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Der Münzfund von Rüst

und

die Wittenpfennige des 14. Jahrhunderts,

von
G. C. M. Masch,
Pastor zu Demern.

Auf der Feldmark des dobbertiner Klosterdorfes Rüst, unweit der Stelle, wo die goldberg=sternberger und schwerin=wahrensche Landstraße sich kreuzen und wo bei Regulirung der rüst=mestliner Bauerschaften im Jahre 1833 das Erbkruggehöft hingebauet ward und der Haken auf dem Felde rothen Schutt als Ueberbleibsel von Ziegeln aufwirft, ist die Stelle eines untergegangenen Dorfes Nepersmühlen, welches früher dem Kloster Neukloster, seit 1583 dem Kloster Dobbertin gehörte. Der Name "Dorfstätte" ist dem Orte bis auf den heutigen Tag geblieben. Daneben liegt eine moorige Wiese, das Glockenmoor genannt, in welches die Glocken des Dorfes versunken; alte Leute haben von ihren Alten gehört, daß sie noch mitunter geläutet. Ungefähr 6 Schritte vom südlichen Rande dieses Glockenmoores auf dem Taglöhneracker des Joachim Garlin, auf einer fast unmerklichen Erhöhung, ward am 15. Oct. 1849 ein altes zinnernes Gefäß in Form eines Bierkrugs ausgehakt; es war dünne, zerfressen und nicht mehr zu erhalten: die Münzen, welche es enthielt, fielen in den Acker. Es waren 1221 Stück, von denen der Finder die eine Hälfte erhielt; die andere Hälfte, welche das Kloster behielt, ist es, worüber sich dieser Bericht verbreitet.

Alle diese Münzen gehören in die Classe der Wittenpfennige, einer Münzsorte des 14. Jahrhunderts, welche im nördlichen Deutschland die weiteste Verbreitung fand. "1325 wurden de ersten groten penninghe van veer penninghe schlan", so heißt es in den ältesten lübeckischen Münzbüchern, und in dies Jahr, gegen das man nichts einwenden kann, muß man also den Anfang der Wittenpfennige, (denn das sind diese großen Pfennige von 4 Pfennigen) oder die Begründung des wendischen Münzvereins setzen, welchem zunächst die Städte Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg angehörten, dem auch Rostock, Stralsund, selbst Greifswald mit Demmin und Anclam sich anschlossen, sich jedoch später, da ihre Pfennige nur halb so gut als die übrigen waren, dem Bunde wieder entfremdeten.

Ueber den Münzfuß dieser Wittenpfennige liegen in den alten Münzbüchern auf der lübecker Registratur Nachweisungen

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vor, welche Grautoff in seiner Geschichte des lübeckischen Münzfußes (Historische Schriften III.) sehr gründlich benutzt hat. Nach diesen wurde 1329 die Mark fein zu 3 Mark 2 ßl. 8 Pf. ausgeprägt, jedoch schon 1346 zu 3 Mark 9 ßl. 8 Pf., dann 1372 zu 4 Mk. 2 ßl. 4 Pf. und 1375 zu 4 Mk. 3 ßl., wobei zu bemerken, daß das lübeckische Silber oder Silber lübischen Zeichens damals nur 14 1/4=löthig war (de marca was gespiset mit VII quentin), und diese Mark wird nun auch öfter marca puri genannt.

1379 in profesto b. Scholasticae virginis ward von Hamburg, Wismar und Lübeck ein Münzreceß abschlossen (Grautoff a. a. O. S. 176), daß man auf 16 Loth lübischen Zeichens 3 Loth Kupfer zusetze und daraus Pfennige zu 4 Pfennigen schlage, und soll die Schrotung halten auf die gewogene Mark 3 Mark und 32 Pf. Es enthielten also 19 Loth nur 14 1/4 Loth fein Silber, demnach 16 Loth der Beschickung 12 Loth; es wurden aus der Mark 12löthigen Silbers 152 Witten geschlagen und die Mark fein zu 4 Mk. 3 ßl. 7 Pf. ausgezellt; sämmtliche 19 Loth gaben 180 1/2 Stück, und so wurden auch 1384 und 1387 aus der marca puri an Witten 45 Wurf, also 180 Stück geschrotet.

