de Sundis et eorum veris heredibus. Actum feria secunda post dominicam Palmarum.

Ohne Zweifel wurden diese Schulden im öffentlichen Interesse gemacht; bei Privatschulden würden Standesgenossen gebürgt haben. Möglicherweise könnten sie zum Behufe des Thurmbaues contrahirt worden sein.

Auch zwei andere Umstände können dafür sprechen, daß wir in der That einen Bau des 14. Jahrh. vor uns haben, nämlich die Existenz zweier Grabsteine, die beide letzterem angehören, und ein gemaltes Fenster, welches schwerlich später als aus dem Anfange des 15. Jahrh. zu datiren ist. Auf jene ist weniger Gewicht zu legen, da sie aus dem ersten Bau in einen jüngeren hinübergenommen sein könnten, wie das häufig der Fall war, aber die Fensterschildereien sind offenbar für diesen unseren gegenwärtigen Bau angefertigt worden und tragen bestimmt einen Charakter, der dem 14. Jahrh. sehr nahe steht, was ganz besonders von dem darin angebrachten Wappen gilt. In dem Bogen der heraldisch rechten Lucht ist ein rechts gekehrter Stechhelm mit einfach bogig ausgeschnittener rother Decke angebracht, der eine Art Rad oder Rosette trägt, welches mit drei Paar je von einander gekehrten weißgrauen Federn (?) besteckt ist. Die Nabe und die Felgen des Rades sind roth, der Speichenraum aber ist gleichmäßig acht Mal roth und weiß getheilt. In dem Bogen der linken Lucht sieht man einen gelehnten, unten spitz zulaufenden (dreiseitigen) weißen Schild mit drei (2.1) sechsspeichigen, rothen Rädern, das Wappen der Storm. (Der Wappenschild der Storm ist abgebildet im Mekl. Urk.=Buch, Bd. VI, zu Nr. 4008). Die Form des Helms, der Decke und des Schildes entsprechen bestimmt einer älteren Zeit. Weniger läßt sich das von den figürlichen Darstellungen sagen, da es bei diesen ihrer Seltenheit wegen an Erfahrung mangelt. Von sechs Tafeln haben sich vier, nämlich eine in der rechten, drei in der linken Lucht erhalten. Die Figuren sind weiß auf blauem Grunde, und die Glorien, Kronen, Attribute u. s. w. gelb gefärbt. Jede Tafel ist von einem Bogen überspannt und

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auf der ersten links sieht man auch eine Inschrift, die sich jedoch nicht entziffern ließ; ein Datum scheint sie nicht zu geben. Zeichnung und Composition sind ohne Verdienst, dennoch aber diese Reste bei ihrem Alter und der Seltenheit gemalter Fenster von großem Werthe. Der Inhalt ergiebt sich aus folgender Uebersicht:

Übersicht

Von den erwähnten beiden Grabsteinen hat der eine auf den Ecken die Evangelistensymbole und die Umschrift:

Umschrift

d. i. Anno domini MCCCLXXI in die Phylippi et Jacobi (Mai 1) obiit Johannes Kerchaf. Anno domini MCCCLXX (nicht ausgefüllte Lücke) obiit Walburgis vxor eius.

Die Lücke ist nicht ausgefüllt. Ueber Johannes Kerkhof vgl. oben das Wismarsche Stadtbuch.

Der andere Stein hat gleichfalls die Evangelistensymbole auf den Ecken und die Umschrift:

Umschrift
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d. i. Anno domini M°CCCXCVI in die beati Dyonisii episcopi (October 9) obiit dominus Johannes Storm, miles, . . . . . . . . . . Deedleuus, Johannes, filii eius. Orate deum pro ipsorum animabus.

Die zweite kurze Seite ist von dem Altarschrankwerke bedeckt. Auf der inneren Fläche des Steins sieht man einen gelehnten gespitzten (dreiseitigen) Schild mit drei (2.1) sechsspeichigen Rädern und über demselben einen Stechhelm mit bogig ausgeschnittener Decke, über dem sich drei Paar je von einander gekehrten Reiherfedern 1 ) erheben. Die minder reiche Ausstattung des Helmschmucks gegenüber demjenigen des Fensters scheint für das jüngere Alter des letzteren zusprechen.

Die Lucht rechts vom Altar enthält auf kleinen Scheiben in Farben die Wappen eines Henneke v. Plessen, eines v. Plessen und einer v. Bülow und ein v. Alefeld'sches und ein v. Bassewitz'sches. Letztere haben die Unterschrift:

Jvrgen v. Alefelt patron diser kirch mortvvs a° 1589

und

Dorotheia v. Basseviten (!) motva (!) a° 1610.

Die Kanzel stammt aus dem 17. Jahrhundert, der Altar in moderner Gothik sammt dem Taufständer aus dem gegenwärtigen. Auch die Glocke gehört der neueren Zeit an.

Dr. Crull.     


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Die Kirche zu Lambrechtshagen.

Die Kirche zu Lambrechtshagen bei Doberan und Rostock ist zwar ein alter Bau, jedoch nicht von so großem Umfange wie mehrere Landkirchen in dem Gebiete der ehemaligen Abtei Doberan.

Die Kirche besteht aus einem viereckigen Chor mit einem Gewölbe, einem einschiffigen Schiff mit zwei Gewölben und einem massiven Thurm.

Der Chor ist von großen Feldsteinen (Granitfindlingen) aufgeführt, welche sorgfältig gewählt und an den Ecken be=


1) Ich gebrauche diesen Ausdruck auf die Autorität von Milde hin, der die gleiche Zierrath auf dem Siegel des Timmo Colre Meinerstorp, Holst, u. Lauenb. Siegel zu Taf. 9, N. 126, so nennt. Gleicher Gestalt sind die jetzt als herabhangende Lilien geformten Zierrathen an dem v. Lützow'schen Helme in der Kirche zu Gadebusch auf einem Glasgemälde, welche der Länge nach halb grün, halb gelb gefärbt sind.
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hauen sind; die gleich liegenden Kalkfugen sind durch eingeritzte Linien bezeichnet. Jede der drei Außenwände hat zwei Fenster im Uebergangsstyle, welche jedoch etwas größer sind, als sonst die Fenster des Uebergangsstyls, und schon etwas an den altgothischen Styl erinnern Der Bau wird also ungefähr in die Mitte der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen. Die Einfassungen der Fenster sind von großen Ziegeln aufgemauert. Die Gewölberippen haben einen quadratischen Durchschnitt. Spuren von rother Wandmalerei liegen unter der Kalktünche.

Das Schiff ist ein im junggothischen Style aus Ziegeln aufgeführter Bau aus dem 15. Jahrhundert von zwei Gewölben Länge, mit Einem weiten Fenster unter jedem Gewölbe an jeder Seite. Die Gewölberippen haben einen birnenförmigen Durchschnitt.

An alten Denkmälern und Geräthen besitzt die Kirche gar nichts mehr. Nach einer Papier=Inschrift ist sie im J. 1805 neu gepflastert und "ausgeweißt" und damit gründlich renovirt. Auch die Glocken sind neu.

Der einzige Ueberrest aus alter Zeit ist die hölzerne Thür eines kleinen Wandschrankes hinter dem Altare mit altem Eisenbeschlage. Die Thür hat auf der Außenseite in Relief geschnitzt einen Wappenschild von alter Form mit einem schräge links darauf gelegten Dolche, über dem Schilde den Löwen des H. Marcus.

Lambrechtshagen war im Mittelalter, wie das nahe gelegene Lichtenhagen, ein Lehn der ausgestorbenen adeligen Familie v. Gummern. (Vgl. oben S. 27 flgd.)

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Dambeck,
A. Neustadt.

Die Kirche zu Dambeck ist ein von Feldsteinen außerordentlich tüchtig und solide aufgeführtes Gebäude. Sie bildet ein Oblongum, dem im Westen ein Thurm, ebenfalls von Feldsteinen, vorgelegt ist. Die Altarwand hat drei Fenster, die Nord= und Südwand haben je zwei Fenster älteren Ursprungs und in der Nähe der Altarwand je ein quadratisches Fenster neueren Datums. Die älteren Fenster sind sämmtlich klein und schmal und mit dem Spitzbogen

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geschlossen, ihre Einfassung besteht, wie die der beiden Pforten, der Süd= und Westpforte, ebenfalls mit dem Spitzbogen, aus Ziegeln. Die Kirche hat eine Bretterdecke; das Gestühl von Eichenholz trägt offenbar einen alten Charakter, ist jedoch ohne allen Schmuck und ohne Kunstwerth. Die sehr breiten Rücklehnen sind alle aus einem Stück gearbeitet. Die Kanzel über dem Altar stammt aus neuerer Zeit. Der Thurm ist, wie schon gesagt, ebenfalls von Feldsteinen äußerst solide aufgeführt, jedoch wohl erst später angebaut. Der untere Theil ist auf Gewölbe angelegt, die aber nicht zur Ausführung gekommen sind.

Nachträglich bemerke ich noch, daß die Altarwand im Aeußern quadratisch gefugt ist.

Eine der Glocken ist alt, sie trägt in gothischer Minuskel folgende Inschrift um den Helm:

Inschrift

Die zweite Glocke vom Jahre 1746 hat auf dem Mantel die Inschrift:

CHRISTOPH AUGUST BAUER 1 )
KIRCHENRATH UND PASTOR
HAT MICH ZUM GUSS BEFÖRDERT
1746
ME FECIT J. C. HEINTZE.

Die Kirche zu Balow, Filial von Dambeck, ist in den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unter dem Patronat eines Herrn von Ditten erbauet worden und hat nichts Bemerkenswerthes.

Beckentin, den 11. Nov. 1871.

H. Rönnberg, cand. theol.     


[Aufsatz]

1) Ueber diesen sehr merkwürdigen Mann, welcher auch Gesandter des Herzogs Carl Leopold war, vergleiche man dessen Autobiographie im Dambecker Kirchenbuche, gedruckt in Wehnert Meklenb. Gemeinn. Blättern, Bd. II, H. 3, S. 121 flgd.
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Der "Neustädter Altar"

aus der

Jacobi=Kirche zu Lübek

im Antiquarium zu Schwerin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Das großherzogliche Antiquarium besitzt einen mittelalterlichen Flügelaltar, welcher zu den vollendetsten und schönsten Kunstschöpfungen des Mittelalters in Norddeutschland gehört und in Vollendung des Styls und Sauberkeit der Arbeit viele der gleichzeitigen berühmten Werke in der Kirche zu Doberan noch übertrifft. Die Geschichte dieses Altars ist sehr bemerkenswerth und schon in den Jahrb. X, 1845, S. 318 berührt; schon damals erklärte ich den Altar für "ein Kunstwerk erster Größe von ausgezeichneter Schönheit und so großer Vollendung, daß er selten seinesgleichen finde" 1 ).

Große Brände verzehrten im J. 1725 die Stadt Grabow und im J. 1728 die Stadt Neustadt und vernichteten zugleich das Innere der Kirchen daselbst. Es ward erlaubt, zur Aufhülfe dieser Städte Geld zu sammeln. Nach Ueberlieferungen schenkten bei dieser Gelegenheit die Lübecker jeder dieser Kirchen einen alten Altar und ließen sich moderne Altäre im Zopfstyl machen. Der an die Kirche zu Neustadt geschenkte Altar ward aber, nach junger Sage, schon weil die Kirche sehr klein ist, nie aufgestellt, sondern in eine Vorhalle der Kirche gesetzt, wo er lange vielen Unbilden ausgesetzt war, aber doch glücklicher Weise in Vergessenheit gerieth. Als die Kirche im J. 1840 restaurirt ward und ich deshalb in Neustadt war, entdeckte ich den Altar, indem mich mein Weg in die damals augenblicklich sonst versperrte Kirche durch die Materialienkammer über den Altar hinweg führte, und im J. 1841 bewirkte ich die Versetzung desselben nach Schwerin, um ihn zu retten. Durch die Fürsorge des Hochseligen Großherzogs Paul Friedrich ward der Maler L. Fischer mit


1) Später hat auch Lübke den Werth dieses Kunstwerkes erkannt. Er sagt: "Im Antiquarium zu Schwerin obenan steht ein Altarwerk "aus der Kirche von Neustadt, das an Schönheit seines Gleichen vielleicht nur in dem Altarwerke von Triebsees hat." (Vgl. auch Meklenburg. Anzeigen, 1869, Nr. 96, Beilage.)
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der Restauration beauftragt und um das Jahr 1845 damit beschäftigt, die großen Figuren und einen Theil der Gemälde zu restauriren, starb aber darüber weg. So ist der Altar noch jetzt beschaffen.

Der Altar ist ein einfacher, großer Flügelaltar. Bei der ungewöhnlichen Größe besteht aber die Mitteltafel aus zwei großen, getrennten Stücken, von denen jedes so groß ist, wie ein Flügel; diese beiden Tafeln sind dicht zusammengeschoben gewesen, so daß sie Eine Flache gebildet haben; der Altar besteht daher aus vier gleich großen Stücken und nicht aus drei, wie gewöhnlich. Jedes Stück enthält im Mittelraume 4 ganze Figuren unter sehr reichen Baldachinen. Die beiden mittelsten Figuren, welche die Krönung Mariä darstellen, bilden eine quer über die Zusammenfügung gehende, zusammenhangende Gruppe, indem auf einer Bank rechts Maria anbetend und links Christus segnend sitzt. An jeder Seite stehen zunächst 6 Apostel 1 ), an jedem Ende ein Localheiliger. Da die Figuren und die Baldachine sehr groß sind, so hat der Altar nur eine Reihe von Hauptfiguren in der Mittellinie des Ganzen. Aber so wie oben die hohen Baldachine einen großen Raum wegnehmen, so ist unten ein niedriger Streifen zu kleinen halben Heiligenbildern mit kurzen Baldachinen angewandt. Unter jeder großen ganzen Figur steht eine halbe kleinere, mit der Ausnahme, daß unter dem Mittelstücke mit der Krönung Mariä, welche 2 Figuren hat, 3 halbe Heiligenbilder stehen.

Die Wand ist in Goldgrund ausgeführt. Um das Haupt einer jeden Figur ist ein Heiligenschein, in welchen der Name des Heiligen mit großen, gotischen Buchstaben eingegraben oder eingepreßt ist. Um die Namen und die Anordnung der Figuren zu erhalten, da der Kreidegrund an vielen Stellen, namentlich unten, schon sehr lose und abgefallen ist, so gebe ich hier die Namen, so wie sie im J. 1861 noch sicher zu entziffern waren. Von den halben Figuren sind nur noch 7, welche mit gesperrter Schrift gedruckt sind, vorhanden; die übrigen 10 fehlen. Die in ( ) eingeklammerten Namen sind gänzlich verschwunden;


1) Der Altar der Kirche zu Neustadt vor dem Brande hatte auch die 12 Apostel, welche im J. 1517 geschnitzt waren; der Preis war 40 Gulden. In den Renterei=Rechnungen steht:
"XXX gulden dem Bilde Sznitzer von den XII apostelen, die zu der nyenstad gesnitzt worden, vnde myn g. h. bliben em X gulden schuldich von den apostelen, am sonabende nach fab. et sebast. 1518."
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der Name der H. Barbara konnte nach der Figur mit Sicherheit ergänzt werden. An den zwei in der Mitte ergänzten Stellen ist weder Name noch Figur mehr vorhanden; die eine noch erhaltene Stelle hat in dem Heiligenscheine den Namen: Name die beiden fehlenden Figuren waren also wahrscheinlich auch zwei Erzengel. Die Architektur und der Goldgrund der vordem Seite des linken Flügels ist fast ganz zerstört, da diese Seite früher, vor der Ueberführung nach Schwerin, bloß gelegen hat.

