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von
Großherzoglich meklenburgischem
Archivar und Regierungs=Bibliothekar,
Aufseher der Großherzoglichen Alterthümer=
und Münzensammlung zu Schwerin,
auch
Ehrenmitgliede der deutschen
Gesellschaft zu Leipzig und des
voigtländischen alterthumsforschenden
Vereins, correspondirendem Mitgliede der
alterthumsforschenden Gesellschaften zu
Stettin, Halle Kiel, Salzwedel, Sinsheim und
Berlin
als
erstem Secretair des
Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.
Mit zwei Steindrucktafeln.
Auf Kosten des Vereins.
In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung zu Rostock und Schwerin.
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I. | Geschichte des Schlosses zu Wismar, vom Archivar Lisch zu Schwerin | 1 | |
Excurs: über die Baukünstler des 16. Jahrh. in Meklenburg | 20 | ||
II. | Geschichte des Schlosses zu Schwerin, von demselben | 32 | |
III. | Geschichte des Schlosses zu Gadebusch, von demselben | 61 | |
IV. | Meklenburgische Volksmährchen, vom wail. Pastor Mussäus zu Hansdorf | 74 | |
V. | Sympathien, von demselben | 101 | |
VI. | Plattdeutsche Sprichwörter, von demselben | 120 | |
VII. | Die Burg Dobin und die Döpe, vom Archivar Lisch | 123 | |
VIII. | Biographie des Secretairs Simon Leupold, von demselben | 135 | |
IX. | Nachricht von einem seltenen Buche von J. Crützeberch, vom Consistorialrath Dr. Mohnike zu Stralsund | 169 | |
X. | Beiträge zur ältern Buchdruckergeschichte Meklenburgs | ||
A. | vom Consistorialrath Dr. Mohnike zu Stralsund | 183 | |
B. | vom Dr. Friedländer zu Berlin | 195 | |
C. | vom Archivar Lisch zu Schwerin | 197 | |
D. | vom Archivar Dr. Lappenberg zu Hamburg | 204 | |
E. | Verzeichniß der in den Beiträgen behandelten Bücher | 206 | |
XI. | Handschriften mittelhochdeutscher Gedichte, vom Archivar Lisch | 207 | |
XII. | Miscellen und Nachträge | 214 | |
XIII. | Briefsammlung | 231 | |
XIV. | Urkundensammlung | 259 | |
A. | Urkunden über die Burg Dobin und die Döpe | 261 | |
B. | Vermischte Urkunden | 264 |
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:
der
zu
Wismar, Schwerin und Gadebusch
von
G. C. F. Lisch,
großherzoglich=meklenburgischem
Archivar
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Vorwort.
D ie Geschichte des fürstlichen Residenz=Schlosses zu Schwerin ist stets der Gegenstand lebhafter Unterhaltungen gewesen, so wenig man auch über den Bau bisher gewußt hat. Die Befriedigung einer wissenschaftlichen Wißbegierde der Gebildeten war hinreichende Veranlassung dazu, die Geschichte dieses alten Baues zu erforschen. Dringende Aufforderung zur Bearbeitung derselben gab aber eine auf die Quellen zurückgehende Unterhaltung hoher Personen bei der Feier des denkwürdigen Regierungs=Jubiläums des hochseligen Großherzogs Friederich Franz. Seitdem ist die Geschichte dieses Schlosses unausgesetzt der Gegenstand aufmerksamer Forschung gewesen, in welche nach und nach auch die Geschichte der Schlösser zu Wismar und Gadebusch hineingezogen werden mußte, da diese drei Bauten demselben heimischen Baustyl aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angehören und zur Charakterisirung jener gebildeten Zeit nicht wenig beitragen, überhaupt aber mit ihrer Geschichte oft den Boden der vaterländischen Geschichte und Cultur bilden. Auch die Geschichte der Baukünstler dieser Zeit war zum klaren Verständniß wesentlich nothwendig.
Die Forschung hatte mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, da über den Bau aller drei Schlösser fast gar keine Acten existiren; alles Material mußte aus unzähligen, weit zerstreueten, gelegentlichen Notizen in Rechnungen, Tagebüchern, Inventarien, Briefen u. s. w. zusammengebracht werden, die nur ununterbrochene Aufmerksamkeit, oft nur ein gutes Glück in die Hände spielte. Uebersehen ist nichts, was einigermaßen Hoffnung zur Gewinnung irgend einer Nachricht gab. Strenge, oft wörtlich aus den Quellen geschöpft ist jeder Satz, fast jedes
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Wort, sobald es irgend eine Thatsache enthält. Die Richtigkeit aller Angaben kann sicher verbürgt werden; dagegen mußte die Mittheilung der Quellen selbst unterbleiben, da für jede Thatsache ein größeres Actenstück von gewöhnlich sonst nicht wichtigem Inhalte hätte abgedruckt werden müssen; durch dieses Verfahren würde diese Abhandlung einen übermäßigen Umfang erhalten haben, ohne dadurch an Werth zu gewinnen. Dennoch wird diese Abhandlung für die Zukunft den Werth der Quellen erhalten, da sich diese schwerlich je werden wieder zusammenbringen lassen. - Die beigegebene Lithographie des Grundrisses des schweriner Schlosses ist nach der saubern, nach dem Bau selbst angefertigten Originalzeichnung des Herrn Bau=Conducteurs Tischbein genommen.
Schwerin, im Februar 1840.
G. C. F. Lisch.
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D ie fürstliche Residenz zu Wismar hat so viele merkwürdige Schicksale 1 ) erlebt, wie wohl kaum ein anderes Gebäude in Meklenburg. Nachdem die Stadt Wismar sich, nach ihrer Gründung im Anfange des 13. Jahrhunderts, zu einiger Bedeutung erhoben hatte und die fürstliche Burg Meklenburg abgebrochen war, erbauete der Fürst Johann I. von Meklenburg, der Theologe genannt, im J. 1256 eine feste Burg 2 ) in der Stadt Wismar und erhob sie zur Residenz 3 ) der
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Fürsten von Meklenburg 1 ). Diese Burg stand innerhalb der alten, noch nicht ummauerten Stadt auf dem Weberkampe 2 ), vor der jetzigen Stadt rechts am Ausgange vor dem altwismarschen Thore. Als die Wismaraner in den Fehden um die vormundschaftliche Landesregierung während der Pilgerfahrt des Fürsten Heinrichs des Pilgers, auf vorher ausgesprochene Empfehlung desselben, ihre Stadt im J. 1276 mit einer Mauer umzogen 3 ), waren sie schon so übermüthig, durch diese die Burg von der Stadt abzuschneiden 4 ), so daß die Burg vor die Stadt zu liegen kam 5 ); jedoch stand nach Aufführung der Mauer der
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fürstliche Marstall noch innerhalb der Stadt 1 ). Diese Burg brannte im J. 1283 ab 2 ), muß aber nach den zunächst folgenden Nachrichten an derselben Stelle wieder aufgebauet sein. Im J. 1300 sah sich der alternde Fürst Heinrich der Pilger nach vielen Zwistigkeiten veranlaßt, mit der widerspenstigen Stadt, als diese zur Züchtigung mit dem Banne belegt war, zur Wegräumung fernerer Hindernisse eines guten Einverständnisses, einen Vertrag 3 ) einzugehen, nach welchem die alte Burg alsbald abgebrochen werden sollte und den Fürsten, weil sie eine Wohnung in Wismar nicht entbehren konnten, ein Platz zur Erbauung eines Hofes ohne Befestigung innerhalb der Stadt angewiesen ward 4 ). Ja der greise Pilger und sein Sohn, der Löwe, mußten sich am 28. März 1300 gegen die Stadt verpflichten, wenn der Abbruch der vor der Stadt gelegenen und an die Stadt verkauften Burg am 1. Mai nicht begonnen sei, mit ihren Räthen und Vasallen auf Einlager nach Wismar zu gehen, und wenn die Burg am 8. Sept. nicht völlig zerstört worden sei, diese mit allen noch stehenden Gebäuden der Stadt zu überlassen ; dabei mußten sie sich ebenfalls unter Verwillkührung des Ein lagers verpflichten, dafür zu sorgen, daß binnen vierzehn Tagen der Bann von der Stadt genommen und der Gottesdienst wieder hergestellt werde 5 ). Den Bau des den Fürsten gestatteten Hofes vollendete der Pilger ( † 2. Januar 1302) wohl noch selbst 6 ). Heinrich II., der Löwe, des Pilgers Sohn, verschmerzte jedoch die Keckheit der Stadt nicht; sein Unwille stieg zum Zorn, als die Wismaraner ihm im J. 1310 die Feier der Vermählung 7 ) seiner Tochter Mathilde mit dem Herzoge Otto von Lüneburg in ihrer Stadt verweigerten 8 ). In der deßhalb entstandenen
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Fehde brachen die Rostocker, als Helfer der Stadt Wismar gegen die Fürsten, den fürstlichen Hof im J. 1310 1 ). Jedoch zwang der Fürst bald die Stadt und brachte es dahin, daß er, an der Stelle des von den Rostockern gebrochenen Hofes, innerhalb der Stadtmauern zwischen dem Kloster der schwarzen Brüder und dem meklenburger Thore, im J. 1311 eine Feste mit einem starken hohen Thurme baute 2 ), aus welcher ein Thor , neben einem andern starken, hohen Thurme, durch die Stadtmauer nach dem Weberkamp außerhalb der Stadt führte. Diese Feste lag hiernach unbezweifelt in der meklenburger Straße neben dem noch stehenden sogenannten schwarzen Kloster nach dem meklenburger Thore hin und war von dem Weberkampe, auf welchem das alte Schloß des Fürsten Johann gestanden hatte, nur durch die Stadtmauer geschieden. Der Weberkamp muß sich also von dem altwismarschen Thore gegen das meklenburger Thor hin erstreckt haben. Die Stelle dieser oder der frühern ältesten Feste ging den Fürsten in. der Folgezeit auch nicht verloren; die ganze Folgezeit hindurch bis in das 17. Jahrhundert besaßen sie in der meklenburger Straße einen geräumigen Hof, der meklen=
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burger Hof 1 ) genannt, welcher kurz vor dem Jahre 1644 einstürzte 2 ).
Doch der Wachsthum der Stadt stand noch bevor, und mit diesem stieg ihr Muth, und so wußte sie gleich nach dem Tode des Löwen am 18. März 1329 die in ihren Mauern residirende Vormundschaft seines minderjährigen Sohnes Albrecht des Großen dahin zu bringen, daß diese der Stadt das fürstliche Schloß innerhalb der Stadt am meklenburger Thore 3 ) mit dem Thurme und dem Bergfrit (Burgfried, Verschanzung) verkaufte 4 ). Dagegen gestattete dieselbe den Fürsten die Bewohnung eines andern Hofes innerhalb der Stadt bei der St. Georgen=Kirche, im Osten derselben, welcher Hof schon dem Fürsten Heinrich II., dem Löwen, Albrechts Vater, gehört hatte 5 ).
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An dieser Stelle hat denn auch seitdem immer der fürstliche Hof zu Wismar gestanden, im Osten der St. Georgen=Kirche, zwischen dieser und der St. Marien:Kirche, unter den Namen des Fürstenhofes und des Tribunals 1 ).
Als der Fürst, nachherige Herzog Albrecht, mit dem Anfange des Jahres 1337 nach erlangter Volljährigkeit die Herrschaft seiner Väter selbstständig angetreten hatte, zeigte er sich zwar der Stadt Wismar freundlich, trug jedoch gegen sie schweren Zorn im Herzen wegen der Versetzungen und Zerstörungen der Schlösser 2 ) unter seinen Vorfahren und söhnte sich erst im J. 1339 ganz aus. Seine Macht auf die Städte gründend, befestigte er jedoch den Fürstenhof nicht wieder, sondern war, im Gefühle seines Ansehens, mit dem einfachen Hofe an der St. Georgen=Kirche zufrieden, welchen er um das J. 1356 und späterhin einer seiner Nachfolger Heinrich um das Jahr 1430 weiter ausbauten 3 ). Den Platz der zweiten Feste, der Burg Heinrichs des Löwen, in der meklenburger Straße muß er jedoch von der Stadt Wismar wieder erlangt und mit einem Hofe bebaut haben, da dieser in spätern Zeiten, wie eben bemerkt, unter dem Namen des meklenburger Hofes 4 ) im Besitze der Herzoge vorkommt, wobei zu bemerken ist, daß im 16. und17. Jahrhundert der Für=
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stenhof an der St. Georgen=Kirche auch oft der meklenburger Hof genannt wird, während dann der eigentliche meklenburger Hof: das Haus in der meklenburger Straße heißt.
Der Fürstenhof oder das Tribunal.
Die Geschichte des jetzigen Fürstenhofes erfordert eine vorläufige kurze Beschreibung desselben.
Der Fürstenhof besteht jetzt aus drei Theilen, welche einen fast dreieckigen Hof einschließen, von dem die Eingänge in das Innere der Gebäude führen. Diese Theile sind folgende:
1) Der alte Hof, mit der langen hintern Seite der Ostseite der St. Georgen=Kirche gegenüber, "an der hohen Straße", oder am St. Georgen=Kirchhofe der Länge nach in der Richtung von S. nach N. gleichlaufend mit der "hohen Straße", welche vom St. Georgen=Kirchhofe nach der lübischen Straße führt 1 ).
2) Der neue Hof, welcher im rechten Winkel mit dem alten zusammenhängt und der Länge nach von W. gegen O. vom St. Georgen=Kirchhofe gegen die Kirchen=Gebäude von St. Marien läuft, mit den gegenüberliegenden Häusern eine Straße: "am Fürstenhofe", oder: "am Tribunal" bildend.
3) Der Stall auf dem Hofe, schräge hinter den beiden Hauptgebäuden stehend, so daß er mit denselben beinahe ein rechtwinkliges Dreieck bildet.
Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert wird des fürstlichen Hofes zu Wismar anders nicht besonders gedacht, als daß seiner auf friedlichem Wege Erwähnung geschieht 2 ). Der alte Bau mußte aber im sechszehnten Jahrhundert neuen Ereignissen weichen, und in dieses Jahrhundert fällt die Erbauung des Fürstenhofes, wie er zum größten Theile jetzt noch steht.
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1) Das älteste Gebäude.
Ob von den alten Gebäuden des Fürstenhofes an der St. Georgen=Kirche aus dem 14. oder 15. Jahrhundert noch etwas steht, läßt sich nicht mit Bestimmtheit angeben. Wenn noch etwas davon vorhanden ist, so kann dies nichts anders sein, als der jetzige Stall auf dem Hofe.
Wahrscheinlich diente dieses Gebäude immer als Stall; denn der älteste Hof der Fürsten stand an der Stelle des neuesten Gebäudes an der Straßenecke am St. Georgen=Kirchhofe.
Außerdem wird noch von den alten Nebengebäuden öfter genannt:
ein altes Backhaus, ohne Werth;
ein Thorweg auf dem Hofe nach der Marienkirche hin;
ein Stück Mauer in der Fronte des neuen Gebäudes,
nach der Marienkirche hin.
2) Der alte Hof.
Als der Herzog Heinrich der Friedfertige sich mit der Prinzessin Helena von der Pfalz zu vermählen beabsichtigte, bereitete er Festlichkeiten vor, welche zu den größten gehören, die in Norddeutschland gefeiert sind. Die Vermählung ging am 12. Junius 1513 vor sich. Da aber Schwerin die große Zahl der erwarteten Gäste nicht aufnehmen konnte 1 ), so ward die Stadt Wismar zur Feier der Vermählung bestimmt. Zur Aufnahme seiner jungen Gemahlin ließ der Herzog ein neues Schloß an der Stelle des alten Fürstenhofes an der St. Georgenkirche bauen. Das Gebäude ward im Jahre 1512 begonnen und einige Zeit nach Ostern 1513 kurz vor der fürst=
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lichen Hochzeit vollendet. Die Aufsicht über den Bau und die Rechnungen führte der Priester Heinrich Stolp ( † 1526) zu Wismar, Pfarrherr von Lübow, Vikar an der St. Marienkirche zu Wismar, fürstlicher Capellan und des Herzogs Heinrich vieljähriger vertrauter Diener 1 ). Der "neue Baumeister" hieß Georg 2 ); der Maurermeister hieß Ertman oder Ertmar Boeth oder Bot 3 ). Die Fenster, vielleicht gemalte, lieferte der "Meister Gerdt der Glaser zu Bützow"; wahrscheinlich blühete dort die Glaserei von der Zeit des Bischofs Conrad Loste ( † 24. Dec. 1503), der die Kirche zu Bützow mit schönen gemalten Glasfenstern zieren ließ. Die Steine lieferte der Probst von Neukloster aus seiner Ziegelei. Nach einer Recapitulation ward im J. 1513 aus der Chatoulle des Herzogs Heinrich 1085 Mark "am hauß zur Wißmar verbauet".
Dieser alte Hof Herzogs Heinrich war im J. 1576 und in den folgenden Jahren zwei Stockwerk hoch. Er enthielt unter der Erde die Keller. Im ersten Stock war links die Hofdornitz oder Hofstube 4 ) und rechts die Küche, beide gewölbt, jede mit einem eigenen gewölbten Eingange, wie noch heute; die Gewölbe mit den starken Säulen stehen noch und tragen, wie die Gewölbe in der alten Hofstube des schweriner Schlosses, noch den Charakter einer alten Zeit, sind jedoch kürzer, stärker und ohne Verzierungen.
Nach dem Schloßhofe hin hatte das Haus drei Erker und nach der Kirche hin fünf Giebel in Holz gemauert. Auf dem Hofe stand am Gebäude ein Windelstein (Treppenhaus) in Holz gemauert. Im J. 1576 lag das Gebäude schon sehr wüst.
Im J. 1516 erhielten die Herzoge Heinrich und Albrecht von dem competirenden Bischofe Heinrich von Ratzeburg zur Beförderung des Gottesdienstes die Erlaubniß, einen (verdeckten) Gang von diesem fürstlichen Hofe nach der St.
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Georgen=Kirche zu bauen 1 ), unter der Bedingung, daß der Altar, welcher deshalb abgebrochen werden mußte, ohne Schmälerung seiner Einkünfte und ohne Schaden, an eine andere passende Stelle versetzt werde. Wahrscheinlich ging dieser Gang aus dem zweiten Stock und ließ einen Durchgang über die Straße frei; vielleicht mündete er links vom Altar am hohen Chor, wo noch der fürstliche Stuhl (von gewöhnlicher Bauart) 2 ) mit dem geschnitzten meklenburgschen Stierkopf zwischen den Stühlen der Geistlichkeit und des Magistrats der Stadt steht.
Von diesem alten Bau stehen noch die Ringmauern und die Gewölbe des Erdgeschosses. Eine Feuersbrunst verzehrte in der schwedischen Zeit den oberen Theil dieser Seite und den nördlich daran stoßenden Theil ganz und ein neueres Gebäude füllt jetzt die Ecke an der Straße zwischen den beiden Hauptgebäuden.
In dieser nördlichen Ecke, an der Stelle des neuesten Baues in gleicher Flucht mit dem Hofe H. Heinrichs, stand der älteste Hof, drei Stockwerke hoch, ganz in Stein und "vorderwärts" mit vier kleinen Giebeln in Holz gemauert.
3) Der neue Hof.
Mit der Regierung des hochgebildeten Herzogs Johann Albrecht I. begann für Meklenburg eine neue, glänzende Zeit für Wissenschaft und Kunst. Die fürstlichen Schlösser waren alle klein, unwohnlich und verfallen; der junge Fürst richtete daher zuerst sein Augenmerk auf die Erbauung anständiger Fürstenhöfe und öffentlicher Gebäude. Er reis'te im J. 1550 nach Wismar, um die fürstlichen Gebäude zu besichtigen, und fand, daß sie alle einer wesentlichen Verbesserung bedurften. Er schlug daher dem Herzoge Heinrich, seinem Oheim, in einem Schreiben d. d. Wismar 30. Junius 1550 vor, das von demselben 151 2/3 erbauete Haus um ein Stockwerk zu erhöhen, weil darin kein "fürstlich Gelaß sei, um stattliche Gemächer einzurichten". Da man aber dann eine Zeit lang während des Baues gar nichts haben würde, so sei es seine Ansicht, daß man auf dem Platze daneben einige fürstliche Gemächer zurichte, damit es nicht so gar schimpflich stehe und ihnen zum Spott gereiche. Auf die dringenden Bitten des Herzogs
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Johann Albrecht um Beschleunigung des Baues erwiderte ihm am 15. Julius 1550 der Herzog Heinrich: er habe sich bei seinem Beilager (1513) mit seiner Gemahlin, der Pfalzgräfin, mit den vorhandenen Gebäuden beholfen und könne, namentlich bei bevorstehender Aernte, sich auf nichts weiter einlassen, als den Bau der Schnecke (des Treppenhauses) 1 ) an dem von ihm aufgeführten Gebäude vorzunehmen; jedoch wolle er an den Präceptor des Antonius=Klosters zu Tempzin schreiben, daß er Steine brennen lasse, und den Propst zu Neukloster auffordern, seine verfallene Ziegelei fordersamst wieder aufzurichten.
Kaum hatte der Herzog Johann Albrecht (1552) den Thron bestiegen und in den wichtigen Religionsangelegenheiten durch kriegerisch und reformirende Handlungen seine Stellung einigermaßen befestigt, als er auch ernstlich an die Einrichtung seines Hauses dachte. Zu seiner Vermählung mit der preußischen Prinzessin Anna Sophie (24. Februar 1555), welche wiederum zu Wismar gefeiert ward, ließ er den neuen Hof daselbst aufführen.
Der Bau ward im Sommer 1553 angefangen und im J. 1554 vollendet 2 ). Das Haus ward gegen Osten hin im rechten Winkel an den alten Hof Heinrichs angesetzt, wie es jetzt noch
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dasteht. Der Platz war nicht ganz frei, sondern war mit einigen Buden besetzt, welche die Stadt Wismar dem Fürsten zum Abbruch verehrt hatte 1 ).
Das "lange, neue Haus", wie es in den Inventarien immer heißt, war drei Stockwerk hoch. Du die Mitte des Gebäudes ging eine schön gewölbte Auffahrt auf den Hof; links vom Eingange war die Hofstube, rechts der Pförtner und anderer Diener Wohnungen; im zweiten Stock war der "lange Tanzsaal", im dritten Stock (von welchem man eine reizende Aussicht hat) der große Eßsaal, daneben der Herzogin Gemach und die Rathsstube. Auf dem Hofe an der östlichen Ecke stand angebauet ein viereckiger Windelstein (Treppenhaus), welcher zu den obern Gemächern führt; die Gemächer im Erdgeschosse haben Eingänge vom Hofe. Vor dem J. 1574 war das Gebäude mit einem "Schraubdache in Kalk" gedeckt und unterm Dache standen Giebel mit kleinen Gemächern; beide wurden 1574 abgebrochen, weil von der Last dieser Gemächer das ganze Gebäude gesunken war.
Mit Ausnahme der alten Giebel 2 ) steht noch heute das Gebäude in seinen Ringmauern, mit den Gewölben und mit den Verzierungen der Außenseite, so wie mit dem Windelstein, wie es erbauet ist.
Dieser neue Fürstenhof zu Wismar vom Jh. 1554 verdient von allen weltlichen Gebäuden Meklenburgs und vielleicht Norddeutschlands aus alter Zeit die größte Aufmerksamkeit, weil er in einem großartigen Style erbauet ist und alle architektonischen Ornamente nicht allein architektonische Zwecke zeigen, sondern auch noch in ihrer ursprünglichen Bestimmung erhalten sind 3 ).
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Vor allen Dingen sind es die großartigen Verhältnisse und Dimensionen, welche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bei einer nicht unbedeutenden Länge und Höhe hat das Gebäude in jedem Stockwerk nur sieben Fenster Fronte. Pforten, Fenster und die Balkenlagen zwischen den Stockwerken sind mit Reliefs bekleidet, welche den Charakter der Berechnung für dieses Gebäude tragen. Diese Reliefs zieren beide Hauptseiten des Gebäudes, straßenwärts und hofwärts, den Windelstein mit eingerechnet.
Zwischen dem ersten und zweiten Stock läuft ein Relief aus Sandstein, dem Anschein nach zwei Fuß hoch, gedrängt voll Figuren, muthmaßlich die Darstellung einer und derselben Begebenheit in ihrem Fortgange, vielleicht aus der biblischen Geschichte 1 ).
Zwischen dem zweiten und dritten Stock läuft eine Reihe von Verzierungen aus gebranntem Thon, bestehend aus viereckigen Werkstücken, welche in einem Kranze, wie in einem Medaillon, Brustbilder im Relief zeigen, wie sie auch am Schlosse zu Schwerin vorkommen.
Die in geschwungenen Linien gewölbte Auffahrt ist an beiden Seiten mit Karyatiden aus Sandstein, Satyrn darstellend, geschmückt, jedoch in einem reineren Styl, als die am Portale zu Schwerin. Im Gesimse über der Pforte steht die oben erwähnte Inschrift, über der Inschrift das meklenburgische Wappen (mit zwei Greifen als Schildhaltern).
Die vier Pforten zum Gebäude sind alle auf dem Hofe. Sie sind gewölbt und mit Ornamenten aus gebranntem Thon verziert. Im Gesimse stehen immer vier von den Medaillons mit den menschlichen Köpfen, zwei männliche und zwei weibliche, je paarweise bei einander. In jedem Dreieck unter dem Gesimse neben den Pilastercapitälen steht ein kleineres Medaillon mit Männerköpfen, wie es am Schlosse zu Schwerin nicht vorkommt 2 ). Ueber dem Gesimse steht eine Krönung in Form eines Halbkreises (ein abgerundeter Giebel) aus gebranntem Thon. Das Giebelfeld ist von einer halben Rosette im Relief gefüllt umher steht im Halbkreise die Inschrift:
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Dieselben Werkstücke finden sich auch am Schlosse zu Schwerin 1 ).
Die Fenster sind mit Ornamenten ausgebranntem Thon bekleidet. Verzierungen mit Laubwerk fassen die Fenster ein; an den Seiten stehen flache Karyatiden, welche dreieckige Giebel tragen. Alles zeigt hier weise Berechnung: die Karyatiden am Mitteltheile des Gebändes haben Kapitäler, die am Obertheile nicht.
Die Ornamente aus gebranntem Thon 2 ) (die "gedruckten Steine ") fertigte schon seit der zweiten Hälfte des Jahres 1552 der Steinbrenner Statius von Düren 3 ) auf der Ziegelei zu Schwerin; noch im J. 1557 stand er in herzoglichen Diensten 4 ). Neben ihm lebte im J. 1557 zu Schwerin noch ein "alter Ziegelbrenner". Zu derselben Zeit arbeiteten auch holländische Ziegelbrenner zu Dömitz, und auch in Wismar arbeiteten Ziegelbrenner auf fürstliche Rechnung.
Die Deckenverzierungen für die Säle in den Schlössern zu Wismar und Schwerin malte im Jahre 1554 der
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Meister Jacob Strauß zu Berlin: auf Leinwand mit vergoldeten Rosen; die Decken wurden in Berlin gemalt und nachher angeschlagen.
Die Oberaufsicht und die Geldberechnung über den wismarschen Schloßbau von 1554 führte der Rentmeister Andreas Bessel 1 ).
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in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
H öchst interessant wäre die Beantwortung der Frage, welche Künstler und Werkleute das Schloß zu Wismar geschaffen und den Styl desselben verbreitet haben; leider fließen, trotz alles Forschens, die Quellen für den Zeitraum von 1552 bis 1560 nur sehr spärlich. Außerdem ist in Beziehung auf den Schloßbau zu Wismar und die gleichzeitigen Bauten zu Schwerin auch überall nur wenig von bedeutenden Namen zu finden, indem diese Bauten wahrscheinlich von sogenannten Maurermeistern ausgeführt wurden. Im J. 1552 war Gabriel 1 ) von Aken als Maurermeister in des Herzogs Johann Albrecht I. Diensten. Dieser holte in den J. 1552 und 1553 (Fundament=)Steine zum Bau aus Dänemark 2 ), legte den Grund zu dem wismarschen Schlosse und vollendete das Fundament im J. 1553 mit Hülfe eines andern Meisters Michael und dessen Sohnes. Außer Gabriel von Aken lebte in Wismar noch ein zweiter Maurermeister Valentin von Lira. Die Meister Gabriel und Valentin standen nicht freundlich zu einander, und als den Bausteinen Valentins beim Ankaufe der Vorzug gegeben ward,
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verließ Gabriel von Aken plötzlich den fürstlichen Dienst und zog um Andreä (30. Nov.) 1553 nach Lübeck, von wo er dem Herzoge am 4. April 1554 einen Absagebrief schrieb. Da die Vollendung des Schlosses wegen der bevorstehenden Vermählung des Herzogs (im J. 1555) eilte, so ward die Weiterführung des Baues sogleich dem Maurermeister Valentin von Lira übertragen.
Es hatte aber sicher seine Schwierigkeiten, einen verlassenen großen Bau fortzuführen; daher wandte sich der Herzog Johann Albrecht 1. sogleich nach dem Abgange Gabriels von Aken an den Kurfürsten August von Sachsen mit der Bitte, ihm im Anfange des kommenden Jahres 1554 seinen Oberzeug= und Baumeister Caspar Voigt zu senden, um ihm "zu seinen vorhandenen Gebäuden räthlich zu sein". Der Kurfürst versagte zwar dem Herzoge die Erfüllung dieser Bitte nicht ganz, bemerkte aber in seinem Antwortsschreiben, d. d. Lochau am 19. December 1553, daß sein Baumeister noch mit dem Festungsbau von Dresden beschäftigt sei und den Befehl erhalten habe, gleich nach dem leipziger Weihnachtsmarkte das Fundament zum neuen Schlosse zu Leipzig (der Pleißenburg) abzustecken und die Erde ausgraben zu lassen, damit im nächsten Frühling mit dem Mauerwerke dieses Gebäudes der Anfang gemacht werden könne; wenn der Grund ausgegraben sei, wolle der Kurfürst dem Baumeister gerne auf einige Wochen Urlaub geben. Als der Baumeister Caspar Voigt aber nicht kam, bat der Herzog im April 1554 den Kurfürsten noch ein Mal, denselben zu ihm zu beurlauben, damit er des Herzogs "angefangenen Bau besichtigen und seinen Rath mittheilen" möge; der Kurfürst bedauerte jedoch am 28. April 1554, daß er wegen der vielen unternommenen Bauten seinen Baumeister im nächsten Sommer und Herbste nicht entbehren könne, übrigens denselben auch sonst täglich gebrauchen müsse 1 ). - Am Weihnacht des J. 1554 schickte der Herzog Johann Albrecht seinen "Maurer" nach Weimar an den Herzog Johann Friederich den Aeltern von Sachsen, um dessen Schloß Grimmenstein, namentlich die Schließung der Gewölbe unter dem Walle zu besichtigen; der Herzog erlaubte dies, wiewohl nur ungern und unter strenger Aufsicht, und gab dem Maurer einen erbetenen Polirer oder Meistersknecht mit nach Meklenburg "zu den vorhabenden Bauten".
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Der Maurermeister Valentin von Lira führte während der Zeit den Bau zu Wismar im Jahre 1554 zu Ende und war noch im J. 1556 in herzoglichen Diensten; wahrscheinlich fiel er sich am Ende des Jahres 1556 beim Schloßbau zu Schwerin zu Tode 1 ).
Ohne Zweifel ist also der Schloßbau von Wismar von dem niederdeutschen Maurermeister Gabriel von Aken angelegt und von dem Maurermeister Valentin von Lira zu Ende geführt.
Alle Forschungen ergeben nun unbestreitbar daß in der Zeit von 1552 bis 1556 alle Schloßbauten in Meklenburg von Männern ausgeführt wurden, welche den Titel Maurermeister trugen; es kommt in dieser Zeit durchaus kein Baukünstler unter dem Titel eines Baumeisters vor 2 ).
Mit dem Anfange des Jahres 1557, seitdem die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich die neuen Schloßbauten zu Schwerin, Dömitz und Güstrow und die Befestigung der Häuser Schwerin und Dömitz begannen, erscheint eine ganze Reihe von Baumeistern und andern Künstlern in Meklenburg und das Bauwesen nimmt hier eine ganz veränderte Richtung.
Zunächst tritt im Dienste der Herzoge eine ganze Künstlerfamilie auf, welche längere Zeit in Meklenburg wirkte: die der Par oder Parr (auch Pharr oder Pahr), dreier Brüder 3 ): Franz Parr, Johann Baptista Parr und Christoph
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Parr, welche entweder gleich als Baumeister auftraten, oder sich mit der Zeit zu Baumeistern emporschwangen.
Zuerst erscheint der Baumeister Franciscus Parr, welcher im Dienste des Herzogs Ulrich von Meklenburg=Güstrow, des Herzogs Johann Albrecht Bruder, stand aber auch von dem letztern zu Rathe gezogen und öfter nach Schwerin gerufen ward. Er baute seit dem J. 1558 (sicher bis 1565) das Schloß zu Güstrow nach dem Brande für den Herzog Ulrich wieder auf 1 ) und erscheint im J. 1562 zuerst öfter in Schwerin als Rathgeber zu den Bauten des Herzogs Johann Albrecht. - Sein Nachfolger scheint der Bildhauer, "Steinmetz Philipp Brandin" geworden zu sein, der noch im J. 1591 des Herzogs Ulrich "bestallter Baumeister" war.
Ein anderer war der Baumeister Johann Baptista Parr, auch Hans Parr genannt, Bruder des Franz Parr, des Herzogs Johann Albrecht I. Baumeister. Dieser war sicher schon im J. 1557 in des Herzogs Diensten. In der Mitte des J. 1557 holte er Kalk aus Dänemark und im Anfange des J. 1558 Sandsteine aus Pirna; im Laufe des Jahres 1558 bauete er auch den Thurm zu Lübz. Gleichzeitig hatte er auch den neuen Schloßbau zu Schwerin angefangen, zu welchem er im Herbste 1558 die Gerüststangen stellte.
In dieser Zeit wird er nur Maurermeister 2 ) genannt; später erscheint er als Baumeister. Sicher schon im J. 1564 war er in Schwerin ansässig und leitete noch im September 1571 die dortigen neuen Schloßbauten 3 ). Am Neujahr 1570
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erneuerte der Herzog seine Bestallung auf drei Jahre 1 ). Gegen das Lebensende seines Fürsten fühlte Johann Parr jedoch wohl, daß er nicht mehr nach seinen Wünschen wirken könne und ging daher, mit Zustimmung des Herzogs, im J. 1572 in die Dienste des Königs von Schweden 2 ), in welchen er bis in das Jahr 1578 blieb; im October d. J. lebte er schon wieder in Schwerin. - Er besaß während der neuen Schloßbauten zu Schwerin "vor der Burg" ein Haus mit einem Garten, welches er von Andreas Bugenhagen gekauft hatte. Als er nach Schweden ging, verpfändete er für 100 fl. diese Besitzung an den damaligen Marschall Heinrich Below, welcher sie an den Herzog verkaufte, der sie zum Garten 3 ) (dem jetzigen sogenannten "Alten Garten") machte. Nach seiner Rückkunft aus Schweden reclamirte er sein Eigenthum wiederholt, bis ihm im J. 1581 der Herzog Ulrich die geforderte Entschädigung zuerkannte. - Hiernach ist dieser Johann Baptista Parr wohl ohne Zweifel des Herzogs Johann Albrecht I. Baumeister während dessen neuer Schloßbauten zu Schwerin gewesen. - Vor seinem Abgange nach Schweden bauete er noch das fürstliche Haus zu Fürstenberg, so wie im J. 1570 die alte Kanzel im Dom zu Schwerin, am nordwestlichsten Pfeiler neben der Orgel im Auftrage des Dom=Capitels, dessen Wappen und Inschrift zum Gedächtnisse dieses Kanzelbaues noch an dem Pfeiler steht.
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Ein dritter war der Steinmetz und Baumeister Christoph Parr, Bruder des Johann Baptista Parr und des Franz Parr und Schwiegersohn des Schulrectors Dabercusius zu Schwerin. Dieser stand sicher schon seit dem J. 1558 theils als Steinmetzmeister, theils als Baumeister neben seinem Bruder in des Herzogs Johann Albrecht I. Diensten, indem er im J. 1558 die Pforte am Aufgange zum Schlosse zu Schwerin baute 1 ), und hatte sich bald nach dem Jahre 1563 auch ein Haus zu Schwerin gekauft. Von 1558 - 1561 arbeitete er auch als "Steinmetz" unter seinem "Bruder Franz" an dem neuen Schloßbau zu Güstrow; in den Jahren 1562 - 1564 wirkte ein anderer "Steinmetz, Hans Strale", am Schloßbau zu Güstrow. Auch er ging ungefähr im J. 1572 aus des Herzogs Diensten, indem ihn im November 1573 dieser "seinen gewesenen Baumeister" nennt. In den J. 1572 und 73 bauete er (der "Baumeister Christoff Pahr") 2 ) für den Fürsten noch den fürstlichen Kirchenstuhl, der Kanzel gegenüber, das jetzt sogenannte adeliche Chor, im Dome zu Schwerin 3 ). Diesem Manne wird in den Acten Schläfrigkeit, Langsamkeit und Nachlässigkeit zum Vorwurfe gemacht; allerdings kommt er auch am wenigsten in den Verhandlungen und Rechnungen zum Vorschein 4 ).
Ohne Zweifel ist es also, daß Johann Baptista Parr der Hauptbaumeister des Herzogs Johann Albrecht I. während der Neubauten desselben zu Schwerin war.
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Nach der Entdeckung der Baumeister der fürstlichen Schlösser aus dem 16. Jahrhundert in Meklenburg läßt sich vielleicht auch etwas über den Styl ihrer Bauten sagen.
Die mit den thönernen Ornamenten bekleideten Schlösser zu Wismar und Schwerin (1552 - 1556) sind noch von ächt niederdeutschen oder niederländischen Meistern ausgeführt, und es ließe sich dieser eigenthümliche Styl wohl ein niederdeutscher oder niederländischer nennen, um so mehr, da auch die Ziegelbrenner und andere Arbeiter neben den Maurermeistern Niederländer oder Niederdeutsche waren oder doch niederländische Namen führten. Trotz aller anderer Einflüsse hielt sich dieser Styl dennoch einige Zeit in Meklenburg, indem noch im J. 1570 der Herzog Christoph das Schloß zu Gadebusch in demselben Geschmacke aufführen ließ.
Die Herkunft der Parr ist dunkel. Der Name Parr kommt sehr häufig in Spanien vor und es wäre glaublich, daß die Parr spanisch= niederländische Künstler 1 ) waren, welche in der nahen Verbindung zwischen Spanien und den Niederlanden nach Deutschland kamen. Die rein hochdeutsche Bildung dieser Männer läßt jedoch schon auf eine deutsche Geburt dieser Männer schließen; aus dem Begehren des Herzogs Johann Albrecht nach dem kurfürstlich=sächsischen Baumeister möchte man freilich annehmen können, daß er auch die Parr aus Sachsen kommen ließ, wie in der Mitte des 16. Jahrhunderts so viele Sachsen nach Meklenburg kamen, wenn nicht die Schreibweise auf eine rheinisch=niederländische Herkunft deutet. Dennoch blieben italiänische Einflüsse nicht ferne. Der Styl der neuern Bauten des 16. Jahrhunderts dürfte daher wohl eher ein deutsch=italiänischer sein; der ausgezeichnete Bau des güstrowschen Schlosses (jetzigen Landarbeitshauses) scheint auch hiefür zu sprechen.
Der italiänische Einfluß auf die neuern Schloßbauten im 16. Jahrhundert zeigt sich schon mit dem Beginne derselben 2 ).
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Jedoch ist es gewiß, daß italiänische Baukünstler noch nicht zu der Zeit im Lande waren, als die Gebäude mit den thönernen Verzierungen zu Wismar und Schwerin aufgeführt wurden.
Der unmittelbare italiänische Einfluß taucht in Meklenburg zuerst auf, als der Herzog Johann Albrecht I. den Plan faßte, die Schlösser zu Dömitz und Schwerin kunstgemäß zu befestigen. Am 25. Januar 1557 empfahl der Herzog Herkules von Ferrara, welcher mit dem Herzoge Johann Albrecht in Briefwechsel stand, einen Baumeister Francesco a Bornau von Brescia (Bressensis). Dieser ward auch alsbald in Dienst genommen und kam mit wenigstens acht welschen Maurergesellen, alle aus Trient (von Trendt), und einem italiänischen Ziegler gegen das Ende des Jahres 1557 nach Meklenburg 1 ).
Ehe er seine Arbeit begann, hatte jedoch schon ein anderer italiänischer Baumeister, Namens Paul 2 ), vielleicht des Francesco Sohn, mit einem ihm untergeordneten Maurermeister Hanß Rogatsis 3 ) die nothwendigsten Vorarbeiten ausgeführt, zu denen namentlich die Herbeischaffung von Arbeitsgeräth (an "Hacken, Schaufeln und Spaten") und Baumaterialien und Steinen und die Ausgrabung des Grundes gehörte; zu diesem Zwecke besorgte er auch die Abbrechung der Klostergebäude zu Schwerin und Tempzin 4 ).
