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Ueber das Mauerwerk des Mittelalters.

Das Mauerwerk der mittelalterlichen Bauten ist fortwährend der Gegenstand der Bewunderung, und man macht einen Versuch über den andern, das Geheimniß zu ergründen, welches so feste Bauwerke schuf. Bald sucht man es in der Masse der Ziegel, bald sucht man es in der Zusammensetzung des Mörtels, — immer vergeblich. Und daneben überzeugt man sich fortwährend, daß die Alten lange nicht so ängstlich gebauet haben, als wir; ja sie wagten Dinge, deren Ausführung uns unglaublich erscheinen würde. Auf unsichern Moder z. B. streckten sie eine Schicht dünner Erlen ("Ellernschlete"), legten darauf 1 bis 2 Fuß hoch nicht große Feldsteine, und baueten auf diese Unterlage Stadtmauern und Palläste (vgl. oben S. 161), so daß nur die äußern Mauerschichten sorgfältig ausgeführt waren; oft wurden nur diese Mauerschichten gemauert und die Zwischenräume mit Schutt und Feldsteinen ausgefüllt: und doch standen und stehen diese Mauern nach 4 bis 500 Jahren wie — Wall und Mauer.

Das Geheimniß der Festigkeit der alten Bauten liegt nicht sowohl in der Masse des Materials, sondern in der Art und Weise, wie die Alten den Bau betrieben. Die Sache ist für unser praktisches Bauwesen von der allergrößten Wichtigkeit und es wird sich hier einmal glänzend die Wichtigkeit der Alterthumsforschung bewähren, die so oft von der jetzigen Zeit mitleidig verspottet wird, aber doch das Bewußtsein hat, daß man aus ihr fast in jedem Zweige menschlicher Kunst noch unendlich viel lernen kann. Wie im Bauwesen, so ist es auch in vielen andern Künsten. So strahlen alle alten Bilder nach Jahrhunderten in ursprünglicher Farbenpracht und wanken und weichen nicht auf ihren Unterlagen, während neuere Bilder oft nach einigen Jahren dem Verderben entgegengehen. Das Geheimniß der Tüchtigkeit der alten Zeit, die wir bewundern und bei unserm politischen Ringen trotz aller Verstellung zurückwünschen, liegt aber noch tiefer, als in der Art und Weise der Verfertigung alter Kunstwerke: es liegt vor Allem in dem unverdrossenen Fleiße, der aufopfernden Einfachheit des Lebens, der entsagenden Demuth der Alten. Alle ersehnen jetzt einen bessern Zustand der Dinge; sie ersehnen das, was unsere Vorfahren schon längst besaßen, was wir aber in den beiden letzten Jahrhunderten wieder verloren haben; seit dem dreißigjährigen Kriege, namentlich in dem bodenlosen vorigen Jahrhundert ist fast Alles untergegangen, was Jahrtausende mit Fleiß aufgebauet hatten. Alle Stände, alle Einrichtungen, alle Künste und Wissenschaften sind verschoben und untergraben, ja zum großen Theile fast ganz untergegangen, und

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erst seit einigen Jahrzehenden fangen wir wieder an, an der Gediegenheit unserer Verhältnisse im Leben wie im Staate, in der Wissenschaft wie in der Kunst zu arbeiten. Aber es ist erst der Anfang, dem, wie jedem Anfange, die Sicherheit fehlt. Vor allen Dingen müssen wir erst wieder bei den Alten in die Schule gehen. Das wissen große Baumeister, wie Stüler, die so Herrliches und Tüchtiges schaffen, sehr wohl, und sind daher auf die geringste Erscheinung des gesammten Alterthums, sowohl des classischen, wie des germanischen, mit gewissenhafter Sorgfalt aufmerksam.

Was nun das Bauwesen betrifft, so ist endlich die Sache nach zuverlässigen Quellen übersichtlich dargestellt, indem in den Neuen Preußischen Provinzial=Blättern, Königsberg, 1849, Bd. VII, Heft 6, S. 443 flgd. die vortreffliche Abhandlung mitgetheilt ist, die wir, mit Weglassung des rein Oertlichen, im Folgenden im Auszuge mittheilen, indem wir hoffen, daß wir dadurch zur Wiederbelebung der Technik in unserm Bauwesen nicht wenig beitragen werden.