Der Altar enthält also folgende Figuren und Namen, welche so stehen, daß die hier oben stehenden Figuren in der Ansicht links, die unten stehenden in der Ansicht rechts stehen, also der H. Valentin zu äußerst links, der H. Laurentius zu äußerst rechts in der Ansicht.

>Links in der Ganze Figuren Halbe Figuren
Ansicht. in der Mitte. unten.
Rechter Valentinus. Agneta.
Flügel. Simon. Ghertrudis.
Mateus. Margareta.
Matias. Aghate.
--------------- ---------------
Rechtes Jacobus major. (Barbara.)
Mittelstück. Johannes. Dorotea.
Petrus. Katerina.
Maria. (Michael.)
--------------- (Rafael.)
Linkes Christus. Ghabriel.
Mittelstück. Paulus. Johannes bapt.
Andreas. Anthonius.
Jacobus minor. Erassmus.
--------------- ---------------
Linker Bartolemeus. Laurencius.
Flügel. Tomas. Stefanus.
Philippus. Olavus.
Laurentius. Georrius.
------------ ------------

Der H. Laurentius ist wirklich zwei Male, oben und unten, vorhanden.

Die beiden Rückwände zeigen, wenn der Altar zugeklappt ist, Gemälde von großem Kunstwerthe: rechts (in der Ansicht links) das Leben Mariä in 4 Abtheilungen (die Verkündigung Mariä, die Geburt Christi, die Flucht nach Aegypten, der Tod Mariä), links (in der Ansicht rechts) die Leiden Christi eben so. Diese Gemälde gehören zu den besten mittelalterlichen Gemälden in Norddeutschland.

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Der Altar ist nun ein altes Kunstwerk ersten Ranges, welches eine unübertreffliche Reinheit des Styls zeigt. Namentlich ist die Vorderseite meisterhaft. Die Architektur und das reiche Schnitzwerk, namentlich in den Baldachinen, ist in einer so großen Feinheit und künstlerischen Strenge durchgeführt, daß das Werk von keinem andern übertroffen wird. Besonders schön sind aber die großen Figuren, welche in so richtiger und edler Zeichnung und in so idealer Haltung angeführt sind, daß ihnen vielleicht keine andern gleichkommen. dadurch zeichnet sich eben dieses Meisterwerk vor allen andern aus, daß die Figuren für jede hoch gebildete Zeit richtig und ideal sind, ohne daß ihnen die Schwächen der Zeit der Verfertigung ankleben; sie sind weder zu lang gezogen und verdreht, wie oft die ganz alten Figuren, noch zu kurz, gedrückt und schwerfällig, wie oft die Figuren jüngerer Zeit, viel weniger in dem eckigen, hölzernen Faltenwurf, welcher so oft in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. zu Tage tritt. Wir besitzen in dem Lübeker Altare ein Kunstwerk aus der Zeit der höchsten Blüthe und Vollendung der Gothik.

Nicht geringern Werth haben die Gemälde auf den Rückseiten der Flügel. Freilich ist die Zeichnung oft verfehlt, und das Verhältniß unrichtig und die Auffassung etwas naiv, während die geschnitzten Figuren fast vollkommen in der Zeichnung sind, aber das Gefühl und der Ausdruck in der Malerei ist so tief und innig, daß sich kaum etwas Besseres denken läßt. Namentlich ist das Gemälde des Todes der Jungfrau Maria, welches leider etwas gelitten hat, von einer unübertrefflichen Würde und Schönheit. Nicht minder ist die Technik der Malerei außerordentlich schön. Die Malerei ist ohne Zweifel ein ausgezeichnetes Werk der Schule, welche man die alte kölnische Schule zu nennen pflegt.

Die Rückwände der beiden Flügel zeigen, wenn der Altar zugeklappt ist, Gemälde von großem Kunstwerthe. Jeder Flügel ist durch zwei mit Arabesken verzierte Leisten in 4 Theile geteilt.

Der Flügel zur Rechten (in der Ansicht links) stellt Scenen aus dem Leben der Jungfrau Maria dar:

1) Die Geburt Christi. Maria und 4 Engel beten das auf dem Boden in einer Glorie liegende kleine Christkind knieend an; Joseph hält hinter Maria ein brennendes Licht; im Hintergrunde sind die Hirten sichtbar.

2) Die Anbetung der Weisen. Maria sitzt im Bette und hält das Christkind über dem Bette auf dem Arme, in Erwartung, da von den Weisen nichts zu sehen ist, oder

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Maria Reinigung (Purificatio Mariae), in Ruhe. Joseph und eine Frau sind mit Suppenkochen beschäftigt.

3) Die Flucht nach Aegypten; Joseph führt den Esel. 4) Der Tod Maria, von sämmtlichen Aposteln umgeben.

Der Flügel zur Linken (in der Ansicht rechts) stellt Scenen aus den Leiden Christi dar:

1) Christus betet am Oelberge vor dem Kelche.

2) Christus wird von Judas durch einen Kuß verrathen.

3) Christus wird mit Dornen gekrönt.

4) Christus wird verspottet.

Wichtig ist die Bestimmung der Zeit, in welche der Altar fallen kann. Nach der Reinheit des Styls und der vollkommenen, strengen Ausbildung der Gothik, welche noch keine mißverstandenen und übertriebenen Bildungen zeigt, gehört der Altar ohne Zweifel der Mitte der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. an und wird um das Jahr 1360 gemacht sein. Er wird aus gleicher Zeit mit den Doberaner Chorstühlen stammen, welche derselben Zeit angehören. Einen ziemlich sichern Beweis giebt der ungewöhnlich reiche Altar in der Kirche zu Grabow 1 ), welcher nach dem Brande der Stadt im J. 1725 ebenfalls von den Lübekern dahin geschenkt ward. Die Mittelgruppe dieses Altars stellt in jüngerer Schnitzerei die Stätte Golgatha dar; hinter dieser Darstellung steht auf dem alten, weißen, nicht vergoldeten Kreidegrunde mit gleichzeitiger Schrift:

Inschrift

Dieser Altar ist aber bei weitem nicht so rein und edel, wie der Neustädter, und zeigt schon die ersten Spuren eines mehr gedrückten Styls. Wenn nun der Grabower Altar sicher im J. 1379 vollendet ist, so wird der Neustädter etwa 20 Jahre älter sein und spätestens in die Zeit 1360-1368 fallen; älter wird er aber auch nicht sein.

Nicht unrichtig ist auch die Beantwortung der Frage, aus welcher Kirche in Lübek der Altar nach Neustadt geschenkt ist. In den Jahrb. X, S. 318, ist die Vermuthung aufgestellt, daß der Altar aus der Marienkirche zu Lübek stamme, weil in der Mitte die Maria dargestellt sei und unter den Heiligenbildern sich das Bild des H. Olav finde, dessen Verehrung durch die Bergenfahrer der Marienkirche eigenthümlich sei. Diese Ansicht wird aber nicht richtig sein können, da sowohl der Hauptaltar dieser Kirche, von ähnlicher Arbeit wie der Neustädter, teilweise noch erhalten ist,


1) Vgl. die folgende Abhandlung.
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als auch der große Altar, welcher in der "Sängerkapelle" dieser Kirche, früher Marienkapelle, gestanden hat. Es ist vielmehr wahrscheinlicher, daß der Altar aus der Jacobikirche stammt, da hier im J. 1715 oder 1716 ein neuer Altar gebauet, also der alte zurückgesetzt ist, welcher den Leuten mit der Zeit im Wege stehen mochte. In der letzten Hälfte des 17. Jahrh. haben übrigens alle Kirchen in Lübek ihre jetzt noch stehenden, neuen Altäre erhalten. In Lübek hat sich keine Nachricht darüber auffinden lassen, wo die alten Altäre geblieben sind, und die Acten des Schweriner Archivs lassen auch gänzlich im Stich.

Hiemit stimmen auch die Heiligen überein, welche sich außerdem in der Jacobikirche fanden. In der Zeitschrift des Vereins für Lübecksche Geschichte, Bd. II, Heft 1, 1863, S. 133 flgd., hat der Herr Archivar Wehrmann zu Lübek das Verzeichniß aller Kirchenschätze abdrucken lassen, welche im J. 1530 bei der Abschaffung des katholischen Gottesdienstes aus allen Kirchen in das Archiv gebracht wurden. In diesem Verzeichnisse sind von allen Kirchen viele silberne Heiligenbilder aufgeführt; aber nur von der Jacobikirche finden sich die Localheiligen, welche auch in dem Altar stehen. Unter den 8 silbernen Heiligenbildern, welche die Jacobikirche besaß, war an 1. Stelle S. Jacobus, 2. S. Laurentius und 5. S. Valentinus, und diese Heiligenbilder finden sich, und zwar in ganzer Figur, nur auf dem Neustädter Altar wieder, auf welchem der H. Laurentius sogar 2 Male, in ganzer Figur und als Brustbild, zu finden ist. Außerdem waren 4 S. Johannes (Bapt.) und 7 S. Barbara, welche in Brustbildern in dem Altare stehen, auch in silbernen Bildern vorhanden. Vorzüglich entscheidend sind aber die Figuren des H. Laurentius und des H. Valentinus, so daß es wohl keinem Zweifel unterliegt, daß der Neustädter Altar aus der Jacobikirche zu Lübek stammt. Hiemit stimmte früher auch der Pastor Klug an der Jacobikirche überein.


Seit dem Jahre 1842 habe ich unablässig nach der Herkunft dieses Altars geforscht, weil seine Geschichte für die norddeutsche Kunstgeschichte wichtig werden kann, namentlich im Verein mit meinen gediegenen und kundigen Lübeker Freunden, habe aber nicht weiter gelangen können, als bis zu dem Ergebniß, welches ich in den vorstehenden Zeilen gefunden und bis auf den letzten Satz im J. 1861 niedergeschrieben habe. Ich bin seitdem nicht müde geworden, nach Nachrichten

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auszuschauen, jedoch vergeblich, habe aber diesen Aufsatz in Hoffnung auf einen glücklichen Fund neun Jahre zurückgelegt.

Da erschien in den "Meklenburgischen Anzeigen", 1869, Nr. 257, Novbr. 3, ein anonymer Zeitungs=Artikel aus Neustadt über die jüngste Restauration der Kirche, in welchem es auch heißt: "Bei der jetzigen Renovation der Kirche ist vielfach der Wunsch geäußert, es möchte auch das alte Altarblatt, das im J. 1746 (!) aus der Jacobikirche zu Lübek gekauft (!) ward und bei der Errichtung der Orgel im J. 1771 des mangelnden Platzes (!) wegen fortgenommen werden mußte, thunlichst wieder seinen Platz in der hiesigen Kirche erhalten."

Diese Nachricht schien mir in mehreren Theilen nicht zuverlässig zu sein. Die kleine, arme Stadt war durch den Brand von 1728 so sehr heruntergekommen, daß sie, nach den Archiv=Acten, erst in den Jahren 1735-1738 daran denken konnte, die Kirche mit der nothdürftigsten Einrichtung zum Gottesdienst durch fremde Hülfe zu versehen, wozu Erlaubniß zu geringe ausfallenden Collecten im Lande erbeten werden mußten; die Kirche ward nach 1738 noch lange nicht wieder fertig. Es ist durchaus nicht wahrscheinlich, daß die arme Stadt in ihrer Noth ein so großes, werthvolles Kunstwerk hätte kaufen können, dessen Größe außerdem für die kleine Kirche gar nicht paßte. Der Altar ist sicher nicht "gekauft". Dagegen ist mir die Sage, welche ich im J. 1840 von alten Leuten in Neustadt eingezogen habe, viel wahrscheinlicher, daß der Altar von Lübek geschenkt sei, da auch in Lübek für Neustadt collectirt ward.

Die übrigen Nachrichten in den "Meklenburgischen Anzeigen" waren aber zum Theil neu und zum Theil mit Archiv=Acten übereinstimmend, so daß ich die Forschung nach der Quelle dieser Angaben wieder aufnahm. Längere Zeit wollte es mir nicht glücken, diese etwas trübe Quelle zu erforschen. Da wandte ich mich mit der Darstellung der Sachlage an den Herrn Kirchenrath Hane mit der Bitte um Nachforschungen im Kirchen=Archive, und dieser hat denn auch das Glück gehabt, folgende sichere Nachricht nach langem Suchen zu erforschen. Das älteste Neustädter Kirchenbuch, 1675 beginnend, enthält von der Hand des Pastors Frese folgende Nachricht:

"Im Mense Maji 1746 Ward Cantzel völlig mit Verdeck ins Geschick gebracht. Ingleichen das Altar, doch ohne alle Ausputzung (!), und kostet über 35 Rthlr. die itzige Darstellung. Wir

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beyde Prediger Frese und Ratich haben liebreich die Milden Gaben und Monatl. Collecten (ohne Geld aus der Oeconomie zu suchen) dazu angewand. Die Cantzel ist aus Wismar von der Marien=Kirche und der Altar aus Lübek von Jacobs=Kirche. Erstere ließ der Schwartzb. H. Major von Burchstadt neu mit Farben auszieren. Noch größere Liebe hat der H. von Pressentin erzeigt, welcher ao. 1742 die Beichtstühle anmahlen und mit Fenstern versehen lassen."

Dies ist also die ächte, gleichzeitige Quelle. Der Altar ist also sicher aus der Jacobikirche zu Lübek und wahrscheinlich von dort schon in den 30ger Jahren geschenkt, aber erst 1746 aufgestellt. Daß er von Lübek "gekauft" sei, davon steht kein Wort in der Nachricht. Die Aufstellung der Kanzel und des Altars, vielleicht gar mit dem Transport, kostete zusammen 35 Rthlr. Dafür konnte man solche Werke nicht kaufen. Glücklicher Weise blieb der Altar aus Armuth "ohne alle Ausputzung" mit "Farben"; denn sonst würde er sicher mit Oelfarben überschmiert worden sein.

Der Altar ist also wirklich in der Kirche aufgestellt gewesen. Aber darüber, wie er zurückgestellt ist, gaben die "Meklenburgischen Anzeigen" eine willkommene Andeutung, die mit den Archiv=Acten übereinstimmt. Die Anzeigen sagen, daß "das alte Altarbild bei der Errichtung der Orgel im J. 1771 des mangelnden Platzes wegen (!) fortgenommen (?) werden mußte", oder vielmehr weggeworfen ward. Dies stimmt zu den Archiv=Acten. Der Kirche fehlte noch lange eine Orgel und man war oft bemüht, ein altes Werk zu kaufen. Endlich war dazu im J. 1770 Aussicht. Am 28. Mai 1770 ward berichtet, daß ,"zur Anschaffung einer neuen Orgel der Bau eines Orgel=Chors, welches über den Altar gebracht werden soll, unumgänglich nothwendig." Da nun zu der geschmacklosen Aufführung einer Orgel über dem Altare die Kirche wohl viel zu klein ist, so ist leicht anzunehmen, daß der alte Altar mit den "Puppen" im J. 1770 der Orgel mit dem Orgel=Chore hat weichen müssen. Und so hat der Altar 70 Jahre lang ganz unbeachtet bei Seite gelegen.