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Im J. 1558 scheint Francesco a Bornau seine Arbeiten begonnen zu haben 1 ). Unter ihm arbeitete jedoch Meister "Hans Ragatz" fort, welcher noch am 27. März 1562 den Auftrag erhielt, die "neuen Welschen für Dömitz anzunehmen". Im J. 1566 war dieser aber schon gestorben und der Herzog hatte "des verstorbenen welschen Baumeisters Sohn, Jacob Ragatz", der noch im J. 1581 als "Maurer" zu Schwerin auf der Schelfe wohnte, "zu seinem "welschen Posaunenbläser Francesco Magli" auf seine Kosten ins Haus gegeben. In Schwerin führte seitdem unter Francesco a Bornau der Meister Christoph Haubitz die Schloßmauern und Bastionen auf.
Am Ende des Jahres 1568 war Franz von Borno schon mehrere Jahre im Lande gewesen 2 ). - Diese Italiäner arbeiteten, neben den Baumeistern Parr, gewiß bis zum J. 1570 zu Dömitz 3 ), aber auch mitunter zu Schwerin.
Zu der Zeit, als Francesco a Bornau in meklenburgischen Diensten war, ließ der Herzog in den Jahren von 1562 bis 1568 auch mehrere Male des "Churfürsten zu Branden=
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"burg welschen Baumeister Francisco Archiamarel oder besser Chiaramela 1 ), gewöhnlich Giromella in gedruckten Büchern genannt, nach Schwerin holen und empfing von ihm Rath und Pläne (Modelle) 2 ), vorzüglich wohl für die Befestigung der Schlösser zu Dömitz und Schwerin. Am 27. September 1567 bat der "Markgraf" Johann von Brandenburg von Spandau aus den Herzog, dem "Baumeister Franciskus Chiaromella de Gandin, Ritter . " zu Spandau, dafür daß dieser ihm vieler Wege fleißig gedient, eine Ergötzung zu bewilligen.
Gegen das Ende seines viel bewegten und reichen Lebens ward die Wirksamkeit des Herzogs Johann Albrecht einfacher und er beschränkte sich in seinen letzten Jahren mehr auf seine alten Diener, so auch in Hinsicht auf die Baumeister. Die Brüder Johann Baptista und Christoph Parr waren im J. 1572 aus seinem Dienste entlassen und die Arbeiten der Italiäner hören mit dem J. 1570 auf. Statt aller dieser schloß sich der Fürst
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an seinen alten Maurermeister Christoph Haubitz, den er zu seinem Baumeister ernannte. Christoph Haubitz ward zuerst im J. 1549 vom Herzoge als Maurermeister zu Wittenburg angenommen 1 ). Im J. 1562 arbeitete er zu Schwerin als Maurermeister bei den neuen Schloßbauten "nach alter Weise". Nachdem er im J. 1563 eine neue Bestallung erhalten hatte, machte er mit dem Herzoge die bekannte Reise nach Preußen, wahrscheinlich um hier Erfahrungen zu sammeln und alte, tüchtige Bauten zu sehen. Seit seiner Rückkehr aus Preußen war er nun fortwährend in Schwerin beschäftigt. Er hatte unter der obern Leitung des Baumeisters Johann Baptista Parr den Bau der Schloßkirche und unter der obern Leitung des Baumeisters Francesco a Bornau den Bau der Wallmauern und Basteien an der südlichen Seite des Schlosses, dem Schloßgarten gegenüber, im Verdinge; im J. 1567 waren bei dem Ausbau und der Einrichtung des neuen Zeughauses und der alten Hofstube viele Arbeiter unter ihm thätig. Nach dem Abgange der Brüder Parr nennt er sich in Contracten und Quitungen ausdrücklich des Herzogs Johann Albrecht "Baumeister" 2 ) und wird auch so genannt. Im J. 1572 verhandelte er zu Wismar mit dem Herzoge "wegen der wismarschen Wasserleitung", die er auch im J. 1573 ausführte, im J. 1574 leitete er die Restauration des fürstlichen Hauses zu Rehna und die Bauten zu Schwerin und Dömitz und noch am 2. Oct. 1575 schloß der Herzog mit ihm 3 ) einen Contract, auf dem Fürstenhofe zu Wismar unter dem alten Hause den Keller zu wölben und in drei Theile zu scheiden, den Marstall zu schrauben und neu zu decken, u. s. w. -In diesen Jahren führt er auch die damals häufig vorkommenden bittern Klagen über rückständige Forderungen: er sei 24 Jahre des Herzogs Diener gewesen, habe viel ausgeführt, sei jetzt kränklich und schwach und habe noch viel zu fordern; endlich
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war noch seine Besoldung von Michaelis 1575 bis Ostern 1576 rückständig. - Seit dem J. 1570 bauete er auch für den Herzog Christoph das neue Schloß zu Gadebusch und wiederholte, ein Kind älterer Zeit, hier noch ein Mal und wohl zuletzt den Styl der Bauten mit den Verzierungen aus gebranntem Thon, welcher in den Jahren 1554 und 1555 in Wismar und Schwerin Baustyl war. Im J. 1583, als der Herzog Christoph ihn als "Baumeister" in Dienste genommen hatte, verkaufte er sein Haus in Schwerin an den Rath der Stadt. Zuletzt erscheint er im J. 1584 als des Herzogs Christoph Baumeister; auch war er in seiner letzten Zeit Baumeister des Herzogs Johann, so daß er am Ende des 16. Jahrhunderts der einzige Baumeister in Meklenburg gewesen zu sein scheint.
So viel zur Widerlegung der Ansicht, als seien die mit thönernen Ornamenten verzierten Gebäude zu Wismar, Schwerin und Gadebusch italiänischen Ursprungs aus dem 16. Jahrhundert oder gar aus der wallensteinschen Zeit, da die welschen Baumeister erst 1557 ins Land kamen, dagegen die Hauptgebäude dieses Styls zu Wismar und Schwerin schon im J. 1555 vollendet waren, und zwar durch niederdeutsche Künstler, und derselbe Styl sich zu Gadebusch nur noch ein Mal durch einen Jünger dieser alten Schule ausnahmsweise wiederholte.
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U eber die frühesten Bauten am fürstlichen Schlosse zu Schwerin und über die Schicksale desselben sind durchaus keine andere Nachrichten vorhanden, als die bekannten, ganz allgemein gehaltenen: daß der letzte Wendenkönig Niclot im J. 1161 die alte wendische Burg Zuerin bei seinem Rückzuge vor der andringenden sächsischen Macht in Brand steckte 1 ) und der Herzog Heinrich der Löwe von Braunschweig sie wieder aufbauen ließ und mit der neuen Grafschaft und der Burg Zuerin den ersten Grafen, Guncelin von Hagen, belehnte, dessen Nachkommen, als Grafen von Schwerin, ihren Hauptsitz in der Burg Schwerin hatten. Mit der Erwerbung der Grafschaft verlegte der Herzog Albrecht von Meklenburg in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts seine Residenz nach Schwerin, und seit dieser Zeit ist die Burg oder "Festung Schwerin" (castrum Zuerin) immer Hauptresidenzschloß der Herzoge von Meklenburg geblieben.
Von allen alten gräflichen und herzoglichen Gebäuden des Schlosses aus dem Mittelalter ist aber nichts mehr vorhanden, sondern im Anfange der neuern Geschichte, vorzüglich während des 16. Jahrhunderts, sind an der Stelle der alten Gebäude nach und nach neue aufgeführt, und von der alten Burg der Grafen ist nichts übrig geblieben, als der bloße Name, um so mehr da die Burg im ganzen Mittelalter keine besonderen Schicksale erlebt hat, wie es bei der Fürstenburg von Wismar der Fall ist. So unbestreitbar dieser Ausspruch, schon nach dem Styl der Gebäude, ist, so schwierig wird dem Forscher der Beweis desselben, da über den Bau auch dieses Schlosses nur wenige unbedeutende Actenstücke vorhanden sind und die
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Geschichte desselben vorzüglich nur aus weit zerstreueten Ueberschriften und Inventarien in Landestheilungs= und Vormundschafts=Acten, aus Rechnungen und Tagebüchern und hunderten von kleinen, zufälligen Vorkommenheiten geschöpft werden kann.
So viel ist aber gewiß, daß im Anfange des 16. Jahrhunderts das Schloß zu Schwerin, wie alle Schlösser des Mittelalters, aus einer großen Menge einzelner Gebäude ("Häuser, Gemächer, Gebäude, Säle, Dornitzen" genannt) bestand, an deren Stelle nach und nach eine geringere Zahl größerer Gebäude getreten ist; dennoch ist durch die vielen Bauten am Schlosse noch jetzt keine Einheit hervorgebracht, vielmehr trägt die "Festung Schwerin" der Anlage nach noch immer etwas von dem Charakter des Mittelalters.
Das Schloß zu Schwerin besteht gegenwärtig aus sieben verschiedenen Haupttheilen oder "Häusern" und "Gebäuden", welche einen innern Schloßhof einschließen 1 ).
A. Das lange Haus mit dem Portal.
Der älteste Theil des Schlosses ist in seinen Hauptmauern wohl der nordöstliche Theil desselben, dem großen See gegenüber, derjenige Theil mit den Verzierungen aus gebranntem Thon, an welchen im Schloßhofe das Hauptportal angebauet ist. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, namentlich seit dem J. 1520, werden die "Häuser", welche die Herzoge Heinrich V. der Friedfertige (1503 - 1552) und Johann Albrecht I. (1552 - 1576) auf der Burg Schwerin theils vorfanden, theils neu erbauten, wiederholt genau aufgezählt; in allen Beschreibungen wird dieses Hauses aber als eines, damals schon vorhandenen gedacht: es ist also schon im J. 1503 fertig gewesen. Es ist in den Mauern sicher unter dem Herzoge Magnus II. (1477 - 1503) erbauet, da es in den Acten der Landestheilung vom J. 1520 das "große neue Haus" genannt wird; damals gehörte es dem Herzoge Albrecht 2 ). Daß der Herzog Heinrich der Friedfertige diesen Theil des
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Schlosses in den ersten Jahren seiner Regierung erbauet haben sollte, ist schon hiernach und auch deshalb nicht wahrscheinlich, da dieser Fürst zuerst ein anderes "Haus" auf der Burg bewohnte und im Laufe seiner Regierung, kurz vor seiner Vermählung 1 ), sich zu Schwerin, wie zu Wismar, ein neues
Haus erbauen ließ; auch möchte ein durchgreifender Ausbau schon im J. 1553, wie er wirklich ausgeführt ward, noch nicht nöthig geworden sein. Urkundlich bezeugt ist es dabei auch, daß der Herzog Magnus für das Schloß zu Schwerin, namentlich für die Kapelle auf demselben viel that, so daß in einer Urkunde vom J. 1503 der Sorge dieses Herzogs und seiner Gemahlin Sophie für die Kapelle rühmend gedacht wird. - Uebrigens zeugt schon die hohe und bequeme Bauart dieses Schloßtheils für dessen jüngern Ursprung. - Dieses Gebäude enthielt im J. 1520 die "große Hofdornitz" (Hofsaal, Versammlungssaal, in einem alten Inventarium auch "der Edelleute Dornitz" genannt), das "Tanzhaus" und die Wohnzimmer des Herzogs Albrecht und seiner Umgebungen, von denen bald nach 1552 ein Raum zum großen Eßsaal abgenommen ward 2 ). Daneben wird immer des Sommerhauses gedacht; dies ist entweder der Zwinger, die jetzige sogenannte Bleikammer, oder es stand auf der Stelle der jetzigen Schloßkirche. - Alles dieses war schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts baufällig 3 ); es scheint gleich im Anfange
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nicht völlig ausgebauet worden zu sein, daher die unaufhörlichen Veränderungen und Nachhülfen mehr schadeten, als nützten.
Bald nach dem Antritt seiner Regierung ließ der Herzog Johann Albrecht I., vorzüglich zu seiner Vermählung (24. Febr. 1555), nicht allein das Schloß zu Wismar bauen, sondern auch zunächst die bessern Gebäude auf der Burg zu Schwerin restauriren 1 ), ehe er hier zu neuen Bauten schritt. Er richtete das lange Gebäude nicht allein im Innern neu ein, sondern verzierte es auch im Innern und im Aeußern mit Ornamenten aus gebranntem Thon 2 ). Diese Ornamente waren ursprünglich für das Schloß zu Wismar bestimmt, wurden aber auch für die fürstlichen Häuser zu Schwerin und Gadebusch benutzt; - daher die Zweckmäßigkeit und Einheit, in welcher sie zu Wismar zum ganzen Bau stehen; daher aber auch die Unregelmäßigkeit und Zufälligkeit, in welcher sie am schweriner Schlosse erscheinen, wo sie häufig ohne Wahl und ohne Achtung der Raumverhältnisse untergebracht sind. Im Anfange des J. 1554 ward das Haus bedacht. - So hat denn ohne Zweifel der Herzog Johann Albrecht I. diesem Gebäude, welches kurz vor dem J. 1500 erbauet sein mag, im J. 1553 die jetzige Gestalt gegeben. Hiefür zeugt überdies noch eine Tafel aus gebranntem Thon in der höchsten Giebelspitze an der Seeseite über der sogenannten Damentreppe mit des Herzogs Wappen und einer Inschrift; diese Tafel ist ganz der gleich, welche über dem Eingange zum Zeughause steht; die Inschrift lautet:
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Diese Wappen und auch wohl alle übrigen Ornamente aus Thon fertigte im J. 1552 der Steinbrenner Statius von Düren 1 ), welcher in diesem Jahre 7 Gesellen und 7 Zupfleger beschäftigte. Unter dieser Inschrift, unten, über der Thür an der Damentreppe, steht, halb vermauert, der thönerne Thürbogen , der sich zu Wismar über jeder Thür findet, mit der Legende: IS . GOT . MIT . VNS . WOL . KAN . WIDDER . VNS . 2 ) - Den Ausbau selbst hatte der Maurermeister Michel und sein Sohn, der neben dem Maurermeister Gabriel von Aken in Wismar thätig war; auch arbeitete der Maurermeister Hans Voringk mit 8 Gesellen im Jahre 1554 am Schlosse. - Ein Baumeister während der Restauration war wohl nicht angestellt; wahrscheinlich leiteten die Maurermeister Michael und Valentin von Lira aus Wismar die Bauten, welche auch nicht viel künstlerische Berechnung zeigen.
In dem Bestreben der neuern Zeit, die Gebäude wohnlicher zu machen, ließ der Herzog Johann Albrecht I. im J. 1555 auch das Hauptportal (den Windelstein, d.i. Treppenhaus mit einer doppelten Treppe) 3 ) im Schloßhofe an diesen Theil des Schlosses anbauen und überhaupt die Restauration desselben vollenden.
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Ueber dem Eingange des Portals steht in Stein gehauen die Inschrift:
und an mehrern Stellen auf den thönernen Verzierungen mit kleinen Ziffern die Jahrszahl 1555, die auch im Innern des Hauptsaales angebracht ist. An beiden Seiten der Inschrift ist, nach der Vermählung des Herzogs, das meklenburgische und das preußische Wappen (das Wappen seiner Gemahlin) gesetzt; über der Auffahrt zum wismarschen Schlosse, welches vor der Vermählung des Herzogs erbauet ward, steht allein das meklenburgische Wappen. Außerdem sind an dem Portale noch zwei Stücke von dem Relief aus Sandstein angebracht, welches um das Schloß zu Wismar zwischen dem ersten und zweiten Stock läuft.
Dieses Gebäude besteht ursprünglich aus zwei verschiedenen Theilen oder Häusern, wie noch heute die Verschiedenheit der Richtung, der Giebel und der Tiefe anzeigt; beide stoßen dort, wo das Portal angebauet ist, im Schloßhofe in einem stumpfen Winkel zusammen. Diese beiden Theile sind durch den Durchbau und die Verkleidung mit den thönernen Verzierungen einigermaßen zu Einem Gebäude verbunden. Dennoch unterscheidet, sich der nördliche Theil noch in manchen Dingen von dem südlichen, welcher an das Gebäude mit der Hofküche stößt. Dieser südliche Theil (A. 2.) wird im 16. Jahrhundert öfter "des Bischofs Haus" genannt, wahrscheinlich weil er dem Bischofe Magnus (1516 - 1550) und darauf dem Herzoge, Bischofe und Administrator Ulrich zu Güstrow gehörte, Bischof Magnus hier auch einige Zeit wohnte.
In dem langen Hause waren im 16. Jahrhundert nach mehreren Inventarien folgende Localitäten:
1) der gewölbte Weinkeller, welcher unter beiden Theilen des Gebäudes liegt;
2) im Erdgeschosse der Hofsaal (entrée) oder die Hofdornitz mit einem doppelten Gewölbe auf Säulen in der Mitte. Dieser große Saal ist jetzt zum Theile durch Zwischenwände verbauet. Früher nahm der Saal das ganze Erdgeschoß des nördlichen Hauptgebäudes (A. 1.) ohne Zwischenwände ein und hatte vier frei stehende Säulen; man trat in denselben unmittelbar durch die beiden Eingänge in dem später angebaueten Portale und am Zwinger bei der Damentreppe. In dem südlichen Theile, dem "Bischofshause"(A. 2.), stehen noch die alten Gewölbe mit den mächtigen Säulen über dem südlichen Theile des Hof=
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kellers; dieses Gewölbe ward schon im 16. Jahrhundert, wie noch heute, zur Speisekammer benutzt. - Das Entresol, die ehemalige Martinsmannskammer, jetzt die Feuerwärterstube, war schon am Ende des 16. Jahrhunderts in den Saal hineingebaut; es ging dort das Gesinde zu Tische. - Das Gewölbe 1 ) des Hofsaales mit den Säulen und Gewölberippen aus gebranntem Thon muß ebenfalls der Herzog Johann Albrecht I. seit 1552 in die alten Mauern haben hineinbauen lassen, da dieselben Verzierungen der Gewölberippen und auch einig Kragsteine zu der Schloßkirche benutzt sind, welche actenkundig 1560 - 1563 erbauet ist. Im Jahre 1567 war der Maurermeister Christoph Haubitz noch mit dem Ausbau des Saales beschäftigt. Und wahrscheinlich sind die vier Gewölbe, welche nach Beilage No. 4 im J. 1571 von dem Baumeister Joh. Bapt. Parr geschlossen wurden, die vier Doppelgewölbe dieses Saales. - Der Hofsaal diente zum Versammlungszimmer und auch wohl zum Zechsaal: der Saalherr hatte hier Schränke, in welchen die zinnernen Kannen und Becher standen. Später war in dem durchbaueten Saale über hundert Jahre lang (von der Zeit des Herzogs Friederich Wilhelm I. bis zum J.1835) das fürstliche Archiv; gegenwärtig werden in demselben die Großherzoglichen Alterthümer=Sammlungen und die Sammlungen des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde aufbewahrt. - Rechts vom Eingange war an diesem Saale die Speisekammer in Gewölben eingerichtet. - Nur in den ersten Jahrzehenden nach der Erbauung, im Uebergange vom Mittelalter zur neuern Zeit, ist dieser Saal zu seinem Zwecke benutzt. Er hat fast immer leer und wüst gestanden, die Zeiten ausgenommen, in welchen er die alterthümlichen Schätze des Vaterlandes aufnahm. Er ist zum
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beständigen Wohngemache zu groß, zu hoch und zu dumpf. Schon im 17. Jahrhundert scheint er zum Versammlungsorte der Dienerschaft benutzt worden zu sein, da es zu den Pflichten des Burgvogtes gehörte, "in der Hofstube gute Ordinanz zuhalten". Gerhard Piloot nennt den Saal im J. 1619 den "Vorsaal".
3) im zweiten Stock der Tanzsaal, bis zum J. 1840 der Kirchensaal genannt, weil er, ein als Wohnzimmer unbenutzter Raum, Vorzimmer oder nur Flur zur Schloßkirche und zu fürstlichen Wohnzimmern war, im J. 1839 wieder ausgebauet. In diesem Saale, an der Hauptwand desselben, steht, nach der gelehrten und sinnigen Weise des Herzogs Johann Albrecht I., die bis zum Herbste des J. 1839 durch einen Bretterverschlag verdeckt gewesene griechische Inschrift:
Neben dieser Inschrift hingen über einigen thönernen Reliefs (Greisen, Löwen und Engel), mit denen auch die Außenseite dieses Baues geschmückt ist, noch im J. 1838 die Bilder des Herzogs Johann Albrecht I. und seiner Gemahlin, Anna Sophie von Preußen, auf einem und demselben Brette , Knieestücke in Lebensgröße, sehr ausdrucksvoll, wahrscheinlich nach dem Leben von einem Schüler der kranachschen Schule um das Jahr 1560 (von dem Hofmaler Gaulrapp aus Schwerin, den der Herzog von Lucas Kranach hatte unterrichten lassen,) in Oel gemalt, in einem gleichzeitigen, geschmackvollen Rahmen. Dieses große Bild des Erbauers und Wiederherstellers des Schlosses, des gelehrtesten Fürsten Meklenburgs, ist jetzt ein Stockwerk tiefer in den Saal der Alterthümer hinab versetzt. - Wahrscheinlich im 17. Jahrhundert ward dieser Saal mit ledernen Tapeten geschmückt; auf ihnen hingen die vielen großen Bilder meklenburgischer Fürsten, welche jetzt einstweilen zurückgesetzt sind. - Unter der Regierung des kunstliebenden Herzogs Christian Ludwig II. wurden in diesem Saale die berühmten Schauspiele und Redouten gegeben; hier war es, wo Schönemann,Eckhof und Ackermann mit so großem Erfolge die Bretter betraten 1 ).
Rechts von diesem Saale, in dem sogenannten "Bischofshause", war früher die große Rathstube 2 ) (Sitzungssaal des fürstlichen Geheimenraths).
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4) im dritten Stock war früher der große Eßsaal (die Eßstube), welcher aber schon im J.1576 zu Wohnzimmern für die Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht I. eingerichtet war.
5) darüber im vierten Stock waren(1576) die Gemächer der Herzogin von Kurland, Schwester des Herzogs Johann Albrecht I.
Auf dem Schloßhofe war nach der Inschrift und andern Nachrichten seit 1555 der Windelstein A. 3. (das Portal) angebauet, welcher vor dem Tanzsaal eine kleines Zimmer enthielt, in welchem der Herzog Johann Albrecht I. seine Feuergewehre verwahrte. Dieses Portal ist eine Zusammensetzung im Styl des Treppenhauses und der Verzierung des Portals am neuen Fürstenhofe zu Wismar. In dieser Zeit wurden überhaupt "Windelsteine" vor die alten Häuser vorgebauet, um die Treppen aus den großen Gemächern zu schaffen. Die Geschichte dieses Portals ist für die Erbauung dieses Theils des Schlosses wichtig. Die Ringmauern dieses großen Hauses standen schon vor der Erbauung des Portals und man trat daher unmittelbar vom Schloßhofe durch die Thür in den großen Saal, aus welchem dann eine Treppe in die obern Gemächer führen mußte. Die Wölbung des jetzigen Alterthümersaales im Erdgeschosse muß daher nach der Vollendung des Portals geschehen sein, weil das Gewölbe durch den ganzen Raum und keine Treppe durch das Gewölbe geht. Wahrscheinlich sind also die oben, unter "No. 2 Hofsaal" erwähnten vier Gewölbe, welche im J. 1571 von dem Baumeister Joh. Bapt. Parr geschlossen wurden, die vier Doppelgewölbe dieses Saales, der schon unter der Regierung des Herzogs Johann Albrecht nicht recht benutzt ward, weil man damals fühlte, daß es sich in den gewölbten Erdgeschossen starker, umwallter und ummauerter Gebäude nicht angenehm wohne.
Nach der Seeseite hin war der Zwinger in vier Gewölben mit dem unterirdischen Gefängnisse oder dem Burgverließ angebauet (A. 4.). In den ältesten Zeiten war auf demselben ein kleiner Garten; im J.1576 war er mit Blei gedeckt, daher er noch heute die Bleikammer heißt; diesen Namen führte das Gebäude schon im J. 1626. Noch im J. 1705 ward die Bleikammer neu mit Blei gedeckt; jetzt hat das Gebäude ein Ziegeldach. Im J. 1716 wird berichtet, daß "vor diesem" die Oberhofmeisterin oben in der Bleikammer logirt habe. In dem unterirdischen Gefängnisse, das Burg=
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verließ genannt, soll vor Zeiten, nach der Sage, eine eiserne Jungfrau gestanden haben; im J. 1839 fanden sich hier noch fünf gewaltige, zweischneidige Schwerter, welche früher in einer Maschine gesessen haben müssen. In der Mauer sitzt ein eiserner Ring und ein eisernes Band mit Gelenk und zum Vorlegen eines Schlosses eingerichtet.
B. Das Zeughaus.
Dieses Gebäude, rechts an der Auffahrt, liegen dem langen Hause mit dem Portale gegenüber. Ueber die Geschichte dieses Gebäudes ist ebenfalls kein directes urkundliches Zeugniß vorhanden; jedoch ist nach allen Andeutungen die Geschichte desselben der des langen Hauses gleich. Im Jahre 1520 wird es das "neue Büchsenhaus" genannt; das alte Büchsenhaus, welches noch im J. 1532 auch benutzt ward, lag unten am großen See. Im J. 1520 wurden in dem neuen Büchsenhause (dem jetzigen Zeughause) im Erdgeschosse die schweren Geschütze (Büchsen) aufbewahrt; in dem "obersten Theile" war die Harnischkammer. Dieses Gebäude muß ebenfalls der Herzog Magnus ( † 20. Nov. 1503) in den letzten Jahren seines Lebens aufgeführt haben; er sah jedoch den Ausbau nicht: die Einrichtung überließ er seinen Söhnen in den Jahren 1505 bis 1507 1 ). Allem Anschein nach hatte das Gebäude ursprünglich nur zwei Stockwerke. In den J. 1515 und 1516 wurden vom Herzog Heinrich dem Friedfertigen Zimmer (Dorntzen) über der Harnischkammer angelegt und das Dach ward neu gebauet: kurz es ward 1516 ein dritter Stock aufgesetzt. - Im J. 1553, also noch vor den neuen Bauten, war das Gebäude, wie jetzt, drei Stock hoch, und das Erdgeschoß war das "Zeughaus", die beiden oberen Stockwerke bildeten die "Rüstkammer". Die Restaurirungen und Ausschmückungen des Schlosses durch den Herzog Johann Albrecht I. erstreckten sich auch auf dieses Gebäude; er ließ es mit den oft erwähnten Thonverzierungen schmücken, jedoch nur mit Reihen von Brustbildern; dies geschah im J. 1553, wie die oben S.36 erwähnte Tafel mit Wappen und Inschrift über dem Eingange klar aussagt. - Unter den thönernen Medaillons mit Brustbildern zwischen dem ersten und zweiten Stock zeichnen sich unter den vier ersten nach der Auffahrt auf den Schloßhof hin das dritte und vierte vom
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Ende dadurch aus, daß sie Bänder in den Händen halten, auf welchen einige Buchstaben stehen. Auf dem einen steht: GOT. HEF. , auf dem andern: INAG. ELIS ; jenes heißt wohl: Gott helf; das INAG ist wohl Abkürzung: IN. NOT. ALLEIN. GOT ; das ELIS bleibt dann noch dunkel. Sicher sind dies Wahlsprüche der abgebildeten Fürsten und könnten allerdings zur Erkennung derselben fördern 1 ). Uebrigens weichen diese beiden Brustbilder darin von allen übrigen ab, daß sie nicht von einem Kranze eingefaßt sind.- Doch bald nach dieser Restaurirung waren neue Bauten nothwendig; im J. 1566 ließ der Herzog das Zeughaus "senken"; es ward zu diesem Zwecke das Dach abgenommen und neu aufgesetzt, auch sonst viel gebauet; wahrscheinlich hatte auch dieses Gebäude Giebel, welche bei dieser Gelegenheit abgenommen wurden, wie es auch beim Schlosse zu Wismar geschah.- Die Arbeiten an dem "neuen Zeughause" leitete noch bis in das Jahr 1567 der Maurermeister Christoph Haubitz. Nach des Herzogs Adolph Friederich I. Disposition (zwischen 1608 und 1622) wurden damals zu der neuen Einrichtung des Schlosses die Räume der Rüstkammer zum Saale und zu Wohnzimmern umgeschaffen. Im vorigen Jahrhundert 2 ) wohnte hier die Prinzessin Ulrike; darauf hatte die Großherzogl. Kammer hier ihren Sitz; im J. 1837 wurden hier Wohnzimmer für den Herzog Gustav eingerichtet. Das erste Stockwerk dient noch fortwährend zum Zeughause 3 ).
C. Die Bildergallerie.
Zwischen der Kirche und dem Zeughause, auf dem Raume, wo jetzt die Küsterwohnung und darüber die Bildergallerie (C. 1.), die gewölbte Auffahrt(C. 4.) und der leere Platz mit den Ruinen (C. 2.) am Zeughause hinter den Gebäuden der Schloßwache (C. 5.) sich befinden, stand noch in den Jahren 1576, 1592 und 1610 eine Reihe von Gebäuden, welche zu den ältesten des Schlosses gehörte und, nach Erbauung der Kirche, früher den Schloßhof schlossen. Diese Gebäude, welche wohl zu den alten Häusern des castrum Zuerin gehört und vielleicht die letzten Reste des alten Schlosses gebildet haben, da sie vorzugsweise die Burg genannt wurden, waren:
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1) des Herzogs Heinrich (1503-1552) "altes Haus", zunächst an der jetzigen Kirche, viereckig, drei Stock hoch, im Erdgeschosse gewölbt, noch im J. 1520 die Wohnung des Herzogs. Es enthielt in jedem Stock ein Gemach und einige Kammern; im ersten Stock waren die "Brief=Canzlei=Gewölbe" (Archiv), im zweiten des Herzogs, im dritten der Herzogin Gemächer. Vor dem Hause im Hofe stand ein Windelstein in Holz gemauert. Im J. 1576 war dieses Haus schon sehr wüst.
2) der neue Thurm über "dem Thor"(C. 2.), zunächst am Zeughause, stadtwärts, viereckig, vier Stock hoch über dem Thor. Das Thor war gewölbt; über dem Gewölbe waren vier Stockwerk, in Holz gemauert, aufgeführt; im Dache hing die Schlageuhr. Dieser Thurm war von dem Herzoge Johann Albrecht I. an der Stelle eines alten neu aufgebauet, jedoch im J. 1576 noch nicht vollendet; erst die Vormundschaft seiner Söhne (1576 - 1586) führte den Bau im Dache ganz aus. Die Auffahrt zum Schlosse, von der noch die Grundmauern stehen, hatte, nach der Lage dieses Thurms, ihre Richtung durch die jetzige Reitbahn grade in der Verlängerung der Schloßstraße. Nach dem Burgsee hin stand ein steinernes äußeres Pforthaus zum Eingange und die Auffahrt ging also durch zwei Gewölbe. Zwischen beiden stand ein großes Thor von gehauenen Steinen, in welchem Flügelthore, stark mit Eisen beschlagen, hingen; dieses Thor bauete im J. 1558 der Steinmetz Chriestoph Parr (man vgl. oben über die Baumeister). Im Aufgange war ein Thor mit Gitterflügeln mit starken Nägeln beschlagen und mit einer Sperrkette versehen; darüber stand das meklenburgische und das preußische Wappen 1 ). Alles dies scheint hiernach vom Herzoge Johann Albrecht I. gebauet zu sein, der seit dem J. 1558 durch den italiänischen Baumeister Francesco a Bornau das Schloß stark befestigen ließ. Am Wasser standen Blockhäuser; die Brücke hatte zwei Zugbrücken. Vor der Burg stand ein langer Stall.
Nach außen hin war neben dem neuen Thurme eine Anlehnung an das Zeughaus für die Pförtnerwohnung und zum Wachthause, vier Geschosse hoch, aufgeführt.
"Im Platze" stand am neuen Thurme das Pforthaus, auch die kleine Hofstube genannt, zwei Gemächer hoch, in
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jedem eine Stube und eine Kammer für das Gesinde, im J. 1576 sehr baufällig. In diesem Pforthause lag in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine beständige Wache von sechs "Lantzknechten".
3) Zwischen dem neuen Thurme und des Herzogs Heinrich altem Hause stand (C.3.), ungefähr an der Stelle der jetzigen Schloßwache (C. 5.), als Schlußstein, "das Häuslein mit dem spitzigen Dach" (oder: "Giebel"), vier Stock hoch, jedes mit einem Gemache. Dieses Gebäude enthielt 1520 die Canzlei; im J. 1576 war im ersten gewölbten Stock die Silberkammer, im zweiten des Rentmeisters Gemach, wo die Landregister und Briefe aufbewahrt wurden; damals war es sehr baufällig, ward aber gebessert.
Die meisten dieser alten Gebäude, an der Stelle von C. 1, 3, 4 und 5, sind in dem Zeitraume zwischen 1617 und 1622 1 ) eingegangen. - Der Herzog Adolph Friederich (1608 - 1658) entwarf bald nach dem Antritt seiner Regierung den Plan zu einer Restauration 2 ) und gleichmäßigen Einrichtung des ganzen Schlosses: im Innern sollte alles möglichst verbunden und in gleiche Höhe gelegt werden, das Aeußere sollte in allen Außenwänden eine gleiche Gestalt erhalten, wobei der innere Hof rund umher mit zwei "Gängen" 3 ) (d.h. nach der Zeichnung: mit zwei gewölbten und durch Säulen gestützten Colonnaden über einander) aus Werkstücken, bei welchen eine bequeme Verbindung die Absicht war, geschmückt werden sollte. Dabei wollte er an der Stelle der alten Gebäude (C.) ein neues aufbauen lassen.
Der Herzog beredete zu diesem neuen Bau und den übrigen Verschönerungen des Schlosses 4 ) schon im J. 1612 den Grund=
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plan mit seinem holländischen Baumeister Capitain Evert Piloot 1 ) und ließ alsbald Zurüstungen zur Ausführung machen. Jedoch ward der Bau erst im J. 1617 mit dem Abbruch der alten Häuser begonnen; in einem von dem Hofmeister Samuel v. Behr geführten Protocoll der Verhandlungen des fürstlichen Geheimen=Raths vom 1. März 1617, zu welchen der Fürst auch den Piloot, weil die Bauten auf der Insel Pöl 2 ) zu Frage standen, zuzog, ward beschlossen:"wegen abbrechung Hauses zu Swerin soll von der Kirche abbrochen werden bis an den Thurm". Die vollständigen, noch vorhandenen, saubern Grundrisse und Ansichten wurden im J. 1619 von Piloot entworfen. Der Thurm (C.2.), dessen Ruinen, in ihrem Umfange noch erkennbar, noch jetzt auf dem Walle zwischen der Schloßwache (C. 5.) und dem Zeughause (B.) liegen, blieb also stehen und muß erst späterhin abgebrochen sein; auch in Piloots Grundriß des Schlosses vom J.1612 sind die Mauern dieses Thurmes aufgenommen, woraus hervorzugehen scheint, daß dessen Abtragung nicht im Plane des neuen Baues lag.
Im Jan. 1618 kam des Kurfürsten von Brandenburg Baumeister Johann Baptista de Salla nach Schwerin, um seinen Rath zum Schloßbau zu ertheilen 3 ).
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Im J. 1619 wurden ernsthafte Vorbereitungen zum Bau getroffen. Wahrscheinlich noch vor diesem Jahre, gewiß noch vor der ersten Vermählung des Herzogs im J. 1622, ward von demselben der Plan zu der Einrichtung des neuen Hauses eigenhändig niedergeschrieben, und im J. 1624 war schon einige Zeit am Fundament gearbeitet. Die Ausführung des Baues ward durch die hereinbrechenden Stürme des dreißigjährigen Krieges gestört. Nach einer allgemeinen Sage soll Wallenstein einen "Flügel" des Schlosses erbauet haben; daß dies nicht der Fall sei, ist außer allem Zweifel, da kein Gebäude auf der Burg vorhanden ist, dessen Erbauung durch die ange=stammten Landesfürsten sich nicht nachweisen ließe. Möglich ist es freilich, daß Wallenstein das vom Herzoge Adolph Friederich gelegte Fundament zum neuen Hause fortbauen ließ; auf jeden Fall ist dies aber so wenig, daß es nicht mehr aufzufinden ist 1 ). Von Wallenstein besteht also im Schlosse zu Schwerin nichts; vielmehr störte er den Bau. Dazu kam, daß der Baumeister Piloot im Februar 1629 starb; damit hörte der Bau einstweilen von selbst auf. Die auf einem Fundamentsteine, nach Westphalens handschriftlicher Chronik von Schwerin, eingehauene Jahreszahl 1629 kann sich daher auf die Absichten Wallensteins und - den Tod des Baumeisters beziehen; im J. 1629 kam man nicht über den Fundamentstein hinaus.
Der Herzog Adolph Friederich nahm in den Jahren 1635 - 1643 den Bau wieder auf, der aber nicht weit gedieh, da nur das Fundament, die gewölbte Auffahrt (C. 4.) und die jetzige Küsterwohnung (C. 1.), also ein kleiner Theil des Erdgeschosses fertig ward.
Das beabsichtigte Gebäude sollte im untern Stock Gewölbe für die Archive und die Kostbarkeiten, in den oberen Stockwerken die Wohnzimmer für den Herzog und dessen Familie enthaltene; das Gebäude sollte dann an einer Seite mit der Kirche, an der andern Seite mit den, aus der Rüstkammer entstandenen Säälen (Speisesaal und Audienzsaal) in Verbindung gebracht und dazu das alte Back= und Brauhaus (E.) am andern Ende des Zeughauses in eine Küche umgeschaffen werden.
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Auch ließ der Herzog Adolph Friederich I., statt der alten Gebäude in den Außenwerken an der alten Auffahrt, im 1647 den Wall auf beiden Seiten der jetzigen Auffahrt aufwerfen 1 ) und, mit Veränderung der früheren Richtung, die jetzige Auffahrt einrichten; über der Auffahrt zum Walle rechts von der Schloßwache steht unter dem herzoglichen Wappen die Inschrift:
Die Richtung der Auffahrt ward nach dem Plane Piloots von diesem deshalb verändert, weil an die Stelle der alten Auffahrt, welche an einer Ecke des Schlosses lag, eine Bastion kommen sollte; man hatte im dreißigjährigen Kriege die Wichtigkeit der Befestigung des Schlosses erkannt, und einem regelmäßigen Festungsbau mußten damals andere Rücksichten weichen. Der Herzog Adolph Friederich ließ jedoch, als der Friede nahete, die Bastion nicht aufführen, sondern schloß den alten Wall und die Ruinen der alten Gebäude mit einfachen, geradlinigen Mauern.
Das in Holz gemauerte Gebäude der Gemälde=Gallerie (C. 1.) über dem gewölbten Erdgeschosse der Auffahrt und der Küsterwohnung ist unter dem Herzoge Christian Ludwig (1747 - 1756) errichtet, welcher überhaupt das Schloß im Innern "vor dem besorglichen Verfall" sicherte.
D. Das Haus mit der Schloßuhr.
Nächst dem langen Gebäude mit dem Portal (A.) und dem Zeughause (B.) ist das Haus mit den zwei Giebeln nach dem Schloßhofe hin, an welchem der Thurm (D. 1.) mit der Uhr im Schloßhofe aufgebauet ist, das älteste der noch stehenden Gebäude. Noch im ersten Viertheil des 16. Jahrhunderts stand an der ganzen Südseite des Schlosses nach dem Schloßgarten hin eine Reihe verschiedener Gebäude: die Capelle, ein altes, massives Gebäude für die Chorschüler, eine fürstliche Wohnung, ein altes Gebäude für den Schloßvogt und den Küchenmeister und das alte Back= und Brauhaus, welches noch steht.
Die Schloßcapelle hat im 16. Jahrhundert viele Schicksale erfahren; die alte Capelle stand an der Südwestseite des Schlosses, nach dem Schloßgarten hin. Der Herzog Magnus that viel für dieselbe; in den Jahren 1486 und 1503 wurden für dieselbe Indulgenzbriefe ertheilt. Der Herzog Heinrich
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der Friedfertige ließ beim Antritte seiner Regierung die Schloßcapelle neu bauen. Auf Einladung des Herzogs weihete 1 ) der Bischof von Ratzeburg am Laurentiustage 1507 die neue Capelle, weil der neu gewählte schweriner Bischof Peter Wolkow außerhalb Landes war 2 ). - Im J. 1514 war das Gewölbe dieser neuen Capelle eingestürzt und die Herzoge ließen zum zweiten Male eine neue Capelle in den Jahren 1515-1520 aufführen. Der Maurermeister Andreas Techel 3 ) führte den Bau zu Ende, über welchen mit demselben der Contract 4 ) am Montage nach Martini 1515 geschlossen ward. Außerdem wird noch ein Baumeister Hans beim Bau der Capelle genannt. Vom J. 1515 bis weit in das J. 1517 ward zugleich am Abbruch der alten Capelle und am Fundament der neuen gearbeitet. Im J. 1520 wurden die Altartücher gekauft.
Im J. 1520 wurden die Gebäude an der Südseite des Schlosses zwischen den Herzogen Heinrich und Albrecht getheilt, und alsbald begann der Herzog Heinrich der Friedfertige für sich den Bau eines neuen Hauses an der Stelle alter Gebäude an der Südseite. Dies ist des Herzogs Heinrich neues Haus, wie es noch nach seinem Tode genannt ward und wie es noch jetzt mit dem Thurm (Windelstein) mit der Schloßuhr steht. Im Frühling 1525 ward es mit Dachziegeln gedeckt; es ist also zwischen 1520-1525 erbauet. Es war (noch 1592) schloßwärts schwarz und weiß 5 ) mit
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Historien bemalt. Im J. 1576 war es schon baufällig, diente jedoch noch im J. 1592 zur Wohnung der Söhne des Herzogs Johann Albrecht I.