Mit diesem Recesse stimmen nun freilich die Resultate der Untersuchungen, welche neuerdings mit Münzen, die ihm gemäß geschlagen wurden, angestellt sind, nicht überein. Im J. 1842 wurden bei Lübeck 115 Wittenpfennige gefunden; Senator Claudius bespricht (Neue Lüb. Blätter 1842, Nr. 47 u. 48) diesen Fund, der übrigens nichts bisher Unbekanntes enthielt, und hat die Münzen selbst einer genauen Untersuchung unterworfen. Die lübeckischen wogen 343 und 345 Richtpfennige (4096 = 1 Loth) und der letztere enthielt 276 11/16 Richtpfennig fein Silber, also war die Mark 12 Loth 15 Gr. fein. Die Hamburgischen wechseln zwischen 361 und 339 Richtpfennige, die letztere ward probirt und enthielt 272 Richtpf. fein Silber, also war die Mark 12 Loth 15 1/2 Gr. fein. 2 Lüneburger wogen 381 und 354 Richtpf. und 14 Wismarsche waren 380 bis 330 Richtpf. schwer, eine Münze von 348 Richtpf. ward untersucht und gab 276 11/16 Richtpf. fein Silber, die Mark also 12 Loth 15 1/2 Gr. fein. — Ganz stimme ich dem Herrn Verf. in der Ansicht bei, daß diese Abweichung des Befundes nicht als Abweichung vom Receß selbst zu betrachten sei. Durch den Rost und durch die Säuern, welche man zur Reinigung anwendet (wahrscheinlich sind sie auch in Lübeck angewandt worden, obgleich es nicht angegeben ist), wird das Verhältniß zwischen Silber und Kupfer verrückt; das Kupfer schwindet leichter und der Gehalt erscheint also höher. Auch muß

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es dahin gestellt bleiben, ob die Schmelzung einer einzelnen alten kleinen Münze einen sichern Maaßstab zur Bestimmung des Feingehaltes in der Mark geben kann, denn unmöglich sind doch alle Silber= und Kupfertheile in der Zaine ganz gleichmäßig vertheilt gewesen, aus der die Münze geschrotet ward.

Wenn nun aus der Mark 152 Stück Vierpfennigstücke geschlagen wurden, so mußte, wenn sie alle gleich geschrotet waren, jedes Stück 431 Richtpfennige wiegen mit 323 Richtpfennig fein Silber; um nun zu dem Resultate zu gelangen, welches die untersuchten Münzen gaben, müßte man annehmen, daß sie etwa 90 Richtpfennige, also 20 pro Cent am Gewicht und 47 Richtpf. an Silber, also 14 pCt. durch Oxydation oder Manipulation verloren haben; das läßt sich aber kaum glauben. Die Annahme, daß man zwischen 1384 und 1387 zwar bei demselben Gepräge, vielleicht auch bei demselben Korne blieb, aber mit dem Schrote stieg, wodurch sowohl der Silbergehalt, als das Gewicht der einzelnen Münze geändert wurde, scheint sich zwar zu empfehlen, wird aber durch die 1384 vorgenommene Valvation (Grautoff a. a. O. p. 182) nicht bestätigt, welche ergiebt, daß bis auf eine Kleinigkeit von 1/2 bis 2 Witten die Schrotung mit der Vorschrift des Recesses übereinstimmt.

