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Die Burg und Vogtei Malchin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Von einem fürstlichen Burgwall in oder bei Malchin und von einer Vogtei (Land, Amt) Malchin ist seit Jahrhunderten nicht die Rede gewesen. Von dem Herrn Maler Greve zu Malchin, Mitglied des Vereins, darauf aufmerksam gemacht, daß in den weiten Wiesen bei Malchin ein geräumiges Ackerstück liege, welches noch heute der "Borgwall" genannt werde, unternahm ich mit mehreren kundigen Einwohnern der Stadt und durch deren Beförderung am 27. September 1867 eine Untersuchung dieser Stelle.

Der "Burgwall" liegt eine gute Viertelstunde südöstlich von der Stadt vor dem Mühlenthor, in den weiten Wiesen an der Obern Pene, welche aus dem See von Rittermannshagen kommt und bei Malchin in die große Pene fließt, jenseit des Flusses von der Stadt aus gesehen, und zwar, nach allgemeinen Bestimmungen, zwischen der Obern Pene und der Chaussee nach Stavenhagen, in der Gegend nach dem Hainholze hin. Er liegt nahe bei der jetzigen Schinderei 1 ), nicht weit von der Krebsmühle, an einer Stelle am Zugange nicht weit vom festen Lande, von welchem ein schmaler, fester Weg nach dem Burgwall eingeschüttet ist, sonst überall von sehr weiten, feuchten Wiesen umgeben.

Der Burgwall bildet ein großes rundliches Viereck, welcher nach wiederholten Messungen überall ungefähr 125 Schritt im Durchmesser hat und sich ungefähr 6 Fuß hoch über die Wiesenhöhe erhebt. Er ist von loser Erde künstlich eingeschüttet und erhöhet; dies beweiset schon der lose, lockere Boden, wenn man ihn betritt, da die aus lockererer Erde aufgeschütteten Burgwälle noch nirgends fest geworden sind; es ist aber auch durch Nachgrabungen erwiesen, welche überall vielerlei ganz dünne Schichten von verschiedener Erde zeigten,


1) Die hier genannte Krebsmühle beim Burgwall war ein uraltes Eigenthum der adeligen Familie von Kardorf und wahrscheinlich der Rest eines Burglehns. Am 13. Juli 1306 vermachte der Ritter Friedrich von Kardorf diese Mühle dem Kloster Dargun, wo er sich ein Familienbegräbniß erwählt hatte. Vgl. Mecklb. Urk.=B. V, Nr. 3101.
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vorherrschend aber schwarze Wiesenerde, in welcher ganz schmale Streifen Lehm lagen.

Bei den Nachforschungen haben sich bis jetzt leider noch keine Gefäßscherben gefunden. Jedoch fanden sich beim Nachgraben ganze alte Thierknochen und Bruchstücke von Thierknochen und Geweihen; auch ward in der Tiefe ein Stück ganz verrostetes und mit Erde fest überzogenes Eisen gefunden.

Nach allen angegebenen Kennzeichen, namentlich nach der großen Ausdehnung der Fläche, stammt dieser Burgwall, welcher ohne Zweifel der Landesherrschaft gehörte, aus der Heidenzeit und wird in der ersten christlichen Zeit nach der Gründung der Stadt verlassen sein.

Ohne Zweifel war der Burgwall der Sitz der Vogtei oder der Verwaltung des Landes ("terra") Malchin zur Heidenzeit. Nach der Gründung der deutschen Stadt im J. 1236 wird ohne Zweifel der Sitz der landesherrlichen Vogtei in die Stadt verlegt sein; denn die Fürsten von Werle hatten in der Stadt ein "Haus" oder Schloß. In der christlichen Zeit wird das Land Malchin ("terra Malchin") im J. 1274 zuerst (vgl. Meklenb. Urk.=Buch II. Nr. 1347, S. 500) und später wiederholt, wenn auch nur selten genannt.