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Das Mauerwerk der Ordensschlösser in Preußen.

Vom wailand Prediger Dr. Häbler in Marienburg. 1 )

Ueber die Festigkeit und Dauerhaftigkeit der alten Schlösser sind manche Untersuchungen angestellt, ist Manches geschrieben worden. Mit Recht staunt man die alten Mauern an, die jedem Einflusse der Zeit und der Witterung widerstehen und nur mit Anstrengung durch die Hacke zerstört werden können und besonders in Rücksicht auf den Mörtel, der durch seine Härte und Bindekraft wesentlich das alte Mauerwerk von dem neuern unterscheidet.

Man hat sogar die Bestandteile des alten Mörtels chemisch untersucht, aber keine bedeutenden Ergebnisse daraus ziehen können; ja es hat sich gezeigt, daß die Alten in der Mischung des Mörtels nicht genau und immer gleichbleibend waren. Doch stimmt man allgemein darin überein, daß die Alten auf die Zubereitung der Ziegelsteine und des Mörtels mehr Achtsamkeit und Genauigkeit verwandt haben, als in der neuern Zeit. In Rücksicht auf die Dauerhaftigkeit des Mauerwerks der alten Ordenshäuser oder ihrer Ueberbleibsel geben geschichtliche Ansichten und die alten Baurechnungen aus der Ordenszeit Hinweisungen, die


1) Aus dem handschriftlichen Folioband mit dem Titel: "Heber das Ordens=Haupthaus Marienburg. Das Rechnungswesen, die innere Verfassung und die Bauwerke des deutschen Ordens zu Marienburg betreffend, belegt durch Auszüge aus den alten Ordens=Rechnungen im geheimen Archiv zu Königsberg."
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bei einer genauen Zusammenstellung und mit Beziehung auf das Oertliche belehrende Folgerungen ziehen lassen.

Jede Baustelle hatte bei den Alten ihre eigene Ziegelei und ihre eigene Kalkbrennerei, und es ward jeder Neubau mit der Errichtung einer Ziegelscheune und eines Ziegelofens und eines Kalkofens angefangen. Ziegel und Kalk wurden auf der Baustelle selbst gebrannt und letzterer gleich nach dem Brennen gelöscht und verbraucht, — und das ist eigentlich das ganze Geheimniß der Festigkeit des alten Mauerwerks.

Daß die alten auf jeder Baustelle eine Ziegelei und einen Kalkofen hatten, also an Ort und Stelle diese Bedürfnisse bereiteten und am wenigsten den gebrannten Kalk meilenweit herbeiführten, das beweisen die alten Rechnungen.

Für die Ziegel suchten und fanden die Alten den Lehm auf jeder Baustelle oder in ihrer Nähe. Vielleicht nahmen sie es nicht einmal mit der Gattung Lehm so genau: sie verbrauchten ihn so, wie sie ihn fanden; doch mag in dem bessern oder schlechtern Lehm die Ursache zu finden sein, daß die Mauersteine der Alten auch nicht immer eine gleiche Dauerhaftigkeit zeigen, daß manches Mauerwerk unzerstörbar scheint, anderes aber denn doch nach 500 Jahren zu verwittern anfängt. — Aber auf die Zubereitung des Lehms verwandten die Alten alle Mühe und Sorgfalt. Der Lehm wurde gehörig gereinigt, durchgearbeitet, getreten, und die mit Sorgfalt geformten Ziegel wurden stark und tüchtig durchgebrannt — Holz sparte man nicht — und dieses bewirkte die Dauerhaftigkeit des Ziegels. Vielleicht trug auch die große Form des Ziegels zu der Dauerhaftigkeit desselben bei, indem er nun um so stärker gebrannt werden mußte. Besonders scheinen die Alten die größte Sorgfalt auf die Ziegel, die die äußere Fläche einer Mauer — die ohnedies nicht geputzt wurde — bilden sollten, verwandt zu haben, indem sie die geformten Ziegel, nachdem diese schon getrocknet waren, noch beschneiden ließen, um ihnen eine recht glatte Oberfläche zu geben, und wahrscheinlich erhielten diese Ziegel auch im Brennofen da ihre Stelle, wo die größte Glut sie traf, um sie am stärksten ausbrennen und gleichsam verglasen zu lassen. Das Verhacken der Riegel, diese unverzeihliche Unart der neuern Baumeister, verstanden die Alten durchaus nicht — wie denn auch jeder verhackte Ziegel seiner mehr oder minder verglaseten Oberfläche beraubt wird und um so leichter verwittert. Nicht nur die bunten, auch alle einfachen Gesims= und Eckziegel wurden als solche geformt und in ihrer Gestalt gebrannt; einen Hammer brauchte der Maurer beim Mauern nicht, so wie er auch mit Ziegelstücken nicht zu mauern verstand. — Nur dann, wenn auf der Baustelle gar kein Lehm

