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von
großherzoglich=meklenburgischem
Archivar und Regierungs=Bibliothekar,
Aufseher der großherzoglichen Alterthümer=
und Münzensammlung zu Schwerin,
auch
Ehren= und correspondirendem
Mitgliede der geschichts= und
alterthumsforschenden Gesellschaften zu
Stettin, Halle, Kiel, Salzwedel, Voigtland,
Leipzig, Sinsheim, Berlin, Kopenhagen,
Hamburg, Breslau, Würzburg, Riga, Leiden,
Regensburg, Meiningen, Lübeck, Cassel,
Christiania und Reval,
als
erstem
Secretair des Vereins für meklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde.
Mit vier Steindrucktafeln und zwei Holzschnitten.
Mit angehängtem Jahresberichte
Auf Kosten des Vereins.
In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung zu Rostock und Schwerin.
Gedruckt in der Hofbuchdruckerei in Scjhwerin.
A. | Jahrbücher für Geschichte. | Seite. |
I. König Kruto und sein Geschlecht, vom Archiv=Secretair Dr. Beyer zu Schwerin | 1 | |
II. Meklenburgs deutsche Colonisation, vom Pastor Boll zu Neu=Brandenburg | 57 | |
Anhang: Ueber die Heimath der Colonisten Meklenburgs, vom Archivar Lisch | 113 | |
III. Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg, vom Archivar Lisch | ||
Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg, vom Archivar Lisch | 116 | |
1) des Hofes Satow | 122 | |
2) des Hofes Dranse | 135 | |
IV. Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin, von demselben | 143 | |
V. Zur Geschichte des Landes Röbel, von demselben: | ||
1) Verpfändung des Landes Röbel seit 1362 | 188 | |
2) Elisabeth, Gemahlin des Fürsten Bernhard III. von Werle | 192 | |
3) Die solzowsche Linie der Familie Hahn | 194 | |
4) Lehnschulzen im Lande Röbel | 194 | |
VI. Des Herzogs Carl Leopold Kammer=Präsident Luben von Wulffen und die Erbverpachtung, von demselben | 197 | |
VII. Ueber Tagebücher des Herzogs Carl Leopold, von demselben | 235 | |
VIII. Miscellen und Nachträge, von demselben: | ||
1) Der wendische Götze Goderac und der H. Gotthart | 242 | |
2) Verleihung der Burg Lenzen an die Grafen von Schwerin | 243 | |
3) Ueber das Burglehn zu Lenzen | 244 | |
4) Der Ritterkaland zu Sternberg | 248 | |
5) Ueber die in Folge des Landfriedens vom Jahre 1291 zerstörten Raubburgen und die Burgen Walerow und Neuhaus | 249 |
Seite | ||
6) Ueber das rostocker Patriciat | 254 | |
7) Zur Geschichte der Reformation in Friedland | 259 | |
8) Ueber des Archivars Chemnitz meklenburgische Chronik und Dienstverhältnisse, vom Archivrath Dr. Schmidtr zu Wolfenbüttel | 264 | |
IX. Urkunden=Sammlung: | ||
A. Urkunden des Klosters Amelungsborn | 269 | |
B. Urkunden der Heil. Bluts=Kapelle zu Schwerin | 313 | |
C. Urkunden des Landes Röbel | 326 | |
D. Vermischte Urkunden | 338 | |
B. | Jahrbücher für Alterthumskunde. | |
I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne. | ||
1) Vorchristliche Zeit. | ||
a) Zeit der Hünengräber | 357 | |
b) Zeit der Kegelgräber | 367 | |
Mit 1 Holzschnitt. | ||
c) Zeit der Wendengräber | 380 | |
d) Alterthümer gleichgebildeter europäischer Völker | 385 | |
e) Alterthümer außereuropäischer Völker | 387 | |
2) Mittelalter | 388 | |
3) Neuere Zeit | 391 | |
II. Zur Ortskunde | 392 | |
III. Zur Baukunde des Mittelalters | 412 | |
Die Kirche zu Reknitz, vom Archivar Lisch | 412 | |
Zur Geschichte der Kirche zu Doberan, von demselben | 418 | |
IV. Zur Geschlechts= und Wappenkunde | 429 | |
Ueber die Familie von Stavenow, von demselben | 429 | |
Mit 1 Holzschnitt. | ||
Ueber das Wappen der Familie von Oertzen, von demselben | 433 | |
Mit 4 Steindrucken. | ||
V. Zur Rechtskunde. | ||
Ueber weltliche Geschäfte in den Kirchen und auf den Kirchhöfen, vom Archiv=Registrator Glöckler zu Schwerin | 435 |
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für
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:
und
sein Geschlecht.
Eine historische Untersuchung über die Abstammung des großherzoglich=meklenburgischen Fürstenhauses,
vom
Archiv=Secretair Dr. W. G. Beyer zu Schwerin.
D er Stammbaum unsers hohen Fürstenhauses, dessen Geschichte die Geschichte unsers Volkes ist, zumal in der ältern Zeit, ist mit Recht von allen frühern Historikern als ein wichtiger Gegenstand ihrer Forschung betrachtet worden. Aber nicht alle haben sich bei dieser Untersuchung, welche das persönliche Interesse des Landesherrn so nahe zu berühren schien, diejenige Unabhängigkeit zu bewahren gewußt, welche der Würde der Wissenschaft geziemt, und freilich hat auch die vorurtheilsfreie, unabhängige Forschung nicht immer die Anerkennung auf dem Throne gefunden, wie zu unsrer Zeit. Die Gelegenheit zu schmeicheln, lag zu nahe, als daß man der Versuchung bei der sichern Aussicht auf einen günstigen Erfolg hätte widerstehen können. So entstand der berühmte Stammbaum des Rathes Nicolaus Marschalk (1521), welcher das Geschlecht unserer Fürsten, mit dem selbsterschaffenen Könige Anthyrius und dessen Amazonen=Gattin zur Zeit Alexanders des Großen 300 Jahre vor Christi Geburt beginnend, in einer ununterbrochenen Reihe berühmter Ahnen bis auf seinen Herrn, den Herzog Heinrich den Friedfertigen herunter führte, - freilich immer noch bescheiden genug zu einer Zeit, wo manche adelige Geschlechter ihren Ursprung durch die Arche Noahs hindurch bis zu den Pforten des Paradieses nachzuweisen wußten.
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Zwar äußerten schon Andreas Mylius (1571) und Peter Lindenberg (1596) behutsame Zweifel an der Wahrheit wenigstens eines Theiles der Entdeckung unsers gelehrten Rathes, die aber bei ihren Nachfolgern unbeachtet blieben. Höchstens wagte man, wie Latomus (1610) und Chemnitz (1683), einzelne allzusichtlich unechte Zweige des künstlich aufgeputzten Baumes auszuschneiden; daß aber dieser selbst überall nicht in dem festen Boden der Geschichte, sondern allein in der Phantasie seines Entdeckers wurzele, das sah man nicht, oder wollte man nicht sehen, vielmehr galt derselbe in unserm Vaterlande volle 200 Jahre hindurch für ein unantastbares Heiligthum. Im Auslande dagegen hatte schon Heinr. Bangert (1659) seine Stimme gegen dies Unwesen erhoben, und als im Anfange des vorigen Jahrhunderts auch Spener und Schurzfleisch dagegen auftraten, da fing man endlich auch in Meklenburg an, in seinem Glauben wankend zu werden, obgleich noch Thomas († 1717) mit unerschütterlicher Treue daran festhielt. Josua v. Beehr († 1729) hat das Verdienst, unsere Geschichte zuerst gründlich von diesen Auswüchsen befreiet zu haben; ihm schloß sich David Franck (1753) mit Entschiedenheit an, und seitdem hat denn der Marschalk'sche Stammbaum nur noch als einer historischen Curiosität Erwähnung gefunden.
Zunächst zwar traf das Verbannungsurtheil der historischen Kritik nur die rein mythischen oder aus den Annalen der Vandalen und Heruler usurpatorisch in unsre Geschichte eingedrungenen Könige, wogegen alle seit Karls des Großen Zeit gelegentlich erwähnten obotritischen Fürsten und Könige der Wenden unbedenklich als ächte Ahnen des jetzt regierenden Fürstenhauses anerkannt wurden. Bald aber ging man weiter und forderte auch hier den historischen Beweis des genealogischen Zusammenhanges. Bis auf Niclot hinab, in der Mitte des 12. Jahrhunderts, ließ sich dieser Beweis ohne Schwierigkeit und mit vollkommner Sicherheit urkundlich führen. Hier aber stieß man an, da das Geschlecht des letzten Königs der Obotriten aus slavischem Stamme, Heinrichs, des Sohnes Gottschalks, nach dem ausdrücklichen, unverwerflichen Zeugnisse Helmolds, mit seinem Enkel Zwinike um 1126 erloschen war 1 ). Daraus folgt indeß noch nicht das Erlöschen der ganzen Dynastie, vielmehr lebte nach eben diesem Zeugnisse Helmolds noch ein Neffe Heinrichs, Pribislav, Fürst der Wagrier, welcher nach dieser Bezeichnung unbedenklich als ein Sohn des 1172 gefallenen Buthue, eines ältern Sohnes Gottschalks, anzuerkennen ist. Somit schien also wenigstens die
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Möglichkeit zu bleiben, daß auch Niclot eben dieser oder irgend einer andern Nebenlinie des alten Königshauses angehöre, und wirklich führt schon Ernst v. Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik (1378) beide Fürsten, Pribislav und Niclot, als Brüder, Söhne des Buthue, auf.
Allein die Art und Weise, wie Helmold, der Zeitgenosse, die beiden Fürsten, die er persönlich kannte, in die Geschichte einführt, zwingt den unpartheiischen Forscher, auch diese Annahme unbedingt zu verwerfen; denn indem er den Pribislav ausdrücklich als Brudersohn Heinrichs, den Niclot aber in einem und demselben Satze unmittelbar daneben nur nach seiner damaligen politischen Stellung als majorem terrae Obotritorum bezeichnet, ohne sich auf seine Abstammung einzulassen 1 ), stellt er beide ganz augenscheinlich in einen directen Gegensatz, welcher an ein verwandtschaftliches Verhältniß beider überall nicht, am wenigsten aber an ihre Bruderschaft denken läßt. Kirchberg aber giebt eine bloße Paraphrase der Worte Helmolds 2 ), und kann also gegen diesen nicht als Zeuge gelten. Zwar bezieht er sich grade in Bezug auf die Abstammung der beiden Fürsten auf mündliche Tradition, oder doch auf die Meinung seiner Zeitgenossen (horet me), allein diese ist nach Verlauf von 250 Jahren, in welchen die gesammten öffentlichen und Privat=Verhältnisse des ehemaligen Obotritenreiches eine völlig neue Grundlage gewonnen hatten, nicht mehr als historische Quelle anzuerkennen. Die Behauptung Kirchbergs ist aber überdies schon der Zeit nach fast unmöglich, denn Buthue starb 1072, Niclot aber fiel im Jahre 1161, zwar als Greis, aber doch noch in voller Kraft, nach ritterlicher Gegenwehr in offener Schlacht und sein Bruder
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Lubimar lebte noch 1163. Auch hat kein Zeitgenosse unsers Chronisten die angebliche Sage vernommen, vielmehr steht derselbe völlig vereinzelt.
Unsere einheimischen Genealogien des Klosters Doberan und des alten parchimschen Stadtbuches beginnen den Stammbaum unserer Fürsten einfach mit Niclot 1 ), und weder Albert v. Stade (1256), noch der Franziscaner Lesemeister Detmar zu Lübeck (1385) gehen über den Bericht Helmolds hinaus 2 ). Wenn aber der Bischof Otto von Havelberg in einer Urkunde von 1418 mit Bezug auf alte Chroniken der Klöster Dobbertin und Neuenkamp bezeugt, daß die wendischen Herren aus königlichem Geschlechte stammten 3 ), so ist nicht zu vergessen, daß auch Niclot schon von Helmold regulus genannt wird; übrigens sind jene alten Chroniken schwerlich andere, als die noch jetzt bekannten, und das Zeugniß des Bischofs Otto wird also, - direct oder indirect, - aus Kirchberg entlehnt sein. Nicht uninteressant ist aber, daß weder Hermann Korner († 1438), noch der unbekannte Verfasser der slavischen Chronik, noch Albert Kranz († 1517), noch Reimar Kock († 1569) von dem einfachen, aus Helmold entlehnten Berichte der älteren lübischen Chroniken abweichen, vielmehr war es wiederum unserm gelehrten Rath Marschalk vorbehalten, die Erzählung Kirchbergs zu Ehren zu bringen, welche von nun an bei allen folgenden Schriftstellern zwei volle Jahrhunderte hindurch als sichere historische Wahrheit galt.
