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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.

1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Ueber die Verfertigung der Thongefäße bei den nordamerikanischen Ureinwohnern.

"Die Indianer Nord=Amerikas von Katlin." 1 ) Leipzig bei Maquardt. 1848.

S. 86. Die obenerwähnten Schlüsseln oder Schalen, worin sich die Speisen befanden, sind ein gewöhnliches Küchengeräth in jeder mandanischen Hütte; sie werden von den Frauen in großer Menge und in den verschiedensten Formen aus einem zähen, schwarzen Thon mit der Hand gefertigt, in eigens dazu erbauten Oefen gebrannt, und sind, obgleich sie nicht glasirt, fast ebenso hart als unser Töpfergeschirr, und so stark, daß man sie über das Feuer hängt und Fleisch darin kocht. Ich sah früher mehrere Stücke der Art, die man in den südlichen und mittleren Staaten in der Dammerde und Gräbern gefunden, und in den östlichen Museen aufgestellt hat; diese Gegenstände wurden als etwas sehr Wunderbares angestaunt, allein hier, wo man sie zu Hunderten in Gebrauch und im Sommer täglich anfertigen steht, ist das Räthsel gelöset.

Die Mandaner wohnten am westlichen Ufer des Missouri, 400 deutsche Meilen oberhalb St. Louis.

Dazu Anmerkung aus des Prinzen von Neuwied Reisen in das Innere von Nord=Amerika. Bd. 2., S. 127.

Irdene Töpfe und Gefäße verstehen die drei Nationen (Mandaner, Mönitarier und Arikkarer) zu verfertigen von verschiedener Gestalt und Größe. Der Thon ist dunkelschieferfarbig, brennt sich gelblichroth. Man mischt diesen Thon mit in Feuer zu Staub gebranntem Kiesel


1) Mitgeteilt von dem Herrn Baron Albrecht von Maltzan auf Peutsch.
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oder Granit. Mit einem runden dicken Steine in der Hand bildet die Arbeiterin die innere Höhlung des Gefäßes, und treibt es auf diese Art von innen auseinander, indem sie es von außen mit einem Stück Pappelrinde zusammenhält und glättet. Ist der Topf fertig, so wird er inwendig mit trockenen Spänen gefüllt von Außen mit ähnlichen umgeben, alsdann gebrannt, worauf man in ihm kochen kann. Von einer Glasur wissen sie nichts.


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b. Zeit der Hünengräber.


Streitaxt aus Hirschhorn aus der Mildenitz.

Bei der Senkung des goldberger Sees ward 5 bis 6 Fuß tief unter dem frühern Bette des Mildenitzflusses zwischen dem goldberger und Serahn=See eine große Streitaxt aus Hirschhorn von seltener Ausbildung gefunden und von dem Herrn Oberbaurath Wünsch zu Schwerin erworben und dem Vereine geschenkt. Die Streitaxt ist aus dem Stirnende eines mächtigen Hirschgeweihes, 7" lang und 2 1/2 bis 3" dick, geschickt und gefällig gebildet und an der Schärfe geschliffen; das Schaftloch ist in länglich viereckiger Form durchgestemmt. Das Stück ist ein höchst seltenes Stück des Alterthums.

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Morgenstern aus Hirschhorn von Malin.

Zu Mallin bei Penzlin ward tief im Moder ein Geräth aus Hirschhorn, wie ein Morgenstern, 1 ) gefunden. Es lag mehrere Fuß tief im Moder, über welchem eine 2 Fuß dicke Schicht von Wiesenkalk und darüber wieder Moder stand. Es ist das untere Ende eines Geweihes, da wo der erste Zacken abgeht ausgesägt und zu dem Geräthe benutzt. Von jedem der also gebildeten Enden ist ein Stück von ungefähr 2 1/2 Zoll Länge stehen geblieben, welches am Ende stumpf abgesägt ist; in der flachen Mitte ist ein regelmäßiges, glattes, rundes Loch durchgebohrt von der Größe und Arbeit der Schaftlöcher in den steinernen Streitäxten. Jede Zacke ist ausgehöhlt, vielleicht um eine steinerne Spitze hineinzustecken, und vor dem Ende mit drei bis vier eingeschnittenen Rillen und am äußersten Ende mit kurzen Einschnitten verziert, vielleicht um solche Spitzen dauerhafter befestigen zu können. Ein Geräth dieser Art ist bisher noch nicht bekannt gewesen. Zur Aufbewahrung übergeben von dem Herrn Baron A. v. Maltzan auf Peutsch zu Rothenmoor.

G. C. F. Lisch.


1) Diese Streitaxt gleicht den in den Histor. antiq. Mittheil. Kopenhagen, 1835, Tab. III, Fig. 36, abgebildeten und in dem Leitfaden z. Nord. Alterthumskunde, Kopenhagen, 1837, S. 38, Nr. 6, erwähnten seltenen kreuzförmigen Aexten.
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Schleifstein von Satow.

Vgl. Jahrb. XIV, S. 311.

Auf dem Pfarracker zu Satow bei Cröpelin ward im August 1849 das Fragment eines Schleifsteins gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow dem Vereine geschenkt. Das Fragment, 9" lang und 3" breit, von rothem, feinkörnigen Sandstein, ist auf beiden Seiten ganz und hohl, bis auf 5/8 " Dicke, ausgeschliffen, und gleicht ganz dem auf demselben Pfarracker im J. 1848 gefundenen und in Jahrb. XIV, S. 311 beschriebenen Schleifsteine, wie allen übrigen Schleifsteinen, welche zum Schleifen und Poliren der steinernen Geräthe in der Steinperiode gebraucht wurden.

Die Auffindung dieses Steines ist auch insoferne interessant, als es ein Bruchstück von dem im J. 1848 gefundenen und in Jahrb. XIV, S. 311, beschriebenen Schleifstein ist, der nach den Bruchenden schon in alter Zeit zertrümmert ward; das Stück ist ein Viertheil des Ganzen und paßt nach allen Richtungen genau an das im J. 1848 gefundene Stück, welches die Hälfte des Ganzen bildete. Der ganze Schleifstein war gut 16" lang und 7-8" breit gewesen. Ein Viertheil des Ganzen fehlt noch. Zugleich ward auf demselben Acker eine zerbrochene Lanzenspitze ans Feuerstein gefunden.

G. C. F. Lisch.

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Leuchter von Langen=Brütz.

Der Herr Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow übergab dem Vereine einen Leuchter(?) aus Stein, der in einem, mit großen Steinen umstellten und bedeckten Hünengrabe zu Langen=Brütz gefunden ist; das Geräth ist ein weißlicher Kalkstein, in Gestalt eines siebenseitigen, abgestumpften, an allen Außenseiten geschliffenen Kegels, von 3" Höhe und 3" im Durchmesser der Basis, mit einem von oben her eingebohrten Loche.

G. C. F. Lisch.


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c. Zeit der Kegelgräber.


Bronzen von Vietgest.

Der Herr Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow theilte dem Ausschusse des Vereins ein Gerücht mit, daß früher einmal "irgendwo ein Topf voll Bronzefiguren gefunden sei, von denen ein Theil in dem herrschaftlichen Hause zu Schlieffensberg, ein anderer Theil von einem zu Schlieffensberg wohnenden Inspector aufbewahrt werde". Ich wandte mich daher mit der Darstellung des Gerüchts an den Herrn Gutsbesitzer Pogge auf Roggow, um ihn zur Verfolgung der Spur zu veranlassen. Dieser begab sich nun nach Schlieffensberg und wandte sich hier an den Herrn Dreves, welcher früher Inspector zu Vietgest gewesen ist und seit mehreren Jahren in Schlieffensberg zu Miethe wohnt. Der Herr Dreves berichtete nun dem Herrn Pogge, was er im Nachfolgenden auch schriftlich dargestellt hat.

"Bericht über die im Jahre 1834 beim Moddefahren aufgefundenen Figuren, welche theilweise hiebeikommen.

"Das alte Vietgest lag früher an den malerischen Ufern des sogenannten Hofsees und wurde in neuerer Zeit von dem damaligen Besitzer, Herrn Geheimen Cabinetsrath Boldt, an seiner jetzigen Stelle erbauet unweit eines Sees, des sogenannten flachen Ziest. Dieser See ist im Süden und Westen mit Tannenwaldung, an der Nordseite von den Gartenanlagen und an der Ostseite von cultivirtem Boden umgeben. Hier in diesem Acker war ein kleines Erlenbruch, wohl 16 []Ruthen groß; es lag zwischen Mergelhügeln, die nach Osten und Süden am höchsten waren, und war durch einen alten Graben von der westlichen Spitze in Verbindung mit dem flachen Ziest. Dieses Erlenbruch war wohl 20 Fuß höher, als der Wasserspiegel des Sees von der Oberfläche des Bruchs an gerechnet. In dem sehr heißen Sommer des Jahres 1834 ward von mir beschlossen, dieses Erlenbruch 1 ) auszuroden und die Wiesenerde über die bereits


1) In Erlen= (plattd. = Ellern) Brüchen werden öfter seltene Alterthümer gefunden. Es ist freilich wahrscheinlich, daß sie hier oft in Zeiten der Gefahr versenkt oder sonst auf der Flucht verloren gegangen sind; es ist aber auch möglich, daß die Erlenbrüche eine besondere mythologische Bedeutsamkeit hatten. Noch heute ist das scherzhafte Sprichwort für den Tod lebendig: "He is bi Gott den Herrn in'n Ellerbrok" (= Er ist bei Gott dem Herrn im Ellernbruch, d. h. er ist zu den Vätern gegangen). Sollte dieses Sprichwort nicht einen mythologischen Ursprung haben?

G. C. F. Lisch.

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erwähnten Mergelhügel zu schaffen. Im Laufe der Arbeit ward von den Arbeitern ungefähr 4 Fuß tief, hart am Lande, an der nördlichen Seite, eine Stelle aufgefunden, wo auf einen flachen Stein rund umher andere Steine gesetzt und das Ganze mit einem flachen, rohen Stein, wie sämmtliche Steine zugedeckt war, der die Figur eines Dreiecks hatte. Die Arbeiter, in Erwartung eines Schatzes, hörten mit dem Sprechen auf und singen an zu flüstern; mein Unteraufseher ward hindurch aufmerksam, ging hinzu und vermuthete, daß diese Steinstellung doch wohl etwas enthalten könne, was Menschen dort verwahrt hätten. Er ließ Alles unberührt und schickte nach mir. Bei meiner Ankunft nahm ich den obern Stein weg und fand, daß diese Steinumstellung grobe Topfscherben enthielt, die zwar noch zu erkennen, sonst aber sehr zerfallen waren; (es war dieselbe Sorte, die man in Vietgest häufig beim Mergelfahren fand, ohne Glasur, dick und gereifelt, gewöhnlich in Begleitung Von Asche, Kohlen und zuweilen auch kleinern Knochenstücken, bald in einer Tiefe von 4-6 Fuß, bald nur 1 Fuß unter der Oberfläche; ganze Töpfe hat man nicht gefunden). Die Steinumstellung enthielt ferner sechs Schalen von Messing, von der Dicke wie die gewöhnlichen Wageschalen der Kaufleute, mit gepreßter Randverzierung, welche wohl 1/4 Zoll breit war, die Tiefe der obern Schale war wohl 6 Zoll, der Durchmesser wohl 8 Zoll; alle sechs Schalen paßten ziemlich genau in einander, und war die nachfolgende immer so viel kleiner, daß ihr Rand mit der voraufgehenden Schale oben gleiche Höhe hatte. Zwischen sämmtlichen Schalen war ganz dünne eine Masse gestreuet, welches ich für Asche hielt; diese Masse war mit kleine Goldpünktchen vermengt, und war dies wohl von der Vergoldung (?), welche die Schalen wahrscheinlich hatten, abgelös't und hatte sich mit der Asche vermengt (?). In der obern sechsten Schale lagen ungefähr 30 Figuren, (es können einige mehr oder weniger gewesen sein, ich weiß dies nicht genau mehr), wozu die beifolgenden sechs Stück gehören; von der kleinsten Art waren die meisten, von der größeren Art hingegen ungleich weniger, von der Art mit der Vogelfigur aber nur höchstens vier Stück, die nicht von einer Größe waren, und war die beikommende Vogelfigur die größte von sämmtlichen Figuren. Die Frau Baronin von Herzeele war damals Besitzerin von Vietgest, und mir war die Administration des Gutes übertragen. Die Frau Baronin war bei Auffindung dieser Gegenstände auf längere Zeit verreist; bei deren Zuhausekunft übergab ich das Ganze, wie es gefunden, derselben. Die Frau Baronin schien aber keinen Werth auf

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diesen Fund zu legen, und es ward Alles in eine Kammer gestellt, wo Viele ein= und ausgingen. Da ich bald bemerke daß von den Figuren schon einige weggekommen waren, so bat ich die Frau Baronin um einige Figuren, welche mir auch gerne zugestanden wurden; ich setzte damals 9 Stück zurück, 3 davon sind im Laufe der Zeit verloren gegangen, und 6 erfolgen zur Ansicht hiebei. Die mir von dem Herrn Gutsbesitzer Pogge auf Roggow aufgetragene Erkundigung, in Vietgest nachzufragen, wo die andern Gegenstände geblieben seien, hat zu keinem Resultate geführt, sondern die Figuren und Gefäße sind seitdem spurlos verschwunden. Da seitdem Vietgest zwei Male mit dem Besitzer gewechselt hat, so ist wohl nicht daran zu denken, daß man das Nähere darüber erfährt, wohin diese Sachen gekommen sind.

Schlieffensberg, den 2. Januar 1850

C. C. Dreves."

Der Herr Dreves hat dem Vereine die von dem Funde noch übrigen Figuren zuerst zur Ansicht geschickt, später aber zum Geschenke überlassen.

Außerdem hat Herr Pogge auf Roggow auch noch den Statthalter Marten zu Vietgest vernommen, welcher bei der Auffindung der erwähnten Sache die Aufsicht über die Arbeiter führte. Die Aussagen dieses Mannes stimmen im Wesentlichen mit denen des Herrn Dreves überein. Er meint jedoch: "es sei ein Gefäß von Messing, oben 6 Zoll im Durchmesser und 10 Zoll hoch gewesen, welches einen Deckel gehabt habe; durch einen Stoß der Arbeiter sei der Deckel zerbrochen. In diesem Gefäße hätten viele kleine Figuren gelegen, von denen mehrere viel höher gewesen seien, als die vorgezeigten. Das Metallgefäß sei glänzender gewesen, als die Figuren. Mehr als ein Gefäß habe er nicht gesehen etc. ."

Diese Abweichungen in der Aussage sind aber theils nicht erheblich, da die übrigen Angaben alle mit dem Berichte des Herrn Dreves übereinstimmen, theils verdient der Bericht des Herrn Dreves ungleich mehr Glauben, als die gewiß nicht ganz klare Erinnerung eines Arbeiters.

Der Herr Dreves und der jetzige Inspector von Schlieffensberg sind am folgenden Tage nach dem Besuche des Herrn Pogge nach Vietgest gereiset, haben aber von dem Schicksale der übrigen Sachen nichts erfahren können.

Durch den Bericht des Herrn Dreves und die zur Ansicht eingesandten, noch übrigen Reste des Fundes ist dieser nun sicher constatirt. Die Gefäße sind leider wohl unwiederbringlich ver=

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loren. Dagegen läßt sich der Inhalt derselben genau beurtheilen, da er aus lauter solchen Gegenständen bestand, von denen Herr Dreves die noch übrigen sechs zur Ansicht eingeschickt hat. Die nach den Gerüchten wahrscheinliche Aussicht auf Gewinnung von "Figuren" aus unserer heidnischen Vorzeit ist auch dies Mal wieder verschwunden, wenigstens in der Art, wie gehofft war; jedoch ist durch diesen Fund doch etwas gewonnen, was bei der großen Dürftigkeit an figürlichen Darstellungen aus der Heidenzeit immer sehr beachtungswerth ist. Die "Figuren", wie die gefundenen Gegenstände von den Findern genannt werden, sind nämlich nichts weiter, als die bekannten, sehr häufig gefundenen Hütchen (tutuli) aus der Bronze=Periode, wie sie im Frid. Franc. Tab. XXXIII., Fig. 10, und im Leitfaden zur Nordischen Alterthumskunde, Kopenhagen, 1837, S. 57, auch schon früher in Rhode Cimbrisch= Holsteinischen Antiquitäten-Remarques, 1719, Woche 23, S. 176, abgebildet, von den Findern aber irrthümlicher Weise, vielleicht in Vergleichung mit Schachfiguren etc. ., "Figuren" genannt sind. Diese Hütchen aus

Hütchen

Bronze sind von der kleinsten Art, nur 1 Zoll hoch und nicht sehr sorgfältig gearbeitet.

Der Fund ist aber doch wertvoll; das eine von diesen sechs Hütchen ist nämlich oben auf der Stange, statt mit einem kegelförmigen Knopfe, mit der Figur eines Vogels verziert,

Figur eines Vogels
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und dies hat in so ferne Werth, als diese Figur die einzige ist, welche bisher in Mecklenburg als sicher der Bronze=Periode angehörend beobachtet ist. Ein bestimmter Vogel läßt sich in der Gestalt zwar nicht mit Sicherheit erkennen, obgleich er nicht ganz ungeschickt gemacht ist; jedoch lassen sich beachtenswerthe Andeutungen geben. Es waren in dem ganzen Funde Von etwa 30 Hütchen höchstens 4 mit einem Vogel verziert.

Der Vogel hat offenbar Aehnlichkeit mit einem Schwan, und dies würde auf die liebliche altgermanische Sage von den Schwanenjungfrauen hindeuten (vergl. Grimm's deutsche Mythologie, zweite Ausgabe, S. 398 flgd.). Es herrschte damals der Glaube, die Valkyrien könnten die Gestalt eines Schwans annehmen, und zugleich galt der Schwan für einen weissagenden Vogel (daher noch: es schwânt mir=es ahnt mir). Daher noch die Sage Vom Schwanhemd und Schwanring.

Die Hütchen sind übrigens ganz so wie alle übrigen gearbeitet. Der Buckel ist mit drei erhabenen Reifen Verziert, auf der Spitze des Buckels steht ein kegelförmiger Knopf und unten auf der innern, hohlen Seite ist eine Querstange angebracht, sicher gleich mit dem Hütchen gegossen. Die aus dieser Querstange schon früher geschöpfte Vermuthung, daß diese Hütchen als Buckel zur Verzierung dienten und durch einen über die Querstange gezogenen Riemen befestigt wurden, wird noch mehr dadurch bestärkt, daß in dem Exemplare mit dem Vogel die Querstange in der Richtung des Vogels sitzt, so daß beim Aufbinden der Vogel vorwärts schauete. — Es gewinnt hiedurch die Ansicht immer mehr Raum, daß die "Hütchen" zum Kopfschmucke dienten, wie dies schon in Rhode Cimbr. Holstein. Antiq. Rem. 1719, Woche 25-26, S. 193-201 vermuthet und in Abbildungen dargestellt ist. Uebrigens sind die vorliegenden Hütchen aus zwei verschiedenen Fabriken oder Zeiten, da 4 derselben ganz gleich sind und eine runde Querstange, ein fünfter aber einen größeren Knopf und eine viereckige Querstange haben.

Der Fund von Vietgest hat Aehnlichkeit mit dem in Jahrb. X., S. 281-283 beschriebenen Funde von Parchim, welcher neben einem Bronzegefäß auch 12 Hütchen und 11 flache Knöpfe aus Bronze enthielt.

G. C. F. Lisch.

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Goldene Spiralen von Röcknitz.

Auf der Feldmark des Domanial=Dorfes Röcknitz bei Dargun, auf einer ebenen Stelle, genannt der "Heidberg", wurden im September 1849 von zwei Maurergesellen beim Ausgraben von Steinen unter einem großen Steine zwei

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goldene Spiralen von ungewöhnlicher Größe ohne weitere altertümliche Umgebung gefunden. Die beiden Arbeiter theilten den Fund, den sie zuerst für Messingdrath gehalten und einem Dritten geschenkt hatten; die eine Spirale kam unversehrt in die Hände des Herrn Amtsverwalters Glöckler zu Dargun, der sie, gegen Erstattung des Werthes von 21 Thalern an den Finder, der Sammlung zu Schwerin zuwandte; der andere Finder hatte, in dem Glauben, der Fund sei kein ächtes Metall, während der Zeit die andere Spirale zerbrochen, einen Theil zu seiner Uhr verarbeiten lassen und den Rest unter dem Werthe an einen jüdischen Goldarbeiter verhandelt, von welchem denselben der zu Dargun stationirte Gensdarm Grotrian, dem die Sammlungen schon die Erwerbung mehrerer Funde verdanken, gegen Erstattung des Wertes von 6 Thalern einforderte.

Die Spiralen sind beide gleich, von ungefähr 1/20" dickem Drath aus dem reinen, messinggelben Golde der Kegelgräber und gut gearbeitet. Die erhaltene Spirale ist 7 Ducaten schwer, nach beiden Richtungen hin durchaus elastisch, im ungezwungenen Zustande 3 1/2 Zoll lang und gut 1 1/4 Zoll weit, und enthält 13 3/4 Windungen; die beiden Enden sind nach derselben Richtung hin drei Male zu einer Spiralplatte, nach der Ornamentik der Bronzeperiode, eng umgewunden; an einem Ende, wo die Spiralplatte etwas kleiner und die Spirale selbst etwas enger ist, ist die ganze letzte Windung breit gehämmert, am andern, etwas weitern Ende ist der Goldrath rund geblieben. Die Bestimmung dieser Spiralen ist wohl noch räthselhaft, da sie für einen Finger viel zu weit, für einen Arm viel zu enge sind; vielleicht und wahrscheinlich dienten sie zum Haarschmuck.

G. C. F. Lisch.

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Ueber die muldenförmigen Mühlsteine oder Quetschmühlen

(vergl. Jahrb. XII., S. 418 flgd.), die bei uns früher für Weihkessel gehalten wurden, schreibt unser Mitglied, der Herr Inspector Benecke, welcher in österreichische Militairdienste getreten ist und den Feldzug in Ungarn mitgemacht hat, daß er bei den Wallachen jenen Mühlen ganz ähnliche Handmühlen gefunden habe; in der Höhlung wird dort ein anderer Stein als zweiter Mühlstein gehandhabt. Auch schreibt er, daß er in der Theißgegend viele große Hünengräber bemerkt habe, die namentlich in der fetten Banatebene sehr auffallen und dort Türkenhügel genannt werden.

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Der vierrädrige Wagen mit der Vase.

Der zu Peccatel von Lisch im Kegelgrabe gefundene vierrädrige Wagen mit der darauf ruhenden Vase (Jahrb. IX. S. 372 etc. .) hat mancherlei Vermuthungen über die Bestimmung und den Gebrauch desselben veranlaßt, und man hat das Ganze auch scherzhaft mit einer fahrbaren Punschbowle verglichen. Es kann aber leicht sein, daß der Scherz und Witz grade das Rechte getroffen haben, wenn gleich unbestimmt gelassen werden muß, welche Flüssigkeit in der Vase umhergefahren wurde, und ob solches Umherfahren zum täglichen Gebrauche in dem Hause eines Häuptlings oder nur bei festlichen Gelagen oder bei gottesdienstlichen Gebräuchen seine Anwendung gefunden habe. Zur weiteren Forschung mag die Stelle im Homer vielleicht einen festeren Ausgangspunkt bieten, wo Thetis im Pallast des Hephaistos erscheint, um für ihren Sohn Achilleus Waffen von ihm zu erbitten: Jliad. XVIII., 372-379:

Jliad. XVIII.

Nach der Uebersetzung von Voß lautet die Stelle:

Ihn dort fand sie in Schweiß, um die Blasebälge beschäfigt,
Eifrig; denn Dreifüße bereitet' er, zwanzig in Allem,
Rings zu stehn an der Wand des wohlgegründeten Saales.
Goldene Räder befestigt er jeglichem unter dem Boden;
Daß sie aus eigenem Trieb in die Schaar eingingen der Götter,
Dann zu ihrem Gemach heimkehreten, Wunder dem Anblick.
Sie nun waren so weit gefertiget; nur noch der Henkel
Kunstwerk fehlte daran; jetzt fügt er sie, hämmernd die Nägel.

Hiernach also hatte man zu Homers Zeiten größere Gefäße (Dreifüße) für Flüssigkeiten auf Rädern ruhend, wenigstens fanden sich solche bei den Mächtigen und Reichen; das Göttliche und Wunderbare war nur, daß sie Automaten waren, aus eigenem Trieb sich bewegten. Das Grab zu Peccatel gehört jedenfalls zu den reichsten Gräbern und barg sicher nach dem gefundenen Inhalte die sterblichen Reste eines mächtigen und reichen Herrn, so

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daß es immer sein kann, daß der Wagen mit der Bronzeschale als ein Lieblingsbesitzthum ihm im Tode mitgegeben sei, daß also der Wagen keine eigentlich gottesdienstliche Bestimmung gehabt habe.

Vietlübbe, den 2. Jan. 1850.

J. Ritter.

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Zwei Commando= Stäbe,

welche denen, die Klemm aufführt, Wagner abgeschrieben und die Jahrb. X, S. 287 besprechen, ganz gleich sein sollen, sind in einem Torfmoore in der Gegend von Neu=Ruppin gefunden.

Neu=Ruppin.

A. G. Masch.


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d. Zeit der Wendengräber.


Spindelsteine oder Würtel.

Wir haben die in den Wendenkirchhöfen häufig gefundenen durchbohrten, an beiden Seiten convex erhöheten, kleinen Scheiben für Spindelsteine ausgegeben. Diese Geräthe sind meistentheils aus gebranntem, feinkörnigen, festen Thon, mitunter mit einer Salzglasur überzogen; zuweilen finden sie sich auch aus Verschiedenartigem Gestein, seltener aus Glas mit Mosaikarbeit. Diese Steine finden sich, in derselben Größe und Gestalt, auch unter den Ruinen und an den Stellen mittelalterlicher Burgen und häufig an Dorfstätten, in der Nähe von Seen und Teichen etc. . Sie gehören daher sicher der heidnischen Eisenperiode und dem christlichen Mittelalter an. Die Würfel aus diesen beiden Perioden werden sich oft sicher scheiden, indem wenigstens wohl die glasurten dem christlichen Mittelalter angehören. Auch aus der Bronzeperiode kommen öfter ähnliche Scheiben vor, jedoch sind diese gewöhnlich regelmäßige Scheiben ohne Wölbung, zuweilen größer, als die Würfel, nicht selten aus feinkörnigem Sandsteine und mit eingegrabenen Linien verziert. Von diesen Scheiben werden wohl manche als Knöpfe gedient haben, wenn wir auch das Vorkommen von Spindelsteinen in der Bronzeperiode nicht leugnen wollen.

Daß die gewölbten Scheiben aus der heidnischen Eisenperiode und dem christlichen Mittelalter aber wirklich Spindelsteine sind, die bis zur Erfindung des Spinnrades (um 1530) zu den Spindeln gebraucht wurden, beweiset der noch heute bestehende Gebrauch. Nicht allein in Italien, Spanien und andern Ländern wird noch so gesponnen, sondern selbst im sächsischen Erzgebirge sollen sich, nach sichern Erzählungen, noch einige alte Frauen finden, die noch mit der Spindel spinnen können, so daß sich hier die uralte Spindel neben der jüngsten Spinnmaschine findet. Auf die sächsischen Jahrmärkte bringen noch heute die Serpentinsteinhändler Spindelsteine ganz von derselben Größe und Gestalt (aus Serpentin) und oft mit denselben Verzierungen, wie die alten heidnischen, und ich habe es selbst erfahren, daß sie auf den Jahrmärkten zu Dresden zum Verkaufe ausgeboten werden. Auch im obern Vogtlande finden sie sich noch als traditionelle Reliquien und Spielzeuge.

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Der Herr Bibliothekar Dr. Gustav Klemm zu Dresden hat dem Vereine zwei moderne Würtel aus dunklem zöblitzer Serpentin, mit weißen, kreisförmigen Verzierungen, welche derselbe auf dem Jahrmarkte zu Dresden gekauft hat, und einen sogenannten Schreckstein, in Form eines Herzens, aus hellem, fleckigen Serpentin, wie man solche den Kindern anhängt, zum Geschenke gemacht.

G. C. F. Lisch.

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e. Vorchristliche Alterthümer gleich gebildeter europäischer Völker.

α) Vorchristliche Alterthümer der Deutschen.

Alterthümer von Nauen.

