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c. Zeit der Kegelgräber.


Bronzen von Vietgest.

Der Herr Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow theilte dem Ausschusse des Vereins ein Gerücht mit, daß früher einmal "irgendwo ein Topf voll Bronzefiguren gefunden sei, von denen ein Theil in dem herrschaftlichen Hause zu Schlieffensberg, ein anderer Theil von einem zu Schlieffensberg wohnenden Inspector aufbewahrt werde". Ich wandte mich daher mit der Darstellung des Gerüchts an den Herrn Gutsbesitzer Pogge auf Roggow, um ihn zur Verfolgung der Spur zu veranlassen. Dieser begab sich nun nach Schlieffensberg und wandte sich hier an den Herrn Dreves, welcher früher Inspector zu Vietgest gewesen ist und seit mehreren Jahren in Schlieffensberg zu Miethe wohnt. Der Herr Dreves berichtete nun dem Herrn Pogge, was er im Nachfolgenden auch schriftlich dargestellt hat.

"Bericht über die im Jahre 1834 beim Moddefahren aufgefundenen Figuren, welche theilweise hiebeikommen.

"Das alte Vietgest lag früher an den malerischen Ufern des sogenannten Hofsees und wurde in neuerer Zeit von dem damaligen Besitzer, Herrn Geheimen Cabinetsrath Boldt, an seiner jetzigen Stelle erbauet unweit eines Sees, des sogenannten flachen Ziest. Dieser See ist im Süden und Westen mit Tannenwaldung, an der Nordseite von den Gartenanlagen und an der Ostseite von cultivirtem Boden umgeben. Hier in diesem Acker war ein kleines Erlenbruch, wohl 16 []Ruthen groß; es lag zwischen Mergelhügeln, die nach Osten und Süden am höchsten waren, und war durch einen alten Graben von der westlichen Spitze in Verbindung mit dem flachen Ziest. Dieses Erlenbruch war wohl 20 Fuß höher, als der Wasserspiegel des Sees von der Oberfläche des Bruchs an gerechnet. In dem sehr heißen Sommer des Jahres 1834 ward von mir beschlossen, dieses Erlenbruch 1 ) auszuroden und die Wiesenerde über die bereits


1) In Erlen= (plattd. = Ellern) Brüchen werden öfter seltene Alterthümer gefunden. Es ist freilich wahrscheinlich, daß sie hier oft in Zeiten der Gefahr versenkt oder sonst auf der Flucht verloren gegangen sind; es ist aber auch möglich, daß die Erlenbrüche eine besondere mythologische Bedeutsamkeit hatten. Noch heute ist das scherzhafte Sprichwort für den Tod lebendig: "He is bi Gott den Herrn in'n Ellerbrok" (= Er ist bei Gott dem Herrn im Ellernbruch, d. h. er ist zu den Vätern gegangen). Sollte dieses Sprichwort nicht einen mythologischen Ursprung haben?