Auch in diesem Falle waren es Ausländer, namentlich Köhler und Abel 4 ), welche sich zuerst gegen die Auotorität Marschalks auflehnten; als aber bald darauf auch ein Meklenburger, der Dr. Georg Gustav Gerdes zu Wismar 5 ), diesem Beispiele folgte, fand er sofort in dem Hofrath Jargow einen heftigen Gegner, welcher die neue, zur "Verkleinerung des hochfürstlichen Hauses" gereichende Ketzerei um jeden Preis zu unterdrücken suchte 6 ). Zwar wagte es anfangs der ältere E. A. Rudloff, wenn gleich pseudonym, als Vertheidiger des Gerdes aufzutreten, indem er die Irrthümer Jargows in einer überaus gründlichen und scharfsinnigen Abhandlung widerlegte 7 ), wodurch dieser
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aber nur zu noch größerer Heftigkeit gereizt ward. In seiner weitläuftigen Antwort, in welcher er zu verstehen gab, daß er seinen Gegner sehr wohl kenne, führte er wiederholt aus, daß es wider den Respect und das Ansehen des herzoglichen Hauses laufe, wenn man den Stammvater desselben "zum bloßen Edelmann creiren, und überdas denselben noch als einen Rebellen und ungerechten usurpatorem der Krone und Länder, so er regieret, angeben, mithin per indirectum seine Nachfolger als injustos detentores ihrer Länder venditiren wolle" 1 ). Dem Gewichte solcher Gründe konnten beide Gegner nicht widerstehen; sie erklärten sich öffentlich für überwunden 2 ).
So war denn Kirchbergs und Marschalks Ansehen einstweilen gerettet, und ihre Ansicht fand nach diesem Siege auch späterhin im In= und Auslande, z. B. bei Nugent 3 ), Gebhardi 4 ), Westphalen 5 ) und selbst bei v. Behr 6 ), treue Anhänger. Aber die Wissenschaft läßt sich eine einmal enthüllte Wahrheit, selbst durch den erzwungenen Widerruf ihrer ersten Zeugen, nicht wieder rauben! Schon Franck 7 ) und nach ihm der jüngere F. A. Rudloff 8 ) kamen auf die Ketzerei des Gerdes zurück und gaben wenigstens die Abstammung Niclots von Buthue auf, wenn gleich sie zum Troste eine noch ältere Abzweigung seines Geschlechts von der obotritischen Königs=Dynastie als möglich und wahrscheinlich annahmen. Die Neuern aber lassen auch diese, durch rein historisches Zeugniß gestützte, bloße Möglichkeit mit Recht auf sich beruhen; ihnen ist unser Niclot nichts, als ein "großer Güterbesitzer" 9 ), "ein kühner Häuptling" 10 ), ein "angesehener Obotrite" 11 ) von unbekannter Herkunft, welcher entweder durch die Wahl seines Volkes, oder durch eigne Macht zur Herrschaft gelangte.
Das Resultat dieses gewiß sehr lehrreichen literarischen Streites war also zunächst nur ein negatives, und dabei würden wir uns, nach der Erschöpfung alles ältern historischen Materials, auch jetzt beruhigen müssen, wenn uns nicht inzwischen durch die Bekanntmachung der ältern isländischen Geschichtsbücher und
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Sagen eine neue Quelle eröffnet wäre, mit deren Benutzung eine Wiederaufnahme der Untersuchung günstigern Erfolg zu verheißen scheint. Bevor wir jedoch zu dieser Quelle selbst hinantreten, wird es nöthig sein, daß wir uns zuvörderst die Verhältnisse des Wendenlandes zur Zeit des Niclot, und die zunächst vorhergegangenen Ereignisse, ins Gedächtniß zurückrufen.
König Gottschalk hatte in Folge seines Eifers für die Verbreitung des Christenthums in einem wüthenden Aufstande, welcher sich von den Lingonen aus schnell über alle seiner Herrschaft unterworfenen Slavenstämme verbreitete, am 7. Junius 1066 zu Lenzen den Tod gefunden, und seine unglückliche Gemahlin, die dänische Königstochter Sigrid, war, gemißhandelt und geschändet, mit ihrem jungen Sohne Heinrich in die Heimath zurückgeschickt; an dem Altare des Radigast zu Rethra fiel das ehrwürdige Haupt des Bischofs Johannes; die eben erst erbauten christlichen Kirchen wurden zerstört, ihre Priester ermordet oder verjagt und jede Spur der verhaßten Lehre des gekreuzigten Heilandes vertilgt; selbst über die Gränzen des Wendenlandes hinaus trugen die ergrimmten Heiden Tod und Verwüstung, und Hamburg und Schleswig, die beiden bedeutendsten Städte der christlichen Sachsen diesseit der Elbe, fanden gleichzeitig ihren Untergang; - da erkannte das wendische Volk, daß das schon oft gelös'te und mit Blut bespritzte Band zwischen ihm und dem alten Königsgeschlechte für immer zerrissen sei. Mit entschiedener Zurückweisung der Söhne Gottschalks ward Kruto 1 ), der Sohn des Grinus , einstimmig zum Führer und Oberhaupte erwählt, und selbst Blusso, des erschlagenen Königs Schwager, welcher bisher an der Spitze der Empörung gestanden hatte, ward ein Opfer seiner verblendeten Herrschsucht. Vergebens suchte Buthue, Gottschalks ältester Sohn, den Thron seiner Väter mit sächsischer Hülfe wieder zu erobern; obwohl von einer slavischen, und wie behauptet wird, heidnischen Mutter geboren, betrachteten die Wenden den Sohn des christlichen Vaters und den Freund der Sachsen als Verräther der Freiheit seines Volkes, und waren entschlossen, lieber zu sterben, als das abgeworfene Joch noch ein Mal zu dulden. Zwar gelang es dem Herzoge Ordulph von Sachsen, seinem Schützling einen Theil seines väterlichen Reiches, wahrscheinlich Wagrien, zu er=
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halten, aber alle Anstrengung, denselben völlig wieder einzusetzen, blieb fruchtlos. Alljährlich bis zu seinem Tode unternahm Ordulph, wohl nur zum Schutze der eigenen Gränzen, einen Heereszug gegen die Wenden, aber stets sieglos ward er endlich selbst zum Gespötte der Seinen. Ja, als sein Sohn und Nachfolger, der tapfere Magnus, im J. 1072 einen neuen Versuch machte, die frühere Ordnung der Dinge wieder herzustellen, erlitten die Seinen eine so vollständige Niederlage, daß Hamburg zum zweiten Male in die Hände der siegenden Wenden fiel, und Buthue mit dem Reste seiner Herrschaft am 8. August vor der Festung Plön selbst das Leben verlor. Kruto aber behauptete sich nicht nur in den wendischen Ländern, sondern begünstigt durch den um eben diese Zeit erfolgenden Ausbruch langwieriger Unruhen im Innern Deutschlands, gelang es ihm, selbst das transalbingische Sachsen seiner Herrschaft zu unterwerfen 1 ).
Wie schmerzlich das christliche Gemüth auch durch den blutigen Gräuel ergriffen wird, der Gottschalks Tod begleitete, wie kränkend auch der Sieg der slavischen Waffen für das deutsche Nationalgefühl sein mag, ja, wie sehr man auch anerkennen muß, daß der Fortschritt des Menschengeschlechtes durch den Untergang der slavischcn Völkerschaften an der deutschen Ostseeküste bedingt war, - die Gerechtigkeit der Geschichte kann dennoch dem jungen Obotritenfürsten einen Ehrenplatz unter den ersten Helden seines Volkes nicht versagen. In den Augen dieses lange gedrückten und gemißhandelten obotritischen Volkes selbst aber mußten die Siege Krutos nothwendig einen tiefen, unvergeßlichen Eindruck hervorbringen. Seit Karls des Großen Zeit waren die Apostel der Religion und der Liebe unsern Slaven nur als die Vorposten der feindlichen Heere erschienen, und für sie war das Christenthum in der That gleichbedeutend mit Sclaverei. Somit ist es begreiflich, daß das alte Königsgeschlecht durch seine Hinneigung zu der neuen Lehre und seine Familien=Verbindung mit den Königen von Dänemark und den Herzogen von Sachsen das Vertrauen seines Volkes verlieren mußte, welches Sachsen, wie Dänen als seine Erbfeinde haßte und dem Glauben derVäter unerschütterlich anhing; ja, es konnte nicht fehlen, daß die Wenden sich allmählig gewöhnten, ihre Könige selbst als Fremde, als die Statthalter ihrer Unterdrücker zu betrachten, durch deren Waffen fast alle zum Reiche gelangt waren und in deren Namen sie die verhaßte Herzogssteuer zu erheben gezwungen waren. Da machte der lange verhaltene Grimm sich
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endlich Luft; Gottschalk fiel am Altare der Christen, statt seiner ward Kruto durch die freie Wahl der Seinen zum Throne berufen, und plötzlich gewann alles eine andere Gestalt. Unter dem Schutze der alten heimischen Götter war nicht nur die verlorene Freiheit des Vaterlandes im raschen Siegesfluge wieder gewonnen, sondern der Sieger verstand es auch, die durch die gemeinsame Gefahr zum erstenmale freiwillig vereinigten Stämme dauernd zusammenzuhalten, und über den Trümmern des obotritisch=sächsischen Königreichs erhob sich in erweiterten Grenzen ein nationales Wendenreich, stark im Innern und gefürchtet nach Außen, nicht nur frei und unabhängig von jeglichem fremden Einflusse, sondern selbst den ehemals an die stolzen Feinde gezahlten schimpflichen Tribut von den nun Ueberwundenen zurückempfangend. Ein solcher Zustand der Dinge hatte bisher noch niemals bestanden, und die Regierung Krutos ist unbedingt die glänzendste Periode in der ganzen Geschichte der slavischen Völker dieser Gegend.
Ueber die Herkunft und die frühere Stellung des Kruto haben wir kein ausdrückliches Zeugniß. Helmold nennt ihn wiederholt den Sohn des Grinus; aber wo und unter welchen Verhältnissen dieser Vater gelebt habe, das finden wir weder bei ihm, noch bei einem andern Schriftsteller dieser Zeit. Dennoch pflegt man ihn allgemein als einen Fürsten von Rügen zu betrachten, und gewiß mit zureichendem Grunde. Die Geschichte dieser Insel zu jener Zeit ist zwar durchaus dunkel, so viel aber scheint gewiß, daß das der Insel gegenüberliegende Festland bis zur untern Reknitz und Trebel von alten Zeiten her unter den rügischen Königen stand 1 ); seit also die Kissiner und Circipaner die Herrschaft der Obotriten anerkannten, d. h. seit der Mitte des 11. Jahrhunderts 2 ), grenzte das Gebiet der letztern unmittelbar mit der Herrschaft Rügen. Hier aber war von jeher der Hauptsitz des wendischen Heidenthums, und wie das Ansehen des Oberpriesters in dem berühmten Tempel Swantevits zu Arcona durch das ganze Wendenland reichte, so waren auch die weltlichen Fürsten der Insel, welchen die Slaven ausschließlich die königliche Würde zuerkannten, weithin gefürchtet und geehrt 3 ). Bei dieser Lage der Dinge scheint nichts natürlicher, als daß die Obotriten nach Ermordung und Vertreibung des einheimischen Königsgeschlechtes und der Rückkehr zum Hei=
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denthume sich entweder unmittelbar mit ihren mächtigen heidnischen Nachbarn vereinigten, oder doch einen Sprößling der dort herrschenden Dynastie zu ihrem Oberhaupte erwählten, und nur unter dieser Voraussetzung sind die folgenden Ereignisse erklärlich. Denn Krutos Herrschaft umfaßte nicht nur das gesammte Slavenland, sondern seine Nachkommen fanden auch nach dem Verluste aller obotritischen und liutizischen Provinzen gerade auf Rügen ihre letzte Zuflucht, und behaupteten sich hier als unabhängige und selbstständige Fürsten. An eine Eroberung Rügens durch Kruto ist aber nicht zu denken, vielmehr bezeugt Helmold ausdrücklich, daß das tapfere Inselvolk niemals eine fremde Herrschaft geduldet, wohl aber viele fremde Völker die ihrige anerkannt hätten, und dies bezeugt er gerade bei Erzählung der unmittelbar auf Krutos Tod folgenden Ereignisse, mit sichtbarem Rückblick auf die Stellung eben dieses Fürsten 1 ). Somit dürften wir es als sichere historische Thatsache betrachten, daß die Insel Rügen der ursprüngliche Sitz des krutonischen Geschlechtes gewesen sei und daß dieser Fürst von hier aus durch freiwillige Unterwerfung der benachbarten Stämme sein mächtiges Reich bis an die Grenzen des nordelbischen Sachsens, dann aber auch durch seine Siege darüber hinaus bis an die Küsten des Nordmeeres ausgedehnt habe.