Bei dem Bau der berlin=hamburger Eisenbahn hat sich die Umgegend von Nauen (der Hexenhügel, der Windmühlenberg bei Lietzow, die Lietze, sämmtlich in der Hügelreihe, welche das havelländische Luch südöstlich begränzen) hinsichtlich deutscher Altertümer als besonders ergiebig herausgestellt. Ueberall hat man viele Urnen und dessen Bruchstücke, Feuersteingeräthe u. s. w. gefunden, und was der damalige Baumeister davon gesammelt hat, ist mir in diesen Tagen zufällig zu Gesichte gekommen. Ich will nicht unterlassen, dem Vereine davon schuldige Nachricht zu geben.

Zuerst nenne ich drei Urnen. Zwei davon, eine durchaus erhalten, sind Wendenurnen, ganz so wie Jahrb. X. S. 237 sie beschrieben sind, bei der einen auch noch die Fragmente des Deckels, platt, von gehärtetem, nicht schwarz gedämpften Thon; Fläche sehr glatt, aber löcherig; die eine Seite hat am Rande einen erhabenen Reifen (Ring). In jeder fand sich eine Fibula, von der bekannten Form der wendischen Hefteln, mit elastischer Spirale, die eine um den Bügel mit einer verzierten Scheibe. Diese Hefteln sind in die Sammlung des Herrn Grafen v. Zieten auf Wustrow gekommen.

Rothes Seidenzeug ist wahrscheinlich zwischen der Scheibe der einen Heftel und dem Ringe gelegt gewesen, die Originalprobe steckt noch in dem einen Loche.

Unter vielen interessanten Feuersteinsplittern befinden sich einige sehr schöne Exemplare daraus gefertigter Messer, eine unvollendete Lanzenspitze und zerbrochene Messer; sehr deutlich ergiebt sich aus den Splittern, daß nur das Brauchbare benutzt ward, nicht jeder Schlag solches gab.

Ferner sind dabei von Feuerstein sehr schöne Schmalmeißel und Aexte, groß und klein. Einer der letztern, dunkelgrauer klarer Stein, ist ersichtlich aus einem andern zerbrochenen Geräthe (Dolch, Messer) dazu aptirt, sehr scharf geschliffen, 2 3/8" lang, Schneide 1 1/2 Zoll. Von einer mir unbekannten Steinaxt, die ich nicht habe ermitteln können, ist das Bruchstück einer Axt; — die Schneide 1 3/4"; die Fläche, schön geschliffen,

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ist schmutzig kalkweiß; der Bruch, nicht muschelig, vielmehr glatt und feinkörnig, sehr fein, zeigt in der Mitte einen fast weißen, unregelmäßig ovalen Kern, um welchen sich schmale und breite, bräunliche, hellere und dunklere Ringe winden und so das Steinstück gebildet haben, aus welchem die Axt gemacht worden ist. Das Gestein ist nicht hart, der Fingernagel ritzet Bruch und Fläche. Die Untauglichkeit dieser Steinart zu solchen Geräthen ergiebt sich aus den vielen Ausbrüchen an der Schneide.

Neu=Ruppin.

A. G. Masch.

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β) Vorchristliche Alterthümer der Römer.

Bronzewagen von Pennewitt bei Warin.

Vor ungefähr fünf bis sechs Jahren erzählte mir der jetzige Posthalter Dreyer, daß er vier Jahre vor der erwähnten Zeit nach den ungefähr 1/4 Meile von hiesiger Stadt belegenen Pennewitter Tannen gegangen sei, um sich nach seinen vor denselben weidenden Pferden umzusehen. Während seiner Anwesenheit alldort sei eines von den Pferden über den vor den Tannen befindlichen Graben gesprungen und habe bei dem Sprunge eine Masse Sand vom Grabenufer gelöset, wobei ein irdener Topf entblößt worden sei. In der Meinung, daß sich Geld in dem Topfe befinden müsse, hätten sie, er und mehrere hiesige Einwohner, denselben zerschlagen, aber nur Asche und Knochen in demselben gefunden.

Bei einer weiteren Nachsuchung hätten sie annoch zwei Töpfe gefunden. In dem einen sei, außer einer Perlenschnur, dieselbe Substanz, wie in dem zuerst gefundenen Topfe gewesen, in dem zweiten aber glaube er sich noch entsinnen zu können, hätten sie einen kleinen metallenen Wagen, mit vier Rädern, zwei Pferden, auf dem eine kleine Figur gestanden, gefunden 1 ). Den Wagen hätten sie in ihrer Unkenntniß zerbrochen und die Deichsel hätte einer der Anwesenden sich zum Pfeifenreiniger zugeeignet; von den übrigen Stücken wisse er nicht mehr, wohin sie gekommen seien.

Meine Nachfrage nach der Deichsel, so wie nach den übrigen Stücken blieben ohne Erfolg.


1) Ohne Zweifel sind dies römische Bronzealterthümer gewesen. — In dem nahen Bibow ward auch ein rein römisches Grab entdeckt (vgl. Jahresber. II., S. 50 flgd.)

G. C. F. Lisch.

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Die Angabe des Dreyer scheint sich dadurch zu bewahrheiten, daß sich nicht weit von der eben angeführten Stelle eine mächtige Steinmasse als Ueberbleibsel eines Riesengrabes befindet. Ich habe damals nichts unterlassen, um einige Bruchstücke des Fundes aufzuspüren, leider ohne Erfolg.

Warin, den 20. September 1849.

Vogler, Postmeister.

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Römische Metallsiebe (cola) in den Ostseeländern

und

die Einführung des Weins.

In den Ostseeländern werden häufig römische Kellen (mit römischen Fabrikstempeln) gefunden und neben diesen auch bronzene Siebe mit Griffen, deren Löcher in Reihen und Figuren von rein antiken Formen eingeschlagen sind. In der Sammlung zu Kopenhagen wird eine ganze Reihe solcher Siebe aufbewahrt, deren unzweifelhaften römischen Ursprung ich Jahrb. XL, S. 397 flgd. nachgewiesen habe. Oefter wird neben dem Siebe eine nur ein wenig größere, nicht durchbrochene Kelle von gleicher Form gefunden, in welche das Sieb gerade hineinpaßt, so daß, wenn das Sieb in der Kelle stand und gefüllt war, man das Sieb nur aufzuheben brauchte, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen.

Diese Siebe sind die römischen cola. Becker sagt darüber im Gallus III., S, 235:

"Bei der Behandlung des Weines bei den Römern behielten die Weine viel Hefe. — — Gewöhnlich seihete man den Wein durch den saccus vinarius und das colum, eine Art Sieb oder Durchschlag von Metall mit feinen Löchern. Solche cola sind in Pompeji zahlreich gefunden worden. Das Mus. Borb. theilt III., T. 31, fünf kleinere mit, welche sämmtlich einen Griff oder Stiel haben und also während des Seihens gehalten wurden. Dagegen findet sich II., T. 60, ein größeres (auch im Gallus a. a. O. wiedergegebenes) mit zwei Henkeln, an denen es vermuthlich über ein Gefäß gehängt wurde, in das man den Wein laufen ließ. Auch kann zu gleichem Gebrauche ein silberner Napf mit schöner Cälatur und ebenfalls silbernem colum gedient haben. Ebend. VIII., T. 14."

Sollte die Einführung der cola in die Ostseeländer nicht auch auf die Einführung des Weins hindeuten?

G. C. F. Lisch.


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2. Neuere Zeit.


Ueber Ofenkacheln von Wismar

und

die Kachelfabrikation des 16. Jahrhunderts in Meklenburg überhaupt.

In Wismar in der meklenburger Straße, dem Schwarzen Kloster gegenüber, ward beim Ausgraben eines Fundamentes der untere Theil

1) einer glasurten Ofenkachel aus dem 16. Jahrhundert gefunden und von dem Herrn D. Thormann zu Wismar geschenkt. Die Kachel ist gelb, blau und weiß glasurt und hat eine Reliefdarstellung gehabt, von welcher noch die Beine eines Mannes und ein neben ihm stehender Hund (?) vorhanden sind; darunter steht die Inschrift:

ZO . IAR . [EIN.]
. IONGELING.

Darauf schenkte der Herr Bau=Conducteur H. G. Thormann zu Wismar die Fragmente von drei zu Wismar gefundenen Ofenkacheln, welche die Seitenstücke zu der ersterwähnten Kachel bilden; sie sind alle drei ganz grün glasurt und stammen nach der Glasur von zwei verschiedenen Oefen. Alle drei Stücke sind die untern Hälften der Kacheln.

2) Die eine dieser Kacheln, welche sehr gut und glänzend glasurt ist und eine lebhafte grüne Farbe hat, stellte einen jungen, stehenden Mann in spanischer Tracht dar, mit einem Schwerte an der Seite; die Stelle, wo zu seiner Linken der Hund liegen sollte, ist ausgebrochen. Die Unterschrift lautet:

. ZO . IAR . EIN .
. IONGELING .

Diese Kachel ist in derselben Form abgedruckt, aus der die gelb, blau und weiß glasurte Kachel Nr. 1 genommen ist.

Die beiden andern Kacheln sind, nach der hellern, mattern, rauhern Glasur, zusammen aus einem andern Brande hervorgegangen; das architektonische Ornament ist jedoch dem der übrigen Kacheln völlig gleich.

3) Die dritte Kachel hat einen stehenden Mann dargestellt, welcher einen Hahn zu seiner Linken stehen hat; die Unterschrift lautet:

. 50 . IAR .
. STILLESTA -
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4) Die vierte Kachel hat einen alten Mann dargestellt, welcher mit zurückgeschlagenem Gewande und entblößten Beinen sitzt und die Hände auf die Kniee gelegt hat; neben ihm sitzt eine Gans. Die Unterschrift lautet:

. 100 . IAR .
GNAD . DI . D  ON

Hieraus ergiebt sich, daß auf den Oefen der bekannte Cyclus von den Menschenaltern dargestellt war.

Daß diese Kacheln in Wismar, wo die Kirchen und der Fürstenhof so reiche Ziegelreliefs zeigen, fabricirt wurden, leidet wohl keinen Zweifel. Man kann aber die Frage aufstellen, woher diese Fabrikation stammte. Jene ganz hellgrün glasurten Kacheln sind um die Mitte des 16. Jahrh., in der Zeit des Renaissancestyls, gemacht; alle Portraits, selbst Jahreszahlen (1556, 1562) auf den Kacheln sprechen dafür; (die schwarzen Kacheln mit Rococoverzierungen stammen aus dem 17. Jahrh.). So weit sich bis jetzt die Sache verfolgen läßt, ging die Fabrication dieser Kacheln aus Süddeutschland hervor: in Nürnberg findet man noch viele hellgrün glasurte Ofenkacheln von bedeutender Größe aus der angegebenen und etwas frühern Zeit und die prachtvollen, grünen Oefen auf der Burg von Nürnberg gehören zu dem Schönsten, was die Reliefbildnerei je geliefert hat. Die gewaltigen schwarzen Rococo=Oefen in dem Rathhause zu Augsburg fallen schon in die erste Hälfte des 17. Jahrh.; noch heute brennt man in Böhmen Kacheln von bedeutender Größe, so daß ein ganzer Ofen oft nur aus einigen Stücken besteht.

Zu einer so großartigen Fabrikation, wie in Nürnberg, brachten es nun die Norddeutschen nicht; alle bisher bekannt gewordenen alten Kacheln sind nicht größer, als die kleinen, schwarzen Kacheln, aus denen man noch im Anfange dieses Jahrh. bei uns die Oefen baute: von den vielen Kacheln aus dem 16. Jahrh., welche beim Bau des Schlosses zu Schwerin gefunden wurden, geht keine einzige über diese Größe (zwischen 7 und 9 Zoll) hinaus. Aber der Styl des Reliefs und die Farbe der Glasur der norddeutschen Kacheln stimmen mit den süddeutschen überein; wie überhaupt die Kunst des Reliefbildens während der ersten Hälfte des 16. Jahrh. in Süddeutschland, namentlich in Nürnberg (unter Albrecht Dürer) und Augsburg von Italien her (durch Pisani und Benvenuto Cellini), einen so bedeutenden Aufschwung nahm und nur in verjüngtem Maßstabe allmählig und spärlich nach Norddeutschland vordrang, so auch im Besondern die Reliefbildung auf den Ofenkacheln.

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Jedoch erhielt diese hier eine besondere Unterstützung durch das zur Verzierung der Gebäude angewandte Ziegelrelief, welches in der Mitte des 16. Jahrh. in Norddeutschland, und am meisten in Meklenburg, sich so sehr ausbildete, wie wohl nirgends. Der Herzog Johann Albrecht I. hielt zu den Schloßbauten zu Wismar und Schwerin niederdeutsche oder niederländische Baumeister und Ziegelbrenner, wie den Maurermeister Gabriel von Aken, den Steinbrenner Statius von Düren (vgl. Jahrb. V, S. 18-21 flgd.), welche ihre Ziegelreliefs auch nach Lübeck brachten. Männer und Bauten dieser Art werden nun auch wohl Einfluß auf die Töpferei gehabt haben. Dafür reden die Sprachformen in den Unterschriften in den wismarschen Ofenkacheln, welche in einzelnen Bildungen, z. B. Jongeling, eine niederländische Färbung haben, in andern Bildungen mißverstanden sind, z. B. Gnad di con, statt Gnad bi (= bei) Got.

Es mag also sich mit der Kachelfabrication des 16. Jahrh. in Mecklenburg wohl so verhalten, daß sie von Süddeutschland her in Meklenburg eingeführt und hier theilweise von niederländischen, ostfriesischen und andern norddeutschen Arbeitern geübt ward.

G. C. F. Lisch.


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II. Zur Ortskunde.


Zur Topographie der Pfarre Klütz,

von
G. C. F. Lisch.
Nachtrag.

In Jahrb. XI, S. 403 flgd. und XIII, S. 392-398 ist die schwierige Topographie der Pfarre Klütz zur Untersuchung gezogen, jedoch dabei manches noch nicht ganz aufgeklärt. Neuere Entdeckungen führen die Untersuchung bedeutend weiter.

Am 26. April 1582 berichtete der fürstliche Amtmann zu Grevismühlen in einem Streite über die Abgaben von den verschiedenen Höfen, welche die v. Tarnewitz alle für Rittersitze ausgaben, folgendermaßen:

"daß die beiden Höfe alß Vinckenborg vnd Guldenhorn beide im Tarneuißerhagen bey den Muhlen belegen vnd sein jewerle Hofehöue gewesen vnd von den Tarneuißen gebauet, im Nidern Cleutz aber da sie den dritten hoff zu bauen gemeint, in demselbigen dorff haben E. f. g. vermuge des Landtbuchs die höchste gericht."

Dagegen berichteten am 1. Sept. 1582 sämmtliche v. Tarnewitz auf Tarnewitz von

"dem vorhabenden vnd angefangenen gebew vff vnserm hoffe zur Lindenhase im Niddernklutze gelegen, — — — daß vnsere liebe Mutter in ihrem Wittwenstande vnd zuuor vnsere seligen Voreltern, vnd also vber — — 160 Jahr vnd vber Menschengedencken den oberwenten hoff als der Tarneuitzen vnstreittige guet eingehabt, — — — wie denn auch vor Zeidten ein Tarneuitz drauff gewohnett vnd alda seinen Rittersitze gehabt, vff welche vnsere gerechtigkeit auch vnsere mutter denselben hoff zu ihrem leib=

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geding einbehalten und drauff die gebew zu ihrer notturfft und gelegenheitt erweitern lassen."

Dagegen berichtete der fürstliche Amtmann am 15. September 1582:

"So uil denMeyerhofe in Neddernklütze anlangt, daß ist alwege ein Meyerhoff gewesen vnd der hoff zum Lindhasen genandt, darauff auch hiebeuor einer mitt Namen Heinrich Tarneuisse gewonett. — — Noch hebben die Tarneuissen 2 hoffsteden im Tarneuißerhagen, ohn den hoff, da sie vff wohnen, vnd ist die eine hoffstede, so im Tarneuißerhagen gelegen, das Guldenhorn genannt, dar vorschiener Jhare Stellan Wackenitzen Großvater vff gewohnet, vnd der ander hoff, so nun auch eine bloße stede vnd im Tarneuißerhagen belegen, ist die Vinckenborg genandt, dar hiebeuorn der alte Heinrich Tarneuisse vff gewonett."


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III. Zur Baukunde.

1. Mittelalter.


Kirchliche Bauwerke.


Die Kirche von Dambek,

auch

die Kirche von Minzow genannt.

Auf dem Felde des ritterschaftlichen Hofes Dambek bei Röbel zwischen Minzow und Dambek, auf den Ufern eines Sees,. steht im freien Felde unter Bäumen und dichtem Gestrüpp ein wundersames Gebäude, die Kirche von Dambek, jetzt auch die "Kirche von Minzow" genannt, von der Dorfschaft Minzow allein in dem noch erhaltenen Theile als Gotteshaus benutzt, in dem andern als Ruine; während das ehemalige Schiff in den offenen Trümmern der Ringmauern sich in die Luft erhebt, ist der Chor der Kirche mit einem Strohdache bedeckt. Die Merkwürdigkeit dieser Erscheinung wird aber noch bedeutend durch die Bauweise erhöhet, in welcher das Gebäude aufgeführt ist. Die ganze Kirche ist nämlich von Feldsteinen, d. h. von Granitgeschiebe, gebaut, und zwar nicht allein in den Ringmauern, sondern auch in allen Wölbungen, im Bodenpflaster u. s. w. Es ist kein einziges Stück Ziegelstein in und bei der Kirche zu entdecken. Die Außenfläche der Mauern ist von behauenen Granitsteinen; das Innere der Mauern ist mit kleinen Feldsteinen von gewöhnlicher, verschiedener Form in Kalk gefüllt. Der ganze Sockel der Kirche besteht aus sorgfältig behauenen, gegliederten Granitblöcken. Alle Wölbungen, in Thüren, Fenstern, Bögen und Deckengewölben, sind im Rundbogen ausgeführt; von Spitzbogen ist nirgends eine Spur zu finden.

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Die Kirche ist daher ohne Zweifel die allerälteste in ihrer Gegend und eine der ältesten im ganzen Lande: sie stammt wahrscheinlich noch aus dem 12. Jahrh., höchstens aus dem Anfange des 13. Jahrh., immer aber aus den allerersten Zeiten des Christenthums im südöstlichen Meklenburg. Daher ist an der Kirche auch noch kein Ziegel zu finden; als sie gebaut ward, hatte man hier noch keine Ziegelöfen, wenn auch der Baumeister schon Ziegel gesehen haben konnte.

Der Chor der Kirche ist ein Quadrat; er hat an jeder Seite, auch hinter dem Altare, zwei schmale, mit glatter Wangung schräge eingehende, rund gewölbte Fenster, von denen jedoch die beiden an der Nordseite, ohne Zweifel wegen des Anbaues der Sakristei, vermauert sind. Die Pforte, in der Südwand, ist aus behauenen Granitquadern im Rundbogen gewölbt und sehr wohl erhalten; die Gesimse sind mit Linien verziert. Selbst der alte Unterbau des Altars ist von behauenen Granitquadern. Der Chor ist jetzt mit einer Balkendecke bedeckt; jedoch stehen noch in den vier Ecken die glatten, abgerundeten Widerlagen aus Feldsteinen, welche früher ohne Zweifel ein halbkugelförmiges Feldsteingewölbe trugen, das den ganzen Raum überdeckte, wie man es noch oben an den Ringmauern bemerken kann, welche sich mehr zu Rundung neigen. Der Scheidebogen zwischen Chor und Schiff ist im Rundbogen gewölbt.

An die Nordwand des Chors ist die mit demselben zu gleicher Zeit gebauete Sakristei angelehnt, ein fast ganz dunkles, in seiner Art einziges Gebäude, welches noch jetzt als Beichtstuhl benutzt wird. Sie ist ebenfalls ganz und gar aus Feldsteinen gebauet: die Wände sind aus Feldsteinen, das halbkugelförmige Gewölbe ist aus Feldsteinen, selbst der Fußboden ist mit Feldsteinen gepflastert. Merkwürdig sind die Reste einer uralten Wandmalerei, welche mit dem Bau von gleichem Alter zu sein scheint. Unter den Gewölbekappen sind die Seitenwände im regelmäßigen Halbkreise oder Rundbogen abgeschnitten. Dieser die Seitenwände unter den Gewölbekappen begrenzende Rundbogen ist auf einem uralten, sehr dünnen, groben Kalkputz mit einer Borde verziert, welche ungefähr 3/4 Fuß breit ist. Sie besteht aus einer doppelten Reihe rechts hin laufender Rauten, welche abwechselnd und entgegengesetzt dunkelroth und hellgelb (oder weißlich) sind. Diese Borde ist in allen Linien durch nicht tiefe, aber scharfe Fugen abgegrenzt. Zu beiden Seiten läuft eine dicke rothe Linie parallel. Es sind außerdem noch mehr Spuren von Wandmalerei vorhanden, so z.B. unter den Widerlagen der Gewölbe, jedoch nicht mehr klar zu erkennen.

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Chor und Sakristei sind mit Stroh gedeckt, auch wohl noch das einzige Beispiel im Lande.

An den Chor schließt sich das Schiff, ein nicht unbedeutender Raum, dessen Höhe auch ziemlich groß gewesen ist, wie der noch stehende östliche Giebel beweiset. Dieser Theil der Kirche ist jetzt Ruine und umher mit dichtem Gebüsche bewachsen. Die Seitenmauern stehen zum Theile wohl noch in 2/3 ihrer Höhe und sind eben so gebauet, wie der Chor und die Sakristei; die ehemaligen Abtheilungen und Oeffnungen lassen sich nicht mehr klar erkennen. Wahrscheinlich hat man beim Bau die Wölbung mit Feldsteinen gewagt, aber die Gewölbe sind späterhin eingestürzt, und man hat weder Muth, noch Mittel gehabt, die Kirche herzustellen; und so ist das Schiff als Ruine stehen geblieben, nachdem man den Bogen zwischen Chor und Schiff vermauert hatte.

Diese Kirchenruine von Dambek oder Minzow ist der Kirchenruine von Papenhagen oder Rambow an Baumaterial und Baustyl sehr ähnlich und beide mögen wohl die ältesten Feldsteinbauten im Lande sein (vgl. Jahresber. VI, S. 103-104, vgl. IV, S. 91.)

Die Geschichte und der Verfall der Kirche lassen sich noch klar genug verfolgen.

Daß die Sage schon an der Geschichte eines so seltsamen Gebäudes umgestaltend arbeitet, ist nicht zu verwundern. In Minzow erzählt man: die Kirche habe einst zu einer "Stadt Gellin" gehört, von welcher noch ein nahes Holz den Namen Gellin führe. Die ganze Sage ist aber grundlos, da an dieser Stelle und überhaupt in der Pfarre kein Dorf Gellin existirte.

Die Geschichte redet dagegen ganz klar und verständlich. Nach den Acten und Kirchen=Visitations=Protocollen gehörte die Kirche immer zu dem ritterschaftlichen Hofe Dambek, welcher bis in das 17. Jahrh. ein altes Lehn der von Freiberg war; die Pfarre war früher auch in dem zu dem Hofe gehörenden Dorfe Dambek, in welchem auch die Kirche stand. Eingepfarrt waren die Dörfer Dambek mit dem Hofe, Minzow, Karchow und Bütow.

Karchow und Bütow hatten eigene Filialkirchen; die Dorfschaft Minzow ging nach Dambek zur Kirche. In neueren Zeiten ward der Hof Dambek an eine andere Stelle verlegt und das dazu gehörige Dorf ging ein; die Herrschaft des Hofes Dambek wandte sich nach dem Filial Karchow zur Kirche, da die Kirche zu Dambek verfiel. Und so kam es, daß die Pfarre nach Karchow verlegt ward, und nur die Dorfschaft Minzow an ihrem Rechte festhielt und die allein stehende Kirche zu Minzow besuchte.

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Die Kirche ward während des dreißigjährigen Krieges baufällig und gleich nach demselben absichtlich in den jetzigen Zustand versetzt. Es heißt bei der

Kirchen=Visitation vom J. 1649.
Dambeck.

Die Kirche und das Chor ist von alten Feltsteinen gebawet, ist von 8 gebind mit einem gantz vnduchtigen strohtache, vnd ist das tch über 5 gebinde gantz weg. Ueberm Chor sint auch große Lecken. Vorsteher sollen das übrige tach von der Kirchen wegnehmen vnd das Chor damit außbeßern.

Vom Thurm negst an der Kirchen von Holtzwerck gebawet ist die spitze abgefallen vnd ist darin eine glocke.

Pfarhauß ist nicht alhir zu Dambeck, sondern zu Karchow.

Diese Anordnung ward auch ausgeführt, denn im J. 1662 war die Kirche schon wüst. Es heißt in dem Protokolle er

Kirchen=Visitation vom J. 1662.
Dambeck.

Diese Kirche ist biß ans Chor niedergefallen biß vfs Mauerwerck vnd wirt itzo nicht darin gepredigt, weilen Jochimus Haußmann wegen seines ärgerlichen lebenß ab officio suspendiret worden.

Karchow.

Filiale zu Dambek, Karchow und Bütow.

Endlich heißt es in einem

Zeugenverhöre vom J. 1687.

Interr. Wo die Minsower in die Kirche gehen?

Resp. Sie gingen in die sogenandte Dambecker Kirche, so im wüsten Felde und 1/4 Meile von ihnen belegen, worin der Karchowsche Prediger predige.

Im 18. Jahrh. wird wiederholt gesagt, die dambeker Kirche liege mit drei Seiten im dambeker Hofacker und mit der vierten Seite am dambeker See.

G. C. F. Lisch.


Die Kirche zu Leizen

ist eine ähnliche Feldsteinkirche, jedoch schon im Uebergangsstyle gebauet und so viel überall restaurirt, daß der alte Charakter fast ganz verwischt ist.

G. C. F. Lisch.


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Ueber die Kirche und das Kloster zu Rehna,

von
G. C. F. Lisch.

Die Kirche zu Rehna ist für die meklenburgische Kunstgeschichte ein höchst merkwürdiges und wichtiges Gebäude, welches im Anfange des J. 1850 einer aufmerksamen Untersuchung unterworfen werden mußte, da die Restaurirung des Innern zur Frage stand und bereits in der Ausführung begriffen ist.

Zu Rehna, im Bisthume Ratzeburg, war während der katholischen Zeit ein Nonnenkloster, welches am 26. Dec. 1237 1 ) zwar für Nonnen Benedictiner=Ordens vom Bischofe Ludolf bestätigt ward, später aber, sicher vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, zum Prämonstratenser=Orden überging, aus dem auch das Dom=Capitel zu Ratzeburg hervorgegangen war; des Klosters Rehna kommt als dem Prämonstratenser=Orden angehörig im 14. Jahrh. in den Urkunden oft vor. Die Stiftung des Klosters war im Anfange des J. 1236, nach der ersten Urkunde 2 ) desselben vom 12. Mai (in der Woche vor Pfingsten) 1236, durch den Bruder Ernst veranlaßt und durch die Ritter Gottfried von Bülow 3 ) und Otto von Kowale (Kogel) mit Schenkungen von 30 Hufen Landes in Lübsee unterstützt; der Fürst Johann von Meklenburg verlieh dem Kloster die Freiheiten und Gerechtigkeiten des im J. 1219 gestifteten ältesten meklenburgischen Nonnenklosters Sonnenkamp oder Neukloster. Der Bischof Peter von Ratzeburg († 29. August 1236) und der Fürst Johann von Meklenburg hatten die Stiftung eifrig befördert. Im J. 1237 fügten die Ritter Gottfried von Bülow, Otto von Kogel, Johann von Bülow, Heinrich von Ertheneburg (Artlenburg), Thetlev von Gadebusch, Gottfried von Brütschow und Heinrich von Schwerin neue Schenkungen in den umliegenden Dörfern hinzu, welche der Fürst Johann von Meklenburg am 6. Sept. 1237 durch Schenkung der landesherrlichen Rechte an denselben und des Patronats der Kirche zu Wedendorf 4 ) vermehrte. Dieses Kloster ward vorzüglich von dem in der Nähe wohnenden


1) Vgl. Lisch Hahnsche Urk. I, B, Nr. VIII.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 205, Urk. Nr. I.
3) Im J. 1324 war schon eine Bülowen=Vicarei ("vicaria Bulowiensium") in der Klosterkirche zu Rehna. Auch in der Kirche zu Gadebusch war ein Bülowen=Altar, in der Klosterkirche zu Doberan eine Bülowen=Kapelle. Töchter aus dem v. Bülowschen Hause waren wiederholt Priorissen zu Rehna.
4) Vgl. Lisch Hahnsche Urk. I, B, Nr. VII.
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Adel 1 ) ausgesteuert, während die übrigen Klöster vorherrschend von den Landesherren durch Domainen dotirt wurden.