G. C. F. Lisch.

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erwähnten Mergelhügel zu schaffen. Im Laufe der Arbeit ward von den Arbeitern ungefähr 4 Fuß tief, hart am Lande, an der nördlichen Seite, eine Stelle aufgefunden, wo auf einen flachen Stein rund umher andere Steine gesetzt und das Ganze mit einem flachen, rohen Stein, wie sämmtliche Steine zugedeckt war, der die Figur eines Dreiecks hatte. Die Arbeiter, in Erwartung eines Schatzes, hörten mit dem Sprechen auf und singen an zu flüstern; mein Unteraufseher ward hindurch aufmerksam, ging hinzu und vermuthete, daß diese Steinstellung doch wohl etwas enthalten könne, was Menschen dort verwahrt hätten. Er ließ Alles unberührt und schickte nach mir. Bei meiner Ankunft nahm ich den obern Stein weg und fand, daß diese Steinumstellung grobe Topfscherben enthielt, die zwar noch zu erkennen, sonst aber sehr zerfallen waren; (es war dieselbe Sorte, die man in Vietgest häufig beim Mergelfahren fand, ohne Glasur, dick und gereifelt, gewöhnlich in Begleitung Von Asche, Kohlen und zuweilen auch kleinern Knochenstücken, bald in einer Tiefe von 4-6 Fuß, bald nur 1 Fuß unter der Oberfläche; ganze Töpfe hat man nicht gefunden). Die Steinumstellung enthielt ferner sechs Schalen von Messing, von der Dicke wie die gewöhnlichen Wageschalen der Kaufleute, mit gepreßter Randverzierung, welche wohl 1/4 Zoll breit war, die Tiefe der obern Schale war wohl 6 Zoll, der Durchmesser wohl 8 Zoll; alle sechs Schalen paßten ziemlich genau in einander, und war die nachfolgende immer so viel kleiner, daß ihr Rand mit der voraufgehenden Schale oben gleiche Höhe hatte. Zwischen sämmtlichen Schalen war ganz dünne eine Masse gestreuet, welches ich für Asche hielt; diese Masse war mit kleine Goldpünktchen vermengt, und war dies wohl von der Vergoldung (?), welche die Schalen wahrscheinlich hatten, abgelös't und hatte sich mit der Asche vermengt (?). In der obern sechsten Schale lagen ungefähr 30 Figuren, (es können einige mehr oder weniger gewesen sein, ich weiß dies nicht genau mehr), wozu die beifolgenden sechs Stück gehören; von der kleinsten Art waren die meisten, von der größeren Art hingegen ungleich weniger, von der Art mit der Vogelfigur aber nur höchstens vier Stück, die nicht von einer Größe waren, und war die beikommende Vogelfigur die größte von sämmtlichen Figuren. Die Frau Baronin von Herzeele war damals Besitzerin von Vietgest, und mir war die Administration des Gutes übertragen. Die Frau Baronin war bei Auffindung dieser Gegenstände auf längere Zeit verreist; bei deren Zuhausekunft übergab ich das Ganze, wie es gefunden, derselben. Die Frau Baronin schien aber keinen Werth auf

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diesen Fund zu legen, und es ward Alles in eine Kammer gestellt, wo Viele ein= und ausgingen. Da ich bald bemerke daß von den Figuren schon einige weggekommen waren, so bat ich die Frau Baronin um einige Figuren, welche mir auch gerne zugestanden wurden; ich setzte damals 9 Stück zurück, 3 davon sind im Laufe der Zeit verloren gegangen, und 6 erfolgen zur Ansicht hiebei. Die mir von dem Herrn Gutsbesitzer Pogge auf Roggow aufgetragene Erkundigung, in Vietgest nachzufragen, wo die andern Gegenstände geblieben seien, hat zu keinem Resultate geführt, sondern die Figuren und Gefäße sind seitdem spurlos verschwunden. Da seitdem Vietgest zwei Male mit dem Besitzer gewechselt hat, so ist wohl nicht daran zu denken, daß man das Nähere darüber erfährt, wohin diese Sachen gekommen sind.

Schlieffensberg, den 2. Januar 1850

C. C. Dreves."

Der Herr Dreves hat dem Vereine die von dem Funde noch übrigen Figuren zuerst zur Ansicht geschickt, später aber zum Geschenke überlassen.

Außerdem hat Herr Pogge auf Roggow auch noch den Statthalter Marten zu Vietgest vernommen, welcher bei der Auffindung der erwähnten Sache die Aufsicht über die Arbeiter führte. Die Aussagen dieses Mannes stimmen im Wesentlichen mit denen des Herrn Dreves überein. Er meint jedoch: "es sei ein Gefäß von Messing, oben 6 Zoll im Durchmesser und 10 Zoll hoch gewesen, welches einen Deckel gehabt habe; durch einen Stoß der Arbeiter sei der Deckel zerbrochen. In diesem Gefäße hätten viele kleine Figuren gelegen, von denen mehrere viel höher gewesen seien, als die vorgezeigten. Das Metallgefäß sei glänzender gewesen, als die Figuren. Mehr als ein Gefäß habe er nicht gesehen etc. ."

Diese Abweichungen in der Aussage sind aber theils nicht erheblich, da die übrigen Angaben alle mit dem Berichte des Herrn Dreves übereinstimmen, theils verdient der Bericht des Herrn Dreves ungleich mehr Glauben, als die gewiß nicht ganz klare Erinnerung eines Arbeiters.

Der Herr Dreves und der jetzige Inspector von Schlieffensberg sind am folgenden Tage nach dem Besuche des Herrn Pogge nach Vietgest gereiset, haben aber von dem Schicksale der übrigen Sachen nichts erfahren können.