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Der Altar der Kirche zu Grabow.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Der alte Altar in der Kirche zu Grabow, welcher eine Zeit lang durch ein modernes schlechtes Oelgemälde verdeckt war, ist seit der Befreiung von dieser Verhüllung häufig Gegenstand ernsterer Betrachtung geworden und viel besser erschienen, als es bei der ersten flüchtigen Anschauung (nach Jahrb. X, S. 319) der Fall sein konnte, um so mehr da er in der protestantischen Zeit unglaublich verschmiert und beschädigt war. Das Werk stellt sich als eine ungewöhnlich große und namentlich in der Architektur außerordentlich reiche Arbeit aus der besten Zeit des gothischen Styls heraus. Daher ist der Altar, welcher stark beschädigt und übermalt war, auf Wunsch des ganzen Stadtraths und auf Befehl Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs in Restauration 1 ) gegeben und wird nach Vollendung derselben jedenfalls eine große Wirkung machen.

Der Altar ist ein großes Lübeker Werk und von der Stadt Lübek nach dem großen Brande der Stadt Grabow vom J. 1725 zur Unterstützung nach Grabow verschenkt worden (vgl. oben S. 198), jedoch ist es bis jetzt unbekannt, aus welcher Kirche. Auf dem weißen, nicht vergoldeten Kreidegrund der Hinterwand hinter dem Mittelstück steht in gleichzeitiger Schrift:

Inschrift

Und diese Inschrift giebt dem Altare einen hohen Werth, da wir dadurch nicht allein ein sicher verbürgtes Jahr, sondern auch ein Werk aus noch guter Zeit haben, mit der auch die Ausführung vollkommen übereinstimmt.

Der Altarschrein ist ungefähr 6 Fuß hoch und in der Mitteltafel 12 Fuß und in jedem der beiden Flügel 6 Fuß, im Ganzen also 24 Fuß breit. Außer dem Mittelstück enthält der Altar auf den Tafeln 44 ganze, stehende Figuren unter Baldachinen, in der Predelle 12 sitzende Figuren unter Baldachinen und in der Krönungsleiste 20 Brustbilder.


1) Die Restauration ist seit 1867 dem geschickten und. gewissenhaften Hofmaler Greve in Malchin anvertrauet worden. - Der restaurirte Altar ist letzt schon längst wieder in der Kirche aufgestellt. - Ich bemerke, daß der folgende Aufsatz während der Restauration geschrieben ist G. C. F. Lisch.
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Die Restauration gebot ein genauer Studium des Werkes und daher kann in Folgendem eine vollständige Beschreibung mitgeteilt werden, welche in vieler Hinsicht von Werth werden kann.

Die Mitteltafel.

Jeder Flügel enthält 6 Nischen, jede für ein Heiligenbild. Die Mitteltafel enthält jedoch an jeder Seite nur 5 Nischen, so daß für das Mittelstück, das Hauptbild, nur ein Raum von 2 Nischen Breite zur Verfügung gestanden hat. Dieser Raum ist also verhältnißmäßig nur sehr schmal.

Das alte Mittelstück ist jedoch nicht mehr vorhanden. Man hat schon in altprotestantischer Zeit, zur Zeit der Renaissance, das uns unbekannte mittlere Hauptbild, welches wohl zu "katholisch" erschienen sein mag, entfernt und dabei zugleich den mittleren Hauptbaldachin verworfen. Jetzt enthält es Christum am Kreuze auf einem Berge, mit Schädel und Beinknochen am Fuße des Kreuzes, und Maria und Johannes Ev. Die Figuren sind gerade nicht ganz schlecht, aber schon flau und offenbar modern. Zum Beweise steht auf der Rückseite des Berges:

I. R.
An. 1596.

Also sind diese Figuren schon früh in Lübek eingesetzt.

Auf der Mitteltafel stehen an jeder Seite des Mittelstücks in 2 Reihen über einander an jeder Seite und in jeder Reihe 5 Figuren, unten Apostel, oben gekrönte heilige Jungfrauen, alle ziemlich ähnlich und viele ohne Attribute. Die Apostel und die weiblichen Heiligen setzen sich in den Flügeln fort. Da viele Attribute fehlten und manche gar nicht vorhanden sind, so hat bei der Restauration Manches durch Forschungen ergänzt werden müssen.

Die Apostel halten alle ein Buch. Die Attribute sind zum größten Theile abgebrochen, jedoch sind die meisten Figuren an den Gesichtern kenntlich. Die Jungfrauen sind sich ziemlich ähnlich. Alle tragen gleiche Kronen auf dem Haupte, welche aus Blei gegossen und vergoldet sind. Mehrere Attribute fehlen.

Mitteltafel.
Unten.
Zur Rechten des Mittelstücks.

1. S. Petrus Ap. (Schlüssel).
2. S. Andreas Ap. (Schrägekreuz).

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3) S. Johannes Ev. Ap. Kelch.
4) S. Jacobus d. j. Ap. (Walkerbaum).
5) S. Bartholomäus Ap. Messer.

Zur Linken des Mittelstücks.

6) S. Paulus Ap. Schwert.
7) S. Jacobus d. a. Ap. Pilgerstab.
8) S. Thomas Ap. (Lanze).
9) S. Philippus Ap. Doppelkreuz.
10) S. Matthäus Ap. im Kopftuch. Buchbeutel.

Oben.
Zur Rechten des Mittelstücks.

11) (S. Christina). Hat kein Attribut gehabt.
12) (S. Cecilia). Hat kein Attribut gehabt.
13) S. Agnes. Lamm.
14) (S. Agatha). (Schere).
15) (S. Apollonia). (Zange).

Zur Linken des Mittelstücks.

16) S. Dorothea mit Rosenkranz. Korb.
17) S. Margaretha. Drachen.
18) S. Katharina. Schwert und Rad.
19) S. Barbara. Thurm.
20) S. Hedwig. Kirche.

In den Flügeln

stehen unten die noch fehlenden Apostel und 10 Propheten, ohne Attribute, welche an ihrer seit dem Mittelalter herkömmlichen Stellung kenntlich sind und sich in der Krönungsleiste wiederholen. In den oberen Reihen stehen verschiedene Heilige.

Flügel zur Rechten.
Unten.

21) S. Mathias. (Beil).
22) Prophet Jesaias.
23) Prophet Jeremias.
24) Prophet Ezechiel.
25) Prophet Daniel. Hinten eingeritzt daniel.
26) Prophet Hosea.

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Flügel zur Linken.
Unten.

27) S. Simon Ap. (Säge).
28) S. Judas Thaddäus Ap. (Keule).
29) Prophet Joel.
30) Prophet Amos.
31) Prophet Obadja.
32) Prophet Jona.

Flügel zur Rechten.
Oben.

33) S. Maria Magdalena. Salbenbüchse.
34) 35) 36) Die Heil. Drei Könige, in verschiedenen Lebensaltern.
37) S. Georgius im Harnisch (Lanze).
38) S. Ursula. Geschlossenes Buch.

Flügel zur Linken.
Oben.

39) S. Elisabeth. Brot und Fischteller.
40) S. Michael. Drache.
41) S. Stephanus, Diakon. Steine auf dem Arme.
42) (S. Erasmus). Bischof mit Bischofstab.
43) S. Laurentius, Diakon. Buch. (Rost).
44) Prophet Micha.

Die Krönungsleiste,

welche ungefähr 1 Fuß hoch ist, hat kein hohes Laubwerk zur Krönung, sondern besteht aus Quadraten, welche abwechselnd eine durchbrochene gothische Rosette und in einem runden Rahmen ein Brustbild enthalten.

Ueber dem Mittelstück stehen:
rechts:

die 5 klugen Jungfrauen, mit

aufgerichteten Lampen.
links:

die 5 thörichten Jungfrauen, mit

umgekehrten Lampen.

Die Lampen haben Glockenform.

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Ueber den Flügeln stehen:

10 Propheten, welche Spruchbänder mit ihren Namen in den Händen tragen:

   Zur Rechten:
1) Jesaias.
2) Jeremias.
3) Hesekiel.
4) Daniel.
5) Hosea.
   Zur Linken:
6) Joel.
7) Amos.
8) Obadja.
9) Jona.
10) Micha.
Die Predelle,

welche ungewöhnlich schön construirt ist, enthält 12 Nischen, in denen Figuren sitzend dargestellt sind. Die meisten sind Kirchenväter, deren Namen hinter den Figuren in gleichzeitiger Schrift auf dem Kreidegrund geschrieben stehen und auch mit der römischen Schrift des 16. Jahrh. in Gold auf den Fußboden gemalt gewesen, aber in jungen Zeiten leicht schwarz übermalt worden sind, jedoch so daß die Schrift zum Theil noch leise durchschimmert. Außerdem halten alle Figuren, mit Ausnahme der Jungfrau Maria, ein Band mit einem Spruche in gothischer Minuskel in den Händen, welche alle leider übermalt sind, an manchen Stellen unleserlich, auch oft stark abgekürzt, daher oft nicht ganz sicher aufzulösen und zu erklären 1 ).

In der Mitte der Ansicht sitzt:

1) die Jungfrau Maria, ohne Spruchband, mit einem geschlossenen Buche in der Hand.


1) Ich Verdanke eine festere Bestimmung mancher Stellen in diesen schwierigen Sprüchen dem Herrn Consistorialrath Professor Dr. Krabbe zu Rostock, welcher, nachdem ich ihm alle Spruchbänder mitgetheilt, mit großer Arbeit und Gelehrsamkeit manches Dunkle aufgeklärt hat. Die vorhandenen Schriftzüge mußten aber dabei respectirt werden.
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Vor ihr, links in der Ansicht, sitzt:

2) ein Engel mit Spruchband

Spruchband

Zur Rechten des Engels, von der Rechten nach der Linken hin in der Ansicht, sitzen:

3) S. Gregorius ( S. Gregorius ), mit einer Kappe auf dem Kopfe. Spruchband:

Spruchband

Das ganz fehlende Wort gracia ist nach dem Vorschlage des Herrn Professors Krabbe aufgenommen, da "Origines in seinen Schriften ausführlich von der doctrina de gratia handelt und der Gedanke auch seiner dogmatischen Stellung entspricht."

4) S. Hieronymus ( S. Hieronymus ), mit Cardinalshut. Spruchband:

Spruchband

5) S. Augustinus ( S. Augustinus ), mit Bischofsmütze. Spruchband:

Spruchband

Das zweite Wort war sehr undeutlich (  ) übermalt. Nach Krabbe's Forschung ist wohl sicher  zu lesen, "da dieses Wort vielfach in den dogmatischen Ausführungen Augustins vorkommt und der Gedanke seiner dogmatischen Auffassung entspricht."

6) S. Ambrosius ( S. Ambrosius ), mit Bischofsmütze. Spruchband:

Spruchband

Es kann nicht anders ergänzt werden, als  da im Original ohne Verständniß  , übermalt war.

7) S. Origenes ( S. Origenes ), mit Kappe auf dem Kopfe. Spruchband:

Spruchband

Zur Linken der Jungfrau Maria, von der Linken nach der Rechten hin in der Ansicht:

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8) Johannes der Täufer, mit der Rechten auf ein Lamm zeigend. Spruchband:

Spruchband

9) S. Dionysius ( S. Dionysius ), als Bischof, seine abgehauene Stirn mit der Bischofsmütze im Arme haltend. Spruchband:

Spruchband

An der letzten Stelle würde  vielleicht besser passen; aber es stand deutlich  im Original.

10) S. Chrysostomus, als Bischof. Die Hinterschrift des Namens fehlt; es ward jedoch Chrysostomus vermuthet und endlich auch der Name S . CHRYSOSTOMVS durch die schwarze Uebermalung des Fußes durchschimmernd entdeckt.

Spruchband

Das vierte Wort ist im Original durchaus nicht zu lesen und Herr Professor Krabbe hat keinen ähnlichen Spruch bei Chrysostomus finden können. Da nun im Original  oder  zu stehen schien, so habe ich nur  lesen können und aufnehmen zu müssen geglaubt.

11) S. Bernhardus ( S. Bernhardus ), als Mönch, mit Tonsur. Spruchband:

Spruchband

Wenn auch im Original die ersten Worte dunkel sind, so werden doch die Worte  nach Sirach 21, 2 richtig sein.

12) S. Benedictus ( S. Benedictus ), in Mönchstracht, mit Kappe. Spruchband:

Spruchband

Das erste Wort, welches im Original ohne Verständniß  geschrieben ist, ist, auch im Einverständnisse mit Krabbe, wohl  zu lesen, da auch die "Vulgata" diesen Ausdruck immer gebraucht. Die Schreibung  im Original statt  war offenbar falsch.

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Die Gemälde auf den Rückseiten der Flügel

sind gut gemalt und noch gut erhalten. Jede Tafel hat in 2 Reihen übereinander je 3 Bilder, die ganze Fläche der zugeklappten Flügel also 12 Bilder. Je 3 Bilder stellen ein bestimmtes biblisches Ereigniß dar, und zwar in der Ansicht folgende Hauptgruppen je von 3 Bildern.

A. Die Schöpfung. B. Der Sündenfall.
C. Die Erzväter. D. Die Geburt Christi.
(Verheißung.) (Erlösung.)

In den beiden ersten Gruppen ist Gott immer als "Gott Sohn" d. h. mit einem jugendlichen, Christo ähnlichen, Gesicht dargestellt.

A. Die Schöpfung.

1) Schöpfung der Pflanzen (1. Mos. 1, 12): Gott segnet Gras, Kraut und Bäume.

2) Schöpfung der Thiere (1. Mos. 1, 25): Gott segnet viele vierfüßige Thiere und Vögel.

3) Schöpfung des Menschen Adam. Gott segnet Adam, der noch halb in der Erde sitzt (1. Mos. 1, 26 u. 2, 7).

B. Der Sündenfall.

4) Schöpfung des Weibes Eva (1. Mos. 2, 21).

5) Warnung vor dem Sündenfall (1. Mos. 2, 17 und 3, 3).

6) Sündenfall am Baum des Erkenntnisses (1. Mos. 3, Vers 6).

C. Die Erzväter (die Verheißung).

7) Abraham will Jsaak opfern (1. Mos. 22, 10-12). Ein Engel halt Abrahams Arm mit dem Messer zurück.

8) Jsaak schickt seinen Sohn Esau zur Jagd aufs Feld (1. Mos. 27, 3). Jsaak sitzt mit geschlossenen ("dunkeln") Augen (1. Mos. 27, 1), hinter ihm Rebecca, vor ihm steht ein Jäger mit "Köcher und Bogen".