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oder nicht genügend vorhanden war, wurden gebrannte Ziegel ihr zugeführt, — wie denn auch das Verführen der Ziegel nichts taugt, indem diese dadurch sich an einander abreiben und folglich das Verglasete der Oberfläche verlieren und dadurch vergänglich werden, abgesehen davon, daß häufig die Ecken und Kanten bestoßen werden und der Ziegel um so mehr unbrauchbarer wird. zerbricht der Ziegel beim Führen, so taugt er gar nicht: er ist entweder schlecht gearbeitet oder schlecht gebrannt, oder beides zugleich. Letzteres ist wohl unstreitig der Fall bei den Ziegeln der jetzigen Zeit, daher die Vergänglichkeit alles neuen Mauerwerks; man bemerkt, daß die Ziegel oft nach einigen Jahren schon verwittern oder ausbröckeln, besonders wenn sie ohne Anputz der Witterung bloß gestellt sind, ja selbst unter dem Anputz, da dieser wegen des schlechten Mörtels bald abfällt. Fast scheint es, daß nur die Vergänglichkeit der Ziegel den neuern Baumeistern das Putzen der äußern Wände gelehrt hat, um dadurch die Ziegel vor dem Einflusse der Witterung zu decken, auch wohl um die nachlässige Arbeit beim Mauern und die verbrauchten Ziegelstücke dem Auge zu entziehen. — Ganz verkehrt und ihr eignes Werk zerstörend ist die Weise der heutigen Baumeister, bei solchen Mauern ohne Abputz die Ziegel, ehe sie die Mauer fugen lassen, mit andern Ziegelstücken abreiben zu lassen. Freilich macht die Sorglosigkeit der heutigen Maurer, die mit ihrem dünnen Mörtel Alles besudeln und auch ihre Mauer während des Mauerns beklecksen, dieses Verfahren notwendig; aber gerade durch dieses Abreiben der Mauer wird dem Ziegel seine besonders gehärtete, beinahe verglasete Oberfläche genommen und dadurch ihm seine Dauerhaftigkeit geraubt. Das Abreiben der Mauer verstanden die Alten durchaus nicht, sie mauerten mit zäherem Mörtel; da indeß das Beklecksen der Mauer nicht ganz zu vermeiden war, so wurde die fertige Mauer abgerichtet, d. h. die Ziegel wurden mit einer Farbe, aus Rothstein zubereitet, angestrichen.

Der Kalk wurde stets auf oder ganz in der Nähe der Baustelle gebrannt, dann sogleich gelöscht, mit Grand gemischt und vermauert. Das Herbeiführen des gebrannten Kalkes kannten die Alten durchaus nicht. Bei der jetzigen Bauweise, nur gebrannten Kalk anzukaufen und ihn meilenweit, oft in einer feuchten oder gar regnichten Witterung herbeizuführen, ihn wohl Tage lang an freier Luft ungelöscht liegen zu lassen und den gelöschten Kalk endlich Jahre lang in der Kalkgrube aufzubewahren, kann nie ein fester Mörtel entstehen, nie ein Mörtel, der dem alten auch nur ähneln wird, indem jede Feuchtigkeit in der Luft, auch beim trockensten Wetter von dem gebrannten Kalk angezogen wird, diesen mehr oder minder löscht und ihm dadurch seine

