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2. Neuere Zeit.


Der Bischofshof zu Schwerin.

Im März d. J. 1846 ward das früher "Bischofshof", später "Regierung" und zuletzt "Alte Regierung" genannte, dem Thurme des Domes gegenüber liegende alte Gebäude abgebrochen, um bei der völligen Veränderung der Richtung des Verkehrs einem neuen, großen Posthause Platz zu machen, welches am Ende des J. 1848 vollendet ward. So ist jetzt nur noch ein kleiner, unscheinbarer Thurm an dem einmaligen Minetschen Gasthofe, einer ehemaligen Domcurie, welcher an der Scharfrichterstraße der Münzstraße gegenüber steht, das einzige alte Privatgebäude in Schwerin und, außer dem Dom mit dem Kreuzgange, dem Schlosse und dem Rathhause, der einzige, unbedeutende Rest von alten Bauwerken in der Stadt. So sehr hat der Drang der Zeiten das Ansehen einer alten Stadt verändert!

Um eine Erinnerung an dieses nicht bedeutende Gebäude aufzubewahren, hat der Verein von demselben eine Zeichnung vor dem Abbruche nehmen lassen und der Unterzeichnete folgende Nachrichten über das Gebäude gesammelt, da sich doch noch lange Zeit hindurch Erinnerungen an dasselbe knüpfen werden.

Das Gebäude lag im Westen des Domes, mit seinem Eingange dem Thurme der Kirche grade gegenüber, mit den langen Seiten an der Bischofsstraße, von der einen, und der neuen Verlängerung der Fließgrabenstraße nach dem Pfaffenteiche, von der andern Seite, genau an der Stelle des neuen Posthofes. Vor dem Hause, dem Dome gegenüber, war ein großer, offener Hof oder freier Platz, daher auch die Bezeichnung durch Bischofshof. Grade so liegt das Haus der ratzeburger Bischöfe zu Ratzeburg.

Alle Nachrichten und Ueberlieferungen bezeugen, daß an dieser Stelle die Residenz der Bischöfe von Schwerin war, wenn sie sich in Schwerin aufhielten. Gewöhnlich aber lebten sie auf den Schlössern ihrer Tafelgüter, namentlich zu Bützow, auch zu Warin. In alten Zeiten lag der Bischofshof sehr versteckt hinter dem Dome. Wo jetzt die Friederichsstraße (früher Neue oder Schul=Straße) steht, war in alter Zeit ein schmaler Gang zwischen Gärten nach dem Küterhause (Schlachterhause) am Pfaffenteiche und daher Kütergang genannt; die Neue oder Schul=Straße, seit 1841 Friederichs=Straße, ward erst im J. 1771 projectirt. "Hinter dem Dome", wie früher die

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jetzige Bischofsstraße genannt ward, stand außer den Schulhäusern am Kreuzgange nur der Bischofshof mit einer Abfahrt nach der Schmiedestraße hin. Hinten stieß der Bischofshof an den Ausfluß des Fließgrabens (Stadtgrabens) in den Pfaffenteich und bildete hier die Grenze der Stadt; die Communication von der Fließgrabenstraße nach dem Pfaffenteiche hin ward erst im J. 1842 eröffnet. Jetzt liegt der neue Posthof im Mittelpunkte der Stadt!

Von dem alten Bischofshofe ist längst jede Spur verschwunden, da er im J. 1590 abgebrochen ward. Zuletzt erwählte ihn der Herzog Albrecht der Schöne im J. 1532 für die Zeiten, wo er sich in Schwerin aufhielt, nachdem er sich wieder zur katholischen Kirche gewandt hatte, zur Residenz. Der Herzog Ulrich von Güstrow ließ, als Administrator des Bisthums Schwerin, im J. 1590 den alten Bischofshof abbrechen und im J. 1591 das im März 1846 abgebrochene Gebäude aufführen. Hederich sagt in seiner schwerinschen Chronik:

"1591 ist des Bischoffs Hoff hinterm Thumb abgebrochen und wieder auffzubauen angefangen,"

und ein Visitations=Protocoll vom J. 1625 berichtet:

"Hertzog Heinrich hat zuerst die Reformation im jahr Christi 1532 zu Schwerin und in dem Lande vorgenommen und die päpstliche Lehre und Religion abgeschaffet. Weil aber dessen Herr Bruder Hertzog Albertus bei der catholischen Religion verblieben und auff den Bischoffshoff gezogen, so aber der vorige, der im jahr 1590 durch Hertzogk Ulrich abgebrochen und dieser erbauet, so ist der Thum catholisch verblieben biß nach deßen Tode."

Nach dem Tode des Herzogs Ulrich stand das Gebäude eine Zeit hindurch leer und wüst. Ein Visitations=Protocoll vom J. 1631 berichtet:

"Das Bischoffliche Haus ist von außen am gebewde in gutem eße, inwendig aber sein die gemecher gantz lehr befunden vnd im geringsten gantz kein Hausgerath. Das Dach ist bawfellig, dannenhero das Gebewde schaden zu nemen. Gegen vber ist ein Saal vnd eine Kuchen, so zimblich in gebewden. Vorn hauße ist ein Gart gewesen, so ietzo aber gantz verwust vnd ode."

Unter dem "Saal" ist, wie in Warin, wohl ein einzelnes, frei stehendes, altes Gebäude mit einem großen innern Raume zu verstehen, welches noch aus dem Mittelalter stammen mochte, wo dergleichen frei stehende Sääle ("palas") in der Bauweise lagen.