9) Jacob wird von Jsaak gesegnet (1. Mos. 27, 23 und 25). Jsaak, in derselben Gestalt mit geschlossenen Augen, hält eine Schüssel mit einem gebratenen Vogel und umarmt einen jungen Menschen, Jacob, der von der Rebecca hereingeführt wird.

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D. Die Geburt Christi (die Erlösung).

10) Verkündigung Maria. Maria knieet vor einem Betpult. Der Engel hält ein Spruchband:

Spruchband

11) Geburt Christi. Das Christkind in der Krippe. Maria und Joseph.

12) Anbetung der Heil. Drei Könige. Der jüngste ist nicht schwarz.

 

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III. Zur Siegel und Wappenkunde.


Spuren der Thiersage auf mittelalterlichen Siegeln.

Im Jahre 1319 wurden sämmtliche Pfarren und auch sonstige geistliche Lehne des Bisthums Ratzeburg unter der Leitung M. Peters, des Pfarrers zu Schönberg, abgeschätzt. Im Geh. und Haupt=Archiv zu Schwerin und im Archiv des Stifts Ratzeburg zu Neustrelitz wird noch eine große Anzahl von jenen kleinen Pergamenten aufbewahrt, auf denen die einzelnen Pfarrer ihre jährlichen Einkünfte beurkundet haben. Manche von diesen Priestern führten selbst ein Siegel, andere ließen ihre "Taxa" durch M. Peter besiegeln, noch andere ersuchten einen benachbarten Amtsbruder, der im Besitz eines Siegels war, um solchen Dienst.

Alle uns erhaltenen Taxen sind nun bereits im sechsten Bande des Meklenburgischen Urkunden=Buches abgedruckt. Aber des anhangenden Siegels wegen wiederholen wir hier die daselbst unter Nr. 4119 zu findende Taxe der bei Klüz gelegenen Pfarre Elmenhorst aus dem Original auf Pergament im Archiv zu Neustrelitz. Sie lautet so:

Ego Gerhardus, rector ecclesie in Helmhorst, recognosco, beneficium meum annuatim residenti valere XVI 1/2 marcas Lubicensis monete de mansis, de altari vero XII marcas slauicalis monete. Sigillo carui, et ob hoc sigillo domini Gotscalci Lupi, rectoris ecclesie de Clutze, sum vsus.

Das Meklenb. Urkunden=Buch giebt hiezu die Bemerkung: "An dem aus dem Pergamente geschnittenen Bande hängt ein parabolisches Siegel, auf dem ein stehender Mann mit einem Krückenstabe (St. Antonius?). Die Umschrift ist nicht zu erkennen."

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Bei dieser Siegelbeschreibung ist aber ein Irrthum untergelaufen.

Siegel

Das (oben verletzte) parabolische Siegel, welches an der Elmenhorster Taxe hängt und nach der Angabe des Elmenhorster Pfarrers Gerhard das Siegel des Klüzer Pfarrers Gottschalk Wulf sein soll, zeigt nicht einen Mann mit einem Krückenstabe, sondern vielmehr, wie man auch aus dem hieneben stehenden Holzschnitt, der nach des Geschichtsmalers Milde zu Lübek vom Original genommener getreuer Zeichnung angefertigt ist, ersehen kann, einen nach menschlicher Weise aufgerichteten Wolf, der an einem in der linken Tatze gehaltenen Krummstab nach links hin schreitet und mit der rechten Tatze einen Vogel am Halse fortträgt. Der Vogel ist nicht mehr genau zu bestimmen; er kann, da man auf dem Kopfe keinen Kamm wahrnimmt, für einen Hahn nicht angesehen werden, wahrscheinlich soll er eine Gans sein.

Von der Umschrift ist es mir so wenig wie Milde gelungen, die ersten 4 oder 5 erhaltenen, aber etwas verschobenen Buchstaben mit Sicherheit zu entziffern; dann aber sieht man klar: Umschrift -. Der nächste Buchstabe ist verstümmelt, wie ihn der Holzschnitt zeigt, man kann ihn als K oder R oder B ergänzen, und die nächsten sind nicht mehr sicher zu lesen.

Für diese Angaben glaube ich um so mehr einstehen zu können, da nicht nur Herrn Milde's geübtes Auge ganz dasselbe gesehen hat wie ich, sondern auch Herr Geh. Archivrath Dr. Lisch und Herr Archivrath Dr. Beyer meiner Auffassung beigetreten sind. Zu bedauern bleibt übrigens, daß ein zweiter Abdruck dieses Siegels, welcher an der von "Gotscalcus dictus Lupus, rector ecclesie parrochyalis in Clutze", ausgestellten Taxe der Pfarre zu Klüz 1 ) gehangen hat, gänzlich abgefallen und verloren gegangen ist. Vielleicht hätte uns dieser zu Anfang der Umschrift noch die Buchstaben Umschrift gegeben und uns der Mühe überhoben, den Schluß durch eine Conjectur zu ergänzen. Wahrscheinlich gehen wir aber nicht fehl, wenn wir die ganze Umschrift so verstehen:

Umschrift

Denn einmal ist uns im Bisthume Ratzeburg kein anderer Ort bekannt, der mit  anhöbe, zum andern aber


1) Abgedruckt im Meklenb. Urkunden=Buch VI, Nr. 4120.
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war Schwarzenbek im Lauenburgischen im 13. und 14. Jahrhundert im Besitze eines ritterbürtigen lauenburgischen Geschlechtes Wulf. Der lauenburgische Ritter Albert Wulf, welcher von 1288-1325 in Urkunden erscheint und am sachsen=lauenburgischen Hofe sehr angesehen war, auch 1308 als herzoglich sächsischer Commissar an der Wahl Heinrichs von Luxemburg zum deutschen König Theil genommen hat 1 ), wird mitunter geradezu auch Albert Wulf von Schwarzenbek oder Wulveke von Schwarzenbek genannt 2 ).

Ein Siegel dieses Ritters habe ich leider nicht beschrieben oder abgebildet gefunden; doch ist anderweitig bekannt, daß das lauenburgische Rittergeschlecht Wulf zu jenen lauenburgischen Familien (Scharpenberg, Züle etc. .) gehörte, die einen Stral im Schilde führten. Das Schildsiegel des Detlev Wulf vom J. 1302, welches bei Milde, Siegel des Mittelalters H. VI. auf Taf. XIII unter Nr. 185 abgebildet ist, enthält einen rechtsgewendeten geschachten Stral, und auf dem Helmsiegel Eckhard Wulfs vom J. 1384 (ebendaselbst unter Nr. 186 dargestellt) sehen wir den Helm mit einem Stral geziert.

Von diesem Wappenbilde weicht nun freilich das Siegelbild des Pfarrers Gottschalk Wulf weit ab; aber aus dieser Verschiedenheit folgt noch keine Berechtigung die Annahme zu verwerfen, daß jener Pfarrer aus der Familie der Wulf von Schwarzenbek stammte, vielleicht auch ursprünglich in Schwarzenbek oder anderswo eine Vicarei verwaltete und sein altes Siegel nicht nöthig fand durch ein neues zu ersetzen, als er die Pfarre zu Klüz erlangte. Denn abgesehen davon, daß Geistliche mitunter sogar eine Wappenfigur führten, die nicht die ihres Geschlechts war 3 ), war es ja ganz gewöhnlich, daß Cleriker in älterer Zeit ihr Wappen gar nicht ins Siegel aufnahmen, sondern dafür ein Heiligenbild, oder etwa einen Kelch, oder ein Rauchfaß, oder ein anderes heiliges Geräth zum Siegelbilde wählten.


1) Lupus de Swartenbeke, miles[Abb]. Siehe Schlesw.=Holst.=Lauenb. Urkunden=Sammlung II, S. 69.
2) Albertus Lupus, miles, 1288 (Schlesw. Holst. Lauenb. Urk.=Samml. I, S. 128; Meklenb. Urk. Buch III, S. 326); Albertus Lupus, 1289 (Meklenb. Urk.=Buch III, S. 342); Wlueke de Swartenbeke, 1291 (Lüb. Urk.=Buch I, 516, 522; Meklenb. Urk. Buch III, S. 408, 420); Albertus Lupus, miles, 1294 (Meklenb. Urk.=Buch III, S. 537); Albertus Wulf, 1296 (das. S. 644); Albertus Lupus de Swartenbeke, 1296 (Schlesw. Holst.=Lauenb. Urk.=Samml. I, 529); Albertus Wolf de Swartzenbeke, miles, 1325 (das. II, S. 56); Wulff de Swartenbeke, miles, 1325 (das. II, S. 63).
3) S. Wigger, Gesch. der Familie von Blücher I, S. 190.
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Immerhin aber bleibt es merkwürdig genug, daß der Priester Gottschalk Wulf gerade darauf verfiel, statt einer Heiligenfigur oder eines ähnlichen Bildes, ein Thierbild, einen Wolf, zu wählen, der an einem Krummstabe einherschreitet und eine Gans davonträgt. Dieses Bild unterscheidet sich selbst noch wesentlich von solchen Siegeln, die uns einfach eine Scene aus dem Thierleben vorführen, etwa einen Fuchs mit einer Gans oder einem Hahn im Maule auf dem Schilde oder auf dem Helme 1 ).

Siegel

Merkwürdiger als letztere erscheint uns allerdings schon das aus dem Meklenb. Urk.=Buch Bd. VIII, S. 470, hieneben wiederum abgebildete Siegel des Burchard Wulf (aus dem östlichen Meklenburg), welches der Knappe Heinrich Wulf statt des seinigen an eine Urkunde gehängt hat, die Heinrich und Segeband Thun am 17. Octbr. 1334 für das Kloster Dargun ausstellten 2 ). Auf diesem Siegel sehen wir hinter dem Wappenthiere, dem steigenden Wolf, im linken oberen Schildwinkel noch einen Mann in langen Kleidern mit einem Stabe in der Rechten. Doch ist diese Figur im Hintergrunde zu undeutlich, als daß sie sich ohne anderweitige Analogien befriedigend erklären ließe.

Der Krummstab in der Tatze des nach menschlicher Weise einherschreitenden Wolfes mit der Gans beweist deutlich genug, daß auf dem Siegel des Priesters Gottschalk nicht Thierleben veranschaulicht, sondern eine Thiersage dargestellt werden sollte.

Wenn man erwägt, daß in der Thiersage des Mittelalters die Geistlichkeit nicht eben respectvoll behandelt wird, mag es immerhin befremden, aber es ist Thatsache, daß die Geistlichkeit die Thiersage liebte; sonst wäre es nicht zu erklären, daß diese so häufig in den Kirchen als Ornament verwendet ist. Um einige Beispiele aus nächster Nähe anzuführen 3 ), war - nach Dr. Crull's Mittheilung - an den Chorschranken zu St. Marien in Wismar noch vor 50 bis 60 Jahren ein Medaillon zu sehen, auf welchem der Fuchs


1) Hildebrand, Herald. Musterbuch, Taf. XIX, Fig. 23, 27, 29.
2) Meklenb. Urk.=Buch VIII, Nr. 5544.
3) Ueber im Straßburger Münster angeblich 1298 "in Stein gehauene Thiergestalten, die offenbar zu der Fabel von Reinhart gehörten", vgl. J. Grimm, Reinhart Fuchs, S. CCXVIII.
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dargestellt war, wie er den Gänsen predigt. In Lübek sind - nach Milde's Angabe - bei den Dominicanern (in der Burgkirche) an den Kragsteinen Scenen aus der Fuchsfabel angebracht, und auf den Schlußsteinen der Bögen unter dem Chor der Katharinenkirche finden sich die drei Darstellungen, wie der Fuchs mit Stab und Kapuze vier Gänsen predigt, wie ihn zwei Gänse am Galgen emporziehen, und wie er mit einer Gans im Maule davonläuft, während eine andere Gans auf dem Rücken am Boden liegt 1 ). Also auch hier wieder der predigende Fuchs! Das merkwürdigste Zeugniß aber für die Beliebtheit und die Verbreitung der Fuchsfabel in unsern Gegenden, lange bevor (1498) das Thierepos Reineke de Vos niederdeutsch zu Lübek herauskam, liefert jedenfalls die von Milde im ersten Bande der Zeitschrift für Lübekische Geschichte und Alterthumskunde abgebildete und erläuterte (nach den Wappen auf den Säumen zu schließen, wohl aus dem Hause der Grafen von Holstein stammende) gestickte Altardecke aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts mit einer Reihe von Darstellungen aus der Fuchssage. Hier sehen wir abermals den Fuchs, wie er, bekleidet mit einer Kapuze, den Krückstock in der Linken, dreien Gänsen predigt, und daneben das Bild, wie er mit einer Gans im Maule davon läuft.

Man könnte darum, ohne eine Anschauung unsers Siegels, wohl versucht sein, anzunehmen, daß auch Gottschalk Wulf diese anscheinend sehr beliebte Darstellung gewählt habe; denn in der That sind auf den Siegeln Fuchs und Wolf ja oft sehr schwer zu unterscheiden. Aber, wie der oben abgebildete Holzschnitt zeigt, ist hier der Typus des Wolfes ganz unzweideutig und unverkennbar ausgeprägt, das Thier führt überdies - abweichend von jenen Darstellungen - hier den Krummstab und hält auch die Gans nicht im Rachen; und selbst wenn das Bild auch weniger klar wäre, würde es schon des Namens wegen auf einen Wolf zu deuten sein. Man darf nun aber nicht etwa annehmen, der Pfarrer von Klüz habe einfach das Thier, dessen Namen er trug, dem Fuchs substituirt, vielmehr liegt die Deutung näher, daß er seine eigene Person in humoristischer Weise bildlich als Wolf darstellte, und zwar unter Anleitung der Thiersage, zu deren ältesten Bestandtheilen die Darstellung des Wolfes als Mönch gehörte.


1) Zeitschr. des Vereins f. Lüb. Gesch. I, S. 127.
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Schon in einem lateinischen Gedichte des 10. Jahrhunderts, der Ecbasis cujusdam captivi per tr[o]pologiam 1 ), wird vom "Meister" Wolf erzählt, daß er bereits fast 8 Jahre ein Mönchsleben geführt und seit drei Monaten kein süßes Fleisch gekostet hat, dann aber, wie er seine geistlichen Lieder durch den Wald hin singend ein verirrtes Kalb antrifft, dieses am nächsten Morgen zu verzehren beschließt. Indessen der Stier und seine Genossen belagern ihn, der Fuchs lockt ihn mit List aus seiner Höhle im Wasgau, und der Stier stößt ihn nun nieder. Eine weitere Spur von dem Mönchthum des Wolfes findet sich im Luparius aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts 2 ); im Isengrimus (aus dem 12. Jahrh.) nennt (V. 613) der Bock den Wolf spöttisch einen Abt. Im Reinardus läßt sich Isengrim vom Fuchse eine Tonsur scheeren und ins Kloster Blandinium führen, aber wegen seiner üblen Aufführung ertheilen die Mönche ihm spöttisch mit Schlägen und Stößen die Weihe, so daß er entflieht 3 ). Endlich findet sich im Reinaert von Willam die Matoc, einem flandrischen Dichter des 13. Jahrhunderts, die Beichte des Fuchses, und namentlich seine Erzählung, wie er Isengrim im Kloster Elemar zum Mönch gemacht und ihm dann die schlimmsten Abenteuer bereitet hat (V. 1486 f.), schon ebenso, wie wir sie aus der 1498 gedruckten niedersächsischen Bearbeitung, dem Reineke Vos (I. 17), kennen.