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Bindekraft entzieht. Selbst der schwedische gebrannte Kalk, der doch in Tonnen versandt wird, ist in der Regel verfallen und daher ohne die nötige Bindekraft. — Die Alten kauften die rohen oder ungebrannten Kalksteine und ließen diese auf die Baustelle bringen; selbst in Schweden wurden bedeutende Kalkankäufe gemacht, aber nur ungebrannt wurden die Kalksteine nach Danzig gebracht und dann weiter auf die Baustelle geführt. Ehe sie hier in den Kalkofen gebracht wurden, wurden sie, besonders der Lesekalk, sorgfältig gereinigt, alle Erdtheile, und besonders die anklebenden Lehmtheile entfernt, so daß nur der reine Kalkstein in den Brennofen kommen konnte. Nach dem Brennen wurde der Kalk sogleich gelöscht, und der Luft dadurch jeder nachtheilige Einfluß genommen. Nun wurde er rasch verbraucht, wie denn auch bei jedem Bau der Alten, nach dem Ausweis der alten Rechnungen, das Kalkbrennen auf der Baustelle fortdauerte, so lange der Bau selbst währte. Auch sieht man in den alten Rechnungen Kalkbrennen und Kalklöschen immer neben einander, ein Beweis, daß Letzteres gleich auf das Erstere folgte. — Je schneller der Bau fortgesetzt wurde, je mehr Menschenhände beschäftigt waren und je rascher der Kalk verbraucht wurde, desto härter und dauerhafter ward der Mörtel in der Mauer. Oft hatte man nicht Zeit, es abzuwarten, bis der Kalk sich völlig löschte, weil man ihn schon auf der Baustelle brauchte; man mischte ihn mit Grand noch während seines Löschens und verbrauchte ihn. Das beweisen die vielen ungelöschten Kalktheile, die man in so vielen Mauerwerken mitten im Mörtel, oft dicht neben einander, bis zu der Größe einer Erbse, auch wohl einer Haselnuß, antrifft, und die, wenn man den Mörtel auseinander schlägt, wie weißes Mehl aussehen. Freilich binden diese ungelöschten Kalktheile nicht, aber sie sind ein Beweis, daß der gelöschte Kalk grade durch dieses rasche Löschen und Mischen und durch diesen schnellen Verbrauch eine solche Bindekraft erhalten hat, denn je mehr solche ungelöschte Kalktheile in dem Mörtel angetroffen werden, desto härter ist derselbe, so daß grade ein solches Mauerwerk in seinen Fugen sich nicht trennen läßt; der Mörtel ist härter, als die Mauersteine selbst, diese lassen sich eher zerschlagen oder spalten, der Mörtel aber bleibt fest zwischen den Oberflächen der Ziegel, die er mit einander verbunden hat. — Wenn der gelöschte Kalk vorräthig in der Kalkgrube gelegen hätte, so könnten solche ungelöschte Kalktheile nicht übrig geblieben sein. Freilich findet man auch vieles Mauerwerk, wo der Mörtel nicht solche ungelöschte Kalktheile in sich hat, und dieses beweiset, daß für ein solches Mauerwerk der Kalk nicht rasch verbraucht worden ist, aber dann ist der Mörtel auch bei weitem nicht so hart und

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festhaltend, und man kann die Ziegel eher von einander trennen, auch wohl ganze Ziegel bei dem Brechen einer solchen Mauer erhalten. Zugleich beweisen die ungelöschten Kalktheile in dem alten Mauerwerke, daß die Alten den Mörtel nicht zu dünn zurichteten und verbrauchten, wie die jetzigen Maurer es machen; sie liebten zähen Mörtel und verarbeiteten den zähen Mörtel, den sie zugleich bei den äußern Seiten der Mauer, sobald der Ziegel aufgelegt war und der Mörtel hervorquoll, in die Fuge zurück oder einstrichen, und dadurch der Fuge die glatte und dauerhafte Oberfläche gaben; Sie fugten die Mauern gleich bei dem Mauern mit demselben Mörtel aus, mit dem sie mauerten.