Am 26. Dec. (Weihnacht) 1237 bestätigte 2 ) der Bischof Ludolf von Ratzeburg, unter Zustimmung des Erzbischofs Gerhard von Bremen, welcher im August 1236 im Lande gewesen und das Kloster Sonnenkamp eingeweihet hatte, des Dom=Capitels von Ratzeburg und der meklenburgischen Landesfürsten Johann, Nicolaus, Heinrich (Borwin) und Pribislav vor einer zahlreichen Versammlung von Rittern und Priestern zu Ratzeburg die Stiftung des Klosters, nachdem kurz zuvor das Bisthum durch die Stiftung des Nonnenklosters Eldena von der Schande der Unfruchtbarkeit ("sterilitatis opprobrii jam oblito") befreiet war; er verlieh dem Klosterpropst bei dieser Gelegenheit das Patronat der Kirchen zu Wedendorf, zu Wismar und im Lande Bresen.

Der Ort Rehna bestand aber schon vor der Stiftung des Klosters, war aber nur ein Dorf (villa) von 9 1/2 Hufen, welches, wie noch heute die Stadt, eine sehr kleine Feldmark hatte, zu dessen Kirche aber, in der fruchtbaren, gewiß früh angebaueten Gegend, eine sehr große Gemeinde eingepfarrt 3 ) war. Kirche und Pfarre bestanden schon vor der Abfassung des ratzeburger Zehntenregisters 3 ), also vor dem J. 1230, da in demselben noch nicht von den Klöstern Eldena und Rehna die Rede ist. Die Kirche zu Rehna wird nach dem Baustyle aber viel früher, als 1230 gebauet sein. Vielleicht läßt sich das Alter der rehnaschen Kirche annäherungsweise angeben, wenn die Ansicht Stich hält, daß die Pfarrer nach dem Alter ihrer Kirchen aufgeführt werden; in der bischöflichen Bestätigungsurkunde des Klosters Rehna vom 26. Dec. 1237 sind viele Priester des Bisthums Ratzeburg aufgeführt und zwar in folgender Ordnung: Gadebusch, Vietlübbe, Wedendorf, Rehna, Pokrent, Salitz, Klütz, Damshagen, Elmenhorst, Wismar, Beidendorf, Gressow, Hohenkirchen, Grevismühlen, Dassow und Mummendorf.

Von diesen sind die Kirchen zu Gadebusch und Vietlübbe ohne Zweifel die ältesten, da sie im strengsten Rundbogenstyle erbauet sind. Nach diesen und Wedendorf würde Rehna kommen, was auch sicher ist, da die folgenden Untersuchungen ergeben


1) Im J. 1514 sagt der Bischof Heinrich von Ratzeburg aus gemißdeuteter Tradition:
"Nachdem eyner vnser seligen vorfarn Biscop Ludeloff genant sulck closter von der biscoplichen tafelen allererst gestiftet, begiftiget vnd na lude der fundacion erhauen hefft."
2) Vgl. Lisch Hahnsche Urk. I, B. Nr. VIII.
3) Vgl. Ratzeburger Zehntregister, herausgeg. von Arndt, S. 18-19:
VIII mansi Rene totum est episconi, preter mansum unum et dimidium, quos Volquinus habet.
3) Vgl. Ratzeburger Zehntregister, herausgeg. von Arndt, S. 18-19:
VIII mansi Rene totum est episconi, preter mansum unum et dimidium, quos Volquinus habet.
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werden, daß die rehnaer Kirche sehr alt ist. Die übrigen Pfarren, außer Pokrent, Klütz und Grevismühlen haben im 14. Jahrh. neue Spitzbogenkirchen erhalten; die drei zuletzt erwähnten Kirchen, namentlich Grevismühlen, haben noch viele Eigenthümlichkeiten aus dem Rundbogenstyle, wenn sie auch im Allgemeinen im Uebergangsstyle erbauet sind. Schon aus dieser Darstellung ließe sich auf ein hohes Alter der Kirche zu Rehna schließen, wie umgekehrt daraus der Satz, daß in alten Zeiten die Pfarrer nach dem Alter ihrer Kirchen aufgeführt werden, noch mehr Bestätigung finden würde.

Der Ort Rehna blieb noch lange Zeit ein Dorf oder ein offener Klosterort mit einigen Bauern und Handwerkern, wie es die meisten Klosterörter geblieben sind. Die Einwirkung der nicht sehr entfernten mächtigen Hansestadt Lübeck, welche viele Töchter nach Rehna schickte, mag aber dazu beigetragen haben, daß Rehna nach und nach ein mehr städtischer Ort ward. Schon zur Klosterzeit, im J. 1423, wird Rehna eine "Stadt" genannt und hatte einen "Rath" und "Bürger", wenn auch daneben noch Bauern. Der Ort erwarb aber keine Stadtprivilegien und keine Stadtfeldmark, sondern blieb Eigenthum des Klosters und nach dessen Säcularisirung "amtssässig", d. h unter landesherrlicher Verwaltung, bis am 30. Mai 1791 die Amtssässigkeit aufhörte und die Stadt eine Stadtordnung erhielt, welche ihr erstes Privilegium ward.


Um zuvor ein allgemeines Bild von der Kirche zu geben, so ist dieselbe ein langes, schmales Rechteck, ohne Kreuz= und Seitenschiffe, wie gewöhnlich die alten Kirchen der Nonnenklöster, für die starke Bevölkerung der großen Gemeinde jetzt allerdings etwas unbequem und drückend.

In der jetzigen Gestalt der Kirche erkennt man bei genauerer Untersuchung sehr klar das unaufhörlich ummodelnde Bauverfahren des jüngern Mittelalters, welches wo viele Kirchen zu erleiden gehabt haben. Zur Verständigung muß zuvor noch bemerkt werden, daß an die ganze Südseite der Kirche der Kreuzgang angebauet ist; hiedurch sind alle Fenster der Südseite bis auf einige Fensterwölbungen zugemauert.

Die Kirche besteht aus einem Thurme mit 1, einem Schiffe von 3 und einem Chore von 2 Gewölben, alle von gleicher Breite und in gleicher Richtung.

In der Kirche sind bestimmt 3 verschiedene Bau=Perioden zu verfolgen.

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Die älteste Kirche war ganz und rein im Rundbogenstyle von ungewöhnlich großen Ziegeln erbauet. Hievon ist der mit einem Hausdache bedeckte Thurm in seiner untern Hälfte noch ganz in seiner Eigenthümlichkeit erhalten. Die Pforte, welche zugleich die Hauptpforte der Kirche ist, ist ganz im Rundbogen 1 ) gewölbt und mit Wulsten von verschiedenfarbig glasurten Ziegeln eingefaßt. In der Kirchendachhöhe steht der bekannte Rundbogenfries aus Reliefhalbkreisen. In nicht großer Entfernung darüber ist neueres Mauerwerk aufgesetzt. Im Innern ist das Thurmgebäude noch mit dem uralten Gewölbe im Rundbogenstyle bedeckt; das Gewölbe ist rund, die Gewölberippen fehlen, statt dessen die Gewölbekappen in Näthen glatt zusammenstoßen; das Gewölbe, welches sehr reinlich und tüchtig gehalten ist, ruht auf sehr einfachen, vierseitigen Mauerpfeilern und das Ganze macht den Eindruck der Tüchtigkeit, Einfachheit und Würdigkeit.

Den alten Haupttheil der Kirche bildet das jetzige Schiff. Die alte Kirche war sehr niedrig, denn sie reichte nur ungefähr bis zur Hälfte der Höhe der jetzigen Seitenwand. Der alte Bau ist noch überall klar zu erkennen. An der Südwand steht, theils im Freien, theils auf dem Dachboden des Kreuzganges noch mehrere Fuß tiefer, als der Rundbogenfries des Thurmes, noch der Fries, welcher einst unter dem Dache die alte Kirche verzierte; er besteht aus 2 sich schneidenden rechtwinkligen Zickzacklinien in Relief, welche auf diese Weise zusammenstoßende Quadrate bilden; darüber liegt ein Band von übereck eingesetzten Steinen. Dieser Fries steht auf Lissenen, welche an den Ecken der alten Kirche hinaufgehen und theils an der jetzigen Außenwand, theils im Kreuzgange stehen; eine solche Lissene steht im Kreuzgange an der Stelle, wo jetzt der Scheidebogen zwischen Schiff und Chor ist, also da, wo einst die alte Kirche auch äußerlich einen Abschluß hatte. Unter dem Friese sind noch die alten Fenster zu erkennen. Die Kirche hatte, nach alter, symbolischer Weise, 12 Fenster, welche einfach construirt, kurz, schmal und im reinen Rundbogen gewölbt waren; auf der Südseite, auf dem Boden des Kreuzganges, sind sie zugemauert, auf der Nordseite sind sie durchbrochen und theilweise in die neuern hohen und weiten Spitzbogenfenster aufgenommen. Im Innern der Kirche stehen von dem ersten Bau in den Ecken an der Thurmseite noch zwei starke, schöne, runde Säulen oder halbkreisförmig gebildete, stark vorstehende Pilaster, welche einst die Rundbogengewölbe der Kirche trugen.


1) In Jahrb. VII, S. 72, ist nach einem flüchtigen Anblicke der Bau irrtümlich dem Uebergangsstyle zugeschrieben.
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Links am Eingange in die Thurmhalle steht noch das alte Weihbecken aus Kalkstein an die Wand angemauert, in Form einer runden Schale mit byzantinischen Verzierungen, auf einem kurzen Säulenschafte.

Der ehemalige Chor bildete wohl ein Viereck mit einer halbkreisförmigen Altartribüne. Jetzt ist der Chor mit einer graden Giebelwand geschlossen.

Wir besitzen also in der rehnaschen Kirche noch eine ziemlich vollständige Rundbogenkirche.

Im 15., theilweise vielleicht schon im 14. Jahrh., ward aber die ganze Gestalt der Kirche verändert; dieser Umbau giebt ein lebhaftes Bild von den Umgestaltungen (Mutationen), welche sich in dieser Zeit die meisten Kirchen in den rasch aufblühenden Städten gefallen lassen mußten. In Rehna lag der Grund der Mutation theils in dem allgemeinen Streben nach dem Besitze einer hohen Spitzbogenkirche, theils bei der raschen Bildung einer städtischen Gemeinde und der Vermehrung des "Gottesdienstes" in dem Mangel an Raum. Früher gehörte die Kirche wohl mehr dem Kloster, und die Gemeinde mußte die Zeit zum Gottesdienste wahrnehmen, wenn die Nonnen keine Andacht in der Kirche hielten. Als aber die Gemeinde größer ward und die Altäre sich mehrten, ward diese Trennung der Gemeinde von den Nonnen lästig, und man mußte darauf denken, einen obern Nonnenchor zu erbauen; dazu war aber die alte Kirche nicht hoch genug und der untere Raum der Kirche für die Gemeinde wäre dadurch fast ganz dunkel geworden. Man setzte also auf die alten Seitenmauern eine Erhöhung und vergrößerte die Kirche dadurch um das Doppelte der frühern Höhe; so hoch als die alten Seitenwände reichten, wurden Strebepfeiler angesetzt, die alten Fenster wurden theils ausgebrochen, theils zugemauert, und für den untern Raum der Kirche wurden kleine Fenster durchgebrochen, während die Kirche oben neue, große Spitzbogenfenster erhielt.

Dieses eigenthümliche Verfahren ward zum Theil durch die Klostergebäude bedingt. Das letzte Ende des Kreuzganges ist an die Südseite der Kirche angelehnt. In den ältesten Zeiten mußten sich die Klosterbewohner wohl mit einfachen Gebäuden in Holzwerk begnügen. Das massive Klostergebäude mit dem Kreuzgange ward im J. 1254 angelegt: in einem Ablaßbriefe des Cardinals Petrus für das Kloster Rehna vom J. 1254 wird ausdrücklich gesagt, daß sie damals angefangen hätten, das Kloster selbst, welches eine neue Pflanzung war, durch einen neuen, kostbaren Bau aufzuführen:

"monasterium ipsum, quod est nouella plantacio, inceperunt edificare de nouo opere sumptuoso."

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Der Kreuzgang ist in einem alten, würdigen Spitzbogenstyl von tüchtiger Arbeit ausgeführt. Wahrscheinlich fing man erst mit dem Klostergebäude an und bauete dann an dem Krenzgange fort, so daß das Ganze lange Zeit zur Vollendung bedurfte. Wahrscheinlich ist der Kreuzgang erst am Ende des 13. Jahrhunderts fertig geworden. Sollte aber der Kreuzgang gewölbt werden und ein passendes Dach erhalten, So mußten schon deshalb die Seitenmauern der Kirche erhöhet werden. Daher wurden die Fenster der Südseite der Kirche bei der Erhöhung derselben ganz zugemauert und dadurch alle Eigenthümlichkeiten der alten Kirche erhalten. Das Licht mußte also durch die Nordwand fallen. Zur Erhellung der ganzen Kirche wurden daher große Spitzbogenfenster construirt und für die Gemeinde, welche unter dem Nonnenchor saß, kleine Fenster durchgebrochen, jedoch auf eigenthümliche Weise. Man setzte von außen Strebepfeiler an die alte Seitenwand, so hoch diese reichte, brach zwischen diesen die alten Seitenwände unten ganz weg, verstärkte die Mauern, welche die Erhöhung tragen sollten, durch etwas plumpe, flache Bogen, schloß von außen die untere Wand in der äußern Flucht der Strebepfeiler durch eine neue Mauer, setzte in diese kleine, unförmlich gestaltete Fenster und bedeckte den dadurch entstandenen Raum mit kleinen Gewölben, wodurch man noch etwas Raum für die Kirche gewann. Daher stehen an der Nordwand des Schiffes jetzt 3 kleine gewölbte Kapellen, jede zwischen je 2 Strebepfeilern, welche bis zu dem ehemaligen Nonnenchor reichen und je 2 kleine, mit einem ganz flachen Bogen bedeckte Fenster haben, durch welche das meiste Licht in den untern Raum des Schiffes fällt. Man erkennt den Durchbruch und die Erhöhung noch ganz klar überall in der etwas rohen und unregelmäßigen Gestaltung des Mauerwerks, da wo geändert ist.

Die Steine der alten Rundbogenkirche sind von sehr großem Formate; die Steine in der Erhöhung sind viel kleiner.

Es ist die Frage, wann dieser Umbau vorgenommen ist. Die großen Spitzbogenfenster des Schiffes scheinen noch aus dem 14. Jahrhundert zu stammen; die Vollendung in ihrer jetzigen Gestalt wird aber erst im 15. Jahrhundert geschehen sein. Einen ziemlich sichern Führer geben 4 Wappenschilde in Relief, die auf den 4 innern Consolen angebracht sind, welche die Gewölberippen des Schiffes tragen; diese Wappenschilde waren auf dem Nonnenchore deutlicher zu sehen und bildeten einst einen Schmuck desselben. Heraldische Farben haben diese Wappenschilde nicht; die Schilde sind grün, die Figuren weiß. Zwei von diesen Wappenschilden, welche schräge gegenüberstehen, sind gleich: sie haben ein geschachtes Andreaskreuz und in dessen oberem

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Winkel einen bärtigen Kopf. Der dritte Schild an der Südseite hat ganz deutlich in der untern Hälfte drei Blätter und in der oberen Hälfte wahrscheinlich einen halben, quer getheilten Adler; der vierte Schild an der Nordseite hat ein laufendes Pferd, wie es scheint, oder ein anderes Thier. Diese Wappen haben die Entdeckung von urkundlichen Bestimmungen möglich gemacht. Der zwei Mal vorkommende Schild mit dem geschachten Andreaskreuze und dem bärtigen Kopfe in dem Oberwinkel gehört nämlich sicher der lübeker Patricierfamilie von Darzow (Darssow oder Dassow), deren Glieder Mitglieder der Zirkelbrüdergesellschaft 1 ) waren. Die lübeker Patricier schickten ihre Töchter 2 ) sehr häufig in das Kloster Rehna und bedachten dasselbe oft mit Schenkungen. Die beiden andern Wappen werden daher auch wohl lübeker Patriciern gehören. Die Aufstellung dieser Wappen hatte sicher eine besondere Veranlassung, welche uns auch nach aller Wahrscheinlichkeit aufbewahrt ist. Am Abend vor Martini (10. Nov.) 1430 verkauften 3 ) nämlich der Propst Johann Wendland, die Priorin Adelheid von Bülow und der Convent des Klosters Rehna an Hermann Dartzow, Gherd von Olsten, Hermann Rode und Barthold von Lünen, Bürger zu Lübek, Beförderer und Freunde des Klosters, 26 Mark lübischer Pfenninge unablösliche erbliche Rente aus des Klosters großer Landmühle und dessen einem Hofe zu Bentzin für 400 Mark lüb. Pf., welche Gherd von Olften und Hermann Rode, als Vormünder der verstorbenen Jungfrau Grete, Nonne zu Rehna, wailand Arnd's Grevismühlen Schwester, und Hermann Dartzow und Barthold von Lünen, als deputirte Beförderer des Klosters, aus des genannten Arnd Grevismühlen nachgelassenen Gütern eingefordert und mit großer Mühe und Arbeit zusammengebracht hatten. Von diesen 26 Mark Renten, welche der Propst jährlich zu Martini von den ersten Einkünften der genannten Grundstücke ewig und sicher zahlen sollte, sollte des lübeker Ratsherrn Brun Warendorp Ehefrau Telsche für die Zeit ihres Lebens nach der testamentarischen Verschreibung des


1) Vgl. Jahrb. X, S. 64, 83 und 94 flgd.
2) Vgl. außer den Urkunden des Klosters z. B. Schröder P. M. I, S. 1382, und das am Schlusse mitgetheilte Verzeichniß der Nonnen vom J. (1500), unter denen viele Lübekerinnen sind. Rehna stand, wahrscheinlich des Klosters wegen, in engem Verkehr mit Lübek; die rehnaer Klosterleute waren früher zollfrei in Lübek, wogegen das Kloster jährlich am stillen Freitage ein Fuder Brot nach Lübek schicken mußte. (Vgl. Schröder P. M. I, S. 592). Im J. 1501 verbot der Herzog Magnus bei der Revision der Klöster Rehna und Zarrentin, daß künftig Töchter von Lübekern in diesen Klöstern erzogen werden sollten. (Vgl. das. II. S. 2661).
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXII.
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Arnd Grevismühlen jährlich 18 Mark haben; die übrigen 8 Mark sollte der Propst jährlich an die Priorin, Kellnerin und Küsterin des Klosters zahlen, welche zusammen diese Summe nach ihrem freien Ermessen zum Bau innerhalb des Klosters (binnen closters tho dem buwe) verwenden sollten. Nach dem Tode der Telsche Warendorp sollten aber alle 26 Mark an den Convent ausgezahlt werden und die genannten 3 Klostervorsteherinnen dem Nonnenconvente zur Vertheilung 6 Mark zahlen, wofür die Nonnen verpflichtet waren, am Zahlungstage Vigilien und am folgenden Tage Seelenmessen für Arnd Grevismühlen und seine Schwester Grete zu singen; die übrigen 20 Mark sollten die genannten drei Klostervorsteherinnen nach ihrem freien Ermessen zum Bau des Klosters innerhalb des Klosters (an dat buwe vnses closters bynnen closters dar van to beternde vnde bestande to beholdende) verwenden, wie Arnd Grevismühlen es in seinem Testamente bestimmt und seine Schwester Grete ihre Vormünder herzlich um die Ausführung gebeten hatte. Der Kaufbrief sollte in den Händen der genannten drei Klostervorsteherinnen bleiben. Unter den Zeugen waren der lübeker Domherr Hermann Samyt, ehemals (1409-1413) Propst zu Rehna, und Johann Mölenknecht, Vikar an der Marienkirche zu Lübek, früher (1422-1423) auch Propst zu Rehna. Am Abend vor S. Barbara (3. Dec.) 1430 beurkundeten darauf Hermann Dartzow, Gherd von Olften, Hermann Rode und Barthold von Lünen, daß sie den Kaufbrief der Priorin, Kellnerin und Küsterin des Klosters vor dem ganzen Convente übergeben hätten, um ihn bei sich aufzubewahren und ihn mit der Ueberweisungsurkunde jährlich ein Mal vor dem ganzen Convente vorzulesen. 1 ) An dieser Urkunde hangen noch die Siegel des Hermann Dartzow mit einem geschachten Kreuze und einem bärtigen Kopfe in dem Oberwinkel, des Gherd von Olften mit einem Hauszeichen und des Barthold von Lünen mit einem dreiblätterigen Zweige und einem Adlerkopfe darüber; leider fehlt das Siegel des Hermann Rode.

Im J. 1440 war Metteke Dartzow 2 ) Nonne ("klostervrowe") im Kloster Rehna.

Hiernach wird sich die Erhöhung des Schiffes der Kirche bestimmen lassen. Wahrscheinlich geschah die Erhöhung schon am Ende des 14. Jahrh., da die Fenster noch im etwas strengern Spitzbogenstyle construirt sind, ward aber noch nicht gewölbt. Mit den dem Convente im J. 1430 geschenkten


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXIII.
2) Im J. 1324 war "dominus Hinricus de Darsowe, cantor Lubicensis, vicarius domini Johannis archiepisccopi Bremensis."
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Hebungen, welche zum Bau innerhalb Klosters nach Ermessen des Nonnen=Convents bestimmt waren, ward nun wohl das Schiff und damit zugleich der Nonnenchor gewölbt und deshalb wurden theils zum Andenken an die "Freunde" des Klosters, theils zum Andenken an die Ausführung des Baues die Wappen der "Beförderer" des Klosters an die Gewölbe gesetzt. Die Wölbung des Schiffes geschah also wohl bald nach dem J. 1430, etwa um das J. 1440, nachdem schon etwas Geld gesammelt war, welches damit bestimmungsmäßig angewandt ward. Vor dem J. 1430 wird das Schiff nicht gewölbt sein, da die Wappen ziemlich bestimmt auf die ungewöhnlichen Umstände bei dem Ankaufe und der Verwendung der Hebungen hindeuten.

Dies wird um so wahrscheinlicher, als ungefähr zu derselben Zeit der Chor umgebauet ward. Der Chor war früher ohne Zweifel kleiner und vielleicht mit einer halbkreisförmigen Altartribüne geschlossen. Die Vergrößerung der Chöre ist in der Zeit von ungefähr 1350-1450 sehr häufig. Der Chor der Kirche zu Rehna ist nun sicher zwischen 1440-1450, zum Theil auf alten Grundmauern, erweitert und bis zur Höhe des Schiffes erhöhet; die östliche Giebelwand ist ganz neu ausgeführt. Der Beweis liegt in der Construction der Fenster, namentlich des einzigen, großen, weiten Fensters in der östlichen Schlußmauer.

Es ist aber noch ein directer Beweis vorhanden. Südlich neben dem Altar steht ein alter geschnitzter Chorstuhl, welcher grade in eine Mauernische hinein paßt und also für dieselbe gebauet ist. Dieser Chorstuhl hat an jeder Seitenwand einen Wappenschild, rechts mit zwei gegen einander gekehrten "Flügeln", links mit einem gezäumten Pferdekopfe. Das Wappen rechts mit den "zwei Flügeln" ist das Wappen des ratzeburger Bischofs Johann II. Proel (1440-1454), welcher das Wappen grade so führte 1 ), wie es auf dem Chorstuhl steht; die beiden Wappenfiguren werden für "Flügel" gehalten, welche sich oben in Form einer kleinen Lilie umbiegen; nach andern Erscheinungen sind es zwei gebogene Angelhaken, welche im Laufe der Zeit so ausgeschmückt sind, daß sie kaum zu erkennen sind und eher sich schlängelnden Fischen gleichen, als Flügeln. Auch die ausgestorbenen meklenburgischen Familien v. Cöllen und v. Morin haben im 15. und 16. Jahrh. dasselbe eben so ausgeschmückte Schildzeichen und stimmen gewiß mit den v. Musteke darin überein, welche im 13. Jahrh. noch zwei grade Angelhaken im Schilde führen. — Das Wappen links mit


1) Vgl. Masch Bisth. Ratzeburg S. 349-350.
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dem aufgezäumten Pferdekopfe gehört dem Propste von Rehna Andreas Stallknecht ("Andreas Stalknecht prouest"), welcher sicher von 1441 bis 1448 Propst war; im J. 1440 war noch Petrus Richardes Propst, Ostern 1441 schon Andreas Stallknecht, der noch im J. 1448 auftritt, 1453 Heinrich Havemann, 1455 schon Nicolaus v. Penz Propst.

An einer rehnaschen Urkunde des Propstes "Andreas Stalknecht prouest to Rene" vom Sonntage nach Ostern 1441 hängt dessen rundes Siegel mit dem Bilde des Apostels Andreas, zu dessen Füßen ein Wappenschild mit einem gezäumten Pferdekopf rechts gelehnt ist, mit der Umschrift:

Umschrift

Dies ist vielleicht das einzige erhaltene Siegel des Propstes; die zweite Urkunde vom J. 1448 hat das Siegel verloren. Mehr Urkunden als diese beiden sind von diesem Propste nicht bekannt.

Der Chor wird also in der Zeit von 1441-1450 gebauet und das Schiff bald nach 1430 gewölbt, beide also ungefähr zu gleicher Zeit fertig geworden sein.

Hiezu stimmt auch der Altar, welcher sicher in der zweiten Hälfte des 15.Jahrh., nach der Vollendung der Kirche in ihrer jetzigen Gestalt, verfertigt ist. Der Altar ist ein Flügelaltar, an der Vorderseite mit Schnitzwerk bekleidet, von ziemlich guter, jedoch nicht ausgezeichneter Arbeit; namentlich sind die architektonischen Verzierungen schon aus dem Spitzbogenstyle gewichen und theilweise sogar durch Vergoldung und Malerei, statt durch erhabenes Schnitzwerk dargestellt. Der Mitteltheil stellt die Kreuzigung Christi mit frei stehenden Fluren in perspectivischer Anordnung dar. Noch auf der Mitteltafel stehen an jeder Seite der Kreuzigung zwei gekrönte weibliche Heilige unter Baldachinen über einander; für den Beschauer unten links die H. Elisabeth mit dem Korbe in der Hand, unten rechts die H. Barbara mit dem Thurme neben sich, oben links die H. Katharine mit dem Kaiser Maxentius unter ihren Füßen (sonstige Attribute fehlen, da die Arme abgebrochen sind), oben rechts die H. Margarethe (?) mit dem gefesselten Drachen unter ihren Füßen und einem offenen Buche in den Händen. In den Flügeln stehen an jeder Seite 6 Apostel. Ueber den weiblichen Heiligen hängt an jeder Seite noch ein kleiner Flügel, etwa 1 Quadratfuß groß, welcher über den obern Theil der Kreuzigung, der über die Flügel hinausragt, zusammenschlägt; jeder dieser beiden kleinen Flügel wird durch einen großen männlichen Kopf mit Bart und Mütze in der Tracht des 15. Jahrh. gefüllt; vielleicht stellen diese beiden Köpfe die Künstler dar, die den Altar verfertigt

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haben: die Darstellung ist sehr selten und sonst im Lande ohne Beispiel, so viel bekannt ist. Die hintern Seiten der Flügel, so wie die Doppelflügel, welche dahinter noch angebracht sind, haben auf jeder Platte 4, also im Ganzen 16 Gemälde mit Darstellungen aus dem Leben der Jungfrau Maria in Beziehung auf Christi Geburt und dessen erste Lebenszeit, also Darstellungen der Mutterfreuden Mariä.

Der Fuß des Altars ist mit einem langen, schmalen Gemälde aus der Zeit der Verfertigung des Altars geschmückt, welches jetzt durch ein neueres, schlechtes Gemälde verdeckt ist. So viel sich an der linken Seite erblicken läßt, so stehen hier einige (Prämonstratenser=) Nonnen in ganz weißer Kleidung mit einem rothen Kreuze auf dem Schleier vor der Stirne.

Oben auf den Altarschrein hat man eine plump gearbeitete Krönung der Maria gesetzt, welche früher an einer andern Stelle gestanden hat, und darüber ragt das ebenfalls schlecht gearbeitete Crucifix mit den Figuren der Maria und des Ev. Johannes hervor, welches auf dem arcus triumphalis stand. Fast alle Crucifixe auf dem arcus triumphalis sind in Meklenburg werthlos, mit Ausnahme des kunstreichen doberaner und vielleicht eines in Wismar.