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Am Ende des J. 1632 erhielt der bekannte Lehn=Secretär und Archivar Simon Gabriel zurNedden († 1651), der bekannte, vertraute Diener des Herzogs Adolph Friederich I., der Stammvater der noch blühenden Familie, den leer stehenden Bischofshof, um in demselben "Hochzeit zu machen" und zu wohnen. Im J. 1633 schoß er die Kosten zum Ausbau vor. In der Folge besaß er ein eigenes, erst vor einigen Jahren abgebrochenes Haus in der jetzigen Münzstraße (Nr. 282), der jetzigen Palaisstraße grade gegenüber.

Im J. 1640 wohnte Daniel von Plessen auf Hoikendorf, im J. 1645 ein "Johann Stalmeister" in dem Hause. Von hier an ungefähr stand der Hof in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wüst, bis ihn 1678 der Vice=Canzler Garmer bezog.

Kurz vor und nach dem J. 1700 wurden die Ställe auf dem Bischofshofe zu fürstlichen Ställen benutzt.

Unter dem jagdlustigen Herzoge Friederich Wilhelm ward der Bischofshof von dem Hofmarschall und Oberjägermeister Melchior von Bergholz bewohnt. Nachdem im J. 1720 das Oberjägermeisteramt aufgehoben war, ward der Hof im J. 1722 dem Obristen Hans von Zülow verliehen. Nach diesem bewohnte der Hofmarschall und Geheime Rath F. G. von Bergholz zuletzt das Gebäude.

Im J. 1740 ward auch die "Post auf den Bischofshof gebracht", was nicht allein actenkundig ist, sondern sich auch in der Tradition erhalten hat.

Bis dahin hatte der Bischofshof immer dieselbe Einrichtung, welche er bis auf die neuern Zeiten behalten hat: in der Mitte stand das Hauptgebäude, daneben stand ein Wohnhaus mit Brauhaus und Backofen, am Zugange eine Dienerwohnung, umher lagen ein Küchengarten und ein Lustgarten.

Mit der Vermählung des Prinzen Ludwig (vermählt 14. Mai 1755), des jüngern Sohnes des Herzogs Christian Ludwig († 30. Mai 1756), ging mit dem Bischofshofe eine bedeutende Veränderung vor. Am 31. März 1755 befahl der Herzog Christian Ludwig, für den Prinzen Ludwig Wohnzimmer auf dem Schlosse zu Schwerin und zu dessen Marstall die Ställe auf dem Bischofshofe einzurichten; zugleich ward das Hauptgebäude "zum Regierungs=Collegium" bestimmt. Noch im März 1755 räumte der Geheime Rath von Bergholz den Hof und lieferte die Schlüssel zum Hauptgebäude an den Regierungs=Registrator Gutzmer ab. Auch der gleichzeitige Geheime Rath J. P. Schmidt berichtet: Bei Gelegenheit der Vermählung des Prinzen Ludewig ward das Regierungs=Collegium nach dem Bischofshofe verlegt.

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Schon im November 1756 hieß das Hauptgebäude des Bischofshofes das "Regierungshaus auf dem Bischofshofe";

seitdem ward es immer "Regierung" und zuletzt seit dem Bau des Collegien=Gebäudes "Alte Regierung" genannt.

Auf dem Hofe ward der Marstall für den Prinzen Ludwig sogleich eingerichtet und dazu schon im J. 1755 auf der nördlichen Seite des Hofes eine Reitbahn erbauet.

Seit dieser Zeit erst ward der ganze, bisher immer so genannte Hof auch der Prinzenhof genannt, unter welchem Namen er im 19. Jahrh. bei dem Volke fast allein bekannt war. Gewohnt haben auf dem Hofe nie Prinzen.

Nach dem Tode des Prinzen Ludwig († 1778) benutzte die zu Schwerin residirende Prinzessin Ulrike die Ställe zum Marstall.

Nach dem Befreiungskriege gingen die Gärten vor dem Gebäude ein und es ward bei der Organisirung der Artillerie das große Wagenschauer an der nördlichen Seite des Hofes erbauet; alle Ställe dienten fortan zur Aufbewahrung des Artillerie=Trains; die Ställe für die Artillerie=Pferde waren jedoch auf dem Hofe des alten Commandanten=Hauses in der Schloßstraße.

Nach dem Bau des Collegiengebäudes am alten Garten ward auch das Regierungs=Collegium in dieses verlegt; im J. 1835 ward der Bischofshof von den letzten Acten geräumt.

Darauf ward das Gebäude zur Artillerie=Administration mitbenutzt, bis der Artillerie=Train in das neue Arsenal verlegt ward.

Nach der Anlegung der Paulsstadt erhielt am 3. Mai 1841 die Straße von der Friederichsstraße nach der Schmiedestraße, zwischen dem Dome und dem Bischofshofe, den Namen Bischofsstraße. Nach dem Abbruche des Bischofshofes im März 1846 ist dieser Straßenname die einzige Erinnerung an die alte Residenz der Bischöfe von Schwerin.

Bei dem im J. 1846 vorgenommenen Abbruche des Gebäudes und beim Ausgraben der alten Fundamente, welche ganz ausgehoben wurden, hat der Unterzeichnete täglich die Baustelle besucht und die größte Aufmerksamkeit angewandt. Es ist aber gar nichts weiter gefunden, als eine alte Topfkachel. Die Fundamente bestanden aus einer ungeheuren Menge mächtiger Granitblöcke. An dem Rande des ehemaligen Fließgrabens lag ein isolirtes Fundament, welches eine Mauer (zugleich einen Theil der ehemaligen Stadtmauer) getragen zu haben schien. An der Nordwestecke, gegen den Pfaffenteich hin, lag ein rundes Fundament aus vielen großen Granitblöcken, wahrscheinlich das Fundament eines Thurmes.

G. C. F. Lisch.