Zu einer Untersuchung des Gehaltes der Münzen von Rüst fehlen mir alle Mittel, auch schien es nicht nöthig, sie zu veranlassen, denn voraussichtlich würde sie kein anderes Ergebniß geliefert haben; als Thomsen (vgl. IV. Bericht der Schlesw. Holst. Lauenb. Alterthumsgesellsch. 1839, S. 54) gleiche Wittenpfennige aus dem Funde von Ruhwinkel probiren ließ, fand er auch das Silber ungefähr 13löthig. Gleichfalls stimmen hinsichtlich des Schrotes die sehr wohl erhaltenen Münzen von Rüst, von denen der Rost durch Anwendung von Säuren entfernt ist, mit den früher gewogenen überein. Es wiegen nämlich 4 Stück mit geringer Abweichung von ± 3 As immer 3/8 Loth cölnisch, und das giebt 170-172 Stück auf die rauhe Mark, und eben so hat es auch Thomsen gefunden. Die Worte des Recesses: vnde schal do schrodinge holden de weghene mark vppe III mark vnde XXXII penninghe, sind keiner andern Deutung fähig: 3 Mark und 32 Pfennige sind 608 Pfennige, und das sind 150 Vierpfennigstücke; wir haben jetzt immer auf der rauhen Mark, denn das ist die gewogene, an 20 Stück zu viel.

Da der Haupthandelsverkehr in den Händen der Hansestädte war, so ist es natürlich genug, daß selbst diejenigen Städte, welche nicht zum Bunde gehörten, sich in Gehalt wie in Form ihrer Münzen denen der Hanse anschlossen, und das findet sich auch. Die Landesherren scheinen aber keine Wittenpfennige geschlagen

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zu haben, denn alle, welche vorgekommen, und es sind ja in Holstein, in Lübeck und bei uns bedeutende Funde zur Untersuchung gebracht, haben kein landesherrliches Gepräge.

Es ist freilich früher die Ansicht verteidigt worden, daß die Münzen derjenigen Städte, welche nicht unmittelbar waren und deren Münzrecht man nicht nachweisen konnte, eigentlich Münzen der Landesherren gewesen, und daß der Name der Stadt, der sich mit dem Zusatze moneta darauf findet, nur Bezeichnung des Imports gewesen, was allerdings bei den Münzen aus dem 16. Jahrhundert seine volle Richtigkeit hat, und hat dies Evers in Hinsicht auf Güstrow, Parchim, Friedland und Neubrandenburg behauptet, malchinsche und gnoiensche Wittenpfennige waren zu seiner Zeit noch nicht bekannt geworden; jedoch muß ich vollständig bei meiner bereits früher (Jahresbericht VI, S. 51) ausgesprochenen Ansicht bleiben, daß sämmtliche Münzen der Art den Städten selbst angehören. Urkundliche Andeutungen in Bezug auf Parchim und Friedland sind an jener Stelle bereits nachgewiesen; andere Gründe, welche aus der Gestalt der Münzen herfließen, wird folgende Zusammenstellung geben, und in den Zeitverhältnissen liegen Gründe genug zur Annahme jenes Satzes. Gegen die Mitte und das Ende des 14. Jahrhunderts blüheten bekanntlich die verbundenen Hansestädte mächtig auf, und zu dieser Zeit und auf dieses Vorbild hinschauend, hob sich das Städtewesen im nördlichen Deutschland besonders. Die Hansestädte hatten, theils von sich selbst, theils durch Kauf, wie Rostock 1325 und Wismar 1359, das Münzrecht erworben; es war nur allzu natürlich, daß nun auch andere Städte es annahmen (als Anmaßung mag man es immer betrachten), und zwar in der Art, daß sie sich den Hansestädten anschlossen, wo die Wittenpfennige eine so beliebte Münze geworden waren.

Dies bestätigt nun auch die Form dieser Münzen, welche eine sehr interessante Familie bilden. Es scheint, wenn gleich kein durchaus vollständiges, jedoch ein hinreichendes Material vorhanden zu sein, um die Verbindung der Formen unter einander und wie man sich an einander anschloß, darzustellen, und das soll nun versucht werden.