Die Geschichten, welche Reineke aus dem Mönchsleben Isengrims mittheilt, eigneten sich natürlich nicht für ein Siegelbild. Ueberhaupt zeigt uns das in Rede stehende Siegel wohl kaum ein einzelnes Abenteuer 4 ), vielmehr stellt der Pfarrer Gottschalk Wulf den Wolf einfach dar, wie er als Mönch vom Einsammeln zurückkehrt; sein Rachen ist schon geöffnet, Isengrim kann kaum die Zeit erwarten, wo er seinen heimgebrachten Fang verzehren mag. -

Auf diese Betrachtungen über ein Siegelbild aus der Thiersage mögen nun noch einige Bemerkungen folgen über die vielleicht gleichfalls aus der deutschen Thiersage zu deutende Wappenfigur eines alten meklenburgischen Adelsgeschlechts, der von Bellin.


1) Grimm und Schmeller, Lat. Gedichte des X. und XI. Jh., S. 243 f.
2) J. Grimm, Reinhart Fuchs, S. CXCI.
3) Daselbst S. LXXIV.
4) Die bei Grimm, Reinhart S. 315, mitgetheilte Fabel (aus dem 13. Jahrhundert): "Der Wolf und die gense", ist anderer Art; hier erscheint auch der Wolf nicht im geistlichen Gewande.
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Dieses Geschlecht ist nicht wappenverwandt und allem Ansehen nach überhaupt nicht verwandt mit den drei brandenburgischen Familien, welche v. Ledebur in seinem Preußischen Adelslexikon (I, S. 45) behandelt hat. Von diesen letzteren führte die eine Familie (welche 1751 erloschen sein soll) "im blauen Felde Kopf und Hals eines Adlers oder Hahns", die zweite (am Ende des 17. Jahrhunderts ausgestorbene) einen "Stamm mit Blättern"; das Siegel der dritten, welche nach v. Ledebur noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. zu Fehrbellin saß, woher auch die beiden ersten stammten, war "getheilt, oben drei Schwerter, unten ein Löwe". Von diesen drei brandenburgischen Familien ist die eine dadurch, daß Jakob Heinrich v. Bellin die Erbjungfrau Katharine Barstorf heirathete, 1618 allerdings auf eine Weile auch in Meklenburg (auf Barstorf, Qualzow und Zahren) ansässig geworden; sie geht uns hier aber nicht an. Wenn dann aber v. Ledebur (S. 46) hinzufügt, daß es auch in Meklenburg verschiedene, nunmehr ausgestorbene Familien dieses Namens gegeben habe, von denen die eine drei Rosen, eine andere einen Widderkopf im Schilde führte: so wird die erste dieser beiden Angaben aus einer unzuverlässigen Quelle geflossen sein. Wenigstens ist mir nie ein Siegel der v. Bellin in Meklenburg mit drei Rosen vorgekommen, wohl aber mehrere mit dem Widderkopf.

Die v. Bellin werden bis 1273 in den meklenburgischen Urkunden nie genannt; am 5. Aug. 1273 aber erscheint zu Güstrow in der Umgebung des Fürsten Nicolaus von Werle der Ritter Johannes de Belin, und 1274 auch der Knappe Bernardus de Bellyn, der bald hernach die Ritterwürde erworben haben muß, da am 29. Juni 1277 bei den Fürsten Heinrich und Johann von Werle "milites Johannes et Bernardus fratres de Belin" als Zeugen genannt werden. Beide kommen dann nach Ausweis des Personenregisters zum Mekl. Urk.=Buch IV, B, S. 118 noch oft in werleschen Urkunden vor. Ihre Nachkommen besaßen das Stammgut Bellin (in der Herrschaft Werle, zwischen Güstrow und Krakow) noch mindestens 1424 und allem Ansehen nach bis zum Abgange des Geschlechts um die Mitte des 15. Jahrhunderts.

Das älteste bekannte Siegel dieser Familie v. Bellin ist das hieneben abgebildete

Siegel
Umschrift
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mit dem vorwärts schauenden Widderkopfe. Es hängt an einem (nach dem Original auf der Lübeker Trese im Urkunden=Buche der Stadt Lübek II, 2, S. 616 gedruckten) vom 1. Octbr. 1337 datirten Schuldbriefe des Knappen Nicolaus v. Bülow auf Zibühl, dessen Bürge "Johannes Bellyn" war; und ein zweites Exemplar dieses Siegels hat sich erhalten an einer im Klosterarchiv zu Dobbertin aufbewahrten Urkunde, welche die Fürsten Nicolaus und Bernhard von Werle am 25. Aug. 1342 zu Güstrow ausgestellt haben. Ganz dieselbe Figur führte auch noch "Clawes Bellin, wanaftich to Bellin", auf dem Schilde in seinem runden Siegel, von dem ein Abdruck an einer (im Großh. Geh. Archiv zu Schwerin befindlichen) Urkunde vom 6. Januar 1424 erhalten ist.

Dieses Wappen hat nun schon früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der um die Genealogie des meklenburgischen Adels hochverdiente v. Hoinckhusen bemerkt in seinem Manuscript (um 1740) von den meklenburgischen v. Bellin, sie hätten "nach Zeugnis derer angetroffenen alten "Siegel einen Widderkopff im Schilde geführet". "Da nun", fährt er fort, "in der vormahligen Landes=Sprache Schaff "Bellin benähmet worden, so bin der Meynung, daß sie annoch Sclavischer Abkunfft".

Ohne Zweifel hat v. Hoinckhusen Recht, wenn er den Ortsnamen Bellin für wendisch ansieht; wir finden ihn nämlich in mehreren ehemals wendischen Gegenden, in Holstein bei Lütjenburg, in der Altmark (Alt= und Neuen= oder Nieder= und Hohen=Bellin), im Brandenburgischen (Fehrbellin), ein anderes Bellin bei Königsberg in der Neumark, ein anderes bei Ukermünde. Aber ein Irrthum ist es freilich, wenn v. Hoinckhusen dem Namen die Bedeutung "Schaf" giebt. Für ein redendes Wappen möchte übrigens auch ich den Widderkopf, den die Herren v. Bellin führen, ansehen, nämlich für das Haupt des Widders in der Thiersage.

An sich ist die deutsche Deutung eines wendischen Ortsnamens gar nicht auffallend; es giebt dafür gar viele Beispiele. Der Name der Stadt Kröpelin ist ohne Zweifel ein wendischer; noch in wendischer Zeit, 1177, besaß das Kloster Doberan "Crupelin", das damals noch ein Dorf war. Die Stadt deutete hernach aber ihren Namen deutsch aus, indem sie einen auf Händen und Füßen kriechenden Krüppel (niedersächsisch kröpel) unter dem Schild mit dem Stierkopfe in ihr ältestes Stadtsiegel aufnahm 1 ). Das älteste Stadtsiegel von


1) S. die Abbildung des Siegels im Mekl. Urk.=Buch V, S. 300.
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"Godebuz" zeigt nur den Stierkopf; nachdem man aber den wendischen Namen Godebuz deutsch in Gadebusch umgedeutet hatte, nahm der Rath der Stadt, um doch auch den Busch im Siegel vertreten zu sehen - denn den Stierkopf legte man später dem Wendengötzen Radegast bei -, neben dem Stierkopf auch noch einen Busch in sein Secretsiegel auf 1 ).

Die v. Grävenitz führen bekanntlich einen Dachs auf dem Helm, weil ihr Name anklingt an das Appellativum greving, wie der Dachs im (älteren) niedersächsischen Dialekt (und namentlich auch im Reineke Vos) heißt. Dies ist also gewissermaßen eine Analogie zu dem Widderkopfe der v. Bellin; doch kann ich nicht sagen, seit wann diese Helmzier auf Siegeln erscheint. Und das mag auf den ersten Blick Bedenken gegen die obige Annahme erregen, daß schon im 13. Jahrhundert in unsern Gegenden der Widder der Thiersage den französischen Namen Belin oder Bellin (von beler=belare) geführt haben soll. Indessen kommt schon im Reinardus neben einem Widder, der den älteren Namen des Widders in der Thiersage, Joseph, führt, auch ein anderer mit dem Namen Belinus vor, im Renart heißt der Widder wiederholt Belin, und ebenso im Reinaert; der Name stand also im 13. Jahrhundert bereits längst in der Thiersage fest und wird mit dieser aus Nord=Frankreich und den Niederlanden über den Rhein nach Niedersachsen verpflanzt sein, wo, wie wir oben sahen, die Thiersage im Anfange des 14. Jahrhunderts bereits ausführlich bekannt war.

Ist unsere Annahme richtig, so enthält also auch das Wappen der Herren von Bellin eine Spur der Thiersage aus dem Mittelalter. Zur Gewißheit läßt sich freilich diese Vermuthung nicht erheben; es würde darauf ankommen, ob sie sich durch analoge Erscheinungen stützen läßt. Der Gegenstand erschien dem Verfasser interessant genug, um die Aufmerksamkeit der Sphragistiker auf denselben zu lenken; weiter bezwecken diese Andeutungen nichts. Mittheilungen über andere Spuren der Thiersage auf Siegeln würden sehr willkommen sein.

Schwerin.

Dr. F. Wigger.     



1) Beide Siegel sind abgebildet im Mekl. Urk.=Buch I, zu Nr. 315.
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Die Spitze im Schilde
adeliger Familien.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Die jetzige Familie Behr=Negendank in Neu=Vorpommern und Meklenburg, in welcher sich die im Mannesstamme erloschene Familie Negendank fortsetzt, ebenso die jetzige Familie v. Plüskow, in welcher die ebenfalls im Mannesstamme ausgestorbene alte Familie gleichen Namens fortgepflanzt ist, führen jetzt und auch sonst in den Zeiten der neuern Geschichte im Schilde eine quer gelegte sogenannte Spitze, d. h. ein spitzwinkliges, gleichschenkliges Dreieck, welches sich mit der Basis an den einen, mit der Spitze an den andern Schildesrand lehnt, und zwar mit drei Farben: golden, silbern, roth, so daß jede der drei Abtheilungen des also getheilten Schildes eine andere Farbe hat. Es war die Richtigkeit dieser Eintheilung und der Farben wohl schon hin und wieder bezweifelt; denn wenn die Spitze eine Wappenfigur ist, mit welcher der Schild belegt ist, so kann die Schildfläche sachgemäß nur Eine, der ganze Schild also nur zwei Farben haben.

Die Herausgabe des Meklenburgischen Urkunden=Buches, welches auch die ältesten Siegel in getreuen Abbildungen aufnimmt, gab Veranlassung zu umfassenden Forschungen, als die ältesten Siegel der Familie Negendank zur Untersuchung und Abbildung kamen.

Siegel

Das Ergebniß der Forschung war, daß die Annahme von der Belegung des Schildes mit einer Spitze unrichtig ist. Die ältesten Negendankschen Siegel im Staats=Archive zu Schwerin sind die Siegel der Brüder Eckhart und Dethlev Negendank, Ritter, vom 17. Dec. 1329 (vgl. Meklb. Urk.=Buch VIII, Nr. 5102), von denen das Siegel des Ritters Dethlev hieneben ab=

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gebildet 1 ) ist. Hiernach führen in alter Zeit die Negendank

einen quer getheilten Schild, welcher unten wieder schräge getheilt ist, ohne Belegung mit Wappenzeichen,

sondern nur in den verschiedenen Abtheilungen verschieden gefärbt: daher die jetzigen und auch die früheren drei Farben des Schildes. Aus dieser Schrägetheilung des untern Schildestheiles ist irrthümlich die Spitze entstanden.

Im Allgemeinen läßt sich über diesen Schild sagen, daß der obere Theil nicht grade immer die Hälfte, sondern häufiger nur ungefähr ein Drittheil beträgt, also eigentlich mehr ein "Schildeshaupt" bildet, wahrscheinlich um den Abtheilungen mehr gleichen Raum zu geben, daß die Schrägetheilung bald eine linke, bald eine rechte, eine gewisse Schrägetheilung also nicht immer Regel ist und daß sich die Schraffirung, welche bekanntlich nur eine Bezeichnung der Farbe ist, sich auf verschiedenen Siegeln auf den verschiedenen Theilen des Schildes findet, endlich daß die theilende Querlinie nicht immer ganz grade ist, was allerdings zu Irrthümern führen konnte. Aber nie ist in alter Zeit eine Spitze quer auf die Mitte des Schildes gelegt.

Genau so gebildet sind im Schweriner Archive z. B. ein Siegel vom 12. Aug. 1347 und andere Siegel an jüngeren Urkunden, sowie in den Sammlungen des Vereins mehrere gute Siegel aus dem 15. Jahrh. Im Archive der Stadt Wismar ist das älteste Negendanksche Siegel vom 15. Juni 1347 das des Knappen Eckhart, auf dem die Verschiedenheit der Farben aller drei Felder bezeichnet ist: das obere ganz mit kleinen, das mittlere mit einer Ranke, das untere leer;

aus jüngeren Zeiten kommen viele Siegel in diesem Archive vor. In der Kirche zu Proseken bei Wismar, der Pfarrkirche der meisten alten Negendankschen Landgüter, kamen neben vielen alten Wandmalereien unter der Kalktünche auch mehrere alte Negendanksche Wappen zum Vorschein, so z. B. auf der Nordwand des Chores wenigstens 4 Schilde, auf dem Gewölbe der südlichen Kappe das ganze Wappen mit Schild und Helm (mit dem geharnischten Bein) und dabei die Inschrift: Umschrift Alle diese Wappen 2 ), in den


1) Diese Abbildung ist ein Geschenk des Herrn Regierungs=Präsidenten Grafen Behr=Negendank auf Semlow.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar, welcher diese Wappen vor der jüngsten "Renovirung" der Kirche gezeichnet hat.
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oben angegebenen Farben, waren genau so, wie das oben abgebildete Siegel, d. h. ebenfalls mit einer horizontalen Linie.

Gleichen Schild mit den Negendank hat die jetzt ausgestorbene alte Familie von Plüskow, nämlich einen Schild quer getheilt und in der untern Hälfte schräge getheilt, bald rechts, bald links. Die ältesten Siegel sind die der Knappen Vicke, Lüdeke und Henneke Pluschowe, Brüder, an einer Ratzeburger Urkunde im Archive zu Neustrelitz 1 ), auf denen in dem untern Abschnitt eines schräge rechts, zwei schräge links getheilt sind. Die Quertheilungslinie ist auf zwei Siegeln freilich nicht ganz horizontal, wodurch das Bild sich allerdings etwas einer Spitze nähert; dennoch kann ich die Zeichnung nicht für eine Spitze anerkennen, da sich kein regelrechtes gleichschenkliges Dreieck darin erkennen läßt. Im Archive der Stadt Wismar sind 5 Siegel der von Plüskow aus den Jahren 1436, 1465 (2) und 1496(2) vorhanden 2 ), welche alle horizontal quer getheilt sind, bald rechts, bald links, so daß der unten anstoßende Nebenwinkel auch ein rechter Winkel ist.