Bei der Zubereitung des Mörtels sahen die Alten besonders auf die Güte des Grandes, mit dem der Kalk gemischt wurde. Es wurde ganz reiner und sehr grober Grand genommen, wie noch alle alten Mauerwerke bezeugen. Jeder Kalk, mit Lehm gemischt, verliert an Bindekraft, und wird der Lehm oder die Erde auch nur in den kleinsten Theilen mit dem Grande dem Kalke zugesetzt, so wird seine Bindekraft nach Maßgabe des unreinen Grandes mehr oder minder geschwächt. Nur zu oft nehmen die neuen Baumeister statt des Mauergrandes wirklichen Sand, einen so feinkörnigen, staubigen Sand, daß beinahe die Hälfte desselben aus Erdteilen besteht, — wie kann daraus ein festes Mauerwerk entstehen? Die Alten suchten sich den gröbsten Grand aus; fanden sie auf der Baustelle oder in der Nähe derselben keinen recht reinen und ganz groben Grand, so wurde der vorhandene Grand vor der Mischung mit dem Kalk durchgesiebt durch Kalksiebe, um den Grand von dem feinen, staubigen Sande und von allen Lehm= und Erdteilen zu reinigen und ihn wenigstens klar und rein zu erhalten.

So viel ist gewiß, daß die Mauern der Alten um so fester und unvergänglicher sind, je schneller der Bau betrieben wurde. Die mehrsten Ordensburgen entstanden während des Krieges. So wie ein Stück des Landes erobert worden war, so wurde eine Burg hingebaut, um dasselbe zu behaupten und zu schützen. Wo sollte da der Orden vorräthigen gelöschten Kalk hernehmen? Und wie thöricht ist die Meinung neuerer Baumeister, daß alter Kalk, der viele Jahre in einer Kalkgrube gelegen habe, der beste sei, da der Orden bei seinen Bauten keinen alten Kalk hatte und haben konnte, und nur mit ganz frisch gebranntem Kalk baute und bauen konnte, und seine Bauwerke sich grade so sehr durch Dauerhaftigkeit auszeichnen! Je frischer der Kalk ist, d. h. je schneller er nach dem Brennen gelöscht und verbraucht wird, desto besser ist er, d. h. desto fester wird der Mörtel. — Auch lehrt die Erfahrung, daß grade die ältesten

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Schlösser, die also während des Krieges und daher in größter Eile erbaut worden sind, den festesten Mörtel zeigen. So ist z. B. zu Marienburg das hohe Schloß zwischen dem zweiten und dritten Abfalle etwa in zwei Jahren erbaut, und sein Mauerwerk wankt nicht, trotzt jedem Einflusse der Witterung, selbst der neuern Zerstörungssucht; kein Ziegel verwittert, kein Mörtel fällt aus, das Mauerwerk steht schmuck wie geglättet und fester wie Stein.

Das Ausfugen der Mauer, so wie die Alten nämlich fugten, trug auch wohl zur Dauerhaftigkeit und Haltbarkeit des Mauerwerks Vieles bei. — Dieses Ausfugen verhinderte nicht allein das Eindringen der Feuchtigkeit zwischen die Ziegel, es verhinderte auch das Verwittern des Kalkes zwischen den Ziegeln, indem der Kalk sogleich in die Fugen glatt eingestrichen wurde und dadurch eine ursprünglich feste Oberfläche erhielt. Der Kalk zwischen den Ziegeln an der äußern Seite der Mauer mußte, eben so wie der Kalk in der Mitte der 10 bis 12 F. dicken Mauer, in sich selbst erhärten, ohne austrocknen, d. h. ohne verwittern zu können. — In der neueren Zeit hat man bei Mauerwerken, die ohne Anputz stehen bleiben, das Ausfugen der Alten nachgemacht, aber nicht in der Art, wie die Alten es machten, und daher auch nicht mit sonderlichem Erfolge. Man mauert erst die ganze Mauer in die Höhe und läßt die Fugen offen stehen, und erst nach Beendigung der Mauer oft erst im folgenden Jahre oder noch später, fängt man an, von oben herab einen neuen Kalk einzufugen. Inzwischen ist der Kalk, mit dem man gemauert hat, in den Fugen an seiner äußern Seite erstorben, d. h. verwittert und hat seine Bindekraft zu dem Mörtel, den man nun auf's Neue in die Fugen einstreicht, verloren, und der neu eingefügte Kalk fällt, wie die Erfahrung lehrt, sehr bald wieder aus. In der Regel hat man auch mit schlecht zubereitetem, dünnem Kalke gemauert. Zu den Fugen nimmt man zwar fettern und zähern Mörtel, der sich aber wahrscheinlich um so weniger mit dem schlechtern und ohnedies schon verwitterten Mörtel zwischen den Ziegeln verbindet und das Ausfallen der Fugen um so mehr bewirkt. — In Marienburg sind nicht blos die äußern Seiten der Mauern, sondern auch alle innern Seiten, alle Quermauern, die noch nachher geputzt wurden, kurz alle Wände in großen und keinen Gemächern, in den Sälen und in den Kammern unter dem Anputz ausgefugt, eben so wie die Kellerräume in ihren innern Wänden, die ungeputzt stehen blieben. Am auffallendsten ist es, daß auch die geputzten Wände ausgefugt sind, und man mag den Abputz abkratzen, wo man will, so findet man die Mauer stets gefugt, selbst in den runden Räumen

