zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 179 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


Kirchliche Bauwerke.


Die Kirche zu Benthen.

Die bisher ganz unbekannt gewesene Kirche zu Benthen, nördlich von Lübz, ist eine der merkwürdigsten Kirchen im Lande und außerordentlich gut gebauet. Die Kirche ist nämlich ganz im romanischen Baustyl und zur Hälfte von Felsen gebauet, der eben so merkwürdigen, ungefähr eine Meile entfernten Kirche von Frauenmark bei Crivitz außerordentlich ähnlich; vgl. Jahrb. XXV, S. 282 flgd.

Die Kirche hat eine halbkreisförmige Apsis, einen quadratischen Chor, ein oblonges, weiteres Schiff und einen quadratischen Thurm. Die Apsis hat an der Ostseite ein Fenster, der Chor an jeder Seite zwei Fenster, das Schiff an jeder Seite drei Fenster. Alle Fenster und die Hauptpforte sind im Rundbogen gewölbt, selbst die Fenster des Schiffes, aus behauenen Granitquadern. Daß die Apsis hinter dem Altare nur ein Fenster hat, erinnert sehr an die Kirche zu Frauenmark, welche hier jedoch eine Fensterrose besitzt.

Die halbkreisförmige Apsis ist eigenthümlich construirt. Der Bau ist nämlich auf einen Halbkreis angelegt; die beiden Seiten oder die beiden westlichen Drittheile sind auch rundbogig; das östliche Drittheil der Wand liegt aber in einer graden Linie.

Die Wände sind außerordentlich gut aufgeführt. Der Chor und die Apsis sind von großen Ziegeln und haben einen gut und künstlerisch gegliederten Sockel. Der Chor hat an beiden Seiten einen einfachen Rundbogenfries, welcher jetzt der Apsis fehlt. Das Schiff ist ganz von grauen Granitquadern aufgeführt, die Wände aus gespaltenen und sorgfältig gewählten, die Ecken und Sockel aus behauenen Steinen. Die Lücken und Fugen sind mit einem weißen Kalk ausgefüllt, welcher jetzt porcellanhart und wie neu ist;

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 180 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Fugen sind durch eine eingerissene Doppellinie zum Schmuck bezeichnet.

Die Hauptpforte in der Südwand des Schiffes ist sehr würdig. Die Pfeiler auf beiden Seiten sind aus behauenem Granit, von einem Kämpfer oder einer vorspringenden Granitplatte bedeckt, auf welcher die große, halbkreisförmige Thürwölbung aus großen Ziegeln ruhet.

Das Thurmgebäude ist auch von Granitfeldsteinen erbauet, jünger als die Kirche und etwas verfallen, wenigstens nicht so gediegen in der Erscheinung, wie die Kirche.

Im Innern ist die Apsis mit einer Halbkuppel ohne Rippen oder Näthe gewölbt.

Der Chor ist gewölbt und hat 4 Rippen von quadratischem Durchschnitt, das Einzige, was an eine etwas jüngere Zeit erinnert. Der Triumphbogen ist ein breiter Bogen im Rundbogen.

Das Schiff ist auf Wölbung angelegt, jetzt aber mit einer Balkendecke bedeckt.

Eine Seltenheit im Bau bietet die Kirche in ihrer Erscheinung noch, nämlich daß die Fenster außen mit einer Leiste aus Kalkputz von ungefähr 1 Fuß Breite auf der Wand, wahrscheinlich seit der Erbauung, eingefaßt sind, was auf den grauen Granitwänden eine ganz gute Wirkung macht.

Dieser Bau ist nun durch eine alte geschichtliche Nachricht außerordentlich merkwürdig. Der Bau weiset nach allen seinen Eigenthümlichkeiten auf das Ende des 12. Jahrhunderts zurück. Es fehlt nun ganz an allen alten Nachrichten über das Lehngut Benthen und dessen alte Besitzer. Wir haben aber noch die alte Urkunde über die Weihung der Kirche entdeckt, welche im 16. Jahrhundert in dem Altar gefunden ward und im Meklenburgischen Urkunden=Buch Bd. IV, Nr. 2693, S. 218, gedruckt ist. Nach dieser Urkunde weihete der Bischof Hermann I. von Schwerin am 5. Juli 1267 die Kirche zu Benthen im Besondern zu Ehren des Apostels Mathias und der Heiligen Florentius und Cassius. Die Urkunde lautet:

Nos Hermannus dei gratia Zwerinensis episcopus dedicauimus ecclesiam in Benthem in honorem omnipotentis dei et Jesu Christi geni[tric]is virginis Marie et singulariter Mathie apostoli et sanctorum Florentii et Cassii martyrum anno domini millesimo [CC°LXVII], III nonas Julii, p[ontificatu]s nostri anno V°.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 181 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

In der erhaltenen alten Abschrift steht statt der römischen Jahreszahl die Zahl in arabischen Ziffern: 200°67, die Zahl selbst ist aber nach dem Namen und dem Regierungsjahr des Bischofs Hermann ohne Zweifel richtig.

Dieses Jahr 1267 ist nun allerdings ein etwas junges Datum für einen ganz und strenge ausgeführten romanischen Bau. Aber man wird die hier angegebene Zeit der Vollendung der Kirche, an welcher wohl lange gebauet sein wird, wohl als zuverlässig annehmen müssen. Die nicht weit von Benthen entfernte, ganz ähnliche Kirche zu Frauenmark wird vielleicht auch nicht viel älter und im zweiten Viertheil des 13. Jahrh. erbauet sein (vgl. Jahrb. XXV, S. 288 flgd.). Auch ist es urkundlich nachgewiesen, daß noch im J. 1275 zu Röbel und 1278 zu Parchim stark romanisirender Uebergangsstyl herrschte (vgl. Jahrb. XXXIII, S. 149 und S. 164). Etwas länger mag sich in den Pfarren Frauenmark und Benthen der romanische Baustyl gehalten haben, als sonst wo, und vielleicht mag die Kirche zu Benthen nach dem Muster oder gar noch von dem Baumeister der Kirche zu Frauenmark erbauet sein, deren Baustyl aus dem Lande Gadebusch herzuleiten sein wird. Ueberhaupt aber sind diese Kirchen auf den Rittergütern wegen ihres alten Styls und ihrer Gediegenheit merkwürdig. Die Kirche zu Frauenmark ward von der Ritterfamilie von Dragun gebauet. Die nahe bei Benthen liegende, alte, ebenfalls noch romanisirende Kirche zu Brütz, früher Brüsewitz, welche 1295 vollendet ward, ist urkundlich von der Familie von Brüsewitz gegründet und erbauet (vgl. folgende Seite). Die Familiengruppe mit der "Pferdebremse" im Schilde, zu welcher z. B. die v. Brüsewitz und v. Weltzin gehörten, war grade in dieser Gegend ansässig und wird mit den Seitenverwandten bei der Colonisirung des Landes Parchim viel für Kirchen und Pfarren gethan haben. Daher sind diese Kirchen sehr auffällig in einer Gegend des südlichen Meklenburgs, in welcher in den Bauerdörfern nur ärmliche Holzkirchen zu finden sind, z. B. zu Bergrade, Paarsch, Lutheran, Benzin.

G. C. F. Lisch.