Lübeck, das Haupt der Hanse, welche auch der Währung den Namen gab, während vielleicht der wendische richtiger gewesen wäre, muß als Urform der Type, welche auf der einen Seite Bild, auf der andern Kreuz hat (denn das ist allen Wittenpfennigen gemeinsam), betrachtet werden, und bezeichnete sich als Reichsstadt ( CIVITAS IMPERIAL ). Ihr folgen nun die übrigen Städte, und bezeichnen sich Rostock, Wismar, Gnoien, Neubrandenburg und Friedland als meklenburgische Städte

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( CIVITAS MAGNOPOL ), Parchim, Güstrow, Malchin als Städte des Herrn zu Werle ( CIVITAS DNI DE WERLE ), die holsteinischen Städte (abgebildet: Grote, Blätter für Münzkunde, 1835. T. XXXI. p. 266-270. Nr. 27) verfahren eben so: Kiel, Oldesloe, Rendsburg, Flensburg geben sich als Holsteins Städte ( CIVITAS hoLSACIE ) zu erkennen, Ripen als Stadt im Reiche ( CIVITAS IN REGNO oder CIVITAS RENGNI ). Hamburg, Lüneburg und Stralsund lehnen aber, und die Gründe dazu sind in ihren Verhältnissen unschwer zu erkennen, diese Bezeichnung ab, und setzen einen Denkspruch an ihre Stelle. (So Hamburg BENEDICTVS DEVS , Lüneburg SIT LAVS DEO PATRI , Stralsund DEVS IN NOMINE TVO ).

Die Reichsstadt Lübeck nahm den Reichsadler, ganz zu ihrer Inschrift gehörend, und eben so nahmen Wismar, Güstrow, Parchim, Malchin, Neubrandenburg und Friedland den meklenburgischen oder werleschen Stierkopf, beide durch das Halsfell in bekannter Weise unterschieden, Rostock und Gnoien den Greif der Herrschaft Rostock; Kiel, Oldesloe (von dem kleinern Pfennig war sicherlich der entsprechende Wittenpfennig auch vorhanden), Rendsburg nahmen das Nesselblatt, Flensburg die schleswigschen, Ripen die dänischen Löwen, Lüneburg den Löwen des Landes; .Hamburg und Stralsund blieben bei ihrem Stadtzeichen, Burg die erste, Stral die zweite, und Wismar gesellte sich ihnen bald zu, indem es den Stierkopf wegließ und das Stadtwappen an die Stelle setzte; auch Oldesloe hat auf einem Wittenpfennig den Heiligen des Stadtzeichens (St. Johannes mit dem Kelche ist bei Grote a. a. O. p. 267 abgebildet, in der Beschreibung ist "eine bärtige männliche Figur, auf der erhobenen Rechten das Nesselblatt", neuere Angaben haben St. Petrus mit dem Schlüssel.)

Die zweite Seite der Wittenpfennige enthält ein Kreuz, und aus den verschiedenen Münzrecessen, welche sich auf die Form desselben beziehen, läßt sich das Alter der Münzen aus diesem Kreuze genau genug bestimmen. Der schon vorhin erwähnte Receß von 1379 zwischen Hamburg, Lübeck und Wismar bestimmt:

vnde desse penninghe schullen hebben sternen an beyden siden, an der syde des crutzes midden in deme crutze, vnde an der anderen syden in deme zirkele dar de bokstaven inne stan, rechte boven des arnes hovede vnde boven der borch vnde boven des ossen hovede.

Daraus ergiebt sich nun, daß schon vor dieser Zeit eben so wohl das angegebene Bild, wie das Kreuz (das hanseatische) gebräuchlich war, und dann, daß die Wittenpfennige von Lübeck, Hamburg und Wismar, welche ein volles oder in der Mitte

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willkürlich verziertes Kreuz haben, älter sind als 1379, die mit dem Sterne aber in diesem Jahre beginnen. Lüneburg, Rostock und Stralsund traten 1381 sabbatho ante dominicam palmarum dieser Verbindung bei:

dat se myd en slan enen penningh van veer penninghen ghetekent myd ener sternen, alse vorscreven is.

Also fängt für diese 3 Städte mit 1381 das Sterngeld an, und die einfachen Kreuze sind älter als dieses Jahr. Darauf verbanden sich die drei Städte Hamburg, Wismar und Lüneburg auf zwei Jahre in festo apostoli Philippi et Jacobi 1387:

vnde desse penninghe scholen hebben schlichte rundele middene in deme cruce.