Gleichen Schild hatte auch die ausgestorbene Familie von Parkentin, aus dem Lauenburgischen stammend, welche unter dieser und unter der Namensform Berkentin oder Barkentin auch in Meklenburg ansässig war. Milde in seinen "Siegeln des Mittelalters", Heft 5, Taf. 9, Nr. 135 und 136, hat zwei schöne Siegel aus dem Lübeker Archive abgebildet, deren Schilde sehr klar und bestimmt horizontal quer und in der untern Hälfte schräge rechts getheilt sind; auf dem Siegel Nr. 135 sind die drei Farben durch verschiedene Zeichnungen angedeutet: oben durch Puncte in der Schraffirung, in der Mitte durch ein leeres Feld, unten durch Schraffirung ohne Puncte; auf dem Siegel Nr. 136 ist allein das mittlere Feld schraffirt. Milde beschreibt diesen Schild ganz richtig, indem er S. 87 flgd. sagt, daß "die frühern Familienmitglieder den Schild quer, unten wieder schräge rechts theilten".

Gleichen Schild haben einige alte holsteinsche Adelsgeschlechter, deren Siegel bei Milde in seinen "Siegeln des Mittelalters" abgebildet sind. In Heft 7, Taf. 16, Nr. 242, steht das Siegel des Emeke Sten, welches ebenfalls


1) Nach den Mittheilungen des Herrn Archivraths, Pastors Masch zu Demern, welcher auch Staniolabdrücke einzusenden die Güte gehabt hat. Masch ist mehr geneigt, die Figur für eine Spitze zu halten.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar.
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quer getheilt ist, jedoch sehr hoch, und unten schräge rechts getheilt ist. Hiezu sagt aber Milde S. 165, abweichend von der Blasonirung des Schildes der Parkentin, daß auf dem Schilde eine Spitze quer rechts liegt. Aehnlich ist das Wappen der von Ratlow, abgebildet bei Milde a. a. O. Heft 6, Taf. 10, Nr. 137-139, wenn auch die Bildung, auf Nr. 137 mehr einer Spitze gleicht.

So scheint es, daß alle diese Familien in alter Zeit sicher einen quer und unten schräge getheilten Schild zum Wappen haben und daß die Spitze auf dem Schilde ein Mißverständniß jüngerer Zeiten ist.

Möglich und sogar wahrscheinlich ist es, daß alle diese Familien mit demselben Schilde ursprünglich stammverwandt sind, da auch ihre alten Gütersitze nicht sehr weit von einander liegen. Und so ist es leicht möglich, daß die Stammväter der Familien Negendank und von Plüskow aus Holstein nach Meklenburg bei der Germanisirung dieses Landes eingewandert sind.


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Siegel des Bernhard Falkenberg.

Auf der Feldmark der Stadt Neu=Brandenburg ward im Sommer 1872 ein Siegelstempel gefunden, welcher in den Besitz des Herrn Gutspächters Mussäus zu Schönenkamp bei Neukalen kam. Durch die Theilnahme des Herrn Burgemeisters Hofrath Mau zu Neukalen gelangte der Verein zu der Nachricht über diesen Fund und zu Abdrücken von dem Stempel.

Das Siegel ist parabolisch oder "spitzoval", 3 1/2 Centim. hoch, von Bronze, grün gerostet und auf der Rückseite mit einem Henkel oder einer Oese versehen, wie alle Siegelstempel des Mittelalters. Im gegitterten und geblümten Felde enthält es die Darstellung Christi am Kreuze, mit der Inschrifttafel I. N. R. I., ohne Maria und Johannes. Am Fuße des Kreuzes steht ein glatter Wappenschild mit drei schraffirten oder punctirten rechten Schrägebalken. Die Umschrift lautet:

Umschrift
( Inschriftskreuz S . Bernardi Valkenberch secret.)

Nach dem Kunststyl und den Schriftzügen fällt das Siegel ungefähr in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Nach der

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Form und der Darstellung gehörte es einem Geistlichen an. Und hiernach muß man auch wohl das letzte Wort Umschrift erklären, das ich nicht anders als durch secret[arii] aufzulösen vermag, um so mehr, da in der Umschrift kein anderer geistlicher Titel vorkommt, wie sonst gewöhnlich ist. Daß das Wort secretum (Secretsiegel) heißen könnte, glaube ich nicht, da im Anfange schon S (sigillum) steht und sigillum - secretum nicht durch andere Worte getrennt zu werden pflegen, wenn sie überhaupt zusammen vorkommen.

Der ehemalige Besitzer des Siegels war also ohne Zweifel ein vornehmer Geistlicher und wahrscheinlich Geheimschreiber (Secretair), Protonotar oder Canzler eines Fürsten oder eines Bischofs. Für seine Herkunft aus vornehmer Familie zeugt der Wappenschild in so früher Zeit, dessen Wappenzeichen freilich bis jetzt noch unbekannt ist.

Ohne Zweifel gehörte der Eigenthümer zu der altadeligen Familie von Falkenberg im Lande Stargard. Es gab und giebt viele adelige Familien v. Falkenberg im mittleren und südlichen Deutschland; diese haben aber alle ein anderes Wappen, als das hier auftretende. Eine Familie v. Falkenberg saß aber auf dem Gute Falkenberg in der Altmark bei Seehausen. Diese wird dieselbe sein, welche sich in der Mittelmark, namentlich in der Gegend von Berlin, ausbreitete (vgl. Riedel Cod. dipl. Brandenb. Register). Wahrscheinlich wird diese auch dieselbe sein, welche auch in das Land Stargard zog, wie ohne Zweifel viele andere alte Familien aus der Altmark. Leider ist das Wappen dieser Familie noch nicht bekannt geworden und daher läßt sich das Wappen auf unserm Siegel durch Vergleichungen noch nicht feststellen. Auch F. Boll in seiner Geschichte des Landes Stargard, I, 1846, S. 154, führt "die von Falkenberg" unter den alten adeligen Familien des Landes Stargard auf und führt sie auf das Dorf gleiches Namens in der Altmark zurück. So viel die spärlichen Urkunden des Landes Stargard gestatten, lassen sich hier die v. Falkenberg oft als Ritter, auch als Vögte des Landes, seit dem J. 1276 bis 1465, erkennen, und zwar mit Besitzungen in der Nähe von Neu=Brandenburg zu Warlin und Neuenkirchen, auch auf Rossow. Nach den Jahrbüchern XIV, 1849, S. 243, welche F. Boll noch nicht kannte, war im J. 1449 "Claus Falkenberg erbgesessen zu Arensberg".

Gleiche Ansichten über diese Familie hat auch Latomus vom Adel des Landes Stargard, 1617, indem er sagt:

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Die Falkenberge. "Ao. 1465 haben auch zween dieses Geschlechts im Lande Stargard, nemlich Hans Falkenberg zu Werlien und Andreas zu Werlien und Neuenkirchen ihre schönen Lehngüter gehabt. Itzt aber ist ihr Gedächtniß dieses Orts erloschen, ohne daß in der Mark noch etliche wohnen und geseßen sind, deren sich einer aus dem Lande Stargard mit denen von Jasmund durch Heirahten befreundet und einen Sohn hinterlassen hat".

Eben so berichtet v. Gamm:

"Falkenberg". Diese Familie stammet aus der "Mark Brandenburg her, wovon in des Zedler's Universal=Lexicon P. IX, p. 131, mit mehreren nachzulesen. Sie hatten sich vor verschiedenen Jahrhunderten nach der Herrschaft Stargardt gewandt und dorten einige Lehne erhalten, sind aber mit Ausgang des XV. Seculi erloschen. Vid. Latomi Beschreibung des Stargardischen Adels".

Die Familie muß am Ende des 15. Jahrh. in Meklenburg ausgestorben sein, da seit dem Anfange des 16. Jahrh. der Name nicht mehr genannt wird.

Der hier zur Frage stehende Bernhard Falkenberg wird also zu dieser Familie gehören und sein Wappen das Wappen derselben Familie sein.

G. C. F. Lisch.     


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Doppelsiegel des Hans von Graften.

Der Herr Gehrtz zu Schwerin fand auf dem Schweriner Stadtfelde beim Lankower See ein mittelalterliches Doppelsiegel aus Bronze aus dem 15. Jahrhundert und schenkte dasselbe dem Vereine. Das größere, runde Siegel hat im Felde eine Hausmarke und die Umschrift:

Umschrift

das kleinere, runde Siegel hat nur dieselbe Hausmarke. Der erste Buchstabe des Namens Umschrift ist etwas undeutlich. Der Name ist überhaupt nicht bekannt.

G. C. F. Lisch.     


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Siegel des Johann Suneke zu Wismar.

In Wismar ward auf dem Kirchhofe der St. Marienkirche ein altes bronzenes Siegel in Form eines "Petschaftes" mit 2 runden Platten, eine unten und eine oben (ein Doppelsiegel), gefunden. Die untere größere Platte enthält in einem Kreise eine Hausmarke, bestehend aus zwei ins Andreaskreuz gelegten Stäben, von denen der eine glatt, der andere ebenfalls glatt, aber am oberen Ende mit einem kleinen Haken versehen ("Zainhaken") ist. Die obere kleinere runde Platte hat dieselbe Hausmarke, ohne Inschrift. Die untere größere Platte hat die Umschrift:

Umschrift

Der Name Suneke kommt, nach den Mittheilungen des Herrn Dr. Crull zu Wismar, zwischen 1430 und 1490 in Wismar vor.

G. C. F. Lisch.     


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Siegel des Hermann Stihk.

Bei Stargard in Meklenburg=Strelitz ward bei den sogenannten Tilly=Schanzen ein bronzener Siegelstempel gefunden. Das Siegel ist rund und enthält einen stehenden Schild mit einer schwer zu deutenden Figur, welche ich für eine Tasche oder einen Beutel halten möchte; die Umschrift lautet:

Umschrift

Nach dem Styl der Buchstaben fällt das Siegel ungefähr in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Eine Familie Stihk (oder Stich) ist bisher in Meklenburg ganz unbekannt gewesen. Der Herr Karl Krull zu Stargard war in dem Besitz des Siegels.

G. C. F. Lisch.     

 

Vignette
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IV. Zur Naturkunde.


Ringförmige Feuersteine.

In den Jahrbüchern XXXVIII, oben S. 101, sind die merkwürdigen, großen, ringförmigen Feuersteine besprochen, welche sich vorzüglich an den Kreideufern der Insel Rügen finden und hier noch heute zu Schiffsankern gebraucht werden, in alten Zeiten aber auch zu Vorbildern für künstlich gearbeitete Anker dieser Art benutzt wurden. Man hält diese immer ähnlichen Steine jetzt für Petrefacten und nennt sie wohl "Schwammkorallen, Spongia annulus." (Nach Puggard; vgl. E. Boll: Die Insel Rügen, S. 81.)

In Meklenburg sind diese ringförmigen Feuersteine bisher noch gar nicht oder doch gewiß nur sehr selten beobachtet worden. Desto willkommener ist das Geschenk gewesen, welches der Herr Kammer=Ingenieur von Haften zu Bützow den Schweriner Sammlungen mit einem seltenen Exemplare gemacht hat, welches in der Gegend von Bützow gefunden ist.

Dieses vollständige, wohl erhaltene Exemplar, 102 Pfund schwer, ist an Gestalt etwas abweichend von den gewöhnlich vorkommenden, da es viel höher ist. Das Stück ist nicht flach, sondern hoch und hat eine nach oben und unten hin etwas zugespitzte cylindrische Gestalt, welche ziemlich regelmäßig ist; es gleicht ganz einer cylindrischen Urne der Bronzezeit mit einem etwas ausgedehnten scharfen Bauchrande in der Mitte und ist daher auch für ein Gefäß gehalten. Der Stein hat eine Höhe von 14 Zoll Hamburger Maaß, einen Durchmesser von 15 Zoll im Bauche, 10 Zoll im untern Rande und 9 Zoll im obern Rande. Genau durch die Mitte von oben nach unten geht ein regelmäßiges, etwas gewundenes, rundes Loch von 4 Zoll Durchmesser. Der Umfang des Bauches mißt 4 1/4 Fuß. Ein sehr seltenes Stück, wie dergleichen sehr selten in eine Sammlung kommt.

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Durch die Fürsorge des Herrn Baumeisters Luckow zu Schwerin erwarb der Verein ein zweites Exemplar, welches im Herbst 1872 auf Paulshöhe bei Schwerin beim Ausgraben der Kellerräume für die neue Bierbrauerei in einer Tiefe von 28 Fuß im Diluvialsande gefunden ward. Dieses Exemplar, welches noch ganz mit Kreide überzogen ist, ist freilich kleiner, als das Bützowsche, aber doch immer noch groß und dabei ziemlich klar in der Form und regelmäßig ausgebildet.

Im März 1873 schenkte der Herr Baumeister Luckow noch ein Exemplar, welches früher ebendaselbst bei Schwerin in einer stark mit Feuersteinen durchzogenen Diluvial=Sandschicht etwa 18 Fuß tief mit vielen anderen Geschieben ausgegraben ist, Dieses Stück, welches sehr merkwürdig ist, ist nur ein Bruchstück eines ungewöhnlich großen und hohen Exemplars, vielleicht 1/5 des Ganzen, aber noch klar und erkennbar. Das Exemplar ist der Länge nach durchspalten. Das noch vorhandene Bruchstück ist 94 Pfund schwer, und 33 Centimeter (11 Zoll Hamb. Maaß) lang oder hoch und 35 Centimer (15 Zoll) breit. Die Masse ist dunkelgrauer Feuerstein. Das frühere Ganze ist nicht allein gespalten, sondern auch auf der Außenfläche vielfach zerstoßen, so daß diese in Vermengung mit der zum Theil noch anhaftenden Kreide fast aussieht wie ein Conglomerat oder wie ein "Französischer Mühlstein." Die Gewalt, welche zur Diluvialzeit diese Zertrümmerungen hervorgebracht hat, muß ungeheuer gewesen sein. Die Spaltung der Länge nach ist so geschehen, daß noch ein Theil des Loches, welches die ringförmige Gestalt gebildet hat, in seiner ganzen Länge vorhanden ist. Dieses Loch ist 16 Centimeter breit und noch ganz mit Kreide fest belegt; es lassen sich darin 2 Querwülste erkennen. Es geht aus dieser Erscheinung wieder hervor, daß die Ringsteine auch im Diluvium Meklenburgs (aus der Kreide) vorkommen; es ist aber doch merkwürdig, daß so wenig Exemplare im Lande vorhanden sind und gefunden werden, und daß man schon früh, vielleicht nach Rügens Vorgange, zu Nachbildungen schritt.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthiergehörne von Dämelow.