Es war ihm jedoch nicht vergönnt, dieses Reich auf seine Söhne zu vererben. Nachdem Heinrich, Gottschalks jüngerer Sohn, herangewachsen war, suchte er sofort die Ansprüche seines Hauses geltend zu machen. Auf dänischen Schiffen und mit Hülfe heimlicher Anhänger in der Heimath unternahm er mehrere glückliche Raubzüge an die wagrische Küste, die er allmählig weiter, wie es scheint, selbst bis zu den Inseln Rügens, ausdehnte, und zwang dadurch seinen bereits im Greisenalter stehenden Gegner zu einem friedlichen Abkommen. Kruto trat ihm einen Theil seiner Besitzungen, anscheinend in Wagrien, wo auch Buthue sich bis zuletzt gehalten hatte, ab, wogegen Heinrich sich ohne Zweifel seiner Oberherrschaft unterwarf. Kaum aber hatte dieser festen Fuß im Slavenlande gefaßt, als es ihm durch die Ränke der jungen Gemahlin des alten Helden, Slavina, gelang, sich seines, nach der wenig Vertrauen verdienenden Behauptung des treulosen Weibes, auf gleichen Verrath sinnenden Feindes gänzlich zu entledigen. Kruto fiel bei einem Gastmahle, welches sein scheinbar versöhnter Gegner auf Anstiften der Slavina in hinterlistiger Absicht veranstaltet hatte, unter dem Mordbeil eines gedungenen dänischen Sclaven, und Heinrich, im Besitze des
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Ehebettes des gemordeten Königs, setzte sich mit Hülfe der unterdrückten Sachsen auch in Besitz der zunächst belegenen obotritischen Provinzen.
Auf diese Nachricht erhoben sich mit gerechter Entrüstung alle entfernter wohnenden Slaven im Osten und Süden, und wie vor 27 Jahren, ward auch diesmal ein entschiedener Christenfeind durch einstimmige Wahl auf den erledigten Thron berufen. Dieser säumte auch nicht, sofort mit einem zahlreichen Heere, welchem sich ohne Zweifel auch die Obotriten anschlossen, in Polabien einzudringen. Heinrich vermochte nicht zu widerstehen, sondern floh bestürzt zum Herzoge Magnus von Sachsen, seinem mütterlichen Verwandten, indem er ihm zum Lohne für den erbetenen Schutz Treue und Gehorsam gelobte. Inzwischen waren auch die Stormaren, Dithmarsen und Holsteiner zum Schutze der aufs neue bedrohten Freiheit zu den Waffen geeilt, und Magnus, anscheinend gerade am rechten Ufer der Elbe anwesend, stellte sich persönlich an die Spitze der kampfbegierigen Schaaren. Auf der smilower Haide kam es im Jahre 1093 zur Schlacht, in welcher dieWenden eine entscheidende Niederlage erlitten. So ward noch ein Mal, und wieder durch sächsische Waffen, die Herrschaft des alten verhaßten Königsgeschlechtes hergestellt. 1 )
Den Namen des heidnischen Gegenkönigs nennt Helmold nicht, sein Geschlecht aber kann auch ohne ausdrückliches Zeugniß nicht zweifelhaft sein. Kruto nämlich war, wie wir später erfahren, nicht ohne Söhne gestorben, vermuthlich in einer frühern Ehe erzeugt. Noch aber waren die ruhmvollen Thaten des Vaters im frischen Gedächtniß, und die jedes menschliche Gefühl empörende Art seines Todes mußte nothwendig sein Leben mit neuem Glanze umhüllen, dem Glanze des Märtyrerthums für die Sache seines Volkes. Wenn die Söhne Krutos daher nicht gezaudert haben werden, sich an die Spitze der schnell versammelten kriegerischen Jugend zu stellen, um die Freiheit des Vaterlandes zu retten und zugleich den Tod des Vaters zu rächen, so konnte in diesem Augenblicke auch in der Versammlung der Großen die Wahl des neuen Oberhauptes nicht im mindesten schwanken. Die Schlacht auf der smilower Haide war also sicher nur der Anfang des Kampfes, dessen Helmold freilich erst bei einer spätern speciellen Veranlassung gelegentlich gedenkt, des Kampfes um die Herrschaft zwischen den Geschlechtern Krutos und Gottschalks, welcher erst nach Verlauf von mehr als 50 Jahren mit dem völligen Untergange des letztern endigte. 2 )
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Durch die Niederlage bei Smilow war nämlich zunächst nur der Verlust der obotritischen Gaue entschieden, während die östlicheren Stämme, namentlich Rügen, von welchen die Bewegung ausgegangen war, unter unabhängigen Fürsten aus Krutos Geschlecht die alte Freiheit behaupteten und in ihrer feindlichen Stellung gegen Heinrich beharrten. Ueber die Einzelnheiten des Kampfes in der nächsten Zeit sind wir nicht unterrichtet, aber im Jahre 1110 oder 1111 erschien plötzlich eine rügische Flotte im Hafen von Lübeck, Heinrichs Residenz, nicht zu einem vorübergehenden Raubzuge, sondern zur Eroberung des Landes, indem sie ganz Wagrien und selbst Nordalbingien als ihr Besitzthum betrachteten, wozu sie sich augenscheinlich nur durch die Erbansprüche ihres Königs berechtigt halten konnten 1 ). Heinrich aber fand abermals nur Rettung in der Flucht zu den befreundeten Sachsen, durch deren Tapferkeit er am 1. August einen entschiedenen, in der bedrängten Stadt noch in spätern Zeiten gefeierten Sieg erfocht, und noch heute zeigt man den Hügel, welcher die Leichen der erschlagenen Rügen deckt. Der Muth und die Kraft des Volkes und ihres Fürsten war aber dadurch nicht gebrochen. Schon im folgenden Jahre 1112 fand Waldemar, einer von Heinrichs Söhnen, seinen Tod in dem an der Ostgränze fortdauernden Kampfe, und nun erst beschloß Heinrich, in Verbindung mit dem Grafen Adolph von Holstein, den unversöhnlichen Feind in seinem eignen Gebiete anzugreifen.
Im Winter des Jahres 1113 drang er mit einem unermeßlichen Heere, die schwierigen Pässe an den sumpfigen Ufern der Reknitz und Trebel umgehend, verheerend über die Pene vor
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und eroberte Wolgast. Hier vereinigte sich, auf demselben Wege heranziehend, das sächsische Heer mit den slavischen Schaaren, worauf Heinrich und Adolph, den gefrornen Bodden überschreitend, in die geheimnißvolle Insel eindrangen, die Sachsen an der Spitze, denn Heinrich wußte sehr wohl, wie wenig er in dem unnationalen Kriege seinen Wenden vertrauen dürfe. 1 ) Hier traf er alsbald auf das rügische Heer; zur Schlacht jedoch kam es nicht. Die Rügen wichen der Uebermacht und versprachen Unterwerfung und Tribut; die Verbündeten aber, ringsum vom Meere umgeben, den Feind im Angesicht und im Rücken, 2 ) kannten die Gefahr ihrer Stellung zu wohl, als daß sie das Anerbieten zurückzuweisen gewagt hätten. Kaum aber hatte das feindliche Heer die Insel geräumt, als die Rügen nicht mehr an die Erfüllung des abgedrungenen Versprechens dachten. So ward schon im folgenden Winter 1114 ein zweiter Feldzug nöthig, der selbst dem Herzoge Lothar wichtig genug erschien, daß er sich persönlich an die Spitze des Heeres stellte. Diesmal wählte man den nähern Weg durch das Gebiet der Circipaner, aber schon hier stellte sich ein slavischer Häuptling, Dumar, mit seinem Sohne dem Herzoge feindlich entgegen und suchte den Durchweg zu hindern. Er ward unterworfen, und zum zweiten Male trug die Eisbrücke ein sächsisches Heer nach der Insel hinüber, deren Fürst nochmals Unterwerfung geloben und seinen Bruder als Geißel stellen mußte. Schon nach drei Tagen kehrte das Heer zurück, weil die Eisdecke unsicher ward. Der Krieg aber dauerte auch in den folgenden Jahren fort, während Lothar durch seine Fehde mit dem Kaiser vom Schauplatze fern gehalten ward, und Heinrich erlebte das Ende desselben nicht. 3 )
Diese Feldzüge setzen außer allem Zweifel, daß die Herrschaft des immer noch ungenannten Inselkönigs sich fortwährend über das ganze Küstengebiet erstreckte, und selbst Circipanien erst 1114, vielleicht nur vorübergehend, unterworfen ward. Heinrich aber fand 5 Jahre nach dieser Zeit, am 26. März 1119, einen gewaltsamen Tod, und alsbald lö'ste sich das durch fremde Hülfe mühsam zusammengehaltene Reich in innerer Zwietracht auf.
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Seine Söhne, Suentipolk und Kanut, stritten um die Herrschaft, und als sie endlich, durch die Vermittelung des Grafen Adolph von Holstein ausgesöhnt, eine Theilung beschlossen, da hatten sich inzwischen die meisten, nur mit Widerwillen gehorchenden Stämme dem Joche des verhaßten christlichen Herrschergeschlechtes entzogen 1 ). Zu den abgefallenen gehörten aber, wie die folgenden Ereignisse beweisen, namentlich auch die eigentlichen Obotriten mit den angrenzenden Kissinern, so daß außer Wagrien, dem bisherigen Schauplatz des Bruderkampfes, höchstens noch Polabien zur Theilung übrig blieb, der ganze Küstenstrich aber von Wismar bis an die rügische Grenze an der Mündung der Reknitz außer dem Bereiche der Brüder lag. Von wo diese nationale Bewegung ausgegangen war, wer an der Spitze derselben stand und in dem abgefallenen Gebiete an Heinrichs Stelle getreten war, das sagt uns abermals Niemand, aber nach dem bisherigen Gange der Ereignisse scheint es auch diesmal kaum eines ausdrücklichen Zeugnisses zu bedürfen, um uns den Zusammenhang erkennen zu lassen. Wir sind berechtigt, vorauszusetzen, daß die rügischen Fürsten, welche bei Heinrichs Tode annoch unter den Waffen standen, die Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer seit einem Vierteljahrhundert mit unermüdeter Ausdauer verfolgten Ansprüche auf den Thron ihres Ahnherrn Kruto nicht unbenutzt gelassen haben werden, und wirklich sehen wir sie auch in den nun folgenden Wirren namentlich hervortreten.
Die Versöhnung der feindlichen Brüder war nämlich nur scheinbar. Bald fiel der jüngere, Knud, durch Meuchelmord, allem Anscheine nach durch die Hand oder doch auf Anstiften Suentipolks, welcher nun im alleinigen Besitze des noch übriggeblieben Reiches sich sofort auch zur Wiedereroberung der abgefallenen Provinzen rüstete. Im Jahre 1121 unternahm er zu diesem Zwecke, von dem Grafen Adolph von Holstein, oder nach einer andern Quelle vom Herzoge Lothar selbst unterstützt, einen Heereszug gegen die Obotriten und Kissiner, dessen Erfolg jedoch sehr zweifelhaft scheint, auf jeden Fall aber vorübergehend war. Die Stadt Werle ward erobert und nach fünfwöchentlicher Belagerung auch Kissin zur Uebergabe gezwungen; weiter aber verfolgten die Verbündeten ihren Sieg nicht, sondern kehrten mit Beute und Geißeln, wie es heißt, nach Lübeck zurück 2 ), wo die Slaven bald darauf den Besuch in gleicher Weise erwiederten. Im Jahre 1124 erschien nämlich die rügische Flotte
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zum zweiten Male vor Lübeck, Stadt und Burg wurden durch Ueberfall erobert, und kaum retteten sich die durch den frommen Apostel der Wenden mit Suentopolcks Bewilligung dorthin gesendeten Priester durch eilige Flucht in die benachbarten Wälder, von wo sie zu ihrem Meister nach Faldera zurückkehrten. 1 )
Was hierauf aus den Siegern geworden sei, verschweigt Helmold. Wenn aber nicht Alles trügt, so giebt uns eine andere, bisher nicht verstandene Quelle unerwarteten Aufschluß über den Umfang und die wichtigen Folgen dieses Ereignisses.