Kirche und Kloster zu Rehna waren der H. Maria und der H. Elisabeth geweihet. Die alte Pfarrkirche zu Rehna war der Jungfrau Maria allein geweihet, wie die vor der Weihung des Klosters am 6. Sept. 1237 ausgestellte Urkunde 1 ) des Fürsten Johann über die Schenkung des Patronats der Kirche an das Kloster beweiset ("ecclesiam beate Marie virginis in Rene ad congregationem sanctimonialium ibidem contulimus"). Das Kloster dagegen war nach der Bestätigungs=Urkunde des ratzeburger Bischofs Ludolf vom 26. Dec. 1237 der H. Maria und der H. Elisabeth 2 ) geweihet ("cenobium sanctimonialium ordinis sancti Benedicti in villa, que Rene dicitur, ad honorem dei et sue piissime matris Marie et beate Elisabeth et omnium sanctorum fundavimus"). Und hiemit stimmt auch das alte (parabolische Klostersiegel überein; dieses hat eine doppelte, noch mit einigen Rundbogenornamenten verzierte Nische, in welcher links Maria mit dem Christkinde auf dem Arme sitzt, rechts eine weibliche Heilige mit einem Buche im Arme oder einem Korbe auf der Hand steht, mit der Umschrift:


1) Vgl. Lisch Hahnsche Urk., I, B, Nr. VII.
2) In der Kirche zu Rehna war schon im J. 1315 ein Altar der H. Elisabeth.
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Umschrift
(d. i. Sigillum sancte Marie virginis et beate Helizabeth in Rene.)

Der Altartisch ist mit einem großen alten Leichensteine bedeckt, welcher schon zur katholischen Zelt bei der Weihung des jetzt noch stehenden Altars darauf gelegt ist, da die 5 bischöflichen Weihkreuze in denselben eingehauen sind. Auf dem Leichensteine stehen in gothischen Nischen zwei den Kelch weihende Priester. Von der Umschrift ist nur Folgendes zu lesen, da der auf dem Steine stehende Altarschrein die eine Seite der Inschrift bedeckt:

Inschrift

Es lagen also unter dem Steine einst 2 verdiente Pröpste begraben. Der eine hieß Hermann, welcher am Tage Praxedis, =21. Juli, 1312 starb. Von 1275-1307 wird Hermann als Propst genannt; vielleicht sind unter diesem Hermann zwei Pröpste gleiches Namens zu verstehen; vom J. 1310 bis 1315 wird Heinrich genannt, nachdem Hermann wahrscheinlich resignirt hatte. Auf Heinrich folgte 1318-1334 Johannes. Der andere Propst, der unter dem Leichenstein lag, kann also nur Heinrich gewesen sein, wenn in dem Johannes nicht zwei dieses Namens stecken. Wenn aber Heinrich gemeint ist, so muß auch dieser vor 1318 resignirt haben.

Der Leichenstein läßt sich also folgendermaßen interpretiren und ergänzen:

Anno domini MCCCXX [in die . . . . . . . . .[obiit Henricus prepositus ecclesie Renensis. Anno domi]ni MCCCXII in die Praxedis virginis obiit Hermannus prepositus ecclesie Renensis. Orate pro eis. Isti prepositi duo te bene Rene regentes non sint depositi, set [sunt aeterne viventes].

Der letzte Theil der Inschrift bildet offenbar zwei leoninische Hexameter zum Lobe der beiden Pröpste.

Dieser Leichenstein ist der einzige alte Leichenstein, den die Kirche noch besitzt.

Dies sind alle Alterthümer aus der katholischen Zeit, welche sich in der Kirche noch finden.

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Die Ordnung und Zucht war (nach Crantzii Vand. lib. 8. Metrop. c. 8. vgl. Schröder P. M. I, S. 584) in dem Dom=Capitel zu Ratzeburg früher so strenge, daß es carcer ordinis genannt ward; zum großen Theile lag dies wohl in der Bildung und Sittsamkeit des Prämonstratenser=Ordens.

Durch den Ruf, den das Kloster erlangte, war das Kloster und später das Amt Rehna auch öfter Aufenthalt meklenburgischer Fürstinnen, dessen sich das Kloster Eldena nicht rühmen konnte.

Schröder in den Wism. Erstl. sagt, es sei 1350 Elisabeth, Herrn Johannis IV. zu Meklenburg und Gadebusch Tochter, Priorin hier gewesen und habe noch 1352 gelebt. Worauf sich diese Angabe gründet, weiß ich nicht; im J. 1356 lebte eine Priorin Elisabeth zu Rehna.

Am 19. Jan. 1491 starb im Kloster zu Rehna ("to Rene amme closter") die Herzogin Dorothea, Gemahlin des Herzogs Heinrich III. von Meklenburg († Sonntag Oculi, d. i. den 9. März 1477), des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg Tochter, welche das nahe Gadebusch zum Leibgedinge hatte. Sie ward in der Königs=Kapelle zu Gadebusch begraben, wo noch ihr Leichenstein liegt; daß sie im Kloster Rehna, wohin sie sich wahrscheinlich zurückgezogen hatte, starb, ist ausdrücklich in der Inschrift auf ihrem Leichensteine 1 ) gesagt.

Im J. 1452 starb im Kloster Rehna die Prinzessin Katharine, der eben genannten Herzogin Dorothea erste Tochter. Diese Thatsache ist bisher noch nicht genau erforscht. In der in Westphalen Mon. ined. IV, p. 870 abgedruckten neuern lateinischen Uebersetzung von Slaggert's Chronik des Klosters Ribnitz heißt es:

Katharina, 1444, quae obiit virgo in monasterio quodam, quum esset annorum septem.

Hiernach giebt Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 817 das Jahr 1451 als Sterbejahr an, indem er zu 1444 das Lebensalter von 7 Jahren hinzurechnet. In der deutschen Original=Abfassung der Chronik steht aber kein Jahr, sondern nur bei dem Berichte über des Herzogs Heinrich Kinder:

Froychen Katherina was in eynem iuncfrowencloster werlick vmme ghestlyker tucht wyllen vnd gude sede tho leren, vnde do se VII iar olt was, vyl se van euer treppen, dar van se starff.


1) Vgl. Jahrber. III, S. 135.
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Bei dem Berichte über dieses traurige Familienereigniß ist weder Zeit noch Ort angegeben. In einer Rechnung des Amtes Gadebusch heißt es aber:

Anno domini MCCCLII dat is dat ik van paschen wente to sunte Michels daghe koft vnde vtegeuen hebbe tor kokene vnde des slotes behoff. — — — — — — — — —

Ene halue last beres quam to Rene, do dat vroychen beghân 1 ) wart, de tunnen IX s., den dregheren I s.

Hierunter kann nur die Prinzessin Katharine verstanden werden, welche nach dieser Nachricht zwischen Ostern und Michaelis 1452 zu Rehna starb.

Zu der Zeit, als die Herzogin Dorothea zu Rehna starb, war die Herzogin Elisabeth, des letzten Herzogs Ulrich II. von Meklenburg=Stargard Tochter, die vorletzte 2 ) des Hauses Stargard, Priorin des Klosters Rehna. Die Geschichte dieser Prinzessin liegt noch völlig im Dunkeln; Rudloff sagt, sie sei vor 1505 Priorin gewesen und habe noch 1522 gelebt, und mehr ist bisher nicht bekannt geworden. Nach den Urkunden des Klosters Rehna ward sie schon (1489 oder) 1490 Priorin; im J. 1489 wird die Priorin Elisabeth von Oertzen noch zwei Male genannt, im J. 1490 aber schon "Lysabeth hertoginne priorne", sie ward also ungefähr 21 Jahre alt Priorin, nachdem sie nach ihres Vaters Tode in ihrem 10. Lebensjahre ins Kloster gegeben war. Sie wird in den Urkunden noch 1518 und 1522 und in den Acten des Klosters noch 1525 und 1526 öfter genannt. Sie starb aber erst im J. 1532; denn

"Anno XXXII am montag nach conceptionis Marie (9. Dec.) zu Rhene in der grossen dorntz sint durch — — beyder regirenden fursten von Mecklenburg dar zu verordenten Mathias von Ortzen, ritter, Caspar von Schoneich, kantzler, Jurgen von Karlewitz, amptman zu Gadebusch vnd Wittenborg, Michil Hildebrands secretarien vnd Arnold Ilowen kuchenmeistern zu Gadebusch der erwerdigen hochgebornen furstin frowen frowen Elizabet, gebornen hertzogin zu Meckelnborg, priorissen zu


1) "beghân wart", d. h. mit Seelenmessen begangen ward.
2) Des Herzogs Ulrich II. Schwester Magdalene, welche in zweiter Ehe mit dem Grafen Burchard von Barbi vermählt war, starb erst am 13. April 1533 zu Magdeburg; vgl. Boll Gesch. des Landes Starqard II, S. 192.
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Rhenezeliger gedechtnis nachgelassen guter stuckweise inuentirt vnd beschrieben worden."

Seit dem J. 1576 gehörte das Amt Rehna (nebst Lübz und Wittenburg) zum Leibgedinge der Herzogin Anna Sophie, († 1591), gebornen Prinzessin von Preußen, Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht I., welche zu Lübz residirte.

Seit dem J. 1592 bildeten dieselben Aemter das Leibgedinge der Herzogin Sophie, gebornen Prinzessin von Holstein, Gemahlin des Herzogs Johann, welche ebenfalls zu Lübz Hof hielt. Diese ungewöhnlich kräftige und thätige Frau 1 ) bewirthschaftete ihre Leibgedingsgüter selbst und war in Verwaltungsgeschäften häufig in Rehna, wo sie im J. 1617 den viel besprochenen, aber nicht bedeutenden Rittersaal, von dem jetzt nichts mehr vorhanden ist, einrichten ließ. Auch ließ sie in der Kirche neben dem Altare ein fürstliches Chor erbauen, auf dessen Brüstung zwei Male das meklenburgische und in der Mitte das holsteinsche Wappen gut in Holz geschnitzt jedoch schon stark vom Wurme zerfressen sind, so daß sie sich nicht mehr werden erhalten lassen. Das eine meklenburgische und das holsteinsche Wappen deuten wohl auf die Herzogin Sophie, das zweite meklenburgische Wappen wohl auf ihre Tochter Anna Sophie, welche unvermählt blieb.

Die Herzogin Sophie hinterließ bei ihrem Tode 1634 durch Testament 2 ) das Haus Rehna mit der Einrichtung ihrer unvermählten Tochter Anna Sophie, welche hier seitdem lebte und im J. 1648 starb. Sie ward im Dome zu Schwerin begraben 3 ).

Im J. 1701 starb hier die Prinzessin Juliana Sibylla, welche ebenfalls Rehna zu ihrem Unterhalt inne hatte.

Außer dem fürstlichen Chore ist von neuerm Mobiliar nur noch die Orgel beachtenswerth, welche 1682-83 gebauet ist und gutes Schnitzwerk hat.

Das jetzige Mobiliar stammt zum großen Theile aus dem J. 1651. Die Kirche war nach dem Tode der Herzogin Sophie nach und nach in Verfall gerathen. Schon durch den großen Sturm am Sonntage Esto mihi 1647, welcher im Lande viel Schaden that, war das Thurmdach sehr schadhaft geworden, jedoch im J. 1649 wieder in tüchtigen Stand gebracht. Im J. 1651 (zwei Jahre vor der "großen Kirchen=Visitation" 1653) ward die Kirche inwendig ausgebessert und ausgeweißt und


1) Vgl. Jahrb. XV, S. 79 flgd.
2) Vgl. Jahrb. XV, S. 97.
3) Vgl. Jahrb. XIII, S. 174.
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erhielt zur Befestigung der Gewölbe, hölzerne "neue Anker", welche bei ihrer großen Zahl und geschmacklosen Bemalung der Kirche eben nicht zur Zierde gereichen. Aus dieser Zeit sind allerlei geschmacklose Stühle (1653) und die eben so schlecht und kunstlos gearbeitete Kanzel. Häufig wird in den folgenden Jahren über den schlechten Zustand der Nordwand des Chores geklagt, welche das Dach nicht tragen konnte und im J. 1698 oben "übergeschoben" war, so daß man den Einsturz des Gewölbes befürchtete. Dieselbe Klage ward 1766 wiederholt. Daher ward im J. 1769 "der große steinerne Giebel (hinter dem Altare), "welcher der Kirche den großen Schaden zugefügt, herabgebrochen" und "der erste große neue Pfeiler wiederum angelegt." Im J. 1716 ward berichtet, "daß die Kirche nach der Nordseite mit neuen Pfeilern wohl verwahrt" worden sei. Im J. 1722 ward eine "Renovation" des Innern der Kirche dringend begehrt, jedoch nichts Durchgreifendes ausgeführt, sondern nur hin und wieder und zwar sehr schlecht nachgeholfen.

Daher ist jetzt eine durchgängige Erneuerung des gesammten Mobiliars, mit Ausnahme des Altars und der Orgel, dringend nöthig befunden und in Angriff genommen.


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Verzeichnis

der

Nonnen des Klosters Rehna

um das Jahr 1500.

Um das J. 1500, zu den Zeiten der Priorin Herzogin Elisabeth, waren folgende Nonnen im Kloster:

Desse nascreuen borynge blyfft na alle iar den closterfrowen tho Rehne.

Armegart Pentzen X mk.
Margareta Bertzen X "
Leneke van Ortzen XX "
Mette Quitzowen XIX "
Katherina Plessen XII "
Gyszell Pentzen X "
Magdalena Lutzowen XVI "
Anna Schonenfeld X "
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Ilsebe Darsowen XVIII mk.
Gheseke Groten VI "
Gheseke Rentzelmans XXII "
Gheseke Vreszen XII "
Anneke Bahelf VIII "
Gretke Bullekens XXV "
Katherina Hopp XX "
Hertke Karkrinck XXX "
Heyelke Bere L "
Metke Kerckrinck XXX "
Abel Pelsz XL "
Geseke Bostelsz XX "
Soffke Grawerd V "
Anneke van Achten XII "
Anna Gumeren VIII "
Taleke Schonewedder XX "
Anna Scharpenberch VIII "

Das Kloster ward im Juli 1552 säcularisirt. Es blieben bei dem weltlichen Angriffe nur die Priorin und zwei alte Nonnen standhaft auf dem Platze, welche ein jüngeres Mädchen bei sich behielten. In der Beschreibung des Amtes Rehna vom J. 1553 heißt es:

"Zuuor ist durch den Herrn Licentiaten (d. i. den Canzler Johann von Lucka), Andreas Bessel etc. . den 3 Nunnen vermacht Anno 1552 in mense Julio, wie folgt u. s. w. — — — — — — — Hiernach folgt was den Jungkfrawen, so noch (1553) im Kloster sint, jerlichen auf folgende Personen (auf Lebenszeit) sol gereichet werden.

Der personen seint IX, nämlich
I Die Priorin (Katarina Sperlings).
II Megde.
I Junckfrawlein.
II Alte Junckfrawen (Anna Grunenwald
                                       und
                             Geseke Kerkrings).
II Megde.
I Alte Waschfraw."


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Verzeichniß

der Pröbste und Priorinnen

des Klosters Rehna.


Pröpste. Priorinnen.
1236-(1238). Ernst 1 ).
1244-1251. Eckhart.
1260-1261. Conrad 2 ).
1267-1271. Heinrich.
1275-1307. Hermann (I und II ?). Margaretha 1312 — —.
1310-1315. Heinrich. Gertrud (Gese) 1313 — —.
1318-1330. Johannes. Adelheid 1318-1323.
1333-1334. Johannes. Gertrud 1333 — —.
1343-1346. Werner. Alburg 1343-1348.
1348 — —. Arnold.
1353-1372. Marquard Berman.
Klammer Elisabeth 1350 — —.
Margaretha 1367 — —.
Bertradis 1372 — —.
1376-1389. Erich Swertze. Klammer Margarethe Booth 1376 — —.
Bertha Kulen 1387-1389.
1398-1413. Hermann Samit 3 ). Sophie Ritzerow 1398-1400.
1414-1416. Johann Gode.
1422-1423. Johann Mölenknecht 4 ).
Klammer Adelheid Rütze 1409-1422.
1430-1435. Johann Wendland 5 ). Adelheid v. Bülow 1430-1439.
1439-1440. Petrus Richardis.
1441-1448. Andreas Stallknecht 6 ).
Klammer Sophie v. Bülow 1440 — —.
1453 — —. Heinrich Havemann.
1455-1474. Nicolaus v. Penz 7 ).
Klammer Pelle v. Bülow 1455-1457.
1476 — —. Conrad Sidenbecker. Sophie v. Plessen 1474-1476.
1479-1481. Johann Borstell.
1486 — —. Johann Thun.
1489 — —. Hermann Tegeler 8 ).
Klammer Elisabeth v. Oertzen. 1479-1489.
1493-1494. Albert Make 9 ).
1502-1504. Johann Bernefür.
 — —1515. Simon Bremer 10 ).
Klammer Elisabeth, Herz. v. Mekl. 1490 †1532.
1543 — —. Ambrosius Gulden 11 ). Catharina Sperling 12 ) 1543-1552.

1) Der "frater Ernestus" wird 1236 als Gründer des Klosters angegeben.
2) Conrad wird 1260 und 1261 der dritte Propst genannt: Conradus Raceburgensis canonicus, Renensis ecclesie prepositus tercius.
3) Hermann Samit resignirte und ward Domherr zu Lubeck; im J. 1414 Wird er: Hermannus Sammyd pridem prepositus und 1430 Hermen Samyt domhere to Lubek genannt.
4) Johann Molenknecht heißt 1430 her Johan Molenknecht, ichteswanne prouest, vicarius in vnser leuen vrowen korken to Lubek.
5) Johann Wendland war 1438 Dechant zu Schwerin (deken to Zwerin) und sagt: in den tiden do ick prouest to Rene was.
6) Andreas Stalknecht war Propst nach zwei Urkunden von vridages vor lichtmissen 1441 und des andern sundaghes na paschen 1448.
7) Nicolaus v. Pentz kommt späterhin im J. 1479 noch ein Mal als "vorweser" des Klosters vor.
8) Hermann Tegeler war 1489 domhere to Swerin, vorweser des klosters to Rene.
9) Im J. 1492 war die Propstei erledigt und Streit über die Besetzung zwischen dem Bischofe von Ratzeburg und den Herzogen von Meklenburg. Im J. 1493 war ein Doctor vorweser und im J. 1494 der "priger (prior) to Ratzeborch vorweser des klosters." Dies kann kein anderer sein, als der Dr. Albert Make, welcher damals noch (letzter) Prior des Prämonstratenser=Dom=Capitels zu Ratzeburg war; vgl. Masch Bisth. Ratzeburg S. 388-389.
10) Simon Bremer hatte im J. 1515 resignirt.
11) Im J. 1543 hatte der Herzog Albrecht den Stefan Setler als Probst eingesetzt, den der Herzog Heinrich aber nicht anerkannte. In demselben Jahre tritt Ambrosius Gulden als Propst in einer Urkunde auf.
12) Catharine Sterling war die letzte Priorin. Nachdem das Kloster im J. 1552 säcularisirt war, erhielt sie auf Lebens Zeit ein Deputat.
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Die Kirche zu Kirchdorf auf Pöl.

Wer auf die Größe des Gebäudes hin in der pölschen Kirche ein bemerkenswerthes architektonisches Werk erwartet, wird sich getäuscht sehen. Die alte, ursprüngliche Kirche, welche nicht vor 1210 erbaut sein wird (vgl. Schröders P. M. S. 514), hat einem späteren Bau weichen müssen, und man sieht nur noch an beiden Seiten des Thurms ein Stück Mauerwerk mit einem Rundbogenfriese und einem romanischen Simse als Ueberbleibsel derselben. Die jetzige Kirche hat einen fünfseitigen aus dem Achteck construirten Chorschluß. Von diesem bis zum Thurm hat sie eine Länge ungefähr von drei Chorweiten und eben so viel Gewölbe, von denen eines zum Chor und zwei zum Schiffe, die übrigens gleich spielen, genommen sind. Auf dem vierten Rechteck erhebt sich der Thurm. Die Dienste im Chorschlusse sind rund und von sehr beträchtlicher Stärke, die in der übrigen Kirche an den Langseiten sind aus drei Diensten jener Art zusammengesetzt, von denen die beiden seitlichen jedoch nur zu einem Viertel und der mittlere zur Hälfte sichtbar ist 1 ). Die Kragsteine, welche für jede Walze besonders sind, sind vielseitig und oben umfänglicher, als unten, sonst aber glatt. Das sechskappige Gewölbe des Chorschlusses hat einen großen vierseitigen Schlußstein, auf dem ein Stern ausgehauen(?) ist, die übrigen drei haben kleine Schlußsteine, dabei aber noch die alten Gewölbescheiben, welche der Unverstand aus den meisten Kirchen entfernt hat. Die Strebepfeiler sind, wie das ganze Mauerwerk, roh und schlecht. Die Fenster sind im Chor zweizeilig, im Schiffe aber dreizeilig, was jedoch nicht der einzige Unterschied zwischen beiden ist. Der Chor ruht auf einem Granitsockel, das Schiff nicht; der Chor hat ein Sockel= oder Schrägsims von glasurten Ziegeln, das Schiff hat keines; die Mauerblenden innen unter den Fenstern sind im Chore niedrig und weit und ihre Kante ist abgefas't; im Schiffe sind sie hoch und schmal und haben keine Abfasung; die Gliederung ist durchaus verschieden an den Einschrägungen der Fenster und Thüren; den hauptsächlichsten Unterschied bedingt aber die Form des Spitzbogens. Während nämlich im Chore die Oeffnungen mit einem Spitzbogen geschlossen sind, der mindestens aus den Endpunkten seiner Basis, wenn nicht von Punkten außerhalb derselben, construirt ist, sind im Schiffe theils jene flachen Spitzbogen, die von Punkten innerhalb der Basis construirt sind, zu finden, theils sogar der winklige Schluß,


1) Geometrische Construction: Aus den 4 Winkeln eines Quadrats beschreibe mit der halben Diagonale Kreise. Die Hälfte des so entstehenden Vierpasses nachher Diagonale des Quadrats geschnitten giebt den Dienst.
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welcher sich in den spätesten Bauten Pommerns und dem jüngeren Langhause des schweriner Domes findet. Ob man hierauf ein neueres Datum für das Schiff annehmen darf, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden. Der Eindruck, welchen das Aeußere macht, ist jedenfalls der eines Baus aus dem 16. Jahrh., in welches der Thurm wohl ohne Zweifel gehört, dessen rohe Verzierungen und kahle Schildgiebel sammt den mit einem Rundbogen geschlossenen Fenstern ziemlich deutlich auf den Verfall der Kunst hinweisen.

An die Südseite des Chors ist eine schmucklose Vorhalle gleichzeitig angebaut und an der Nordseite eine Sakristei, deren Aeußeres sehr ruinirt ist.

Was das Mobiliar der Kirche anlangt, so sind Kanzel, Taufe, Orgel und Stühle aus der neueren Zeit. Auf dem Altar stehen aber noch zwei Tafeln, eine jüngere und kleinere auf der älteren. Letztere enthält in der Mitte den Erlöser und die Jungfrau sitzend, und neben ihnen zu beiden Seiten 7 Figuren, rechts 7 Apostel, von denen 4 auf den Flügel kommen, links den h. Nikolaus, dem, als Patron der Seefahrer, die Kirche wahrscheinlich gewidmet war, und die übrigen Apostel nebst noch einem Heiligen. Unter diesen Bildern läuft die ganze Tafel entlang eine Reihe von Brustbildern weiblicher Heiligen. Das Schnitzwerk, an Baldachinen u. s. w., ist vortrefflich in Arbeit und Styl, die Figuren dagegen sind schlecht und haben durch eine sehr vorspringende Stirn fast alle einen eigenthümlichen Ausdruck. Das dazu gehörige Staffelbild ist ein schlechtes Machwerk des 16. Jahrhunderts. Die kleinere Tafel ist sicher um das J. 1500 verfertigt. Sie enthält in der Mitte die Mutter Maria mit dem Kinde in einer Strahlenglorie, im rechten Flügel oben die Verkündigung, unten die Beschneidung, im linken oben die Geburt und unten die Anbetung durch die drei Könige. Die Arbeit ist gewöhnlich. Auf der Rückseite jedes Flügels ist eine weibliche Heilige dargestellt. Beide sind sehr beschädigt, zeigen aber die Fortschritte, welche die Malerei gemacht hatte, die um jene Zeit die Schnitzkunst überflügelte. Reste eines alten Chorstuhls lassen bedauern, daß er nicht besser erhalten ist. Das Crucifix und die Figuren auf dem Balken unter dem großen Scheidebogen sind, wie gewöhnlich, schlecht.

Daß die Kirche ausgeweißt ist, brauche ich wohl kaum ausdrücklich zu sagen. Das Gewölbe ist sehr verständig, wenn auch in einem schlechten Styl, bemalt.

In der Kirche liegen mehrere alte Leichensteine, doch sind nur die Inschriften von zweien zu lesen. Auf dem einen steht:

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Inschrift

Ein anderer, nur zur Hälfte erhaltener Stein zeigt unter schmucklosen Rundbogen die Conturen eines mit einem langen Messer bewaffneten Mannes und einer Frau. Die Umschrift lautet:

Inschrift

Auf einem andern Stein ohne Inschrift ist ein Kreuz mit einer Verzierung daran ausgehauen. Dieser Stein hat die Grundform eines Sarges und ist kein Kalkstein.

Ein kleiner silberner Kelch aus dem 15. Jahrh., den Asmus Lembke hat vergolden lassen 1649, ist ohne besonderen Kunstwerth.

Auf dem Thurme hangen drei Glocken: die größte ist von 1396, die mittlere hat keine Inschrift, die der kleinsten ist nicht zu erkennen der Höhe wegen.

C. D. W.

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Ueber die Kirche zu Neu=Brandenburg.

Vor allen Kirchen in Meklenburg=Schwerin und Strelitz zeichnet sich die Kirche zu Neu=Brandenburg durch ihren äußern Schmuck von durchbrochener Ziegelarbeit aus. Während die durchbrochene Arbeit in den Ländern, wo man Bruchsteine zu den Kirchen nahm, sehr häufig, ja fast in der Regel ist, kommt sie in den Ländern, wo man auf den dauerhaften, aber schwer zu behandelnden Ziegel angewiesen war, fast gar nicht und höchstens nur in einzelnen, kleinen Ornamenten vor; ja selbst zu diesen, wenn sie etwas größer waren, z. B. Fensterbogen Rosetten u. dgl. bediente man sich eines Stucks, häufig aus Kalk, Sand und Asche bestehend. Kirchen, wie die neubrandenburger, stehen, wie gesagt, in ganzen Ländern einzig in ihrer Art da. Die gleichmäßige und dauerhafte Ausführung eines solchen Werkes hat zu viele Schwierigkeiten im Auffinden und Bearbeiten, Formen und Brennen des Thons, als daß man sie ohne große Erfahrung und Gefahr so leicht wagen könnte; bei

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Bauten aus Werkstücken ist es mit dem Behauen allein schon gethan.

Um so mehr fordert ein solches Werk zum ernstesten Studium auf und dieses wird vorzüglich durch die Vergleichung gefördert. Nach vieljährigen Beobachtungen habe ich in den norddeutschen, flachen Küstenländern nur Eine Kirche 1 ) gesehen, welche mit der neubrandenburger in ähnlichem Style erbauet ist, nämlich die Kirche zu Prenzlau; diese muß also zugleich neben jener studirt werden. Die prenzlauer Kirche ist groß und sehr reich mit durchbrochener Thonarbeit bedeckt, jedoch lange nicht so edel und schön, als die neubrandenburger. Außerdem besitzt Prenzlau noch mehrere interessante mittelalterliche Bauwerke an Thoren, Befestigungsthürmen u. dgl. Ueberhaupt aber haben die flachern Länder, wie Pommern und die Neumark, mehr mittelalterliche Befestigungsthürme aufzuweisen, als Meklenburg; wahrscheinlich kommt dies daher, daß Meklenburg viel natürlichen Schutz durch Höhen, Wasser und Moore hat, welcher den östlichen Gegenden fast ganz fehlt. In Meklenburg=Schwerin wurden in alten Zeiten die festen Plätze durch Moore und Seen geschützt, in den östlich davon gelegenen Ländern mußte man sie durch Mauern und Thürme, also durch Bauwerke, schützen.

G. C. F. Lisch.

Ueber die Kirche zu Tempzin

(vgl. Jahrb. S. 150 flgd.)
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Die Kirche zu Zarrentin.

