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2. Neuere Zeit.


Ueber Ofenkacheln von Wismar

und

die Kachelfabrikation des 16. Jahrhunderts in Meklenburg überhaupt.

In Wismar in der meklenburger Straße, dem Schwarzen Kloster gegenüber, ward beim Ausgraben eines Fundamentes der untere Theil

1) einer glasurten Ofenkachel aus dem 16. Jahrhundert gefunden und von dem Herrn D. Thormann zu Wismar geschenkt. Die Kachel ist gelb, blau und weiß glasurt und hat eine Reliefdarstellung gehabt, von welcher noch die Beine eines Mannes und ein neben ihm stehender Hund (?) vorhanden sind; darunter steht die Inschrift:

ZO . IAR . [EIN.]
. IONGELING.

Darauf schenkte der Herr Bau=Conducteur H. G. Thormann zu Wismar die Fragmente von drei zu Wismar gefundenen Ofenkacheln, welche die Seitenstücke zu der ersterwähnten Kachel bilden; sie sind alle drei ganz grün glasurt und stammen nach der Glasur von zwei verschiedenen Oefen. Alle drei Stücke sind die untern Hälften der Kacheln.

2) Die eine dieser Kacheln, welche sehr gut und glänzend glasurt ist und eine lebhafte grüne Farbe hat, stellte einen jungen, stehenden Mann in spanischer Tracht dar, mit einem Schwerte an der Seite; die Stelle, wo zu seiner Linken der Hund liegen sollte, ist ausgebrochen. Die Unterschrift lautet:

. ZO . IAR . EIN .
. IONGELING .

Diese Kachel ist in derselben Form abgedruckt, aus der die gelb, blau und weiß glasurte Kachel Nr. 1 genommen ist.

Die beiden andern Kacheln sind, nach der hellern, mattern, rauhern Glasur, zusammen aus einem andern Brande hervorgegangen; das architektonische Ornament ist jedoch dem der übrigen Kacheln völlig gleich.

3) Die dritte Kachel hat einen stehenden Mann dargestellt, welcher einen Hahn zu seiner Linken stehen hat; die Unterschrift lautet:

. 50 . IAR .
. STILLESTA -
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4) Die vierte Kachel hat einen alten Mann dargestellt, welcher mit zurückgeschlagenem Gewande und entblößten Beinen sitzt und die Hände auf die Kniee gelegt hat; neben ihm sitzt eine Gans. Die Unterschrift lautet:

. 100 . IAR .
GNAD . DI . D  ON

Hieraus ergiebt sich, daß auf den Oefen der bekannte Cyclus von den Menschenaltern dargestellt war.

Daß diese Kacheln in Wismar, wo die Kirchen und der Fürstenhof so reiche Ziegelreliefs zeigen, fabricirt wurden, leidet wohl keinen Zweifel. Man kann aber die Frage aufstellen, woher diese Fabrikation stammte. Jene ganz hellgrün glasurten Kacheln sind um die Mitte des 16. Jahrh., in der Zeit des Renaissancestyls, gemacht; alle Portraits, selbst Jahreszahlen (1556, 1562) auf den Kacheln sprechen dafür; (die schwarzen Kacheln mit Rococoverzierungen stammen aus dem 17. Jahrh.). So weit sich bis jetzt die Sache verfolgen läßt, ging die Fabrication dieser Kacheln aus Süddeutschland hervor: in Nürnberg findet man noch viele hellgrün glasurte Ofenkacheln von bedeutender Größe aus der angegebenen und etwas frühern Zeit und die prachtvollen, grünen Oefen auf der Burg von Nürnberg gehören zu dem Schönsten, was die Reliefbildnerei je geliefert hat. Die gewaltigen schwarzen Rococo=Oefen in dem Rathhause zu Augsburg fallen schon in die erste Hälfte des 17. Jahrh.; noch heute brennt man in Böhmen Kacheln von bedeutender Größe, so daß ein ganzer Ofen oft nur aus einigen Stücken besteht.

Zu einer so großartigen Fabrikation, wie in Nürnberg, brachten es nun die Norddeutschen nicht; alle bisher bekannt gewordenen alten Kacheln sind nicht größer, als die kleinen, schwarzen Kacheln, aus denen man noch im Anfange dieses Jahrh. bei uns die Oefen baute: von den vielen Kacheln aus dem 16. Jahrh., welche beim Bau des Schlosses zu Schwerin gefunden wurden, geht keine einzige über diese Größe (zwischen 7 und 9 Zoll) hinaus. Aber der Styl des Reliefs und die Farbe der Glasur der norddeutschen Kacheln stimmen mit den süddeutschen überein; wie überhaupt die Kunst des Reliefbildens während der ersten Hälfte des 16. Jahrh. in Süddeutschland, namentlich in Nürnberg (unter Albrecht Dürer) und Augsburg von Italien her (durch Pisani und Benvenuto Cellini), einen so bedeutenden Aufschwung nahm und nur in verjüngtem Maßstabe allmählig und spärlich nach Norddeutschland vordrang, so auch im Besondern die Reliefbildung auf den Ofenkacheln.

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Jedoch erhielt diese hier eine besondere Unterstützung durch das zur Verzierung der Gebäude angewandte Ziegelrelief, welches in der Mitte des 16. Jahrh. in Norddeutschland, und am meisten in Meklenburg, sich so sehr ausbildete, wie wohl nirgends. Der Herzog Johann Albrecht I. hielt zu den Schloßbauten zu Wismar und Schwerin niederdeutsche oder niederländische Baumeister und Ziegelbrenner, wie den Maurermeister Gabriel von Aken, den Steinbrenner Statius von Düren (vgl. Jahrb. V, S. 18-21 flgd.), welche ihre Ziegelreliefs auch nach Lübeck brachten. Männer und Bauten dieser Art werden nun auch wohl Einfluß auf die Töpferei gehabt haben. Dafür reden die Sprachformen in den Unterschriften in den wismarschen Ofenkacheln, welche in einzelnen Bildungen, z. B. Jongeling, eine niederländische Färbung haben, in andern Bildungen mißverstanden sind, z. B. Gnad di con, statt Gnad bi (= bei) Got.

Es mag also sich mit der Kachelfabrication des 16. Jahrh. in Mecklenburg wohl so verhalten, daß sie von Süddeutschland her in Meklenburg eingeführt und hier theilweise von niederländischen, ostfriesischen und andern norddeutschen Arbeitern geübt ward.

G. C. F. Lisch.