Der Herr von Storch auf Dämelow schenkte mehrere auf seinem Gute Dämelow bei Kleinen gefundene Rennthiergehörne:

1) eine Rennthierstange, welche in einer von Lehmhügeln umgebenen Modergrube mindestens 10 bis 12 Fuß tief aus der untersten Schicht des Moders hervorgeholt ist. Es ist nicht mehr ganz vollständig, da die Krone oder Schaufel fehlt. Das noch vorhandene Stück der Stange ist von der Rose an 45 Cent. oder 18 Zoll lang. Die Stange, welche alle sichern Zeichen eines alten Rennthiergeweihes hat, ist nur dünne, also wahrscheinlich von einem jungen Thiere, glatt und ohne Perlen, auf der Oberfläche mit Furchen für die Blutgefäße versehen, sehr fest und gelblichgrau von Farbe, wie alle im Lande gefundenen alten Rennthiergeweihe.

Herr von Storch schenkte ferner:

2) eine ebenfalls zerbrochene, eben so lange, aber starke Rennthierstange, welche in einem Torfmoor zu Dämelow gefunden und grau von Farbe ist, und

3) ein Bruchstück von einem Rennthiergeweih von einem jungen Thier, von der Rose an 24 Cent. lang, welches in demselben Torfmoor gefunden und dunkelgrau von Farbe ist.

Außerdem sind in demselben Torfmoor mehrere Stangen, Enden und gespaltene und angearbeitete Bruchstücke von Hirschhorn, Rehbockgehörne, Feuersteinsplitter u. s. w. gefunden, so daß hier ein Pfahlbau angezeigt zu sein scheint.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthiergeweih von Waren.

In den Meklenburg. Anzeigen 1872, Nr. 285, ward berichtet, daß das Maltzansche Museum zu Waren in den Besitz einer Geweihstange vom Rennthier gekommen sei. Auf Anfrage hat der Herr Gymnasiallehrer Struck zu Waren die Güte gehabt, folgende Aufklärung darüber zu geben: "Die Rennthierstange ist 1838 oder 39 von dem verstorbenen Conrector Wennmohs in einem Torfmoor Waren's in

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einer Wiesenkalkschicht über 10 Fuß tief gefunden 1 ). Es ist eine Stange der rechten Seite, stark gebogen, von glatter Oberfläche und gelblichgrauer Färbung. Längs derselben zeigen sich noch deutlich die Furchen der Blutgefäße. Nur oben zeigt sie Verwitterung, sonst ist sie sehr fest, und unten noch mit einem Schädelrudiment versehen. Von dem Rosenstock mit den einzelnen Perlen ist wenig mehr als ein Wulst zu sehen. Sie wiegt 2 Pfund 270 Gr. und ist 94 Cent. lang."

Diese Stange gleicht also ganz der schönen Rennthierstange, welche bei Güstrow unter gleichen Verhältnissen 14 Fuß tief in Wiesenkalk gefunden ist und dieselbe Farbe hat; vgl. Jahrb. XXVI. S. 298.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthierhörner von Wiek und Oettelin.

Der Herr Forstmeister Mecklenburg zu Wabel, früher zu Oettelin, hat mir mit Kenntniß und glaubwürdig Nachricht von der Auffindung von Bruchstücken zweier Rennthierhörner gegeben, welche von ihm gesehen und untersucht, später aber verloren gegangen sind.

Ein Rennthierhorn ward zu Oettelin bei Bützow, zwischen Bützow und Schwaan, beim Graben eines Brunnens tief im Lehm gefunden, aber zerbrochen und verworfen.

Ein Rennthierhorn ward zu Wiek bei Schwaan, zwischen Schwaan und Bützow, tief in dem Moor, in welchem der Burgwall Werle liegt, gefunden, aber von den Arbeitern beim Graben zerstochen und vernachlässigt.

G. C. F. Lisch.     



1) Auch in Pommern fand Professor Virchow im April des J. 1872 in einem Torfmoor bei Bonin am Lüptow=See, am Fuße des Gollenberges nicht weit von Cöslin, eine gleiche, "prächtige Rennthierstange" 8 Fuß tief unter dem Torf auf dem alten Sandboden, mit einem "Auerochsen=Gehörn". Vgl. Virchow in der Berliner Zeitschrift für Anthropologie etc. ., Sitzung am 27. April 1872, Separat=Abdruck S. 13 mit Abbildungen.
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Elengeweih von Malchin.

Zu Malchin, vor dem jetzigen Bahnhofe, tief im Moor, wo 1863 beim Bahnhofbau das Gerippe eines großen Rindes von der Primigenius=Race gefunden ist (vgl. Jahrb. XXIX, S. 275 flgd.), ward nahe bei der Fundstelle des Rindsgerippes auch eine schöne Elenschaufel von einem jungen Thier gefunden und 1872 von dem Herrn Baurath Wachenhusen, früher Eisenbahn=Baudirector zu Malchin, geschenkt.

Derselbe schenkte auch ein Hirschhorn von einem jungen Thier, welches ebenfalls an derselben Stelle in einiger Entfernung ausgegraben ist.

G. C. F. Lisch.     


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Pferdeschädel als Brücken und Stege.

In früheren Zeiten wurden Pferdeschädel zu Stegen über schmale Wasserläufe benutzt. Dies wird durch folgende Aussage vom J. 1570 bewiesen.

Zeugenverhör über die Fischerei im Dassower See und in der Pötenitzer Wiek, sowie über den Priwal,

angestellt durch Tilemann Stella zu Dassow im April 1570.

"Claws Pfluger zu Volckersdorff ist alt vber 70 jhar, gedenckt die Meckelburgische vhede (1506) gar wol, mag etwan 8 jhar alt gewesen sein, hatt noch nit wol reiten können."

Er antwortet auf die Frage (36): "wie weit das wasser bey menschen gedencken das Landt ingewaschen habe" -
Folgendes:

"36. er habe wol ehe von den alten gehöret, das das Wasser daselbst so schmal und flach gewesen, das man von dem Volckersdorffer graßort auff den Teskawer Steinort vber Drey pferts köppe hatt gehen können."

Ein anderer Zeuge spricht ähnlich über die Pferdeköpfe. Die Benutzung der Schädel scheint für ärmliche Verhältnisse ganz praktisch zu sein, nämlich wenn der Untergrund der Wasserläufe moorig ist, so daß größere Steine versinken. Die Pferdeschädel sind leicht, fest, dauerhaft, groß, lang, oben eben und möglichst horizontal im Liegen. Eine "tiefere" Bedeutung werden in solchen Fällen die Pferdeschädel nicht

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haben. Ich erinnere mich noch, in meiner Jugend an Wasserläufen "Pferdeköpfe" liegen gesehen zu haben, ohne freilich die Bestimmung zu kennen oder über dieselbe nachzudenken.

Mit diesem Gebrauche mag auch die Sage zusammenhangen, daß der Sund zwischen der Insel Fehmarn und Holstein in alten Zeiten nur die Breite eines "Pferdekopfes" gehabt habe.

G. C. F. Lisch.     


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Ueber ein altes Boot oder Schiff von Doberan.

Die gewaltige Sturmfluth vom 13. Novbr. 1872, welche die Ostseeküsten so ungeheuer verheert hat, hat in der Gegend des Seebades am "Heiligen Damm" bei Doberan ein seltenes altes Wasserfahrzeug ans Licht gebracht.

Hinter den Stranddünen des "Heiligen Dammes" östlich von den Häusern des Seebades erstreckt sich eine weite Wiesenniederung wohl eine Meile weit gegen Süden in das Land hinein, an dem Dorfe Börgerende und dem langen Dorfe Rethwisch entlang.

Durch diese Niederung fließen die vereinigten lebendigen Bäche von dem Flecken, der ehemaligen Cistercienser=Mönchs=Abtei, Doberan und der Umgegend her. Am Ende dieser Niederung im Norden, nicht weit von den Stranddünen, liegt ein ziemlich großer Süßwassersee, welcher der Conventer=See 1 ) heißt, ohne Zweifel, weil früher die Fischerei in dem See dem Mönchs=Convente des Klosters diente, ein bekannter Aufenthalt der wilden Schwäne.

In diesen See fließen an dem Südende die genannten Bäche, welche jetzt vereinigt sind und als Ein Fluß wohl die Dober oder Daber genannt werden. Im Norden, nicht weit vom Ostseestrande oder dem "Heiligen Damm", hat der See durch die Dünen einen Ausfluß ins Meer, welcher die Jennewitz heißt, mit einer Schleuse in den Dünen, durch


1) Nach einer Sage in und bei Doberan soll hier früher ein Fischer Namens Convent gewohnt haben, welcher ein Haus am See besaß und dem See den Namen gab. Der See wird aber wohl richtiger von dem "Convent=Fischer" des Klosters, als von einem "Fischer Convent" den Namen haben. Der See wird auch wohl der Conventer See genannt.
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welche das überflüssige Wasser des Sees ins Meer, bei niedrigem Wasserstande desselben, gelassen wird.

Früher bildete das einfließende Wasser drei Bäche oder Flüsse, von denen der mittlere, die Dober, in das Südende des Sees floß und noch fließt. Links und rechts, oder im Westen und Osten, flossen zwei andere Bäche in den See. Diese Nebenarme sind aber längst hoch zugewachsen, zugeschüttet und überwachsen, jedoch sind die früheren Wasserbetten noch zu erkennen.

Ohne Zweifel war in den allerältesten Zeiten die ganze Niederung ein Gewässer und die ganze Wiesendecke ist jetzt noch nicht dick und liegt wahrscheinlich auf einem Sumpfe.

Am frühen Morgen des 13. Novbr. 1872 durchbrach nun die gewaltige Sturmfluth die breiten und hohen Stranddünen 1 ) und das Meer überfluthete brandend und verwüstend wohl eine Meile lang die ganze Niederung und auch einen großen Theil des langen Dorfes Rethwisch, wo es viele Häuser umwarf, viel Vieh ertränkte und tausendfältigen Schaden anrichtete. Noch am Ende Mai 1873 hingen vertrocknete Seetang=Fäden und Pflanzenwurzeln aus der Fluth, fast eine Meile weit vom Strande, in den Wipfeln der blühenden Obstbäume und der Weidenbäume an dem Landwege.

Durch diese gewaltige Naturrevolution ward nun ein uraltes Wasserfahrzeug tief aus der Wiesenniederung ans Licht gefördert. In der Wiese hinter dem Gehöfte des Erbpächters Hesse zu Rethwisch, ungefähr 300 Schritte von dem Conventer=See entfernt, nach dem Dorfe Rethwisch hin, ward nach dem Versiegen des Wassers ein altes Boot oder Schiff gefunden. Das Boot hatte 12 Fuß tief unter der Rasendecke der Niederung gelegen und war ohne Zweifel durch einen unterirdischen Seitendruck der gewaltigen Wassermasse so in die Höhe gedrängt, daß der Schnabel oder das Vordertheil 12 Fuß hoch aus der Wiesendecke in die Luft hineinragte. Ohne Zweifel hatte das Fahrzeug in dem Bette des dritten, östlichen ehemaligen Flußarmes gelegen. Auch sonst in der Nähe des Fundortes des Schiffes hatte die


1) Von der furchtbaren Gewalt der Sturmfluth kann man sich einen Begriff machen, wenn man vernimmt, daß bei dem Seebade Doberan der aus Steinen bestehende "Heilige Damm" über den Haufen geworfen, die Dünen weggeschwemmt, die Ufer zerrissen und die hohen Ebenen überschwemmt wurden, ja daß sogar ein mit Brettern beladenes finnisches Schiff vom Meere über den Heiligen Damm und die Dünen geworfen und tief im Lande auf eine Höhe am Buchenwalde gesetzt ward, wo es abgebrochen werden mußte.
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Fluth die Wiesendecke zu Hügeln empor getrieben. Darauf ward das Fahrzeug frei und auf die Wiese gelegt.

Am 30. Mai 1873 besuchte ich 1 ) die Gegend und auch das Wasserfahrzeug, welches jedoch schon fast ganz zerfallen war und sich nicht hatte erhalten lassen, obgleich schon bald nach der Sturmfluth Bedacht darauf genommen war 2 ). Ich fand noch den Kiel oder Boden, einige Seitenstücke und die beiden Enden vor, jedoch in völlig morschem Zustande, so daß sich nichts mehr erhalten und transportiren ließ.

Das Boot oder der Kahn ist aus einem einzigen mächtigen Eichenstamme gearbeitet ("Einbaum"). Es ist 30 Fuß Hamburger Maaß lang, oben 5 Fuß breit, im Boden 3 Fuß breit und an den Seiten gegen 3 Fuß hoch. An jedem Ende ist eine kleine Abtheilung ausgehöhlt; die Querwände dazu sind auch aus dem Eichbaum gearbeitet. Wie das Fahrzeug gearbeitet gewesen ist, ließ sich nicht mehr ermitteln, da alle Oberflächen sehr vergangen und zerstört waren. Jedoch fand ich auf der inneren Fläche noch kleine Stücke schwarzen Holzes, welche ich zwischen den Fingern zu schwarzer Farbe zerdrücken und zerreiben konnte. Das Fahrzeug scheint also durch Ausbrennen gemacht zu sein.

Wozu das Fahrzeug gedient hat, ist ebenfalls schwer zu ermitteln, da alle Anzeichen für die Bestimmung fehlen. Die Abtheilungen an den Enden scheinen für ein Fischerboot zu sprechen. Dazu ist aber wohl das Fahrzeug zu lang und zu schwer für kleine Gewässer. Eher läßt sich vermuthen, daß es zu Meerfahrten gedient hat und "seehaltig" gewesen ist, also eine Art Schiff.

In diesem Falle würde das Fahrzeug den allerältesten Zeiten angehören. Jedenfalls ist es sehr alt und der Fund sehr selten.


Ein Seitenstück zu dem Doberaner Boot oder Schiff bildet, wenigstens in den Lagerungsverhältnissen, das vielfach besprochene Danziger Schiff, welches wohl ungefähr um dieselbe Zeit ans Licht gekommen ist. Bei der Anlegung eines neuen Hafenbassins für Danzig bei dem Dorfe Brösen


1) Die Beförderung und Führung verdanke ich der kundigen Theilnahme des Herrn Amtmanns von Lützow zu Doberan.
2) Die erste Nachricht von dem Funde und Bemühungen um die einstweilige Erhaltung verdanke ich dem Herrn Oberforstmeister von Wickede zu Doberan.
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entdeckte man, 1000 Fuß vom Strande landeinwärts, im tiefen Seesande, 15 Fuß tief, das Wrack eines ehemals hier gestrandeten, noch ziemlich wohl erhaltenen, jedoch hin und wieder zerbrochenen Fahrzeuges. Dieses Danziger Fahrzeug ist aber schon ein Schiff im neuern Sinne des Wortes. Es ist 57 Fuß lang, 16 Fuß breit und 5 Fuß tief, aus eichenen Rippen und gespaltenen Planken erbauet, ohne Spuren von einem Steuerruder. Die Beobachter und Forscher schreiben diesem Schiffe aus geologischen Gründen ein Alter von 600 Jahren oder ein noch höheres Alter zu. Die Beschreibung und Beurtheilung dieses Fundes ist mitgetheilt in der Illustrirten Zeitung, Leipzig 1873, Nr. 1542, Jan. 18, S. 43, mit einer Abbildung des Fahrzeuges in der Grube das. S. 44.