Nach einer polnischen, so wie sie uns überliefert ist, allerdings räthselhaften Sage, lebte um diese Zeit an dem Hofe des Herzogs Boleslav von Polen ein Jüngling von vornehmer, wie es heißt, dänischer Abkunft, Piotrek, d. h. Peter, genannt, welcher sich durch hohen Geist, Tapferkeit und strenge Sitten sehr bald die Achtung der polnischen Großen und das volle Vertrauen des Herzogs erwarb. Während seines Aufenthalts in Polen ward der König von Dänemark, Heinrich, durch seinen Bruder, Abel, ermordet, weshalb Peters Vater, Suantoslav, welcher den Schatz des ermordeten Königs in seinem Verwahrsam hatte, den Sohn durch geheime Boten aufforderte, ihm zur Bergung des Schatzes behülflich zu sein, damit derselbe nicht in die Hände des Brudermörders falle. Peter seiner Seits wendet sich an den Herzog, und dieser versammelt sofort im Frühjahr 1124 eine Flotte in den Mündungen der Weichsel, mit welcher sich die Schiffe anderer benachbarter Seestädte vereinigen, und auf welcher der Herzog in Begleitung des Peter nach Dänemark übersetzt. Hier vom Volke als Befreier begrüßt, gelingt es ihm leicht, den Brudermörder aus dem Lande zu jagen und ganz Dänemark zu erobern. Unterdeß hatte Peter mit Hülfe seines Vaters den königlichen Schatz glücklich geborgen, worauf Boleslav die eroberten Städte an die Großen des Reiches zurückgiebt, und nachdem er diese zur Wahl eines andern legitimen Königs veranlaßt hat, nach Polen zurückkehrt. 2 )
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Daß nun diese Ereignisse nicht in Dänemark vorgegangen sind, wie die Sage meldet, ist völlig klar. In der ganzen dänischen Geschichte kommt kein König Heinrich vor, und der Brudermörder Abel lebte 100 Jahre nach dieser Zeit. Auch weiß keine dänische Geschichtsquelle irgend etwas von einer polnischen Landung, am wenigsten einer fremden Eroberung des Reiches. Dagegen weis't schon der Name des Vaters unsers jungen Abenteurers, Suantoslav, auf ein slavisches Land, als den Schauplatz der Ereignisse hin, und der ermordete König Heinrich ist offenbar kein anderer, als Heinrich der Obotrite. Daß die vorübergehende Erscheinung eines von Dänemark aus, durch den in der Heimath der Mutter erzogenen Sohn einer dänischen Königstochter gegründeten christlich=wendischen Reiches, dessen Krone nach wenigen Jahren wirklich auf Dänemark vererbte, daß diese Erscheinung von dem polnischen Berichterstatter unrichtig aufgefaßt und der König Heinrich als ein dänischer Theilkönig betrachtet wird, scheint sehr begreiflich. In dem weitern Verlaufe der Erzählung aber ist der brudermörderische Zwist der Söhne Heinrichs auf diesen selbst übertragen, die Rolle des Brudermörders aber dem Beschützer Suentipolks, dem Grafen Adolph von Holstein, zugetheilt, welchen Peter allerdings als den eigentlichen Herrn des Landes angetroffen haben wird. Der Name Abel scheint nämlich eine bloße Verwechselung mit der dem Polen unbekannten niederdeutschen Form Alf, oder Alph, zu sein, wie z. B. in den lübischen Chroniken unser Graf Adolph stets genannt wird.
Boleslav war übrigens grade in dem gedachten Frühjahr in seiner Haupstadt Gnesen mit der Ausrüstung des Bischofs Otto von Bamberg zu der Mission nach dem bereits 1121 eroberten Pommern beschäftigt und hat schwerlich selbst an dem Zuge Theil genommen. Dies darf man schon daraus mit Sicherheit schließen, daß nicht er, sondern Peter in dem vollen Besitze des geraubten Schatzes blieb, von welchem er zur Sühne seines Frevels der Sage nach 77 Kirchen erbaute und große Besitzungen ankaufte, so daß Boleslav den nunmehrigen Grafen von Sczryn nicht zu gering achtete, ihn mit einer nahen Verwandten seiner eignen Gemahlin, der Prinzessin Maria, Tochter eines ruthenischen Fürsten, zu vermählen. Auch ist von einer polnischen Flotte um
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diese Zeit sonst nichts bekannt, vielmehr kann dieselbe nur aus pommerschen und rügischen Fahrzeugen bestanden haben, so daß der ganze angebliche polnische Seezug als völlig identisch mit der in dieselbe Zeit fallenden Landung der Rügen bei Lübeck erscheint.
So hätten wir denn in diesem polnischen Berichte ein höchst wichtiges directes Zeugniß, daß der Erfolg dieser Unternehmung gegen Lübeck sich nicht auf die Eroberung und Plünderung der Stadt beschränkte, sondern einen Aufstand der slavischen Bevölkerung der Umgegend zur Folge hatte, welcher mit der Vertreibung Suentipolks und der Einsetzung eines neuen nationalen Königs endete, über dessen Geschlecht und Herkunft nach dem Zusammenhange der Ereignisse kein Zweifel obwalten kann. Wirklich berichten auch die gleichzeitigen deutschen Annalen, in vollkommener Uebereinstimmung hiemit, eine Schilderhebung der Slaven, welche den Herzog Lothar in dem folgenden Jahre 1125 zu einem Heereszuge über die Elbe nöthigte, von dem er jedoch unverrichteter Sache zurückkehrte 1 ). Während dieser Wirren wird denn auch Suentipolk seinen Tod gefunden haben, welchen Helmold unmittelbar nach der Eroberung Lübecks erichtet. Er ward von einem Holsteiner, Daso, erschlagen, und sein einziger Sohn, Suinike, floh, vermuthlich mit dem abziehenden sächsischen Heere, nach Ertheneburg, wo er bald darauf, der letzte aus Heinrichs Geschlecht, gleichfalls einen gewaltsamen Tod fand 2 ).
Unmittelbar nach diesen Ereignissen treten nun Pribislav, Buthues Sohn, und Niclot , der Stammvater unsers erlauchten Fürstengeschlechtes 3 ), als Kronprätendenten hervor. Ersterer, nach Suentipolks und Suinikes Tode der einzige noch lebende Sprößling der alten Dynastie, suchte natürlich die nun auf ihn vererbten Ansprüche seines Hauses geltend zu machen; wer kann daher Niclot, den wir bei seinem ersten Auftreten an der Spitze der Obotriten finden, anders gewesen sein, als ein Sprößling des krutonischen Geschlechtes, welches seit dem Tode seines Ahnherrn von seiner heimathlichen Insel aus in ununterbrochenem Kampfe um die Herrschaft beharrte, neuerdings aber durch die Eroberung der feindlichen Hauptstadt und die Vertreibung Suentipolks seine Anerkennung selbst in Wagrien, der äußersten westlichen Provinz des alten obotritischen Reiches, erzwungen hatte?
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Und diese sich so natürlich darbietende Vermuthung scheint durch die Stellung Niclots in der folgenden Zeit vollkommen bestätigt zu werden.
Der Herzog Lothar war bald nach seiner Rückkehr von dem fruchtlosen Heereszuge über die Elbe am 24. Aug. 1125 durch die Wahl der Fürsten zum Oberhaupte des Reiches erhoben, und die Sorgen dieser neuen, schwierigen Stellung, welche ihn namentlich sofort in eine schwere Fehde mit dem Hohenstaufen Friedrich, Herzog von Schwaben, verwickelte, ließen ihn nicht daran denken, die Unruhen im Wendenlande durch bewaffnetes Einschreiten zu unterdrücken. Gleichwohl war der Zustand der Dinge ohne Zweifel höchst bedenklich, da durch die Wiederherstellung des wendischen Reiches unter einem einheimischen heidnischen Fürsten offenbar selbst die sächsischen Provinzen nördlich von der Elbe auf's Neue bedroht waren. Da trat Knud Laward, Herzog von Schleswig, ein Vetter Heinrichs des Obotriten von mütterlicher Seite, neben Pribislav und Niclot als dritter Bewerber um die obotritische Königskrone auf, die ihm Heinrich selbst, mit Uebergehung der eigenen Söhne, zugesichert haben soll, und suchte die Anerkennung des ihm befreundeten Königs nach. Gegen reiche Geldgeschenke erreichte er, was er in diesem Augenblicke wahrscheinlich auch ohne dieselben erreicht haben würde: Lothar setzte ihm selbst die Krone aufs Haupt, und Knud empfing das Reich als Lehn des Königs 1 ).
Nach seiner Rückkehr aus Deutschland machte denn Knud auch sofort Anstalt, sein neues Königreich in Besitz zu nehmen, wobei ihm die Holsteiner, deren Graf Hartung, Adolphs Sohn, grade damals mit Lothar in Böhmen war, bereitwillig halfen. Von dem befestigten Alberg in Wagrien aus beherrschte er bald die umliegende Gegend, und drang dann, alles vor sich niederwerfend, was Widerstand leistete, weiter in das Gebiet der Obotriten vor, wobei seine beiden Gegner, Niclot und Pribislav, das Unglück hatten, in Gefangenschaft zu gerathen. Dieses gemeinschaftliche Schicksal hat bei den Neuern die Meinung erzeugt, als ob diese Fürsten dem Knud als Bundesgenossen gegenüber gestanden hätten; davon aber sagt Helmold kein Wort, und nach
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Lage der Sache ist vielmehr wahrscheinlich, daß grade der fortdauernde innere Zwiespalt im Wendenlande den Sieg des gemeinschaftlichen Gegners erleichtert haben wird. Sie wurden in Ketten nach Schleswig abgeführt, wo sie wahrscheinlich bis Knuds Tod im Kerker schmachteten; wenigstens gelangten sie nicht früher wieder zu dem Besitz ihrer Herrschaft. Wie weit Knud seinen Sieg verfolgt und die Grenzen seines Reiches ausgedehnt hat, wissen wir nicht; die gelegentliche Aeußerung des Saxo grammaticus, daß derselbe ein Freund des Fürsten Wartislav von Pommern gewesen sei, läßt indeß allerdings vermuthen, daß auch die Kissiner und Circipaner bis zur Reknitz, Trebel und Pene seine Herrschaft anerkennen mußten. Weiter aber ging diese auch sicherlich nicht, und namentlich wußten sich die Rügen auch jetzt die alte Unabhängigkeit unter dem einheimischen Fürstengeschlechte zu bewahren 1 ).
Auch Knuds Reich war nur von kurzer Dauer. Er fiel am 8. Jan. 1131 von der Mörderhand seines Vetters Magnus, Sohnes des Königs Niels, wodurch endlich der Kerker unserer Wendenfürsten geöffnet ward. Auf die Nachricht von Knuds Ermordung unternahm nämlich Lothar noch in demselben Jahre eine Heerfahrt nach Dänemark, um den Tod seines Vasallen und Freundes zu rächen und das Ansehen des Reiches zu erhalten. Magnus rückte ihm mit einem mächtigen Heere entgegen und scheint zugleich die gefangenen Wendenfürsten in ihre Heimath entlassen zu haben, um seinen Feind zugleich im Rücken zu beunruhigen. Hiedurch ward Lothar gezwungen, den Frieden zu bewilligen. Magnus büßte den Mord des Knud durch große Geldsummen und ward dagegen vom Kaiser mit dem erledigten Obotriten=Reiche belehnt. Hierauf wandte sich Lothar gegen die empörten Wenden, welche, leicht besiegt, das Abkommen mit Dänemark anerkennen mußten. Das Land ward zwischen Niclot und Pribislav getheilt, so daß ersterer das alte Gebiet der Obotriten und Kissiner, dieser Wagrien und Polabien erhielt. Beide aber mußten Bürgschaft ihrer Treue stellen und die Verwaltung ihrer Provinzen als dänische Statthalter geloben. So wenigstens scheint sich der Zusammenhang der Dinge aus der Vergleichung der verschiedenen dänischen und deutschen Berichte herauszustellen 2 ).
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Magnus konnte indeß bei den unaufhörlichen innern Unruhen Dänemarks nicht daran denken, seine Oberherrschaft über das Wendenland geltend zu machen, und nach seinem und seines Vaters, des Königs Niels, fast gleichzeitigem Tode, 1135, entbrannte ein neuer Bürgerkrieg, welcher Dänemark an den Rand des Verderbens führte. Indeß scheint die Furcht vor den Sachsen und dem Schwerte des mächtigen Kaisers, welcher um diese Zeit mehrmals persönlich in Nordalbingien erschien und zur Unterdrückung des Heidenthums selbst in den slavischen Ländern sehr bedenkliche Anstalten traf 1 ), so wie die drohende Stellung Boleslavs von Polen an der untern Oder, die wendischen Fürsten noch eine Zeit lang zur Einigkeit gezwungen zu haben. Kaum aber war der Kaiser am 3. Decbr. 1137 und in dem Jahre darauf auch der Herzog von Polen gestorben, als der alte Groll aufs Neue in offenem Kampfe ausbrach und nur mit Pribislavs völliger Vernichtung endete.