Vor dem Hause stand schloßwärts ein "gemauerter Windelstein" (der jetzige Thurm mit der Uhr), unter welchem sich der Bierkeller befand. Dieser Thurm erhielt im J. 1715 einen neuen Glockenstuhl für die Schlaguhr, nachdem der große Sturm den Thurm zerstört hatte, und ward unter dem Herzoge Christian Ludwig im J. 1752 im Mauerwerk erhöhet, mit Kupfer gedeckt und mit einem neuen Uhrwerke versehen; im J. 1792 ward unter dem Herzoge Friederich Franz die Spitze dieses Thurmes reparirt und der Knopf neu gefüllt.
E. Das Brau= und Backhaus.
Zwischen dem Gebäude mit dem Thurme und dem Zeughause, in der westlichen Ecke, steht das ehemalige Brau= und Backhaus, jetzt im Erdgeschosse wüst und zum Holzstalle benutzt. Es wird im J. 1576 ein "alt gemauert Gebäude" genannt. Es sind darüber keine weitern Nachrichten vorhanden, als daß im J. 1513 an den neuen Brauhause zu Schwerin gearbeitet und im J. 1514 das Backhaus daselbst gedeckt ward. Vielleicht stammt das Gebäude aus diesen Jahren, vielleicht ist es älter; immer ist es jedoch für die Geschichte des Schlosses nicht von Bedeutung. Im J. 1716 standen in dem Brauhause noch Backöfen, welche gebraucht wurden.
F. Das Gebäude über der Schloßküche.
Dieser neuere Haupttheil des Schlosses in der südöstlichen Ecke, zwischen dem langen Hause mit dem Portale (A.) und Herzogs Heinrich Hause mit dem Thurme (D.), vor welchem die Gallerie von dem Portale bis zur verdeckten Treppe vorbeiführt, ist, nachdem schon der Herzog Albrecht der Schöne im J. 1546 mit dem Ausgraben des Grundes zur Küche den Anfang hatte machen lassen, von dem Herzoge Johann Albrecht I. von Grund aus neugebauet und wird das "neue Gebäude Herzogs Johann Albrecht über der Hofküche" genannt. Dieses Gebäude scheidet sich in zwei Theile:
1) in den südlichen Theil (F. 1.), welcher mit der Außenseite dem Schloßgarten zugewandt ist; dieser Theil ist wohl an der Stelle der ehemaligen, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwei Mal neu gebaueten Capelle und des alten Gebäudes für die Priester und Chorschüler aufgeführt und ward noch von
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dem Herzoge Johann Albrecht I. vollständig zu fürstlichen Gemächern eingerichtet;
2) in den östlichen Theil (F.2.), welcher mit der Außenseite dem großen See zugewandt ist; dieser Theil, welcher auch vor dem Neubau zur Küche und zum Fleischboden bestimmt war und an die Speisekammer in dem langen Gebäude stieß, ward von dem Herzoge Johann Albrecht I. im Innern nicht völlig ausgebauet, sondern im Erdgeschosse, wie noch heute, zur Hofküche und in den oberen Theilen zu wirthschaftlichen Bedürfnissen eingerichtet. Noch im J. 1610 hieß das ganze Haus das "Küchengemach"; den innern Ausbau führte erst der Herzog Adolph Friederich I. durch.
Als die Restaurirung der alten Gebäude sich ihrem Ende näherte, begannen im J. 1554 die Vorarbeiten mit dem Aufgraben des Grundes zur Küche. Bis zum Ende des J. 1556 leitete der Maurermeister Valentin von Lira den Bau. Bald darauf kam der Maurermeister Caspar Behm aus Wismar, der im J. 1567 auch ein fürstliches Gebäude auf der Insel Pöl bauete, und führte, in Gemeinschaft mit dem Zimmermeister Paul Breigel, den Bau bis zum J. 1564 fort, bis im J. 1569 ein Maurermeister Dominicus nach Schwerin geholt ward, um den Bau zu vollenden. Ueber diesen Bau sind nur wenig Nachrichten mehr zu finden, als daß z. B. der Herzog im J. 1557 zu demselben die Summe von ungefähr 10,000 Thalern hergab, und daß die Gesimssteine und andere gedruckte Steine zu den Küchenpfeilern auf dem Rathsziegelhofe zu Schwerin gemacht wurden. Der Herzog Ulrich schlug bei dieser Gelegenheit vor, die Giebel massiv aufbauen zu lassen 1 ). Der Baumeister dieses Gebäudes war seit 1557 ohne Zweifel Johann Baptista Parr. Ein Baumeister Rochus Nievoran kommt mit monatlicher Besoldung im Dienste des Herzogs Johann Albrecht im J. 1564, aber sonst nicht weiter, vor. Steine wurden zwar auch zu Schwerin gebrannt, doch kamen wohl viele noch von den beiden Kirchen vor dem altwismarschen und dem lübschen Thore zu Wismar und der Kirche zu Nakenstorff bei Neukloster, welche wüst standen und im J. 1554 abgebrochen wurden; der größere Theil der Steine von der letztern Kirche ward freilich zum Bau des Fürstenhofes zu Wismar genommen. Zu den Bauten zu Schwerin und Dömitz wurden vorzüglich wohl Steine von der Klosterkirche zu Schwerin und von dem Kloster zu Tempzin
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genommen, welche Gebäude im J. 1557 abgebrochen wurden; vgl. S. 15, 27 und 28. Die Berechnung führte im Anfange der Rentmeister Andreas Bessel und nach dessen Tode (1560) der Hauptmann Srellan Wakenitz.
Im J. 1592 war dieses ganze Gebäude, wie des Herzogs Heinrich neues Haus, schwarz und weiß mit Historien bemalt. Die äußere Ausstattung, wie sie jetzt ist, ward von dem Herzoge Adolph Friederich I. während der neuen Anlagen von 1614 - 1643 mit großen Unterbrechungen ausgeführt und ist eine Probe davon, wie der Fürst nach G. Piloot's Risse das ganze Schloß herstellen wollte. - Der steinerne Gang vor der Hofküche ward im J. 1656 neu aufgeführt.
G. Die Schloßkirche.
Der Theil des Schlosses, in welchem sich die Schloßkirche, deren frühere Schicksale bei dem Gebäude D. mit der Schloßuhr erzählt sind, befindet, ist zugleich mit dem " neuen Gebäude über der Küche " (F.) unter dem Herzoge Johann Albrecht I. von Grund aus neu erbauet. Nach den nöthigen Vorarbeiten ward im März des Jahres 1560 das Fundament 1 ) gelegt und im J. 1563 war die Capelle vollendet 2 ). Zum Gedächtniß der Vollendung dieses Baues ließ der Herzog zwei Inschriften setzen, welche an der östlichen Wand auf dem jetzigen adelichen Chor noch zu finden sind und also lauten:
DEO OPT. MAXIMO IOANNES ALBERTVS DVX MEGAPOL. VERAE RELIGIONIS ER GO CON STRVXIT DED ICAVITQVE AN N O MDLXIII.
und
ΘΕΩι ΒΕΛΤΙΣΤΩι ΤΕ ΚΑΙ ΜΕΓΙΣΤΩι ΙΩΑΝΝΗΣ ΑΛΒΕΡΤΟΣ ΗΓΕΜΩΝ ΜΕΓ ΑΠΟ ΛΙΤΗΣ ΤΗΣ ΑΛΗΘΙΝΗΣ ΘΡΗΣΚΕΙΑΣ ΕΝΕΚΑ ΩιΚΟΔΟΜΗΣΕ ΤΕ ΚΑΙ ΚΑΘΙΕΡΩΕΝ ΕΤΕΙαφξγ.
Der Bau dieser Kirche ist in hohem Grade dadurch merkwürdig, daß während des Baues derselben italiänische Bau=
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meister unmittelbaren Einfluß in Meklenburg erlangten und, bis auf Gerhard Piloot während des dreißigjährigen Krieges, die niederländischen und sächsischen Bau Baukünstler etwas in den Hintergrund drängten. Der Baumeister dieser Kirche ist ohne Zweifel des Herzogs Johann Albrecht Baumeister Johann Baptista Parr zu Schwerin, welcher noch im J. 1568 mit der Vollendung der Kirche beschäftigt war. Die Maurerarbeit hatte der Maurermeister, nachherige Baumeister Christoph Haubitz im Verdinge. Zugleich mit dem Bau der Kirche ward die Befestigung der Schlösser zu Dömitz und Schwerin ausgeführt. Zunächst für diese Befestigung ward im J. 1557 der italiänische Baumeister Francesco a Bornau von Brescia mit italiänischen Maurergesellen aus Trient nach Meklenburg gerufen. Außer diesem rief der Herzog Johann Albrecht I. des Kurfürsten von Brandenburg italiänischen Baumeister Francesco Archiamarel oder Chiaramelo von Spandau und seines Bruders Ulrich Baumeister Franciscus Parr von Güstrow, der zu gleicher Zeit das Schloß zu Güstrow baute, nach Schwerin, namentlich wiederholt in dem Jahre 1562, als am fleißigsten an der Schloßkirche gebauet ward, um Rath und Modelle zu geben. Unter dem Einflusse dieser Baumeister ward denn auch wohl unstreitig der Bau dieser Capelle geleitet, zu welcher sächsische Bildhauer und Steinmetzen den Schmuck aus gehauenen Steinen lieferten, der überhaupt meistens da angewandt ward, wo italiänischer Einfluß schon durchgedrungen war. Die Oberaufsicht über die neueren Schloßbauten führte der (Schloß=) Hauptmann Stellan Wakenitz 1 ), welchem für die Bauten zu Schwerin und Dömitz ein Bauschreiber untergeordnet war.
Für die Schloßkirche waren in den Jahren 1560 - 1563 eine große Menge verschiedener Arbeiter und Künstler beschäftigt.
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Schon im J. 1560 hatte der Herzog einen holländischen Ziegelbrenner und noch früher, 1552, den Steinbrenner Statius von Düren vom Niederrhein, der die thönernen Verzierungen modellirte und brannte; die thönernen Gewölberippen der Schloßkirche kommen auch am Gewölbe des Hofsaales im langen Hause A. vor. Die vielen und mächtigen gehauenen Werksteine von Sandstein lieferte der Steinmetz Matthias Heintze zu Pirna im J. 1560 durch Jürgen Fues und Joachim Fungk zu Pirna, welche dieselben, nebst Holz und Brettern, auf der Elbe hinab nach Dömitz spedirten. Die Pflastersteine von Sandstein zu der Capelle wurden im J. 1562 ebenfalls zu Pirna gekauft. Die steinerne Thürverkleidung machte der Bildhauer Hans Walcher zu Dresden 1 ) und die Kanzel von Sandstein der Steinmetz Simon Schröder zu Torgau 2 ). Den alabasternen Altar arbeitete der kurfürstliche Bildhauer zu Torgau, welcher den Stein selbst in Begleitung zweier Gesellen die Elbe hinab über Dömitz (am 3. Junii 1562) nach Schwerin brachte, wo der Herzog ihm am 7. August 1562 ein Kleid und Reisegeld zur Heimkehr schenkte. An den beiden äußersten Säulen auf dem Altar steht die Jahreszahl 1562 und außerdem auf der äußersten Säule zur rechten Hand die Inschrift V. D. M. I. Æ . 3 ). In der Krönung des Altars steht das Monogramm G. S. verschlungen 4 ). Als der Herzog im J. 1562 zu Maximilians Krönung nach Frankfurt reiste, besuchte er auch am 8. October den neue entdeckten Alabaster= Steinbruch zu Uslar und kaufte dort Alabasterblöcke, aus welchen der Steinmetzmeister Philipp Brandin 5 ) von Utrecht zu Schwerin in den
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Jahren 1563 - 1569 die Taufe 1 ) und mehrere Tafeln und auch der "Steinhauer Conrad Floris" im J. 1567 Inschriften für die Kirche machte; andere "alabasterne Historien" kamen 1563 aus den Niederlanden, woher auch der niederländische Maler Peter Bökel in demselben Jahre drei "gemalte Bilder" 2 ) für die Capelle mitbrachte. Die Schranken um die Taufe und die Kirchenstühle 3 ) wurden beim Bildschnitzer Christian von Velthofen aus Hamburg im J. 1562 bestellt, neben welchem der Schnitzkermeister (Tischler) Christian aus Parchim, der auch das Holzwerk der Orgel im Dom bauete, arbeitete. Ein alabastern Crucifix und einige Bilder kaufte der Herzog bei einem Krämer zu Rostock für 110 Thaler. Die Orgel bauete wahrscheinlich der Orgelbauer Antonius Morß aus Antorf (Antwerpen) zu Schwerin 4 ). Die Decke
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über dem Altar ward erst im J. 1572 von dem Maler Peter Orbach gemalt.
Nach Vollendung der Kirche ließ der Herzog Johann Albrecht I. über derselben Wohnzimmer für sich einrichten; in diesen waren im Herbste des J. 1563 der Steinmetz Christoph Parr, der italiänische Maurer Jacob Platen und der niederländische Maler Peter Bökel von Antorf 1 ), bei der Vollendung derselben, beschäftigt. Jedoch noch im J. 1571 ließ der Baumeister Joh. Bapt. Parr durch die Maurermeister Claus Schultze und Sebastian Ließmann vier Gewölbe in den welschen Gemächern auf dem Schlosse zu Schwerin schließen, welche wahrscheinlich in diesem Theile des Schlosses und zwar in den minaretartigen Thürmchen zu suchen sind, wenn nicht der große Hofsaal in dem Gebäude A darunter verstanden werden kann. Im J. 1592 bewohnte diese Zimmer die fürstliche Wittwe Johann Albrechts; sie sind seitdem auch immerfort die Lieblingswohnungen und eigentlichen Wohnzimmer der Landesfürsten im Schlosse zu Schwerin geblieben, wie sie auch in der That wohl die reizendste Aussicht in Meklenburg gewähren, so daß auch der Czaar Peter der Große davon betroffen ward und Ansichten aufnehmen ließ.
Die jetzige äußere Ausstattung ist, gleich der des neuen Gebäudes über der Küche, unter dem Herzoge Adolph Friederich I. im Plane der gleichmäßigen Einrichtung des ganzen Schlosses ausgeführt. Jedoch war der Giebel über der Kirche brückenwärts, nach der Bildergallerie (C. 1.) hin, noch im J. 1671 offen, wie noch heute derselbe den unterbrochenen Bau zeigt.
Freilich wollte auch der Herzog Friederich Wilhelm I. (1692 - 1713) an dem Kirchengebäude bauen lassen; er schloß auch 1705 mit dem Baumeister Antoni Petriny einen Contract darüber ab, aber einige Monate nach dem Ableben des Herzogs (31. Julii 1713) findet sich ein neuer Anschlag (vom 15. December 1713) über den Ausbau des Kirchengebäudes: dieser Anschlag, wie der erste Contract, sind aber nicht ausgeführt.
H. Die Nebengebäude.
Das Schloß hat immer einige Nebengebäude gehabt. Einige derselben sind ohne Bedeutung, wie das Waschhaus,
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Schlachthaus mit Rauchkammer, Torfscheure, u. s. w., andere haben für die Culturgeschichte einiges Interesse. Von diesen sagt der Pastor G. Westphalen ( † 1728) in seiner handschriftlichen Chronik von Schwerin, Cap. VII, §. 6: "Unter "den An= und Neben=Gebäuen (des Schlosses) gehören die "Schloß=Apotheke, die Müntze, das Laboratorium in chym. Sachen, das Comödien= und Gewächshaus, der Pulverthurm und endlich die corps de guarde ". Einige von diesen Gebäuden lassen sich noch einigermaßen nachweisen:
1) Das Komödien= und Gewächshaus (H. 1.). Als unter dem Herzoge Friederich Wilhelm I., ungefähr von 1702 bis 1712, die Schauspielkunst bevorzügt ward 1 ) und nachdem schon am Ende des 17. Jahrhunderts mehrere kleinere Gewächshäuser angelegt waren, ward auch am Schlosse ein Orangerie=Haus gebauet und ein Komödienhaus oder Komödiensaal damit in Verbindung gesetzt. Es lag dicht am Schlosse, "grade gegen Südwest", der Hinterbrücke gegenüber, also dort, wo noch heute Wohngebäude zwischen den beiden Basteien, dem Schloßgarten gegenüber, hineingebauet sind; an diese Stelle ist auch in einem gleichzeitigen Grundrisse des Schlosses die Orangerie eingetragen. Das Orangeriehaus ward, im J. 1708 bis 1710, zum Theile aus den Materialien der abgebrochenen Küchenmeisterei zu Kraak 2 ), neu aufgeführt und hatte ein plattes, eisernes Dach. Bald nach der Vollendung des Gebäudes ward auch ein Komödienhaus in demselben eingerichtet; beide lagen unter demselben (eisernen) Dache. Nachdem kurz vor dem Tode des Herzogs Friederich Wilhelm die (französische) Hofschauspielertruppe aufgelöset war, verfiel das "Gewächs= und Komödien=Haus 3 ) und um das Gebäude zu retten, ward die Orangerie im J. 1718 in das Manufacturhaus auf der Neustadt versetzt, wo sie denn in den folgenden stürmischen Zeiten bald unterging; das Orangerie=Gebäude ward zu Wohnungen aptirt, wie es noch jetzt steht und theilweise erst im J. 1838 durchgebauet ist.
2) Das Laboratorium stand ebenfalls an der "Hinterbrücke" (vielleicht bei H. 2.). Im J. 1720 drohete es den "täglichen Niederfall".
3) Die Münze 4 ) stand im J. 1695, nachdem die Officin
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in diesem Jahre von Dömitz nach Schwerin versetzt war 1 ), am "Wasser", d. i. am großen See, und war mit Pallisaden umgeben. Nach einem Grundrisse vom Schlosse aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts stand sie an der Wallmauer des Schlosses, rechts vom Aufgange zur sogenannten Damentreppe (H. 3.), zwischen dieser und der jetzigen Wohnung des Ober=Kastellans (H. 4.). Als der Herzog Christian Ludwig im J. 1750 die Münze zu Schwerin wieder herstellte, ließ er sie auf dem "Schlosse in der Befestigungs=Mauer nach der Garten
"Seite gegen Süden" 2 ), bei H. 2, anlegen, wo die Münze vollständig blieb, bis im J. 1759 auf der Neustadt in dem ehemaligen Sturmschen Hause, dem jetzigen Münzgebäude, ein Walzwerk für die Schloßmünze eingerichtet ward 3 ), welches nach und nach die ganze Münze in sich aufnahm und der Münzstraße den Namen gab; im J. 1778 war die Münze schon vollständig in der Münzstraße 4 ).
4) Die Schloßapotheke ward noch im J. 1717 ausgebauet. Sie war, mit einer Destillirstube, von dem Herzoge Johann Albrecht I. im J. 1553 in dessen neuem Gebäude auf dem Schlosse eingerichtet und lag, nach dem erwähnten Grundrisse, am Schlosse vor dem großen See neben der Münze, weiter rechts von dem Aufgange zur Damentreppe, dort wo jetzt des Ober=Kastellans Wohnung steht, bei H. 4.
5) Die Badstube (H. 5.) war ebenfalls vom Herzoge Johann Albrecht I. eingerichtet und war auf dem Walle neben der Bleikammer hinter der Küche am südlichen Ende des großen langen Gebäudes angebauet. Sie enthielt: im Vorgemache ein Ankleide= oder Ruhezimmer, im zweiten Zimmer ein Schwitzbad und Wasserbad, im dritten Zimmer ein "Wildbad" (Mineralbad) und im Vorgange ein Laboratorium zum Bereiten gebrannter Wasser. Nachdem, wie es scheint, diese Anstalt etwas verfallen und eine mangelhaftere am Wasser eingerichtet war, ward im J. 1716 wieder eine Badstube in dem alten, dazu bestimmten Gebäude "neben der Bleikammer" eingerichtet. In den neuern Zeiten bis auf den heutigen Tag beherbergt dieses Gebäude die Hof=Conditorei.
Die Befestigung 5 ) des Schlosses ist zur Zeit des Herzogs Johann Albrecht von dem Baumeister Francesco
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a Bornau, unter Beirath des kurfürstlich=brandenburgischen Baumeisters Francesco Chiaramello, im J. 1557 1 ) und den folgenden Jahren, zugleich mit der Festung Dömitz, angelegt und von dem meklenburgischen Maurermeister, nachmaligen Baumeister Christoph Haubitz ausgeführt; von dieser alten Befestigung steht noch, der Grundlage nach, der hintere Theil, dem Schloßgarten und dem See gegenüber, wenn auch hin und wieder Renovationen vorgenommen sind. Der vordere, nördliche Theil der Befestigungsmauern ist kurz vor dem J. 1647 unter dem Herzoge Adolph Friederich, mit Veränderung der Richtung der Auffahrt, neu aufgebauet.
Aus dieser Darstellung geht hervor, daß die jetzigen Gebäude des Schlosses zu Schwerin nicht über das 16. Jahrhundert hinausreichen, vielmehr wohl alle innerhalb dieses Jahrhunderts, oder doch sicher zwischen 1480 und 1580, aufgeführt sind; die Hauptbauten wurden von den Herzogen Magnus II. (1477 - 1503), Heinrich V. dem Friedfertigen (1503 - 1552), Johann Albrecht I. (1552 - 1576) und Adolph Friederich I. (1608 - 1658) unternommen. Das Meiste für das Schloß that der Herzog Johann Albrecht I., und der Ausspruch des Andreas Mylius hat seine Richtigkeit, wenn er sagt, daß meist unter diesem Fürsten die Häuser auf dem Schlosse zu Schwerin gebauet und verfertigt seien. Die unter dem Herzoge Adolph Friederich I. entworfenen Ideen und durch dessen Baumeister Piloot angefangenen Restaurationen bleiben für künftige Veränderungen allerdings von großer Wichtigkeit.
Der Burggeist Petermännchen.
Seit Menschengedenken und länger ist in Meklenburg die Sage von dem schweriner Burggeiste, Petermännchen genannt, allgemein bekannt, - die Sage von einem gutmüthigen Zwerge, der wachsam umhergeht, still, freundlich und beobachtend den Menschenkindern erscheint und nur den Unfreundlichen schreckt
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und zur Besserung straft, den Sorglosen neckt. Die häufigen Erzählungen von seinem Erscheinen sind alle ziemlich ähnlich und gleichen dem hier mitgetheilten Verhöre, welches die älteste schriftliche und ausführliche Nachricht von dem viel besprochenen Burggeiste zu sein scheint. Diese Nachricht kam im vorigen Jahrhundert mit andern fürstlichen Papieren aus den herzoglichen Wohnzimmern auf dem Schlosse zu Schwerin ins Archiv.
von dem sich ehedem in dem hochfürstlichen Schloße zu Schwerin öfters sehen laßenden sogenandten Kleinen Mängen, wie es der seel. Daniel Gardemin, gewesener Cammer=Laquay bey des hochseel. Herrn Herzoges Friederich Wilhelm hochfürstl. Durchlaucht gar ofte an seine Frau, die jetzige Witwe Castellanin
Gardeminen hieselbst erzehlet.
Eß were nemblich solche positur nur gantz Klein gewest, älterlich, mit Runtzeln, aber nicht fürchterlich von Angesichte, einen etwas langen, weißen, spitzen, fast biß auf die Brust hangenden Bahrt, kurtze, graue, krause Haare, ein Calotgen auf dem Kopfe, und ein Krägelgen umb den Halß, einen langen bis auf die Füße hangenden schwartzen Rock mit gantz engen Ermeln, forne eines guten finger breits mit weiß aufgeschlagen, etwas große und forne breite Schue anhabend. Dieses Mängen were gedachter Gardemin so gewohnt und dreiste geworden, daß er es öfters auf einer gewissen Windel=Treppe (so sich oben auf der seite befunden, wo der Gottsel. Durchl. Hertzog logiert gewest), in welchen Öffnungen umb der Treppe her es so eben hette stehen Können, mit dem Lichte nahe ins Gesichte geleuchtet, wobey es gantz stille gestanden, gar offte vor und neben ihm gegangen, auch einstmahls wie er seinen Durchl. Herrn des Abends späte über die Gallerie geleuchtet, Höchstderselbe gesaget: "Daniel, mich werden die Haare am Kopfe kriechend und mich schaudert so". "Ja, Gnädigster Herr", were seine Antwort gewest, "sehen Sie nicht, was Wir vor Gesellschafft bey unß haben?" Worauf dieselbe ihm schweigen heißen und gesaget, Sie sehen nichts. Es hatte sich meistens auf dem Gange und der Seite, wo die Cleyder=Cammer gewest, befunden, auch hette er solchen einige mahl aus einer gewißen Cammer, welche sich auf den Gange, wen man in dem Gebäude die breite Treppe aufsteiget, und obgleich fenster darin, dennoch sehr finster ist,
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und anitzo der Castellanin Meynung nach, einige Mädgens darin wohnen, können sehen. Einstmahls were er, der Gardemin, nebst einem Pagen, deßen Nahme entfallen, zu bette gangen, welcher deßfallß bey ihm geschlaffen, weil Ihr Herr zeitig außwollen, hetten eine Keule vom Lämmerbrathen zum Frühstück auf dem Tische liegen gehabt, und beyde mit offenen Augen gesehen, wie das Mängen gekommen, nach dem Brathen gegriffen, und unter großen Gelächter damit fortgelauffen, hetten auch des andern Morgens, allem suchen ohngeachtet, nichtes davon wieder gefunden. Reden oder Antworten hette er ihn niemahlen hören; wen er aber durch schelt= und Fluchworte sey angegriffen, were des Nachts ein solches gepolter über Ihre Cammer gewest, daß keiner kein Auge hette zuthun können. Nachdem were oftgedachter Gardemin einsmahls des Abends mit der Abschenke außen Keller kommen, und dieses positürgen immer kurtz und langsam vor ihm hergegangen; weil ihm nun eben was wiederliches arriviret, daß der Kopf nicht recht gestanden, hette er aus Unmuth gesaget: Du Kröte gehe aus dem Wege, oder ich nehme die Flasche und schlage dich auf den Kopf, du solt diß oder das werden! Worauf er eine solche derbe Ohrfeige zum recompens bekommen, daß er über eine halbe Stunde ohne empfindung gelegen, biß ihn andere gefunden, mit Eßig bestrichen und so weg gebracht, da sein Kopf den einige Tage darauf noch mahl so dicke wie ordinair gewest. Weil ihm nun mit raison were bedeutet, nicht so brutal mit diesen Ehrbaren Mängen umbzugehen, hette Er auch nachhero mehr respect gebrauchet, und soviel alß nur immer möglich seine Gesellschaft evitiret und ihm aus den Wege gegangen.
Hanß Christopf Dankward, Fürstl. Sahl=Knecht hieselbst, Verzehlete und versicherte mir Gestern gantz feste, offt erwehntes Mängen Zu denen Zeiten einmahl gesehen zu haben; sein bey sich ha bender Mops, were solchen eher alß Er gewahr worden; Er hette vorm rothen Gemach am Camin in vorbeschriebener Kleydung gestanden. Weil er sich nun gefürchtet und ihm überdem die Sprache schwer würde, hette er nicht fragen mögen, wer er were, oder was er wolte? sondern were wieder hingangen, wo er herkommen.
Bützow den 12ten Novembris 1747.
And. Br. Heymann.
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G adebusch ist seit den frühesten Zeiten der meklenburgischen Geschichte wohl ununterbrochen abwechselnd Residenz und Nebenresidenz der Fürsten und Herzoge von Meklenburg, ja vielleicht die älteste städtische Residenz derselben gewesen bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Alle alten Bauten bis zu dieser Zeit sind jedoch spurlos verschwunden. Dagegen steht in einer angenehmen sanften Landschaft auf einer durch Natur und Kunst erhöheten und umwalleten Terrasse zwischen der Stadt und dem Flüßchen Radegast ein mächtiges Gebäude, welches der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts seinen Ursprung verdankt und mit den Schlössern Wismar und Schwerin demselben besondern Baustyl angehört, also schon deshalb noch heute eine gewisse architektonische Bedeutsamkeit hat.
Nachdem der Herzog Christoph von Meklenburg im J. 1569 nach vielen Leiden und Opfern von dem erzbischöflichen Stuhle Lieflands gestiegen war 1 ), kehrte er wieder nach seinem Vaterlande zurück und erhielt hier (27. Jan. 1570), nachdem er von seinem Bisthum Ratzeburg Besitz genommen hatte, zu seinem bessern Auskommen die Aemter Gadebusch und Tempzin. Mit gebildetem Geiste und mildem Sinne 2 ) wandte er sich auf seinen Gütern wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigungen zu 3 ). Eine dieser Beschäftigungen war die Erbauung des Schlosses zu Gadebusch, das noch jetzt in seinem Aeußern vollkommen erhalten ist und als Amtshaus benutzt wird.
Der Bau ward schon im J. 1570 begonnen und im J. 1571 vollendet. Es fehlt auch über diesen Bau fast ganz an Acten. Das einzige Actenstück ist ein Contract des Herzogs
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Christoph mit dem Maurermeister Christoph Haubitz vom 2. April 1571:
"Als nemlich ehr Unß inwendich sechs Monats frist Vnser zu Gadebusch angelegt steinern Haus dreier gemecher hoch, sowoll die Kuchen vnd backhauß von steinen fertigen solle vnd wolle".
In den Inventarien von 1597 bis 1610 wird das Haus beständig das
"Neu gemauerte Haus drei gemecher hoch"
genannt.
Der Bau stammt also ohne Zweifel von Christoph Haubitz, welcher seit dem J. 1549 unter dem Herzoge Johann Albrecht I. als Maurermeister diente und nach dem Abgange der Baumeister Brüder Parr (1572) desselben Baumeister ward 1 ). Haubitzens Jugend fällt in die Zeit, wo der Fürstenhof zu Wismar mit den Verzierungen aus gebranntem Thon aufgeführt ward, und daher läßt es sich erklären, daß noch im J. 1571 dieser Styl sich im Schlosse zu Gadebusch wiederholte 2 ). - Nach dem Tode des Herzogs Johann Albrecht ward Christoph Haubitz Baumeister des Herzogs Christoph und kommt als solcher noch im J. 1584 vor.
In den Jahren 1590 und 1591 lebte "des Herzogs
"Christoph Baumeister Bartholomäus Gories zu Gadebusch", der noch für Bezahlung von Schloßbaurechnungen zu sorgen hatte. - Den Wall ließ der Herzog vom Wallsetzer Hans von Kassel neu aufführen; zu diesem Walle hatten einige Bürger "hinter der Vestung" Scheuren und andere Gebäude abbrechen müssen. "Lusts halber" ließ der Herzog den Wall mit Wein bepflanzen, wie es der Herzog Ulrich auf dem Walle zu Güstrow gethan hatte. Außer einer neuen Küche und einem neuen Backhause ward für den Fürsten auch ein "Diestelier=Gemach" in einem eigenen Gebäude eingerichtet, um hier alchymistische Versuche anzustellen.
Bald nach Vollendung des Schlosses vermählte sich der Herzog (27. October 1573) mit der dänischen Prinzessin Dorothea, welcher er die Aemter Gadebusch und
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Tempzin zum Leibgedinge verschrieb. Nach dem Tode dieser Fürstin (am 11. Novbr. 1575) schloß der Fürst eine zweite Ehe mit des Königs Gustav I. von Schweden Tochter Elisabeth (14. Mai 1581), welche dieselben Aemter zum Leibgedinge 1 ) erhielt. Als der Herzog am 3. März 1592 starb und seine nachbleibende Gemahlin ( † 20. Novbr. 1597) mit ihrer Tochter nach Schweden ging, fielen die Aemter wieder an das meklenburgische Fürstenhaus zurück. Die nach dem Tode dieser Fürstin und bei der bald darauf erfolgenden Landestheilung wiederholt aufgenommenen Inventarien (aus dem Zeitraum von 1597 bis 1610) sind die vorzüglichsten Quellen für die Geschichte des Schlosses zu Gadebusch.
Das Schloß zu Gadebusch ist das dritte in der Reihe derjenigen Schlösser Meklenburgs aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche in einem eigenthümlichen Styl mit Ornamenten aus gebranntem Thon verziert sind. Das Schloß zu Wismar hat unter denselben eine vollkommene architektonische Einheit; das Schloß zu Schwerin ist in den verzierten Theilen mit den thönernen Ornamenten vom Bau zu Wismar nur mehr aufgeputzt; nach dem Muster des schweriner Schlosses, durch einen alten Baumeister, in dem noch der Geist dieses Styls wohnte, ist das gadebuscher Schloß aufgebauet, wenn auch mit etwas mehr Geschmack, da es, wie das wismarsche, ein Längsgebäude ist, während das schweriner Schloß aus Giebelhäusern besteht, zu dem in den Giebeln die viereckigen Thonstücke nicht recht passen wollen.
Das Schloß zu Gadebusch ist ein Oblongum von bedeutender Länge und in drei Stockwerken massiv aufgebauet. Zwischen dem ersten und zweiten, und zwischen dem zweiten und dritten Stock laufen Gesimse von denselben thönernen Medaillons mit den fürstlichen Brustbildern, wie sie am wismarschen Schlosse zwischen dem zweiten und dritten Stock stehen und auch am schweriner Schlosse häufig vorkommen; jedoch fehlen hier, wie zu Wismar, die Medaillons mit den antiken Brustbildern und Thiergestalten, wie sie zu Schwerin häufig vorkommen. Die Fenster sind durch senkrechte Leisten aus Thonverzierungen, jedoch ebenfalls, wie zu Schwerin, nicht in regelmäßigen Entfernungen, geschieden; diese bestehen aus den ursprünglich zu Fenster= und Thürornamenten bestimmten Verzierungen. Mit denselben Verzierungen und mit kleinen Medaillons ist der westliche Giebel stadtwärts geschmückt. Auf
2) Vgl. v. Rudloff III, 2, S. 67 und v. Lützow III, S. 134. [Anm. Fußnote 2 wurde im Text nicht angegeben]
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dem Hofe am Ende des Gebäudes nach der Auffahrt hin ist ein viereckiges, gewölbtes Treppenhaus (Windelstein) angebauet, der einzige Eingang zum Schlosse. Die Formen der Verzierungen am Hauptgebäude sind den Schlössern zu Wismar und Schwerin entnommen; das Portal zum Windelstein hat aber mehrere eigenthümliche Verzierungen aus gebranntem Thon. Es fehlen hier durchaus Wappen und Inschriften, kurz alle directen historischen Zeugnisse; dagegen sind über dem Portale drei Reliefs aus Thon angebracht, den Sündenfall, die Kreuzigung und die Erlösung darstellend. - An der Hinterseite sind nach beiden Enden hin im Styl des Gebäudes zwei Secrete angebauet; diese finden sich sonst an den alten Schlössern nicht.
Im Innern ist, mit Ausnahme einiger Thürverzierungen an den Hauptthüren, alles modernisirt und durchgebauet. Nach den Inventarien hatte:
"Auffem Hause vnd binnen Walles, Das neu gemeurte Haus, drei gemecher hoch,"
folgende Einrichtung.
Unter dem Hause war ein gewölbter Keller 1 ).
Am Ende des Hauptgebäudes stand ein massiver gewölbter Windelstein mit einer Windeltreppe.
Im ersten Stock war ein Vorgemach mit drei Thüren: zum Eingange, zum Secret und zum großen Saale, alle mit thönernen Ornamenten verziert.
Dann folgte der lange große Saal ohne Zwischenwände im Innern des Gebäudes, mit 16 Fach Fenstern, welche nach beiden Seiten hinaus gingen, mit drei messingenen Kronen, mit einem Schenktisch und einem Trompeterstuhl. Hier hingen 8 Bilder, wahrscheinlich fürstlicher Personen, und die " Feldreuterfahne, so Herzog Christoffer in Leiflandt führen laßen".
Im zweiten Stock waren die Zimmer der Herzogin: zuerst ein Vorgemach, dann der Herzogin Ge=
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mach mit vielen Bildern auf Leinwand und Kupfer und der Herzogin Schlafkammer, ebenfalls mit Bildern in Rahmen.
Im dritten Stock waren die Zimmer der Prinzessin (des "Fräuleins") Margarethe Elisabeth und der Hofdamen, ursprünglich die Zimmer des Herzogs Christoph. Hier war: ein Vorgemach, des Fräuleins Gemach, dabei neben einer Küche ein Badestübchen, zu welchem eine Treppe von der Herzogin Schlafkammer aus dem zweiten Stock hinaufführte, des Fräuleins Kammer und der Frauenzimmer (Hofdamen) Stube und Kammer, zu welchen Gemächern ebenfalls eine Treppe von der Herzogin Gemächern hinaufführte.
Im Giebel auf dem Boden war der "Altfrauen Kammer".
Zur größern Beglaubigung vorstehender Angaben und zur klarern Einsicht in alte Einrichtungen wird eine Beschreibung aller alten Schloßgebäude, wie sie noch im 17. Jahrhundert standen, von Interesse sein.
Im Aufgange stand ein Pforthaus mit einem Ziegeldache ("doppeltem Flumdach") und zwei Schornsteinen, mit einer gewölbten Auffahrt, mit zwei Giebeln, nach außen und nach dem Schloßhofe hin; in diesem Pforthause war über dem Gewölbe die Canzlei, bestehend aus Canzleistube, Kammer, Vorgemach und zwei Gängen.
An jeder Seite des Pforthauses stand ein runder Zwinger, von Grund auf gemauert, mit einem spitzigen Ziegeldache. In jedem Zwinger war oben ein Gemach, zu welchem man von dem Vorgemache der Canzlei gelangte. In dem einen Zwinger war unten des Pförtners Wohnung.
Vor dem Pforthause war eine Brücke und eine Zugbrücke. Nach dem Schloßplatze hin, mehr aufwärts, war noch ein "Thor vorm Hause oder Platze" mit zwei Flügeln.
Rechts vom Pforthause stand auf dem Platze in gleicher Richtung mit dem noch stehenden neuen Gebäude, dort wo jetzt die Wirthschaftsgebäude stehen, das alte fürstliche Haus, 4 Stockwerk hoch, die zwei untern massiv, die zwei obern in Holz gemauert, mit Ziegeldach (von doppelten "Hohldachsteinen") und wahrscheinlich mit Giebeln, da das neue Schloß im Gegensatze der übrigen Gebäude ein Queergebäude genannt wird. Im ersten Stock war die gewölbte Hofkapelle, im zweiten Stock Herren=Gemächer, im dritten Stock der kleine Saal mit Tischen, hölzernen Bänken an den Wänden, hölzernen Stühlen, einer messingenen Krone und Bildern an
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den Wänden, im vierten Stock Wohnungen für das Hofgesinde.
Zwischen diesem alten und dem neuen Hause stand ein kleineres Gebäude 1 ), in Verbindung mit dem alten Hause, unten massiv, oben in Holzwerk gemauert; im ersten Stock war die Hofstube, welche in alten Schlössern im ersten Stock nie fehlt.
Dann folgte in gleicher Flucht das noch stehende, oben beschriebene neue Schloß, zunächst dem Windelstein vor der Hofstube.
Hiemit hörte die Reihe der fürstlichen Wohnungen auf.
Im rechten Winkel daran lag stadtwärts das Queerhaus, zwei Stockwerke hoch, mit Bretterdach; um das Dach war ein Gang mit gedreheten Pfosten und mit zwei geschnitzten Bogen; zu dem Gange führten zwei Treppen. In diesem Hause war "weilandt Hertzogk Christoff Diestelier="Gemach"; darin stand ein Heerd mit einem Schornstein mit mehrern Ausmündungen, eine kupferne Pfanne und eine eiserne Münzpresse mit Zubehör, welche vom Herzoge Christoph wohl als pharmaceutische Presse benutzt ward.
Den Schloßgebäuden gegenüber an der andern Seite des Hofes, wo jetzt der Eingang zum Garten ist, standen die Wirthschaftsgebäude: zuerst stadtwärts das Brauhaus und daneben in der Ecke zwischen demselben und dem Queerhause ein Brunnen, den 1546 Herzog Albrecht graben ließ; dann feldwärts: die Küche, die alte Küchenmeisterei, die neue Küchenmeisterei und das Backhaus, alle massiv und ein Stockwerk hoch.
In der Mitte des Platzes vor dem jetzigen Schlosse stand ein massiver großer, hoher, runder Thurm, oben ein Gemach hoch in Holzwerk aufgemauert und hier mit einem Umgange mit einer Gallerie; auf dem Thurme stand ein spitziges Dach mit Blech gedeckt, mit zwei Erkern, in deren einem die Uhr mit Zifferblatt war; die Schlageglocken hingen in der Spitze des Daches. In dem obern Theile von Fachwerk war eine Thürmerwohnung. In dem massiven Theile waren drei Gewölbe übereinander über der Erde und ein Gewölbe unter der Erde; letzteres war ein Gefängniß (Burgverließ); in den beiden folgenden Gewölben stand Geschütz, im
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vierten Gewölbe war das Obergefängniß; zu diesem obenstehenden Gefängniß ging auswendig eine hohe Treppe 1 ).