Es sind demnach diejenigen, welche die Sterne weglassen und statt dessen einen leeren Kreis setzen, jünger als 1387. Mit dem Jahre 1403 verschwand das Kreuz und das Stadtzeichen kam auf beide Seiten; 1410 kommt es aber wieder und geht durch die Umschrift; von diesen Formen aber finden sich keine Münzen mehr in unserm Funde.

Es sind demnach drei Arten von Kreuzen zu berücksichtigen. Wenden wir uns nun zu den ältesten Münzen, welche vor 1379 oder 1381 entstanden sind, so haben Hamburg, Lüneburg und Stralsund ein volles Kreuz gebraucht, und diesen schließen sich Ripen, Friedland und Neubrandenburg an; aber diese alle haben das Kreuz nicht rein, denn in den vier Winkeln ist es bei Hamburg von Nesselblättern, bei Lüneburg und Ripen von Löwen, bei Friedland (Evers, S. 28) von Sternen begleitet, bei Stralsund von einem Strale im rechten Oberwinkel, bei Neubrandenburg von einem Stern im rechten und linken Unterwinkel (Evers, S. 28). An den Enden hat Wismar das Kreuz mit Kleeblättern geziert, Lübeck dagegen durchbrach in der Mitte das Kreuz in Form eines Vierblattes, und Rostock nahm sie auch an, Güstrow, Parchim, Malchin, Gnoien (in dem Exemplare meiner Sammlung) folgten in Meklenburg, Kiel, Rendsburg und Flensburg in Holstein.

Die zweite Art der Kreuze in Folge der Vereinbarung von 1379 und 1381 hat in der Mitte eine runde Oeffnung und darin einen Stern von 6 Strahlen; Wismar behielt dabei die Verzierung an den Enden, Stralsund und Hamburg die Begleitung der früheren Zeit. Es schließt sich dieser Form ein friedländischer Wittenpfennig an, von dem der Verein durch Herrn Kretschmer eine Zeichnung besitzt, und der güstrowische, den Evers S. 19, 2. beschreibt.

Die dritte Art in Folge der Verbindung von 1387 findet

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sich mit der leeren Rundung von Wismar, Hamburg und Lüneburg, wobei ersteres sein gewöhnliches Kreuz, letzteres die gewöhnliche Begleitung beibehielt, welche bei Lüneburg, wie bei der vorigen Form, so auch bei dieser wegblieb. Von Friedland ist eine ähnliche Form bekannt (Evers, S. 27), von Güstrow, wo das Kreuz von zwei Balken und von Kleeblättern (in Form der wismaraner) gebildet wird, hat meine Sammlung ein Exemplar (19 Millimeter Durchmesser, 22 As schwer).

Es findet sich nun noch eine andere Form, von der es fraglich ist, ob man sie vor 1379 oder nach Ablauf der 1387 auf zwei Jahre geschlossenen Vereinbarung setzen muß. Es ist nämlich eine Rundung da, und in derselben ein Wappenbild oder dergleichen enthalten, so bei Lüneburg ein Löwe, bei Gnoien (aus dem Exemplar der Vereinssammlung) die städtische halbe Lilie, bei Parchim fünf Punkte (Jahresber. VI, S. 57, n. 3, 4, 5), bei Oldesloe das Nesselblatt. — Die Form des Kreuzes mit der Rundung entspricht ganz der letztern Darstellung; bei Lüneberg ist auf mehreren Typen ein Stern in der Umschrift. Alles weiset auf eine Zeit nach Ablauf der auf 2 Jahre geschlossenen Verbindung und würden demnach diese Münzen nach 1389 geschlagen sein.

Außer den Bildern finden sich nun noch auf allen Wittenpfennigen bedeutende Verschiedenheiten in den kleinen Zeichen, welche die Worte der Umschrift von einander trennen, und in diesen wiederum eine auffallende Uebereinstimmung in den Münzen der verschiedenen Städte, so daß man nicht eine Willkür der Eisenschneider oder einen bloßen Zufall annehmen darf. Es sind höchst wahrscheinlich Geheimzeichen gewesen, wodurch die Münzer ihre verschiedenen Schmelzungen oder dergleichen (Jahrgänge?) bezeichnen wollten; wenn nun gleich ihre Bedeutung nicht zu ermitteln steht, so dürfen sie doch auf Berücksichtigung Anspruch machen.