Im J. 1316 kommt das Schloß zu Malchin zuerst vor, als am 23. März 1316 die Fürsten von Werle dem Könige Erich von Dänemark und dem Fürsten Heinrich von Meklenburg das "Haus, Schloß und Land Malchin" für 10,000 löthige Mark Silbers zu Pfande setzten (vgl. Mekl. Urk.=Buch VI. Nr. 3818, S. 199 u. 201). Eben so wird in dem Theilungsvertrage der Fürsten von Werle vom 2. December 1316 "Malchin Land, Haus (d. i. Schloß), Stadt und Mannen" (Lehnleute) genannt; vgl. daselbst Nr. 3860, S. 239; - ferner 1322 (vgl. daselbst VII, Nr. 4358). In der bewegten, selbstbewußten und thatkrätigen Zeit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, aus der auch wohl die ehrwürdigen Denkmäler der Stadtthore stammen, konnte Malchin sogar den Landesherren trotzen und das fürstliche Haus in der Stadt abbrechen (brekinghe des huses to Malchin"). Ungeachtet dieser Gewaltthat erlangten die Malchiner doch am 11. Juni 1372 einen ehrenhaften und vortheilhaften Frieden, indem der Fürst Johann von Werle den Bürgern der Stadt Malchin alle Strafe und allen Unwillen nachließ, ihnen den Wall und die Stätte des fürstlichen Hauses innerhalb der Stadtmauern mit allen Zubehörungen zu Bürgerrecht verkaufte

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und sich verwillkührte, ferner in der Stadt kein Haus zu haben, mit der besonderen Erlaubniß, daß die Bürger mit der fürstlichen Hausstätte nach ihrem Gefallen schalten und walten könnten. (Vgl. Lisch Maltzan Urk. II, Nr. 293, S. 245). Seit dieser Zeit ist auch von einer fürstlichen Burgstätte in Malchin nie wieder die Rede. Die Fürsten kehrten nun aber dafür Malchin den Rücken. Am 1. Novbr. 1375 verpfändeten die Fürsten Lorenz und Johann von Werle ihrem Marschall Maltzan von Schorssow (ohne Vornamen) das höchste Gericht mit allen Gerichtsbußen in dem Lande Malchin und das höchste und niedere Gericht binnen der Stadt Malchin mit der Polizei ("leyd", d. i. "Geleit") in dem Lande und das Hundekorn von dem ganzen Lande (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 311, S. 293). Maltzan mag aber zu scharf regiert haben; denn die Bürger erschlugen ihn zu Faulenrost in des Fürsten Johann Gegenwart. Am 5. März 1385 söhnte sich die Stadt mit dem Fürsten aus, nachdem die Gewaltthäter ihre Buße bezahlt hatten (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 338, S. 356).

Von dem damaligen Geiste der Bürgerschaft zeugt auch die noch stehende Kirche, welche nach der großen Feuersbrunst von 1397 neu aufgebauet und vergrößert ward (vgl. Jahrb. XXXI. S. 85).

Seit diesen Zeiten ist von dem Lande Malchin wenig die Rede, und die Vogtei ward wahrscheinlich gar nicht von der Stadt aus verwaltet. Schon am 25. Mai 1302 gewann der Rath der Stadt, als er den dritten Theil der Gerichtsgefälle im Stadtgebiete erwarb, das Recht, die fürstlichen Vögte in deren Abwesenheit zu vertreten (vgl. Meklenb. Urk.=B. V, Nr. 2796). Wir haben zwei Verzeichnisse der Ritterschaft des Landes Malchin: vom J. (1425) (gedruckt in Lisch Maltzan. Urk., II, Nr. 419, S. 554) und vom J. 1491 (gedruckt daselbst IV, Nr. 712, S. 211); nach dem letzteren gehörten dazu die ritterschaftlichen Güter von Rittermannshagen bis Hohen=Demzin nördlich und umher. Die Vogtei war wesentlich eine ritterschaftliche, da hier wenig oder gar kein Domanial=Eigenthum war. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war "das Land Malchin und das Gericht zu Malchin" an den Erblandmarschall Maltzan auf Grubenhagen verpfändet, z. B. 1482 (vgl. Lisch Maltzan. Urk. IV, Nr. 665, S. 76) und im J. 1492 verglichen sich die Fürsten mit den Maltzan wegen dieser Verpfändung (vgl. daselbst Nr. 713 bis 715). Seit dieser Zeit scheint die Vogtei Malchin aufgehört

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zu haben und mit der Vogtei Stavenhagen verbunden worden zu sein. In dem Aufgebots=Register vom J. 1506 wird Schorssow allein als zu "Malchin" gehörend aufgeführt, während die übrigen ehemaligen Güter der Vogtei Malchin, wenn auch nur summarisch nach ihren Besitzern, in der Vogtei Stavenhagen verzeichnet stehen.