Früher ging um das Schloß auch eine Mauer, welche bei dem Brunnen stand, noch 1546. Um das Schloß war ein Wall; an diesem stand stadtwärts noch ein massiver runder Zwinger, mit einem hölzernen Mannesbilde auf dem spitzen Dach, und durch den Wall ging ein Gewölbe zu diesem Zwinger.
Wo noch jetzt der Garten ist, war der "Lustgarten auffm
"Hause" mit einem Lusthäuschen, vier Stockwerk hoch, mit einem spitzen Dach mit Spänen gedeckt; dieses Haus war aus gedreheten Pfosten mit vielen Fenstern und einem Umgange, und im Mitteltheile waren der "Herren und Hofjunker" Wappen gemalt.
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Nr. 1.
Contract der Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg mit dem Maurermeister Ertmar Boeth über die Erbauung des fürstlichen Hofes zu Wismar.
D. d. Wismar 1512. März 26.
Nach dem Originale im Großherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Wy Hinrick vnnd Albrecht gebruder vonn gots gnadenn Hertogen to Meckelnborch, Forstenn to Wenden, Greuen to Swerin, . . Bekennen, dat wy vnnszen leuen getruwenn Ertmar Boeth vor vnnszen murer tor Wiszmar an vnszem nien angefangen Husze to arbeiden nafolgennder wysze bestellenn hebben laten, alszo dat hie die beiden mueren an sulfftigem husze noch einer stegeringe 1 ) hoch vorhogenn vnnd beide geuele daran muren, die hauedornze 2 ), so darin gemaket werth, geweluen, die sulue inwendich vnnd dat hus bauen ok inwendich denneken 3 ) scholle, dargegenn wy eme twehundert gude marck, daruon hie sine knechte suluest vorszolden scholle, vnnd darneuen emhe vnnd sinen knechten fryge kost to geuen vnnd vorszorgen to laten, versproken vnnd togeseggt hebben, die wy eme also in maten, wo vorberurt, verreken to laten versprekenn vnnd toseggen mit orkunde dusszes breues, die getwefechtigt 4 ) vtheinander gesneden vnnd mit vnszem to Ruge 5 ) vpgedruckeden pitzir verszegelt vnd geuen is in vnser stat Wismar am Frydage anuntiationis Marie 6 ) anno dni . . duodecimo.
Auf der Rückseite steht neben dem fürstlichen Siegel die Registratur: ertmer bot bestallung als einen maurmeister des Neuenhauses zur Wismar Anno . 12.
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Nr. 2.
Conctract der Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg mit dem Maurermeister Andreas Techel über die Erbauung einer Capelle auf dem Schlosse zu Schwerin.
D. d. Schwerin 1515. Nov. 12.
Nach dem Originale im Großherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Tho wetenn dat wy Hinrick vnnd Albrecht gebruder van godds gnaden Hertogen tho Mekelnborg, Fursten to Wenden, . . vnns mit vnnszem lieuen beszundern Andreszen Techel Mhurmeystern up huten datum eines gebuwes haluen voreinigt vnnd vordragen hebben, wo nhafolget, alszo dat hie vnns in vnnszer borch tho Swerin eine nyge kerke mit viff pilern, twe geweluen auer ander, twen gengen einen auer den andern an einer syden, twen geueln, eine Sacristien vnder vnnd bauen geweluet, vnnd die Mhuren sostein vothe hogher, als die Mhuren, die an der itzigen Capellen sint, vptehn, vnnd in die Capellen vier altaria mhuren vnnd diesulue Capellen decken, dar gegenn wy emhe twehundert gulden vnnd twe kleyder geuen schollen vnnd wyllen, als wy emhe solcke twe hundert gulden vnnd twe hoffkleyder tho geuen verspreken vnnd thoseggen, doch dat gemelter Meister Andreas alle Mhur= und Pleges=Knechte, die hie tho solcker arbeyt gebruket, den wy eten vnnd drinken auer solcker arbeit vorsehn laten wyllen, van solcken twen hundert gulden belonhen vnnd sick in schirstuolgenden osterfeyrdagen by solck arbeit vorfugen scholle, alles in Crafft diszes brieffs, die getwefechtigt mit vnsem tho Rugge upgedruckten pitzer vorsigelt in vnszer Cantzeley vnnd den andern gemeltem Meister andreszen vorreket vnnd gegeuen is tho Swerin am Mandage nha Martini Anno . . XVto.
Nach dem Originale mit dem auf der Rückseite aufgedruckten Siegel des Herzogs Heinrich.
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Nr. 3.
Contract des Herzogs Ulrich von Meklenburg mit dem Baumeister Franz Parr über die Auferbauung des abgebrannten Schlosses zu Güstrow.
D. d. Güstrow 1558. Febr. 9.
Nach dem Originale im Großherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Kunt vnnd wissentlich sey, das der Durchlauchtiger Hochgeborner Furst und Her, Her Vlrich Hertzogk zu Meckelnnburgk, Furst zu Wendenn . . vnnser gnediger Furst vnnd Her, auff heute dato mit dem Bouwmeisternn Frantzenn Parren wegen wider erbauwung S. f. g. abgebrandtenn Hauses zu Gustrouw dermassenn vbereinkommen vnnd vortragen, das S. f. g. will gemeltem Frantzenn Parren inn erbauwung desselben Hauses, szo viell die schlichte mheur betrifft, jedere drei gewonnliche Gustrouwische ellen lang vnnd breit vnnd ein stein dicke zu meuren alwege sechs lubesche schilling, vnd dartzu alle wochen zwei scheffel rogkenn vnnd anderthalben scheffel gersten gebenn vnd entrichtenn, auch inen denselben meister auffm Hause alletage zu geburender maltzeit mit notturfftigem mahll vnnd seinen klepfer mit futter versorgenn, ime auch zur furderung seiner Arbeit teglich sechs hanndtreicher haltenn, vnnd alle notturfft, so er zum gebeuw ahnn stein, kalch oder sonsten bedarfft, zur Hanndt schaffenn, jedoch vonn den alten steinenn denn kalch durch S. f. g. leuthe abschlagen vnnd reinigen vnnd die grunden nach aller notturfft bereumenn lassenn, Darjegenn sich gemelter Meister Frantz Par vorpflichtet vnnd vorsprochen, solchenn gebew vnnd arbeith nach seinen hochstenn vnnd eussersten vermugenn vnnd bestenn verstande obtzusein vnd dasselbig vleissig vnnd getrewlich zu furdern, wie er solchs bei jedermenniglich zur pilligkeit soll vnnd will voranthwurtenn, auch seine meurergesellen vnnd handtreicher von dem seinen mit kost vnd besoldung die Zeit ober zu sorgenn vnnd zu unterhaltenn. Was aber die gewelbe vnd andere kunstliche arbeidt, so zu diesem furstlichen gebeuw sollen gethan werden, belangt, wollenn S. f. g. sich mit gemeltem Bawmeister alsdann, wann die angefangenn vnnd ins wergk gestellet werdenn, auch mit ime gnediglichen vorgleichenn vnnd vortragenn. Zu Vrkund sein dieser schriffte zwei gleichs lauts mit S. f. g. vnd vielgemelts Frantzen Parrenn aufgedruckten pitschiern vorsiegelt, derer einer bei S. f. g. die
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ander bei demselben Frantz Parren in vorwarung. Actum Gustrow Midtwochens den IX Februarii Anno . LVIII.
Nr. 4.
Contract des Baumeisters Johann Baptista Parr mit den Maurermeistern Sebastian Lismann und Nicolaus Scholz über die Aufführung von vier Gewölben im Schlosse zu Schwerin.
D. d. Schwerin 1571. Sept. 23.
Nach dem Originale im Großherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Vorzeichnis was Ich Johan Baptista par aus beuelich M. G. F. vnd hern, als nemlich das Ich mich heute dato mitt den beiden meistern Bastian Lisman vnd Claus scholtz alhir zu schwerin wonhafftig der vier gewelben halben, so f. f. g. vber der andern neuen geschnitten gewelben Im schlos schwerin geschlossen werden sollen . ., vorglichen vnd vortragen habe, Das sie die 4 gewelwen aufs treuelichest vnd standthafftigest machen vnd schlissen solten, wie sich den das gebueret, auch Ihnnwendig fein schlecht ausgethunichet vnd weis gemacht, bis eronter gleich dem pflaster; sie sollen auch ein gesims hunter dem gewelbe errumber ziehen, wie die hintterste gewelbe sein. Die Thuerren aber sollen gar schlecht sein, dan der schnittcher sol hultzene thuern darfur machen. Vnd vor solche Arbeit habe Ich Ihnen von m. g. f. vnd hern wegen dreissigk taller zugesagt zu geben vnd alle tage 6 personen, die Inen handtreichen thuen . . Als getreullich vnd vngefer mit meiner Eigen handt geschriben vnd mit meinem pittschafft vorferttiget. geschen vnd geben zu schwerin den drey vnd zwantzigesten Septtembri Anno . . 71.
Nr. 5.
Contract des Herzogs Johann Albrecht von Meklenburg mit dem Baumeister Christoph Parr über die Erbauung des fürstlichen Stuhls im Dome zu Schwerin.
D. d. Schwerin 1572. April 21.
Nach dem Originale im Großherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Kund vnd offenbar sey idermenniglich, Als zwischen dem durchlauchtigen hochgebornen fürsten vnd Hern, Hern Johans
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Albrechten, Hertzogen zu Mekelburg . ., an einem, vnd Christoffer Parn bawmeistern am andern thail, ein geding vnd bawvertrag, belangend einen fürstlichen Stuell, welcher in der Thumbkirchen zu Schwerin gegen dem Predigstuel vber zwischen vier pfeiler soll gebawet werden, vorgefallen, Das solcher auf nachfolgende weise mit seinen angehengten Conditionen vorglichen vnd beschlossen ist worden, Als nemlich, das gemelter bawmeister Christoffer Parr denselbigen fürstlichen Stuel zwischen die vier pfeiler oder seulen einfassen vnd auf ein fest, zierlich gewelb setzen soll, das auch solcher Stuel gegen dem Predigstuel so weit herfür gehen soll, das das gesichte die Kirche hinlang auf vnd ab vnverhindert gehen mag. Es soll auch dieser fürstlicher Stuel zum zirlichsten mit seulen, Compartimenten vnd historien außgeschnitten vnd formirt werden, wie solches an einem fürstlichen Stuel zum besten vnd schönsten sich gebüret, Oben sol ehr mit einer schönen decken beschlossen werden, vnd sol einen artigen Camin haben, welcher mit einer subtilen fewermauer an einem pfeiler hinauf vnd zum dach hinaus gefüret werden soll. Diß alles soll gemelter bawmeister mit seinen gesellen vnd gehülffen in bester vnd bestendigster form machen, die einem solchen fürstlichen Kirchenstuel vnd gemach woll anstehet vnd gebüret. Dagegen will hochermelter Hertzog Johans Albrecht Alabaster, Zigelsteine, kalck vnd andere darzu notwendige materien zur gnüge vnd zum fürderlichsten vorschaffen vnd die treppen durch einen zimmerman hienauf bawen vnd oben vber den Stuell die balcken, so viel derselben zu der decken nötig, legen lassen. Es will auch seine fürstliche gnade vielgemeltem bawmeister zu seiner belohnung für die gantze arbeit zur genüge vnd ohne verzug zweihundert thaler an gelde vnd ein drömpt Roggen betzalen vnd geben lassen. Alles one gefehr. Zu mehrer verkundt der warhaidt seindt dieser vertragszettel zwene eines lauts aufgerichtet, einer aus dem andern geschnitten mit A. B. C. D. verzaichnet vnd idem thaill einer zu gestalt worden. Geschehen vnd gegeben zu Schwerin den 21 Aprilis, Anno . . 72.
Auf Papier, nicht unterschrieben und besiegelt, jedoch am untern Ende durch die Buchstaben A. B. C. D. in Schlangenlinie ausgeschnitten.
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Nr. 6.
Quittung des Baumeisters Christoph Parr über die Auszahlung der letzten Gelder für die Erbauung des fürstlichen Stuhls im Dome zu Schwerin.
D. d. Schwerin 1573. Nov. 10.
Nach dem Originale im Großherzogl. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin.
Ich Christoffer Pahrr Baumeister beken mit dieser Handschrifft, das ich von wegen meines gnedigen fursten vnd hern, hern Joan Albrecht hertzogen zu Meckelnburgk von dem Achtbarn vnd Erbarn Jochim Plessen, fürstlichen Meckelnburgischen kammer=Secretario den letzten Rest, so mir sein f. g. von dem fürstlichen Stuel in der thumkirch nachstendig, nemlich dreizehenthalbe thaler, zu voller genüge bekommen vnd entphangen habe. Sage hiermit gemelten hern kammer Secretarium der zalung quit vnd ledig. Zu Mehrer vrkund hab ich mein gewonlich pitschier wissentlich vnden vffgedruckt. Actum Swerin, den 10 Nouembris anno 73.
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:
vom
wail. Pastor J. Mussäus zu Hansdorf 1 ).
1. Die Königswahl unter den Vögeln.
Vor Zeiten hatte jeder Schall einen Sinn; der Hammer des Schmieds rief: smiet mi to! smiet mi to! der Hobel des Tisch=
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lers sprach: dor häst ! dor, dor häst ! und der Mühle Räderwerk: help, Herr Gott! help, Herr Gott! Damals konnten auch die Vögel reden. Wann sie die Sprache verloren haben, wird nicht erzählt 1 ).
Lange hatten die Vögel in einem Freistaate gelebt; aber der Wunsch, andern Geschöpfen gleich zu sein, veranlaßte sie, einen König unter sich zu wählen. Auch mochten wohl die größern und stärkeren unter ihnen sich mit der Hoffnung schmeicheln, daß auf sie die Wahl fallen würde. Auf einer ihrer Versammlungen brachte die Gans die Sache ernsthaft in Vorschlag; alle billigten es, nur der Kibitz nicht. Frei hatte er gelebt; frei wollte er sterben. Angstvoll flog er hin und wieder und schrie aus Leibeskräften: wo bliew ick? wo bliew ick? Seit der Zeit ging er auf immer in unbesuchte Sümpfe.
Aber wer sollte die Krone tragen? das war die große Frage. Nach vielem Gerede ward beschlossen, daß derjenige die Königswürde haben sollte, der am höchsten zu fliegen vermöchte. Natt, natt, natt! natt, natt, natt! warnte ein kluger Laubfrosch im Gebüsche. Quark ok! rief die Krähe; kein Blut, keine Thräne soll vergossen werden; Alles soll ganz friedlich hergehen. Der folgende Tag ward zum Probeflug angesetzt; alle zogen sich zurück, um ihre Kräfte zu stärken.
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Am folgenden Morgen, als kaum die Sonne über den Hügel aufgegangen war, fanden sich schon alle Vögel ein. Das Huhn, das am Tage zuvor nicht zugegen gewesen war, verwunderte sich höchlich über die glänzende Versammlung und schrie laut auf: wat, wat, wat is den dar to don? Der Hahn erwiederte: luter riek Lüd'! und erzählte seiner Frau Gemahlin den Beschluß des vorigen Tages. - Jetzt ordnete man sich; jetzt ward das Zeichen gegeben, und in die Lüfte erhob sich alles Geflügel, klein und groß.
Auch der kleinste aller Vögel - denn Kolibri waren noch nicht - der Zaunkönig strebte nach der Krone. Wegen seiner kleinen Schwingen unfähig zum hohen Fluge, hatte er sich in die großen Schwungfedern des Reihers (Schitterreih) 1 ) versteckt, dessen hohen Flug er oft vom Dornbusch aus bewundert hatte. Schon waren alle so hoch als möglich gestiegen, schon war der größte Theil in niederen Räumen geblieben, und nur Storch und Reiher schienen sich noch in die Wette zu ermüden, als plötzlich der versteckte Kleine aus den Fittigen des Reihers sich hervormachte und über Alle klafterweit sich erhebend mit durchdringender Stimme rief: König bün ick! König bün ick! Der unser König? sprachen alle ärgerlich, und schnell ward beschlossen, daß der Thron dem zu Theil werden sollte, der am tiefsten in die Erde fallen würde. - Wie eilfertig fielen alle zur Erde! Wie klatschte die breite Brust der Gans! Wie scharrte der Hahn, um ein Loch zu gewinnen! Die Ente verrenkte sich beim Fallen die Beine und watschelte verdrießlich zum nahen Teiche mit den Worten: Pracherwark! Pracherwark! Unterdeß hatte der kleine Vogel ein Mauseloch gefunden; flink machte er sich hinein und rief: König bün ick! König bün ick!
Das war abermals sehr ärgerlich. Man beschloß ihn in seinem Loche auszuhungern und deshalb eine Wache davor zu stellen. Die Eule mit ihren großen Augen schien zu diesem Geschäfte ganz geeignet. Sie ward förmlich damit beauftragt. Stunden lang saß sie vor dem Loche. Als aber zur Mittagszeit die helle Sonne ihr in die großen Augen schien, schloß sie eines nach dem andern und - schlief ein. So entkam der kleine Vogel und schlüpfte in einen nahen Zaun, wo er noch immer ruft: König bün ick! Der Spott nennt ihn den Zaunkönig.
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Als nun die andern Vögel das erfuhren, da verfolgten sie alle die Eule, und noch jetzt ist sie von allen angefeindet, wenn sie am Tage sich sehen läßt; die Nacht ward ihr Tag. Sie aber verfolgt mit Haß die Mäuse, die solche böse Löcher machen.
Niemand war froher, daß es keinen König gebe, als die Lerche; jubelnd erhob sie sich in die freien Lüfte: ach, wo is dat schön! schön is dat! schön! schön! ach, wo is dat schön!
2. Die Königswahl unter den Fischen.
Die Fische sahen rechts, sie sahen links; Alles hatte einen König oder begehrte einen; auch bei ihnen ward die Neugierde zur Sehnsucht. Wie trefflich wäre es, wenn Einer unter uns Recht und Gerechtigkeit übte in diesem kalten Wasserreiche! Gewiß der wäre der Krone am würdigsten, der am schnellsten die Fluthen durchstreichen und dem Schwachen Hülfe bringen könnte gegen den Zahn des Stärkern.
Ja, der schnellste Schwimmer soll König sein, riefen alle.
- Man stellte sich am Ufer auf, und mancher sah sich vielleicht schon nach einer bunten Muschel um, die ihm statt Krone dienen könnte. - Nun gab der Hecht mit dem Schwanze das Zeichen; nun brachen alle auf, die beneidete Herrschaft zu erschwimmen. Pfeilschnell schoß dahin der Hecht, und der Hering, und der Gründling, und der Barsch, und die Karpfe und andere.
Auch die Scholle schwamm mit.
Der Hering ist vor! der Hering ist vor! hieß es bald. Wen is vör? fragte verdrießlich die platte Scholle, die weit zurückgeblieben war; wen is vör? Der Hering! der Hering! war die Antwort. De nakte Hiering? rief voll Mißgunst die Scholle; de nakte Hiering? -
Seit der Zeit steht das Maul der Scholle schief. - So straft sich Mißgunst.
3. Die Kuhhirten.
Was ruft dort so dumpf von der Wiese her? fragte Jemand einen alten Kuhhirten. Das ist der Rohrdommel, Herr, erwiederte derselbe; der war auch einst Kuhhirte, und der Wiedehopf war es auch.
Der Rohrdommel hütete die Heerde auf fetter, grüner Wiese. Blumen blühten überall, und die Kühe wurden sehr muthig.
Der Wiedehopf hütete sein Vieh auf hohem, dürrem Berge. Da waren keine Blumen und kein Gras; der Wind spielte mit dem Sande, und die Kühe wurden sehr mager.
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Als nun der Abend kam, wollten die Hirten nach Hause treiben; aber die Kühe des Rohrdommels liefen davon; vergebens rief er: Bunt, herüm! (bunte Kuh, herum!) Der Wiedehopf konnte die seinen nicht auf die Beine bringen; umsonst schrie er: up! up! up! Sie schrieen Nacht und Tag, und Tag und Nacht, bis der Athem ihnen ausging; aber noch nach dem Tode schrieen sie als Vögel so.
Nicht zu fett, und nicht zu mager! so gedeiht Alles am Besten.
4. De Watermöhm 1 ).
Bei Slate 2 ) fließt ein Wasser, und das Wasser ist tief. Einst in der Kühlung des Abends wanderte des Dorfes Prediger am Flusse nieder durch die hohen Eichen. Schon waren die langen Schatten verschwunden und die Dämmerung war eingetreten, als aus dem Bette des Flusses eine dumpfe Stimme sich vernehmen ließ: De Stunn is dor, awer de Knaw noch nich.
Bedenklich wendete er seine Schritte zum nahen Dorfe. Er hatte bereits den Gartenzaun erreicht, als ein hübscher Knabe daher gelaufen kam.
Wohin? mein Sohn, wohin so eilig? - Zum Bache, erwiederte dreist der Knabe; Schnecken will ich sammeln und bunte Muscheln. - Nicht doch! versetzte der bedachtsame Geistliche; hier einen Schilling, mein Kind! geh' hin und hole mir, - ja hole meine Bibel. - Der Knabe lief hin. - Als nun der Prediger beim Kruge vorüberging, kam jener schon zurück mit dem Buche und eilte stracks zum Wasser. - Nicht doch! sprach der Geistliche; bist durstig, bist schnell gelaufen; sollst erst trinken. - Lieber Wirth, ein Glas Bier dem Knaben! -
Er trank und fiel todt nieder. Die Stunde war da, und der Knabe auch 3 ).
5. Der wilde Jäger.
Oft bellen die Hunde der Luft in finsterer Nacht auf den Heiden, in Gehölzen, an Kreuzwegen. Der Landmann kennt
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ihren Führer, den Wod, und bedauert den Wanderer, der nun noch nicht die Heimath erreicht hat; denn oft ist Wod boshaft, seltener mildthätig. Nur wer mitten im Wege bleibt, dem thut der rauhe Jäger nichts; darum ruft er auch den Reisenden zu: midden in den Weg! -
Ein Bauer kam einstmals trunken in der Nacht von der Stadt. Sein Weg führt ihn durch einen Wald. Da hört er die wilde Jagd und das Getümmel der Hunde und den Zuruf des Jägers in hoher Luft. Midden in den Weg! midden in den Weg! ruft eine Stimme; allein er achtet ihrer nicht.
Plötzlich stürzt aus den Wolken nahe vor ihn hin ein langer Mann auf einem Schimmel. Hast Kräfte, spricht er; wir wollen uns beide versuchen. Hier die Kette! fasse sie an! wer kann am stärksten ziehen? - Der Bauer faßte beherzt die schwere Kette, und hoch auf schwang sich der wilde Jäger. Indeß hatte jener sie um eine nahe Eiche geschlungen, und vergeblich zerrte der Jäger. Hast gewiß das Ende um die Eiche geschlungen? fragte der herabsteigende Wod. Nein, versetzte der Bauer, sieh', so halte ich es in meinen Händen. Nun, so bist du mein in den Wolken, rief der Jäger und schwang sich empor. Der Bauer schürzte schnell die Kette wieder um die Eiche, und es gelang dem Wod nicht. Hast doch die Kette um die Eiche geschlagen! sprach der niederstürzende Wod. Nein, erwiederte der Bauer, der sie eiligst losgewickelt hatte: sieh', so halt' ich sie in meinen Händen. Und wärst du schwerer als Blei, rief der wilde Jäger, so mußt du hinauf zu mir in den Wolken. Blitzschnell ritt er aufwärts; aber der Bauer half sich auf die alte Weise. Die Hunde bellten, die Wagen rollten, die Rosse wieherten dort oben, die Eiche krachte an den Wurzeln und schien sich seitwärts zu drehen. Dem Bauer ward bange; aber die Eiche stand. Hast brav gezogen, sprach der Jäger; mein wurden schon viele Männer; aber du bist der erste, der mir widerstand. Ich werde dich belohnen. Laut ging die Jagd an: hallo, holla! wohl! wohl! Der Bauer schlich seines Weges weiter. Da stürzt aus ungesehenen Höhen ein Hirsch ächzend vor ihn hin, und Wod ist da, springt vom weißen Rosse und zerlegt eiligst das Wild. Blut sollst du haben, spricht er zum Bauer, und ein Hintertheil dazu. Herr, sagt der Bauer, siehe, dein Knecht hat nicht Eimer, noch Topf. Zieh' den Stiefel aus! ruft Wod; er that's. Nun wandere mit Blut und Fleisch zu Weib und Kind.
Die Angst erleichterte Anfangs die Last; aber allmählig ward sie schwerer und schwerer; kaum vermochte er sie zu tragen. Mit krummem Rücken, vom Schweiße triefend, er=
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reichte er endlich seine Hütte, und siehe da, der Stiefel war voll Gold und das Hinterstück ein lederner Beutel voll Silbergeld.
6. Graf Schwarzenberg.
Die Nacht ist Niemandes Freund.
Ein Rittersmann mit seinem Knappen war auf einer weiten Reise begriffen. Eisen war sein Gewand, und furchtlos sein Herz. Auf seinem Wege kam er zu einem Schlosse, wo grade Hochzeit gehalten ward. Gastfreundlich ward er aufgenommen, ein Schlafgemach bereitet; die Rosse hatten reichlich Hafer; allein den Ritter trieb Eile. Vergeblich warnte man ihn vor dem nahen Walde und vor dem fürchterlichen Grafen Schwarzenberg, der darin hause; vergeblich bat die Braut nebst ihren Jungfrauen: die Nacht ist Niemandes Freund! - Nein, rief er ich muß fort! Trautliebchen wartet mein! -
Die Rosse her! - Er schwang sich auf und verließ das stattlich erleuchtete Schloß.
Schon ritten sie drei Stunden lang, und nichts begegnete den Reitern. - Herr, flüsterte endlich schüchtern der Knappe, hinter uns reitet Jemand; hohl ist der Hufschlag seines Rosses, und Funken stieben aus Gebiß und Tritt.
Guten Abend, Ritter! rief eine tiefe Stimme, und der Ritter sah neben sich auf hohem Rappen einen dunklen Krieger.
Gott grüß Euch! erwiederte er.
Da bäumte sich hoch auf der Rappe, und es klirrte die eiserne Rüstung nieder.
Den Gruß lieben wir nicht, sprach der Fremde; doch was treibt dich zur Nachtzeit hieher? Mußt einkehren bei mir! Ich heiße Schwarzenberg; hier liegt mein Schloß im Dickicht. Niemand reitet im ersten Mondsviertel durch mein Gebiet; er muß einkehren bei mir.
Herr, flüsterte der besorgte Knappe, Herr, das ist der Böse. Geht nicht mit, um des Himmels willen nicht! - Schweig', murmelte der Ritter.
Dort liegt mein Schloß, sagte Schwarzenberg, und links im Ellerngebüsche flimmerten die erhellten Gemächer der Behausung. Still war's rings um; nur dann und wann flog eine Eule vorüber mit dem gewohnten Geschrei: kum mit! kum mit! mi gruet! - Halt! sprach Schwarzenberg; steig ab! Sein hohes Roß versank unter ihm. Ritter und Knappe stiegen ab. Vergebens warnte noch einmal der treue Diener. Folge mir! rief der Graf, und der Ritter ging mit ihm in das Schloß, dessen innere
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Wände rabenschwarz angestrichen schienen. - Auf dem Flur betrachtete der Ritter seinen seltsamen Wirth. Schwarz war sein eisernes Drathhemd und schwarz der Helm, auf dessen Spitze eine lebende, schwarze Eidechse den Kamm bildete, mit ihren Krallen fest angeklammert; der lange Schwanz schlackerte über den Nacken zwischen die Schultern hin. Mager und abgezehrt schien das Antlitz des langen Mannes; die Augen sahen scheel und ohne Wimpern; sein Athem glühte feuerheiß. - Nur hinauf diese Treppe! sprach er; will zeigen dir mein Wohl und mein Wehe. Sie gingen hinauf durch manche krumme Windung und traten endlich in einen hellen, geräumigen Saal, in dessen Mitte die Leiche einer alten Frau im Sarge hingestreckt lag, kreideweiß gekleidet, mit gefaltenen Händen und sehr frommen Gesichtszügen. Das war meine Mutter und dieses Messer hat sie gemordet. Wehe mir! -
Bum! schlug die Thurmglocke zur Mitternacht. Der Ritter sah sich um, und Schwarzenberg war nicht mehr da. Er wandte sich wieder zur Leiche; aber welche Veränderung ging mit derselben vor! Das weiße Antlitz verdunkelte sich zusehends; die ganze Leiche dehnte sich aus; der Sarg faßte sie nicht mehr. Jetzt beengte sie schon den Raum des Saals; jetzt mußte schon der Ritter in einen Winkel weichen. Die Glocke schlug immer weiter. Das Haupt ward wie der aufgehende Vollmond; hoch starrten die geschwollenen Augen. Schwarzenberg, rief der Ritter und zog sein Schwert, Schwarzenberg, Du bist ein Schurke! Du hast mich betrogen! Wölfe und Bären scheuete ich nicht - Unhold! - Der Leiche Antlitz reichte schon zur Decke; die Thurmuhr schlug aus; - da platzte das Gräuel mit schrecklichem Krachen; Balken stürzten; Dächer rollten nieder. Der Ritter versank mit dem einbrechenden Gebäu in die Tiefe eines Moors; aber mit Geistesgegenwart kletterte er in der ungemessenen Tiefe durch Steine und Gebälk, das Schwert in der Hand, und athmete wieder in freier Luft. Hülfe! Hülfe! rief er, Knappe, ich stecke im Moor! - Wo seid Ihr, Herr? fragte aus weiter Ferne der Knappe. Nach langem Suchen fand er ihn; aber wie sollte er ihm aus dem Sumpfe helfen? Er band die Zäume der Rosse zusammen und warf das eine Ende dem Ritter zu; das andere knüpfte er an den Schwanz des Thiers und brachte ihn so aufs Trockne.
Da lagen sie, bis der Morgen grauete. Wild und öde war die Gegend; nur einige Kröten unkten im Sumpfe, und eine Eidechse rasselte durch das Gebüsche. - Dann zogen sie weiter.
Die Nacht ist Nienmandes Freund.
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7. Die Hexenkunst.
Ein Knabe will gerne das Hexen lernen. Er geht tief in den Wald; er ruft: Wer lehrt mich das Hexen? - Da kriecht rasselnd durch das dichte Erlengebüsch ein altes Weib, zahnlos und rothäugig, schmal in dem gekrümmten Rücken, aber breit im Schooße. Komm mit! spricht sie freundlichst; das sollst du lernen; es ist nicht schwer. Er folget. Im Erlenbusche ist eine Hütte; in diese wird er geführt. Getrocknete Moorerde bilden die Wände, Schilf das Dach. Drei Kröten hüpfen neben ihm über die Schwelle; am Heerde aber sitzt ein hübsches Mädchen, das Lieschen heißt. Es wird Abend. Die Hexe greift eine Kröte und setzt sie auf den Tisch. Wie eine Lampe leuchten die grünen Augen durch den düstern Raum. Das Mädchen und die Alte hocken am Heerde nieder und langen aus einem Kessel Schwarzsauer zum Abendessen. Es sind zerschnittene Menschenglieder. Der Knabe mag nicht essen, sondern legt sich zum Schlaf hin. Da zischelt die Alte dem Mädchen zu: Morgen früh', ehe die Sonne aufgeht, wecke mich! wir wollen den Knaben schlachten und einkochen. Gesättigt lagern auch sie sich. In der Nacht steht das schlaflose Mädchen auf und tritt an des Knaben Lager. Er war so schön, blau sein Auge, blond sein Haar, roth die Wange. Lieber Junge, spricht sie, der Tod erwartet dich; mich jammert dein; komm', daß wir fliehen! Er erhebt sich und geht mit; bedachtsam spuckt das Mädchen auf die Schwelle. Als sie aus dem Hause treten, erwacht die Alte und ruft: Lieschen, stehe auf! Ich bin schon auf, antwortet der Speichel auf der Schwelle; ruhe noch ein wenig, bis ich Laub und Holz zum Heerde bringe. Sie eilen von hinnen. Nach einer Weile erwacht die Alte wieder, trauet nicht mehr den Worten des Speichels, rafft sich auf und sieht die Hütte leer. Schnell schafft sie sich eine Wolke, nimmt den Besenstiel und reitet nach. Ein dicker Rauch kommt hinter uns her, spricht das Mädchen; das ist die Hexe. Ich will ein Schlehdorn werden und du eine Beere. Die Verwandlung geschieht. Die Hexe steigt aus der Wolke und beginnt sofort die Beeren zu pflücken und zu essen, so sauer sie auch sein mochten. Schon sind alle bis auf eine Beere in der Mitte des Dornbusches verzehrt. Die langen Finger der Hexe wollen sie pflücken trotz der vielen Dornen; allein sie fällt ab und in den Busch und vom Busche in eine nahe Niederung. Hier wird sie Ente und das Mädchen Wasser. Vergeblich wirft die Alte mit Erdklößen und ihren Pantoffeln nach der Ente auf dem Wasser; diese weiß geschickt unterzutauchen und dem Wurfe
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auszuweichen. Endlich legt die Hexe sich am Rande des Teiches auf ihren breiten Bauch nieder, um das Wasser abzutrinken. Schon ist der größte Theil des Wassers abgetrunken, da platzt der Alten dick aufgeschwollener Bauch, und ein schwarzer, stinkender Qualm, der querfeldein zieht, verkündet ihren Tod. Die Ente wird wieder Knabe, das Wasser ein Mädchen, und die Liebe verbindet beide auf immer. - Auch die Hexenkunst kann nicht vor dem Tode schützen.
8. Die Mainacht.
In der Mainacht kam einstmals ein Bote von Schwerin aus bei Jülchendorf vorbei. Dort ist ein Eichengehölz und in demselben ein Berg. Beim Vorübergehen hebt er seine Augen auf und sieht auf dem Berge ein großes Getümmel von Menschen, tanzend, speisend, trinkend, die Gläser anstoßend. Kaum faßt der Gipfel den dichten Haufen; weit über alle ragt aber hoch empor ein stattlicher Riese. Der Bote legt sich ermüdet im Thale nieder, um den Ausgang der Sache zu sehen. Da weht es plötzlich durch die hohen Eichen, und der Riese steht vor ihm. Alter, spricht er, bist hungrig und durstig; willst mitessen und mittrinken? Sei nicht blöde! komm'! Dir soll ein köstliches Mahl werden. Mancher Schnurrbart würde sich nicht lange besonnen haben, was zu thun sei; der Mann gieng aber mit. Eine Tafel war auf des Berges Spitze gedeckt; an derselben muß er obenan sitzen. Köstliche Speisen, dicker Reiß und Grapenbraten werden aufgetragen und feines Brot. Vor ihm auf dem Tische tanzen gruppenweise in größter Eilfertigkeit kleine, daumenlange Menschen und besorgen die Aufwartung. Unter ihnen erkennt er mit Schrecken eine Bauerfrau aus seinem Dorfe. Silberne Löffel und Messer werden vor ihn hingelegt; er soll essen, er will, köstlich ist ja die Speise; allein er kann Löffel und Messer nicht heben. Das verdrießt ihn. Da kommt die alte Bauerfrau auf ihn zu und spricht: Willst essen und kannst nicht? Armer Mensch! Der dir gegenüber sitzt, hindert dich. Spei' ihm ins Angesicht, so wird's dir gelingen mit Messer und Löffel. Er zögert; aber der Reiß ist braun gezuckert, der Pfannkuchen fett und das Schwarzsauer duftet lieblich. Er ermannt sich, hebt sich halb vom Stuhle und speiet dem gehässigen Gegner ins Angesicht. Da faßt ihn plötzlich ein Sturmwind und wirft ihn rücklings den Berg hinab, daß die veralteten Glieder zerschellen und er ohnmächtig daliegt. Reisende treffen ihn am andern Morgen und bringen ihn nach Hause. Lange muß er krank liegen. - So rathen Hexen.
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9. Aschenpüster.
Ein reicher Mann ward plötzlich Wittwer. Schön war seine jugendliche Tochter, hoch und stark ihr Wuchs. Damals waren andere Zeiten und andere Sitten. Der Vater warf seine Augen auf das schöne Mädchen. Gieb mir Hand und Herz! sprach er einstmals; siehe, viel sind meine Heerden, und Gold und Silber und Gestein fehlt mir nicht. Vater, ich liebe dich, erwiederte das züchtige Mädchen; aber laß ab von dieser Bitte.
Viermal ward Vollmond, und täglich erneuerte der lüsterne Vater seinen Antrag; aber das Mädchen widerstand. Endlich fügte er wilde Drohungen hinzu; da ward dem Mädchen bange, und sie dachte auf List. Will gewähren dir, sprach sie, wenn du mir ein Kleid giebst, das von Silber stehen kann. Er that es. Will gewähren dir, sprach sie, wenn du mir ein Kleid giebst, das vom Golde steif ist. Er gehorchte ihren Wünschen. Will gewähren dir, redete sie jetzt, wenn du mir ein Kleid giebst, das von Gesteinen stehen kann. Auch das that der thörichte Vater, der nun am Ziele sich glaubte. Aber mir fehlt noch ein Krähenpelz zum alltäglichen Gebrauch, sagte das Mädchen. Auch den erhielt sie. Deine Tochter hat noch einen Wunsch, versetzte schmeichelnd das lose Mädchen; ist dieser Wunsch erfüllt, so hast du Herz und Bette: Gieb mir eine Glücksruthe. Viel Geld wog der Vater einem Kaufmann aus dem Morgenlande dar und brachte die Glücksruthe.
Ein Prinz wohnte in fernen Landen, herrlich von Gestalt, reich an Leuten. Der Ruf von ihm war bis zum Mädchen erschollen. Sie nahm die Ruthe in die Hand, die Kleider über die Schulter, schwang die Ruthe und wünschte sich in die Nähe des Prinzenschlosses. Ein Wirbelwind nahm sie auf; lang flog ihr gelbes Haar hinter her; so kam sie am Abend in den Park des Schlosses. Hier wünschte sie sich eine Eiche, in deren Mitte ein Schrank wäre. Es geschah, was sie wünschte. Sie hing ihre Kleider hinein, zog den Krähenpelz an und wanderte zur Schloßküche. Ein armer Knabe, der eltern= und heimathslos ist, und einen Dienst sucht! Dich kann ich gebrauchen, erwiederte der Koch; du sollst Aschenpüster werden und dem Feuer und der Asche wehren auf dem Heerde. - Nach einigen Tagen sah sie den Prinzen, der ein Wild, das er so eben erlegt hatte, zur Küche brachte; sie sah und liebte ihn.
Auf einem nahen Schlosse war eine dreitägige Hochzeit. Auch der Prinz fuhr am Abend hin zum Tanze. Ein Menge müßigen Volks lief hin um zuzusehen. Lieber Koch, sprach
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Aschenpüster, jene wollen zusehen; das Feuer ist auf dem Heerde gelöscht; laßt mich auch hingehen! Der Koch gestattete es; sie aber lief eilends zur Eiche und schmückte sich mit dem Silberkleide und schuf sich mit Hülfe der Ruthe ein stattliches Gespann. Hin rollte sie auf hohem Wagen und trat in die erleuchtete Halle. Ihr stolzer, schöner Aufzug, ihr herrlicher Wuchs, ihre blühende Wange reizten die Augen des Prinzen; er wählte sie zur Tänzerin. Aber kaum hatte er einige Tänze mit ihr gemacht, als sie aus dem Saale verschwand, sich auf den Wagen setzte und sprach:
hinter mir dunkel und vorne mir klar,
daß Niemand sehe, wohin ich fahr'! -
Die ganze Nacht hat der Prinz durchwacht, sprach am andern Morgen der Koch. Er ist sehr böser Laune; es muß ihm etwas begegnet sein. Putze ihm diese Stiefel! Sie that es; aber ein kleiner Flecken an den Zehen war ihrer Aufmerksamkeit entgangen. Der Bube von Aschenpüster! schrie der jähzornige Prinz in die Küche hinein und warf ihr den Stiefel an den Kopf. Putze besser ein ander Mal! Willig hob sie den Stiefel auf und reinigte ihn aufs Beste.
Der Abend kam. Ach, lieber Koch, sprach Aschenpüster, dort geht alles Volk schon wieder hin. Laßt mich auch heute Abend hingehen! Der Koch erlaubte es. Sie aber ging zur Eiche und zog das goldne Kleid an und setzte sich in den gewohnten Wagen. Düster und gedankenvoll wanderte der Prinz durch die Halle, als plötzlich das schöne Mädchen eintrat. Da ward seine Stirn heiter; mit liebevollen Augen blickte er sie an und reichte ihr die Hand und führte sie zum Tanze. Wie flog er mit ihr durch die Reihen! wie wich die staunende Menge ehrerbietigst zurück! Liebliches Mädchen, flüsterte der Prinz ihr zu, wo ist deine Heimath? In Stiefelschmeiß, erwiederte sie keck. - Länger als eine Stunde mochten beide getanzt haben, als sie plötzlich sich in ein Nebenzimmer verlor. Vergebens suchten die Augen des Prinzen das schöne Mädchen; es war nicht mehr da; es war auf dem Wagen nach Hause gefahren. Wo liegt Stiefelschmeiß? fragte der Prinz im Saale. Niemand wußte den Ort.
Zorniger war nie der Prinz, sagte am andern Morgen der Koch; er hat die ganze Nacht aus dem Fenster in die Dunkelheit geschaut. Jetzt will er seinen Rock gebürstet haben. Gehe hin, Aschenpüster, und nimm dort die Bürste.