Wenn man nun die Zeit bestimmen muß, in der die Münzen bei Rüst vergraben, so steht erstlich fest, daß es vor 1403 geschehen sein wird, denn von den Münzen, welche auf beiden Seiten mit gleichem Schilde bezeichnet sind, fand sich keine. Von denen mit der Rundung fanden sich Pfennige von allen drei verbundenen Städten also haben wir das Jahr 1387, und da man nun diejenigen, welche in der Rundung ein Bild haben, nach 1389 setzen muß und sich diese Type von Lüneburg in 19 Exemplaren findet, so würde die Vergrabung in das letzte Jahrzehend des vierzehnten Jahrhunderts fallen.

Ein ähnlicher Fund von Wittenpfennigen ward 1840 in Hagenow gemacht (Jahresber. VI, S. 50 flgd.); auch dort fanden sich Münzen von fast allen den Münzstädten, welche hier Beiträge lieferten, selbst der so überaus seltene Wittenpfennig von

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Ripen fand sich dort, wie hier; aber da jene wenigstens 10 Jahre später vergraben wurden, so sind damals die Münzen, welche vor 1379 geschlagen wurden, fast schon aus dem Verkehr verschwunden gewesen, und hier ist ihre Anzahl noch sehr groß; man muß also wohl annehmen, daß man auch damals noch (von frühern Zeiten ists bekannt genug) bei jeder neuen Münzform die ältere wieder einschmolz, obgleich nach den bekannten Münzrechnungsbüchern aus dieser Einschmelzung kein großer Gewinn erwachsen sein kann, da Schrot und Korn sich so sehr gleich blieb.

Es ist freilich zu bedauern, daß die zweite Hälfte des Rüster Fundes nicht zur Untersuchung gekommen (über das Schicksal desselben sind keine Nachrichten zu geben), jedoch ist unsere Hälfte immer schon zahlreich genug zu Uebersichten und Vergleichungen, und das Kloster Dobbertin, welches sie zur Untersuchung darbot und der Sammlung freigebigst alles überließ, was ihr werth sein konnte (sie hat von jeder Type ein Exemplar aufgenommen), hat gerechten Anspruch auf den Dank der Wissenschaft, wie des Vereins, den man freudig und öffentlich aussprechen muß.


Zahlenverhältniß des Rüster Münzfundes nach Ort und Zeit der Münzen.

Tabelle

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Beschreibung der Münzen.


Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen

1) Dieses, einer Spange ähnliche Zeichen gleicht entweder zwei gegen einander gestellten BB , oder hat in der mittleren, einem Vierblatt ähnlichen Oeffnung ein Kreuz in mehreren Verschiedenheiten, oder läßt auch dieses weg.

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Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen

1) Da sich Lüneburg mit Lübeck, Hamburg und Wismar 1410 Lucie verband, einen Wittenpfennig von 4 Den. zu schlagen, über deren Gepräge bestimmt ward: vnde de witten penning schall hebben jewelk siner stad wapen bi der enen siden vnde by der andern syden eyne dorgande cruce (Grautoff, S. 179), so konnte man versucht sein, diese Münze nach 1410 zu stellen. Jedoch hat vorliegende Münze in den Buchstaben, die sehr gut gebildet sind, einen frühern Charakter, und in dem ganzen Funde ist kein Stück, welches nach 1403, wo die Type geändert ward (mit dem gleichen Wappen auf beiden Seiten), geschlagen wäre; daher muß diese Form wohl als die früheste angenommen werden, welche hier vorkommt. Von den nach 1410 geschlagenen liegt kein Exemplar von Lüneburg zur Vergleichung vor.

2) Die beiden Buchstaben Ch sind zusammengezogen.

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Beschreibung der Münzen

1) Die beiden Buchstaben Ch sind zusammengezogen.