Im Sommer 1138 erschien zum dritten Male eine rügische Flotte unter Anführung des Fürsten Race , welcher ausdrücklich ein Nachkomme Krutos genannt wird, um den Pribislav, den Erbfeind seines Geschlechtes, in dessen Hauptstadt Lübeck aufzusuchen 2 ). Die Stadt ward in Abwesenheit des Pribislav von Grund aus zerstört und die Umgegend weit und breit verwüstet. Niclot dagegen, der nächste Nachbar der Rügen, ward in keiner Weise beunruhigt, sondern scheint den Ueberfall Lübecks vielmehr direct unterstützt zu haben. Helmold erwähnt zwar seines Verhaltens überall nicht, aber wie bei den frühern, ähnlichen Ereignissen läßt er auch hier den weitern Verlauf der Dinge überhaupt nur errathen, denn auch Races weiteres Schicksal und der Erfolg seines Sieges wird mit völligem Schweigen übergangen. Der fromme Pfarrherr läßt den vom Teufel besessenen Heiden mit Abscheu auf den Trümmern Lübecks zurück
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und wendet sich mit den fliehenden Priestern zu den geheiligten Mauern Neumünsters; als er sich aber endlich der Vorgänge außerhalb der Klostermauern wieder erinnert, da ist Race und mit ihm zugleich Pribislav völlig verschwunden. Aber die entfesselten Wenden durchstreifen verwüstend das Land im offnen Kriege mit den Sachsen, welche auch unter sich zerfallen um die holsteinsche Grafenwürde streiten, dennoch aber noch im Winter 1138 - 39 ganz Wagrien erobern und selbst Polabien als sächsische Provinz behandeln. Kein Wort verräth uns, wer die Wenden in diesem unglücklichen Kampfe geführt und wie weit sich diese Bewegung erstreckt habe; als aber im folgenden Jahre endlich der Friede unter den streitenden Grafen, Adolph II. von Schauenburg und Heinrich Badewide, hergestellt war, da wurden sofort auch mit Niclot, dem Fürsten der Obotriten, Verhandlungen eingeleitet. Mit seiner Genehmigung wurden Wagrien und Polabien theils zu Holstein geschlagen, theils zu einer abgesonderten Grafschaft erhoben und das verödete Land mit deutschen Colonisten bevölkert, die Ueberreste der Slaven aber auf das Gebiet von Aldenburg und Lütkenburg beschränkt, wo sie forthin, zwar unter sächsischer Oberherrschaft, aber doch mit einem einheimischen heidnischen Fürsten erscheinen, und dieser Fürst war Rochil, gleich Race ein Nachkomme Krutos, ohne Zweifel Races Sohn 1 ).
Dieser Ausgang läßt die Stellung Niclots zu den Rügen und dem dort herrschenden Fürstengeschlechte deutlich genug erkennen. Auch in den folgenden Zeiten findet sich keine Spur, daß die letztern ihre Ansprüche auch auf die unter Niclot stehenden obotritischen Provinzen ausgedehnt hätten, vielmehr ist der fast hundertjährige Kampf der beiden Dynastien mit Pribislavs Fall plötzlich erloschen und fortan herrscht zwischen allen slavischen Stämmen längs der ganzen Küste von Rügen bis zur sächsischen Grenze das vollkommenste Einverständniß. Diese Einigkeit bewährt sich namentlich auf das glänzendste bei Gelegenheit des furchtbaren Kreuzzuges, welcher im Jahre 1148 die Freiheit des Wendenlandes, ja selbst die Existenz des Volkes auf immer zu vernichten drohte. Der Hauptstoß des mächtigen deutschen Heeres, mit welchem der junge Löwe, Herzog Heinrich von Sachsen,
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nebst den übrigen Fürsten aus dem Norden und Süden Deutschlands zum ersten Male den slavischen Boden betrat, war gegen unsern Niclot gerichtet, welcher bei dieser Gelegenheit die ganze Stärke seines heldenmüthigen Geistes entwickelte. Aber die feindliche Uebermacht war allzubedeutend, und schon sah Niclot, durch das Kreuzheer in seiner Feste Dobbin eingeschlossen und zugleich durch die dänische Flotte vom Meere abgeschnitten, seinem unvermeidlichen Untergange entgegen, da erschien wiederum die wohlbekannte rügische Flotte, aber dies Mal nicht in eroberungssüchtiger Absicht, sondern zum Entsatze des bedrängten Bundesgenossen. Während die dänischen Schiffe im Hafen von Wismar überfallen wurden, machte auch Niclot einen glücklichen Ausfall und erzwang so durch die kräftige Hülfe des befreundeten Inselfürsten einen günstigen Frieden 1 ).
Nicht minder bereitwillig zu schleuniger, erfolgreicher Hülfe zeigte sich der rügische Fürst bei der zweiten Heimsuchung des Wendenlandes durch das vereinigte sächsische und dänische Heer unter Herzog Heinrich und König Waldemar im J. 1161. Niclot hatte seine Burgen Schwerin, Meklenburg, Ilow und Dobbin den Flammen preisgegeben und sich hinter die schützende Warnow in die kissinischen und circipanischen, mit großen Wäldern bedeckten Landschaften zurückgezogen und unternahm von der festen Burg Werle aus glückliche Streifzüge gegen das sächsische Lager bei Meklenburg. Auf einem dieser Züge ließ sich der greise Held durch seinen Kriegsmuth zu weit fortreißen und fiel in einen sächsischen Hinterhalt, wo er nach tapferer Gegenwehr einen rühmlichen Tod fand. Hierauf gaben seine Söhne Pribislav und Wartislav auch Werle auf, brachten ihre Familien zur See in Sicherheit, ohne Zweifel nach Rügen und zogen sich tiefer in die Wälder zurück. Inzwischen war die dänische Flotte, welche bisher bei Pöl im Hafen von Wismar gelegen hatte, weiter nach Osten in die Mündung des Gudakra gesegelt, um die feste Stellung der Wenden im Rücken zu bedrohen, während das sächsische Heer gleichzeitig gegen die Warnow vorrückte. Schon hatten sich beide Heere bei Rostock vereinigt, da ward den bedrängten Wenden nochmals durch eine rügische Flotte Rettung gebracht. Waldemar, die Gefahr erkennend, in dem Hafen von Gudakra abgesperrt zu werden, zog seine Landungstruppen eilig zurück und segelte der feindlichen, in der Mündung des Swölder versammelten Flotte entgegen. Herzog Heinrich, plötzlich von seinem Bundesgenossen verlassen, sah sich nochmals zum
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Frieden genöthigt, durch welchen dem jungen Wendenfürsten wenigstens das Gebiet rechts von der Warnow gerettet ward 1 ).
Aus diesen Vorgängen erfahren wir zugleich mit Sicherheit, daß die Herrschaft Niclots damals, außer dem eigentlichen Obotritien, auch das ganze Gebiet der Kissiner und Circipaner umfaßte, und ein anderes Ereigniß, welches ins Jahr 1151 fällt, beweiset, daß dies auch schon in früheren Zeiten der Fall war.
In dem dobbiner Frieden hatte Niclot nämlich außer der Annahme des Christenthums für sich und sein Volk ohne Zweifel zugleich die Wiederentrichtung des herkömmlichen Tributes, der sogenannten Herzogssteuer (woywodnizha), geloben müssen. Die erste Bedingung war nach dem Abzuge des feindlichen Heeres leicht vergessen, von der zweiten aber war nicht so leicht abzukommen. Dadurch aber ward seine Stellung zu dem eigenen Volke, welches diese drückende Steuer unter den alten Königen von je her nur mit dem größten Widerwillen gezahlt hatte, gefährdet. In dem gedachten Jahre brach die Unzufriedenheit in offene Widersetzlichkeit aus, indem namentlich die Kissiner und Circipaner die Entrichtung der Steuer entschieden verweigerten. In dieser Verlegenheit wandte sich Niclot, das Ausbleiben des Tributes entschuldigend, nach Lüneburg, wo er gerade zu der Zeit ankam, als Herzog Heinrich zur Wiedereroberung des ihm vom Kaiser vorenthaltenen Herzogthums Baiern eine Heerfahrt nach dem südlichen Deutschland unternommen hatte 2 ). Die Herzogin vermochte indeß den Grafen Adolph von Holstein, sofort mit einem Heere aufzubrechen, um den Aufstand zu unter=
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drücken, was ihm im Vereine mit Niclot leicht gelang. Die kissinischen und circipanischen Gaue wurden ohne Widerstand verwüstend durchzogen, gelegentlich, gewiß nicht auf Niclots Wunsch, ein berühmter Tempel zerstört und die verweigerte Steuer mit Wucher eingetrieben. Uebrigens erwähnt Helmold später einer Gefangenhaltung Niclots in Lüneburg, aus welcher derselbe erst durch die kriegerische Unternehmung seiner Söhne befreiet ward 1 ). Wäre die Vermuthung begründet, daß dies bei dieser Gelegenheit geschah 2 ), so würde dadurch um so sicherer bewiesen, daß der Aufstand nicht gegen den eigenen Fürsten gerichtet war, sondern gegen die fremde Zinsbarkeit.
Jedenfalls ergiebt sich hieraus mit voller Gewißheit, was für den Fortgang unserer Untersuchung von höchster Wichtigkeit ist, übrigens auch von niemandem bezweifelt wird, daß die erwähnten Landschaften am rechten Ufer der Warnow nicht etwa erst jetzt unter Niclots Herrschaft geriethen, sondern von Anfang an zu derselben gehörten. Bei den freundschaftlichen Verhältnissen unsers Fürsten zu seinen slavischen Nachbaren ist auch jeder Gedanke an eine gewaltsame Erweiterung seiner Grenzen gegen Osten, namentlich nach dem Jahre 1148, von vorne herein zu verwerfen, vielmehr geht aus Allem hervor, daß die großen circipanischen Moore an den Ufern der Reknitz und Trebel, welche seit alten Zeiten die von der Natur selbst gebildete Scheide zwischen den 4 verbündeten luitizischen Stämmen und den Rügen gebildet hatten, auch jetzt von beiden Seiten als Grenze anerkannt wurden, und daß namentlich die Rügen seit dem ersten Auftreten Niclots eine Ausdehnung ihrer Herrschaft über diese Gränze hinaus nicht in Anspruch genommen haben. Daher durfte jener es wagen, sich in dem letzten entscheidenden Kampfe mit Aufgabe der gesammten altobotritischen Länder hinter die Warnow zurückzuziehen, und als seine Söhne, Pribislav und Wartislav, mit ihrem alten Oheim Lubimar, Niclots Bruder, welcher hier (1163) zum ersten und zugleich zum letzten Male genannt wird 3 ), eine Zeit lang ausschließlich auf dieses Gebiet beschränkt waren, ward von slavischer Seite nicht nur kein Widerspruch dagegen erhoben, sondern sowohl Pommern, als Rügen unterstützten die jungen Fürsten nachdrücklich in der Behauptung dieses Besitzes.
Bei Ueberblickung dieser weitläuftigen Erbfolgestreitigkeiten in dem obotritischen Reiche nach Gottschalks Ermordung, deren
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inniger Zusammenhang bisher stets verkannt worden ist, wird man unsern Niclot wohl schwerlich noch für einen bloßen reichen Gutsbesitzer oder obotritischen Edelmann halten wollen, welcher, das Geschick des alten Königshauses benutzend, die Herrschaft an sich zu reißen gewußt hätte. Eben so wenig aber kann er diesem Hause selbst angehört haben, vielmehr ist man zu der Annahme gezwungen, daß er, gleich den Fürsten von Rügen und wahrscheinlich auch den pommerschen Herzogen, dem gleich edlen und berühmten Geschlechte des mächtigen Königs Kruto enstamme. Auf diese hohe Abkunft deutet denn auch Prizlav, Niclots Sohn, sichtlich hin, wenn er sich rühmt: er sei aus einem Geschlechte entsprossen, woran sich kein Slave jemals zu vergreifen wagen werde 1 ). Von einer solchen Heiligkeit und Unverletzlichkeit gerade des rügischen Fürstenhauses selbst bei den Feinden sind uns wirklich mehrere Beispiele aufbewahrt, wogegen sogar obotritische Könige mehr als ein Mal durch die Hand eines Volksgenossen fielen. So hebt Helmold hervor, daß zur Ermordung des greisen Kruto ein dänischer Sclave gedungen werden mußte, und Saxo erzählt von dem Fürsten Jaromar, daß derselbe einst in der Schlacht einen feindlichen Pommern erschossen, worauf dessen Gefährte zwar sofort auf ihn selbst angelegt, sobald er aber den Fürsten erkannt, von Schrecken ergriffen, das Geschoß weggeworfen habe 2 ). Wenn aber Prizlav sich dieses Geschlechtes rühmt, so war das keine eitle Prahlerei, denn er sprach das stolze Wort dem berühmten kriegerischen Bischof Axel (Absalon) gegenüber, welchem seine Verhältnisse genau bekannt waren, und den er deshalb nicht zu täuschen hoffen konnte. Auch hatte König Waldemar selbst die Ebenbürtigkeit dieses Prinzen schon früher anerkannt, indem er ihm die eigene Schwester zur Gemahlin gab, und als dieser demnächst, dem christlichen Glauben gewonnen, dafür aber von dem heidnischen Vater verfolgt, als Flüchtling nach Dänemark kam, den Besitz mehrerer dänischer Inseln einräumte 3 ).