Im Jahresbericht IV, S. 84 flgd. ist die Kirche und das Kloster zu Zarrentin beschrieben.

Das alte Klostergebäude mit dem Kreuzgange gehört zu den schönsten und interessantesten mittelalterlichen Bauten in Meklenburg.

Die Kirche, welche zugleich Pfarr= und Klosterkirche war, ist aber in einem sehr schlechten Style und völlig ungegliedert, schmucklos und leicht aufgeführt. Sie hat nur dadurch ein kunsthistorisches Interesse, daß sich jetzt die Zeit ihrer Erbauung angeben läßt. Die alte Kirche, welche schon vor dem J. 1252 stand, war in der Mitte des 15. Jahrh. so verfallen und baufällig (ruinosa et ex antiquitate diruta), daß ihr Einsturz zu befürchten war. Die Vorsteher der Kirche und des Klosters


1) Die Kirche zu Königsberg in der Neumark ist nach Abbildungen und Nachrichten auch sehr schmuckreich; ob sie jedoch mit durchbrochener Arbeit geziert ist, habe ich noch nicht ermitteln können.
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beschlossen daher, diese baufällige und veraltete Kirche (antiquatam ecclesiam) abzubrechen und eine neue, steinerne Kirche (petroso opere) mit steinernen Gewölben (lapideis testudinibus) von Grund aus neu zu erbauen. Da aber das Vermögen der Kirche nur schwach war, so nahm man zu milden Beiträgen seine Zuflucht, und zu diesem Zwecke verlieh der ratzeburger Bischof Johann III Preen der Kirche am 1. März 1460 einen vierzigtägigen Ablaß 1 ) unter Angabe der hier erzählten Umstände. Die jetzige Kirche zu Zarrentin hat also vor dem J. 1460 noch nicht gestanden und ist wahrscheinlich in den nächsten Jahren nach 1460 erbauet worden.

G. C. F. Lisch.

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Die Pfarrkirche zu Güstrow.

Die Pfarrkirche zu Güstrow erscheint als ein im Aeußern sehr unschönes, im Innern sehr verworrenes Kirchengebäude: das Aeußere erscheint unschön durch die weiten Fenster in den niedrigen Seitenschiffen und die vielen neben einander gestellten Langschiffe, jedes mit einem eigenen Dache und eigenen Giebeln, — das Innere erscheint verworren durch die Menge völlig ungleichartiger Schiffe und den scheinbaren Mangel an der Durchführung eines bestimmten Grundplanes. Die Kirche würde daher keiner besondern Aufmerksamkeit werth sein, wenn nicht eine Hauptkirche in einer nicht unbedeutenden Stadt des Vaterlandes wenigstens in chronologischer Hinsicht eine Besprechung verdiente.

Die Kirche besteht aus fünf Schiffen, welche ohne alle Gliederung des Grundplanes neben einander gestellt sind und an der Ostseite in einer geraden, ungegliederten, oben in spitzen Giebeln abgeschlossenen Wand liegen; ein besonderes Chorgebäude fehlt ganz. Die beiden niedrigen, äußersten Schiffe, mit ihren sehr weiten Fenstern, sind ohne Zweifel junge Bauten und wahrscheinlich erst im Anfange des 16. Jahrh. nach dem großen Brande vom J. 1503 angelehnt und im J. 1508 vollendet (vgl. Thomas Analecta Gustrov. p. 119). Die eigentliche alte Kirche besteht also aus dem mittlern Hauptschiffe und den beiden innern Seitenschiffen. Man sieht dies noch sehr klar an der östlichen Altarseite und der westlichen Thurmseite, wo noch jedes Schiff das ursprüngliche, alte Fenster hat. Hiernach scheint dieser Mittelbau der alten Kirche aus der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts zu stammen. Auch im Innern des mittlern Hauptschiffes sind noch manche Ueberreste von dem alten Bau, z. B. die halbkreisrunden Pilaster an der Altar= und der Thurmwand, die Bogen zum südlichen Seitenschiffe.


1) Vgl. Urk. Samml. Vermischte Urkunden. Nr. XXXIV.
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Das mittlere Hauptschiff ist noch ziemlich in seiner früheren Eigenthümlichkeit erhalten, jedoch war es in alter Zeit vielleicht nicht so sehr hoch, wie jetzt: die Wölbung ist jung (wohl 1503-1508).

Von den beiden innern Seitenschiffen ist das südliche auch noch ziemlich erhalten, wenigstens in seiner Höhe und in seiner Wölbung: es ist sehr niedrig. Das nördliche innere Seitenschiff, welches mit dem südlichen gleiche Breite hat, ist aber völlig außer dem Style der Kirche: es ist mit dem mittlern Hauptschiffe zu gleicher Höhe hinaufgeführt und mit diesem (1503-1508) in gleicher Weise gewölbt. Man sieht diese jüngere Erhöhung deutlich an den Giebeln, namentlich an den östlichen Giebeln.

Durch den Anbau der beiden niedrigen, äußersten Seitenschiffe sind nun die Außenwände der alten Kirche in diese zu stehen gekommen und aus diesen die Pfeiler modellirt: an den vielen unförmlichen Seiten und Ecken der äußern Pfeiler des innern südlichen Seitenschiffes ist dies noch klar zu sehen; eine thurmartige Treppe, welche jetzt an der südwestlichen Ecke des innern südlichen Seitenschiffes in der Kirche steht, stand in alter Zeit an der Außenwand der Kirche.

Durch die Erhöhung des nördlichen innern Seitenschiffes bis zur Höhe des mittlern Hauptschiffes, wodurch die Kirche zwei Hauptschiffe zu haben scheint, und durch die unförmliche Breite des nördlichen äußersten Seitenschiffes wird nun die Erkenntniß des Grundplanes der Kirche auf den ersten Anblick ganz getrübt; man muß die hiedurch sehr verunstaltete Kirche häufig und scharf beobachtet haben, wenn man sich einigermaßen zurecht finden will.

Im Mobiliar besitzt die Kirche nichts Bemerkenswerthes als den Altar; aber dieser gehört auch zu den seltensten Kunstwerken im Lande. Er ist freilich jung und ohne Zweifel nach dem Brande der Stadt und der Kirche von 1503 angefertigt und im J. 1508 geweihet (vgl. Thomas a. a. O.), aber in seiner Art vielleicht einzig im Lande. Es ist ein Altar aus Holzschnitzwerk mit einer Mitteltafel und zwei Flügeln. Er zeichnet sich dadurch aus, daß er nicht einzelne Heiligenbilder unter Baldachinen auf platten Tafeln enthält, sondern in bedeutenden Vertiefungen personenreiche, lebendige Gruppen in perspectivischer Darstellung. Gegenstand der Darstellung ist die Leidensgeschichte Christi in verschiedenen Abtheilungen, in der Mitte die Kreuzigung. Das Werk ist zwar in Beziehung auf Zeichnung kein Meisterwerk erster Größe in Deutschland, aber ganz ungewöhnlich reich, lebhaft und ausdrucksvoll. Am Fuße des Altarschreines steht der Heiland mit den 12 Aposteln, über den Gruppen

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unter der Krönung eine Reihe von Heiligenbildern. In der Darstellung der Kreuztragung Christi auf dem linken Flügel steht auf dem Schwerte eines Kriegsknechtes in großen römischen Unzialen der Name:

IAN . BORMAN.

ohne Zweifel der Name des Künstlers.

Im nördlichen Seitenschiffe liegt noch ein alter Leichenstein mit folgender Inschrift am Rande umher:

Umschrift

und oben in drei Zeilen zu Häupten an drei Seiten:

Umschrift

[Anno domini M]CCCCXCIII in vigilia nativitatis Christi (24. Dec.) obiit providus vir Hans Clevena, proconsul Gustrowiensis. Orate deum pro eo et pro Katharina uxor bis (statt ejus (?) was jedoch nicht dasteht).

In der Mitte des Steines ist ein Schild mit einer heraldischen Lilie in einer Einfassung, wie sie die gemalten Wappen in den Fenstern der Kirche zu Dargun aus der Mitte des 15. Jahrh. haben.

Der Leichenstein ist oben zerbrochen und daher die Inschrift in der Jahreszahl lückenhaft und undeutlich; man kann im Anfange der ersten Längsseite lesen: xiiii oder xliii oder xciii; das erstere steht scheinbar da, das letztere ist wahrscheinlich. Ein Haus Klevena war im J. 1484 Burgemeister in Güstrow (vergl. Thomas Anal. Gustrov. p. 132).

Unter dem Schilde steht in römischen Unzialen des 16.-17. Jahrhunderts:

LORENTZ . KLEVENA.
V. S. V. S. E.

Die Familie Klevena war in Güstrow eine alte und angesehene Patricierfamilie, welche ein Wappen führte (vgl. Thomas Anal. a. a. O.).

G. C. F. Lisch.

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Der Altar der Domkirche zu Güstrow.

Der Altar der im Jahresber. VIII, S. 97, beschriebenen Domkirche zu Güstrow ist ein jüngeres Schnitzwerk und stammt aus dem Anfange des 16. Jahrh., sicher aus der Zeit nach 1490 und vor der Reformation (vgl. a. a. O. S. 100). Der Styl der ganzen Arbeit ist schon sehr gehaltlos und die Figuren sind

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ganz schlecht. Das Werk würde daher keiner besondern Aufmerksamkeit werth sein, wenn nicht die Beschreibung der Vorderseite dieses Altars, als eines Altars eines alten Domcollegiatstifts, für die Geschichte dieses Stiftes einst von Werth werden könnte.

Das Ganze bildet einen Flügelaltar, mit einem Mittelstück und zwei Flügeln. In der mittlern Haupttafel ist in der Mitte die Kreuzigung Christi dargestellt. An dem Kreuzesstamme knieen zu beiden Seiten des nach 1490 eingeführten fünfschildigen herzoglichen Wappens die Herzoge Magnus und Balthasar, wahrscheinlich als Schenker. Zu beiden Seiten dieser Darstellung stehen in zwei Reihen unter einander unter Baldachinen Heiligenbilder, und zwar noch auf der Haupttafel zu jeder Seite der Kreuzigung zwei mal drei und auf jedem Flügel zwei mal fünf Figuren. In den Heiligenscheinen stehen die Namen der Heiligen, wenn auch sehr verdreht und verstümmelt; vielleicht läßt sich hieraus schließen, daß ein sehr ungebildeter Ausländer die Arbeit ohne besondere Aufsicht gemacht hat. In der obern Reihe stehen die 12 Apostel und 2 männliche und 2 weibliche Heilige, unter den letztern die H. Cäcilie, die besondere Schutzpatronin der Kirche, welche der Jungfrau Maria, der H. Cäcilie und dem Evangelisten Johannes besonders geweihet war. In der untern Reihe stehen die vier großen Kirchenlehrer und 4 andere männliche und 8 weibliche Heilige.

Die Figuren stehen in folgender Ordnung:

Obere Reihe. Untere Reihe.
Links. Rechts. Links. Rechts.
Mittelstück. Mittelstück.
1. Petrus. 9. Paulus. 17. Ambrosius 25. Hieronymus.
2. Cäcilia. 10. Katharine 18. Katharine. 26. Dorothea.
3. Johannes d. T. 11. Stephan. 19. Gregorius. 27. Augustinus.
Flügel. Flügel.
4. Johannes Ev. 12. Matthäus. 20. Agnes. 28. Apollonia.
5. 5. Jacobus d. j. 13. Bartholomäus. 21. Laurentius. 29. Michael.
6. Thomas. 14. Andreas. 22. Barbara. 30. Agathe.
7. Jacobus d. ä. 15. Simon. 23. Bernhard. 31. Mauritius.
8. Mathias. 12. Thaddäus. 19. Gertrud. 27. Maria Magd.

Zu den einzelnen Figuren wird Folgendes bemerkt; die in den Heiligenscheinen stehenden Namen sind in ( ) beigefügt:

1) Petrus (S. Petrus) mit einem Schlüssel und einem offenen Buche.

2) Cäcilia (S. Seciili) mit einem offenen Buche und einem Scepter.

3) Johannes d. T. (S. Johannes bapt.) mit Lamm und Buch.

4) Johannes d. E. (S. Johannes) mit Kelch.

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5) Jacobus d. j. (S. Jacop) mit Buch und langer Walkerstange.

6) Thomas (S. Tomas) mit Buch; Attribut fehlt.

7) Jacobus d. ä. (S. Jacop) mit Buch, Tasche und Pilgerstab

8) Mathias (S. Matie) Attribut fehlt.

9) Paulus (S. Paulus) Attribut fehlt.

10) Catharine (S. Katharina) mit dem Rade an der linken Seite, das Schwert in der rechten Hand fehlt (Catharine von Alexandria). Vgl. Nr. 18.

11) Stephan (S. Stephan) von Pfeilen durchbohrt.

12) Matthäus (S. Matheus), ohne Bart, mit offenem Buche in der Linken, der rechte Arm fehlt.

13) Bartholomäus (S. Berto.) mit einem Messer in der rechten Hand.

14) Andreas (S. Andreas) ohne Buch, Attribut fehlt.

15) Simon (S. Simon) mit Buch, Attribut fehlt.

16) Thaddäus (S. Jud.) mit Buch und Stange und Doppelkreuz.

17) Ambrosius (S. Anlbo) ein Bischof, ohne Zweifel S. Ambrosius, einer der großen Kirchenlehrer.

18) Catharine (S. Katrina) mit Buch und Stab und einem Drachen zu den Füßen. (Catharine von Siena ?)

19) Gregorius d. G. (S. Auguss.), ein Papst mit dreifacher Krone, einer der großen Kirchenlehrer. Der Name "S. Auguss." in dem Heiligenscheine ist offenbar ein Versehen, da der H. Augustinus unter Nr. 27 noch ein Mal, und zwar in der Figur richtig, dargestellt ist.

20) Agnes (S. Agnes) mit Lamm und Buch.

21) Laurentius (S. Lavv) in Diakonentracht, mit offenem Buche, sicher der H. Laurentius; Attribut fehlt.

22) Barbara (S. Barbe) mit Thurm und Buch.

23) Bernhard (S. Brnda) mit Fackel und Buch: der H. Bernhard ?

24) Gertrud (S. Gerdrei), mit einer Kirche. (Die Kapelle vor dem hageböcker Thore war der H. Gertrud geweihet.)

25) Hieronymus (S. Jeroni) im Cardinalshute, mit Buch und Kreuz.

26) Dorothea (S. Dorothe) mit Korb.

27) Augustinus (S. Augus), als Bischof, mit Buch; vgl. Nr. 19.

28) Apollonia (S. Aplon) mit Buch.

29) Michael (S. Mich), der Erzengel, mit Flügeln.

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30) Agathe (S. Agata) mit einem offenen Buche auf den Knieen.

31) Mauritius (S. Maurisi) mit Kreuzlanze und Schild.

32) Maria Magdalena (S. Maria) mit Salbgefäß, also Maria Magdalene.

G. C. F. Lisch.

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Zur Geschichte der Kirche zu Bützow.

Bei der Kirche zu Bützow ward eine Stickerei, ein Altarbehang, aufbewahrt 1 ) welche für die Geschichte dieser Kirche nicht ohne Interesse ist. Dieser Behang ist ungefähr 10' lang und 3/4' breit, von blauem Sammet mit gelben Franzen (den von bülowschen Wappenfarben), mit reicher Stickerei in Gold und Seide bedeckt. Ueber den ganzen Behang läuft eine Reihe gothischer Nischen, in deren jeder eine Heiligenfigur steht: in der Mitte ist die Dreieinigkeit nach der bekannten Weise dargestellt, wie Gott Vater den Sohn am Kreuze im Schooße hält, über welchem der Heilige Geist als Taube schwebt; dem Beschauer links steht Maria, rechts Johannes der Täufer mit dem Agnus Dei; dann folgen rechts und links die zwölf Apostel; an den äußersten Enden steht links die H. Katharina mit dem Schwerte und dem Rade, rechts die H. Elisabeth mit dem Korbe; unten neben diesen letzten Figuren steht nach außen gelehnt der von bülowsche Wappenschild.

Diese Stickerei stammt nach Inhalt und Styl ohne Zweifel aus der Zeit 1365-1375. In dieser Zeit ward von dem schweriner Bischofe Friederich von Bülow der Chor der bützowschen Kirche gebauet (vgl. Jahrb. X, S. 304) und in der östlichen Kapelle desselben eine v. bülowsche Vicarei gestiftet, welche besonders der H. Katharine geweihet war (vgl. Jahrb. X, S. 226 u. 229); die Kirche selbst aber war der H. Elisabeth geweihet (vgl. Jahrb. VIII, S. 6). Nach allen diesen Zeugnissen unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die Stickerei aus der Zeit der Gründung der von bülowschen Vicarei im Chore der Kirche zu Bützow, also aus dem Jahre 1364, stammt.

G. C. F. Lisch.



1) Die Entdeckung dieses hübschen Werkes hat der Herr F. Seidel zu Bützow gemacht und mitgetheilt. — Die Stickerei wird seit 1847 in der großherzogl. Alterthumssammlung zu Schwerin aufbewahrt.
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Weltliche Bauwerke.


1. Mittelalter.

Ueber die meklenburgischen Ziegelbauten.

Fortsetzung von Jahrb. XIV, S. 381.

In Jahrb. XIV, S. 381, ist ein Urtheil des Herrn Bauraths Stüler zu Berlin über die Ziegelbauten der deutschen Ostseeländer aus einem von demselben gehaltenen Vortrage mitgetheilt. Derselbe hat nun auch im "Notiz=Blatt des Architekten=Vereins zu Berlin, Neue Folge, Nr. 3, 1. April 1849", einen Beitrag zur Kenntniß des Ziegelbaues in den Ostseeländern", S. 31-32, drucken lassen und zwei Tafeln mit interessanten Abbildungen beigegeben. Stüler geht zunächst von der Vergleichung des italienischen und deutschen Ziegelbaues im Mittelalter aus und setzt den wesentlichen Unterschied beider darein, daß in Italien größere Mauerflächen und reiche Architekturgliederung der einfach conturirten Gebäudetheile mit vielfacher Anwendung von fein modellirten, dünnen, kachelartigen Reliefs, in Deutschland die Zerlegung der Mauerflächen in schematische Architekturformen zur Bildung eines vielgezackten Umrisses mit Gliedern und Simswerken von aufgemauerten Formsteinen vorherrschend ist. Beide, so sehr verschiedene Architekturformen sind zum größten Theile im Klima und im Material begründet und durch ältere Traditionen veranlaßt. Ich füge noch einen dritten Grund hinzu: die Beschränkung des Raumes. Die norddeutschen Städte des Mittelalters hatten einen nur geringen Umfang, um die Vertheidigungslinie der künstlichen Befestigung in den flachen Gegenden nicht zu weit auszudehnen, und dabei eine große Bevölkerung. Damit die Bewohner Platz finden konnten, war jedem Besitzer nur eine geringe Fronte, in Stralsund z. B. von höchstens 36 Fuß, erlaubt; und dabei hatte man für die Aufbewahrung und Bereitung sämmtlicher häuslichen Bedürfnisse zu sorgen, indem man seine Lebensbedürfnisse nicht so leicht für baares Geld kaufen konnte, wie jetzt. Dazu forderten bei dem reichen Handelsverkehr die Waaren sehr viel Raum zur Lagerung. Man war also genöthigt, mit vielen Oeffnungen und starken Gliederungen in die Höhe zu bauen und weit nach hinten hinauszugehen. So erlangte das Giebelhaus in Deutschland seine vollendete Ausbildung, nachdem es in klimatischen Verhältnissen seine Begründung gefunden hatte. Die Beschränkung des

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Raumes war aber sicher eine Hauptveranlassung zur Ausbildung des Giebelhauses; die meisten Giebelhäuser finden sich an den Hauptstraßen des lebhaften Verkehrs. In kleinern Nebenstraßen, auf dem Grund und Boden der Communen und geistlichen Stiftungen, welche über größere Arealflächen zu gebieten hatten, findet man häufig Queerhäuser, mit den Langseiten an der Straße.

— Stüler geht nun auf einzelne Eigenthümlichkeiten der norddeutschen Ziegelbauten weiter ein und giebt "einige der schönsten Beispiele mittelalterlicher Wohnhaus=Architektur der Küstenstädte Rostock und Wismar" auf 2 malerisch gezeichneten, interessanten Tafeln bei; auf Tafel 2 sind vier Wohnhäuser in Rostock (am Schilde, an der Blutstraße und an der Ecke der Wasserstraße) und auf Tafel 3 die Häuser der Marienkirche und das Haus am Markte in Wismar abgebildet. — Im Stadt=Archive zu Rostock wird eine wohl 100 Fuß lange, im J. 1585 entworfene Abbildung sämmtlicher Häuser der Stadt, einen Gang durch die Straßen darstellend, aufbewahrt (vgl. Lisch Meklenb. in Bildern III, S. 44); ist die Malerei auch nicht besonders gut, so giebt sie doch ein lebhaftes Bild von dem Architektur=Reichthum der alten Stadt.

G. C. F. Lisch.

Ueber die Bauperioden des Schlosses zu Schwerin

vgl. oben Jahrb. S. 157.
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Die Burg Stuer,

am Südende des plauer Sees, welche seit alter Zeit der feste Stammsitz der Familie von Flotow 1 ) war und noch jetzt von der Familie für sich reservirt ist, nachdem sie in der neuesten Zeit die dazu gehörenden Güter verkauft hat, ist wohl die bedeutendste mittelalterliche Ruine in Meklenburg. Die Burg liegt in einiger Entfernung von dem Hofe in einer sehr weiten Wiesenfläche, welche einst Moor oder Wasser war und dadurch die Burg ungemein stark befestigte. Die Burg steht auf einem nicht sehr großen, aber hohen Walle von viereckiger Form.

Dieser Burgwall, welcher im deutschen Mittelalter erhöhet und befestigt ward, ist sicher ein alter, heidnischer Burgwall, da schon im J. 1173 der plauer See nach dem Orte Stuer der Stuersche See (Sturich-zê) genannt ward 2 ).


1) Vgl. Jahrb. XIII, S. 346-349
2) Vgl. Jahrb. X, S. 39.
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Der bedeutendste Theil der Burg ist ein hoher, viereckiger Thurm, mit mächtigen, wohl 10 Fuß dicken Mauern von sehr großen Ziegelsteinen; nach den Ziegeln und einer jetzt vermauerten Spitzbogenthür fällt die Erbauung dieses Thurmes in das Ende des 14. Jahrhunderts. 1 ) Aus dem Rande des Burgwalles stehen die Fundamente von starken Mauern, und innerhalb des Burgwalles liegen am Rande umher noch weite Kellergewölbe. Ohne Zweifel standen am Rande umher die Gebäude der Burg, von denen der noch stehende Thurm einen Theil bildete, und schlossen einen nur kleinen Burghof ein. Etwas niedriger stehen die Reste einer starken, hohen Mauer. Umher ziehen sich im Wiesengrunde zwei weite Gräben, zwischen denen ein Wall steht.

Dicht vor dieser eigentlichen Burg steht ein zweiter, länglicher Burgwall, der etwas niedriger und auch von Mauerfundamenten umgeben ist. Dieser Wall bildete ohne Zweifel die Vorburg, welche mit der Hauptburg durch eine Zugbrücke verbunden war.

Vor der Vorburg sind mehrere feste Erhöhungen sichtbar, auf denen in alter Zeit wohl Thürme oder kleinere Vorburgen ("Berchfrit") standen.

Diese Burgruine ist wohl die sehenswertheste im Lande. Aehnlich in der Anlage und Größe ist die alte maltzansche Burg Wolde; jedoch hat diese keine Steinruinen mehr.

Rechnet man hiezu noch die romantische Gegend unmittelbar am plauer See bei den Stuerschen Mühlen, wo jetzt die Wasserheilanstalt steht, die Burgwälle von Plau mit dem wohlerhaltenen Thurme und vom Lenz, auch von Quetzin, so wie nach Röbel hin die Ruine der Feldsteinkirche von Dambeck, so ist diese Gegend in den bezeichneten Grenzen um den hübschen plauer See in antiquarischer Hinsicht eine ungewöhnlich reiche für Meklenburg.

G. C. F. Lisch.

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Burgwälle bei Bützow.

Vgl. Jahrb. XIII, S. 389 flgd.

1) Wenn man aus dem Wolker=Thore der Stadt Bützow über die Warnow geht, die Mühle vorbei, liegt gleich linker Hand eine Wiese, die Tiefe Wiese genannt. Geht man diese Wiese an der Warnow entlang, so kommt man an eine Wiese, welche ungefähr eine Fläche von drei Morgen hat und die Kattenburg genannt wird; sie liegt da, wo die Nebel in die Warnow fließt, im Süden und Osten durch einen Graben


1) Vgl. Jahrb. XIII, S. 388.
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von der Tiefen Wiese getrennt, im Norden von der Nebel und im Westen von der Warnow umflossen. Auf dieser Kattenburg ist im Halbkreise an der tiefen Wiese herum ein langer Wall noch deutlich zu erkennen. Der Name Kattenburg, so wie der Wall, scheinen auf etwas Burgartiges hinzudeuten; ich habe aber nie etwas Bestimmtes darüber erfahren können.

2) Wenn man den Weg aus dem Wolker=Thore weiter verfolgt, die Schäferei vorbei, über die sogenannte Schweinebrücke, und dann gleich rechts über die neue Weide geht, so kommt man an große Wiesenflächen, welche sich an der Warnow entlang ziehen, sonst ein Erlenbruch waren, welches erst seit zwei Jahren ausgerodet ist. Hier trifft man hart an der Warnow zwei große Wälle, der Judendamm genannt. Die Wälle liegen im Halbkreise und jeder ist über 200 Schritte lang. Die beiden Wälle bilden zusammen ungefähr einen verschobenen Kreis. Auch hierüber sagt, so viel ich weiß, die Tradition nichts; Einige meinen, daß die Wälle noch zu den früheren Befestigungen Bützows gehören, was mir aber auch nicht recht einleuchten will, da sie auf der Hälfte des Weges von Bützow nach der Vierburg liegen.

Bützow.   Friedrich Seidel.

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2. Neuere Zeit.


Der Bischofshof zu Schwerin.

Im März d. J. 1846 ward das früher "Bischofshof", später "Regierung" und zuletzt "Alte Regierung" genannte, dem Thurme des Domes gegenüber liegende alte Gebäude abgebrochen, um bei der völligen Veränderung der Richtung des Verkehrs einem neuen, großen Posthause Platz zu machen, welches am Ende des J. 1848 vollendet ward. So ist jetzt nur noch ein kleiner, unscheinbarer Thurm an dem einmaligen Minetschen Gasthofe, einer ehemaligen Domcurie, welcher an der Scharfrichterstraße der Münzstraße gegenüber steht, das einzige alte Privatgebäude in Schwerin und, außer dem Dom mit dem Kreuzgange, dem Schlosse und dem Rathhause, der einzige, unbedeutende Rest von alten Bauwerken in der Stadt. So sehr hat der Drang der Zeiten das Ansehen einer alten Stadt verändert!

Um eine Erinnerung an dieses nicht bedeutende Gebäude aufzubewahren, hat der Verein von demselben eine Zeichnung vor dem Abbruche nehmen lassen und der Unterzeichnete folgende Nachrichten über das Gebäude gesammelt, da sich doch noch lange Zeit hindurch Erinnerungen an dasselbe knüpfen werden.

Das Gebäude lag im Westen des Domes, mit seinem Eingange dem Thurme der Kirche grade gegenüber, mit den langen Seiten an der Bischofsstraße, von der einen, und der neuen Verlängerung der Fließgrabenstraße nach dem Pfaffenteiche, von der andern Seite, genau an der Stelle des neuen Posthofes. Vor dem Hause, dem Dome gegenüber, war ein großer, offener Hof oder freier Platz, daher auch die Bezeichnung durch Bischofshof. Grade so liegt das Haus der ratzeburger Bischöfe zu Ratzeburg.