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Beschreibung der Münzen
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Beschreibung der Münzen

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Das Glockenmoor
und die Lage des Dorfes Nepersmühlen.

Der Rüster Münzfund hat Veranlassung zu interessanten Nachforschungen anderer Art durch der Herrn Klosterhauptmann Baron Le Fort zu Dobbertin gegeben, welche wir im Nachfolgenden mittheilen.

Unweit der Stelle auf der jetzigen Rüster Feldmark, wo jetzt die goldberg=sternberger und schwerin=wahrensche Landstraße sich kreuzen und die von Crivitz herkommende einfällt und wo bei Regulirung der rüst=mestliner Bauerschaften im J. 1833 das Erbkruggehöft hingebauet ist, befindet sich eine moorige Wiese, das "Glockenmoor" genannt, welches auch auf der großen schmettauischen Charte westlich von Rüst steht. Auf dem von Süd und Südwest dahin abfallenden Felde, und zwar auf dem für die kleineren Leute in Rüst reservirten Acker soll in frühern Jahrhunderten ein Dorf gestanden haben, und zeigt der Boden noch jetzt beim Ackern Grus und Bruchstücke von Mauerstein; ja alte Leute besinnen sich, dort noch Reste von Steinmauern und Steindämmen gesehen zu haben. So viel ist gewiß, daß noch jetzt dieser Theil des Feldes "de Dörp=Städ" (= die Dorfstätte) heißt und nicht weit weit davon "de Wuhrs" (= die Worthen, den Gehöften zunächst liegenden Aecker) liegen.

Auf dieser alten Dorfstelle, nur einige Ruthen vom Rande des Glockenmoores entfernt, auf einer fast unmerklichen Erhöhung sind die Münzen ausgepflügt.

Es ist die Frage, welches Dorf auf dieser Dorfstelle gestanden habe. Die ältesten Einwohner des Dorfes Rüst wissen darüber nichts, meinen jedoch, es möchte wohl in ältern Zeiten dort das Dorf Rüst gestanden haben, welches später an seine jetzige Stelle versetzt worden sei. Darin stimmen aber die Erzählungen der Einwohner überein, daß das untergegangene Dorf eine Kirche mit Glocken gehabt habe, welche noch in dem "Glockenmoor" versunken liegen und zu der unten mitgeheilten Sage Veranlassung gegeben haben sollen. Das untergegangene Dorf kann aber Rüst nicht gewesen sein; denn Rüst hat eine eigene, sehr alte Kirche aus der Zeit des Uebergangsstyles mit hoch in der Feldsteinwand angebrachten, mit einem fast unmerklichen Spitzbogen gewölbten Fenstern. Das jetzige Dorf Rüst ist also ein sehr altes Dorf und das untergegangene Dorf muß selbstständig neben Rüst bestanden haben. Freilich ist es

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auffallend, daß zwei Kirchdörfer nur etwa 450 Ruthen weit von einander 1 ) lagen.

Das untergegangene Dorf war ohne Zweifel Nepersmühlen. Das Dorf Nepersmühlen oder in alter Zeit Newopersmühlen, ohne Zweifel von einem wendischen Edlen Newoper so genannt, war im J. 1280 dem Kloster Sonnenkamp oder Neukloster von dessen Propste Johann geschenkt 2 ), der das Dorf mit Mühle (und Krug) kurz vorher aus eigenen Mitteln gekauft hatte. Am 18. Julii 1306 verlieh der Fürst Heinrich von Meklenburg diesem Kloster den ganzen See von Nepersmühlen und das Patronatrecht der Kirche im Dorfe und des Filials Dabel 3 ). Durch die Säcularisirung kam das Dorf an die Herzoge von Meklenburg, welche es im J. 1583 gegen Matersen an das Kloster Dobbertin vertauschten.