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der Windeltreppen unter dem Anputz. Dies zeigen uns die mannigfachen Röhren oder Schlünde in den Mauern und die Schornsteine, die in den Mauern hinaufsteigen; Alles ist inwendig ausgefugt, selbst die engsten Röhren in den Mauern.

Nur die Gewölbe, mochten sie geputzt werden oder ungeputzt bleiben, wie z. B. das merkwürdige Gewölbe mit dem dicken Pfeiler unter dem Convents=Rempter in der Marienburg, fugten die Alten nicht aus, weil hier wegen der unterliegenden Bogenstellung und Schalbreter ein Ausfugen nicht möglich war; sie ließen das Gewölbe, nachdem die Schalbreter weggenommen worden waren, so stehen, wie es war, — und auch dieses giebt einen Beweis, daß sie eine fertige Mauer nicht mehr nachfugten. Nur die Bogen über den Thüren und Fenstern, wenn sie ungeputzt stehen bleiben sollten, wurden gefugt, welches auch nach rasch weggenommener Bogenstellung geschehen konnte, ehe der Kalk erstorben war, und also noch in die Fugen leicht zurückzustreichen war.

Daß die Alten auch bei ihren Mauerwerken mitunter sich Nachlässigkeiten erlaubten, leidet keinen Zweifel. Die oft gar zu breiten Fugen, das Fehlerhafte in den Gurtstellungen der Gewölbe, sind unverkennbar, aber die Alten verließen sich auf die Härte ihrer Ziegelsteine und auf die Festigkeit ihres Mörtels. Daher sind auch so manche Wagnisse erklärbar, die kühn und auf die Festigkeit ihres Mörtels sich verlassend sie sich erlaubten und die ein neuerer Baumeister sich nicht erlauben würde. — Auch der Ziegelverband der Alten, daß sie nämlich Strecker und Läufer in demselben abwechselten, wird mannigfach getadelt.

Dr. Häbler.


Der Quellenreichthum der Deutschen Ordens=Archive hat die Forschung ungemein begünstigt. Bei uns ist die Forschung schwieriger. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Archive unserer alten Städter namentlich der Stadt Rostock, ein unendlich reiches Material für die Geschichte und die Bildung überhaupt enthalten; aber diese Schätze sind bis jetzt noch nicht gehoben, ja nicht einmal gekannt. Und so müssen wir uns fürs erste mit einigen Andeutungen zur Fortsetzung der vorstehenden Abhandlung begnügen.

Auch in Meklenburg bauete man in alter Zeit, wie in Preußen der deutsche Orden bauete, und zwar noch tief bis in das 16. Jahrh. hinein. Es liegen uns nur die Baurechnungen eines großen Baues, des Schlosses zu Güstrow, vor, welche aber dieselben Resultate geben. Das Schloß zu Güstrow war

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im J. 1557 abgebrannt und sollte wieder aufgebauet werden. Nachdem sogleich der Plan in Arbeit genommen war, fing man im Juni 1558 an "aufzuräumen und zu graben". Zugleich bauete man "zwei Kalkhäuser", ein "großes" auf dem Bauplatze und ein anderes auf dem Walle. Die Ziegel wurden in unmittelbarer Nähe verfertigt. Der Kalk ward an der Baustelle aus Steinen gebrannt. Im J. 1559 ward der Bau begonnen. Im Mai 1559 wurden die Kalksteine aus Schweden über Rostock herbeigeführt und im Julii 1559 ward so viel Kalk gebrannt, als zunächst zum Bau für das Jahr nöthig war. So heißt es in der Baurechnung vom Junii 1559:

"An 1100 Mewersteine als der steinkalck gebrandt vnd darmit gedeckt, 2 fl. 5 ß."