Alle Nachrichten und Ueberlieferungen bezeugen, daß an dieser Stelle die Residenz der Bischöfe von Schwerin war, wenn sie sich in Schwerin aufhielten. Gewöhnlich aber lebten sie auf den Schlössern ihrer Tafelgüter, namentlich zu Bützow, auch zu Warin. In alten Zeiten lag der Bischofshof sehr versteckt hinter dem Dome. Wo jetzt die Friederichsstraße (früher Neue oder Schul=Straße) steht, war in alter Zeit ein schmaler Gang zwischen Gärten nach dem Küterhause (Schlachterhause) am Pfaffenteiche und daher Kütergang genannt; die Neue oder Schul=Straße, seit 1841 Friederichs=Straße, ward erst im J. 1771 projectirt. "Hinter dem Dome", wie früher die

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jetzige Bischofsstraße genannt ward, stand außer den Schulhäusern am Kreuzgange nur der Bischofshof mit einer Abfahrt nach der Schmiedestraße hin. Hinten stieß der Bischofshof an den Ausfluß des Fließgrabens (Stadtgrabens) in den Pfaffenteich und bildete hier die Grenze der Stadt; die Communication von der Fließgrabenstraße nach dem Pfaffenteiche hin ward erst im J. 1842 eröffnet. Jetzt liegt der neue Posthof im Mittelpunkte der Stadt!

Von dem alten Bischofshofe ist längst jede Spur verschwunden, da er im J. 1590 abgebrochen ward. Zuletzt erwählte ihn der Herzog Albrecht der Schöne im J. 1532 für die Zeiten, wo er sich in Schwerin aufhielt, nachdem er sich wieder zur katholischen Kirche gewandt hatte, zur Residenz. Der Herzog Ulrich von Güstrow ließ, als Administrator des Bisthums Schwerin, im J. 1590 den alten Bischofshof abbrechen und im J. 1591 das im März 1846 abgebrochene Gebäude aufführen. Hederich sagt in seiner schwerinschen Chronik:

"1591 ist des Bischoffs Hoff hinterm Thumb abgebrochen und wieder auffzubauen angefangen,"

und ein Visitations=Protocoll vom J. 1625 berichtet:

"Hertzog Heinrich hat zuerst die Reformation im jahr Christi 1532 zu Schwerin und in dem Lande vorgenommen und die päpstliche Lehre und Religion abgeschaffet. Weil aber dessen Herr Bruder Hertzog Albertus bei der catholischen Religion verblieben und auff den Bischoffshoff gezogen, so aber der vorige, der im jahr 1590 durch Hertzogk Ulrich abgebrochen und dieser erbauet, so ist der Thum catholisch verblieben biß nach deßen Tode."

Nach dem Tode des Herzogs Ulrich stand das Gebäude eine Zeit hindurch leer und wüst. Ein Visitations=Protocoll vom J. 1631 berichtet:

"Das Bischoffliche Haus ist von außen am gebewde in gutem eße, inwendig aber sein die gemecher gantz lehr befunden vnd im geringsten gantz kein Hausgerath. Das Dach ist bawfellig, dannenhero das Gebewde schaden zu nemen. Gegen vber ist ein Saal vnd eine Kuchen, so zimblich in gebewden. Vorn hauße ist ein Gart gewesen, so ietzo aber gantz verwust vnd ode."

Unter dem "Saal" ist, wie in Warin, wohl ein einzelnes, frei stehendes, altes Gebäude mit einem großen innern Raume zu verstehen, welches noch aus dem Mittelalter stammen mochte, wo dergleichen frei stehende Sääle ("palas") in der Bauweise lagen.

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Am Ende des J. 1632 erhielt der bekannte Lehn=Secretär und Archivar Simon Gabriel zurNedden († 1651), der bekannte, vertraute Diener des Herzogs Adolph Friederich I., der Stammvater der noch blühenden Familie, den leer stehenden Bischofshof, um in demselben "Hochzeit zu machen" und zu wohnen. Im J. 1633 schoß er die Kosten zum Ausbau vor. In der Folge besaß er ein eigenes, erst vor einigen Jahren abgebrochenes Haus in der jetzigen Münzstraße (Nr. 282), der jetzigen Palaisstraße grade gegenüber.

Im J. 1640 wohnte Daniel von Plessen auf Hoikendorf, im J. 1645 ein "Johann Stalmeister" in dem Hause. Von hier an ungefähr stand der Hof in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wüst, bis ihn 1678 der Vice=Canzler Garmer bezog.

Kurz vor und nach dem J. 1700 wurden die Ställe auf dem Bischofshofe zu fürstlichen Ställen benutzt.

Unter dem jagdlustigen Herzoge Friederich Wilhelm ward der Bischofshof von dem Hofmarschall und Oberjägermeister Melchior von Bergholz bewohnt. Nachdem im J. 1720 das Oberjägermeisteramt aufgehoben war, ward der Hof im J. 1722 dem Obristen Hans von Zülow verliehen. Nach diesem bewohnte der Hofmarschall und Geheime Rath F. G. von Bergholz zuletzt das Gebäude.

Im J. 1740 ward auch die "Post auf den Bischofshof gebracht", was nicht allein actenkundig ist, sondern sich auch in der Tradition erhalten hat.

Bis dahin hatte der Bischofshof immer dieselbe Einrichtung, welche er bis auf die neuern Zeiten behalten hat: in der Mitte stand das Hauptgebäude, daneben stand ein Wohnhaus mit Brauhaus und Backofen, am Zugange eine Dienerwohnung, umher lagen ein Küchengarten und ein Lustgarten.

Mit der Vermählung des Prinzen Ludwig (vermählt 14. Mai 1755), des jüngern Sohnes des Herzogs Christian Ludwig († 30. Mai 1756), ging mit dem Bischofshofe eine bedeutende Veränderung vor. Am 31. März 1755 befahl der Herzog Christian Ludwig, für den Prinzen Ludwig Wohnzimmer auf dem Schlosse zu Schwerin und zu dessen Marstall die Ställe auf dem Bischofshofe einzurichten; zugleich ward das Hauptgebäude "zum Regierungs=Collegium" bestimmt. Noch im März 1755 räumte der Geheime Rath von Bergholz den Hof und lieferte die Schlüssel zum Hauptgebäude an den Regierungs=Registrator Gutzmer ab. Auch der gleichzeitige Geheime Rath J. P. Schmidt berichtet: Bei Gelegenheit der Vermählung des Prinzen Ludewig ward das Regierungs=Collegium nach dem Bischofshofe verlegt.

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Schon im November 1756 hieß das Hauptgebäude des Bischofshofes das "Regierungshaus auf dem Bischofshofe";

seitdem ward es immer "Regierung" und zuletzt seit dem Bau des Collegien=Gebäudes "Alte Regierung" genannt.

Auf dem Hofe ward der Marstall für den Prinzen Ludwig sogleich eingerichtet und dazu schon im J. 1755 auf der nördlichen Seite des Hofes eine Reitbahn erbauet.

Seit dieser Zeit erst ward der ganze, bisher immer so genannte Hof auch der Prinzenhof genannt, unter welchem Namen er im 19. Jahrh. bei dem Volke fast allein bekannt war. Gewohnt haben auf dem Hofe nie Prinzen.

Nach dem Tode des Prinzen Ludwig († 1778) benutzte die zu Schwerin residirende Prinzessin Ulrike die Ställe zum Marstall.

Nach dem Befreiungskriege gingen die Gärten vor dem Gebäude ein und es ward bei der Organisirung der Artillerie das große Wagenschauer an der nördlichen Seite des Hofes erbauet; alle Ställe dienten fortan zur Aufbewahrung des Artillerie=Trains; die Ställe für die Artillerie=Pferde waren jedoch auf dem Hofe des alten Commandanten=Hauses in der Schloßstraße.

Nach dem Bau des Collegiengebäudes am alten Garten ward auch das Regierungs=Collegium in dieses verlegt; im J. 1835 ward der Bischofshof von den letzten Acten geräumt.

Darauf ward das Gebäude zur Artillerie=Administration mitbenutzt, bis der Artillerie=Train in das neue Arsenal verlegt ward.

Nach der Anlegung der Paulsstadt erhielt am 3. Mai 1841 die Straße von der Friederichsstraße nach der Schmiedestraße, zwischen dem Dome und dem Bischofshofe, den Namen Bischofsstraße. Nach dem Abbruche des Bischofshofes im März 1846 ist dieser Straßenname die einzige Erinnerung an die alte Residenz der Bischöfe von Schwerin.

Bei dem im J. 1846 vorgenommenen Abbruche des Gebäudes und beim Ausgraben der alten Fundamente, welche ganz ausgehoben wurden, hat der Unterzeichnete täglich die Baustelle besucht und die größte Aufmerksamkeit angewandt. Es ist aber gar nichts weiter gefunden, als eine alte Topfkachel. Die Fundamente bestanden aus einer ungeheuren Menge mächtiger Granitblöcke. An dem Rande des ehemaligen Fließgrabens lag ein isolirtes Fundament, welches eine Mauer (zugleich einen Theil der ehemaligen Stadtmauer) getragen zu haben schien. An der Nordwestecke, gegen den Pfaffenteich hin, lag ein rundes Fundament aus vielen großen Granitblöcken, wahrscheinlich das Fundament eines Thurmes.

G. C. F. Lisch.

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Ueber das Mauerwerk des Mittelalters.

Das Mauerwerk der mittelalterlichen Bauten ist fortwährend der Gegenstand der Bewunderung, und man macht einen Versuch über den andern, das Geheimniß zu ergründen, welches so feste Bauwerke schuf. Bald sucht man es in der Masse der Ziegel, bald sucht man es in der Zusammensetzung des Mörtels, — immer vergeblich. Und daneben überzeugt man sich fortwährend, daß die Alten lange nicht so ängstlich gebauet haben, als wir; ja sie wagten Dinge, deren Ausführung uns unglaublich erscheinen würde. Auf unsichern Moder z. B. streckten sie eine Schicht dünner Erlen ("Ellernschlete"), legten darauf 1 bis 2 Fuß hoch nicht große Feldsteine, und baueten auf diese Unterlage Stadtmauern und Palläste (vgl. oben S. 161), so daß nur die äußern Mauerschichten sorgfältig ausgeführt waren; oft wurden nur diese Mauerschichten gemauert und die Zwischenräume mit Schutt und Feldsteinen ausgefüllt: und doch standen und stehen diese Mauern nach 4 bis 500 Jahren wie — Wall und Mauer.

Das Geheimniß der Festigkeit der alten Bauten liegt nicht sowohl in der Masse des Materials, sondern in der Art und Weise, wie die Alten den Bau betrieben. Die Sache ist für unser praktisches Bauwesen von der allergrößten Wichtigkeit und es wird sich hier einmal glänzend die Wichtigkeit der Alterthumsforschung bewähren, die so oft von der jetzigen Zeit mitleidig verspottet wird, aber doch das Bewußtsein hat, daß man aus ihr fast in jedem Zweige menschlicher Kunst noch unendlich viel lernen kann. Wie im Bauwesen, so ist es auch in vielen andern Künsten. So strahlen alle alten Bilder nach Jahrhunderten in ursprünglicher Farbenpracht und wanken und weichen nicht auf ihren Unterlagen, während neuere Bilder oft nach einigen Jahren dem Verderben entgegengehen. Das Geheimniß der Tüchtigkeit der alten Zeit, die wir bewundern und bei unserm politischen Ringen trotz aller Verstellung zurückwünschen, liegt aber noch tiefer, als in der Art und Weise der Verfertigung alter Kunstwerke: es liegt vor Allem in dem unverdrossenen Fleiße, der aufopfernden Einfachheit des Lebens, der entsagenden Demuth der Alten. Alle ersehnen jetzt einen bessern Zustand der Dinge; sie ersehnen das, was unsere Vorfahren schon längst besaßen, was wir aber in den beiden letzten Jahrhunderten wieder verloren haben; seit dem dreißigjährigen Kriege, namentlich in dem bodenlosen vorigen Jahrhundert ist fast Alles untergegangen, was Jahrtausende mit Fleiß aufgebauet hatten. Alle Stände, alle Einrichtungen, alle Künste und Wissenschaften sind verschoben und untergraben, ja zum großen Theile fast ganz untergegangen, und

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erst seit einigen Jahrzehenden fangen wir wieder an, an der Gediegenheit unserer Verhältnisse im Leben wie im Staate, in der Wissenschaft wie in der Kunst zu arbeiten. Aber es ist erst der Anfang, dem, wie jedem Anfange, die Sicherheit fehlt. Vor allen Dingen müssen wir erst wieder bei den Alten in die Schule gehen. Das wissen große Baumeister, wie Stüler, die so Herrliches und Tüchtiges schaffen, sehr wohl, und sind daher auf die geringste Erscheinung des gesammten Alterthums, sowohl des classischen, wie des germanischen, mit gewissenhafter Sorgfalt aufmerksam.

Was nun das Bauwesen betrifft, so ist endlich die Sache nach zuverlässigen Quellen übersichtlich dargestellt, indem in den Neuen Preußischen Provinzial=Blättern, Königsberg, 1849, Bd. VII, Heft 6, S. 443 flgd. die vortreffliche Abhandlung mitgetheilt ist, die wir, mit Weglassung des rein Oertlichen, im Folgenden im Auszuge mittheilen, indem wir hoffen, daß wir dadurch zur Wiederbelebung der Technik in unserm Bauwesen nicht wenig beitragen werden.


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Das Mauerwerk der Ordensschlösser in Preußen.

Vom wailand Prediger Dr. Häbler in Marienburg. 1 )

Ueber die Festigkeit und Dauerhaftigkeit der alten Schlösser sind manche Untersuchungen angestellt, ist Manches geschrieben worden. Mit Recht staunt man die alten Mauern an, die jedem Einflusse der Zeit und der Witterung widerstehen und nur mit Anstrengung durch die Hacke zerstört werden können und besonders in Rücksicht auf den Mörtel, der durch seine Härte und Bindekraft wesentlich das alte Mauerwerk von dem neuern unterscheidet.

Man hat sogar die Bestandteile des alten Mörtels chemisch untersucht, aber keine bedeutenden Ergebnisse daraus ziehen können; ja es hat sich gezeigt, daß die Alten in der Mischung des Mörtels nicht genau und immer gleichbleibend waren. Doch stimmt man allgemein darin überein, daß die Alten auf die Zubereitung der Ziegelsteine und des Mörtels mehr Achtsamkeit und Genauigkeit verwandt haben, als in der neuern Zeit. In Rücksicht auf die Dauerhaftigkeit des Mauerwerks der alten Ordenshäuser oder ihrer Ueberbleibsel geben geschichtliche Ansichten und die alten Baurechnungen aus der Ordenszeit Hinweisungen, die


1) Aus dem handschriftlichen Folioband mit dem Titel: "Heber das Ordens=Haupthaus Marienburg. Das Rechnungswesen, die innere Verfassung und die Bauwerke des deutschen Ordens zu Marienburg betreffend, belegt durch Auszüge aus den alten Ordens=Rechnungen im geheimen Archiv zu Königsberg."
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bei einer genauen Zusammenstellung und mit Beziehung auf das Oertliche belehrende Folgerungen ziehen lassen.

Jede Baustelle hatte bei den Alten ihre eigene Ziegelei und ihre eigene Kalkbrennerei, und es ward jeder Neubau mit der Errichtung einer Ziegelscheune und eines Ziegelofens und eines Kalkofens angefangen. Ziegel und Kalk wurden auf der Baustelle selbst gebrannt und letzterer gleich nach dem Brennen gelöscht und verbraucht, — und das ist eigentlich das ganze Geheimniß der Festigkeit des alten Mauerwerks.

Daß die alten auf jeder Baustelle eine Ziegelei und einen Kalkofen hatten, also an Ort und Stelle diese Bedürfnisse bereiteten und am wenigsten den gebrannten Kalk meilenweit herbeiführten, das beweisen die alten Rechnungen.

Für die Ziegel suchten und fanden die Alten den Lehm auf jeder Baustelle oder in ihrer Nähe. Vielleicht nahmen sie es nicht einmal mit der Gattung Lehm so genau: sie verbrauchten ihn so, wie sie ihn fanden; doch mag in dem bessern oder schlechtern Lehm die Ursache zu finden sein, daß die Mauersteine der Alten auch nicht immer eine gleiche Dauerhaftigkeit zeigen, daß manches Mauerwerk unzerstörbar scheint, anderes aber denn doch nach 500 Jahren zu verwittern anfängt. — Aber auf die Zubereitung des Lehms verwandten die Alten alle Mühe und Sorgfalt. Der Lehm wurde gehörig gereinigt, durchgearbeitet, getreten, und die mit Sorgfalt geformten Ziegel wurden stark und tüchtig durchgebrannt — Holz sparte man nicht — und dieses bewirkte die Dauerhaftigkeit des Ziegels. Vielleicht trug auch die große Form des Ziegels zu der Dauerhaftigkeit desselben bei, indem er nun um so stärker gebrannt werden mußte. Besonders scheinen die Alten die größte Sorgfalt auf die Ziegel, die die äußere Fläche einer Mauer — die ohnedies nicht geputzt wurde — bilden sollten, verwandt zu haben, indem sie die geformten Ziegel, nachdem diese schon getrocknet waren, noch beschneiden ließen, um ihnen eine recht glatte Oberfläche zu geben, und wahrscheinlich erhielten diese Ziegel auch im Brennofen da ihre Stelle, wo die größte Glut sie traf, um sie am stärksten ausbrennen und gleichsam verglasen zu lassen. Das Verhacken der Riegel, diese unverzeihliche Unart der neuern Baumeister, verstanden die Alten durchaus nicht — wie denn auch jeder verhackte Ziegel seiner mehr oder minder verglaseten Oberfläche beraubt wird und um so leichter verwittert. Nicht nur die bunten, auch alle einfachen Gesims= und Eckziegel wurden als solche geformt und in ihrer Gestalt gebrannt; einen Hammer brauchte der Maurer beim Mauern nicht, so wie er auch mit Ziegelstücken nicht zu mauern verstand. — Nur dann, wenn auf der Baustelle gar kein Lehm

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oder nicht genügend vorhanden war, wurden gebrannte Ziegel ihr zugeführt, — wie denn auch das Verführen der Ziegel nichts taugt, indem diese dadurch sich an einander abreiben und folglich das Verglasete der Oberfläche verlieren und dadurch vergänglich werden, abgesehen davon, daß häufig die Ecken und Kanten bestoßen werden und der Ziegel um so mehr unbrauchbarer wird. zerbricht der Ziegel beim Führen, so taugt er gar nicht: er ist entweder schlecht gearbeitet oder schlecht gebrannt, oder beides zugleich. Letzteres ist wohl unstreitig der Fall bei den Ziegeln der jetzigen Zeit, daher die Vergänglichkeit alles neuen Mauerwerks; man bemerkt, daß die Ziegel oft nach einigen Jahren schon verwittern oder ausbröckeln, besonders wenn sie ohne Anputz der Witterung bloß gestellt sind, ja selbst unter dem Anputz, da dieser wegen des schlechten Mörtels bald abfällt. Fast scheint es, daß nur die Vergänglichkeit der Ziegel den neuern Baumeistern das Putzen der äußern Wände gelehrt hat, um dadurch die Ziegel vor dem Einflusse der Witterung zu decken, auch wohl um die nachlässige Arbeit beim Mauern und die verbrauchten Ziegelstücke dem Auge zu entziehen. — Ganz verkehrt und ihr eignes Werk zerstörend ist die Weise der heutigen Baumeister, bei solchen Mauern ohne Abputz die Ziegel, ehe sie die Mauer fugen lassen, mit andern Ziegelstücken abreiben zu lassen. Freilich macht die Sorglosigkeit der heutigen Maurer, die mit ihrem dünnen Mörtel Alles besudeln und auch ihre Mauer während des Mauerns beklecksen, dieses Verfahren notwendig; aber gerade durch dieses Abreiben der Mauer wird dem Ziegel seine besonders gehärtete, beinahe verglasete Oberfläche genommen und dadurch ihm seine Dauerhaftigkeit geraubt. Das Abreiben der Mauer verstanden die Alten durchaus nicht, sie mauerten mit zäherem Mörtel; da indeß das Beklecksen der Mauer nicht ganz zu vermeiden war, so wurde die fertige Mauer abgerichtet, d. h. die Ziegel wurden mit einer Farbe, aus Rothstein zubereitet, angestrichen.

Der Kalk wurde stets auf oder ganz in der Nähe der Baustelle gebrannt, dann sogleich gelöscht, mit Grand gemischt und vermauert. Das Herbeiführen des gebrannten Kalkes kannten die Alten durchaus nicht. Bei der jetzigen Bauweise, nur gebrannten Kalk anzukaufen und ihn meilenweit, oft in einer feuchten oder gar regnichten Witterung herbeizuführen, ihn wohl Tage lang an freier Luft ungelöscht liegen zu lassen und den gelöschten Kalk endlich Jahre lang in der Kalkgrube aufzubewahren, kann nie ein fester Mörtel entstehen, nie ein Mörtel, der dem alten auch nur ähneln wird, indem jede Feuchtigkeit in der Luft, auch beim trockensten Wetter von dem gebrannten Kalk angezogen wird, diesen mehr oder minder löscht und ihm dadurch seine

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Bindekraft entzieht. Selbst der schwedische gebrannte Kalk, der doch in Tonnen versandt wird, ist in der Regel verfallen und daher ohne die nötige Bindekraft. — Die Alten kauften die rohen oder ungebrannten Kalksteine und ließen diese auf die Baustelle bringen; selbst in Schweden wurden bedeutende Kalkankäufe gemacht, aber nur ungebrannt wurden die Kalksteine nach Danzig gebracht und dann weiter auf die Baustelle geführt. Ehe sie hier in den Kalkofen gebracht wurden, wurden sie, besonders der Lesekalk, sorgfältig gereinigt, alle Erdtheile, und besonders die anklebenden Lehmtheile entfernt, so daß nur der reine Kalkstein in den Brennofen kommen konnte. Nach dem Brennen wurde der Kalk sogleich gelöscht, und der Luft dadurch jeder nachtheilige Einfluß genommen. Nun wurde er rasch verbraucht, wie denn auch bei jedem Bau der Alten, nach dem Ausweis der alten Rechnungen, das Kalkbrennen auf der Baustelle fortdauerte, so lange der Bau selbst währte. Auch sieht man in den alten Rechnungen Kalkbrennen und Kalklöschen immer neben einander, ein Beweis, daß Letzteres gleich auf das Erstere folgte. — Je schneller der Bau fortgesetzt wurde, je mehr Menschenhände beschäftigt waren und je rascher der Kalk verbraucht wurde, desto härter und dauerhafter ward der Mörtel in der Mauer. Oft hatte man nicht Zeit, es abzuwarten, bis der Kalk sich völlig löschte, weil man ihn schon auf der Baustelle brauchte; man mischte ihn mit Grand noch während seines Löschens und verbrauchte ihn. Das beweisen die vielen ungelöschten Kalktheile, die man in so vielen Mauerwerken mitten im Mörtel, oft dicht neben einander, bis zu der Größe einer Erbse, auch wohl einer Haselnuß, antrifft, und die, wenn man den Mörtel auseinander schlägt, wie weißes Mehl aussehen. Freilich binden diese ungelöschten Kalktheile nicht, aber sie sind ein Beweis, daß der gelöschte Kalk grade durch dieses rasche Löschen und Mischen und durch diesen schnellen Verbrauch eine solche Bindekraft erhalten hat, denn je mehr solche ungelöschte Kalktheile in dem Mörtel angetroffen werden, desto härter ist derselbe, so daß grade ein solches Mauerwerk in seinen Fugen sich nicht trennen läßt; der Mörtel ist härter, als die Mauersteine selbst, diese lassen sich eher zerschlagen oder spalten, der Mörtel aber bleibt fest zwischen den Oberflächen der Ziegel, die er mit einander verbunden hat. — Wenn der gelöschte Kalk vorräthig in der Kalkgrube gelegen hätte, so könnten solche ungelöschte Kalktheile nicht übrig geblieben sein. Freilich findet man auch vieles Mauerwerk, wo der Mörtel nicht solche ungelöschte Kalktheile in sich hat, und dieses beweiset, daß für ein solches Mauerwerk der Kalk nicht rasch verbraucht worden ist, aber dann ist der Mörtel auch bei weitem nicht so hart und

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festhaltend, und man kann die Ziegel eher von einander trennen, auch wohl ganze Ziegel bei dem Brechen einer solchen Mauer erhalten. Zugleich beweisen die ungelöschten Kalktheile in dem alten Mauerwerke, daß die Alten den Mörtel nicht zu dünn zurichteten und verbrauchten, wie die jetzigen Maurer es machen; sie liebten zähen Mörtel und verarbeiteten den zähen Mörtel, den sie zugleich bei den äußern Seiten der Mauer, sobald der Ziegel aufgelegt war und der Mörtel hervorquoll, in die Fuge zurück oder einstrichen, und dadurch der Fuge die glatte und dauerhafte Oberfläche gaben; Sie fugten die Mauern gleich bei dem Mauern mit demselben Mörtel aus, mit dem sie mauerten.

Bei der Zubereitung des Mörtels sahen die Alten besonders auf die Güte des Grandes, mit dem der Kalk gemischt wurde. Es wurde ganz reiner und sehr grober Grand genommen, wie noch alle alten Mauerwerke bezeugen. Jeder Kalk, mit Lehm gemischt, verliert an Bindekraft, und wird der Lehm oder die Erde auch nur in den kleinsten Theilen mit dem Grande dem Kalke zugesetzt, so wird seine Bindekraft nach Maßgabe des unreinen Grandes mehr oder minder geschwächt. Nur zu oft nehmen die neuen Baumeister statt des Mauergrandes wirklichen Sand, einen so feinkörnigen, staubigen Sand, daß beinahe die Hälfte desselben aus Erdteilen besteht, — wie kann daraus ein festes Mauerwerk entstehen? Die Alten suchten sich den gröbsten Grand aus; fanden sie auf der Baustelle oder in der Nähe derselben keinen recht reinen und ganz groben Grand, so wurde der vorhandene Grand vor der Mischung mit dem Kalk durchgesiebt durch Kalksiebe, um den Grand von dem feinen, staubigen Sande und von allen Lehm= und Erdteilen zu reinigen und ihn wenigstens klar und rein zu erhalten.

So viel ist gewiß, daß die Mauern der Alten um so fester und unvergänglicher sind, je schneller der Bau betrieben wurde. Die mehrsten Ordensburgen entstanden während des Krieges. So wie ein Stück des Landes erobert worden war, so wurde eine Burg hingebaut, um dasselbe zu behaupten und zu schützen. Wo sollte da der Orden vorräthigen gelöschten Kalk hernehmen? Und wie thöricht ist die Meinung neuerer Baumeister, daß alter Kalk, der viele Jahre in einer Kalkgrube gelegen habe, der beste sei, da der Orden bei seinen Bauten keinen alten Kalk hatte und haben konnte, und nur mit ganz frisch gebranntem Kalk baute und bauen konnte, und seine Bauwerke sich grade so sehr durch Dauerhaftigkeit auszeichnen! Je frischer der Kalk ist, d. h. je schneller er nach dem Brennen gelöscht und verbraucht wird, desto besser ist er, d. h. desto fester wird der Mörtel. — Auch lehrt die Erfahrung, daß grade die ältesten

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Schlösser, die also während des Krieges und daher in größter Eile erbaut worden sind, den festesten Mörtel zeigen. So ist z. B. zu Marienburg das hohe Schloß zwischen dem zweiten und dritten Abfalle etwa in zwei Jahren erbaut, und sein Mauerwerk wankt nicht, trotzt jedem Einflusse der Witterung, selbst der neuern Zerstörungssucht; kein Ziegel verwittert, kein Mörtel fällt aus, das Mauerwerk steht schmuck wie geglättet und fester wie Stein.