Wenn man sich aber andererseits auf die Worte Helmolds beruft, welcher dem Niclot bei seinem ersten Auftreten den fürstlichen Titel verweigere und ihn einfach als einen Großen des obotritischen Reiches bezeichne, so ist schon von Jargow und später von Rudloff in den oben angeführten Streitschriften nachgewiesen, daß der gebrauchte Ausdruck (major terrae) sehr häufig von
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Personen fürstlichen Geschlechtes, und geradezu als gleichbedeutend mit "Fürst" (princeps), kaum aber jemals von dem gewöhnlichen Adel gebraucht wird. Auch scheint die Stellung der Worte darauf hinzudeuten, daß Niclot im obotritischen Reiche nicht mehrere gleichen Ranges neben sich hatte 1 ), und andererseits konnte Helmold sehr guten Grund haben, ihn damals noch nicht König oder Fürst zu nennen. Sein Vater lebte noch, wie wir später sehen werden, und Niclot war also nicht eigentlicher regierender Landesherr, sondern scheint das obotritische Reich, wie dies bei den slavischen Fürsten öfter vorkommt, Namens des Vaters verwaltet zu haben. Ich will gerade nicht behaupten, daß Helmold wirklich so fein unterschieden habe, will man aber den Ausdruck pressen, so ist auch diese Erklärung immerhin möglich. Seine sogenannte wendische Chronik ist im wesentlichen nur eine Geschichte der Ausbreitung des Christenthums unter den Slaven, weshalb er über die politischen Ereignisse und Zustände immer nur mittheilt, was zu seinem nächsten Zwecke gerade nöthig war. Gleichwohl ist er sichtlich mit den Verhältnissen der wendischen Fürsten sehr genau vertraut, so daß allerdings häufig auf ein gelegentlich hingeworfenes Wort und die Wahl des Ausdrucks Gewicht zu legen ist.
Wichtiger ist aber, daß die Nachkommen Niclots das Gedächtniß ihrer Verwandtschaft mit den Fürsten von Rügen, so wie mit den Herzogen von Pommern stets bewahrt haben, und umgekehrt. Dieser Umstand ist auch schon früher nicht unbemerkt geblieben, man erklärte denselben aber aus der, freilich ohne Beweis, vorausgesetzten Verwandtschaft jener Fürsten mit dem alten obotritischen Königshause, und fand darin somit einen neuen Beweis, daß auch Niclot aus diesem Geschlechte stamme. Seit indeß diese Annahme aufgegeben werden mußte, darf ich mich mit größerem Rechte auf jene Beobachtung berufen, um meine Behauptung zu stützen. Hieher gehört namentlich eine Urkunde des Fürsten Witzlav II. von Rügen vom Jahre 1293, in welcher er Herrn Nicolaus von Werle seinen Blutsverwandten nennt und zugleich dessen Consenses zu der betreffenden Verfügung über einen Theil seines Gebietes gedenkt. 2 ) Ferner das Testament eben dieses Fürsten vom Jahre 1302, in welchem er neben seinen Vettern aus einer Nebenlinie des fürstlichen Hauses, Herrn
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Tece (Tetzlav) von Putbus und Johannes von Gristow, auch Herrn Heinrich von Meklenburg mit demselben Ausdrucke als seinen Blutsfreund bezeichnet 1 ). Solche Ausdrücke sind nun an sich freilich nicht entscheidend, da der Gebrauch derselben schwankend ist und auch bloße Seitenverwandte durch die weibliche Linie (cognati im Sinne des römischen Rechtes) damit bezeichnet werden; allein eine solche Verschwägerung unserer Fürsten mit dem Hause Rügen im 13. Jahrhundert ist wenigstens bis jetzt nicht nachgewiesen, und die angedeuteten besonderen Umstände, unter welchen die gedachten Ausdrücke in unsern Urkunden in Bezug beider Linien unseres Fürstenhauses zu Meklenburg und Werle gebraucht werden, machen dieselben jedenfalls beachtenswerth.
Hiezu kommt endlich noch das ältere Wappen unserer Fürsten. Von Niclot und seinen Söhnen sind uns leider keine Siegel aufbewahrt. Sein Enkel Borwin I. und dessen gleichnamiger Sohn dagegen führten das bekannte ostwendische Feldzeichen, den Greifen, in ihrem Siegel, welcher bekanntlich auch das Wappen der Herzoge von Pommern bildete. Die Fürsten von Rügen führten dagegen späterhin allerdings nicht diesen Greifen, sondern einen halben über die Mauerzinne hervorragenden Löwen im Wappen. Dieser Löwe hat aber in dem Siegel Witzlavs I., dem ältesten, welches uns überhaupt von einem rügischen Fürsten erhalten ist, eine eigenthümliche Bildung, namentlich eine deutliche dreikrallige Vogelklaue, so daß seine ursprüngliche Identität mit dem pommerschen Greifen nicht zweifelhaft scheint. Der Stierkopf, das jetzige meklenburgische Wappen, begegnet uns zum ersten Male nach der Theilung des Landes unter Borwins I. Söhnen in dem Siegel des Nicolaus, welchem bei dieser Theilung die westlichen, altobotritischen Gaue zugefallen waren, während sein Bruder Borwin II. auch jetzt den alten Greif beibehielt. Eben dieses Siegels bediente sich dann auch die Vormundschaft der Söhne des Letzteren während der gemeinsamen Verwaltung des Landes, wogegen nach vorgenommener Auseinandersetzung der Brüder auch der Stierkopf wieder hervortritt, und zwar auch dieses Mal zunächst in dem westlichen Antheile der Brüder Johann und Pribislav von Meklenburg und Warnow (Parchim), welchen später auch Nicolaus von Werle (Güstrow) folgte, während Borwin von Rostock auch jetzt den Greifen beibehielt, welcher daher noch heute für die Herrschaft Rostock in dem großherzoglichen Wappen erscheint.
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Hiernach kann man kaum zweifeln, daß der Stierkopf, welcher auch in wagrischen Städtesiegeln vorkommt, das alte obotritische Feldzeichen war, wie der Greif das der östlichern Wenden, Liutizen und Rügen, und ihres Fürstengeschlechtes. Durch Annahme dieses Wappens bekannten sich daher auch unsere Fürsten zu diesem letztern Geschlechte, bis sich späterhin das alte obotritische Landeswappen, - wenn der Ausdruck erlaubt ist, - d. h. das Feldzeichen der ausgestorbenen Dynastie, wieder geltend machte, und das Geschlechtswappen des neuen Fürstenhauses verdrängte 1 ).
Mit allen diesen aus den bisher zugänglichen Quellen entlehnten Gründen kommen wir indeß über eine, wenn auch noch so wahrscheinliche Vermuthung nicht hinaus. Zur sichern historischen Wahrheit aber wird diese Vermuthung durch das Zeugniß der nordischen Sage.
Unter den isländischen Sagas ist die Knytlinga eine der wichtigsten. Sie enthält eine kurze Geschichte der dänischen Könige von Harald Gormson bis zum Jahre 1186, welches also genau die 6 letzten Bücher der berühmten Geschichte Dänemarks von Saxo Grammaticus umfaßt. Der Verfasser führt aber einzelne Genealogien bis zum Ende des 13. Jahrhunderts hinab und ist also jünger als Saxo, welcher zur Zeit Waldemars II. lebte, und sein 1186 begonnenes Werk um 1208 vollendete. Der Verfasser der Knytlinga hat aber den Saxo augenscheinlich nicht gekannt, wie die zum Theil sehr bedeutenden Widersprüche zwischen beiden beweisen. Wenn daher gleichwohl beide an andern Stellen fast wörtlich übereinstimmen, so erklärt sich das aus der Benutzung derselben Quellen, unter welchen für die ältere Zeit beide die isländischen Sagas und Gesänge der Skalden namhaft machen. Für die jüngeren Zeiten dagegen benutzte Saxo die mündlichen Berichte des Bischofs Absalon, dessen Schreiber er war, und welcher etwa von der Mitte des 12. Jahrhunderts an als Augenzeuge berichten konnte, die Arbeit des Saxo aber nicht mehr selbst gekannt hat. Der Isländer dagegen bezieht sich für diese Zeit gleichfalls auf mündliche Ueberlieferungen und Berichte von Augenzeugen, außerdem aber auf dänische Geschichtsbücher, worunter namentlich der kurze Abriß einer dänischen Geschichte von dem Jüten Suein Akason zu verstehen sein wird. Unter diesen Umständen ist keinem dieser beiden Geschichtswerke ein undedingter Vorzug einzuräumen, vielmehr ist die Knytlinga allgemein als eine wichtige Quelle für die Geschichte Dänemarks anerkannt, nicht bloß zur Ergänzung Saxos, sondern in einzelnen
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Fällen selbst zu seiner Berichtigung. Im Allgemeinen läßt sich über das Verhältniß beider nur sagen, daß Saxos historische Kenntniß weiter reichte, als die des Isländers, welcher seine Unkunde der Verhältnisse im Innern Europas oft sehr auffallend verräth, mit den ihm räumlich näher liegenden Verhältnissen dagegen völlig vertraut erscheint. Vorzugsweise aber verdienen seine genealogischen Nachrichten, auf welche er gleich allen Isländern den höchsten Werth legt und welche in mehr als einem Falle überraschende Bestätigung erhalten haben, die sorgfältigste Beachtung.
Nach dem Berichte dieser Saga war nun König Niels Sohn, Magnus, mit der Tochter des wendischen Königs Burislaf, Namens Rikissa, vermählt (Magnus Nikolausson æ gtede Rikissa, en Datter af den vendiske Kong Burislaf; deres Sønner vare Knud og Nicolaus), aus welcher Ehe zwei Söhne, Knud und Nicolaus, stammten 1 ). Zu der Zeit war Knud Laward, Sohn Erichs des Guten, Herzog von Schleswig, welcher am 7. Januar 1131 durch Magnus ermordet ward (c. 92), worauf dessen Bruder, Erich Emun, gegen den Mörder und dessen Vater die Waffen ergriff, in welchem Kampfe beide, Nicolaus und Magnus, 4 Jahre nach Knuds Ermordung (1135) den Tod fanden (c. 97 u. 98). Wieder 4 Jahre später (1139) ward auch Erich Emund ermordet, worauf vier junge Prinzen, alle noch dem Knabenalter nahe, als Thronbewerber auftraten, nämlich Knud, ein Sohn Magnus des Starken und der Rikissa, des wendischen Königs Burislaf Tochter, (Magnus den Stærke Nikolaussøn havde en Søn, som hed Knud, hvis Moder var Rikissa,den vendiske Kong Burislafs Datter), Svend, Erich Emunds Sohn, Olaf, Harald Kesias Sohn, und Waldemar, Knud Haralds Sohn. Die Wahl fiel auf den letztern, Waldemar; da dieser jedoch erst 8 Jahre alt war (er ward erst nach dem Tode des Vaters geboren), so ward Erich Lam während seiner Minderjährigkeit zum Reichsverweser ernannt (c. 104). Olaf suchte zwar mit Gewalt das Reich an sich zu reißen, fiel aber nach vierjährigem Kampfe in der Schlacht (1143), und Erich behauptete sich als König. Nach einer Regierung von 8 Jahren trat er jedoch freiwillig zurück und ging in ein Kloster (1147), worauf Svend, Erich Emunds Sohn, in Schonen, und Knud, Magnus Sohn, in Jütland zu Königen ausgerufen wurden, Waldemar aber, erst 17 Jahre alt, zum Herzoge von Schleswig ernannt ward (c. 106 u. 107).
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Nun beginnt ein vieljähriger blutiger Kampf zwischen Svend und Knud, welcher nur auf kurze Zeit durch einen gemeinschaftlichen Kreuzzug gegen die Heiden unterbrochen wird. Auf Ermahnung des Papstes gehen beide Könige in See, landen im Hafen von Wismar und belagern nach ihrer Vereinigung mit einem deutschen Heere die Festung Dubbin, entzweien sich jedoch bald wieder und segeln nach Dänemark zurück (der bekannte wendische Kreuzzug von 1148). Hier setzen sie den Thronstreit fort, in welchem Waldemar anfangs auf Seiten des Svend steht und mit diesen vereinigt bei Thorsteinstorp auf Seeland einen wichtigen Sieg über Knud erficht. Dieser flieht nach Fühnen, Svend dagegen bleibt den Winter über ruhig auf Seeland. Im nächsten Frühjahr zieht er mit einem neuen Heere nach Jütland. Bei Viborg kommt es zum zweiten Male zur Schlacht, in welcher Svend und Waldemar wiederum Sieger bleiben, und Knud flieht nach Aalborg, von dort nach Kongehella in Norwegen und weiter nach Liudhus. In Gothland trifft er seinen Stiefvater, König Sørkver Kolsøn, welcher mit seiner Mutter Rikissa vermählt war (J Gotland traf han sin Stedfader Sørkver Kolsøn, som da var gift med hans Moder Rikissa), und bittet ihn um Hülfe. Dieser erbietet sich, ihm gegen Abtretung seiner Rechte auf den dänischen Thron eine Landschaft in Schweden einzuräumen, allein Knud verwirft dieses Anerbieten und wendet sich ostwärts nach Garderige (Rußland). Von dort zurückgekehrt, segelt er südlich nach Rostock zu seinen Mutterbrüdern, welche ihm jedoch den Aufenthalt daselbst versagen, aus Furcht, daß er ihr Reich an sich reißen wolle (Derpaa drog Kong Knud øster til Garderige, og derfra igjen; han begav sig da syd til Rostok til sine Morbrødre, men de vilde ikke tillade, at han maatte være der, da de frygtede for, at han vilde fratage dem deres Rige). Knud zieht daher weiter nach Bremen zum Erzbischofe Hartwig und in dessen Begleitung zum Herzoge Heinrich nach Braunschweig, sammelt ein deutsches Heer, mit welchem er in Jütland einfällt, wird aber geschlagen und flieht nach Sachsen zurück. Bald darauf gelingt es ihm zwar, in Friesland einen Aufruhr zu erregen, doch auch dieser wird bald gedämpft, und Knud ist nochmals zur Flucht nach Sachsen zum Herzoge Heinrich in Braunschweig gezwungen (c. 108).