Si gieng hin in ihrem Krähenpelze; der Prinz aber riß hr die Bürste aus der Hand und warf sie ihr an den Kopf. Bube, rief er bürste ein ander Mal besser! -
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Als der dritte und letzte Tanzabend kam, und Alles wieder dem Feste zueilte, da bat abermals Aschenpüster den Koch um die Erlaubniß, auch dies Mal zuzusehen. Der Koch war ungehalten über den neugierigen Burschen, gab aber endlich dessen Wünschen nach. Aschenpüster gieng zur Eiche, langte das Demantkleid hervor und fuhr aufs Schloß. Wie schimmerte im Lichtglanze das Mädchen! Der Prinz war heiterer, als je. Tanzend verstrich die Zeit; es ward Mitternacht und schon krähte der Hahn zum dritten Male. Mädchen, woher ist dein Fuß? fragte der Prinz. Von Bürstenschmeiß, antwortete sie dreist. Wer du auch bist, sprach der Prinz, gieb her die Hand, daß ich diesen Ring dir auf den Finger stecke! Sie reichte ihm die Hand, und ihr Auge blickte nieder auf die Erde. Jetzt suchte sie sich zu entfernen und bestieg ihren Wagen; aber der Prinz hatte auch schon den seinigen bestiegen und verfolgte das schöne Mädchen. Vergebens rief sie:
hinter mir dunkel und vorne mir klar,
daß Niemand sehe, wohin ich fahr'!
Das Rollen der Räder ward der Führer des Prinzen. Bei der Eiche stieg das erschrockene Mädchen aus, ließ den Wagen verschwinden, hatte aber nicht die Zeit, das Demantkleid abzulegen, mußte den Krähenpelz überziehen und so in die Küche eilen, weil schon der Morgen grauete.
Matt ist die Seele des zornigen Prinzen, sprach der Koch; wir müssen ihm eine stärkende Suppe kochen. Es geschah, und während der Koch Holz antrug, ließ Aschenpüster den Ring in die Suppe fallen.
Der Prinz fand den Ring. Wer ist in der Küche gewesen? fragte er hastig den Koch. Niemand, erwiederte der, als ich und Aschenpüster. Laß hereintreten den Burschen! sprach der Fürst. -
Aschenpüster trat hinein im Krähenpelze. Die harte Arbeit hatte das Kleid schon sehr abgenutzt. Damals waren andere Zeiten und andere Sitten, auch andere Plagen, welche die Gegenwart, gottlob! nicht mehr kennt. Tritt näher, sprach der Prinz; mich juckt's auf dem Kopfe. Sieh nach, ob auch Ungeziefer in den Haaren ist! -
Aschenpüster gehorchte; der Prinz aber fand Gelegenheit, den mürben Krähenpelz an der Hüfte des Knaben verstohlen zu zerpflücken. Jetzt war die Oeffnung groß genug; er sah den Demantstoff unter dem rauhen Kleide.
Du bist mein und ich bin dein! rief er, und fiel dem Mädchen in die Arme.
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10. Der kühne Schneidergeselle.
Schneidergeselle Hans saß auf seinem Sessel und überlegte, wie das menschliche Leben Mühe und Arbeit sei. Den ganzen lieben Tag über, dachte er bei sich, muß ich die eiserne Stange in meiner Hand haben und dabei mich von Fliegen zerstechen lassen. Wie viele Ehre wird dem Krieger zu Theil, und welcher Beifall bei den Töchtern des Landes! Und doch mag oftmals sein ganzer Kriegsruhm nur der bunte Rock sein, - das Werk eines kunstfertigen Schneiders.
Klapp! schlug er eine neben ihm stehende Fliegenklappe zu und freuete sich seines Fanges. Er legte Nadel und Arbeit nieder und zählte die Fliegen. Es waren ihrer funfzig. Wenn du nicht arbeiten willst, rief der Meister, so nimm hier deinen Lohn und dort deinen Ränzel. - Hans mußte gehorchen. Er zog nun von dannen über Land und Meer, sah manches Dorf und manche Stadt und lernte, wiewohl oft bettelnd, die Menschen kennen. Eine Hauptlehre, die er dabei gewann und wozu ihm sein Gewerbe auch Gelegenheit gab, war die: Der Schein trügt.
Als er nun arm und zerlumpt geworden war, da fiel ihm jene Wahrheit so recht aufs Herz. Er nahm ein Blatt Papier, schrieb mit großen Buchstaben darauf: 50 geschlagen auf ein Mal! und steckte das Blatt an seinen Hut. Ermüdet legte er sich darauf hin unter eine Eiche am Wege und schlummerte ein. Plötzlich fühlte er sich gerüttelt; er erwachte, und zwei vornehme Herren standen mit entblößten Häuptern vor ihm.
In dem Königreiche nämlich, in dem Hans sich befand, wüthete unter manchen andern Ungethümen auch ein unbezwingbarer Riese, der jährlich zehn Jungfrauen für sein Frauenzimmer verlangte; denn so wild er auch war, so vermochte er doch gar wohl ein niedliches Gesichtchen. Die Jungfrauen pflegten durchs Loos bezeichnet zu werden. - Das gieng dem Könige und den Herren des Landes durch Mark und Bein. Schon oftmals hatten sie einen Kampf gegen den Riesen gewagt, aber vergeblich. Der König sandte das Land wohl auf und ab zu Fuß und Roß, ob nicht Jemand den Riesenkampf übernehmen wolle; er gelobte Geld und Ehren und die schönste seiner Töchter.
Herr, sprachen die beiden Gesandten zu Hans, eure Kraft muß groß sein, da ihr 50 schluget auf ein Mal. Vermöget ihr den Riesen, der das Land so hart plagt, zu bezwingen, so wird die schönste Königstochter und Gold und Ehren euch belohnen.
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Hans wischte sich den Schlaf aus den Augen, besann sich eine Weile: Bedecket euch! sprach er; der Riese soll's nicht lange machen. Aber seht, mein Arm ist matt und mein Fuß ermüdet von langer Reise; vier Wochen muß ich mich erst pflegen an des Königs Tische, und trinken aus seinem Becher und tunken in seine Schüssel.
Gerne willigte man ein. Der Wagen ward vorgefahren, und so zu des Königs Schlosse. Der Ruf ging vorauf; das Schloßthor war bekränzt; Pfeifer und Harfenspieler empfingen ihn und die Königstochter guckte neugierig durch das Küchenfenster auf den schlanken Jüngling, den jetzt schon bessere Kleider schmückten.
Hans dachte vier Wochen herrlich und in Freuden zu leben und dann sich heimlich aus dem Staube zu machen. Er trank aus des Königs Becher und tunkte in seine Schüssel, und aß nebenbei tüchtig Fleisch und Brot und fetten Käse. Als eben am letzten Tage ein großes Gastmahl gegeben ward, erschien die Königstochter im Glanze des Hofes. Da ward's ihm so wohl und so wehe; sein Auge sah nur das Mägdlein, und ihre Blicke schienen ihn auch nicht zu meiden. Und wären zwei Riesen zu bekämpfen gewesen und obendrein ein feuriger Hund, er hätte es versucht. Die Wahl zwischen einem Leben ohne Liebe oder einer Liebe ohne Leben war ihm nicht schwer. Hans konnte nicht essen und nicht trinken, so sehr man ihn auch nöthigte, und als man aufstand und sich die Hand gab, und er nun auch der Königstochter die Hand gab, da lief's ihm wie Fieber durch das Gebein. Stumm eilte er aus dem Saale in seine Kammer und betete um Rath und Beistand.
Schlaflos wälzte er sich in der kommenden Nacht in seinem Bette; da kam's an seine Thüre; leise ward sie geöffnet, und eine Lampe in der Hand trat herein eine weibliche Gestalt. Gott grüß' euch! flüsterte sie; ich bin die Amme der Fürstin; an meiner Brust hat sie oft geschlummert und mit mir oft Blumen gepflückt, als sie noch Kind war. Nur ihr seid der Gedanke ihrer Seele, und Spinngewebe flattert heute Abend an der Decke ihrer sonst reinlichen Kammer; das deutet Glück und Hochzeit. Sie läßt euch sagen, gutes Muths zu sein. - Des freuete sich der ehrliche Hans. Vergessen war die Sorge; er gedachte ohne Mühe durch Klugheit des Riesen Herr zu werden.
Bei der ersten Morgenröthe ließ der Zeugmeister ihn fordern in die Rüstkammer. Da waren Helme und Schilde und Harnische; da hingen in bester Ordnung an den Wänden Spieße, Schwerter, Morgensterne und Streitäxte. Hans sollte wählen,
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und er kannte kaum den Gebrauch der Rüstung. Nein, sprach er, ich brauche keine Waffen; es würde wenig Ehre sein; mit diesen Händen werde ich den Riesen vertreiben. Man führte ihm schöne Rosse zur Wahl vor auch diese verschmähte er, denn Reiten war nicht seine Sache. - Nur Brot und Käse werde ich mitnehmen, rief er, damit ich nicht vor Hunger verderbe. Dann machte er sich auf den Weg nach der Behausung des Riesen.
Er kam ins Freie und sang nach gewohnter Weise sein Morgenlied, und die Vögel stimmten ringsum mit ein. Vogelfang war in der Kindheit seine Lieblingsbeschäftigung gewesen. Er fand ein Lerchennest, legte eine Schlinge darauf und fing das Männchen, das er in die Tasche steckte und weiter zog. Am folgenden Morgen sah er vor sich die schwarzen Thürme des Riesenschlosses, das mit einer Mauer umgeben war. Er kam näher, und ein Apfelbaum hing mit schönen Früchten über die Mauer hin. Dem Riesen schmecken Aepfel, dachte er, mir auch, und so kletterte er an den Zweigen hinauf in den Apfelbaum. Hier sah er das eiserne Gebäude näher. Eine große, hohe Thür führte in dasselbe; sie war verschlossen. Still war's überall; kein Vogel ließ sich hören, kein Frosch im Sumpfe; Alles schien zu zittern vor dem Gewaltigen. Hans aß tüchtig Aepfel. Da rasselte die Thür, und heraus trat der mächtige Riese. Sein Kopf war von der Größe eines Scheffels; wild hing Haar und Bart um Schulter und Brust. Er befand sich im Morgenanzuge; nur ein weites Beinkleid war um seine gelben Hüften mit faustdicken Knöpfen zusammengeheftet. Langsam wandelte er einher, und der Sand gnirrte (od. seufzte) unter seinem Tritte. Der gewaltige Athemzug war laut zu hören. - Hans saß ganz ruhig in den Zweigen des Apfelbaums, hätte fast Braut und Alles vergessen und verlaufen; allein hier war kein Ausweg möglich.
Der Riese mochte schon einige Male auf und nieder gewandelt sein, als er sich dem Apfelbaume nahete. Was ist das? rief er zornig; Männchen, du erdreistest dich, hier Aepfel zu mausen? Wart', dich will ich züchtigen! Und damit faßte er den Hans an ein Bein, zog ihn durch die Zweige hindurch und stellte sich ihn auf flache Hand. Wähle, wie willst du sterben? zerdrückt oder zertreten, daß dir die Gedärme zu den Ohren ausgehen!
Riese, antwortete Hans dreist, du bist größer als ich, aber darum nicht stärker. Funfzig schlug ich auf ein Mal; dieses Blatt am Hute besagt es. Erst setze mich nieder; wir wollen unsere Kräfte probiren an andern Dingen, und dann magst du mit mir ringen.
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Ha, grinzte der Riese, was du, Wurm, wohl denkst! Er setzte ihn auf die Erde und griff zu einem Stein und zermalmte ihn in der Hand. Das ist nichts, rief Hans, und bückte sich auch zu einem Steine, nahm aber den Käse aus der Tasche; siehe Wasser muß aus dem Steine fließen, wenn ich ihn drücke. Es flossen sichtlich einige Tropfen nieder. Das will viel sagen, sprach verwundert der Riese; aber kannst du werfen, wie ich? Und damit riß er einen gräulichen Stein aus der Erde und schleuderte ihn in die Luft. Sausend fuhr das Felsstück aus der Faust zur Thurmhöhe und fiel dann neben Hans nieder, der mit hurtigem Sprunge ihm auswich. Meine Hand faßt nicht solch Stück, versetzte Hans, und bückte sich auch zu einem Steine, nahm aber seinen Vogel und schleuderte ihn in die Luft. Die Lerche zog singend schnurgrade aufwärts, und der Riese sah ihr nach in die blaue Luft. Hoho, sagte Hans lächelnd, der kommt nicht sogleich nieder; du kannst bis Abend stehen und warten. Hier bin ich, rief er; sieh', diese Faust strecke ich dir entgegen; fall' aus, wenn du willst. Nein, sagte der Riese verlegen; warum wollen starke Männer sich Leides thun? Komm' in mein Schloß und bleib bei mir, und iß mit mir und schlaf bei mir! - Sie traten ein in das eiserne Gewölbe, und waren fröhlich, aßen und tranken. Am Abend führte der Wirth seinen Gast in sein Schlafgemach, wo eine eiserne Bettstelle seiner wartete. Hans entkleidete sich nicht, sondern legte sich unter die Bettstelle. Um Mitternacht hörte er leises Geräusch, wie Fußtritte. Der Riese kommt mit eiserner Keule und thut einen fürchterlichen Schlag auf das Kopfende des Bettes. Sch-! Mücken! sagt Hans unter der Bettstelle. In der Meinung, nicht recht getroffen zu haben, schwingt der Riese mit verdoppelten Kräften die Keule. Sch-! Fliegen! spricht Hans. Verzweiflungsvoll faßt jetzt der Riese mit beiden Händen die Keule; er macht sich lang; sausend fährt das Eisen durch die Luft auf das Lager. Laut hallt das Schlafgemach und die metallene Bettstelle droht zu brechen unter der Last. Ich glaube gar, ruft Hans, du, Riese, thust das. Warte, dich will ich züchtigen! - Das feige Ungethüm verliert die Fassung; er läßt die Keule und flüchtet aus dem Gemache. Ich komme, ich komme! donnert Hans, und läuft ihm nach. Wie klein du auch scheinst, bittet der Riese, mein Arm ist schwach gegen den deinigen; schone, schone! Nimmer habe ich knieend gebeten; aber dich bitte ich. Dein Leben ist in meiner Hand, ruft Hans stolz; deine Gebeine werden zerschmettert, dein eisernes Haus wird von mir zerbrochen; - aber nein, du bittest! Ich schenke dir das Leben; allein sogleich mußt du fort und dich nimmer sehen
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lassen in diesem ganzen Königreiche. Der Riese gehorchte stracks, und in wenig Augenblicken verließ er seine Behausung und wandelte durch Nacht und Nebel über die Heide zur Gränze hin. - Hans machte Licht an und durchlief die verschiedenen Gemächer des Schlosses. In einem entlegenen Zimmer traf er zehn geraubte Mädchen; er kündigte ihnen die Freiheit an. Wie frohlockten die armen Geschöpfe! Er vergnügte sich mit ihnen, bis der Morgen kam, ob mit Blindekuh oder Schach, sagt die Geschichte nicht. Dann brachen sie auf, jede in ihre Heimath, Hans aber zur Residenz.
Das war nur Spaß, sagte Hans, als er vor den König trat; dem Riesen habe ich Beine gemacht; er ist über die Gränze gejagt. Nun gieb mir den Lohn! -
Wahrheit ist sonst des Königs Wort; aber dieser dachte anders. Hast wohl gethan, erwiederte er; allein wenn das dir so leicht ward, so wird es dir auch nicht schwer werden, das Land von einem Einhorn zu befreien, das mich in meinen Jagden stets hindert. Ist das getödtet, so erwartet dich meine Tochter als Lohn.
Hans war ärgerlich; allein was sollte er machen? Will gehorchen deinem Willen, sprach er; jedoch vier Wochen muß ich mich pflegen an deinem Tische und trinken aus deinem Becher und tunken in deine Schüssel. Es geschah, wie er geredet hatte. - Vier lange Wochen brachte er auf dem Schlosse zu und sah weder die Prinzessin, noch ihre Amme. Aber ihr Bild stand vor seiner Seele, und ohne sie däuchte ihn Leben wie Tod. Am letzten Morgen brach er traurig auf zum bezeichneten Walde, einen Strick um die Hüfte gebunden, man meint, um im Nothfalle das Leben zu enden. Zwei Tage war er gegangen durch dichte Eichen und Buchen, als er auf einen grasreichen, freien Platz kam. Da hörte er's brausen und rauschen, wie wenn ein Wirbelwind durch den Wald zieht. Plötzlich bricht durch das dichteste Gebüsche das Einhorn hervor, das Horn zum Stoße gerichtet, grade auf ihn zu. Hans nahm erschrocken beide Rockschöße auf, und lief, was er konnte, ins dichte Gehölz zurück. Das Thier folgte ihm auf den Fuß; er sprang hinter eine dicke Eiche. Laut krachte der Wald und die Eiche in ihren Wurzeln. Das Horn war durch den Baum gedrungen, und das Thier stand wie angenagelt. Den Strick hervor, dem Einhorn um den Hals und so um die Eiche geschlungen war Sache des Augenblicks.
König, sprach Hans bei seiner Zurückkunft, ich traf das Einhorn; was wollte es sich lange wehren? Einen Strick band ich ihm um den Hals und zog es so fest an eine Eiche, daß
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das Horn durch den Baum gedrungen ist. Komm' und tödte es! Da machte sich auf der König und sein neugieriges Hofgesinde und fand Alles, wie Hans geredet hatte.
Gieb mir nun den verheißenen Lohn, sprach Hans; siehe, ich habe gethan, was du verlangtest. Mein Sohn, versetzte der zögernde König, groß ist deine Kraft und wichtig sind deine Dienste. Aber noch einmal leih mir deinen Arm; dann soll dir die Jungfrau nicht entstehen. Ein wilder Eber durchtobt die Wälder und Felder und zernichtet die Saaten des Landmanns. Du mußt ihn tödten.
Vier Wochen gewähre mir, sprach mißmüthig Hans, daß ich trinke aus deinem Becher und tunke in deine Schüssel! Aber auch in diesen vier Wochen sah' er weder die Fürstin noch ihre Amme; doch ihr Bild stand vor seiner Seele, und ohne sie war Leben ihm Tod.
Am letzten Morgen machte er sich hurtig auf, nahm jedoch heimlich einen Sack voll Erbsen mit. - Mitten im Walde lag eine alte Kirche. Furcht vor dem Eber hatte die Dorfbewohner zur Ansiedelung an sicheren Orten gezwungen; ihre Hütten waren abgebrochen; nur die Kirche blieb. Hans fand die Spuren des Ebers; er bestreuete sie mit Erbsen und machte so einen Lockweg bis in die Kirche. Dort stellte er sich hinter die Thür. Lange mußte er warten; erst gegen Morgen kam das Thier grunzend daher. Als er es in der Mitte der Kirche wußte, da sprang er flink aus der Thür und verschloß sie mit dem Riegel. Wie tobte der Eber! Wie brach er an Gestühlen und Altar! Hans stieg vermittelst eines nahen Baumes auf das Dach, schlug ein großes Loch durch dasselbe und den Boden; dann ging er zum König.
Gefangen ist der Eber, sprach er; diese Hände griffen ihn und warfen ihn hoch durch Dach und Boden in die Waldkirche. Nimm deinen Flitzbogen und dein Gesinde, und tödte ihn nach deinem Gefallen! -
Da nahm der König seinen Flitzbogen und sein Gesinde, und zog in den Wald. Leitern wurden zahllos angesetzt; das Dach wimmelte von Menschen, und viel Geschoß ward verwendet ehe der Eber fiel.
Und nun den Lohn, großer König! flehete Hans. Bezwungen ist der Riese und das Einhorn und der Eber.
Das ging dem Könige durchs Herz. Nein, sprach er, du verdienst Dank und Lohn, wie sehr auch die Männer um meinen Thron dich beneiden. Niemand hindere mich jetzt! Mein Zorn treffe den, der hier noch widerräth! - Da verstummten die Großen des Schlosses; furchtsam verneigten sie sich und traten
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zurück. Die junge Fürstin ward gerufen. Sie kam in ihrer ganzen Schönheit; aber bleich war ihr Antlitz; man hatte sie sorgfältig in ihrem Zimmer bewacht. Der König legte nun ihre Hand in die des tapfern Jünglings, und alles Volk rief: Heil dem Könige und seinem Gefreundten! Heil dem Brautpaare!
Klugheit ersetzt allemal reichlich die Kraft.
11. Der Teufel.
Lustig ging es her zu Kessin; es war Pfingstbier, und es ward getanzt bis in die späte Nacht. Aus entfernten Dörfern waren Knechte gekommen. Um Mitternacht wollte einer von ihnen über's Feld nach Hause; man nöthigte ihn vergebens zu bleiben. Wirst doch gewiß noch wieder kommen, sprachen die berauschten Tänzer; es wird dir leid; wir alle sind ja so beinig; das Bier ist süß und die Dirnen so freundlich. - Er aber ging von dannen. - Schwarzdunkel ward die Nacht; nicht Weg noch Steg konnte er sehen. Und als er nun eine Strecke gegangen war, da ward's lichthelle um ihn, als ob ringsum die Dörfer brennten; da krachte über ihm ein fürchterlicher Donnerschlag. - Er aber ging getrost von dannen. Nun ward's ruhig um ihn, wie's in milden Sommernächten zu sein pflegt.
Was rauscht dort wie Fußtritte daher? denkt er und sieht neben sich einen langen Mann wandern. Sie grüßen sich nicht. Als er nun an einen Steg kam, trat der lange Mann näher und sprach: wie willst du da hinüber kommen? Das geht dich nichts an, erwiederte der Knecht, und schritt dreist hinüber. Sie kamen an den Gartenzaun des Bauerhauses. Wie willst du da hinüber kommen? fragte der Fremde. Das geht dich nichts an, versetzte der Knecht, und stieg unverzagt über die zugespitzten Pfähle des Zauns. Sie kamen ans Haus; es war verschlossen. Wie willst du da hinein kommen? fragte jener wieder. Das geht dich nichts an, antwortete der Knecht, und klopfte ans Fenster. Die Hausmutter öffnete, und beide traten in die Stube und setzten sich hinter den Tisch. Es ward Licht angezündet. Mutter, sprach der Knecht, diesem Fremden ist nicht wohl; wir wollen den Prediger rufen, daß er ihn tröste aus Gottes Wort. Das schauerte dem Fremden durch die hohlen Gebeine; er ward kleiner und immer kleiner und lief endlich gleich einer Maus zur Thür hinaus. Des freuete sich der Knecht mit der Hausfrau und dankete Gott.
Der Böse ruhet nicht, sondern suchet, wen er verschlinge. Auf dem Hofe Gr. M. (Großen=Methling) wohnte
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ein alter geiziger Pächter, der jährlich das Korn aufschüttete in der theuren Zeit. Viel Gold und Silber lag ihm aufgehäuft in Kisten und Schränken; allein hart war sein Herz gegen Untergebene und Arme, und täglich spielte er Karten.
Einstmals an einem Pfingstmorgen, während Scharen frommer Seelen zum Gotteshause zogen, wanderte er hinaus aufs Feld, um die Saat zu besehen und die Ernte zu berechnen. Da fährt auf der Landstraße daher ein Mann mit schwarzen, hochbäumenden Rossen. Neben ihm hält er an und steigt ab. Ein rother Mantel hing ihm weit über die Füße weg, und dreieckig war sein Hut. Habt ihr Korn zum Verkauf? fragte er den Pächter; ich gebe euch doppelte Preise. Wenn das ist, sagte der Pächter, so mag's darum sein. Kommt mit mir und esset bei mir! Die Sonne steht hoch und der Schatten wird kurz. - Sie gingen zusammen. - Als sie auf den Hof kamen, da flogen mit Geschrei die Hühner und Enten alle davon, als ob ein Raubvogel daher zöge, und der Hofhund knurrte und heulte abwechselnd. Sie traten in die Stube. Ein solcher Gast muß herrlich bewirthet werden, dachte der Landmann, und ließ auftragen große Schüsseln mit Fleisch und kräftiges Bier. Der Fremde aber setzt sich zum Mahle und neckt ungebührlich die aufwartende schüchterne Magd und reißt ihr die Schürze ab. Da fällt aus seiner Hand ein Messer nieder. Das Mädchen bückt sich, um es aufzunehmen; allein was sieht sie? Die Füße des Fremdlings, einen Pferde= und einen Hühnerfuß! Erschrocken eilt sie hinaus zur Hausfrau; diese erzählt es dem Manne. In der Eile wird der Geistliche des Dorfs geholt. Er kommt im ganzen Summarium, die Bibel unter dem Arme. Menschenkind, ruft der Fremde ihm keck entgegen, was willst du mir? Dich kenne ich. Du stahlst als Knabe ein Messer deinem Mitschüler. Der Geistliche tritt beschämt und verwirrt zurück, und der Fremdling läßt sich das Mahl gut schmecken unter vielen Gotteslästerungen. Aber schon holt ein Wagen den Geistlichen aus dem nahen Br. (Brudersdorf). Er kommt mit der Bibel unter dem Arme im ganzen Summarium in die Stube. Au weh, au weh! ruft der Fremde und schaudert in eine Ecke zurück; erbarme dich mein!
Du erbarmest dich nicht der Menschenkinder! spricht der Geistliche. Hier diese Bibel soll dich züchtigen und dieser Arm.
Weh mir, weh mir! erwiederte jener, erbarme dich! - Du kommst nicht anders aus dieser Stube, spricht jener, als durch diese Thür und bei dieser Bibel vorbei. -
Weh, weh! jammerte der Fremde.
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Da entsteht draußen ein Tosen, wie wenn der Sturm sich erhebt. Ein blauer Nebel sammelt sich über dem Hause. Den Leuten ward bange, und sie baten den Geistlichen. Nun, sprach er, so öffnet das Fenster! Fahre aus, du unsauberer Geist! Da fährt's hinaus wie ein Sturmwind mit gewaltigem Krachen. Die Fensterlucht war ausgerissen, der Nebel verschwunden, und auf dem Scheurengiebel dem Hause gegenüber sitzt der Böse und lacht sie alle aus. Dann verschwindet er.
Der Pächter ward ein frommer Mann.
12. Der neugierige Teufel.
Einstmals nach einer großen Schlacht kam ein tapferer Kriegsmann mit Ober= und Untergewehr in das Reich der Finsterniß. Ach Herre Je, fragte der Teufel, was hast du da in deiner Hand? Das ist meine Pfeife, erwiederte der Krieger. Oh, daraus möchte ich wohl mal schmauchen, sprach jener; gieb sie mir mal her! - Da hast du sie, sagte der Soldat, und stieß ihm das Bajonet durch das breite Kuhmaul. Pfui, die Spitze ist gar zu scharf, versetzte der Teufel; doch gieb mir auch ein wenig Feuer. Das sollst du haben, antwortete der tapfere Krieger, und zog den Hahn auf und schoß das Gewehr ab. Pfeifend flog die Kugel durch den hohlen Schädel. Herre Je, sprach der Teufel und spuckte aus; das ist scharfer Taback; der zieht einem recht zu Kopf! - Setze dich nieder bei jenem Ofen. Der Soldat that's. Es war rothglühend der Ofen und ringsum die Luft; er aber nahm noch einige Scheiter Holz und warf sie hinein. Was machst du da, fragte der Teufel. Herr, erwiederte jener, hier ist es so kalt; ich heize ein. Nicht doch, nicht doch! rief der Teufel; was soll daraus werden? Mir ist's schon zu heiß Hinaus, Schlingel, hinaus! Dich kann ich nicht in meiner Behausung brauchen! Und damit stieß er ihn zur eisernen Thür aus der Hölle hinaus.
Also errettet List selbst aus der Hölle.
13. Hans und der Kalbskopf.
Ein Bauer hatte drei Söhne. Der jüngste unter ihnen galt für dumm und ward deshalb viel von seinen Brüdern geneckt. Hans war auch in der That von der Mutter verzärtelt; er ging ihr immer nach, saß neben ihr auf dem Feuerheerde und erhielt durch ihre Hand manche Leckerbissen zum großen Aerger der Brüder.
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Die beiden ältesten traten eines Tages vor ihren Vater hin und sprachen: wir sind lange genug zu Hause gewesen; gieb jedem von uns 10 Rthlr. und eine Kiepe voll Brot und Fleisch, so wollen wir in die Fremde wandern und Städte und Länder sehen. Der Vater gewährte ihre Bitte. Mutter, sprach Hans, die Brüder ziehen von dannen; ich will mit. Gieb auch mir 10 Rthlr. und eine Kiepe voll Brot und Speck, auf daß ich nicht verderbe in der Fremde. Vergeblich widerrieth die Mutter; ärgerlich rückte der Vater die 10 Rthlr. heraus; Hans aber wollte.
Mit vollen Kiepen auf dem Rücken und das Geld in den Taschen zogen die drei Brüder am andern Morgen vom väterlichen Hause. Die beiden ältesten nahmen ungerne den dummen Hans mit; sie eilten frisch vorweg, und er konnte nicht mitkommen. Was habe ich gefunden! was hab' ich hier gefunden! rief er listig mehrere Male. Sie kehrten dann hastig um zu ihm und fanden nichts; er aber blieb also bei ihnen. Jedoch als der Nachmittag kam, und sie seinen Worten nicht mehr glaubten, sah' er sich allein und verlassen auf dem Wege und wußte nicht woher und wohin. Der Tag neigte sich; ein Wald lag vor ihm. Aus Furcht vor Wölfen erstieg er eine Eiche, um in den Zweigen zu übernachten. Durch die Finsterniß der Nacht bemerkte er späterhin von hieraus ein Licht. Schnell sprang er aus der Eiche und lief dem Lichte zu, das ihn in ein großes Schloß brachte, dessen Zimmer alle erleuchtet waren. Hans traf keinen Menschen in denselben. Er ging durch alle Gemächer; Niemand war da. Allein in einem der Vorzimmer war der Tisch zu seiner großen Freude gedeckt und mit den köstlichsten Speisen, Weißbrod und Pfannkuchen besetzt. Wunderbar war's aber in der Hinterstube. In derselben fand er nämlich zu seinem großen Erstaunen einen lebenden Kalbskopf in der Wiege liegen, der, als er: guten Abend! hineinrief, die Ohren schwenkte und: schönen Dank! antwortete. Hans fuhr erschrocken zurück; aber was sollte er machen? So sehr es ihm auch durch alle Glieder rieselte, er mußte wohl bleiben. Draußen war die Nacht, und hier war doch Essen und Trinken. Gott sei tausendmal Dank! rief der Kalbskopf, daß du kommst! Lange hab' ich einsam hier gelegen und bin dessen überdrüssig. Bleib' bei mir, und iß an jener Tafel und schlafe in jener Stube! Du sollst mir Neues erzählen von den Dörfern und Städten der Menschen! - Hans faßte neuen Muth. Wenn's nur nicht aus der Wiege kommt, dachte er - es hat ja aber keine Füße - so hast du hier schön Bleiben, und mit meinem Stocke werde ich mir doch einen Kalbskopf vom Leibe halten
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können. Sein Mund blieb nicht verschlossen; er beantwortete alle Fragen, nahm vor allen Dingen ein tüchtiges Abendessen ein und legte sich dann in das bezeichnete Bett nieder. Am Morgen wahr sein Zeug gebürstet und geputzt, die Schuhe schön geschmiert, seine Schnallen geputzt; am Tage mußte er jedoch bei der Wiege sitzen und etwas erzählen; allein er war im Trocknen, ward nie hungrig und durstig; warum sollte er weichen? - Auch das Wunderbare verliert mit der Zeit seinen Eindruck. Hans blieb auch den zweiten Tag, auch den dritten; es ward ein Monat; es ward ein Jahr. Der Kalbskopf war immer gar zu freundlich und eben dadurch täglich liebenswürdiger. Endlich gedachte Hans an sein Elternhaus. Er konnte nicht umhin, seinen Wunsch nach Hause dem lieben Kalbskopf mitzutheilen. Ich verdenke es dir nicht, rief derselbe; allein du bist ohne schöne Kleidung, ohne Geld und Roß und kennst den Weg nicht. Sieh', dort in jener Ecke steht ein Stab; mit dem schlage auf jene Lade, so wird sie sich öffnen, und Kleidung und Waffen in Menge liegt dir zur Auswahl bereit. Eben so wirst du jenen Stall öffnen, in welchem Pferde aller Art zur Wahl stehen. Endlich schlage mit dem Stabe auf jene Kiste, so wird sie aufspringen und dir Geld verschaffen und eine Pfeife. Fehlt dir Weg und Steg, so blase auf der Pfeife, und sofort wirst du auf den rechten Weg geführt.
Hans that, wie ihm geheißen war. Er wählte sich einen schönen Jägerrock mit goldnen Tressen und einen dreieckigen Hut, hing einen blanken Degen um seine Hüfte und ein Gewehr über die Schulter, füllte alle Taschen mit Geld, vergaß die Pfeife nicht und zog endlich ein treffliches Jagdroß aus dem Stalle. Es war gewiß ein Schimmel; die Geschichte schweigt; aber alle Pferdehirten sind der festen Meinung. - Dann nahm er so zärtlich, als es die Umstände gestatteten, Abschied von dem Kalbskopf, dem er heilig versprechen mußte, bald wiederzukommen, und ritt von dannen. Die Kiepe ließ er stehen; die Pfeife leitete seinen Weg; das Roß trug ihn schnell über Berg und Thal; das Geld brachte freundliche Wirthe auf die Beine; so kam er zur Heimath.
Nur wenige Tage waren die Brüder von der Heimath entfernt gewesen. Als die Kiepe leer ward und das Geld ausgegeben, da ward ihnen bange vor Hunger und Noth; sie zögerten nicht; sie eilten nach Hause mit der Erfahrung, daß in der Fremde etwas Anderes als Kiepe und Geld das Glück fessele.
Wer kommt dort daher stolz auf hohem Rosse in Jägerkleidung mit blanker Wehr? Gewiß ein Edelmann, der sich
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verirrt hat. - Guten Abend, lieben Leute, rief Hans; kennt ihr mich nicht? Ich bin Hans, euer Sohn! Nimmermehr, erwiederte der Vater; unmöglich, sagte die Mutter, unmöglich! Hans hatte einen schwarzen Kittel an, als er auszog, und eine Klottmütze, und keinen Tressenhut. Ihr neckt uns! - Mütterchen, rief jener, ich bin Hans, euer Sohn! Rock und Roß habe ich mir in der Fremde verdient und diesen Hut und diese Wehr, und siehe, dazu diese Taschen voll harter Thaler. Als sie das Geld sahen, erzählt die Geschichte, da glaubten sie und ihr ganzes Haus seinen Worten; Geld mag wohl beweisen. Ein groß Getümmel entstand. Hans fiel ihnen um den Hals; es weinten Mutter und Vater; nur die beiden Brüder sahen scheel. Als die Nacht kam und Alles schlief, da beredeten sie sich, durch die Luke in die Schlafkammer des Bruders zu steigen und ihn zu erschlagen und sein Geld zu nehmen. Der Plan ward versucht; Hans aber erwachte, sprang aus dem Bette, griff zum Gewehr und schoß den einen der Brüder durch den Schenkel, daß er gelähmt rücklings aus der Luke fiel. Wunde und Lähmung bezeichneten am Morgen die Brüder als Mörder. Der Vater nahm die Peitsche und strafte sie obendrein wacker für ihre Bosheit, vermuthlich zu Hansens großer Ergötzung.
Nach einigen festlichen Tagen zog Hans wieder hin zu dem bekannten Schlosse, nachdem er den Eltern viele blanke Thaler geschenkt hatte. Freudig empfing ihn der Kalbskopf, und das gewohnte Leben ward wieder begonnen und fortgesetzt. Als er aber eines Morgens vor die Wiege trat, sprach der Kalbskopf: ich habe dir heute etwas Wichtiges zu sagen, und ich muß dich bitten, daß du aufs sorgfältigste alles ausführest, was ich dir heiße. Siehe, lieber Hans, in der Küche steht ein Haublock und in der Speisekammer liegt ein Beil. Gehe hin und lege das Beil auf den Haublock und dann komme wieder! Hans verrichtete Alles aufs genaueste. Nun die wichtige Bitte! rief der Kalbskopf. Blicke her! an meinem Hinterkopf habe ich ein langes Gewächs, woran ich krank darnieder liege. Trage mich zum Haublock und haue mit dem Beil mir das Gewächs ab; so werde ich gesund. Hans nahm den Kalbskopf bei den Ohren aus der Wiege und bemerkte mit Schrecken an dem Hinterkopfe desselben ein schlangenartiges, blaues Gewächs. Er brachte ihn in die Küche, legte ihn auf den Haublock: - ein Hieb! - das Gewächs war fort, der Kalbskopf plötzlich eine reich bekleidete Prinzessin von großer Schönheit, das ganze Schloß voll von aufwartender Bedienung, der Haublock eine alte Kammerfrau, das Beil ein alter, treuer Kutscher.
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Du hast mich errettet aus einer Verwünschung, rief die Prinzessin; dir gebührt Hand und Herz. Meine Güter sind dein; meine Liebe wird dich belohnen.
Also ward Hans ein reicher Mann, der seinen Eltern viel Gutes that, seinen Brüdern vergab und in einer glücklichen Ehe lebte. - Und wenn beide nicht todt sind, so leben sie noch 1 ).
14. Papendönning.
Am ratzeburger See, unsern des Dorfes Utecht, ist ein bruchiges, unwegsames Moor, in dessen Mitte auf einer mäßigen Anhöhe die Behausung eines Ritters war, nach Einigen eine Erdhöhle, nach Andern ein schwarzgeräucherter Kathen. Der Ritter hieß Papendönning und war durch seine namenlose Häßlichkeit, so wie durch sein wildes, räuberisches Leben überall verrufen; allein Niemand wußte den versteckten Aufenthalt desselben. Vergeblich hatte er geworben nah und fern um die edlen Tochter des Landes; jede hatte dem häßlichen Manne einen Korb in die Hand gedrückt. Da sann er auf List und raubte die Tochter eines reichen Bürgers zu Lübeck und zwang sie seine Gemahlin zu werden; doch durfte sie niemals seine einsame Behausung verlassen.
Die Weiber sind fügsam. Sie gewöhnen sich leichtlich an Häßlichkeit, wenn nur Herzensgüte damit verbunden ist; allein bei Papendönning war von Herzensgüte nicht die Rede. Hart behandelte er sein Weib und ohne Gefühl. Daher war sie ihm auch nie recht zugethan und traulich; wie sollte sie es können? -
Gretchen genas eines Knaben und hoffte nun die rauhe Seele des Mannes zärtlicher zu machen und fester an sich zu knüpfen. Sie brachte den zarten Säugling dem Vater zu. Der nahm ihn auf die nervigen Arme und tanzte mit ihm im Kreise umher. Immer wilder ward der Tanz. Er packte endlich mit gewaltigen Fäusten das wimmernde Kindlein am Beine; sein Auge ward rothglühend; er schlenkerte tanzend und brüellend den Knaben sich um den Kopf; er zerschmetterte die kleinen Glieder an Wand und Gebälk. Sieben mal gebar Gretchen ihm Knaben, und sieben mal wiederholte der Unmensch die schreckliche Tanzscene.
Den Strauß konnte das arme Mutterherz nicht bestehen, und selbst der tanzlustigsten Dame unserer Zeit dürfte eine Galoppade der Art nicht gefallen. Gretchen sann auf List, und es gelang ihr.
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In einer zarten Schäferstunde - also wird erzählt: der gnädige Herr hatte doch auch seine schwache Stunde - in einer solchen Schäferstunde bat schmeichelnd Gretchen um die Erlaubniß, ihre Verwandten in Lübeck besuchen zu dürfen. Anfangs wollte er nicht einwilligen; allein sie ließ nicht ab zu bitten, und endlich mußte sie ihm eidlich versprechen, in 4 Tagen wiederzukommen, aber keinem Menschen ihr Schicksal zu klagen, und keinem zu sagen, wo der Schlupfwinkel des Papendönnings sei.
So ging sie von dannen. Es frohlockten die bekümmerten Eltern und Verwandten, als sie nach langer Zeit das liebe Gretchen wiedersahen. Aber woher dein Weg? fragte man. Ich darf ihn Niemanden sagen, versetzte sie; eidlich habe ich es versprochen. - Nun so laß deinen Fuß auf immer ruhen unter der Eltern Tisch. - Ach, nach 4 Tagen muß ich wiederkehren, erwiederte sie seufzend; eidlich habe ich es versprochen. Tochter, warum so traurig dein Herz und Auge? fragte die weinende Mutter. Ich darf es keinem Menschen sagen, antwortete sie; eidlich habe ich es versprochen. - Am dritten Tage nahm sie ihre jüngste Schwester mit sich auf einen Spaziergang im Freien. Sie trafen einen großen Stein am Wege. Gretchen warf sich nieder an dem Stein, und indem sie ihn mit beiden Armen umklammerte, rief sie: keinem Menschenkinde darf ich mein Schicksal klagen; Stein, du bist taub, dir kann ich erzählen, wie Papendönning mich behandelt, wie er meine sieben Knaben, die ich ihm gebar, zu Tode tanzte, wie und wo er wohnt. - Das Alles hörte die Schwester und säumte nicht, zu Hause Alles zu erzählen, was sie gehört hatte. - Unter vielen Thränen nahm Gretchen am Abend des vierten Tages von den Ihrigen Abschied, bat sich aber vorher eine Schürze voll Erbsen aus. Der Wink ward verstanden; man trieb ihr eine Sau mit Ferkeln nach. Der Weg war durch Erbsen bezeichnet; die Sau folgte dem Lockwege, und der einsame Schlupfwinkel ward entdeckt, Papendönning gefangen nach Lübeck geführt und dort gerichtet 1 ).