Durch den Bericht des Herrn Dreves und die zur Ansicht eingesandten, noch übrigen Reste des Fundes ist dieser nun sicher constatirt. Die Gefäße sind leider wohl unwiederbringlich ver=

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loren. Dagegen läßt sich der Inhalt derselben genau beurtheilen, da er aus lauter solchen Gegenständen bestand, von denen Herr Dreves die noch übrigen sechs zur Ansicht eingeschickt hat. Die nach den Gerüchten wahrscheinliche Aussicht auf Gewinnung von "Figuren" aus unserer heidnischen Vorzeit ist auch dies Mal wieder verschwunden, wenigstens in der Art, wie gehofft war; jedoch ist durch diesen Fund doch etwas gewonnen, was bei der großen Dürftigkeit an figürlichen Darstellungen aus der Heidenzeit immer sehr beachtungswerth ist. Die "Figuren", wie die gefundenen Gegenstände von den Findern genannt werden, sind nämlich nichts weiter, als die bekannten, sehr häufig gefundenen Hütchen (tutuli) aus der Bronze=Periode, wie sie im Frid. Franc. Tab. XXXIII., Fig. 10, und im Leitfaden zur Nordischen Alterthumskunde, Kopenhagen, 1837, S. 57, auch schon früher in Rhode Cimbrisch= Holsteinischen Antiquitäten-Remarques, 1719, Woche 23, S. 176, abgebildet, von den Findern aber irrthümlicher Weise, vielleicht in Vergleichung mit Schachfiguren etc. ., "Figuren" genannt sind. Diese Hütchen aus

Hütchen

Bronze sind von der kleinsten Art, nur 1 Zoll hoch und nicht sehr sorgfältig gearbeitet.

Der Fund ist aber doch wertvoll; das eine von diesen sechs Hütchen ist nämlich oben auf der Stange, statt mit einem kegelförmigen Knopfe, mit der Figur eines Vogels verziert,

Figur eines Vogels
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und dies hat in so ferne Werth, als diese Figur die einzige ist, welche bisher in Mecklenburg als sicher der Bronze=Periode angehörend beobachtet ist. Ein bestimmter Vogel läßt sich in der Gestalt zwar nicht mit Sicherheit erkennen, obgleich er nicht ganz ungeschickt gemacht ist; jedoch lassen sich beachtenswerthe Andeutungen geben. Es waren in dem ganzen Funde Von etwa 30 Hütchen höchstens 4 mit einem Vogel verziert.

Der Vogel hat offenbar Aehnlichkeit mit einem Schwan, und dies würde auf die liebliche altgermanische Sage von den Schwanenjungfrauen hindeuten (vergl. Grimm's deutsche Mythologie, zweite Ausgabe, S. 398 flgd.). Es herrschte damals der Glaube, die Valkyrien könnten die Gestalt eines Schwans annehmen, und zugleich galt der Schwan für einen weissagenden Vogel (daher noch: es schwânt mir=es ahnt mir). Daher noch die Sage Vom Schwanhemd und Schwanring.

Die Hütchen sind übrigens ganz so wie alle übrigen gearbeitet. Der Buckel ist mit drei erhabenen Reifen Verziert, auf der Spitze des Buckels steht ein kegelförmiger Knopf und unten auf der innern, hohlen Seite ist eine Querstange angebracht, sicher gleich mit dem Hütchen gegossen. Die aus dieser Querstange schon früher geschöpfte Vermuthung, daß diese Hütchen als Buckel zur Verzierung dienten und durch einen über die Querstange gezogenen Riemen befestigt wurden, wird noch mehr dadurch bestärkt, daß in dem Exemplare mit dem Vogel die Querstange in der Richtung des Vogels sitzt, so daß beim Aufbinden der Vogel vorwärts schauete. — Es gewinnt hiedurch die Ansicht immer mehr Raum, daß die "Hütchen" zum Kopfschmucke dienten, wie dies schon in Rhode Cimbr. Holstein. Antiq. Rem. 1719, Woche 25-26, S. 193-201 vermuthet und in Abbildungen dargestellt ist. Uebrigens sind die vorliegenden Hütchen aus zwei verschiedenen Fabriken oder Zeiten, da 4 derselben ganz gleich sind und eine runde Querstange, ein fünfter aber einen größeren Knopf und eine viereckige Querstange haben.

Der Fund von Vietgest hat Aehnlichkeit mit dem in Jahrb. X., S. 281-283 beschriebenen Funde von Parchim, welcher neben einem Bronzegefäß auch 12 Hütchen und 11 flache Knöpfe aus Bronze enthielt.

G. C. F. Lisch.