Inzwischen war Kaiser Konrad gestorben und Friedrich war Kaiser. Dieser entbietet beide Gegenkönige zu sich (auf den Reichstag zu Merseburg, Pfingsten 1152), wo er unter Mitwirkung des Herzogs Heinrich und Waldemars einen Vergleich zu Stande bringt, nach welchem Svend zwar König bleiben, seinem Gegner jedoch Seeland abtreten sollte. Nach der Rück=
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kehr beider Könige nach Dänemark verweigerte Svend zwar die Erfüllung des Vergleiches, läßt sich jedoch endlich durch Waldemars Vermittelung wirklich zur Abtretung verschiedener Besitzungen in Jütland, Seeland und Schonen bewegen. Hierauf söhnen sich Knud und Waldemar völlig aus und letzterer vermählt sich mit einer Halbschwester Knuds von mütterlicher Seite, Sophie, einer Tochter des Königs Valadar in Polen (Derefter giftede Kong Knud sin Halfsøster paa mødrene side, Sophie, til Valdemar; hun var en Datter af Kong Valadar af Polineland), nachdem ihr der Bruder den dritten Theil aller seiner Besitzungen als Aussteuer abgetreten hat (c. 109). Den Winter darauf unternimmt König Svend einen Heereszug gegen Schweden, woran Knud und Waldemar aber keinen Theil nehmen, weil König Sørkver mit König Knuds und Sophiens Mutter Rikissa vermählt war (fordi Kong Sørkver var gift med Kong Knuds og Sophies Moder Rikissa.) (c. 110). Svend ward daher sehr mißvergnügt über die Verbindung Waldemars mit ihrem alten Gegner und erneuert zwei Jahre nach Abschluß des Vergleiches den Streit, diesmal jedoch ohne Glück. Wie früher Knud, wird er selber jetzt gezwungen, das Reich zu verlassen und flieht nach Landsberg zum Markgrafen Konrad, welchem er verschwägert war und bei dem er sich 3 Monate aufhält. Unterdeß läßt sich Waldemar statt seiner zum Könige ausrufen. Bald darauf macht Svend mit Hülfe des Herzogs Heinrich von Sachsen einen Einfall in Dänemark, während Knud sich grade in Schweden befand, um seine Braut, König Sörkvers Tochter aus einer frühern Ehe, heimzuholen. Waldemar bleibt jedoch Sieger, und Svend entflieht mit dem Herzoge nach Sachsen. Den nächsten Winter geht er nach dem Wendenlande und setzt mit wendischen Schiffen nach Fühnen über. Neues Zusammentreffen mit Knud und Waldemar; Svend bittet um Frieden; neuer Vergleich und Theilung des Reiches unter die drei Könige. (c. 111 u. 112.)
Bald jedoch spinnt Svend neuen Verrath und beschließt beide Gegner auf einem Gastmahle zu ermorden, auf welchem Knud wirklich den Tod findet. Waldemar jedoch entkommt glücklich, und nun beginnt der letzte Entscheidungskampf, in welchem Svend in der berühmten Schlacht auf der Grahede fällt, neun Jahre nach Erich Lams Tode, ein Jahr nach Knuds Ermordung (c. 113 - 119).
König Knud, Rikissas Sohn, scheint ohne Kinder gestorben zu sein, und seines Bruders Nicolaus wird nach der ersten Erwähnung bei Gelegenheit der Vermählung seiner Mutter überall nicht wieder gedacht. Waldemar dagegen hinterließ aus seiner Ehe mit Sophie, Knuds Halbschwester, zwei Söhne, Knud und
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Waldemar, welche ihrem Vater nacheinander in der Regierung folgten, und drei Töchter, Engelborg, Rikissa und eine dritte ungenannte (c. 127).
Bis hieher glaubte ich den merkwürdigen Bericht der Saga im Zusammenhange mittheilen zu müssen, um dem Leser ein Urtheil zu gestatten. Prüfen wir nun den Gewinn für unsere Untersuchung. Eine völlig neue Erscheinung ist zuvörderst der König Burislav, Vater der Rikissa, der Gemahlin dreier Könige und Ahnfrau einer Reihe nordischer Herrscher. Die Saga nennt ihn einen König der Wenden und bestimmt damit die Lage seines Reiches, auch ohne es zu nennen, deutlich genug. Wendenland (Vindland) ist nach dem isländischen Sprachgebrauche die südliche, den dänischen Inseln gegenüberliegende Küste der Ostsee, wovon die übrigen Slavenländer, namentlich Polen (Polineland), überall und gerade auch in dem hier vorliegenden Berichte der Knytlinga, streng unterschieden werden. Daß aber die letztere den Burislav im Gegensatze zu dem Könige Valadar von Polineland, im vollen Bewußtsein jenes Sprachgebrauches, einen König von Windland nennt, darüber muß jeder Zweifel schwinden durch die Vergleichung der andern Stelle, wo Rostock als der Sitz seiner Söhne bezeichnet wird. An dieser Küste nun bestand zu der Zeit des Königs Niels neben Obotritien und Pommern kein drittes wendisches Reich, als Rügen, dessen um diese Zeit oft gedachter König dem Namen nach bisher völlig unbekannt war, während Knud Lavard als König der Obotriten und die Pommern=Herzoge Wartislav und Ratibor historisch völlig gesichert sind.
So ist Burislav nach der Darstellung der Knytlinga kein anderer, als dieser unbekannte Inselkönig, derselbe, welcher, 1093 nach Krutos Ermordung zum Gegenkönige Heinrichs des Obotriten erwählt, sich nach der unglücklichen Schlacht auf der smilower Haide auf seine heimathliche Insel zurückzog und von hier aus den Kampf gegen Heinrich und sein Geschlecht fortsetzte; derselbe, welcher 1111 eine zweite Niederlage vor Lübeck erlitt, 1112 über Heinrichs Sohn Waldemar siegte, in den folgenden Jahren dem mächtigen wendisch=sächsischen Heere auf der Insel Rügen gegenüberstand und seinen Bruder dem Herzoge Lothar als Geißel stellen mußte; derselbe endlich, welcher 1126 Lübeck erstürmte und an des vertriebenen Suentipolks Stelle zum zweiten Male als König der Obotriten anerkannt ward.
Dieser Burislav, Krutos Sohn, hatte nun nach dem weiteren Berichte der Saga außer jener Tochter Rikissa, der Mutter König Knuds, auch mehrere Söhne, Brüder der Rikissa, welche nach dem Tode des Vaters die Gegend um Rostock beherrschten,
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wo ihr Neffe Knud nach seiner Flucht aus Dänemark vergeblich ihre Hülfe gegen den siegreichen Svend nachsuchte. Die Zeit dieses Ereignisses bestimmt sich genau zwischen der Rückkehr von der Belagerung Dobins im Herbst 1148 und dem merseburger Reichtage im Pfingstfeste 1152. Auf das erste Ereigniß folgten aber zuvor noch die Schlachten bei Thorsteinstorp und Viborg, und dem letzteren ging ein doppelter Einfall in Jütland und Friesland vorauf. So fällt die Landung Knuds bei Rostock in das Frühjahr 1150, vor dem Heereszuge Heinrichs des Löwen nach Schwaben, denn Knud traf ihn noch in Braunschweig. Zu dieser Zeit aber stand die Gegend um Rostock, d. h. das Land der Kissiner und die angrenzende Landschaft in der Richtung auf Bremen, mit voller Gewißheit unter der Herrschaft Niclots, des Fürsten der Obotriten, und die von der Saga nicht genannten Söhne Burislavs, Rikissas Brüder, sind also keine anderen, als unser Niclot und sein Bruder Lubimar.
So findet denn unsere obige Vermuthung, zu welcher der ganze Zusammenhang der Ereignisse unwiderstehlich hindrängte, durch das ausdrückliche Zeugniß der nordischen Saga eine glänzende Bestätigung. Noch indeß dürfen wir uns der Freude über diese Entdeckung nicht hingeben, denn, - um es nur gleich kurz zu sagen, - der Bericht unserer Saga steht in directem Widerspruch mit einem anderen, gleich gewichtigen und glaubwürdigen Zeugniß.
Saxo Grammaticus nämlich erzählt zwar den Gang der Ereignisse in Dänemark im Ganzen völlig übereinstimmend mit dem Verfasser der Knytlinga, nur daß jener überall ausführlicher ist, die Motive der handelnden Personen entwickelt und den Zusammenhang anschaulich zu machen sucht, während sich dieser begnügt, die einzelnen Thatsachen kunstlos in chronologischer Folge aneinander zu reihen. In Einzelnheiten aber weichen beide Berichte oft bedeutend von einander ab, und zu diesen Einzelnheiten gehört namentlich die Vermählungsgeschichte des Magnus. Nachdem dieser Prinz, berichtet Saxo, nach dem Erlöschen des Mannsstammes aus dem Hause des Stenkil, auf den schwedischen Königsthron erhoben war, bewarb er sich durch eine Gesandtschaft um die Tochter des Herzogs Bogislav von Polen. Die Hand der Prinzessin ward ihm zugesagt, und sofort rüstete Niels, sein Vater, eine Flotte aus, um die Braut des Sohnes heimzuholen und zugleich den slavischen König Wartislav (Herzog Wartislav von Pommern), welcher seit langer Zeit mit Dänen und Polen im Kriege gelebt hatte, zu unterwerfen. Die Stadt Orna (Osna, Usedom) ward gezwungen, die Belagerung abzukaufen, worauf
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der König weiter vor Julin ging. Hier vereinigte er sich mit dem Landheere des Bogislav, und ihrer vereinigten Anstrengung gelang es leicht, die Stadt zu erobern. Mit diesem Erfolge zufrieden, trennte sich Niels alsbald von seinem Genossen, um dem harrenden Sohne die Braut zuzuführen. Vergebens bittet Wartislav, erschöpft durch die unerträgliche Verwüstung seines Landes, um Frieden; dessen ungeachtet aber geht die dänische Flotte unter Segel, um bei Strela (der Insel Dänholm, Stralsund gegenüber) Anker zu werfen. Auch hieher folgt Wartislav den Abziehenden, um seine Anträge zu erneuern; Niels sagt den Frieden zu und lockt den Gegner dadurch zu seinem Schiffe herüber, wo der Betrogene gefangen genommen wird. Bald jedoch ändert Niels seinen Entschluß auf die weise Ermahnung des edlen Knud Lavard, eines Freundes Wartislavs, und entläßt den Gefangenen in seine Heimath. Dann kehrt die Flotte nach Dänemark zurück, wo Magnus bei der Stadt Ripen seine Vermählung feiert 1 ).
Nach diesem Berichte war also der Schwiegervater des Magnus kein wendischer König, sondern der wohlbekannte Herzog Boleslav III. von Polen mit dem Beinamen Krzywousty (Schiefmaul), und darnach modificirt sich denn auch die spätere Erzählung der Knytlinga über die Flucht des Königs Knud, Magnus Sohns, nach der Niederlage bei Viborg. Wie die nordische Saga, läßt auch Sapo den Flüchtling zuerst nach Alaburg und weiter nach Liuthusen gehen, wo er sich eine Zeit lang bei seinem Stiefvater Suerco aufhält, welcher nach dem Tode des Magnus Knuds Mutter geheirathet hatte. Anfangs wohl aufgenommen, wird er dem Schwedenkönige, welcher ihm einige Besitzungen zu seinem Unterhalt eingeräumt hatte, doch bald lästig; überdies überwirft er sich mit dem Sohne des Königs, Johannes, welcher sein Unglück verspottet, weshalb er den Entschluß faßt, mit einigen angekauften Schiffen, im Vertrauen auf seinen Oheim und seine mütterliche Verwandtschaft, nach Polen zu segeln. Die Polenherzoge, besorgt, daß Knud Namens seiner Mutter Ansprüche auf eine Theilung des Reiches erheben möchte, versagen ihm den Eintritt in ihre Städte und gestatten ihm nur die Durchreise durch ihr Gebiet zu dem Herzoge Heinrich von Sachsen, von wo er sich weiter zu dem Erzbischof Hartwig von Bremen begiebt (p. 258).