Das Ausfugen der Mauer, so wie die Alten nämlich fugten, trug auch wohl zur Dauerhaftigkeit und Haltbarkeit des Mauerwerks Vieles bei. — Dieses Ausfugen verhinderte nicht allein das Eindringen der Feuchtigkeit zwischen die Ziegel, es verhinderte auch das Verwittern des Kalkes zwischen den Ziegeln, indem der Kalk sogleich in die Fugen glatt eingestrichen wurde und dadurch eine ursprünglich feste Oberfläche erhielt. Der Kalk zwischen den Ziegeln an der äußern Seite der Mauer mußte, eben so wie der Kalk in der Mitte der 10 bis 12 F. dicken Mauer, in sich selbst erhärten, ohne austrocknen, d. h. ohne verwittern zu können. — In der neueren Zeit hat man bei Mauerwerken, die ohne Anputz stehen bleiben, das Ausfugen der Alten nachgemacht, aber nicht in der Art, wie die Alten es machten, und daher auch nicht mit sonderlichem Erfolge. Man mauert erst die ganze Mauer in die Höhe und läßt die Fugen offen stehen, und erst nach Beendigung der Mauer oft erst im folgenden Jahre oder noch später, fängt man an, von oben herab einen neuen Kalk einzufugen. Inzwischen ist der Kalk, mit dem man gemauert hat, in den Fugen an seiner äußern Seite erstorben, d. h. verwittert und hat seine Bindekraft zu dem Mörtel, den man nun auf's Neue in die Fugen einstreicht, verloren, und der neu eingefügte Kalk fällt, wie die Erfahrung lehrt, sehr bald wieder aus. In der Regel hat man auch mit schlecht zubereitetem, dünnem Kalke gemauert. Zu den Fugen nimmt man zwar fettern und zähern Mörtel, der sich aber wahrscheinlich um so weniger mit dem schlechtern und ohnedies schon verwitterten Mörtel zwischen den Ziegeln verbindet und das Ausfallen der Fugen um so mehr bewirkt. — In Marienburg sind nicht blos die äußern Seiten der Mauern, sondern auch alle innern Seiten, alle Quermauern, die noch nachher geputzt wurden, kurz alle Wände in großen und keinen Gemächern, in den Sälen und in den Kammern unter dem Anputz ausgefugt, eben so wie die Kellerräume in ihren innern Wänden, die ungeputzt stehen blieben. Am auffallendsten ist es, daß auch die geputzten Wände ausgefugt sind, und man mag den Abputz abkratzen, wo man will, so findet man die Mauer stets gefugt, selbst in den runden Räumen

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der Windeltreppen unter dem Anputz. Dies zeigen uns die mannigfachen Röhren oder Schlünde in den Mauern und die Schornsteine, die in den Mauern hinaufsteigen; Alles ist inwendig ausgefugt, selbst die engsten Röhren in den Mauern.

Nur die Gewölbe, mochten sie geputzt werden oder ungeputzt bleiben, wie z. B. das merkwürdige Gewölbe mit dem dicken Pfeiler unter dem Convents=Rempter in der Marienburg, fugten die Alten nicht aus, weil hier wegen der unterliegenden Bogenstellung und Schalbreter ein Ausfugen nicht möglich war; sie ließen das Gewölbe, nachdem die Schalbreter weggenommen worden waren, so stehen, wie es war, — und auch dieses giebt einen Beweis, daß sie eine fertige Mauer nicht mehr nachfugten. Nur die Bogen über den Thüren und Fenstern, wenn sie ungeputzt stehen bleiben sollten, wurden gefugt, welches auch nach rasch weggenommener Bogenstellung geschehen konnte, ehe der Kalk erstorben war, und also noch in die Fugen leicht zurückzustreichen war.

Daß die Alten auch bei ihren Mauerwerken mitunter sich Nachlässigkeiten erlaubten, leidet keinen Zweifel. Die oft gar zu breiten Fugen, das Fehlerhafte in den Gurtstellungen der Gewölbe, sind unverkennbar, aber die Alten verließen sich auf die Härte ihrer Ziegelsteine und auf die Festigkeit ihres Mörtels. Daher sind auch so manche Wagnisse erklärbar, die kühn und auf die Festigkeit ihres Mörtels sich verlassend sie sich erlaubten und die ein neuerer Baumeister sich nicht erlauben würde. — Auch der Ziegelverband der Alten, daß sie nämlich Strecker und Läufer in demselben abwechselten, wird mannigfach getadelt.

Dr. Häbler.


Der Quellenreichthum der Deutschen Ordens=Archive hat die Forschung ungemein begünstigt. Bei uns ist die Forschung schwieriger. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Archive unserer alten Städter namentlich der Stadt Rostock, ein unendlich reiches Material für die Geschichte und die Bildung überhaupt enthalten; aber diese Schätze sind bis jetzt noch nicht gehoben, ja nicht einmal gekannt. Und so müssen wir uns fürs erste mit einigen Andeutungen zur Fortsetzung der vorstehenden Abhandlung begnügen.

Auch in Meklenburg bauete man in alter Zeit, wie in Preußen der deutsche Orden bauete, und zwar noch tief bis in das 16. Jahrh. hinein. Es liegen uns nur die Baurechnungen eines großen Baues, des Schlosses zu Güstrow, vor, welche aber dieselben Resultate geben. Das Schloß zu Güstrow war

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im J. 1557 abgebrannt und sollte wieder aufgebauet werden. Nachdem sogleich der Plan in Arbeit genommen war, fing man im Juni 1558 an "aufzuräumen und zu graben". Zugleich bauete man "zwei Kalkhäuser", ein "großes" auf dem Bauplatze und ein anderes auf dem Walle. Die Ziegel wurden in unmittelbarer Nähe verfertigt. Der Kalk ward an der Baustelle aus Steinen gebrannt. Im J. 1559 ward der Bau begonnen. Im Mai 1559 wurden die Kalksteine aus Schweden über Rostock herbeigeführt und im Julii 1559 ward so viel Kalk gebrannt, als zunächst zum Bau für das Jahr nöthig war. So heißt es in der Baurechnung vom Junii 1559:

"An 1100 Mewersteine als der steinkalck gebrandt vnd darmit gedeckt, 2 fl. 5 ß."

Die nachuolgende seindt besteldt gewesen bey dem kalck einzusetzen, weil es im augst vnd keine Pawern zu bekhomen, den 13. Julii gelonet 15 Mann, im Ganzen 13 Tage."

Man brannte also den Kalk aus eingeführten Kalksteinen, so viel für einige Monate nöthig war, auf der Baustelle, löschte ihn sogleich daselbst und bedeckte ihn fest mit Mauersteinen, die eigens dazu gebrannt waren.

Auch auf die Ziegel verwandte man besondere Aufmerksamkeit. So heißt es zu gleicher Zeit in der Baurechnung:

"An 2069 Mustersteine, Ein Tausent beslehet 2000, darfur 5 fl., vnd fur die übrigen 69 stein 6 ß vnd 6 ß Zcalgelts, thuet 10 fl. 12 ß".

Das Verfahren mit dem Kalk beleuchtet der nachfolgende Brief des hochbejahrten humanistischen Professors M. Conrad Pegel zu Rostock, welcher als Lehrer und Berather um das Fürstenhaus die größten Verdienste hatte. Der weise Herzog Ulrich von Güstrow zog ihn wegen des Kalkes zum Schloßbau zu Rathe und aus der Antwort des Professors sehen wir klar, wie die Sache stand. Der Herzog wollte Kalksteine zum Brennen auf der Baustelle haben und suchte dazu Steine und Brenner. In Rostock waren aber die Kalkbrenner alle beschäftigt und der Professor machte dem Herzoge Aussicht, ihm einige Bauern aus Schonen zu verschaffen, die mit dem Kalkbrennen umzugehen verständen.

Durchluchtige, hochgebarne Furst, gnedige her. Na Erbeding miner willigen denste bidde ick vnderdenigest, J. f. g. wil gnedigen weten, dat ick J. g. bref reuerenter entfangen vnde hebbe etlike dage mit guden frunden flit vorgewendet, J. g. enen sten= vnde kalckberner to scaffen, ouerst beth nuher neuen bekamen

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könen mit D. Boucken, de ock flit gedan. J. g. weeth wol, dat Mariacker kalck, de hir kumt, gebrant is. Jck vorbeide alle dage des scipperen, de J. g. en scipp ful Mariacker kalck halt; szo frue de wint vthem westen weiet, szo wert he, mins vorsêndes, kamende. Jck werde bericht, dat de koning heft to Lunden in Schone vnde darumme her in Schonsiden fele buren, de mit deme kalckbernende wol weten vmmetogande. J. g. kan vamme konige der buren I oft II vp pasken, wo ick loue, wol bekamen, de J. g. den kalck wol bernde werden etc. . Jck si ock bericht von enem guden frunde, dat me hir na Michaelis vmme Dionysii wol kan enen kalckberner bekamen, ouerst nicht er, wente so lange sindt sze hir imme denste etc. . Peter Knesebeke wil J. g. ene willich vnderdenich Antwort kortz scriuen vamme kalcke, he konde it mit der ile nu nicht don, biddet vnderdenigen, J. g. wil de korte vertögeringe nu gescen laten.

Christus si J. g. bewarer.
Rostock amme 31 Augusti Anno 58.

J. f. g.
  vnderdeniger, gutwilliger
Conradus Pegel.

Jck wil J. g. ock kortz hir van vnderdenigen scriuen etc. .
Dem Durchluchtigen, hochgebornen fursten vnde heren heren Vlrik hartogen to Mecklnborch etc. . minem gnedigen heren

  vnderdenigest.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. und H. Archive zu Schwerin.

Damals war also das Kalkbrennen auf der Baustelle noch Mode, jedoch fing es schon an zu verschwinden. Denn der Kalk von Mariager in Jütland, der in Rostock ankam, war schon gebrannt. Dies scheint der erste gebrannte Kalk zu sein, der in Rostock eingeführt ward. Diesen wollte aber der Professor dem Herzoge nicht empfehlen, sondern er lenkte dessen Augenmerk auf das Kalkbrennen auf der Baustätte.

Dr. G. C. F. Lisch.

Vignette
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IV. Zur Münzkunde.


1. Mittelalter.


Seltene meklenburgische Münzen.

Der Herr F. W. Kretschmer zu Berlin hat dem Vereine wieder treffliche Zeichnungen von 4 seltenen meklenburgischen Münzen mitgetheilt, welche in den neuesten Zeiten in Berlin vorgekommen sind.

1) Ein kleiner Pfennig mit dem meklenburgischen Stierkopfe mit Halsfell, ohne Umschrift; die Rückseite hat kein Gepräge erhalten;

2) ein gleicher Pfennig, nur etwas kleiner;

3) ein kleiner Pfennig mit einem halben Schilde, auf welchem die rechte Hälfte des meklenburgischen Stierkopfes steht (Wismar?); die Rückseite hat zwei gekreuzte Schwerter.

Diese aus Einem Funde stammenden Münzen sind im Besitze des Herrn Weidhas zu Berlin.

4) ein Wittenpfennig der Stadt Friedland, in einer Privatsammlung zu Berlin:

Av. meklenburgischer Stierkopf

Umschrift

Rev. Krenz, in jedem Winkel ein Stern.

Umschrift

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Der Münzfund von Rüst

und

die Wittenpfennige des 14. Jahrhunderts,

von
G. C. M. Masch,
Pastor zu Demern.

Auf der Feldmark des dobbertiner Klosterdorfes Rüst, unweit der Stelle, wo die goldberg=sternberger und schwerin=wahrensche Landstraße sich kreuzen und wo bei Regulirung der rüst=mestliner Bauerschaften im Jahre 1833 das Erbkruggehöft hingebauet ward und der Haken auf dem Felde rothen Schutt als Ueberbleibsel von Ziegeln aufwirft, ist die Stelle eines untergegangenen Dorfes Nepersmühlen, welches früher dem Kloster Neukloster, seit 1583 dem Kloster Dobbertin gehörte. Der Name "Dorfstätte" ist dem Orte bis auf den heutigen Tag geblieben. Daneben liegt eine moorige Wiese, das Glockenmoor genannt, in welches die Glocken des Dorfes versunken; alte Leute haben von ihren Alten gehört, daß sie noch mitunter geläutet. Ungefähr 6 Schritte vom südlichen Rande dieses Glockenmoores auf dem Taglöhneracker des Joachim Garlin, auf einer fast unmerklichen Erhöhung, ward am 15. Oct. 1849 ein altes zinnernes Gefäß in Form eines Bierkrugs ausgehakt; es war dünne, zerfressen und nicht mehr zu erhalten: die Münzen, welche es enthielt, fielen in den Acker. Es waren 1221 Stück, von denen der Finder die eine Hälfte erhielt; die andere Hälfte, welche das Kloster behielt, ist es, worüber sich dieser Bericht verbreitet.

Alle diese Münzen gehören in die Classe der Wittenpfennige, einer Münzsorte des 14. Jahrhunderts, welche im nördlichen Deutschland die weiteste Verbreitung fand. "1325 wurden de ersten groten penninghe van veer penninghe schlan", so heißt es in den ältesten lübeckischen Münzbüchern, und in dies Jahr, gegen das man nichts einwenden kann, muß man also den Anfang der Wittenpfennige, (denn das sind diese großen Pfennige von 4 Pfennigen) oder die Begründung des wendischen Münzvereins setzen, welchem zunächst die Städte Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg angehörten, dem auch Rostock, Stralsund, selbst Greifswald mit Demmin und Anclam sich anschlossen, sich jedoch später, da ihre Pfennige nur halb so gut als die übrigen waren, dem Bunde wieder entfremdeten.

Ueber den Münzfuß dieser Wittenpfennige liegen in den alten Münzbüchern auf der lübecker Registratur Nachweisungen

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vor, welche Grautoff in seiner Geschichte des lübeckischen Münzfußes (Historische Schriften III.) sehr gründlich benutzt hat. Nach diesen wurde 1329 die Mark fein zu 3 Mark 2 ßl. 8 Pf. ausgeprägt, jedoch schon 1346 zu 3 Mark 9 ßl. 8 Pf., dann 1372 zu 4 Mk. 2 ßl. 4 Pf. und 1375 zu 4 Mk. 3 ßl., wobei zu bemerken, daß das lübeckische Silber oder Silber lübischen Zeichens damals nur 14 1/4=löthig war (de marca was gespiset mit VII quentin), und diese Mark wird nun auch öfter marca puri genannt.

1379 in profesto b. Scholasticae virginis ward von Hamburg, Wismar und Lübeck ein Münzreceß abschlossen (Grautoff a. a. O. S. 176), daß man auf 16 Loth lübischen Zeichens 3 Loth Kupfer zusetze und daraus Pfennige zu 4 Pfennigen schlage, und soll die Schrotung halten auf die gewogene Mark 3 Mark und 32 Pf. Es enthielten also 19 Loth nur 14 1/4 Loth fein Silber, demnach 16 Loth der Beschickung 12 Loth; es wurden aus der Mark 12löthigen Silbers 152 Witten geschlagen und die Mark fein zu 4 Mk. 3 ßl. 7 Pf. ausgezellt; sämmtliche 19 Loth gaben 180 1/2 Stück, und so wurden auch 1384 und 1387 aus der marca puri an Witten 45 Wurf, also 180 Stück geschrotet.

Mit diesem Recesse stimmen nun freilich die Resultate der Untersuchungen, welche neuerdings mit Münzen, die ihm gemäß geschlagen wurden, angestellt sind, nicht überein. Im J. 1842 wurden bei Lübeck 115 Wittenpfennige gefunden; Senator Claudius bespricht (Neue Lüb. Blätter 1842, Nr. 47 u. 48) diesen Fund, der übrigens nichts bisher Unbekanntes enthielt, und hat die Münzen selbst einer genauen Untersuchung unterworfen. Die lübeckischen wogen 343 und 345 Richtpfennige (4096 = 1 Loth) und der letztere enthielt 276 11/16 Richtpfennig fein Silber, also war die Mark 12 Loth 15 Gr. fein. Die Hamburgischen wechseln zwischen 361 und 339 Richtpfennige, die letztere ward probirt und enthielt 272 Richtpf. fein Silber, also war die Mark 12 Loth 15 1/2 Gr. fein. 2 Lüneburger wogen 381 und 354 Richtpf. und 14 Wismarsche waren 380 bis 330 Richtpf. schwer, eine Münze von 348 Richtpf. ward untersucht und gab 276 11/16 Richtpf. fein Silber, die Mark also 12 Loth 15 1/2 Gr. fein. — Ganz stimme ich dem Herrn Verf. in der Ansicht bei, daß diese Abweichung des Befundes nicht als Abweichung vom Receß selbst zu betrachten sei. Durch den Rost und durch die Säuern, welche man zur Reinigung anwendet (wahrscheinlich sind sie auch in Lübeck angewandt worden, obgleich es nicht angegeben ist), wird das Verhältniß zwischen Silber und Kupfer verrückt; das Kupfer schwindet leichter und der Gehalt erscheint also höher. Auch muß

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es dahin gestellt bleiben, ob die Schmelzung einer einzelnen alten kleinen Münze einen sichern Maaßstab zur Bestimmung des Feingehaltes in der Mark geben kann, denn unmöglich sind doch alle Silber= und Kupfertheile in der Zaine ganz gleichmäßig vertheilt gewesen, aus der die Münze geschrotet ward.

Wenn nun aus der Mark 152 Stück Vierpfennigstücke geschlagen wurden, so mußte, wenn sie alle gleich geschrotet waren, jedes Stück 431 Richtpfennige wiegen mit 323 Richtpfennig fein Silber; um nun zu dem Resultate zu gelangen, welches die untersuchten Münzen gaben, müßte man annehmen, daß sie etwa 90 Richtpfennige, also 20 pro Cent am Gewicht und 47 Richtpf. an Silber, also 14 pCt. durch Oxydation oder Manipulation verloren haben; das läßt sich aber kaum glauben. Die Annahme, daß man zwischen 1384 und 1387 zwar bei demselben Gepräge, vielleicht auch bei demselben Korne blieb, aber mit dem Schrote stieg, wodurch sowohl der Silbergehalt, als das Gewicht der einzelnen Münze geändert wurde, scheint sich zwar zu empfehlen, wird aber durch die 1384 vorgenommene Valvation (Grautoff a. a. O. p. 182) nicht bestätigt, welche ergiebt, daß bis auf eine Kleinigkeit von 1/2 bis 2 Witten die Schrotung mit der Vorschrift des Recesses übereinstimmt.

Zu einer Untersuchung des Gehaltes der Münzen von Rüst fehlen mir alle Mittel, auch schien es nicht nöthig, sie zu veranlassen, denn voraussichtlich würde sie kein anderes Ergebniß geliefert haben; als Thomsen (vgl. IV. Bericht der Schlesw. Holst. Lauenb. Alterthumsgesellsch. 1839, S. 54) gleiche Wittenpfennige aus dem Funde von Ruhwinkel probiren ließ, fand er auch das Silber ungefähr 13löthig. Gleichfalls stimmen hinsichtlich des Schrotes die sehr wohl erhaltenen Münzen von Rüst, von denen der Rost durch Anwendung von Säuren entfernt ist, mit den früher gewogenen überein. Es wiegen nämlich 4 Stück mit geringer Abweichung von ± 3 As immer 3/8 Loth cölnisch, und das giebt 170-172 Stück auf die rauhe Mark, und eben so hat es auch Thomsen gefunden. Die Worte des Recesses: vnde schal do schrodinge holden de weghene mark vppe III mark vnde XXXII penninghe, sind keiner andern Deutung fähig: 3 Mark und 32 Pfennige sind 608 Pfennige, und das sind 150 Vierpfennigstücke; wir haben jetzt immer auf der rauhen Mark, denn das ist die gewogene, an 20 Stück zu viel.

Da der Haupthandelsverkehr in den Händen der Hansestädte war, so ist es natürlich genug, daß selbst diejenigen Städte, welche nicht zum Bunde gehörten, sich in Gehalt wie in Form ihrer Münzen denen der Hanse anschlossen, und das findet sich auch. Die Landesherren scheinen aber keine Wittenpfennige geschlagen

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zu haben, denn alle, welche vorgekommen, und es sind ja in Holstein, in Lübeck und bei uns bedeutende Funde zur Untersuchung gebracht, haben kein landesherrliches Gepräge.

Es ist freilich früher die Ansicht verteidigt worden, daß die Münzen derjenigen Städte, welche nicht unmittelbar waren und deren Münzrecht man nicht nachweisen konnte, eigentlich Münzen der Landesherren gewesen, und daß der Name der Stadt, der sich mit dem Zusatze moneta darauf findet, nur Bezeichnung des Imports gewesen, was allerdings bei den Münzen aus dem 16. Jahrhundert seine volle Richtigkeit hat, und hat dies Evers in Hinsicht auf Güstrow, Parchim, Friedland und Neubrandenburg behauptet, malchinsche und gnoiensche Wittenpfennige waren zu seiner Zeit noch nicht bekannt geworden; jedoch muß ich vollständig bei meiner bereits früher (Jahresbericht VI, S. 51) ausgesprochenen Ansicht bleiben, daß sämmtliche Münzen der Art den Städten selbst angehören. Urkundliche Andeutungen in Bezug auf Parchim und Friedland sind an jener Stelle bereits nachgewiesen; andere Gründe, welche aus der Gestalt der Münzen herfließen, wird folgende Zusammenstellung geben, und in den Zeitverhältnissen liegen Gründe genug zur Annahme jenes Satzes. Gegen die Mitte und das Ende des 14. Jahrhunderts blüheten bekanntlich die verbundenen Hansestädte mächtig auf, und zu dieser Zeit und auf dieses Vorbild hinschauend, hob sich das Städtewesen im nördlichen Deutschland besonders. Die Hansestädte hatten, theils von sich selbst, theils durch Kauf, wie Rostock 1325 und Wismar 1359, das Münzrecht erworben; es war nur allzu natürlich, daß nun auch andere Städte es annahmen (als Anmaßung mag man es immer betrachten), und zwar in der Art, daß sie sich den Hansestädten anschlossen, wo die Wittenpfennige eine so beliebte Münze geworden waren.

Dies bestätigt nun auch die Form dieser Münzen, welche eine sehr interessante Familie bilden. Es scheint, wenn gleich kein durchaus vollständiges, jedoch ein hinreichendes Material vorhanden zu sein, um die Verbindung der Formen unter einander und wie man sich an einander anschloß, darzustellen, und das soll nun versucht werden.

Lübeck, das Haupt der Hanse, welche auch der Währung den Namen gab, während vielleicht der wendische richtiger gewesen wäre, muß als Urform der Type, welche auf der einen Seite Bild, auf der andern Kreuz hat (denn das ist allen Wittenpfennigen gemeinsam), betrachtet werden, und bezeichnete sich als Reichsstadt ( CIVITAS IMPERIAL ). Ihr folgen nun die übrigen Städte, und bezeichnen sich Rostock, Wismar, Gnoien, Neubrandenburg und Friedland als meklenburgische Städte

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( CIVITAS MAGNOPOL ), Parchim, Güstrow, Malchin als Städte des Herrn zu Werle ( CIVITAS DNI DE WERLE ), die holsteinischen Städte (abgebildet: Grote, Blätter für Münzkunde, 1835. T. XXXI. p. 266-270. Nr. 27) verfahren eben so: Kiel, Oldesloe, Rendsburg, Flensburg geben sich als Holsteins Städte ( CIVITAS hoLSACIE ) zu erkennen, Ripen als Stadt im Reiche ( CIVITAS IN REGNO oder CIVITAS RENGNI ). Hamburg, Lüneburg und Stralsund lehnen aber, und die Gründe dazu sind in ihren Verhältnissen unschwer zu erkennen, diese Bezeichnung ab, und setzen einen Denkspruch an ihre Stelle. (So Hamburg BENEDICTVS DEVS , Lüneburg SIT LAVS DEO PATRI , Stralsund DEVS IN NOMINE TVO ).

Die Reichsstadt Lübeck nahm den Reichsadler, ganz zu ihrer Inschrift gehörend, und eben so nahmen Wismar, Güstrow, Parchim, Malchin, Neubrandenburg und Friedland den meklenburgischen oder werleschen Stierkopf, beide durch das Halsfell in bekannter Weise unterschieden, Rostock und Gnoien den Greif der Herrschaft Rostock; Kiel, Oldesloe (von dem kleinern Pfennig war sicherlich der entsprechende Wittenpfennig auch vorhanden), Rendsburg nahmen das Nesselblatt, Flensburg die schleswigschen, Ripen die dänischen Löwen, Lüneburg den Löwen des Landes; .Hamburg und Stralsund blieben bei ihrem Stadtzeichen, Burg die erste, Stral die zweite, und Wismar gesellte sich ihnen bald zu, indem es den Stierkopf wegließ und das Stadtwappen an die Stelle setzte; auch Oldesloe hat auf einem Wittenpfennig den Heiligen des Stadtzeichens (St. Johannes mit dem Kelche ist bei Grote a. a. O. p. 267 abgebildet, in der Beschreibung ist "eine bärtige männliche Figur, auf der erhobenen Rechten das Nesselblatt", neuere Angaben haben St. Petrus mit dem Schlüssel.)

Die zweite Seite der Wittenpfennige enthält ein Kreuz, und aus den verschiedenen Münzrecessen, welche sich auf die Form desselben beziehen, läßt sich das Alter der Münzen aus diesem Kreuze genau genug bestimmen. Der schon vorhin erwähnte Receß von 1379 zwischen Hamburg, Lübeck und Wismar bestimmt:

vnde desse penninghe schullen hebben sternen an beyden siden, an der syde des crutzes midden in deme crutze, vnde an der anderen syden in deme zirkele dar de bokstaven inne stan, rechte boven des arnes hovede vnde boven der borch vnde boven des ossen hovede.

Daraus ergiebt sich nun, daß schon vor dieser Zeit eben so wohl das angegebene Bild, wie das Kreuz (das hanseatische) gebräuchlich war, und dann, daß die Wittenpfennige von Lübeck, Hamburg und Wismar, welche ein volles oder in der Mitte

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willkürlich verziertes Kreuz haben, älter sind als 1379, die mit dem Sterne aber in diesem Jahre beginnen. Lüneburg, Rostock und Stralsund traten 1381 sabbatho ante dominicam palmarum dieser Verbindung bei:

dat se myd en slan enen penningh van veer penninghen ghetekent myd ener sternen, alse vorscreven is.

Also fängt für diese 3 Städte mit 1381 das Sterngeld an, und die einfachen Kreuze sind älter als dieses Jahr. Darauf verbanden sich die drei Städte Hamburg, Wismar und Lüneburg auf zwei Jahre in festo apostoli Philippi et Jacobi 1387:

vnde desse penninghe scholen hebben schlichte rundele middene in deme cruce.

Es sind demnach diejenigen, welche die Sterne weglassen und statt dessen einen leeren Kreis setzen, jünger als 1387. Mit dem Jahre 1403 verschwand das Kreuz und das Stadtzeichen kam auf beide Seiten; 1410 kommt es aber wieder und geht durch die Umschrift; von diesen Formen aber finden sich keine Münzen mehr in unserm Funde.

Es sind demnach drei Arten von Kreuzen zu berücksichtigen. Wenden wir uns nun zu den ältesten Münzen, welche vor 1379 oder 1381 entstanden sind, so haben Hamburg, Lüneburg und Stralsund ein volles Kreuz gebraucht, und diesen schließen sich Ripen, Friedland und Neubrandenburg an; aber diese alle haben das Kreuz nicht rein, denn in den vier Winkeln ist es bei Hamburg von Nesselblättern, bei Lüneburg und Ripen von Löwen, bei Friedland (Evers, S. 28) von Sternen begleitet, bei Stralsund von einem Strale im rechten Oberwinkel, bei Neubrandenburg von einem Stern im rechten und linken Unterwinkel (Evers, S. 28). An den Enden hat Wismar das Kreuz mit Kleeblättern geziert, Lübeck dagegen durchbrach in der Mitte das Kreuz in Form eines Vierblattes, und Rostock nahm sie auch an, Güstrow, Parchim, Malchin, Gnoien (in dem Exemplare meiner Sammlung) folgten in Meklenburg, Kiel, Rendsburg und Flensburg in Holstein.

Die zweite Art der Kreuze in Folge der Vereinbarung von 1379 und 1381 hat in der Mitte eine runde Oeffnung und darin einen Stern von 6 Strahlen; Wismar behielt dabei die Verzierung an den Enden, Stralsund und Hamburg die Begleitung der früheren Zeit. Es schließt sich dieser Form ein friedländischer Wittenpfennig an, von dem der Verein durch Herrn Kretschmer eine Zeichnung besitzt, und der güstrowische, den Evers S. 19, 2. beschreibt.

Die dritte Art in Folge der Verbindung von 1387 findet

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sich mit der leeren Rundung von Wismar, Hamburg und Lüneburg, wobei ersteres sein gewöhnliches Kreuz, letzteres die gewöhnliche Begleitung beibehielt, welche bei Lüneburg, wie bei der vorigen Form, so auch bei dieser wegblieb. Von Friedland ist eine ähnliche Form bekannt (Evers, S. 27), von Güstrow, wo das Kreuz von zwei Balken und von Kleeblättern (in Form der wismaraner) gebildet wird, hat meine Sammlung ein Exemplar (19 Millimeter Durchmesser, 22 As schwer).

Es findet sich nun noch eine andere Form, von der es fraglich ist, ob man sie vor 1379 oder nach Ablauf der 1387 auf zwei Jahre geschlossenen Vereinbarung setzen muß. Es ist nämlich eine Rundung da, und in derselben ein Wappenbild oder dergleichen enthalten, so bei Lüneburg ein Löwe, bei Gnoien (aus dem Exemplar der Vereinssammlung) die städtische halbe Lilie, bei Parchim fünf Punkte (Jahresber. VI, S. 57, n. 3, 4, 5), bei Oldesloe das Nesselblatt. — Die Form des Kreuzes mit der Rundung entspricht ganz der letztern Darstellung; bei Lüneberg ist auf mehreren Typen ein Stern in der Umschrift. Alles weiset auf eine Zeit nach Ablauf der auf 2 Jahre geschlossenen Verbindung und würden demnach diese Münzen nach 1389 geschlagen sein.