Die nachuolgende seindt besteldt gewesen bey dem kalck einzusetzen, weil es im augst vnd keine Pawern zu bekhomen, den 13. Julii gelonet 15 Mann, im Ganzen 13 Tage."

Man brannte also den Kalk aus eingeführten Kalksteinen, so viel für einige Monate nöthig war, auf der Baustelle, löschte ihn sogleich daselbst und bedeckte ihn fest mit Mauersteinen, die eigens dazu gebrannt waren.

Auch auf die Ziegel verwandte man besondere Aufmerksamkeit. So heißt es zu gleicher Zeit in der Baurechnung:

"An 2069 Mustersteine, Ein Tausent beslehet 2000, darfur 5 fl., vnd fur die übrigen 69 stein 6 ß vnd 6 ß Zcalgelts, thuet 10 fl. 12 ß".

Das Verfahren mit dem Kalk beleuchtet der nachfolgende Brief des hochbejahrten humanistischen Professors M. Conrad Pegel zu Rostock, welcher als Lehrer und Berather um das Fürstenhaus die größten Verdienste hatte. Der weise Herzog Ulrich von Güstrow zog ihn wegen des Kalkes zum Schloßbau zu Rathe und aus der Antwort des Professors sehen wir klar, wie die Sache stand. Der Herzog wollte Kalksteine zum Brennen auf der Baustelle haben und suchte dazu Steine und Brenner. In Rostock waren aber die Kalkbrenner alle beschäftigt und der Professor machte dem Herzoge Aussicht, ihm einige Bauern aus Schonen zu verschaffen, die mit dem Kalkbrennen umzugehen verständen.

Durchluchtige, hochgebarne Furst, gnedige her. Na Erbeding miner willigen denste bidde ick vnderdenigest, J. f. g. wil gnedigen weten, dat ick J. g. bref reuerenter entfangen vnde hebbe etlike dage mit guden frunden flit vorgewendet, J. g. enen sten= vnde kalckberner to scaffen, ouerst beth nuher neuen bekamen

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könen mit D. Boucken, de ock flit gedan. J. g. weeth wol, dat Mariacker kalck, de hir kumt, gebrant is. Jck vorbeide alle dage des scipperen, de J. g. en scipp ful Mariacker kalck halt; szo frue de wint vthem westen weiet, szo wert he, mins vorsêndes, kamende. Jck werde bericht, dat de koning heft to Lunden in Schone vnde darumme her in Schonsiden fele buren, de mit deme kalckbernende wol weten vmmetogande. J. g. kan vamme konige der buren I oft II vp pasken, wo ick loue, wol bekamen, de J. g. den kalck wol bernde werden etc. . Jck si ock bericht von enem guden frunde, dat me hir na Michaelis vmme Dionysii wol kan enen kalckberner bekamen, ouerst nicht er, wente so lange sindt sze hir imme denste etc. . Peter Knesebeke wil J. g. ene willich vnderdenich Antwort kortz scriuen vamme kalcke, he konde it mit der ile nu nicht don, biddet vnderdenigen, J. g. wil de korte vertögeringe nu gescen laten.

Christus si J. g. bewarer.
Rostock amme 31 Augusti Anno 58.

J. f. g.
  vnderdeniger, gutwilliger
Conradus Pegel.

Jck wil J. g. ock kortz hir van vnderdenigen scriuen etc. .
Dem Durchluchtigen, hochgebornen fursten vnde heren heren Vlrik hartogen to Mecklnborch etc. . minem gnedigen heren

  vnderdenigest.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. und H. Archive zu Schwerin.

Damals war also das Kalkbrennen auf der Baustelle noch Mode, jedoch fing es schon an zu verschwinden. Denn der Kalk von Mariager in Jütland, der in Rostock ankam, war schon gebrannt. Dies scheint der erste gebrannte Kalk zu sein, der in Rostock eingeführt ward. Diesen wollte aber der Professor dem Herzoge nicht empfehlen, sondern er lenkte dessen Augenmerk auf das Kalkbrennen auf der Baustätte.

Dr. G. C. F. Lisch.

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