Noch jetzt sagt man z. B. von einem Tänzer, der mit seiner Dame überschnell umherkreiset: er hält mit ihr Haus wie Papendönning mit seinen sieben Söhnen
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und andere Thorheiten.
Ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit, besonders des Meklenburgers, in Meklenburg gesammelt
von
J. Mussäus.
N achstehende Sympathien ., die gemeinhein bei Landleuten, doch auch bei Städtern, selbst zuweilen bei Vornehmen und Gebildeten unverdient Glauben finden, hat Referent theils mündlich (m.), theils schriftlich (s.), selten gedruckt (g.) von den Leuten bekommen; auch hat er Gelegenheit gehabt, mehrere angewendet (a.) zu sehen und sich von dem schlechten Erfolge zu überzeugen. Wer nicht gewohnt ist, sich mit der Natur wissenschaftlich zu beschäftigen, beobachtet fast immer sehr unvollkommen; daher die vielen Täuschungen, wiewohl nicht zu läugnen ist, daß bei nervösen Leiden ein fester Glaube zuweilen merkwürdige Erscheinungen hervorruft. - Wie sehr Sympathien in Verfall zu kommen beginnen, erfuhr Ref. an der Aeußerung eines alten, klugen Handwerkers, der einmal sagte: Gott erhört nicht immer unser Gebet in leiblichen Dingen; er würde sich aber befehlen lassen, wenn Sympathien möglich wären.
In Hinsicht des Ursprungs dürfte man die katholischen Wundermittel von den protestantischen . unterscheiden können. Erstere verrathen sich durch eine unbedingte Verheißung der Hülfe, auch wohl durch das Wort: Buße, durch Anrufung der Maria und der Heiligen; letztere erscheinen mehr als Gebet und lassen die Möglichkeit des Nichtgelingens zu.
Um in der Anwendung glücklich zu sein, muß man die Formel niemals von seinem Geschlechte erlernen. Der Mann hat sie vergeblich erlernt, der sie von einem Manne hörte. Es
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darf auch kein Wort, kein Buchstabe vergessen, kein Wort versetzt werden. Besonders darum leisten manche Formeln keine Hülfe mehr, weil etwas davon ausgelassen ist, und die ursprüngliche Formel sich wohl gar nicht mehr findet. Daher ein pedantisches Ankleben an dem Hergebrachten.
1. Gegen Brandwunden.
Fahre mit dem Finger um den verbrannten Theil und spreche:
ich ging wohl über Land,
da fand ich eine Hand,
damit still' ich den Brand,
im Namen Gottes des V. †, des S., †, des h. G. †
(m. a.),
oder spreche:
wie hoch der Häwen,
wie roth der Krebs,
wie kalt ist des todten Mannes Hand,
damit still' ich diesen Brand. † † † (m.)
Anmerkung. Kann man es haben, so nimmt man dabei die Hand einer männlichen Leiche; sonst geht es auch ohne dieselbe.
oder spreche:
Maria ging über's Land;
einen Brand trug sie in der Hand;
Brand, du sollst ausrügen
und nicht einkriegen.
Das sag' ich dir zur Buße. † † † (s.)
2. Gegen den kalten Brand.
Fahre mit dem Finger um die brandige Stelle und spreche:
mit dieser Gottes Hand
still' ich den kalten Brand
ut din Hand (Kopp, Fôt .)
im Namen Gottes des V. †, des S. †, des h. G. †. (m.)
3. Gegen die Rose.
Betrachte die Rose und spreche:
de Ros' un de Wied,
de stahn in'n Stried;
de Ros' verswann,
de Wied gewann.
Dann fahre mit dem Finger darüber hin und mache † † †. (m.)
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oder spreche:
alle Messen währet der Gesang,
alle Verangelien werden gelesen;
Rose, du mußt verschwinden und verwesen!
und mache, wie oben, † † †. (s.)
4. Gegen Flechten.
Man nehme 3 neue Knöpfnadeln und mache mit einer jeden rings um die Flechte einen Kreis und in den Kreis ein Kreuz und spreche bei jeder Nadel:
de Flecht un de Wied
de krakeelten sick (entzweiten sich);
de Wied de gewünn,
un de Flecht verswünn. † † †
Dann werfe man die Nadeln rücküber weg und nehme 3 weidene Reiser, schlage einen Knoten in dieselben und lasse sie alsdann fliegen. (m.)
Am besten ist es, wenn man dies Mittel unter einer Weide gebraucht.
5. Beim Blutstillen.
Man nehme einen Stein von kalter Stelle, streiche damit die Wunde und spreche:
rille, rille, rill'!
Blut, steh' still!
Im Namen Gottes des V. . . † † †. Dann lege man den Stein an denselben schattigen Ort. (m. a.)
Man hat nicht immer nöthig, die Wunde zu berühren, sondern dieselbe nur zu sehen und dabei stillschweigend zu sprechen:
Blut, steh' still in dieser Wunde!
spricht Christus in dieser Stunde. † ††. (m.)
6. Gegen Nasenbluten.
Schreibe mit dem von einer Sense durchschnittenen Stoppelende eines Weizen=, Roggen=, Gersten= oder Haferhalmes dem Leidenden auf die Stirne die Worte: uhi upuli. (s.)
7. Gegen Bauchweh.
Fahre mit den Fingern über den Umkreis des Schmerzes auf entblößtem Leibe hin und spreche:
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'n Stück von'n Matt,
'n Stück von'n Latt,
'n Stück von'n oll Wiew,
dormit still ick din Bukwehdag in din Liew.
Im Namen . † † †. (m.)
Bei Pferden und anderem Viehe spreche:
Stück von'n Dack,
Stück von'n Latt,
Stück von'n ollen Sack,
Stück von'n bösen Wiewe,
Dormit still ick di dat Liewe.
Im Namen . † † †. Dreimal wiederholt. (s.)
Bei Menschen kann man auch die Hand auf den Schmerz legen und sprechen:
Föck Fack an Husmadel an
schur gar bie Man bös bin Wiew
dad stil dad Buckweh sin lief.
Im Namen des Vaters und Sohnes und heiligen Geistes. (s.)
Gegen Kolik giebt man auch 3 Messerspitzen von zu Pulver gebrannten Schweinspfoten ein.
8. Gegen das Herzspann.
Man gehe zum Obstbaum, fasse denselben an und spreche oder lasse den Kranken nachsprechen:
Fruchtbom, ick klag di,
dat Hartspann plagt mi;
nim du van mi, nim du up di!
de ihrst Vagel, de äwer di flügt,
salt wedder van di nehmen! (m.)
9. Gegen Zahnweh 1 ).
Man spreche leise zu dem Kranken:
der Herr Jesus warne die Zahnwüthigen; darinnen waren Würmer, 3 weiße, 3 schwarze, 3 rothe; er nahm die andern 2 und schlug sie damit todt. Das sag' ich dir zur Buße. † † † (s.)
10. Gegen Schlangenbiß.
Man lasse sich die gebissene Stelle zeigen und sage stillschweigend:
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ick güng äwer den San'n,
dor lag Adder un Schlang;
ick flög dor middn mank,
dat Alles van anner sprang. † † †. (s.)
11. Gegen Würmer in Wunden beim Vieh.
Frage den Eigenthümer des Viehes, an welcher Stelle die Wunde sei; gehe dann zu einem Fliederbusch, knicke 3 junge Schößlinge desselben etwa eine Hand breit vom Ende um und spreche beim Knicken jedes Schößlings:
Dies Thier, die Kuh . hat Maden in der Keule, Fuß, Seite . Se sälen dor heruter gahn, se sälen dor heruter gahn, se sälen dor heruter gahn. Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. (m.)
12. Gegen alle Arten von Augenübel.
Man sehe in die kranken Augen und spreche:
Magret hät makt vant Og,
Lohf van'n Bom,
Doch van Gras † † †. (s.)
13. Gegen Harthörigkeit.
Trockne einen im Hechtmagen gefundenen Fisch, stoße ihn zu Pulver und gieb ihn dem Leidenden auf 2 Morgen nüchtern ein. (s.)
14. Gegen das rothe Wasser bei Kühen.
Fahre dreimal mit der Hand über den Rücken der Kuh und spreche jedes Mal:
wie du es hattst,
so hatt's ich auch;
ist mir vergangen,
vergeht es auch.
Im Namen . † † †. (s. a.)
oder streiche mit der rechten Hand dreimal von der Nase des Thiers über den Kopf und Rücken grade hinüber nach dem Schwanze hinaus und spreche jedes Mal:
dies Verstandt Blut (verstautes Blut?) durch alle das Blut
stehe stille,
um des Herrn Wille!
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Dabei gebe dem Thier etwas Erbsilber ein oder das Kreuz aus der Walnuß, das eben so gut ist. (s.)
oder streiche dreimal den Rückgrad nieder mit der Hand oder einer blauen Schürze und spreche:
Jungfer, in der Jugend,
Uebe dich der Tugend,
Setze rein Geblüt!
Im Namen . (m.)
15. Gegen Verfangen des Viehs.
Man fasse das Thier an und spreche:
Höwt Veh,
hast du dich verfangen
im Fressen und Saufen,
in Weder oder Wind,
so hilf dir Jesus, Marien Kind.
Im Namen . † † †. Das thue man dreimal. (s.)
16. Schutzmittel gegen Verfangen der Kälber.
Wenn du einem Kalbe das erste Saufen giebst, so spreche, indem es das erste Maul voll Milch niederschluckt:
du sollst dich nicht eher verfangen,
bis du siehst unsern Herrn Christus hangen!
dreimal gesprochen, und es wird sich nie verfangen. (m. s.)
17. Gegen Zauberei bei Kälbern.
Setzt man ein Kalb an, und man fürchtet böse Leute, so schneide man ein kleines Stück vom Ohre desselben ab, brenne es zu Pulver und gebe es demselben in dem ersten Saufen ein. (m.)
18. Gegen den Biß eines tollen Hundes.
Ueber 1000 mal probat gefunden bei Menschen und Vieh, wenn es nur nicht in die Nase gebissen und der 9te Tag noch nicht da ist. Man schreibe die untenstehenden Charaktere auf Papier und gebe dieses auf Roggen=Butterbrot des Morgens nüchtern ein:
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19. Charaktere von unbekanntem Gebrauche.
D | A | X | X | |
M | A | X | X | |
N | A | X | X | |
E | N | A | X | X |
I | N | A | X | X(s.): |
20. Andere Charaktere von unbekanntem Gebrauche.
F 4 h X 3 2, n i t t 2 1 ν ι δ ι ξ, v 2 3 ξ i 2 w, w 4 X 5 ζ, ν ι ξ ν 2 λ
F 4 h niznil m 3 itmi n 23 l ribb 4 D 142 g i t r 2 hr 4 v m 32 b r 25 t r 4 F n 3 lhip 5. (s.)
21. Brautprobe.
Si vis scire, an virgo aliqua pura sit necne, - nimm Ammoniacum=Pulver, siede es und gieb es ihr zu trinken. Ist sie eine Jungfer, so beseicht sie sich von Stund an. (s.)
22. Gegen Diebe.
Man sucht im Garten . die Spur des Diebes auf und sticht senkrecht in dieselbe einen Brettnagel im Namen G. . Dann bekommt der Dieb die fürchterlichsten Schmerzen am Fuße. (m.)
Man nimmt auch die Erde der Spur im Namen G. . und steckt sie in einen Beutel, den man in den Rauch hängt. Dann trocknet der Dieb in der Auszehrung allmählig zusammen. (m.)
Ist ein Pferd gestohlen und hat man noch irgend etwas von demselben, z. B. ein Gebiß ., so geht man nebst dem rechtmäßigen Eigenthümer Nachts 12 Uhr zum Kirchhof, gräbt am Kopfende des letzten Todten ein fußtiefes Loch in das Grab, legt sich auf den Bauch und ruft in das Loch hinein den Todten bei seinem Namen. Nach etwa einigen Minuten antwortet der Todte: Was willst du?
A. Dem N. N. ist ein Pferd gestohlen; kannst du es wiederschaffen?
T. Ja!
Dann legt man z. B. das Gebiß in das Loch und spricht: Hier ist das Gebiß des Pferdes; suche den Dieb auf und schaffe das Pferd wieder im Namen G. . Das Loch wird hierauf
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wieder zugemacht. Der Dieb bringt das Pferd wieder oder stirbt am Schlage. (m. Es soll zu Bernitt mit Erfolg versucht sein.)
Manche Schmiede verstehen auch, dem Dieb ein Auge auszuschmieden. An dreien Freitagen Morgens vor Tagesanbruch wird dann geschmiedet; die näheren Umstände sind aber nicht bekannt.
Zu Bentwisch wurden vor mehreren Jahren silberne Löffel gestohlen. Eine kluge Frau wird geholt; sie macht einen Kaffeeaufguß, d. h. gießt siedenden Kaffee auf eine Schüssel, und verheißt das Wiederbringen des Gestohlenen. Sieh, sagte sie darauf plötzlich, in B. kommt dies Jahr noch Feuer aus! - Diese Schreckensnachricht läuft schnell durch´s ganze Dorf und wird gleichsam der Träger der Hauptsache; am andern Morgen sind die Löffel wieder da.
23. Ueber Sieblaufen.
Man nimmt ein von Verwandten geerbtes Sieb und stellt es auf den Rand hin. Dann spreizt man eine Erbscheere aus und sticht die Spitzen derselben so tief in den Rand des Siebs, daß man dasselbe daran tragen kann. Dann gehen zwei Personen verschiedenen Geschlechts (confirmirte) mit dem Sieb an einen völlig dunklen Ort, halten den Mittelfinger der rechten Hand unter den Ring der Scheere und heben so das Sieb auf. Sehr erklärlich gleitet bei der geringsten Bewegung der Ring vom Finger und das Sieb fällt nieder, weil man im Finstern nicht balanciren kann. Hierauf fragt die eine Person die andere: im N. G. d. V. . frage ich dich, sage mir die Wahrheit und lüge nicht! Wer hat das . gestohlen? Hat es Johann gethan?
Fritz?
Peter? .
Beim Nennen des Verdächtigen gleitet der Ring ab, und das Sieb fällt nieder. Dann weiß man den Dieb. (m. a.)
Man nimmt auch eine Erbbibel, steckt in die Mitte derselben einen Erbschlüssel bis über den Bart hinein, bindet mit einem Bande die Bibel zusammen, so daß der Schlüssel nicht herausfallen kann, und verfährt dann wie beim Siebe, die Finger unter den Schlüsselring haltend. (m.)
24. Ueber Kristallsehen.
Der Betrüger hat ein gläsernes Prisma, auf dessen eine Fläche ein Gesicht eingeschliffen ist. Ohne es aus der Hand
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zu geben, läßt er für 4 ßl. den Bestohlenen durch das Glas das Gesicht sehen. Derselbe muß nun an der Aehnlichkeit des Gesichts seinen Dieb errathen. (m.)
25. Ueber Schatzgraben.
Seit einigen Jahren existirt zwischen Doberan, Schwan, Bützow und Cröpelin eine Gesellschaft Schatzgräber, aus Städtern und Landbewohnern bestehend. Ein Handwerker, der daran Theil genommen, aber sich mit der Gesellschaft aufs heftigste entzweiet hatte, übergab Referenten theils mündlich, theils schriftlich folgende merkwürdige Nachrichten über das Schatzgraben.
Von Cyprian der Weltweisen Höllenzwang, ist gedruckt zu Lion 1530. Dieses ganze Werk ist aus einem sichern Kloster zu Eisenach aus der griechischen, chaldäischen und arabischen in die deutsche Sprache übersetzt worden anno 1603, den 10ten Aug.
Also lehrte der hochgelahrte und weltberühmte Philosoph in seinen Schriften von den Schätzen, welche in der Erde vergraben sind, und wie man solche glücklich überkommen kann.
Geliebter Leser, nimm wohl in Acht, daß du nicht mit deinen Consorten versäumst oder in Gefahr bringest, so versäume nicht zuvor, so wie möglich, würdig das heilige Abendmahl zu empfangen, damit der unsaubere Geist an einen jeden treuer Christen keine Macht hat oder kriegen kann, und wenn du mit deinen Consorten an einen Ort, allwo ein Schatz verborgen, kommst, so müssen sie sich rein und sauber anziehen, gleich als wenn sie Willens wären, in die Kirche zu gehen; sie müssen sehr fleißig zu Gott beten, und sich sämmtlich dem lieben Gott ergeben, der auch einem jeden gewiß in seiner Noth beistehen wird; auch sollst du merken auf alle die Tage und Stunden, wenn man mit Geistern und Schätzen umgehen kann. Dazu sind folgende die besten, in denen man graben kann. Wenn der Mond ist neu geworden, da ist der erste und beste Tag, der 2te nur Morgens allein; der 3te, 4te, 5te und 6te ist gar nicht gut; der 7te bis 1 Uhr, der 8te gut Morgens sehr frühe; der 9te und 10te gar nicht gut, der 11te ist sehr gut, der 12te und 13te gar nicht gut, der 14te und 15te gut, der 16te frühe Morgens allein gut, der 17te ist gar gut und bewähret vom Herrn; denn nachher ist nichts Gutes mehr zu hoffen in jedem Monat.
Wenn du nun einen Ort gewiß weißt, so kannst du diese folgende Operation gebrauchen, ohne alle Furcht und Schrecken, so wird der Schatz stehen wie eine Mauer, und der böse Geist
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wird davon fliehen. Du mußt aber Vorbeschriebenes wohl in Acht nehmen, wenn du dazu den Segen Gottes haben willst; sonst bist du in Gefahr; der Satan bricht dir den Hals.
Der Ruthenbruch und die 7 Beschwörungen der Ruthe.
Suche dir etwa eine weiße Hasel oder Kreuzdornruthe, die eine Gabel oder Twiele hat und in einem Jahre gewachsen ist, und woran kein Flecken altes Holz ist. Sie muß aber so stehen, daß die Ost= und Westsonne durch die Twiele scheint; sonst ist sie nicht gut. Gehe nun an einem neuen Sonntage des Morgens zwischen 3 und 4 Uhr stillschweigend zu der Ruthe, und kehre dein Angesicht gegen Morgen und gegen die Ruthe, neige dich gegen sie dreimal und sprich: †, Gott grüße dich, edles Reis! Mit Gott dem Vater habe ich dich gesucht; mit † Gott dem Sohn habe ich dich gefunden und durch † Gott des heiligen Geistes Kraft will ich dich brechen. - Greife nun dessen Stammende mit der rechten Hand an und spreche Folgendes:
es gingen drei heilige Frauen
des Morgens früh im Thauen,
sie suchten den Herrn Jesum Christ,
der von dem Tod erstanden ist;
sie funden da zwei Englein schön,
die bei dem Grabe blieben stehn,
und wen ihr sucht, der ist nicht hier,
geht hin ins Galliläische Land, da werdet ihr den Herrn Jesum finden, wie er euch ist bekannt. So wahr diese zwei Englein das heilige Grab haben bezeichnet, und wo der Herr Jesus ist zu finden, so sollst du, edle Wünschelruthe, mir den Ort auch anzeigen, wo Gold oder Edelgesteine sind zu finden, oder ob mir dieses Glück oder Unglück früher oder später überkommen soll; solches sollst du, edle Ruthe, thun; so wahr als die heilige Jungfrau Maria ihre zarte Jungfrauenschaft in und nach der Geburt Jesu Christi behalten und die helle Sonne durch das Glas scheinet und dasselbe nicht verzehret, so wahr als Jesus Christus von den Todten auferstanden ist, so sollst du, edle Ruthe, mir auch anzeigen durch deinen Schlag, wo Geld in der Erde liegt, das für meine Augen ist verborgen; solches sollst du thun, so gewiß als die heilige Dreifaltigkeit † Gottes über uns schwebet; solches gebiete ich dir, edle Ruthe, im Namen † Gottes des Vaters, † Gottes des S. und † G. d. h. G. Amen.
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Sprich auch diese Worte noch: † Ana, † Efrica, † Simia. Das lebendige göttliche Wort, das dich, edler Zweig, erschaffen hat, das verleihe dir, edle Ruthe, Kraft und Stärke, daß du mir weisest auf Gold, Silber oder Edelgesteine, darauf ich dich breche im Namen † Gottes des V., † Gottes d. S., u. † G. d. h. G. - Dann breche sie in diesen drei Brüchen ab; aber sie muß dann ab sein, sonst ist sie nicht tauglich.
Mache diese folgende Charaktere oben um die Ruthe:Gehe hierauf mit derselben Ruthe zu fließendem Wasser und taufe sie im Namen † G. d. V., † G. d. S., und † G. d. h. G. und gieb ihr den Namen: Johannes; denn das ist Christi Vorgänger gewesen. Nimm nun die Ruthe und stecke sie bei dir, wenn du zu Gottes Tische gehest, daß sie den Segen mit empfange. So ist sie fertig und geht gewiß und fest und fehlet nicht. Sie muß jedoch vor dem Gebrauch noch sieben Mal beschworen werden.
Ich beschwöre dich, edle Ruthe N. N., daß du mir suchen sollst diesen verborgenen Schatz im Namen G. d. V., d. S. u. d. h. G. Amen.
Du edle Ruthe N. N., ich beschwöre dich bei der heiligen Dreifaltigkeit Gott Vater, Gott Sohn, Gott heiligem Geist, daß du mir suchest Silber und Gold, das vor meinen Augen ist verborgen, so gewiß und wahr,
so rein und klar,
als Maria eine reine Jungfrau war,
da sie unsern Herrn Jesum Christum gebahr,
im Namen † G. d. V., † G. d. S., und † G. d. h. G. Amen.
Du, edle Ruthe und Sommerzweig, und Vorgänger Christi, St. Johannes, ich beschwöre dich bei den vier Evangelisten, Matthäus, Marcus, Lucas und Johannes, daß du mir suchest alles Silber und Gold und Edelstein, das in der Erde vergraben stehet und vor meinen Augen ist verborgen; das sollst du mir suchen und nicht leugnen, und mir den wahren Platz anzeigen, so gewiß als dich und mich Gott erschaffen hat und darauf du gebrochen bist im Namen † G. d. V., † G. d. S. und † G. d. h. G. Amen.
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Du, edle Ruthe N. N., ich beschwöre dich bei dem Gott Jesu Christi, dem Könige aller Könige, und bei den vier Erzengeln † Michael, † Gabriel, † Raphael und † Uriel und bei der heiligen Thronen Dominicationen, der himmlischen Fürsten, die vor Gottes Throne stehen, daß du mir suchest alles verborgene Gut an Silber, Gold und Edelgesteine; dadurch beschwöre ich dich, edle Ruthe N. N., bei der Geburt Jesu Christi und bei seinem bittern Leiden und Sterben und bei der siegreichen Auferstehung Jesu Christi und bei seiner heiligen Himmelfahrt, daß du, edle Ruthe, es thust, gleich zu dieser Zeit und Stunde im Namen † G. d. V., † G. d. S., und † G. d. h. G. Amen.
Du, edle Ruthe N. N., ich beschwöre dich bei dem Lamme Gottes, das der ganzen Welt Sünde getragen hat für uns, daß du gehest gleich und zu dieser Stunde und suchest mir alles verborgene Gut, das durch Menschen Hände ist vergraben worden und vor meinen Augen ist verborgen, das sollst du thun durch die Kraft, Macht, Stärke und Gewalt der höchsten Namen † Gottes, Tetragramaton, † Adonai, † Agla, † Elohim und durch die vier Elemente des Himmels, als nämlich Luft, Wasser, Feuer und Wind; dadurch beschwöre ich dich, edle Ruthe N. N., daß du mich nicht verführest und mir nicht leugst, und mir den wahren Platz zeigest, in nomine † Deus patris, † Deus filii, † Deus sancti spiritus. Amen, Amen.
Du, edle Ruthe N. N., ich beschwöre dich durch den unendlichen Gott Jesu Christi, der die Pforten der Höllen durchdrungen ist, so sollst du, edle Ruthe, dich durchschwingen und dringen durch die höllischen Geister und zeigen mir an, wo Gold verborgen ist in der Erde. Dieses sollst du thun; durch die Kraft des himmlischen Jehovah, den starken Schlangentreter, und durch die ganze himmlische Heerschaar beschwöre ich dich, edle Ruthe N. N., daß du gehest so schnell wie der Blitz von Aufgang bis zum Niedergange, schlage durch die vier Winde des Himmels und zeige das verborgene Gut mir sogleich von dieser Stunde an und führe mich nicht auf Irrwege. So gehe du, edle Ruthe, im N. † G. d. V., † G. d. S. und † G. d. h. G. Amen.
Du, edle Ruthe, ich beschwöre dich in Jesu Namen, daß du mich nicht verführen sollst. Jesu, hilf, daß mich kein Geist
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verführen kann! Jesu, laß mich nicht im Irdischen mich verwickeln! Jesu, hilf mir durch Beschwören. Jesu, laß dich mir beschwören durch diese Ruthe! Beschwöre mir, † Gott, diese Ruthe N. N., daß sie mir suche alles Silber oder Gold oder Edelgestein und gehe durch die vier Winde und treibe von dem Schatz alle sicht= und unsichtbaren Erd= und Höllengeister! Der unerschaffene Vater wolle mir und dir, edle Ruthe, Kraft geben, nach der Stelle zukommen, wo dieser Schatz stehet! Der eingeborne Sohn Gottes wolle mir diesen Schatz befreien und auflösen durch sein ebitteres Leiden und Sterben, wodurch er das ganze menschliche Geschlecht erlöset hat! Der ausgehende heilig Geist wolle uns aus der Höhe erleuchten, daß wir nicht verwirrt werden durch fremde Sprachen! So gehe du, edle Ruthe, und schwinge und dringe dich durch die höllischen Geister durch Jesum Christum, durch den ihr, höllische Geister, gestürzet seid von Gott dem Herrn! Das gebe die heilige Dreifaltigkeit † Gottes d. V., † G. d. S. und † G. d. h. G. Amen, Amen, Amen.
Mit einer solchen Ruthe gehe zur vorbemeldeten Zeit übers Feld von Nord nach Süd. Schlägt die Ruthe, so suche mit derselben den rechten Punkt auf, wo der Schatz steht und merke dir denselben. Gehe dann nach Norden etwa drei Ruthen zurück und schreite dann mit der Ruthe über die Schatzstelle nach Süden hin auch etwa drei Ruthen. Dann gehe nach Osten hin von der Stelle auch etwa drei Ruthen, und gehe nach Westen hin über die Schatzstelle auch circa drei Ruthen. Dann fange von dem nördlichen Punkte an nach Osten hin und so nach Süden, Westen und Norden mit einem Erbdegen einen Kreis zu kratzen; schreibe in diesen mit dem Degen diese Worte: en uler et alph omeg † Imnor ongtets gneomaithom † St. gia atts mathet atio † mathet o! ellpha, und weihe nach der Vorschrift mit Gebet diesen Kreis Gott dem Vater. Innerhalb dieses Kreises mache ebenso einen Kreis mit den Worten: † Sero gius † et matim † St. mare † etiam via, und weihe ihn Gott dem Sohne, und endlich mache einen dritten Kreis in der Mitte mit einem Kreuze, in dessen Winkeln die Buchstaben stehen: a. J. s. a. und weihe ihn Gott d. h. G. Ist alles fertig und sind alle Gebete gesprochen, so grabe frisch darauf los. Alle Gebete werden laut gesprochen.
Den ersten Kreis, den mache ich in der Kraft des himmlischen Gottes, des allmächtigen Vaters, durch seine göttliche Allmacht, da er die ganze Welt aus nichts erschaffen hat und
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mir diesen ersten Kreis wider alle teuflischen Anläufe binden wolle, damit sie nicht über, bei und neben uns eindringen und uns schaden können.
Den zweiten Kreis mache ich in der Kraft des Sohnes Gottes, Jesus Christi, der für mich und der ganzen Welt Sünde auf dem Altar des heiligen Kreuzes sein heiliges Blut vergossen hat, dessen bittern Tod in Erlösung des menschlichen Geschlechts an demselben wir diesen zweiten Kreis binden wollen, damit wir an Leib und Seele über, bei und unter uns nicht beschädigt werden.
Den dritten Kreis, den mache ich in dem Namen und Kraft Gottes, des heiligen Geistes, daß er nach seiner göttlichen Liebe, Gnade und Beistand mir diesen dritten Kreis binden wolle, damit wir vor aller Verletzung der bösen Geister an Leib und Seele bewahret werden, und keiner über, bei und unter uns verletzet und beschädigt werde.
Dann bete über alle Kreise: Ihr, heiligen drei Kreise, bleibet durch diese heiligen drei Namen heilig und fest gebunden, als ich ihn durch die heilige und hochgelobte Dreifaltigkeit † G. V., † G. S. und † G. h. G. fest geschlossen habe.
Den ersten Kreis †, den ich mache, mache ich in der Macht Gottes des Vaters und des Allerhöchsten, der Alles mit einem Worte, alle Dinge aus Nichts erschaffen hat.
Dann kniee nieder in den ersten Kreis und spreche: S. S. S. Herr Jesus Christi, in einem Mittwochen warest du verkauft in den Tod um unsertwillen.
Den andern Kreis mache ich in dem Namen desjenigen Sohns, Jesus Christi, der hat gelitten am Stamm des heiligen Kreuzes den bittern Tod, und mit seinem rosafarbenen Blut das menschliche Geschlecht erlöset.
Kniee wiederum nieder und sprich: S. S. S. lieber Herr Jesus Christe, an einem Donnerstage warst du verrathen in den Tod von unsertwegen.
Den dritten Kreis mache ich im Namen Gottes des heiligen Geistes, des Trösters, der da erleuchtet die ganze Welt mit seiner göttlichen Gnade, der da alle Propheten und Apostel erleuchtet hat.
Knie abermals nieder in den dritten Kreis und sprich: S. S. S. an einem Freitage bist du, o Jesus Christe, gegeißelt, gekrönet, gekreuziget worden und gestorben und begraben, und am Samstag zu der Höllen abgefahren und hast die alten Väter erledigt und herausgenommen aus dem Gefängniß, und
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am Sonntag bist du auferstanden von den Todten. Das helf uns Gott der Vater und mit seiner göttlichen Kraft und Macht! Auch stärk' uns der Herr Jesus Christ. Also sollen gebunden sein und gemacht unsere drei Kreuze. Fiat, fiat, fiat.
Gott, segne uns und umstehe uns! Gott, segne uns und diese Kreise und diesen Schatz! Mache ihn fest, daß er uns zur Freude und Ergötzlichkeit scheine, daß wir ihn heben und erlangen im Namen † Gottes des Vaters, † G. d. S. und † G. d. h. G. Amen.
Ich beschwöre euch, höllische Geister, Aziel, Ariel, Marbuel, durch die heiligen Namen Gottes † Tetragramaton, † Adone, † Agla, daß ihr, Geister, mir diesen Kreis nicht verletzt oder beschädigt, auch mir und meinen Consorten keinen Schaden weder an unserer Seele noch an unserem Leibe zufüget. Das gebiete ich euch, Geister, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, † Gott V., † G. S., † G. h. G.! Weichet, weichet, weichet, Satan, von diesem Schatz! Verflucht seist du in den Abgrund der Höllen, so lange bis du von diesem Schatze weichest! Das gebietet dir Jesus Christus, der von den Todten auferstanden ist und regieret von Anfang bis zum Niedergang † Tetragramaton, † Adonei, † Agla. Weichet, weichet, Satan, von diesem Schatz! Verflucht seist du in den Abgrund der Höllen, so lange bis du von diesem Schatz weichest! Das gebietet dir Jesus Christus, der von den Todten auferstanden ist und regieret von Anfang bis zum Niedergang, Christus, Messias, Gabriel, Kyrie nasay, nasay, gamaion, vorlissincus, ledionnalissimus, Verus, Verus, und bei den seinen Göttern Persanglissimam Christus, Messian, Gabriel, Kyrie Christi Zebaoth, Eleyson, ihr höllischen Geister Lucifer, Balubab, Ariel, Marbuel und Erdengeister und Gespenster, euch gebietet Jesus Christus, daß ihr weichet und fliehet von diesem Schatz durch die heilige und göttliche Kraft Tetragramaton, Adonay, Agla, Elohim, Jehofa, Nuray; ich beschwöre euch, Geister und Hüter dieses Schatzes, daß ihr, Geister, mir diesen Schatz an keinen andern Ort versetzet weder zur Rechten noch zur Linken, noch in die Tiefe hinunter versenkt. Darum gebiete ich euch, Geister, daß ihr weichet und fliehet von diesem Schatz durch Jesus Christi Geburt und Menschwerdung und seinen allerheiligsten Lebenswandel. Ich beschwöre und gebiete euch, Geister, daß ihr weichet und fliehet von diesem Schatz durch Jesus Christi Leiden und Sterben in seinem herben, bittern Tod; ich beschwöre und gebiete euch, Geister, daß ihr weichet und fliehet von diesem
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Schatz durch Jesu Christi Auferstehung und Himmelfahrt. Der unerschaffene Vater wolle uns durch seine göttliche Kraft und Allmacht geben, daß wir diesen Schatz heben und erlangen; der unerschaffene, geborne Sohn Gottes wolle uns durch sein bitter Leiden und Sterben, womit er das ganze menschliche Geschlecht erlöset hat, diesen Schatz auflösen durch Gottes Kraft von den Erd= und Höllengeistern; der unerschaffene, von diesen beiden ausgehende heilige Geist wolle uns eine Kraft von der Höhe ertheilen und erleichtern, damit wir nicht durch fremde Sprache verwirrt werden! Das gebe die allerheiligste Dreifaltigkeit † Gott V., † G. d. S., † G. d. h. G. Amen, Amen, Amen.
Allmächtiger, barmherziger, gerechter, wahrhaftiger Gott und Vater. Wir armen Sünder bitten dich im Grunde unsers Herzens, du wollest uns Glück, Heil und Segen geben zu diesem Werke, und wolltest uns zu Hülfe senden deine heiligen Erzengel Michael, Gabriel, Raphael und Uriel, daß sie helfen die höllischen Geister überwinden und bezwingen, daß sie uns diesen von Menschenhänden hier vergrabenen Schatz müssen stehen lassen, so wie ihn der Mensch hier bei seinem Leben hat vergraben. Darum bitten wir dich, majestätischer Gott und Vater, um deines lieben Sohns Jesu Christi willen, und um deiner grundvollen Liebe und Barmherzigkeit willen wollest du uns erhören, daß wir diesen Schatz heben und erlangen. Wir arme Sünder flehen dich demüthiglich an um das theure Verdienst Jesu Christi, da er sein theures Blut für uns vergossen hat am Kreuze, hilf uns, lieber Herr Gott! erbarme dich unser, lieber Herr Gott! Wir armen Sünder bitten dich, du wollest uns erhören um des willen, in dessen Namen wir also beten:
Der Herr segne uns und behüte uns! Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig! Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns seinen Frieden! Amen.
Wenn du nun etwas hörest, so sprich: Gott sei mit mir! Jesus Christus! Durch Gottes Kraft und Macht frage ich dich: wer da ist? Bist du ein guter Geist? Gieb mir Red und Antwort! denn ein guter Geist lobet Gott den Herrn.
Quand les esprits viennent, demande ce que tu vois. Ich begehre von Gottes reicher Gnade und Barmherzigkeit, seine göttliche Hülfe wolle dieses Verborgene schaffen!
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Giebt nun der Geist, so spreche:
Herr Gott, du mein guter Geist, vergüt' es Gott, du vielreicher Gott! vergüt' es Gott, mein guter, reicher Geist! Gott der Vater sei mit dir, Gott der Sohn sei mit mir, und der heilige Geist sei zwischen uns beiden, daß wir in Frieden mögen von einander scheiden! Gott bewahre meine Ehre, und du, mein Gott, bewahre mein Fleisch und Blut! † † † Heil, Heil, Heil! Nimm dann fürs' erste, was du vor dir findest und sei damit zufrieden.
Erscheint ein höllischer Geist, so frage ihn:
Ich beschwöre dich, höllischer Geist, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit durch die 72 Namen der Gottheit, Tetragramaton, Adonei, Agla, Jehovah, Elochim, Elliak, daß du, Geist, mir ohne Schalkheit und Betrug sagest deinen Namen, deines Amtes, darüber du zu befehlen und zu gebieten hast; gieb Antwort auf meine Frage!
Dann wird er auf die Antwort gebunden.
Die Bindung des Geistes.
Gott, der Vater, binde dich, Geist,
Gott, der Sohn, behalte dich, Geist,
Gott, der heilige Geist, binde dich, Geist,
St. Michael behalte dich, Geist,
St. Gabriel binde dich, Geist,
St. Raphael behalte dich, Geist,
St. Uriel binde dich, Geist,
Jesus Nazarenus rex schließe und knüpfe dich, Geist!
Dieses Band sei auf dir, Geist, im Namen † Gottes des V., † G. d. S., † G. d. h. G.
Die Abdankung des gefragten Geistes.
Ich eröffne dich, Geist, von deinen Banden, so wie Gott den Garten Eden oder das Paradies geöffnet hat und hat den Erzengel oder Cherubim mit dem bloßen hauenden Schwerte davor wegesandt, daß wir frei wieder hinein gehen können; so öffne ich dir, Geist, † der Gott V., † Gott S. und † Gott h. G., daß du von uns scheiden mußt, so wie der Gott Jesus Christus von uns geschieden am Charfreitage und ist zu seinem Vater gegangen und hat euch, höllische Geister, gebunden, dadurch ihr gestürzet seid von Gott dem Herrn. So weichet von uns im Namen Jesu von Nazareth! Amen.
Wo Geld brennet, sind, Erdgeister dabei. Dieselben luttern das Geld (reinigen) des Nachts in freier Luft, damit es nicht
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verschimmele. Obgleich die Erdgeister erstaunlich stark sind, so sind sie doch nicht immer von ganz böser Natur; oft liegt aber beim brennenden Gelde auch ein schwarzer, großer Hund.
26. Eine Braut bei der Trauung unfruchtbar zu machen.
Man suche etwas von den Menses der Braut zu bekommen, z. B. einen Lappen aus ihrem Hemde mit den blutigen Flecken. Dann schaffe man sich ein neues Vorhängeschloß an und stecke den Lappen in das Loch, durch welches der Bügel geht. In demselben Augenblicke, in welchem die Braut mit ihrem Bräutigam bei der Trauung eingesegnet wird, drücke man das Schloß zu und werfe es in den Brunnen, aus dem die jungen Eheleute ihr Kochwasser holen. (m.) Von Zauberworten bei diesem Verfahren konnte Referent nicht vernehmen; sie scheinen dabei ganz zu fehlen.
Zu Gr. Methling ward vor vielen Jahren ein junges Mädchen an einen Hauswirth verheirathet. Sie hatte in ihrem letzten Hemde ein mit Fleiß geschnittenes Loch bemerkt und weigerte sich deshalb wochenlang mit vielen Thränen mit ihrem Manne zu Bett zu gehen. Man säuberte endlich den Brunnen aus und fand in demselben ein neues Vorhängeschloß, in welchem der Lappen von dem Hemde war. Die junge Frau gab sich hierauf ihrem Manne hin und zeugte viele Kinder.
27. Eine Person in sich verliebt zu machen.
Man verschlucke eine kleine Muscatnuß, suche sie nachher im Stuhl gang wieder auf und gebe sie der Person ein, welche man in sich verliebt machen will. (m.)
28. Ein anderes Mittel, die Rose zu stillen.
Man beachte wohl den Gang, den man zum Kranken nimmt; denn auf demselben Wege muß man nach dem Stillen sich wieder entfernen. Man berühre mit drei Fingern den Umkreis der Rose und spreche für sich:
Rose, du sollst nicht weiter,
Du sollst nicht hecken,
Du sollst necken,
Du sollst nicht helligen,
Du sollst nicht schwellen! Im Namen G. d. V. †, d. S. †, und d. h. G. † -
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Während des Stillens hauche man auf die Rose. - Es muß dreimal des Tages gebraucht werden. (m.)
29. Gegen das Verrufen.
Lobt Jemand übermäßig z. B. ein Pferd und fürchtet man, daß es verrufen werde und erkranke, so sage der Knecht oder der Eigenthümer des Thiers, Kindes . im Stillen für sich:
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Plattdeutsche
Von J. Mussäus.
1) D e Giez helpt wol up, äwer he helpt nich dragen: der Geiz hilft wohl auf, aber er hilft nicht tragen, z. B. beim Holzholen, da Jemand größere Stücke nimmt, als er tragen kann, d. h. ein Geizhals übernimmt sich leicht.
2) He wart liederlich up de Tehen gan: er fängt ungemein an auf den Zehen zu gehen, d. h. er wird stolz.
3)He kickt hüt mit 'n fett Mul ut hogen Finstern: er guckt heute mit einem fetten Maul aus hohen Fenstern, d. h. heute thut er mal groß.
4) Van 'n grötern Braden let sick 'n gröter Stück afsnieden: von einem größern Braten läßt sich ein größeres Stück abschneiden, d. h. bei einem größern Ackerwerke ist größerer Vortheil.