Außer den Bildern finden sich nun noch auf allen Wittenpfennigen bedeutende Verschiedenheiten in den kleinen Zeichen, welche die Worte der Umschrift von einander trennen, und in diesen wiederum eine auffallende Uebereinstimmung in den Münzen der verschiedenen Städte, so daß man nicht eine Willkür der Eisenschneider oder einen bloßen Zufall annehmen darf. Es sind höchst wahrscheinlich Geheimzeichen gewesen, wodurch die Münzer ihre verschiedenen Schmelzungen oder dergleichen (Jahrgänge?) bezeichnen wollten; wenn nun gleich ihre Bedeutung nicht zu ermitteln steht, so dürfen sie doch auf Berücksichtigung Anspruch machen.

Wenn man nun die Zeit bestimmen muß, in der die Münzen bei Rüst vergraben, so steht erstlich fest, daß es vor 1403 geschehen sein wird, denn von den Münzen, welche auf beiden Seiten mit gleichem Schilde bezeichnet sind, fand sich keine. Von denen mit der Rundung fanden sich Pfennige von allen drei verbundenen Städten also haben wir das Jahr 1387, und da man nun diejenigen, welche in der Rundung ein Bild haben, nach 1389 setzen muß und sich diese Type von Lüneburg in 19 Exemplaren findet, so würde die Vergrabung in das letzte Jahrzehend des vierzehnten Jahrhunderts fallen.

Ein ähnlicher Fund von Wittenpfennigen ward 1840 in Hagenow gemacht (Jahresber. VI, S. 50 flgd.); auch dort fanden sich Münzen von fast allen den Münzstädten, welche hier Beiträge lieferten, selbst der so überaus seltene Wittenpfennig von

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Ripen fand sich dort, wie hier; aber da jene wenigstens 10 Jahre später vergraben wurden, so sind damals die Münzen, welche vor 1379 geschlagen wurden, fast schon aus dem Verkehr verschwunden gewesen, und hier ist ihre Anzahl noch sehr groß; man muß also wohl annehmen, daß man auch damals noch (von frühern Zeiten ists bekannt genug) bei jeder neuen Münzform die ältere wieder einschmolz, obgleich nach den bekannten Münzrechnungsbüchern aus dieser Einschmelzung kein großer Gewinn erwachsen sein kann, da Schrot und Korn sich so sehr gleich blieb.

Es ist freilich zu bedauern, daß die zweite Hälfte des Rüster Fundes nicht zur Untersuchung gekommen (über das Schicksal desselben sind keine Nachrichten zu geben), jedoch ist unsere Hälfte immer schon zahlreich genug zu Uebersichten und Vergleichungen, und das Kloster Dobbertin, welches sie zur Untersuchung darbot und der Sammlung freigebigst alles überließ, was ihr werth sein konnte (sie hat von jeder Type ein Exemplar aufgenommen), hat gerechten Anspruch auf den Dank der Wissenschaft, wie des Vereins, den man freudig und öffentlich aussprechen muß.


Zahlenverhältniß des Rüster Münzfundes nach Ort und Zeit der Münzen.

Tabelle

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Beschreibung der Münzen.


Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen

1) Dieses, einer Spange ähnliche Zeichen gleicht entweder zwei gegen einander gestellten BB , oder hat in der mittleren, einem Vierblatt ähnlichen Oeffnung ein Kreuz in mehreren Verschiedenheiten, oder läßt auch dieses weg.

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Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen

1) Da sich Lüneburg mit Lübeck, Hamburg und Wismar 1410 Lucie verband, einen Wittenpfennig von 4 Den. zu schlagen, über deren Gepräge bestimmt ward: vnde de witten penning schall hebben jewelk siner stad wapen bi der enen siden vnde by der andern syden eyne dorgande cruce (Grautoff, S. 179), so konnte man versucht sein, diese Münze nach 1410 zu stellen. Jedoch hat vorliegende Münze in den Buchstaben, die sehr gut gebildet sind, einen frühern Charakter, und in dem ganzen Funde ist kein Stück, welches nach 1403, wo die Type geändert ward (mit dem gleichen Wappen auf beiden Seiten), geschlagen wäre; daher muß diese Form wohl als die früheste angenommen werden, welche hier vorkommt. Von den nach 1410 geschlagenen liegt kein Exemplar von Lüneburg zur Vergleichung vor.

2) Die beiden Buchstaben Ch sind zusammengezogen.

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Beschreibung der Münzen

1) Die beiden Buchstaben Ch sind zusammengezogen.

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Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen

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Das Glockenmoor
und die Lage des Dorfes Nepersmühlen.

Der Rüster Münzfund hat Veranlassung zu interessanten Nachforschungen anderer Art durch der Herrn Klosterhauptmann Baron Le Fort zu Dobbertin gegeben, welche wir im Nachfolgenden mittheilen.

Unweit der Stelle auf der jetzigen Rüster Feldmark, wo jetzt die goldberg=sternberger und schwerin=wahrensche Landstraße sich kreuzen und die von Crivitz herkommende einfällt und wo bei Regulirung der rüst=mestliner Bauerschaften im J. 1833 das Erbkruggehöft hingebauet ist, befindet sich eine moorige Wiese, das "Glockenmoor" genannt, welches auch auf der großen schmettauischen Charte westlich von Rüst steht. Auf dem von Süd und Südwest dahin abfallenden Felde, und zwar auf dem für die kleineren Leute in Rüst reservirten Acker soll in frühern Jahrhunderten ein Dorf gestanden haben, und zeigt der Boden noch jetzt beim Ackern Grus und Bruchstücke von Mauerstein; ja alte Leute besinnen sich, dort noch Reste von Steinmauern und Steindämmen gesehen zu haben. So viel ist gewiß, daß noch jetzt dieser Theil des Feldes "de Dörp=Städ" (= die Dorfstätte) heißt und nicht weit weit davon "de Wuhrs" (= die Worthen, den Gehöften zunächst liegenden Aecker) liegen.

Auf dieser alten Dorfstelle, nur einige Ruthen vom Rande des Glockenmoores entfernt, auf einer fast unmerklichen Erhöhung sind die Münzen ausgepflügt.

Es ist die Frage, welches Dorf auf dieser Dorfstelle gestanden habe. Die ältesten Einwohner des Dorfes Rüst wissen darüber nichts, meinen jedoch, es möchte wohl in ältern Zeiten dort das Dorf Rüst gestanden haben, welches später an seine jetzige Stelle versetzt worden sei. Darin stimmen aber die Erzählungen der Einwohner überein, daß das untergegangene Dorf eine Kirche mit Glocken gehabt habe, welche noch in dem "Glockenmoor" versunken liegen und zu der unten mitgeheilten Sage Veranlassung gegeben haben sollen. Das untergegangene Dorf kann aber Rüst nicht gewesen sein; denn Rüst hat eine eigene, sehr alte Kirche aus der Zeit des Uebergangsstyles mit hoch in der Feldsteinwand angebrachten, mit einem fast unmerklichen Spitzbogen gewölbten Fenstern. Das jetzige Dorf Rüst ist also ein sehr altes Dorf und das untergegangene Dorf muß selbstständig neben Rüst bestanden haben. Freilich ist es

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auffallend, daß zwei Kirchdörfer nur etwa 450 Ruthen weit von einander 1 ) lagen.

Das untergegangene Dorf war ohne Zweifel Nepersmühlen. Das Dorf Nepersmühlen oder in alter Zeit Newopersmühlen, ohne Zweifel von einem wendischen Edlen Newoper so genannt, war im J. 1280 dem Kloster Sonnenkamp oder Neukloster von dessen Propste Johann geschenkt 2 ), der das Dorf mit Mühle (und Krug) kurz vorher aus eigenen Mitteln gekauft hatte. Am 18. Julii 1306 verlieh der Fürst Heinrich von Meklenburg diesem Kloster den ganzen See von Nepersmühlen und das Patronatrecht der Kirche im Dorfe und des Filials Dabel 3 ). Durch die Säcularisirung kam das Dorf an die Herzoge von Meklenburg, welche es im J. 1583 gegen Matersen an das Kloster Dobbertin vertauschten.

Ungefähr 1000 Ruthen von der alten "Dorfstätte" liegt der Nepersmühlensche See, jetzt auch Kl. Pritzer See genannt. Dazwischen liegt jetzt Rüster, Hohen=Pritzer und Kl. Pritzer Feld. In diesen drei Feldmarken wird also die Feldmark Nepersmühlen untergegangen sein, jedoch ist es nicht klar, wie und wann. Jagd und Fischerei auf dem See hat das Kloster erst im J. 1805 an Kl. Pritz abgetreten. Auf der Dorfstätte beim Glockenmoor lag also ohne Zweifel das Kirchdorf Nepersmühlen, von welchem noch auf der großen schmettauischen Charte die Neper= oder Nepersmühler Mühle lag.

In der Gegend von Rüst lagen früher noch zwei wüste Feldmarken: Possehlsdorf, jetzt Sehlsdorf, und Kölpinstorf oder Kölpin, welches wohl in dem jetzigen Sehlsdorfer Forstreviere zwischen Mühlenhof, Augzin, Techentin, Hagen und Sehlsdorf lag. Im J. 1446 verkauften die Brüder Deneke, Heinrich und Wedege Weltzin dem Kloster Dobbertin 8 Hufen in Kölpinstorf; im J. 1535 wird das Dorf schon als wüst bezeichnet. Von diesen beiden Dörfern kann auf der "Dorfstätte" keines gelegen haben.


Die Glocken der Kirche (zu Nepersmühlen) sollen nach der Sage in dem Glockenmoor versunken sein, welches davon


1) Ein ähnliches Beispiel liefern die Pfarrkirchen von Basedow und Wargentin, welche kaum eine Viertelstunde weit von einander lagen. Das Dorf Wargentin ist im vorigen Jahrhundert in der Feldmark Basedow untergegangen, es sind jedoch noch die Fundamente der Kirche vorhanden.
2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. II, S. 64, 70, 72, 75, 101, 104, 143, 256, 279.
3) Vgl. daselbst II, S. 103.
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seinen Namen führen soll. Es lebt über diese Glocken bei den Bewohnern des Dorfes noch manche Sage, welche im Folgenden der Herr Klosterhauptmann Le Fort aus dem Munde der Leute gehört und niedergeschrieben hat.

Der Erbkrüger Rieck unter andern ist fest der Ueberzeugung, daß die Glocken noch in dem Moor liegen und herauszuholen wären, und zeigt genau die Stelle, wo sie liegen.

Eine alte Bauernwittwe Nehls, auch "Schnack=Nehlsch" oder "Trîn Nehls" genannt, erzählt Folgendes: Von ihrem Großvater habe sie gehört, daß dessen Vater, als er noch ein kleiner Knabe gewesen sei, mit andern Dorfkindern gegen Abend die Gänse beim Glockenmoor gehütet und zu Wasser getrieben habe. Wäre es dann helles und stilles Wetter gewesen, so wären die Glocken wohl über dem Wasser sichtbar geworden. Die Knaben habe es dann erfreut, mit ihren Peitschen an die Glocken zu schlagen und diese zum Klingen zu bringen. Hätten sie nun so oft daran geschlagen, als der Küster des Abends die Betglocke stößt, so habe eine Stimme ihnen zugerufen: "Nu is't nôg!" (Nun ist es genug!) Wäre dann einer von ihnen so unvorsichtig gewesen, die Glocke noch einmal, wenn auch noch so leise, zu berühren: "plumps wihren se werrer weg" (Plumps, waren sie wieder weg.) — Sie selbst, die alte Nehlssche, will die Glocken ein Mal läuten gehört haben. Der selige Erbkrüger Jahnke war eines Tages bei ihr zum Besuche. Während des Gespräches fragte er plötzlich: "Trîn Nehlssche hührst Du uns' Klocken nich?" — "O wat", antwortete sie, "de Rüster Köster is just up sinen Acker gahn; dat mägen wol de Mestliner oder de Hohen=Pritzer Klocken west sihn." — "Ne", sagte er, "dat sünd uns' Muhr=Klocken (= das sind die Moor=Glocken), de mehn ick." — "Un, wiß un wahrhaftig, Herr Klosterhauptmann", fügte Trîn Nehlssche hinzu, "as ick recht to hührt, don klüng' dat ganze Muhr. "


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Münzen von Röbel.

Der Herr Burgemeister, Hofrath Engel zu Röbel schenkte dem Vereine zwei kleine Silberpfennige, welche im Frühling 1848 neben den Fundamenten des im J. 1285 gestifteten Dominikaner=Klosters (vgl. Jahresber. VIII, S. 115) gefunden sind. Diese Münzen, beide sehr abgegriffen, von denen, wie es scheint, die eine einen Stierkopf auf der Hauptseite und eine sechsblätterige Rose auf der Rückseite, die andere einen Greifen auf der Hauptseite hat, gehören zu den erst in neuern Zeiten beobachteten, ganz kleinen, zweiseitigen Silberpfennigen, welche vorherrschend den pommerschen Städten angehören und durch diesen Fund einen Anhaltspunct mehr bekommen.

G. C. F. Lisch.


2. Neuere Zeit.


Münzprägung unter dem Herzoge Carl Leopold.

Der Geh. Rath J. P. Schmidt berichtet hierüber:

"Von Herzog Carl Leopold hat man keine Münze. Es ist aber bekandt, daß sie einen Ducaten mit einem Triangel hat schlagen laßen, welcher cabbalistische, aber nicht bekandt gewordene Deutung hat haben sollen. Es sollen davon nur 12 Stück gepräget seyn."

Vgl. Evers Meckl. Münz=Verf. II, S. 177.

Vignette
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V. Zur Wappenkunde.


Siegel der Stadt Stavenhagen.

Mit einem Holzschnitt.

Die Stadt Stavenhagen, welche ohne Zweifel in der Mitte des 13. Jahrhunderts gestiftet ist, da der Name Stavenhagen schon im J. 1268 vorkommt und der Ort ohne Zweifel dem Ritter Reimbern von Stove oder Stave, der auch im J. 1252 das Kloster Ivenack stiftete, seine Entstehung verdankt, gehörte im 13. Jahrh. noch zu Pommern. Land und Stadt Stavenhagen kamen im J. 1282 durch Verpfändung an die Fürsten von Werle: die Bestätigung der Stadtprivilegien geschah noch im J. 1282 durch den Herzog Bugislav von Pommern.

Das älteste Stadtsiegel hatte daher auch den Greifen der Herzoge von Pommern. Es war früher kein einziges

Stadtsiegel
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Exemplar des alten Stadtsiegels bekannt; alle Siegel, sowohl bei der Stadt, als in den sehr dürftigen Urkunden und Acten des Archivs, haben nur den Stierkopf. Endlich entdeckte ich ein Exemplar im Archive der Stadt Güstrow an einer Bündnißurkunde der Fürsten von Werle vom 8. Mai 1353 1 ). Dieses Siegel, dessen Abbildung diese Blätter zum Hauptzweck haben, ist, so viel bis jetzt bekannt geworden, das einzige vorhandene Exemplar. Es ist ein großes, rundes Siegel, welches den Schild der Herzoge von Pommern mit dem rechts ansteigenden Greifen führt. Dieses Siegel hat Sinn und Bedeutung.

In neuern Zeiten ließen die fürstlichen Beamten, da Stavenhagen amtssässig war, das "Siegel der Bürger von Stavenhagen" außer Acht und führten den Stierkopf in das Stadtsiegel ein. In den beiden ältesten, noch vorhandenen Siegeln, welche aus dem 17. Jahrhundert stammen, ist das Wappenbild der werlesche Ochsenkopf ohne Halsfell, was auch noch geschichtliche Bedeutung hat. Die andern Siegel, welche in die letzten hundert Jahre fallen, haben den meklenburgischen Büffelskopf mit Halsfell.

G. C. F. Lisch.



1) Gedruckt in Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 254, S. 114, Nr. 8.
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VI. Zur Rechtskunde.


Die eiserne Jungfer

auf dem Schlosse zu Schwerin.
Mit 3 Holzschnitten.

Es ist wohl selten etwas mehr im Munde des Volkes gewesen, als die "eiserne Jungfer", welche eine Hinrichtungs=Maschine des Mittelalters gewesen sein soll, ohne daß auch nur die geringste Spur von einer solchen Maschine oder eine schriftliche Nachricht darüber irgendwo aufzufinden gewesen wäre. Die "eiserne Jungfer" war bisher einem Gespenste gleich, das überall spukte. Ein Engländer Pearsall nahm es sich zum alleinigen Ziel, Ueberbleibsel von der "eisernen Jungfer" zu erforschen und machte zu dem Zwecke in den Jahren 1832 und 1834 weite Reisen durch Deutschland, deren Resultate er in der Archaeologia, London, Vol. 27, 1838, p. 229-250, niederlegte.

Die erste Spur fand Pearsall in Siebenkees Materialien zur nürnbergischen Geschichte, 1792, Bd. 2, S. 753, wo "aus einer Chronik berichtet wird: "Anno 1533 ist die eiserne Jungfer für die Maleficanten an der Froschthurm=Mauer gegen die 7 Zeilen aufgerichtet worden, so man öffentlich zu justificiren angestanden". Siebenkees erzählt nun weiter, an dem bezeichneten Orte habe ein eisern Bildniß, 7 Fuß hoch, gestanden, welches beide Arme gegen den Maleficanten ausgebreitet und ihn mit breiten Handsäbeln in Stücken gehauen habe. Jedoch wußte Siebenkees nichts mehr von dem Vorhandensein einer solchen Maschine. Pearsall reiste nach Nürnberg und erfuhr hier von dem Archivar Dr. Mayer, daß in einem Gewölbe in der Nähe der 7 Zeilen ehemals wirklich eine solche Maschine gestanden und er selbst noch einige Stücke von derselben gesehen habe; die Figur sei aber nicht mehr vorhanden. Die Figur habe an einer Fallklappe gestanden, und wäre das Schlachtopfer, nachdem es durch die Umarmung der Figur getödtet sei, durch die Fallklappe in ein unteres Gewölbe auf eine mit Messern versehene Maschine gefallen und durch diese in kleine Stücke zerschnitten; nach Mayers Vermuthung wären die Messer auf hölzernen Wellen befestigt gewesen, die durch das Gewicht des Körpers in Bewegung gesetzt wären und den Körper zerschnitten hätten. Pearsall giebt p. 236, Tab. XV, eine Abbildung von dieser muthmaßlichen Einrichtung. Die Kammer, zu der ein dunkler, enger Gang mit 4 eisernen Thüren führt, ist noch vorhanden und hat m der Mitte des Fußbodens eine viereckige Oeffnung,

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an deren Rande noch Spuren von Angeln sind etc. . Die Figur fand Pearsall endlich auf dem Schlosse zu Feistritz in Steiermark, dessen Besitzer sie zur Zeit der französischen Invasion aus dem Zeughause zu Nürnberg gekauft hatte. Die Figur ist genau 7 Fuß hoch, kann geöffnet werden und hat im Innern 21 vierschneidige Dolchspitzen gegen die Brust und 2 gegen die Augen, durch welche der Hinzurichtende todt gedrückt sein mag.

Pearsall hörte auf seinen Reisen von mehreren "eisernen Jungfern"; namentlich hörte er, daß in Berlin in dem Schloßthurme, "der grüne Hut" genannt, und im Schlosse zu Schwerin früher eine solche Hinrichtungsmaschine gestanden habe. Hiergegen erhob sich der Professor und Schloßbaumeister Martin Friedrich Rabe in einer eigenen Schrift:

"Die eiserne Jungfer und das heimliche Gericht im königlichen Schlosse zu Berlin, von Martin Friedrich Rabe, Berlin, 1847, in der Haude und Spenerschen Buchhandlung",

in welcher er sich zu beweisen bemüht, daß weder im Schlosse zu Berlin, noch überhaupt in Deutschland je eine solche Hinrichtungsmaschine existirt habe, sondern die "eiserne Jungfer" nichts weiter, als eines von den vielen Folterwerkzeugen 1 ) alter Zeit gewesen sei, die so sehr verschiedene Namen gehabt hätten.

Bald nach dem Bekanntwerden der Forschungen Pearsall's nahm auch ich die Forschung auf und theilte in unsern Jahrb. VI, 1841, S. 198, treu und gewissenhaft das mit, was sich über die eiserne Jungfer im Schlosse zu Schwerin noch ermitteln ließ. In Schwerin ist die Ueberlieferung von einer Hinrichtungsmaschine unter dem Namen der "eisernen Jungfer" sehr bekannt. In dem alten, bei dem gegenwärtigen Umbau des Schlosses erhaltenen Burgverließ, lagen an der Erde fünf gewaltige zweischneidige, scharfe, eiserne Schwerter, welche zu der zerstörten Maschine der eisernen Jungfer gehört haben sollen und aus dem Burgverließ in die großherzogliche Alterthümersammlung versetzt sind. Ich fügte hinzu, daß diese Schwerter offenbar zu einer Maschine gehört" haben und beschrieb sie so genau, daß ein Baumeister ihre Bestimmung wohl hätte erkennen sollen.

Dagegen erhebt sich Rabe, um consequent zu sein, a. a. O. S. 67 flgd. und zieht die von mir gemachten Angaben in der


1) In Rabe über die eiserne Jungfer S. 43 wird unter den Folterwerkzeugen auch das sogenannte meklenburgische Instrument aufgeführt, durch welches ein kreuzweises Zusammenpressen der Daumen und großen Zehen hervorgebracht ward.
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Weise in Zweifel, daß er die von mir gegebenen Maaße für ganz gewöhnliche Schwertermaaße ausgiebt. Er sagt:

"Wie wenig Vertrauen Pearsall's Nachrichten zum Theil verdienen, zeigt das, was er von Berlin und Schwerin erzählt. —  — Eben so unwahr ist auch, was Pearsall von dem Vorhandensein einer "Jungfer" im Schlosse zu Schwerin sagt. Eine dergleichen ist dort nicht mehr vorhanden — — und das Ganze scheint nur auf einer Sage zu beruhen. — — Die Nachricht des Hrn. Archivar Lisch (in Jahrb. a. a. O. ist indessen wohl nicht zur größern Bestätigung jener Sage geeignet. Der Raum war ein wirklicher Gefangenraum gewesen. Die 5 Schwerter bewahrheiten jene Sage nicht, sind ihr entgegen. Sie sind zweischneidig, — so waren auch die gewöhnlichen Schlachtschwerter, aber bei einer Maschine für den hier in Rede stehenden Zweck waren nur einschneidige Klingen erforderlich (?), und was beweiset, daß sie früher in einer Maschine gesessen haben? — Doch nur die Gestaltung ihrer untersten Enden. Konnten dieselben nicht eben so zur Befestigung des Handgriffs, welchen doch die Schlachtschwerter hatten, gedient haben? Hätten diese fünf Schwerter wirklich einer so künstlichen Maschine angehört, wie würden von ihr nur jene allein übrig geblieben, alles Uebrige aber verschwunden sein? — Nein! es sind gewiß wirkliche Schlachtschwerter aus andern Räumen des Schlosses, vielleicht aus dem ehemaligen Zeughause desselben, hierher gebracht; als Beweis einer hier vorhanden gewesenen "Jungfer" können sie aber nicht gelten!"

Es verlohnt sich nicht der Mühe, diese sämmtlich unbegründeten Behauptungen, welche die genaue Beschreibung gänzlich ignoriren, zu widerlegen. Wenn z. B. Herr Rabe fragt, wie es gekommen sei, daß nur die fünf Schwerter übrig geblieben seien, so antworte ich einfach darauf, daß es eben so wahrscheinlich ist, daß überhaupt nicht mehr als fünf vorhanden gewesen oder die übrigen gestohlen oder sonst verloren gegangen sind, wenn mehr vorhanden waren; übrigens war von jenen 5 Schwertern schon eins völlig hinreichend, um einem Menschen den Lebensfaden abzuschneiden.

Statt aller Widerlegung wiederhole ich hier die schon ein Mal gegebene Beschreibung und begleite dieselbe mit genauen Abbildungen, welche auf den ersten Blick zeigen, daß hier von "wirklichen Schlachtschwertern" gar nicht die Rede sein

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könne, man müßte denn eine eigene Menschenrace und einen ganz isolirten Culturzustand, der nirgends einen Vergleichungspunct hat, dazu annehmen.

Jede Klinge wiegt acht Pfund! Sie ist also wahrlich nicht als Schlachtschwert zu regieren. Dazu sind die Klingen sämmtlich nicht als Schwertklingen gestaltet; sie sind durchschnittlich 4 Zoll breit und unten abgerundet. Wollte man aber auch annehmen, diese Klingen hätten eine besondere Art von Schlachtschwertern gebildet, so beweiset doch grade "die Gestaltung ihrer untersten Enden, daß sie früher in einer Maschine gesessen haben."

Es gehören von den fünf Schwertern zwei Paare zusammen, das fünfte steht allein.

Umschrift

1. Die Schwerter des ersten Paares haben ein kurzes, grades, gespaltenes Heft von 6" Länge, mit zwei großen, durchgehenden Löchern, durch welche ein fingerdicker Bolzen oder eine Schraube getrieben werden konnte; das gespaltene Heft faßte ohne Zweifel über einen schmalen Balken.

2. Die Schwerter des zweiten Paares haben ein gebogenes, nicht gespaltenes Heft von 12" Länge, am Ende mit einem großen Loche, zum Einschrauben in einen Arm oder einen Balken.

3. Das fünfte Schwert ist den Schwertern des zweiten Paares gleich, nur mit dem Unterschiede, daß das Heft ganz grade ist.

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Jede Klinge ist, wie gesagt, acht Pfund schwer, 33 bis 34 Zoll lang, am Hefte gegen 5 Zoll und kurz vor der abgerundeten Spitze gegen 3 Zoll breit, zweischneidig und mit erhabenem Mittelrücken. Die 3 langen Hefte sind 12 Zoll lang, 1 3/4 Zoll breit und gegen 5/8 Zoll dick.

Aus den Abbildungen, zusammengehalten mit den ganz ungewöhnlichen und gewiß allein stehenden Maaßen, ergiebt sich nun wohl ohne Zweifel, daß an eine Verwendung der Klingen zu Schlachtschwertern nicht gedacht werden kann. Es ist vielmehr außer Zweifel, daß diese seltsamen Klingen in einer Maschine gesessen haben. Ob sie in der "eisernen Jungfer" gesessen haben, weiß ich nicht; die Sage bejahet es, und mehr weiß ich auch nicht. Wenn man aber irgendwo Ueberbleibsel einer Hinrichtungsmaschine unter dem Namen der "eisernen Jungfer" suchen will, so kann man sie wohl nur in den schweriner Schwertern suchen.

G. C. F. Lisch.


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Gebühren
für Leibgedingsverschreibungen
aus dem Lehn

In einer alten Handschrift im Gutsarchive von Dutzow heißt es:

Erinnerungen bei nechstkunfftigen lehntage wegen der lehengüter im Fürstenthumb Niedersachsen und deren specification.

(1666).

— — — — — — — — — — — — — — — — — 

— — — — — — — — — — — — — — — — — 

Der Herzogen zu Sachsen gerechtigkeit wegen confirmation auff einer Frauen von Adel leibgeding ist, daß derjenige, welcher seine Frau mit dem lehenstücke gantz oder zum theil beleibzüchtiget und den fürstlichen consens oder confirmation darüber ausbringet, der Herrschaft dafür geben muß drey köhr guter winde von einer farben mit sammetnen hetzbänden und silbern beschlagen. Dergleichen hat gethan Vicke vonBülow ao. 1588. Es müßen aber auff allen Fall nichts desto minder von der Wittwen die Roßdienste und Ehrenzüge richtig bestellet werden, wie ao. 1589 den 1. Aug. Volrath von Scharfenbergs revers lautet.

G. C. F. Lisch.


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VII. Zur Naturkunde.


Elen.

Ein Zahn von einem Elen, gefunden neben Resten von Knochen und Schaufeln eines Elen im Torfmoore zu Friedrichsdorf, ward geschenkt von dem Herrn Koch auf Dreveskirchen und Friedrichsdorf.

Bernstein.

Ein Stück Bernstein, 14 Loth schwer, gefunden zu Greven, A. Lübz, in einer Mergelgrube, ward geschenkt von dem Herrn Hofrath Hartmann zu Schwerin auf Greven.