Das Doberaner Fahrzeug ist dagegen ein Einbaum und läßt nach allen Zeichen auf ein viel höheres Alter schließen.

G. C. F. Lisch.     


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Alter Wohnplatz am Alten Garten zu Schwerin.

Als im Jahre 1873 auf dem sogenannten Alten Garten zu Schwerin, vor dem großherzoglichen Residenzschlosse, nahe am Burgsee die Fundamente zu dem Siegesdenkmale gelegt werden sollten, mußten Tiefgrabungen von bedeutendem Umfange vorgenommen werden. Der Boden ward dabei an mehreren Stellen bis 16 Fuß tief ausgegraben. Dabei ergab es sich, daß oben eine Schicht Erde und Schutt von 12 Fuß Dicke aufgeschüttet ist; dieser Auftrag ist Jahrhunderte lang durch Abfall und Brandschutt eingeschüttet; überall lagen zwischen der Erde Bruchstücke von Ziegeln, hin und wieder auch Scherben von mittelalterlichen, blaugrauen Töpfen. Unter dem Auftrage von 12 Fuß lag eine Schicht Torf von ungefähr 2 Fuß Dicke, unter dem Torf stand reiner Sand ("Seesand") mit vielen ganz kleinen Muscheln und Schnecken.

Diese Bildung ist also ganz der Bildung der Insel gleich, auf welcher das großherzogliche Schloß steht, welche ich beim Schloßbau lange beobachtet und in den Jahrbüchern XV, 1850, S. 159 flgd., geschildert habe.

Der ganze Alte Garten mit Umgebungen war in alter Zeit ohne Zweifel ein Sumpf, welcher Jahrhunderte lang

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nach und nach zugeschüttet ist, wie das hier zur Frage stehende Beispiel zeigt, zunächst um einen festen Zugang auf der langen Strecke von der Stadt nach der Schloßinsel zu gewinnen.

Die Stelle des Siegesdenkmals am westlichen Ende, am Burgsee, scheint die am frühesten bewohnte gewesen zu sein. Früher war hier neben der Straße zum Schlosse, zwischen dieser und dem Burgsee, eine umschrankte Reitbahn eingerichtet, welche schlechtweg die "Bahn" genannt ward. Zwischen dem Schlosse und der Bahn und dem jetzigen Collegiengebäude, wo früher ein Franziskanerkloster stand, lag bis auf die neuesten Zeiten ein Schmiedehaus, welches die Bahnschmiede genannt ward. Die Denkmalsstelle liegt also dem Festlande der Stadt nahe, vielleicht am nächsten, und daher ist es möglich, daß hier in alter Zeit eine menschliche Ansiedelung stand, vielleicht ein Pfahlbau. Zwar fanden sich in der Tiefe in dem Auftrag genug Pfähle; alle waren aber offenbar verhältnißmäßig jungen Ursprunges und rührten wohl von einem Stackwerk zur Uferbefestigung oder von der Umschrankung der Bahn her. Altes Holz ist sicher nicht gefunden.

Jedoch haben sich andere Spuren von menschlichen Ansiedelungen gefunden, und zwar in der Mitte der westlichen Seite zunächst nach dem Burgsee hin. Hier ward unmittelbar auf dem Torf eine große Menge von Thierknochen gefunden, von denen manche zerschlagen sind; diese gehören alle Hausthieren an, wie dem Rind, Schaf, Schwein, auch einem Hunde ein großer Schädel, und waren alle schwarz von Farbe.

Zwischen diesen Knochen fanden sich aber auch Geräthe, welche ohne Zweifel von Menschenhänden bearbeitet sind, und zwar folgende:

eine nach Weise der heidnischen Zeit gearbeitete Topfscherbe mit eingedrückten Verzierungen der Eisenzeit;

ein kurzer Pfriemen aus einer dünnen Spitze eines Hirschhornendes, 3 1/2 Zoll lang, an vielen Stellen sichtlich mit scharfen eisernen Messern zugespitzt;

zwei "Griffelbeine " als Stechwerkzeuge, ebenfalls mit scharfen Messerschnitten bearbeitet;

eine Rippe, wahrscheinlich von einem jungen Rinde, welche an einem Ende in 3 regelmäßigen, scharfen Spitzen ausgeschnitten ist, wahrscheinlich als Werkzeug zum Eindrücken und Einritzen der gebräuchlichen Topfverzierungen.

Aus allen diesen Funden geht hervor, daß hier einst Menschen gelebt und gearbeitet haben. Vielleicht war hier,

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dem festen Lande zunächst, in der ältern Eisenzeit eine menschliche Wohnstätte, noch ehe der wendische Burgwall auf der Schloßinsel aufgeschüttet ward, zu welcher der weite Zugang durch den Sumpf des Alten Gartens sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein mußte.

Vielleicht war die Stelle noch viel früher bewohnt. Gegen 16 Fuß von dem Knochenlager entfernt ward das Stirnbein von einem wilden Urstier (bos primigenius), vom Hinterhauptbein bis zum Nasenbein, jedoch ohne die Hörner, gefunden; das Exemplar gehört, nach Vergleichung mit andern vollständigen Exemplaren, zu den größern. Es gehört schon nach der Farbe nicht zu den übrigen Knochen und ist ohne Zweifel viel älter als diese.

Auf der Schloßinsel fanden sich in der Tiefe schöne Geräthe der Steinzeit (vgl. Jahrb. a. a. O.), welche vielleicht mit diesem Urstier gleichzeitig sein können.

G. C. F. Lisch.     

 

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V. Nachträge.


Das Land Drenow.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Nachtrag zu Jahrb. XXXVIII, S. 25 flgd.


In den Jahrbüchern XXXVIII, S. 25 flgd., ist das bisher in seiner Lage unbekannt gebliebene Land Drenow zur Untersuchung gezogen und erforscht. Es ist dort nach allen erforschbaren Urkunden erwiesen, daß es das Land zwischen der Unter=Warnow und der Abtei Doberan und zwischen dem Meere und der Vogtei Schwan war, und vorzüglich die Kirchspiele Lichtenhagen und Lambrechtshagen umfaßte. Seitdem ist eine neue Urkunde bekannt geworden und in das Meklenb. Urkunden=Buch, Band VIII, Nr. 5649, S. 577, aufgenommen, nach welcher am 10. März 1336 der Fürst Albrecht von Meklenburg den Brüdern Johann, Heinrich, Hermann und Ludolf Pilgrim ("Pelegrim"), Bürgern zu Rostock, den Besitz des Dorfes Sievershagen, belegen in Drenow:

"integram villam Siverdeshagen sitam in Drenowe ",

bestätigte, welches sie von den v. Bülow auf Gülzow gekauft hatten.

Sievershagen liegt aber zwischen Lichtenhagen und Lambrechtshagen, es wird also hiedurch die Lage der Drenow noch genauer bestimmt.

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In den Jahrb. a. a. O. ist ferner nachgewiesen, daß die adelige Familie von Gummern sicher seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts im Lehnsbesitze der genannten Güter Lambrechtshagen und Lichtenhagen war. Es läßt sich aber jetzt auch erweisen, daß die von Gummern schon früher und wie sie in den Besitz von Lambrechtshagen gekommen sind. Nach einer im Staatsarchive zu Schwerin aufgefundenen und im Meklenburg. Urkunden=Buche, Band VI. Nr. 4200, S. 543, schon gedruckten Urkunde hatten am 3. Junii 1320 die Brüder Johann, Ludwig, Otto, Hermann und Heinrich von Zwertze, d. i. Schwaß, bei Rostock und Lambrechtshagen, dem Gastmeisteramte des Klosters Doberan eine jährliche Hebung von 35 Mark Wendischer Pfenninge aus dem Dorfe Lambrechtshagen verschrieben. Am 13. Septbr. 1389 übernimmt und bestätigt nun der Knappe Arnold von Gummern (Arnoldus de Gummeren, famulus) für sich und seine Erben diese Verschreibung, unter Transsumirung der Verschreibungs=Urkunde, da das Dorf Lambrechtshagen von den "genannten von Schwaß" durch Kauf an ihn gekommen sei. Er sagt am 13. Septbr. 1389 bei der Transsumirung der Urkunde von 1320:

"Huius littere presens transscriptum, quia villa Lamberteshaghen ad me Arnoldum (de Gummeren, famuli) meosque heredes a dictis de Zwertze empcionis titulo deuenit, firmiter seruare et contra non facere per me uel heredes meos presentibus spondeo et bona fide promitto. In cuius maiorem euidenciam sigillum meum vna cum sigillis famosorum, qui placitis hiis interfuerunt, videlicet domini Werneri de Axecowe, militis, Hinrici Molteken, aduocati in Zwan, Johannis Basseuissen, famuli, presentibus est appensum. Datum anno domini M°CCC°LXXXIX, in profesto exaltacionis sancte crucis".

Siegel

An dieser Bestätigungsurkunde hängt nun an erster Stelle das wohl erhaltene, hieneben abgebildete Siegel des Knappen Arnold von Gummern mit einer schräge rechts gelehnten, mit der Spitze nach unten gekrümmten heraldischen "Spitze", ähnlich einer Sensenspitze, und mit der Umschrift:

Umschrift
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Dieses Siegel wird das einzige, wohl erhaltene, sicher verbürgte sein, welches noch vorhanden 1 ) ist. Im Schweriner Staats=Archive sind außerordentlich viele Siegel der von Gummern, welche aber alle sehr schlecht erhalten und sehr undeutlich sind. Ich habe auf allen diesen Siegeln, wie ich in Jahrb. a. a. O. S. 28 ausgesprochen habe, in dem Wappen nichts anders erkennen können, als einen schräge liegenden geästeten Stamm oder einen abgehauenen Ast mit drei Zweigen oder Blättern, welcher einige Male sehr klar zu erkennen ist, auch ganz klar auf einem abgerissenen Exemplar in der Sammlung des Vereins. Ich habe dies um so mehr annehmen zu können geglaubt, als die Familien von Bevernest und von Platen, welche mit den von Gummern stammverwandt zu sein scheinen, dieses Wappen führten. Das Wappen des Arnold von Gummern, welches in dem abgebildeten Siegel sehr scharf und klar dargestellt ist, hat aber eine andere Gestalt. Ein Helmsiegel der von Gummern ist leider nicht vorhanden.

Der hier 1389 genannte Knappe Arnold von Gummern, welcher der Stammhalter der von Gummern auf Lambrechtshagen gewesen sein wird, wird derselbe sein, welcher zuerst 1348 und 1384 auf Bartelsdorf bei Rostock vorkommt. Vgl. Jahrb. a. a. O. S. 28.


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Echte Wendische Götzen.

Von

W. Freiherrn den Hammerstein.


Nachtrag zu Jahrbüchern XXXVII, S. 172 flgd.


Der historische Verein von und für Ober=Bayern zu München hat den lithographirten Bericht über seine Monatsversammlung vom 1. Mai 1873 dem Vereine für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zugesandt. In


1) Der Verein besitzt ein zweites, eben so klares Exemplar, welches von irgend einer Urkunde abgerissen und später den Sammlungen geschenkt ist.
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diesem Berichte heißt es unter Anderem: "Herr Dr. v. Mayerfels entlarvte einige im 37. Jahrgange der Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde abgebildete und daselbst für echte wendische Götzen erklärte Figuren als mittelalterliche gothische Leuchter, wie solche bei den süddeutschen Antiquitätenhändlern häufig anzutreffen 1 ) sind".


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Eine alte Stola.

In der Justiz=Canzlei zu Schwerin lag seit langen Zeiten eine wohl aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammende Decke von dunkelrothem geblümten Sammet, die an jeder Langseite mit einem Streifen mit mittelalterlicher Stickerei besetzt ist, welche ohne Zweifel ein Ganzes und sicher einen Priesterschmuck (eine Stola) gebildet haben. Jeder Streifen hat 4 Heiligenfiguren enthalten, von denen auf einem Streifen eine verloren gegangen ist, wahrscheinlich die Jungfrau Maria. Die Figuren stehen auf rothem Grunde auf buntfarbigen Teppichen unter goldenen gothischen Baldachinen. Die ganzen Nischen mit Figur, Teppich und Baldachin sind 15 Zoll hoch und 6 Zoll breit, die Figuren sind 9 Zoll hoch.

Die Figuren sind folgende:

1. [S. Maria?]
Verloren gegangen.
1. S. Anna, "selbdritte" mit
Maria und dem Christkinde
auf dem Arme.
2. S. Petrus
mit Schlüssel,
2. S. Paulus
mit Schwert.
3. S. Catharina
mit Rad und Schwert.
4. S. Barbara
mit Thurm.
4. S. Bartholomäus
mit Messer und Wappen.
5. S. Johannes
der Evangelist
mit Kelch.

Zu den Füßen des Apostels Bartholomäus steht ein Wappen: ein rother Schild mit einem silbernen Halbmond (mit Silber=


1) Auch in Meklenburg sollen sich Leuchter dieser Art im Privatbesitz befinden.     D. Red.
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lahn auf gelber Seide gestickt). Dies ist das Wappen der jetzt ausgestorbenen meklenburgischen adeligen Familie von Halberstad.

Die alte Familie von Halberstad war in alter Zeit im Besitze der Güter "Brüsewitz", später und jetzt Großen=Brütz, mit einer Pfarre, und Kleinen=Brütz, jetzt Brüsewitz, und zum Theil auch des Gutes Langen=Brütz, in der Pfarre Zittow, alle bei Schwerin.

Es ist daher leicht möglich und wahrscheinlich, daß die Stola aus der Kirche zu Groß=Brütz stammt. Wie dieselbe nach Schwerin und mit der Decke in die Justiz=Canzlei gekommen sei, läßt sich nicht ermitteln.

Die Frage nach dem Alter der Stola läßt sich wohl dahin beantworten, daß sie nach der Architektur der Baldachine, nach der Schildform des Wappens, nach dem ganzen Kunststyl und der Arbeit in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts gehört.

Durch Vermittelung des Herrn Justizraths von Prollius ist die Decke in die großherzoglichen Alterthümersammlungen gekommen.

G. C. F. Lisch.     


Kleine Nachträge.

Der Herr Rector Römer zu Grabow giebt während des Druckes dieses Bandes folgende nachträgliche Berichtigungen zu demselben:

1) Zu S. 5. Der Name Peperkorn findet sich in Meklenburg schon 1312, in Magdeburg 1409, in Oldeslohe 1361, (ist also nicht grade am Rhein zu suchen).

2) Zu S. 13. Der letzte Darguner Abt Jacob Baumann war schon am 1. Juni 1522 der drittletzte von 12 Mönchen des Klosters Himmelpfort; vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A. XIII, p. 100, Nr. 107 ("frater Jacobus Bwman", bei Aufzählung der "fratres religiosi dicti monasterii professi").

3) Zu S. 18. Die Verhandlung mit dem Tempziner Präceptor Gregorius Detlevi kann nicht im J. 1560 statt gefunden haben; man wird sie weiter zurück setzen müssen, denn am 8. Jan. 1560 lebte Dr. Drachstedt nicht mehr.

 

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