5) Katt un Mus gahn beid ehr Nohrung na: Katz und Maus gehen beide ihrer Nahrung nach, d. h. Vornehme und Geringe wollen beide leben.
6) Wat buten wol för Weder is, seggt de Foß un sitt hinner 'n Marlhalm: was draußen wohl für Wetter ist, sagt der Fuchs und sitzt hinter einem Grashalm, d. h. du prahlst mit Kleinigkeiten.
7) Half Busch, half Rock, segt de Scheper un sitt hinner 'n Knüttelsticken: halb Busch, halb Rock, sagt der Schäfer und sitzt hinter einer Stricknadel, d. h. du brüstest dich mit geringen Dingen.
8) Wo Rok is, is ok Für, seggt de Foß un schitt up 't Is: wo Rauch ist, ist auch Feuer, sagt der Fuchs und sch. - - aufs Eis, d. h. du prahlst mit Vorzügen . und es ist nichts dahinter.
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9) Wo de Tun am siedsten is, is am lichtsten äverstiegen: wo der Zaun am niedrigsten ist, ist am leichtesten übersteigen, d. h. geringe Leute sind stets unterdurch.
10) Man kan in 'n Krog oft för 'n Schilling wat to weten kriegen, wat 'n Daler wierth is: man kann in einem Kruge oft für einen Schilling etwas erfahren, was einen Thaler werth ist, d. h. in Gesellschaften lernt man zu.
11) Ick hürt to, wat de Klock slög: ich hörte zu, was die Glocke schlug, d. h. ich war auf meiner Hut.
12) Wer ümmer up sinen Kop besteiht, de kümt am Enn ok up den Kop to stahn: wer immer auf seinen Kopf besteht, der wird am Ende noch auf dem Kopfe stehen, d. h. der Eigensinnige leidet zuletzt Schaden.
13) Wen de Koh hürt, de fat s' an 'n Start: wem die Kuh gehört, der fasse sie an den Schwanz, d. h. der Herr muß im Nothfall seine Sachen zuerst anfassen und das Meiste zu ihrer Rettung thun.
Anmerkung. Das Gleichniß ist von einer Kuh hergenommen, die auf nassen Triften in ein Sumpfloch versunken ist (Riehlock).
14) De Wind weiht wol Barg tohop, äwer ken dick Bük: der Wind weht wohl Berge zusammen, aber keine dicke Bäuche, d. h. ohne Nichts kommt Nichts.
15)Barg un Dal begegnen sick nich, äwer wol Minschenkinner: Berge und Thäler begegnen sich nicht, aber wohl Menschenkinder, d. h. man muß an Vergeltung stets denken.
16) Je dicker Drank, je fetter Swin: je dicker Trank, desto fettere Schweine, d. h. flüssige Speisen geben keine Kräfte.
17) Hojahn Ener gegen 'n Backawen an: gähne Jemand gegen einen Backofen an! d. h. gegen hohe Leute richtest du nichts aus.
18) De Dreck wart Schit, wenn he natt wart: der Dreck wird Sch - -, wenn er naß wird, d. h. wer Pech angreift, besudelt sich.
19) He spreckt so gäl, oder: he führt jümmer mit 'n Meßwagen: er spricht so gelb, fährt immer mit dem Mistwagen, d. h. er führt stets Zoten im Munde.
20) Arm un Been kan man nich an 't Füer leggen, 't möt Holt sin: Arm und Bein kann man nicht ans Feuer legen, es muß Holz sein, d. h. Holzholen ist nicht zu wehren.
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21) He het em god flöht: er hat ihn gut geflöht, d. h. geschlagen.
22) En oll' Klipp un 'n nie Schipp is doch nich vel nütt: eine alte Klippe und ein neues Schiff ist doch nicht viel nütze, d. h. im Heirathen muß das Alter nicht zu ungleich sein.
23) It is nich god, wenn de Minsch to tiedig in 'n Dau geiht; denn het he den ganzen Dag natt Föt: es ist nicht gut, wenn der Mensch zu frühe Morgens in den Thau geht; dann hat er den ganzen Tag nasse Füße, d. h. man muß nicht zu groß anfangen; sonst kommt man nie auf einen grünen Zweig.
24) Wer dat letzt ut de Kann drinken will, den fölt de Deckel up de Snut: wer das letzte aus der Kanne trinken will, dem fällt der Deckel auf die Nase, d. h. man darf nie unmäßig im Genusse sein.
25) 'n grawen Knust is beter as 'n leddig Fust: eine grobe Brotkruste ist besser, als eine leere Faust, d. h Etwas ist besser als Nichts.
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bei Hohen=Vicheln,
von
G. C. F. Lisch.
D ie Lage der ältesten Ortschaften unsers Vaterlandes ist durch das ganze Land mehr besprochen, als irgend eine historische Begebenheit: ein Beweis, daß die Geschichte in der Geographie einen Boden haben will; jeder sucht vor allen Dingen sich den Boden, auf welchem er lebt und wirkt, durch geschichtliche Begebenheiten lebendig zu machen. In dem mittlern und südlichen Theile Europas reden tausendjährige Werke noch vernehmlich zu den Bewohnern der Länder. Anders ist es im Norden Europas; hier ist durch die Vergänglichkeit des angewandten Baumaterials auch die letzte Spur der ältesten Baudenkmale verschwunden: vergebens sucht man in unserm Lande nach Ueberresten von Meklenburg, Werle, Kissin und anderen Oertlichkeiten gleicher Art. Dennoch weiß man im Volke nicht selten genau die Stellen nachzuweisen, an welchen die alten wendischen Burgen und Städte gestanden haben sollen. Man hält diese Kunde nur zu oft für uralte Traditionen; bei genauerer Forschung wird man aber bald finden, daß die scheinbaren Volkssagen aus den Schriften der ältern Geschichtschreiber der letzten Jahrhunderte fließen, welche, bei geringen Mitteln, lieber eher etwas fertig zu haben, als in strenger Forschung der Wahrheit nahe zu kommen strebten.
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Zu diesen viel besprochenen Oertlichkeiten in Meklenburg gehört denn auch die Döpe, ein am nordöstlichsten Ende des großen schweriner Sees gegen Schlagsdorf hin belegener, zu dem Dorfe Hohen=Vicheln gehöriger kleiner See, welcher durch einen Graben mit dem großen See in Verbindung steht. Ueber diesen See geht die weitverbreitete Sage:
der Sachsenherzog Heinrich der Löwe habe bei Gelegenheit der Stiftung des Bisthums Schwerin (1171) in dem Wendenlande die heidnischen Bewohner desselben auf eine gewaltsame Weise zum Christenthume bekehrt, indem er sie schaarenweise bei Vicheln in einen Theil des schweriner Sees habe treiben und also taufen lassen; die Stelle, wo dieses geschehen sei, führe daher bis auf den heutigen Tag den Namen: Taufe (Döpe).
Diese nicht allein in Hohen=Vicheln, sondern auch weiter verbreitete Sage, welche an sich nichts Unwahrscheinliches hat, erhielt auf auffallende Weise scheinbar Bestätigung durch einen, aus der ältesten Zeit des Christenthums in Meklenburg stammenden, großen, granitenen Taufstein, welcher am Ende des vorigen Jahrhunderts aus der Tiefe der "Döpe" ans Tageslicht gebracht und späterhin zur Landes=Universität versetzt ward. Nach einer vichelnschen Sage sollen die Wenden in diesem Taufstein getauft worden sein; späterhin sollen sie aus rachsüchtiger Hartnäckigkeit den Stein in den See gestürzt haben, wo er bis auf die neuern Zeiten gelegen hat 1 ).
Ohne der urkundlichen Geschichte vorzugreifen, sei hier im voraus bemerkt, wie sich in ganz neuen Zeiten durch die Auffindung des Steins die Sage von der Weise der Taufe nach dem Taufsteine accommodirt zu haben scheint: früher sollen die Wenden zur Taufe in den See getrieben, seit der Entdeckung des Taufsteins aber in demselben getauft sein.
Die Sage ist in den neuesten Zeiten durch v. Lützow 2 ) bestritten, indem er sagt, daß sie "sehr wenig glaubwürdig erscheine", ohne daß er jedoch Beweise gegen die Glaubwürdigkeit derselben beibringt, auch die Existenz des Taufsteins nicht gekannt zu haben scheint.
Für die Gültigkeit der Sage von der Wendentaufe scheint aber ihr Alter zu sprechen. Schon Hederich 3 ) sagt (im J. 1603):
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"Zu dieses Bischoffes (Berno) Zeiten hat vorgemelter Hertzogk Heinrich, mit dem Zunahmen Leo oder Lew, die Wenden hart bekrieget und mit Gewalt zum Christenglauben bezwungen, und wie man davon sagen will, die ungläubigen oder die vnchristen bey Tausendt in die Schwerinsche See nicht weit von Vicheln treiben und alda vom Bischof Berno tauffen laßen, davon der ordt den nahmen behalten und noch heutigen tages die Töpe genent wird".
Eben so sagt Latomus 1 ):
"Auch ist die gemeine Sage, das der Hertzog umb diese Zeit viel Vnchristen oder Schlawen bey tausend in die Schwerinsche See, nicht weit von Fichel, treiben vnd alda vom Bischoff Bernone tauffen lassen, dauon der orth den Nahmen bekommen vnd bis annoch behalten hat, das er die Töpe genandt wirt. (Hederic. Chron. Swerin. ex Cranetzio.)"
Diese glaubwürdigen Zeugen aus dem Anfange der neuern Geschichte Meklenburgs scheinen allerdings für ein hohes Alter der Sage zu sprechen. Dasselbe ward noch durch die Entdeckung einer Urkunde 2 ) vom J. 1462 im Großherzoglichen Archive bestätigt 3 ), welche das Wasser "jeghen Vichel - "de dope" klar und ausdrücklich nennt; zur weitern Bestätigung steht auf der Rückseite der Urkunde noch die gleichzeitige Registratur:
"Itz de dobe by Vichell".
Selten ist eine Sage fast vier Jahrhunderte hindurch so kräftig unterstützt, als die von der Döpe. Mehrere neuere gleichzeitige Entdeckungen machen die Sache aber sehr verdächtig, wenn sie dieselbe nicht ganz umstoßen.
Die angeführten Nachrichten sind fast die einzigen, welche bekannt sind: sie sprechen für die Sage. Zahlreicher sind die Zeugnisse gegen dieselbe; leider sind sie bisher unbekannt geblieben.
Der niederdeutsche Name Döpe, welcher hochdeutsch Taufe lauten würde (wie Raufe = Röpe), kommt nämlich nur vor in der angeführten Urkunde vom J. 1462 in der Form dope und in Archivacten und Chroniken aus dem Ende des 16. und dem Anfange des 17. Jahrhunderts in der Form
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döpe; im Anfange des 17. Jahrhunderts erlauben sich auch die hochdeutschen Schreiber von Zeugenverhören, das Wort Döpe in Taufe zu verhochdeutschen. Dies sind alle Zeugnisse für die döpe oder Heidentaufe.
In den Kammer=Acten und Contracten über dieses Gewässer aus dem 18. und 19. Jahrhundert wird dasselbe aber häufig und beständig nur die Döwe genannt; auch Franck 1 ) bemerkt, daß zu seiner Zeit (1753) das Wasser Düve heiße; eben so kennen die Bewohner des Dorfes Vicheln, nach angestellten Forschungen an Ort und Stelle, das Gewässer nur unter dem Namen: "Döwe" oder "Düwe". Diese Form des Namens ist denn auch nach den folgenden Untersuchungen der richtige; ist dies aber der Fall, so ist es ein Mißgriff, daß man denselben (Düwe oder Döwe) durch Taufe interpretirt, da er vielmehr eher durch Taube (plattdeutsch: Duwe) übersetzt werden müßte, da Taufe plattdeutsch: Döpe heißt.
Im Anfange des Jahres 1837 hatte ich das Glück im Großherzogl. Archive mehrere, bisher noch unbekannte Original=Documente zu entdecken, welche mit der oft angeführten Urkunde von 1462 in Verbindung stehen und die ganze Sache in ein anderes Licht setzen, indem die Geschichte dieser Gewässer viel weiter in der Zeit hinaufgeführt werden kann. Diese Geschichte möge hier Raum finden.
Am 26. Januar 1462 verpfändete der Herzog Heinrich von Meklenburg für 100 Mark guter Pfennige an den schwerinschen Domherrn Johann Sperling und seinen Bruder Curd Sperling
dat watere, dat belegen is jeghen Vichel in deme lande to Tzilesen, mit vthflote vnd inflote vnd mit aller herlicheyd vnd nuth, vthgenomet de dope" 2 ).
Das Land Zilesen oder Zellesen umfaßte das östliche Ufer des schweriner Sees, sicher von Pinnow bis Rubow; durch die Bezeichnung, daß die dope bei Vicheln liege, wird es außer Zweifel gesetzt, daß das in Frage stehende Gewässer gemeint sei. Die von Sperling waren vom Mittelalter an bis in das 18. Jahrhundert Besitzer der Güter Schlagsdorf, Rubow, Keetz u. s. w., welche alle um das fragliche Gewässer liegen. Die beiden hier genannten Brüder Johann und Curt
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Sperling lebten noch im J. 1476; im J. 1462 wohnte Curt Sperling auf Keetz und Johann Sperling auf Schlagsdorf, als ihnen Herzog Heinrich die Bede von Zickhusen verpfändete, und im J. 1476 wohnte Curt Sperling auf Schlagsdorf 1 ). Durch diese genealogischen Nachrichten wird die Lage des Gewässers außer allen Zweifel gesetzt.
Aber schon früher war dieses Wasser im Gebrauche derselben Familie. Am 1. Januar 1408 verpfändete nämlich der Herzog Johann den See für 50 lüb. Mark an den ältern Claus Sperling, welcher noch von 1421 bis 1437 Besitzer von Schlagsdorf war. In dieser Urkunde 2 ) heißt der See aber zwei Male der
Durch diese wiederholte Benennung wird der neuere von den Historikern gemachte Name Döpe schon bedeutend in Zweifel gestellt; man wird versucht den Namen für einen alten Ortsnamen zu halten:
Die Entdeckung einer dritten Urkunde 3 ) bestätigt diese Meinung völlig, und zwar um so mehr, da die Urkunde noch lateinisch abgefaßt ist: lateinische Urkunden pflegen Oertlichkeiten häufig klarer zu bezeichnen, weil in ihnen die deutschen Endungen noch nichts verdunkeln. Es war schon im Jahre 1356, als der Graf Otto von Schwerin und Teklenburg seinen Vasallen Henning Knop und Johann Berchteheilen für den verstorbenen Gerhard Holstein für 24 Mark 3 Schill. lüb. Pfennige seinen kleinen 4 ) See bei Döben verpfändete:
das o ist, wie oft in meklenburgischen und pommerschen Urkunden, mit dem dänischen ø geschrieben, welches ein ö bezeichnet. Die beiden Vasallen kommen in der Mitte des 14. Jahrh. öfter vor: Johann Berchteheile 1352 - 1366 [im J.1371 war er schon gestorben 5 )] und Johann Knop 1356-1371.
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Beide waren Vasallen der Grafen von Schwerin gewesen und hatten von denselben in der Nähe von Schwerin mehrere Pfandgüter; so verpfändete ihnen zusammen im J. 1356 der Graf Otto auch die Bede aus Meteln, Kl. Stück, Wüstemark (prope mericam sita), Mirow und Pampow, und dem Henning Knop allein die Bede aus Warnitz, Lankow, Kl. Medewege, Kl. Trebbow, Gr. Stück und Wüstemark; im J. 1371 verpfändete Herzog Albrecht von Meklenburg an Johann Knop und Berchteheilens Kinder die Bede aus Driberg. Daß beide auch mit Gütern in der Grafschaft in der Nähe von Schwerin ansässig waren, ist höchst wahrscheinlich. Am 13. Dec. 1373 kommt ein Henning Knop vor. Im J. 1391 wohnte " Hinrik Knop to Exen, Clawes Knop to Brüsewiz, Clawes Knop to Stuke"; vgl. Ungnaden Amoen. S. 369.
Durch diese Darstellungen kommt man nun nothwendig zu dem Schlusse, daß Döwe eine plattdeutsche Form von Döbe oder Dobe ist (wie: Stube = Stuw, Rübe = Röw) und die Döwe ihren Namen von einer Ortschaft hat, welche noch im J. 1356 existirte und den Namen Döben führte, wie damals der See: der See bei Döben hieß. Auch hier bestätigt es sich, wie so häufig, daß die Seen den Namen von alten Ortschaften tragen.
Dieses Resultat wird denn auf das kräftigste unterstützt durch die unvermuthete Entdeckung einer alten wismarschen Chronik über die Fehden der Vormundschaft der Söhne Heinrichs des Pilgers (durch den Herrn Dr. Burmeister zu Wismar 1 ), in welcher zu dem Jahre 1278 gesagt wird:
die Herren von Werle und der Graf von Schwerin seien mit dem Markgrafen Otto von Brandenburg in das Land Meklenburg gezogen, hätten dort die Burg Dobe aufgebauet und von dort aus das Land bis Wismar mit Raub und Brand verheert.
Die Chronik redet hierüber also:
Post haec sequenti anno de eadem seris (?) scilicet Sternenberg et Gadebuz venerun prae-
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dicti domini de Werle et comes de Zwerin et posuerunt se ante civitatem Wismariae VI. sep timanis et hostiliter devastaverunt terram do minorum nostrorum cum adjutorio illuslris prin cipis Ottonis marchionis de Brandeburg, et edi ficaverunt castrum Dobe potenter et de eodem castro combusserunt terram et spoliave runt eam. Post haec saepe dicti domini ex Godebuz intrauerunt terram dominorum nostro rum et combusserunt eam sabbato ante festum beati Galli videlicet anno domini MCCLXXVIII.
Aus diesen urkundlichen Angaben erhellt denn wohl un umstößlich Folgendes:
Im J. 1278 stand die Burg Dobe, welche damals noch geräumig war und fest ausgebauet ward; im J. 1356 existirte noch der Ort Döben und neben ihm lag ein kleiner See, welcher noch im J. 1408 der Důuber=See genannt ward; im J. 1462 hieß dieser See Döbe oder Döpe; dieser Name erhielt sich im 16. Jahrhundert, ward im 17. Jahrhundert auch wohl in Taufe übersetzt, obgleich im Munde des Volkes und in Acten der zwei letzten Jahrhunderte der alte Name Döwe oder Düwe herrschend blieb.
Spuren von dieser alten Burg waren noch in jüngern Zeiten sichtbar. In Zeugenverhören aus den Jahren 1616 bis 1621 wird einstimmig ausgesagt, an der Döpe und dem Verbindungs=Kanal zwischen der Döpe und dem großen Schweriner See, der Döper=Furth, liege ein
"Stück Ackers, der Wall genannt";
und in Acten aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts kommt der "Wallberg" an der Döpe bei Vicheln öfter vor. Nach Untersuchungen an Ort und Stelle werden von den Bewohnern des Dorfes Hohen=Vicheln zwei Hügel an der Döper=Furth auf der Landenge zwischen dem großen Schweriner See und der Döwe noch heute die "Wallberge" genannt; sie liegen jenseit an der Döper=Furth, dicht an derselben, und gehören jetzt zu dem ritterschaftlichen Gute Flessenow.
Die Sage von der gewaltsamen Wendentaufe mag immerhin ihren Grund haben, aber der Name des See Döwe ist durchaus kein Beweis dafür, sondern beweiset nur die ehemalige Existenz der historischen Burg Doben; auch der gefundene Taufstein kann die Sage nicht mehr unter=
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stützen, da derselbe höchst wahrscheinlich in die Burgkapelle gehört hat 1 ); dergleichen Taufsteine kommen öfter in Meklenburg vor, sind aber wohl überall außer Gebrauch gesetzt, indem sie gewöhnlich an den Kirchenmauern und auf den Kirchhöfen liegen. - Möglich ist es jedoch immer, daß diese alte Burg in den frühesten Zeiten ein Bollwerk des Christenthums war.
Ist nun durch historische Kritik eine scheinbar alte Sage in ihren Fundamenten zerstört, so ist doch die Sage nicht ganz ohne Nutzen gewesen, vielmehr ist es möglich, daß sie zu noch interessanteren Resultaten führt, als es die gewaltsame Heidenbekehrung ist, von der die Annalen ohnehin überfüllt sind.
Die Burg Döben war ohne Zweifel, nach den beigebrachten Zeugnissen, ein altes und wichtiges Schloß. Ich trage daher kein Bedenken, sie für die berühmte, alte, wendische Veste Dobin auszugeben. Der Name Döben und Dobin ist grammatisch derselbe; es ist bekannt, daß im Mittelalter ein - i -, welches eine vorhergehende Sylbe berührte, dieser den Umlaut gab, während sich das - i - in - e - abstumpfte: aus Dobin mußte Döben werden, und dieses wiederum ward sprachrichtig niederdeutsch in Döwen, Döwe verwandelt 2 ); das - n fiel fort, seit der Burg=Name zum See=Namen ward.
Aber auch die Lage stimmt mit den alten urkundlichen Angaben völlig überein. Die Burg Dobin kommt in den letzten Zeiten der Geschichte des Wendenvolks häufig vor. Als im J. 1147 der Ruf des Bernhard von Clairvaur Tausende von Kämpfern unter die Kreuzesfahne gesammelt hatte, wandte sich auch ein großes Heer nach Norddeutschland in die Wendenländer zur Bekehrung der Völker, deren Schutz und Schirm der gewaltige Niklot war. Dieser errichtete nun die Veste Dubin 3 ) zum Zufluchtsort der Seinen in der Gefahr; sie muß also groß und stark gewesen sein, wie es auch noch im
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J. 1278 der Fall gewesen zu sein scheint. Helmold sagt darüber 1 ):
"Audiens ergo Niclotus quia congregandus esset in brevi exercitus ad destruendum eum, con vocavit universam gentem suam et coepit aedificare castrum Dubin, ut esset po pulo refugium in tempore necessitatis".
Im Frühling des Jahres 1148 rückte das Kreuzheer in zwei Zügen in das Wendenland; der eine Zug rückte gegen Dubin, der andere gegen Demin 2 ):
"partito exercitu duas munition es obsede runt, Dubin et Dimin, et fecerunt contra eas machinas multas. Venit quoque Danorum exercitus et additus est his, qui obsederant Dubin, et crevit obsidio. Una ergo dierum, considerantes ii, qui tenebantur inclusi, quia Danorum exercitus segnius ageret, facta subita eruptione percusserunt ex eis multos; quibus etiam subveniri non poterat propter inter jacens stagnum 3 ). - - Ad ultimum, nostris jam pertaesis, conventio talis facta est, ut Slavi fidem Christianam reciperent; - multi ergo eorum falso baptizati sunt" 4 ).
Aus diesem Kreuzzuge entwickelten sich die verheerenden Eroberungszüge des Sachsenherzogs Heinrich des Löwen. Als Niclot
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im J. 1160 sah, daß er gegen einen so mächtigen Gegner allein nicht werde Stand halten können, nahm er zu dem Mittel seine Zuflucht, welches die Slaven öfter versucht haben: er steckte seine Burgen Jlow, Meklenburg, Schwerin und Dobin in Brand 1 ):
"videns virtutem ducis succendit omnia castra sua, videlicet Ilowe, Mikilinburg, Zuerin et Dobin, praecavens obsidionis periculum",
warf sich in das weite Feld und fand bald den Heldentod 2 ).
Aber so wenig in den nächsten und den spätern Zeiten die drei erstgenannten Burgen spurlos verschwanden, eben so wenig ist es mit Dobin der Fall, vielmehr wird derselben bei der Befestigung des Christenthums öfter gedacht.
Es giebt noch ein Dobin bei Krakow und ein Dobin bei Dobbertin; bald hat man dieses, bald jenes für die alte Burg Dobin halten wollen 3 ), je nachdem aufgefundene Alterthümer, oder die Lage, oder Liebhabereien der nahe Wohnenden dafür das Wort zu führen schienen. Erst in neuern Zeiten hat Rudloff 4 ) annäherungsweise die Lage der alten Burg Dobin am schweriner See entdeckt, welche in den Stiftungs= und Bestätigungs=Urkunden des Bisthums Schwerin deutlich genug angegeben ist. Diese Urkunden sind häufig genug gedruckt, zuletzt alle hinter einander in Franks A. und N. Mecklenburg. Diese Urkunden nennen die Burg unter den Gütern, welche dem Bischofe von Schwerin am großen schweriner See verliehen wurden, bei Gelegenheit der Schenkung zweier Inseln im schweriner See, nämlich der Insel bei Schwerin (jetzt: Werder, genannt) und einer Insel Lipz, welche der Burg Dobin gegenüber lag:
a) die Stiftungsurkunde des Bisthums Schwerin vom Herzog Heinrich dem Löwen vom J. 1171 5 ) nennt:
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"insulam Zwerin adiacentem et aliam insulam prope Dobin, quae Lipitz dicitur";
b) die schweriner Confirmations=Urkunde des Papstes Urban III. vom J. 1185 1 ) nennt
"insulam, quae dicitur Lypitz";
c) die Confirmations=Urkunde des Papstes Cölestin vom J. 1191 2 ) nennt
"insulam Zwerin adjacentem - et aliam in sulam prope Dobin, quae Libitz dicitur";
d) die Confirmations=Urkunde des Kaisers Otto IV. vom J. 1211 3 ) nennt
"insulam Zwerin adjacentem - et aliam in sulam prope Dobin, quae Liptze dicitur".
Die Insel Lieps im schweriner See führt noch heute diesen Namen und liegt im nördlichsten Theile desselben zwischen den Gütern Gallentin am westlichen und Schlagsdorf (oder Flessenow) am östlichen Ufer, grade der Stelle der alten Burg Dobin oder der Döwe gegenüber. An welchem Ufer der Lieps gegenüber Dobin gelegen habe, wird in den Urkunden nicht gesagt; v. Lützow 4 ) nimmt an, sie habe am westlichen Ufer des Sees (ungefähr bei Gallentin) gelegen; hiefür redet aber kein Grund, keine Urkunde, keine Sage, kein Alterthum. Man hat völlige Freiheit, und ist nach der Geschichte genöthigt, sie an das gegenüberliegende östliche Ufer, an die Döwe, zu verlegen, um so mehr, da in den angeführten Fundations= und Confirmations=Urkunden unmittelbar vorher mehrere Güter, Rampe und Liessow, am östlichen Ufer aufgeführt werden und die alten Urkunden es mit der geographischen Aufzählung der Ortschaften es gewöhnlich sehr genau nehmen. Hier, an der sogenannten Döpe, d. h. der Döwe, dem See von Döben, lag also die viel besprochene Veste Dubin oder Dobin, deren Wälle auf der Landenge zwischen dem großen See und der Döpe noch jetzt weithin über den Spiegel des Sees sichtbar sind. Von Vicheln aus gesehen liegen diese Wallhöhen auch der Insel Lieps gegenüber; es kommt hier nur darauf an, welchen Standpunct man nimmt: vorgeschrieben ist er nirgends.
Diese Annahme von der Lage der Burg Dobin hat um so weniger Bedenklichkeiten, da diese noch im J. 1211 nach der
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Confirmations=Urkunde des Kaisers Otto stand und schon im J. 1278 nach der Wismarschen Chronik als Hauptveste wieder ausgebaut ward.
Die Lage von Dobin als Hauptveste scheint geographisch und strategisch mit tiefer Einsicht gewählt zu sein. Das Land Meklenburg wird in der Mitte durch den langen schweriner See, der von Norden nach Süden liegt, gewissermaßen getheilt; sicher wird der Durchgang durch die Mitte des Landes von Westen gegen Osten hin durch diesen See bedeutend erschwert. Von dem Südufer des Sees bis zur märkischen Grenze lagen ungeheure Waldungen, Sümpfe und Moore, östlich von dem Flußbette der Stör, von denen die größte Bruchholzung Meklenburgs, die Lewitz, noch heute ein merkwürdiger Ueberrest ist. Von Vicheln bis Ludwigslust ist kaum ein anderer Durchgang von Osten nach Westen zu finden, als bei Schwerin oder den südlich nahe gelegenen Dörfern Plate und Bantschow, welche in alter Zeit, wie heute, Pässe waren. Der Hauptdurchgang gegen Osten hin war in ältern Zeiten sicher in dem schmalen Landstriche zwischen dem Nordende des schweriner Sees und dem wismarschen Meerbusen. Von hier gegen Osten und Westen hin öffnet sich ein fester, fruchtbarer Boden. Daher lag, hier, nahe bei Wismar, die alte Stadt Meklenburg, und nicht ferne davon die Veste Dobin, ungefähr zwei Stunden von Wismar. Daß die Veste hier und nicht nördlicher angelegt ward, geschah ohne Zweifel, um nicht von der Landseite her gegen den Meeresstrand gedrängt und von diesem her angegriffen zu werden; die Lage von Dobin aber war an der großen Pforte des Durchganges, an einem großen Landsee, welcher Verbindung gegen den Süden eröffnete, nahe genug dem Meere und im Angesicht des weiten, fruchtbaren Landes im Osten, welches Hülfe und Zuflucht auf manche Weise bot, sicher eben so vortheilhaft, als die Lage der ähnlich situirten Insel=Veste Schwerin.
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des
herzoglich=meklenburgischen Secretairs
Simon Leupold
von
G. C. F. Lisch.
E s ist sehr natürlich, daß die Geschichte der Staaten, namentlich die der ältern Zeiten, sich um die Lebensumstände weniger Männer dreht, da die Urkunden, welche uns aus ältern Zeiten aufbewahrt sind, am häufigsten nur einzelne Handlungen solcher Männer bewahrheiten; eben so natürlich ist es, daß in monarchischen Staaten diese Männer vorzugsweise die Regenten des Landes sind: Monarchien werden viel Regentengeschichte haben. Die Klage mancher Geschichtsfreunde, daß man ihnen zu viel Regentengeschichte biete, ist nicht selten ungerecht, da theils die Handlungen der Regenten am häufigsten Handlungen für das Land sind und man für den Namen des Regenten nur den Namen des Vaterlandes zu substituiren braucht, theils die Begebenheiten aus der Lage der jedesmaligen allgemeinen Zustände und durch eine Vereinigung vieler einzelner Umstände hervorgehen, welche die Handlungen des Fürsten in einen Punct zusammenfassen. Dennoch steht der Regent selten allein; von nahe oder ferne umringen ihn Männer, welche mit ihm die jedesmaligen Zustände vermitteln und als Beobachter, Berichterstatter und Rathgeber oder als Werkzeuge seines Willens oder der Landes=Institutionen auf ihn oder die Zustände häufig den wichtigsten Einfluß ausüben und die Geschichte der Zeit oft in dem klarsten Lichte erkennen lassen. Ganz ungegründet ist daher die angeführte Klage der Geschichtsfreunde nicht, indem es überall noch an Biographien der Männer fehlt, welche den Fürsten und dem Volke rathend und leitend zur Seite standen.
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Einer der wichtigsten und folgenreichsten Zeiträume in der meklenburgischen Geschichte ist der Zeitraum um die Mitte des 16. Jahrhunderts, welcher eine möglichst vollständige Erschöpfung im hohen Grade wünschenswerth macht: es ist die zweite Hälfte der Regierung des Herzogs Heinrich des Friedfertigen und die erste Hälfte der Regierung des Herzogs Johann Albrecht I., die Zeit um das Jahr 1550. Schon im ersten Jahrgange dieser Jahrbücher S. 33 und 58 ist auf zwei hervorstechende Männer dieser Zeit hingewiesen, auf Johann von Lucka und Friederich von Spedt, von denen jener in Befriedigung der wichtigsten Staatsbedürfnisse, dieser in Beobachtung und Leitung der politischen Verhältnisse dieser Zeit in hohem Grade thätig war. Gegenwärtige Abhandlung wird sich mit einem Manne beschäftigen, dessen Lebenskraft vorzüglich der besondern Ausführung und Verwirklichung der dringendsten Bedürfnisse der Zeit und des Landes geweiht war; es ist der Magister Simon Leupold 1 ).
Simon Leupold ist einer der ersten Gelehrten, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von der blühenden Universität Wittenberg an den Hof unserer Fürsten gerufen wurden, dort den edlern Geist der damaligen Zeit in die Staatsregierung verwebten und die neu entstandene gelehrte Richtung auch auf die Höfe und die Staatsgeschäfte in der Ausführung übertrugen, während die übrigen Gelehrten mehr in Kirche und Schule wirkten. Vertraut mit den größten Geistern der damaligen Zeit, namentlich mit Philipp Melanthon, konnte er bei seiner Stellung zum Hofe ungemein viel zur Veredelung der neuen Zustände wirken. Er war unter den Herzogen Heinrich und Johann Albrecht vom J. 1539 bis ungefähr 1572, also wenigstens 30 Jahre ununterbrochen in Staatsgeschäften thätig.
Seine Wirksamkeit in Meklenburg läßt sich füglich in drei ganz verschiedene Perioden bringen. In die erste Periode fällt seine mehr literarische und kirchliche Wirksamkeit, bis zum Tode des Herzogs Heinrich. Aus diesem Standpuncte verdrängte ihn beim Herzoge Johann Albrecht factisch dessen Freund, Andreas Mylius, und Simon Leupold übernahm vorzüglich Gesandschaftsgeschäfte in der zweiten Periode, der seiner politischen Thätigkeit. Dringende Staatsbedürfnisse versetzten ihn endlich in einen administrativen Wirkungskreis, in welchem sich der letzte Theil seines Lebens bewegt und der ihn geistig aufreibt.
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Simon Leupold (Pretinensis)war im J. 1517 zu Prettin an der Elbe in Sachsen geboren. Er hatte dort unter den Mitgliedern des Rathes und der Geistlichkeit viele Verwandte und Freunde. Sein Bruder Matthias Leupold, sicher von 1532 bis 1542 mit der Tochter Urbans Schäfer verheirathet, war Rathsherr in Prettin; derselbe war bald nach 1542 gestorben und seine in Prettin wohnende Familie starb 1552 an einer epidemischen Krankheit. Eine Schwester Scholastica Leupolds war an einen Velten Achsen zu Nauendorf verheirathet gewesen und im J. 1567 Wittwe; eine andere Schwester war im J. 1564 an den Bürger Wolf Heidemann zu Halle verheirathet, deren Sohn Jost 1561 bei dem Secretair Joachim Pesse und darauf bei Simon Leupold in Güstrow war; andere Schwäger von ihm waren im J. 1564 Mag. Sebastian Matthäi und der Bäcker und Rathmann Martin Richter zu Prettin. Im J. 1553 lebte zu Prettin noch sein Vetter Joseph Leupold, Bürger, und dessen Bruder Simon Leupold, wahrscheinlich Simon Leupold der jüngere (vgl. am Schlusse), und Schwester Gertraud; Joseph lebte noch 1564. Durch Eheverbindungen verwandt waren den Leupold noch: Johann Winkler, ebenfalls im Rath zu Prettin, der Pastor Ambrosius Melophilax (Schäfer) und dessen Sohn, der jüngere David Schäfer 1 ), u. A. Alle Patricier seiner Vaterstadt bewunderten nach seiner Anstellung in Meklenburg in ihm einen hoch gestellten, viel vermögenden Mann und thaten sich viel auf ihn zu gute.
Den ersten Unterricht erhielt Simon Leupold wahrscheinlich in Prettin; im J. 1535 führte mit ihm nach Wittenberg einen lateinischen wissenschaftlichen Briefwechsel der Lehrer an der Prettiner Schule Mag. Joachimus (Refelt) aus Ruppin (Ruppinensis), welcher, mit der Miene ein eines ehemaligen Lehrers, seine lateinischen Poesien lobte. Die Vollendung seiner Schulbildung empfing er aber auf der Schule zu Torgau, wo er sich im J.1530 aufhielt, als seine Vaterstadt abbrannte. Im J. 1531 bezog er die Universität Wittenberg; hier lebte er im J. 1532 "auf "dem Collegio beim Magister Ambrosius Scala" und darauf, schon im Herbste 1532, beim Mag. Wendellinus. Nach allen Zeichen war er ein eifriger Schüler Melan=
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thons und mit demselben vertraut. Am 8. Januar 1534 ward er baccalaureus utriusque juris, über welche Feierlichkeit noch die an ihn gestellten Fragen vorhanden sind. Seine Magister=Promotion, zu welcher er auch seine Freunde und Gönner aus Prettin einlud, war auf den 29. August 1536 angesetzt, und bald darauf erscheint er wirklich als magister liberalium artium. Nach Erlangung dieser Würde setzte er seine wissenschaftlichen Bemühungen zu Wittenberg fort, da ihm am 10. Nov. 1539 bezeugt wird, daß er sich länger als 8 Jahre auf der Universität Wittenberg aufgehalten habe. Sein Trieb nach Erwerbung gründlicher Gelehrsamkeit muß groß gewesen sein, da ihm Sonnabend nach circumcis. 1539 der Dr. Wolfgang Reißenpusch, Präceptor zu Lichtenberg, auf Verwendung Luthers, Bücher aus der kurfürstlichen Bibliothek (der "Liberei zu Lichtenberg") zur Förderung seines Studiums anbietet. In den Jahren seines freien Magisterlebens ertheilte er Unterricht, studirte fleißig und hatte viel Umgang und Briefwechsel mit gelehrten Männern, an denen es damals in der Nähe und Ferne nicht fehlte. In Wittenberg knüpfte er als Magister im J. 1536 natürlich manche Bekanntschaften an, z. B. mit dem Mag. Antonius Rugerus; vorzüglich aber pflog er Freundschaft mit dem Mag. Georgius Amilius aus Mansfeld (Mansfeldensis), von welchem noch mehrere in Wittenberg an Leupold geschriebene lateinische Billete vom J. 1536 vorhanden sind. Beide lebten in vertrautem wissenschaftlichen und häuslichen Verkehr mit einander 1 ).
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Amilius blieb noch freundschaftlichem Briefwechsel mit S. Leupold, als dieser schon in meklenburgischen Diensten stand 1 ).
Einer der vertrautesten Freunde S. Leupolds war der Arzt M. Jacobus Kolschius oder Koltschius 2 ) (Jacob Kolsch, auch bloß Magister Jacobus), welcher des Herzogs Heinrich Leibarzt war und damals besonders die Aufsicht über den blödsinnigen Herzog Philipp zum Gegenstand seiner Sorge hatte, wie er sich auch selbst "Hertzog Philips Zuchtmeyster" nennt. Dieser war auch die Veranlassung zu allen wichtigen Schritten, welche Leupold nach und nach in Meklenburg that. An Koltsch, der sich damals verheirathet zu Wittenberg aufhielt und auch in Prettin bekannt war, wandte sich Henneke Holstein 3 ) auf Ankershagen (Speck und Wickenwerder), als er einen Erzieher und Lehrer für seine zwei Knaben suchte und zugleich einen Schreiber für sich in derselben Person. Koltsch empfahl ihm am 25. Jan. 1538 "einen frommen Mann,
"welcher, über daß er gelernt und gütig, und mit Kindern wohl umzugehen wisse, auch ein hübscher Schreiber sei; dieser sei wohl gesinnt, ihm zu dienen, in der Aussicht, daß er mit den Kindern bald wieder nach Wittenberg zurückkehren könne, da er dort zwei Edelknaben habe, die er nicht gerne lange lassen wolle. Wäre es nicht beschwerlich, so wolle er diese mitbringen, daß sie eine Zeit lang bei Holstens Kindern blieben und in der Folge sämmtlich nach Wittenberg geschickt würden". Koltsch verabredete mit diesem Magister einen Sold von jährlich 30 Gulden und einem Kleide, nebst freier Kost, was Henneke Holstein etwas zu viel däuchte. - Dieses Verhältniß kam zu Stande: im Februar 1538 schickte H. Holstein nach Wittenberg, um den Magister zu holen 4 ), und am 26.
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Febr. fuhr S. Leupold von Wittenberg ab 1 ); am 25. April 1538 schreibt Koltsch schon aus Wittenberg an Leupold nach Ankershagen 2 ). Koltsch hatte Leupolds beide Zöglinge zu Unterricht und Beköstigung bei sich behalten, weil verabredet war, daß Leupold bald mit Holsteins Söhnen nach Wittenberg zurückkehren sollte. Aber Koltsch konnte in Wittenberg Niemand finden, der "Kostgänger" nehmen wollte, denn dort sei "des Volks zu viel", daß man übel solche Gelegenheit bekommen" könne. Koltsch drang demnach am 23. Mai 1538 darauf, daß der Magister heimkehre, wegen dessen dringender Geschäfte und weil er selbst nach Meklenburg zurückkehren müsse. Aber die Sache zog sich in die Länge. Einer von Leupold's Zöglingen war Hans von Eisenberg, welchen Leupold krank in Wittenberg zurückließ; bald hatte ihn jedoch Koltsch hergestellt und sandte ihn seinem Lehrer nach Ankershagen nach, wo er und Jacob Holsten als Leupolds Schüler mit lateinischen Arbeiten auftreten; H. Holstein wollte Anfangs Leupolds Schüler nicht mit aufnehmen.