Um die Erforschung der ehemaligen fürstlichen Burgstelle innerhalb der Stadt Malchin, deren Gebäude um das Jahr 1372 gewaltsam abgebrochen wurden, habe ich mich lange vergeblich bemühet, bis es mir endlich im J. 1868 gelungen ist, die muthmaßliche Stelle aufzufinden. Ich glaube, daß die Burg am Süd= oder Südostende der Stadt, links vom Steinthor, wenn man aus der Stadt geht, unmittelbar an der Stadtmauer, am Ende der Frohnstraße gestanden hat, wo in der Ecke ein Haus steht, welches früher die "Schinderei" oder die Frohnerei gewesen ist; der Scharfrichter in Malchin nannte sich in den letzten Jahrhunderten immer Frohn. Diese Lage ist ganz passend. Diese Stelle ist die höchste in der Stadt und der Boden steigt hier in der Stadt rasch am meisten Berg an, wogegen er nach außen hin von der Stadtmauer schroff abfällt; in der Tiefe liegen tiefe Gärten, welche sich an die Obere Pene lehnen. Man kann auch noch an Vorsprüngen in der Stadtmauer und an den Straßenzügen sehen, daß hier in alter Zeit Veränderungen in dem Grundplan der Stadt vorgegangen sind; vielleicht lag früher die Burg außerhalb der Stadtmauern, und der Platz ward erst nach 1372 in die Stadt hineingezogen. Auch versichert der jetzige Besitzer der Frohnerei, in den zum Hause gehörenden Hofplätzen und Gärten an verschiedenen Stellen wiederholt Reste alter Fundamente gefunden zu haben. Eine andere Stelle für den mittelalterlichen Burgplatz ist in oder an der Stadt schwerlich zu finden. Dieser jüngere Burgplatz liegt dem alten heidnischen Burgwall gegenüber.


Hiedurch angeregt beobachteten die oben bezeichneten Einwohner der Stadt im Frühling 1868 nicht nur die Beackerung der Flächen, sondern machten auch eigens dazu angestellte Nachgrabungen in die Tiefe, und fanden dabei nicht nur wieder zerschlagene, alte Thierknochen, sondern auch ein Randstück eines thönernen Gefäßes mit den charakteristischen Verzierungen der Gefäße der allerletzten Heidenzeit. Es leidet also keinen Zweifel, daß die oben aufge=

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stellten Vermuthungen Grund haben und der "Burgwall" der wendische Burgwall Malchin aus der letzten Heidenzeit ist.


Mit der fürstlichen Vogtei wird es auch zusammenhangen, daß es auch fürstliche Münzen der Stadt Malchin gab. Es sind in den neuern Zeiten wiederholt Münzen entdeckt, welche in die Zeit 1379 - 81 fallen werden und die Umschriften tragen: Umschrift (Stadt des Herrn von Werle) und Umschrift (Malchinsche Münze). Vgl. Jahrb. XV, S. 350, und VI. B., S. 52.


In der Gegend der Stadt Malchin wird auch die alte Burg Kiek in de Pene zu suchen sein, welche im frühen Mittelalter öfter genannt wird, namentlich in Verhältnissen zu Pommern; jedoch ist die Lage noch nicht erforscht und der Platz noch nicht untersucht. Aber es liegen, nach obrigkeitlichen Bekanntmachungen, in den weiten Stadtwiesen unterhalb Malchin an der Pene, nach Cummerow und dem Cummerower See hin Wiesenstücke, welche obrigkeitlich als in Kiekdepên liegend bezeichnet werden. Hier wird also der Platz oder Wall der mittelalterlichen Burg Kiek in de Pene am Ufer der Pene in der Wiese, gegen die Grenze von Meklenburg, zu suchen sein. Wahrscheinlich ist aber diese Burg keine heidnische, sondern nur eine mittelalterliche; dies wird sich jedoch nur durch Nachgrabungen ermitteln lassen, wenn der Platz gefunden ist. Die Burg kommt neben Cummerow und den Gütern der preußischen Enclave bei Malchin z. B. schon 23. Decbr. 1322 und 5. Jan. 1324 vor; vgl. Lisch Urkunden des Geschl. Maltzan und Meklenb. Urk.=Buch.

 

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