Ungefähr 1000 Ruthen von der alten "Dorfstätte" liegt der Nepersmühlensche See, jetzt auch Kl. Pritzer See genannt. Dazwischen liegt jetzt Rüster, Hohen=Pritzer und Kl. Pritzer Feld. In diesen drei Feldmarken wird also die Feldmark Nepersmühlen untergegangen sein, jedoch ist es nicht klar, wie und wann. Jagd und Fischerei auf dem See hat das Kloster erst im J. 1805 an Kl. Pritz abgetreten. Auf der Dorfstätte beim Glockenmoor lag also ohne Zweifel das Kirchdorf Nepersmühlen, von welchem noch auf der großen schmettauischen Charte die Neper= oder Nepersmühler Mühle lag.

In der Gegend von Rüst lagen früher noch zwei wüste Feldmarken: Possehlsdorf, jetzt Sehlsdorf, und Kölpinstorf oder Kölpin, welches wohl in dem jetzigen Sehlsdorfer Forstreviere zwischen Mühlenhof, Augzin, Techentin, Hagen und Sehlsdorf lag. Im J. 1446 verkauften die Brüder Deneke, Heinrich und Wedege Weltzin dem Kloster Dobbertin 8 Hufen in Kölpinstorf; im J. 1535 wird das Dorf schon als wüst bezeichnet. Von diesen beiden Dörfern kann auf der "Dorfstätte" keines gelegen haben.


Die Glocken der Kirche (zu Nepersmühlen) sollen nach der Sage in dem Glockenmoor versunken sein, welches davon


1) Ein ähnliches Beispiel liefern die Pfarrkirchen von Basedow und Wargentin, welche kaum eine Viertelstunde weit von einander lagen. Das Dorf Wargentin ist im vorigen Jahrhundert in der Feldmark Basedow untergegangen, es sind jedoch noch die Fundamente der Kirche vorhanden.
2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. II, S. 64, 70, 72, 75, 101, 104, 143, 256, 279.
3) Vgl. daselbst II, S. 103.
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seinen Namen führen soll. Es lebt über diese Glocken bei den Bewohnern des Dorfes noch manche Sage, welche im Folgenden der Herr Klosterhauptmann Le Fort aus dem Munde der Leute gehört und niedergeschrieben hat.

Der Erbkrüger Rieck unter andern ist fest der Ueberzeugung, daß die Glocken noch in dem Moor liegen und herauszuholen wären, und zeigt genau die Stelle, wo sie liegen.

Eine alte Bauernwittwe Nehls, auch "Schnack=Nehlsch" oder "Trîn Nehls" genannt, erzählt Folgendes: Von ihrem Großvater habe sie gehört, daß dessen Vater, als er noch ein kleiner Knabe gewesen sei, mit andern Dorfkindern gegen Abend die Gänse beim Glockenmoor gehütet und zu Wasser getrieben habe. Wäre es dann helles und stilles Wetter gewesen, so wären die Glocken wohl über dem Wasser sichtbar geworden. Die Knaben habe es dann erfreut, mit ihren Peitschen an die Glocken zu schlagen und diese zum Klingen zu bringen. Hätten sie nun so oft daran geschlagen, als der Küster des Abends die Betglocke stößt, so habe eine Stimme ihnen zugerufen: "Nu is't nôg!" (Nun ist es genug!) Wäre dann einer von ihnen so unvorsichtig gewesen, die Glocke noch einmal, wenn auch noch so leise, zu berühren: "plumps wihren se werrer weg" (Plumps, waren sie wieder weg.) — Sie selbst, die alte Nehlssche, will die Glocken ein Mal läuten gehört haben. Der selige Erbkrüger Jahnke war eines Tages bei ihr zum Besuche. Während des Gespräches fragte er plötzlich: "Trîn Nehlssche hührst Du uns' Klocken nich?" — "O wat", antwortete sie, "de Rüster Köster is just up sinen Acker gahn; dat mägen wol de Mestliner oder de Hohen=Pritzer Klocken west sihn." — "Ne", sagte er, "dat sünd uns' Muhr=Klocken (= das sind die Moor=Glocken), de mehn ick." — "Un, wiß un wahrhaftig, Herr Klosterhauptmann", fügte Trîn Nehlssche hinzu, "as ick recht to hührt, don klüng' dat ganze Muhr. "