In Ankershagen ging es ihm aber schlecht: er konnte kein Geld erhalten und der Umgang war so traurig 4 ), daß er ihn
3) Im Anfange gefiel er sich zu Ankershagen sehr
gut, indem er an M. Wendelinus
schreibt:
"Ego quidem diuina
beniguitate optime valeo. "Etsi hic sum in
loco amoenissimo, ubi est saluber aer maximaque
copia potus cibique lautissimi", verum
omnia multo iucundiora mihi esse viderentur, si
mihi tua humanitate converre colloquia interdum
pro more daretur". [Fußnote wurde im Text
nicht angegeben]
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bis zur Krankheit niederdrückte; Henneke Holstein wollte ihn nicht fahren lassen und davon gehen konnte er nicht, da er seinen mitgebrachten Zögling nicht im Stiche lassen durfte. Aus dieser Lage erwuchs ihm aber großer Gewinn: es befestigte sich die innige Freundschaft mit Koltsch 1 ) immer mehr, der am Hofe und an der Tafel der Fürsten Heinrich und Magnus lebte und ihm den Weg in die Dienste der Fürsten bahnte.
Endlich ward ihm die Lage zu drückend und er wandte sich am 29. März 1539 mit flehentlichen Bitten 2 ) an seinen Freund, der vom Herzoge Heinrich am 31. März einen Befehl an H. Holstein auswirkte, den Simon Leupold alsbald zu Hofe zu schicken, weil der Fürst mit ihm wichtige Sachen zu reden habe. Am 9. April war S. Leupold in Güstrow beim Herzoge und gründete hier sein Glück. Dennoch fand er bei H. Holstein noch immer Schwierigkeiten loszukommen, so sehr auch Koltsch zürnte 3 ), und obgleich Leupolds Eintritt in fürstliche Dienste schon fest bestimmt war. Der Fürst mußte sich selbst ins Mittel legen und schrieb am 13. Mai 1539 an H. Holstein und S. Leupold und forderte von dem erstern bestimmt seines Dieners Entlassung 4 ) nach Wittenberg, welchen Ort
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Leupold noch immer als seinen Wohnort betrachtete. Endlich stellten H. Holstein und Kersten Rohr zu Kl. Vielen ihm am 13. August einen Paß für ihn und zwei Knaben nach Wittenberg und Leipzig aus.
Zu gleicher Zeit schrieb H. Holstein an Johann von Asseburg auf Asseburg, Falkenstein und Ampfern, den Vormund des Hans von Eisenberg, daß er seinen Mündel und dessen Lehrer bis dahin gern bei sich aufgenommen habe. Diesen Johann von Eisenberg wünschte Koltsch an den Hof des Herzogs Magnus zu haben, bei welchem er ihn sehr empfohlen hatte; trotz aller seiner Bemühungen hatte er es jedoch im Anfange des J. 1540 noch nicht erreicht 1 ).
Als der Abgang S. Leupolds von Ankershagen bestimmt war, wandte sich H. Holstein wegen eines andern Erziehers an Melanthon; den Brief concipirte S. Leupold. Hierauf empfahl ihm Melanthon 2 ) am 17. Julii 1539 den Magister Jodocus Wolthusanus, der auch selbst nach Ankershagen schrieb und auch auf einige Zeit dorthin abgegangen zu sein scheint; am Ende des Monats October brachte jedoch H. Holstein seine Kinder persönlich nach Wittenberg. Mag. Jodocus Wolthusanus erscheint noch einige Jahre darauf im Umgange S. Leurolds.
Nachdem S. Leupold am 20. August 1539 von Ankershagen abgereist war, schrieb er am 25. d. M. an den Herzog Heinrich 3 ), daß er jetzt "ganz und gar Willens sei, sich
"nächsten Michaelis in seine Dienste zu verfügen 4 ), vorzüglich
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"weil sein lieber Präceptor Philipp Melanchthon es für gut eingesehen und gerathen habe, obgleich er gerne noch eine Zeit lang in Wittenberg studirt hätte".
Die nächste Zeit brachte S. Leupold damit zu, seine Freunde in Wittenberg und andern Städten seiner Heimath zu besuchen; auch war er im Sept. mit seinem Zöglinge Hans von Eisenberg bei dem Herrn von Asseburg. Am 9. September 1539 ertheilte ihm Herzog Heinrich für ihn und seine Sachen 1 ) den erbetenen Geleitsbrief und am 10. November stellte Melanthon ihm ein empfehlendes Universitäts=Zeugniß aus 2 ). Der Herzog Magnus, Leupolds vorzüglicher Gönner, vermittelte während der Zeit seines Aufenthalts zu Wittenburg manches für ihn bei seinem fürstlichen Vater.
Am Tage Martini 1539 begab Leupold sich mit einem Passe der Universität Wittenberg auf die Reise nach Meklenburg und trat hier alsbald sein Amt als Secretair des Herzogs Heinrich des Friedfertigen an. Durch seine Bestallung ward er als Secretair der beiden Herzoge Heinrich und Albrecht verpflichtet; außer den damals gewöhnlichen reichen Naturalhebungen und Hofkleidern erhielt er jährlich 20 Gulden fester Besoldung und den vierten Theil von allen Canzleigesällen. War es auch zunächst sein Geschäft, dem Canzler (bis 1547 Caspar von Schöneich) in der Extension der fürstlichen Erlasse und namentlich noch nach alter Weise im Abschreiben der Concepte des Canzlers beizustehen, so ward er doch sehr häufig und vorzüglich zu wichtigen, selbstständigen Geschäften gebraucht. Er ist wohl unstreitig der erste in Meklenburg, welcher ganz den Titel eines Secetairs und die im heutigen Sinne mit dem Amte eines Secretairs verbundenen höhern Geschäfte führte: mit ihm beginnt, zugleich mit dem größern Wirkungskreise der Fürsten und ihrer Canzleien, die Reihe der Geheimen=Secretaire und Regierungs=
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secretaire; - vor ihm hießen die subalternen Canzleigehülfen nur Schreiber (Schriver, z. B. Niclas schriver, Michel schriver, .) und waren in der That auch nicht mehr als Schreiber, da sonst der Canzler alle Regierungsgeschäfte besorgte und bis zum Abschreiben seiner Entwürfe selbst durchführte.
Außer der unmittelbaren Wirksamkeit Leupolds, that er dem Lande manche Dienste durch Empfehlung und Herbeiziehung tüchtiger Männer von der Universität Wittenberg, welches ihm um so mehr glückte, da er, als der erste Wittenberger im Staatsgeschäfte, Geschäftstüchtigkeit und Gewandtheit mit Bildung verband und der neuen Universitätsbildung im Gegensatze des alten kirchlichen Sauerteiges Achtung verschaffte. Vor allen Dingen suchte er seinem Freunde Georg Amylius eine Stelle bei Hofe zu verschaffen, da der Herzog einen gebildeten und sprachgelehrten Mann für das Gesandtschaftsfach zu haben wünschte, eine Stelle, welche erst unter dem Herzoge Johann Albrecht I. so rühmlich von Andreas Mylius, einem hochgebildeten Manne der wittenberger Schule, bekleidet ward. Aber trotz der innigen Freundschaft des G. Amylius mit Luther, Melanthon, Koltsch und Leupold und der Bekanntschaft mit dem Herzoge Magnus wollte eine Anstellung desselben in Meklenburg nicht gelingen 1 ), so sehr es namentlich Melanthon auch wünschte. Er blieb jedoch dem meklenburgischen Fürstenhause zugethan und dedicirte noch im J. 1568 dem Herzoge Johann Albrecht I. ein "Libellum Hymnorum Gerbegleitete.
Die Wirksamkeit Leupolds in Meklenburg ist von der höchsten Bedeutung, vorzüglich in kirchlicher Hinsicht. Zwar war die Reformation in Meklenburg längst öffentlich eingeführt; aber es gab noch viel Verwirrung im Lande und der Zustand der neuen Kirche war noch nicht gesichert; es gab zwar viele protestantische Geistliche im Lande, aber es bestanden daneben der Form nach noch alle katholischen Institutionen. Daher
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empfahl Melanthon dringend den jungen Mann und wirkte für Meklenburg dadurch unendlich viel Gutes. Wie Melanthon hier, so hat er vor Allen um die kirchliche Reorgansation Meklenburgs mittelbar und unmittelbar die größten Verdienste, welche nicht genug gewürdigt werden können; auffallender Weise tritt Luther in unmittelbarer Wirkung für Meklenburg fast gar nicht hervor, vielleicht weil Melanthons bedächtiger Charakter sich am meisten zu dem verwandten Geiste unsers friedfertigen Herzogs Heinrich hinneigte. Auch ist der Charakter der Schüler der beiden Reformatoren, so wie deren Wirksamkeit sehr verschieden; während die Schüler Luthers, meistentheils junge Prädicanten, z. B. Slüter, mehr kräftig und gewaltsam auftraten, was freilich bei der Einführung der neuen Lehre wohl oft nöthig war, suchten Melanthons Schüler mehr zu retten und zu verbessern. Wie die Meister in Sachsen, so wirkten die Schüler in Meklenburg.
S. Leupolds größtes Verdienst bestand zunächst in seiner Thätigkeit für die Kirchen=Visitation. Er war bei den beiden großen Visitationen von 1541 (unter dem Herzoge Heinrich) und von 1553 (unter dem Herzoge Johann Albrecht I.), welche mehrere Jahre dauerten, Secretair (erster Kirchen=Visitations=Secretair) und fürstlicher Geschäftsführer; es entwickelte sich hiedurch ein vertrautes Verhältniß zwischen ihm und dem Superintendenten Riebling und dem Prediger Kükenbieter (Nossiophagus) 1 ), so daß die Wirksamkeit dieser drei Männer die Hauptsache bei dem wichtigen Werke war 2 ). Der unermüdeten Thätigkeit und Sorgfalt Leupolds verdanken die Kirchen des Landes wohl sehr viel von dem, was in dem Sturme gerettet werden konnte: die Lust zum Säcularisiren war damals groß genug. - Dabei stand er in ausgebreitetem, meist lateinischem, Briefwechsel nicht nur mit vielen gleichgesinnten und gelehrten Männern außerhalb Meklenburg, sondern auch mit den vorzüglichsten der Zeitgenossen in Meklenburg, welche für den bessern, neuen Zustand thätig waren,
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waren, namentlich mit den angeführten Geistlichen, mit dem Superintendenten Oemichius zu Güstrow, mit Arnoldus Burenius, der Säule der Universität Rostock, mit Conrad Pegel u. A., und außer diesen vorzüglich mit seinem Lehrer Ph. Melanthon 1 ). Auch Luther gedachte seiner im Drange der Arbeiten noch freundlich 2 ). Er besorgte aber nicht allein die öffentlichen Geschäfte bei der Durchführung der neuen kirchlichen Verhältnisse; der Herzog Heinrich bediente sich seiner Geschicklichkeit, um auf friedlichem Wege allmählig das Papstthum zu verdrängen; so legte z. B. der Fürst es ihm im J. 1540 einmal schriftlich ans Herz, einen mehr als gewöhnlichen Mönch im Franziskanerkloster zu Schwerin für die neue Lehre zu gewinnen, was auch nach allen Anzeichen gelang; so "berief er" im J. 1547 den evangelischen Prediger Johannes Studemann aus Danneberg zum Prediger zu Malchin, nach dessen eigenen Worten; so hob er neben den beiden güstrowschen Burgemeistern im J. 1552 das Dom=Capitel zu Güstrow auf. Solche Zeichen der Thätigkeit mögen statt vieler gelten.
Während der Zeit der großen Kirchen=Visitationen erhielt er mehrere geistliche Lehne. Nach dem Tode des eifrigen Papisten Dr. Johann Katte verliehen ihm die Herzoge im
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J.1542 das Canonicat der Scholasterie des Dom=Capitels zu Rostock und die damit verbundene Pfarre zu St. Nicolai, imgleichen auch die Pfarre zu Warnemünde. Am Dienstag nach Johannis Bapt. 1542 schreibt ihm der Herzog Heinrich nach Rostock, daß er
"vff die presentation, mit sampt dem Notario, wey ! sich das Capittel darmit beschwert vnd zu suchen macht, die possession in sanct Niclas Kirche vnd darzu gehorigen wydumbshawse selbst innhemen, Desgleichen zu Warnemunde auch thun"
möge. Im J. 1543 präsentirte der Herzog Heinrich ihn (den non indoctum nostrum secretarium et dilectum M. S. L., Misnensis diocesis clericum) formell dem Dom=Capitel zu Rostock zur Installation in die Pfründe (ad parrochiam perpetuam et scholasteriam in ecclesia Sancti Nicolai Rostochiensis et ad reliqua beneficia, quae Dr. Joannes Katte habuit 1 ). Zu gleicher Zeit wiesen die Herzoge ihn in die Pfarre zu Warnemünde ein und befahlen dem Magistrat zu Rostock, dem neuen "Kerkherrn" die Hebungen von dieser Pfarre, welche der St. Nicolai=Kirche zu Rostock incorporirt war, fortan regelmäßig zu verschaffen. Ferner präsentirte ihn am Palmsonntage 1542 der Herzog Heinrich dem rostocker Dom=Capitel nach dem Tode des Dr. Boye zu einem Leben, welches derselbe mit Mag. Conrad Pegel, Mag. Johann Lintberch und Mag. Lütkens zusammen gehabt hatte, und bat seinen Bruder, Herzog Albrecht, demselben einige "Lehnichen, welche er ihm um seiner getreuen "Dienste willen verliehen habe", zu bestätigen. Außerdem erhielt er in dieser Periode noch andere geistliche Lehne, "theils von" den Fürsten, theils von dem Adel und den Städten", so daß er im J. 1556 jährlich 156 Gulden Hebungen von denselben hatte 2 ). Zu diesen kleinen Lehnen gehörte auch eines
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zu Güstrow, mit welchem ein Häuschen am Domhofe verbunden war; dieses gab jedoch, weil es wüst stand, im J. 1553 der Herzog Ulrich seinem Kammerdiener Otto von Adram.
Auch auf die Verbesserung der Schulen erstreckte sich seine Wirksamkeit, sowohl im Allgemeinen 1 ) bei der Kirchen=Visitation, als auch im Besondern, obgleich nur fragmentarische Nachrichten darüber vorhanden sind. Bekannt ist es, daß nach den bisherigen Nachrichten 2 ) Wolfgang Leupold, Lehrer des Prinzen Christoph, den er im J. 1552 auch nach Paris begleitete, nach seiner Rückkehr im Jahre 1553 der erste Rector der Schule zu Güstrow gewesen sein soll; dieser Wolfgang Leupold, "Fribergensis Misnicus", war ein Oheim unsers Simon Leupold. Unbekannt ist es jedoch, daß schon unter dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen die Schule zu Güstrow reformirt und mit lutherischen Lehrern besetzt ward, welche im Geiste der wittenberger Universität wirkten. Nach der Schlacht bei Mühlberg wandte sich am 19. Sept. 1547 an Simon Leupold Friederich Winkler, der vor einem Jahre von Wittenberg abgegangen war, sich Blutsverwandten und Schwager nannte und gewiß mit ihm verschwägert war, und bat ihn um Beistand in der schrecklichen Zeit 3 ). Doch der Drang nach dem Norden, namentlich nach Meklenburg, war in diesen Zeiten zu groß und der Wunsch Winklers konnte nicht erfüllt werden, bis Philipp Melanthon den Herzog Heinrich selbst am 21. März 1551 um die Schulregierung zu Güstrow für Friederich Winkler bat 4 ). Darauf muß derselbe gleich Rector in Güstrow geworden sein. Er blieb es aber nicht lange; denn schon am 28. August 1552 schrieb Winklers Vater, Johann Winkler, Rathsherr zu Pretin, an Leupold: der Schuldienst zu Pretin sei erledigt; da sein Sohn nicht in
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Güstrow bleiben wolle und der Rath zu Pretin ihm die dortige Schulstelle zugesagt habe, so bitte er um die Bewirkung seiner Entlassung und eines Passes; übrigens sei groß Jammer in Pretin. Bald darauf, als Wolfang Leupold seine Stelle 1553 einnahm, hatte er auch schon sein Schulregiment in Pretin angetreten und bat am 22. Junii 1553 unsern Magister Simon um mancherlei: um "seine hinterstellige Besoldung zu Güstrow "für ein halb Jahr, - für den Schullohn von den Knaben "für ein Vierteljahr, den sein successor mit ihm zu theilen "habe, - um ein gut testimonium vom Superintendenten "und den Prädicanten zu Güstrow, wie er sich in seinem Amte "gehalten". Er bemerkt dabei, daß es dem Wolfgang Leupold als einem Magister von Rostock nicht sauer geworden sei. Damals hielten sich auch Simon Leupolds Hausfrau und Kinder zu Pretin auf.
Alle diese Arbeiten für Kirche, Schule und allgemeine Aufklärung, so wie im täglichen Dienste ließen ihm zu andern Arbeiten wenig Zeit, um so weniger da er einen sehr großen Briefwechsel führte und man seine Fürbitte oft in Anspruch nahm. Ein Mal nur machte er eine große Reise nach Schmiedeberg, Leipzig (und Prettin), Nürnberg, Speyer, Worms, Frankfurt a. M., Leipzig u. s. w. in verschiedenen Aufträgen des Herzogs Heinrich, namentlich um zu Worms mit dem Licentiaten Joh. Helffmann zu verhandeln und zu Speyer Procuratoren zu bestellen. Diese Reise fiel wahrscheinlich in das Jahr 1549, da am Donnerstage nach Lätare Zehrgelder für eine Reise Simon Leupolds nach Speier ausgesetzt werden 1 ). Auf derselben Reise ließ er sich "zu Ehren seines Fürsten" zu Speier zum kaiserlichen Notarius creiren; von diesem Geschäfte machte er vorzüglich bei den Kirchen=Visitationen und in den letzten Jahren seines Lebens Gebrauch. - Zu Weihnacht 1551 sandte ihn der Herzog noch ein Mal nach Leipzig.
Zuletzt ward ihm noch die Auszeichnung zu Theil, daß er das Testament des Herzogs Heinrich verfaßte, wofür ihm ein Ehrenkleid und ein vergoldeter Becher zum Ehrensolde verheißen ward.
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Mit dem Tode des Herzogs Heinrich schließt sich die erste, mehr literarische 1 ) Periode seines Lebens, und die zweite, mehr politische beginnt mit der Regierung des Herzogs Johann Albrecht I.
Dieser hochgebildete, geistreiche und kräftige Fürst nahm ihn am 17. März 1552 wieder als Secretair in Dienst. Sei es aber, daß der Herzog an Andreas Mylius einen äußerst gelehrten Freund besaß, sei es daß er das größere Geschäftstalent Leupolds bemerkte: er benutzte diesen mehr zu Gesandtschaften, welche, mit den Kirchen=Visitationen verbunden, unserm Magister die beste Gelegenheit gaben, sich mit den Staats= und Landes=Angelegenheiten vertraut zu machen. Zunächst bestellte ihn im J. 1552 der Herzog jedoch zum Mitgliede der Commission, welche die große Kirchen=Visitation im Lande ausführte, in der er neben dem Superintendenten Riebling als geschäftsführender Secretair am meisten thätig war 2 ). Außerdem war er im J. 1557 auch Secretair bei der Visitation der Universität Rostock. Der Herzog erkannte auch diese Be=mühungen aufrichtig, um so mehr da Simon Leupold während der Visitation zur Verbesserung der Kirchen und Schulen viele von seinen geistlichen Hebungen fallen ließ und dadurch mit dem besten Beispiel voranging. Freilich wurden ihm für diese Entsagung der geistlichen Lehne jährlich 130 fl. vom Fürsten verschrieben.
Bei so vielen dringenden Geschäften war es ihm freilich unmöglich, seinen gelehrten Briefwechsel nach Wunsch wie früher fortzuführen; jedoch wandte er allen Fleiß an, sich in gutem Andenken zu erhalten, und ersetzte in der Nähe noch durch seinen Einfluß das, was in Verfolgung der Wissenschaften einstweilen vielleicht in den Hintergrund geschoben ward. Auch Melanthon gedachte seiner noch zuweilen, indem er z. B. einen ausgewanderten Engländer Gutbertus Hugonius Anglus im J. 1557 mit einem Empfehlungsschreiben an ihn verwies 3 ); wie hoch damals Simon Leupold stand, davon zeugt der Brief
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des Engländers, durch welchen er Melanthons Schreiben an Leupold einsandte, indem er darin unter Andern sagt:
Ego eo die Gustrouianum iter sequebar quidem, sed quum currum vestrum minus assequi valerem, quumque non satis viarum ambages cognouissem, ad dextram ita raptus sum, vt Butzouium postero die deuenirem. Qud non sine aliquo secreto consilio factum esse arbitror. Ibi enim quasi in medio locatus, nunc Suerinum, nunc Gustrouium specto; nunc (inquam) eximium virum Andream Mylium, nunc op timum amicum meum Simonem Leopoldum quasi ex aequo contemplor, quorum alter a virtute nomen sortitus est, alter a fortitudine. Sed de laudibus vestris iam nihil dico; alio enim tempore de his fortasse commodius. At sicut vterque vestrum a fortitudine nomen ac cepit, ita vtrumque ad benefaciendum natum esse certum est".
Von diesen, bei der Begründung eines neuen Zustandes wichtigen Geschäften ward er jedoch gleich nach Vollendung und noch während derselben zu wichtigen Gesandtschaftsreisen abgerufen, zu denen Johann Albrecht bei den großen geheimen Verkettungen in der europäischen Politik, namentlich in den Angelegenheiten seines Bruders Christoph, für welchen mit aller Macht ein Bisthum gesucht ward, eines sichern und gewandten Mannes bedurfte. Diese Zeit der Legationen ("Verschickungen") bildet die zweite Periode in dem Leben Leupolds. Im J. 1554 decoll. Joh. kam er von einer Reise für den Herzog eilend in Wismar an und reiste im August d. J. nach Lübeck, Hamburg und Lüneburg. Am 27. Febr. 1555 1 ) stellte ihm der Herzog Johann Albrecht Vollmacht und Instruction aus, bei dem Dom=Capitel zu Lübeck, bei den Herzogen von Holstein und dem Könige von Dänemark persönlich die Wahl des Herzogs Christoph zum Bischofe von Lübeck zu bewirken. Im März desselben Jahres hatte er für unsern Herzog, für den Erzbischof Wilhelm von Riga, den Herzog Albrecht von Preußen und die Markgrafen von Brandenburg wieder eine Mission an den König von Dänemark, um die Wahl des Herzogs Christoph zum Coadjutor des Stifts Riga und zum Bischofe von
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Lübeck zu bewirken. Am 30. März war er beim Könige zu Neuburg auf Fühnen; dieser nahm ihn sehr gnädig auf und setzte ihm am 6. April ein Jahrgehalt von 40 Thal. aus 1 ). Erst am 12. Mai kehrte Leupold heim; auf dieser Reise, welche er zur See machte, muß er viel Ungemach ausgestanden haben, da seine Frau sich am 20. April beim Pastor Pasca zu Warnemünde ängstlich nach Nachrichten aus Dänemark erkundigte und der Herzog Johann Albrecht selbst sagt, daß Leupold die dänischen Reisen "mit großer Gefahr seines Leibes" gemacht habe. Am 28. Mai 1555 begab er sich schon wieder auf die Reise zu dem Könige von Dänemark, der ihn wieder sehr auszeichnete; am 7. Junii kehrte er zurück; aber schon am 6. August d. J. mußte er wieder nach Dänemark und der Herzog empfahl ihn vorzüglich dem königl. dänischen Rathe Peter Ochssen. Nach einer herzoglichen Bestallung vom J. 1556 war er während eines Jahres zehn Male beim Könige in Dänemark. Nach diesen Missionen ging er in fürstlichem Auftrage am 8. Mai 1556 noch ein Mal zum Könige von Dänemark nach Kopenhagen, wo er am 24. Mai zur königlichen Tafel gezogen ward; am 2. Junii langte er wieder in Schwerin an. - Auf einer dieser Reisen ward er auch von der Stadt Wismar bevollmächtigt, bei dem Könige von Dänemark die Sicherung ihrer alten Privilegien zu bewirken: seit drei Jahren war nämlich der Eingangszoll auf fremdes Bier in Dänemark von 4 Witten auf 8 Schillinge von jeder Tonne erhöhet. - Gleich darauf erhielt er Gesandtschaftsaufträge an mehrere deutsche Fürsten. In den Monaten Junii und Julii 1556 hatte er für den Herzog Johann Albrecht, für den Erzbischof von Riga und den Herzog von Preußen eine Mission nach Brandenburg und Sachsen und war bei dem Kurfürsten von Brandenburg (2. Julii in Berlin), zu Wittenberg (am 5. Julii bei Melanthon zu Gaste), bei dem Erzbischofe von Magdeburg (am 8. Julii zu Halle), bei dem Herzoge Johann Friederich von Sachsen (am 11. Julii zu Weimar an der fürstlichen Tafel), bei dem Kurfürsten von Sachsen (am 15. Julii zu Dresden) und kehrte am 24. Julii wieder heim. Im September und October 1556 machte er dieselbe Reise: nach Dresden, Weimar und Halle, noch ein Mal und war dabei auch am 4. Oct. bei den Grafen von Mansfeld und am 9. Oct. bei Georg Helfrich zu Leipzig; am 17. Oct. war er wieder in Schwerin eingekehrt.
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Diese Reisen 1 ) und die Stellung Leupolds werfen ein helles Licht auf die damaligen wichtigen und interessanten Zeitverhältnisse, und schon für die Erkenntniß der letztern ist eine Biographie Simon Leupolds von Werth, ja nothwendig.
Mit der zuletzt angeführten Reise nach Sachsen im October 1556 hört aber die politische Wirksamkeit Simon Leupolds ganz auf und plötzlich ändert sich für den Rest seines Lebens seine ganze Lage, welche freilich für Meklenburg von der größten Wichtigkeit wird, auf den Mann selbst jedoch nicht einen so günstigen Einfluß hat, wie sein früheres Verhältniß: es beginnt mit dem Jahre 1555 die dritte Periode seines Lebens, die administrative.
Die einzige Schattenseite während der glänzenden Regierung der Herzoge Johann Albrecht I. und Ulrich war die Verschuldung des Fürstenhauses, theils durch die Vorfahren herbeigeführt, theils durch nothwendige, patriotische Opfer Johann Albrechts für die Rettung der Kirche und des deutschen Reichs und durch die Begründung eines bessern Bildungsstandes im Vaterlande veranlaßt, endlich auch als Folge der politischen Speculationen, namentlich für den Herzog Christoph. Die Ritter= und Landschaft hatte im Anfange der Regierung Johann Albrechts oft kleine Beihülfen verweigert, bis sie sich endlich genöthigt sah, im J. 1555 eine außerordentliche Hülfe zur Deckung der Landesschulden zu bewilligen. Es ward zu dem Ende zur Verwaltung dieser Hülfsgelder ein Ausschuß der Ritter= und Landschaft bestellt, der seinen Sitz zu Güstrow hatte und vorzüglich von 1556 bis 1574 thätig war 2 ). Zur Führung der Geschäfte dieses Ausschusses war nun ein Mann nothwendig, der, vertraut mit jeder Art von Geschäftsführung, das Vertrauen des Fürsten und der Ritter= und Landschaft in gleich hohem Grade besaß. Die Wahl fiel auf Simon Leupold: Simon Leupold ward am 3. Julii 1555, mit Erlaubniß des Herzogs, zum Secretair des Ausschusses der Ritter= und Landschaft bestellt, und war ungefähr bis zum J. 1573 unter Dietrich von Malzahn auf Grubenhagen die Seele des Ausschusses. Er wird von jetzt an "des meklenburgischen Ausschusses Secretair, "Rentmeister, Syndicus, auch Mitverwalter" genannt, und
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war seinen Amtsgeschäften nach, was wir jetzt einen Secretair, Rentmeister und Syndicus des Engern Ausschusses der Ritter= und Landschaft nennen würden. Das ganze Geschäft lag in seinen Händen und deshalb zog er nach Güstrow, wo er sich häuslich niederließ und permanent seinen Sitz hatte, mit Ausnahme kleinerer Reisen in Meklenburg zu den Landtagen und in besondern Aufträgen. Auch ward er Bürger und Rathmann zu Güstrow, sicher von 1566 bis 1574 1 ). Nach mehrern Rechnungen trieb er auch eine Art von Gastwirthschaft, namentlich während des Lebens seiner ersten Frau Anna Bugners, indem mehrere Mitglieder des Ausschusses und andere von Adel bei ihm einkehrten, vielleicht auch zu Einlager zu Güstrow waren; so hielt sich einmal der Junker Hans Behr mit 17 Personen mit 18 Pferden sieben Wochen bei ihm auf; diese verzehrten 2452 Hauptmahlzeiten, 65 Tonnen Bernauisch Bier und 6 Tonnen Knisenack 2 ) und brauchten 33 Drömt Hafer.
Wie groß sein Ansehn war, beweiset der Umstand, daß am 3. August 1557 sämmtliche Professoren der Universität Rostock den Herzog Johann Albrecht, wiewohl vergeblich, baten, ihn bei der Universität als quaestor, oeconomus und notarius universitatis et consistorii anzustellen, damit sie für die Verwaltung der Universität einen zuverlässigen Mann gewönnen und auch Simon Leupold seine Studien fortsetzen könne. Diese Bitte ward jedoch nicht erfüllt; dagegen trat Simon Leupold in ein anderes, nicht unwichtiges Verhältniß zur Universität.
Die Universität hatte, im J. 1564 3 ), eine "Universitäts=Buchdruckerei 4 ) angerichtet", und dazu den Buchdrucker und Formschneider Jacob Lucius aus Siebenbürgen (Siebenbürger, Transsylvanus) aus Wittenberg verschrieben. Dieser hatte jedoch nicht so viel Vermögen, die Kosten der Druckerei und der für die Universität und die Professoren zu druckenden Bücher zu bestreiten. Daher übernahm Simon
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Leupold am Palmsonntage 1565 den Verlag 1 )der Universitätsbuchdruckerei in der Art, daß er nicht allein die Papierlieferung 2 ) für dieselbe besorgte, sondern auch den Verkauf der gedruckten Bücher, die Inspection der Buchdruckerei und die Verantwortlichkeit dafür, daß ohne der Universität Vorwissen nichts gedruckt werde, übernahm: es ward hiedurch also eine Universitäts=Buchdruckerei, eine Universitäts=Buchandlung 3 ) und eine Censur 4 ) im heutigen Sinne des Worts eingerichtet.
Auf diese Einrichtungen ward noch im J. 1565 von dem Herzoge Johann Albrecht I. ein Privilegium und Schutz gegen Nachdruck erbeten und, nach dem Verlaufe der Handlungen, auch wahrscheinlich ertheilt 5 ). Am 23. April 1566 war S. Leupold schon des Verlages mit J. Lucius müde, weil
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es diesem zu sehr an Geldmitteln fehlte, und im J. 1567 ließ er auch bei Stephan Myliander drucken. Das Geschäft des Papierhandels, Bücherdrucks und Bücherverlags trieb S. Leupold bis zu seinem Tode, indem er noch im J. 1578 Schulbücher für den schwerinschen Rector B. Hederich druckte 1 ).
Simon Leupold blieb jedoch bis an seinen Tod mit den Angelegenheiten des Ausschusses beschäftigt und ward reiner Geschäftsmann; auf seine geistige Bildung hatte dies nicht den günstigsten Einfluß. Er ließ sich mit der Zeit in Speculationen aller Art ein, gab sich mitunter auch mit unzuverlässigen Leuten ab, machte unvorsichtige Geldgeschäfte, fing in Güstrow an zu bauen und versenkte sich, nach Geld und Ansehen trachtend, mitunter auch in Schulden und Noth. Oft mag aber auch der Drang des bedeutenden Geldgeschäfts, das er verwaltete, ihn verwickelt haben. So schreibt er am 23. Junii 1560 an den Rath Werner Hahn auf Basedow, nachdem er alle übrigen Mitglieder des Ausschusses nicht auf ihren Gütern hatte finden können, sehr ängstlich unter Anderm:
"Ich habe bereits vber achtzig tausent gulden die loßkundungen bekomen vnd komen alle tage mehr. Niemants wil mehr loben. - - Niemants wil mehr was geben, wie ich den außzug an beide meyne gnedige hern vnderthenig geschickt, aber kein antwort darvff bekomen. Es wird grosser schade vnd vnrichtickeit daraus entstehen".
Alle seine mißlichen Verhältnisse und Speculationen rückte ihm sein älterer Sohn Christian, kaum 20 Jahre alt, strenge vor, sogar in poetischen Episteln. Das Leben Leupolds ist in diesem Zeitraume daher weniger reich an hervorstechenden Begebenheiten: die bedeutendste und fast alleinige ist seine Wirksamkeit als Secretair des Ausschusses.
Obgleich er aber fast ganz für diese Stelle leben mußte, so verschmähete doch der Herzog Johann Albrecht seine Dienste fortan nicht. Am 10. April 1556 versichert ihm derselbe die ungeschmälerte Einnahme der ihm früher versicherten Hebungen und agnoscirt und verbürgt ihm den vollen Werth einer Schuldverschreibung des Herzogs Albrecht auf 6000 Gulden, welche dieser dem dänischen Rathe Jürgen Münter in der kopenhagener Fehde ausgestellt und welche Simon Leupold für einen geringern
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Preis, wahrscheinlich auf seinen Gesandtschaftsreisen nach Dänemark, an sich gebracht hatte; der Herzog gestand ihm diesen Vortheil im Geldgeschäft, im Papierhandel im Sinne der neuern Zeit, zu, weil er damals seit fünf Jahren nur wenig von seiner festen Besoldung bezogen hatte. Diese Verschreibung lautet also:
Vonn gottess gnadenn Wir Johanss Albrecht hertzogk tzu Megklennburgk, Furste tzu Wendenn, Graue tzu Schwerinn, Rostock vnnd Stargartt der lannde herr. Bekennen hirmit offentlich vor vnnss vnsere liebe Brueder vnnd alle vnnser erben, Als vnss derr wolgelarte vnser Secretarius vnd lieber getreu er Magister Simonn Leupolt dem hochgebornnen furstenn hernn Heinrichen hertzogen tzu Meglenburgk . vnsercm lieben Vetteren hochloblicherr milder seliger gedechtnuss sechsstzehen Jar lang vor ein Secretarien gedienet vnd seine Liebde Jne vmb seiner langen getreuwen dienste willen von Geistlichenn lehnen, so seine Liebde Jme tzum teile selber vorlihen, zum teil bei ettlichen von Adel vnd Stedtenn befurderrtt, dass er jerlich hundertt vnd dreissig guldenn daruon gehatt, die Jme auch auf sein leben lang, sampt zwantzig guldenn jerlicher besoldung vnd etzlicher Vitalien vnnd hoffcleidt auss seiner Liebd kammer, vnd den vierden teil von allen Cantzleygeselln vorschrieben, Vnd er sich zu vnnss vf vnser gnedigs begeren, nach seiner Liebden todtlichenn ab gange, wiederumb tzum diener vörpflichtett, - Vnd wir ime die tzusage gethann, alless was ehr bei hochgedachts vnsers liebenn vetterenn tzeittenn gehatt, dasselbe solte behaltten, - Wir wolten Jme seine besoldung auch nichtt vorringerenn, sondern uorbesseren, - Vnd er vnss mittler tzeitt getreulichen gedienett vnnd in einem Jare tzehenn mahel mit grosser gefhaer seines leibes, sich in vnser sachenn bei koninglicher Wirden tzu Dehnemarcken geprauchen lassen, aber aus vnser kammer keine besoldung, auch von den Cantzleygesellen bisher nichts bekommen, - So hatt er auch in jungst gepfloggener Visitation, damitt desterr besser vnnd bestendiger Ordenung die kirchen vnd Schulendiener tzu erhaltten vnd dreissig gulden von geistlichen lehnenn fallenn lassen, - Vnnd wiewol Jme erstattung hirkegen tzugesagett, Ist dochbisher auss vorfallender vorhinderung nichts eruolgett, - Zu deme seint Jme funfftzig guldenn, drey dromet roggen vnd
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drey dromett gersten Jerlich vom Deconomo tzu Gustrouw, dass ehr der Visitation Register halten vnd sich in der Visitation gebrauchenn lassen solle, von den Visitatoren vorordentt, - Vnd ehr in alles nhu inss funffte Jar nicht meher, alss vierttzig gulden, drei dromett roggen, tzween dromett vnnd vier Scheffel gerstenn, bekommenn, dass ander ist Ime noch alless hinterstelligk, - Vnd so wir Ime dan vmb seiner langenn gepflogenenn getreuwenn dienste willen, auch vnser tzusage nach solches tzu erstadten schuldig vnnd geneigt:- So haben wir Ime durch guttliche vnderhandelung des erbaren vnsers Ratts vnnd lieben getreuwen Jurgenn vonn Dannenbergs nachgegebenn, - Wie Wir auch solches vor vnnser liebe brueder vnd aller vnserr erbenn hirmitt wissenttlich thuenn, dass er denn brief vff sechs tausentt guldenn vonn Er Jurgenn Munter Ritter vnnd des koningreiches Dehnemargen Rahte tzum Elnnbogenn, die ehr weilantt dem hochgebornnenn fursten hern Albrechten Herttzogenn tzu Megklenburgk vnserem freundlichenn geliebtenn hern vnnd vaterr hochloblicher seliger gedechtnuss in der Coppenhagenschenn Feidenn gelihenn vnnd vorgestrackt, ann sich vonn vnserentt wegenn brengenn vnnd losenn solle, - Vnnd wass ehr Ime in betzalung der sechss tausentt guldenn heuptstuell abhandelen kann, dasselb soll Ime tzu guette kommenn vorr erstattung seiner nastendigenn besoldungk vnnd Canttzleygeselle vnnd abtrettung seiner geistlichen Lehenn, wie obberurtt, - So wollenn wir, wie wir vns auch, bei vnseren furstlichen wirdenn vnd treuwen, vor vnss, vnser brueder vnnd aller vnser erbenn wissentlich wollen vorpflichtt haben, befurderen vndt behelffen, dass ehr ohne allen verweiss die sechss tausentt guldenn volnkomlich (doch alleine denn heuptstuell vnnd keine auffgeschlagene renthe oder schadenn, die ehr tzugebenn, vonn vnserenttwegen nichit einreumen soll) von vnss oder dem vorordenten Ausschoss vnser furstenthumbe vnd lande vnabbruchig danckbarlich bekommen solle, - Wo ehr aber ann dem brieue nichts abhandelenn konntte, so wollenn wir vnser tzusage nach Ime fur sein nastendig besoldung vnd abtrettung der geistlichen lehen vnnd Canttzleygesellen in anderenn bedencken, damit Ime gepurlich erstattung geschehenn muege. Getreulich vnd vngeuerlich. Des tzu vrkuntt habenn wir vnnser furst=
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lich pittschierr vnsers daumringes hirauff wissentlich getruckt vnnd vnss mitt eigener handt vnderschrieben. Der gegebenn ist tzu Schwerinn den tzehenden Aprilis Nach Christi vnsers Seligmachers geburtt funfftzehenn hundertt sechsss vnnd funfftzigstenn Jare.
Simon Leupold hatte mancherlei Forderungen an den Herzog. Im Anfange des Jahres 1567 hatte dieser ihm die Versicherung geben lassen, daß er mit ihm Rechenschaft halten wolle. Er übergab ein Verzeichniß seiner Forderungen an den fürstlichen Kammer=Secretair Joachim Plesse, worauf ihm jedoch durch Plesse der Bescheid ward, daß der Herzog ihm nichts zu geben schuldig sei, da Leupold dem Ausschusse diene. Leupold beschwerte sich darüber bei Dr. Goltstein und Andreas Mylius und führte dabei an, daß er doch von 1552 bis 1556 dem Herzoge gedient, und in dieser Zeit jährlich höchstens 50 fl., unter dem Herzoge Heinrich aber jährlich 200 fl. gehabt habe; und diese Einnahme sei ihm versichert: solle er diese nicht haben, so möge der Herzog ihm lieber den Abschied geben.
Endlich berechnete sich der Herzog Johann Albrecht mit ihm wegen seiner Forderungen zu Güstrow in den Osterfeiertagen des Jahres 1568 ganz zu seiner Zufriedenheit und bestellte ihn zum lebenslänglichen fürstlichen Secretair, Notarius und Diener von Haus aus mit einem jährlichen Gehalte von 50 Thalern, wobei der Herzog ihm die Erlaubniß ertheilte, auch ferner dem Ausschusse um Besoldung zu dienen, und ihm das Versprechen gab, sich, wenn dieser Dienst aufhören sollte, mit ihm um eine andere Besoldung zu vereinbaren, von welcher er seinen Unterhalt haben könne. Außer den Ausschußgeschäften ward er häufig zum Dienste des Herzogs beordert; namentlich machte er noch im J. 1570 eine Reise nach Plattenberg, Berlin, Magdeburg, Lüneburg und Hamburg; in demselben Jahre war er auch in Schwerin, um den Verlag des Drucks der Consistorial=Ordnung zu übernehmen.
In diesen verschiedenartigen Geschäften arbeitete Simon Leupold zu Güstrow fort bis an seinen Tod. Wann er gestorben sei, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. Bis ins Jahr 1573 wirkt er noch in den Geschäften des Ausschusses; im J. 1572 kommt seine Hand in den Contributions=Registern zuletzt vor und im April 1573 tritt schon ein anderer Berechner, Jacob Krüger, auf. Im J. 1575 ward er von den Fürsten noch als ihr Secretair behandelt und in den Jahren 1575 und 1577 fungirte er noch als güstrowscher Senator und als Notarius in Malzahnschen Familienangelegenheiten;
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