Die Vermählung der Halbschwester Knuds, Sophie, mit Waldemar berichtet Saxo dagegen in Uebereinstimmung mit der Saga, nur daß er den Vater derselben, ohne Nennung seines
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Namens und seiner Würde, als einen Ruthenen bezeichnet (p. 226 - 67 u. 277). Auch scheint er abermals auf die polnische Abkunft derselben von mütterlicher Seite anzuspielen, wenn er später die nahe Verwandtschaft des Knud, eines Sohnes Waldemars mit der Sophie, und der Söhne des Herzogs Bogislav von Pommern hervorhebt (p. 384). Bogislavs zweite Gemahlin Anastasia, die Mutter seiner damals noch lebenden Söhne, war nämlich eine Tochter Mieczislavs, Sohnes Bolislavs III. Doch kann diese Verwandtschaft, wenn sie wirklich bestand, und nicht etwa von Saxo blos wegen der vorausgesetzten polnischen Herkunft der Sophie angenommen wird, auch einen anderen Ursprung gehabt haben.
Sehen wir nun nach dieser Gegenüberstellung der beiden Zeugen, auf welcher Seite die Wahrheit ist. Der Gegenstand ist zu wichtig für uns, als daß wir ein genaues Eingehen auf die Einzelnheiten der widersprechenden Berichte scheuen dürften.
Zuvörderst erweckt es gewiß ein gutes Vorurtheil für den Verfasser der Knytlinga, daß er seine Erzählung nicht nur durch Nennung von Ortsnamen bestimmter, als Saxo, zu localisiren weiß, sondern auch die handelnden Personen namentlich aufführt. In ersterer Beziehung ist besonders die Nennung Rostocks, als des Wohnortes der Oheime Knuds hervorzuheben, wodurch der Schauplatz des Ereignisses ganz bestimmt an die wendische Küste verlegt wird. Diese Küste war dem Verfasser aber genau bekannt, wie er bei mehreren Gelegenheiten beweis't, namentlich durch Nennung des Hafens von Wismar bei der Belagerung Dobins, den keine andere Quelle hat, und durch die Schilderung der späteren Wendenzüge des Waldemar, wobei er eine oft überraschend genaue Kenntniß der Oertlichkeit entwickelt. Zu der Annahme, daß die Anknüpfung der Erzählung an diesen bestimmten Ort auf willkührlicher Erfindung des Berichterstatters beruhe, ist aber bei dem einfachen Charakter der Saga überall kein Grund, vielmehr beruht dieselbe sicher auf alter Ueberlieferung.
Ebenso hat nur die Knytlinga den Namen der Gemahlin des Magnus, Rikissa, welcher ohne Zweifel richtig ist, da er seit dieser Zeit wiederholt in den nordischen Reichen vorkommt, und namentlich auch auf eine Tochter aus der Ehe Waldemars mit der Sophie, also eine Enkelin der älteren Rikissa, übergegangen ist. - Nicht minder bemerkenswerth ist die Verschiedenheit in der Benennung des Vaters der Rikissa. Die Saga nennt ihren Wendenkönig stets Burislav (Burisleifr nach nordischer Aussprache); Saxo dagegen giebt dem Polenherzog Boleslav, sicher irrig, den ihm aus der pommerschen Geschichte seiner Zeit geläufigeren Namen Bogislav. Alle drei Namen, welche auch
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in polnischen Urkunden neben einander begegnen 1 ), sind aber durchaus verschieden; man erklärt Bogislav durch Gottesruhm (δεοκλής), Boleslav durch vielberühmt (πολυκλής) und Borislav durch kampfberühmt (πολεμοκλής) 2 ). Allem Ansehen nach hat nun die Knytlinga auch diesen Namen richtig aufgefaßt, da auch ein Sohn der Rikissa, aus der Ehe mit dem Schwedenkönig Sverker, den slavischen Namen Boris oder Borislav führte, augenscheinlich nach dem Großvater, welcher mithin ein anderer war, als Boleslav von Polen. Diese Wahrnehmung ist an sich schon fast entscheidend; es kommt aber andererseits noch hinzu, daß der nicht häufige Name Borislav gerade in dem rügischen Fürstenhause wirklich noch in späterer Zeit urkundlich vorkommt, namentlich bei einem Sohne Wizlavs I., ein Umstand, welcher gewiß Beachtung verdient.
Ferner wird auch der Vater der Sophie, Valadar, nur in der Knytlinga genannt. Die Geschichte der zweiten Vermählung der Rikissa ist indeß in mehrfacher Beziehung dunkel und schwerlich ganz aufzuklären. Saxo nennt Sophiens Vater einen Ruthenen, und wirklich kommt in den russischen und polnischen Annalen ein Fürst von Halicz, Namens Wolodar vor, Zeitgenosse Boleslavs III., welchen man daher um so unbedenklicher für den Valadar der Knytlinga angenommen hat, als das Land Halicz bald zu Rußland, bald zu Polen gerechnet wird, woher es sich erklärte, daß die Saga ihren Valadar als polnischen Fürsten bezeichnet. Allein Sophie war bei der Verlobung mit Waldemar, welche nach der Rückkehr Knuds (1152) stattfand, noch nicht mannbar, weshalb die Vollziehung der Ehe bis kurz vor der Entscheidungsschlacht auf der Grahede (1157) ausgesetzt werden mußte, und auch damals nur durch den Drang der Ereignisse beschleunigt ward 3 ). Sophie kann also kaum vor 1139, muß jeden Falles nach dem Tode des Magnus (1135), d. h. zwischen der ersten und letzten Ehe ihrer Mutter, geboren sein. In diese Zeit setzt Saxo ihre Geburt auch ausdrücklich. Damals aber war Wolodar bereits todt. Möglich ist nun allerdings, daß die Saga, wie Suhm 4 ) annimmt, dessen Sohn Wolodomir mit dem Vater verwechselt; ist man aber einmal zu der Annahme genöthigt, daß der Name unrichtig aufgefaßt sei, so giebt
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es ohne Zweifel noch andere Combinationen, welche nicht minder wahrscheinlich sind, als die Suhmsche. Doch dies hat auf den Gang unserer Untersuchung überall keinen Einfluß 1 ).
Bei näherem Eingehen auf die Darstellung des Saxo kann ferner keinem unbefangenen Leser der auffallende Mangel an innerem Zusammenhange der Erzählung entgehen, ein Mangel, welcher um so greller hervorsticht, je deutlicher das Bestreben des Schriftstellers ist, seine Berichte überall gehörig zu motiviren und den Zusammenhang anschaulich zu machen: so gleich bei der kriegerischen Brautfahrt des Niels, wo das Benehmen des Pommernherzogs sowohl, als das des dänischen Königs völlig unbegreiflich erscheint. Wartislav, durch die Eroberung Julins und die Verwüstung des Landes erschreckt, bittet demüthig um Frieden. Niels verweigert denselben, geht aber gleichwohl unmittelbar darauf mit der Braut des Sohnes zurück nach Strela an die Küste von Rügen, und Wartislav, dadurch keineswegs beruhigt, läßt das siegreiche polnische Heer unbekümmert am linken Ufer der Odermündung stehen, um den abziehenden Dänen zu folgen und wiederholt um Frieden zu bitten. Das sind innere Widersprüche, welche den Bericht in hohem Grade verdächtigen, und dieser Verdacht trifft grade die Einmischung des Polenherzogs. Nehmen wir mit der Knytlinga an, daß der Brautvater, folgeweise der Bundesgenosse des Niels, nicht der Pole Boleslav, sondern der Rüge Burislav war, so wird alles völlig begreiflich 2 ). Den Rücken frei, folgte Wartislav beobachtend dem abziehenden Feinde, welcher wahrscheinlich nur zur Bergung der Beute und um sich zu erneuertem Angriffe zu sammeln, in Strela, dem Hauptankerplatze der Rügen, wie der dänische Vikinger, anlegte, wie sich das in den späteren, ganz ähnlichen Zügen Waldemars gegen die pommersche Küste mehr als ein Mal wiederholt. Hier kam es zu Friedensverhandlungen, die durch Knud Lavards Vermittelung gelangen, und vielleicht erst bei dieser Gelegenheit ward auch die Verbindung des Magnus mit der Tochter des Burislav beschlossen. Dieser oder ein ähnlicher Zusammenhang ist wenigstens nach Lage der Sache zu vermuthen; gewiß aber ist, so wie Saxo berichtet, kann sich das Ereigniß nicht zugetragen haben.
Noch entschiedener kommt Saxo bei dem Berichte über die Flucht König Knuds zu seinen Mutterbrüdern gegen die nordische Saga in Nachtheil. Hier tritt zuvörderst auch Helmold 3 ) in
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so fern als, Mitzeuge der Saga auf, als er von der merkwürdigen Irrfahrt des flüchtigen Dänenkönigs mitten durch Polen, an den Thoren der verschlossenen Städte vorbei nach dem nordwestlichen Deutschland nichts weiß. Er läßt ihn vielmehr gerades Weges nach Deutschland gehen, und zwar gleich der Knytlinga zunächst nach Bremen zum Erzbischofe Hartwig, und dann erst zum Herzoge Heinrich, während Saxo diese Ordnung umkehrt. Der Weg von Gnesen nach Bremen führt über Braunschweig! Interessanter ist aber die Beobachtung des Benehmens der Oheime, welches beide Hauptzeugen in ganz gleicher Weise durch die Besorgniß motiviren, daß Knud die heimliche Absicht haben könne, sie aus dem Reiche zu verdrängen. Dieser Argwohn war bei dem Obotritenfürsten Niclot wohl begründet. Die Erinnerung an die obotritische Königskrone, welche der Kaiser einem dänischen Prinzen aufgesetzt hatte, so wie an den unglücklichen Kampf, welchen er gegen diesen zu bestehen und in langer, harter Gefangenschaft gebüßt hatte, war gewiß noch nicht in seiner Seele erloschen. Diese Krone aber war demnächst auf den Mörder Knud Lavards, Niels Sohn Magnus, übergegangen, und die Besorgniß, daß der Sohn des letzteren die alten Ansprüche erneuern wolle, war daher vollkommen gerechtfertigt. War doch eben dieser Knud, welcher jetzt angeblich als Flüchtling den Schutz des rostocker Oheims in Anspruch nahm, noch zwei Jahre zuvor in Verbindung mit dem furchtbaren Kreuzheere auf der dänischen Flotte vor Wismar erschienen, um die Vernichtung des heidnischen Fürsten zu befördern, an dessen nahe Verwandtschaft er sich damals nicht erinnerte! Der Bericht der Saga trägt also in jeder Beziehung das Gepräge der inneren Wahrheit, wogegen das Benehmen der Oheime, wenn man sich diese mit Saxo als Herzoge von Polen denkt, durchaus unerklärlich erscheint. Die angebliche Furcht, daß der dänische Flüchtling, welcher in dem von der Küste entfernten Polen doch nur mit geringem Gefolge auftreten konnte, auf die polnische Herkunft seiner Mutter gestützt, nach der Herzogskrone strebe, ist in der That zu lächerlich, als daß irgend jemand daran glauben könnte. Saxo scheint das gefühlt zu haben und sucht die Furcht der Herzoge durch Hinweisung auf die kurz vorhergehenden Unruhen in Polen und die Vertreibung des älteren Bruders zu erklären 1 ). Diese Bemerkung ist nicht zu übersehen. Das Ereigniß, worauf hier angespielt wird, ist historisch begründet. Nachdem Boleslav III. 1138 gestorben war, hatten seine Söhne, Boleslav IV., Mieczislav II. und Kasimir II., ihren älteren Bruder Vladislav, welcher mit
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einer Schwester des Kaisers Konrad vermählt war, im Jahre 1146 aus dem Reiche vertrieben, angeblich weil er nach der Alleinherrschaft strebte. Saxo zeigt sich also mit den inneren Verhältnissen Polens wohl vertraut; aus den nordischen Quellen hat er diese Kunde nicht geschöpft, vielmehr muß er noch andere ihm über Deutschland zugegangene Berichte zur Erläuterung der einheimischen Geschichte benutzt haben, und wir erkennen in seiner Darstellung deutlich das Bestreben, beide in Einklang zu bringen. Wir werden auf diese nicht unwichtige Entdeckung zurückkommen.
Wenden wir uns nun zur Betrachtung der allgemeinen politischen Verhältnisse der Zeit, so treffen wir auch hier bei der Darstellung des Saxo auf sehr erhebliche Schwierigkeiten, während die nordische Saga nicht nur mit den vorhergehenden und gleichzeitigen Ereignissen im Obotritenreiche, wie wir oben gesehen haben, sondern auch mit den Verhältnissen im östlichen Slavenlande in vollkommenem Einklange steht.
Die Herzoge von Polen hatten schon seit dem Ende des zehnten Jahrhunderts mit wechselndem Glücke eine Reihe verwüstender Kriege gegen Pommern geführt, deren Schauplatz aber lange Zeit hindurch sich nicht über Kolberg hinaus nach Westen erstreckte; dennoch waren sie schon hier mehrmals feindlich mit Dänemark zusammengetroffen, welches an der pommerschen Küste uralte Colonien hatte, namentlich unter Erich (um 995) und Knud (1025). Im Anfange des zwölften Jahrhunderts, als der kühne und kriegslustige Boleslav III. den polnischen Thron bestieg, erneuerte er sofort den alten Kampf und zwar mit größerem Erfolge, als alle seine Vorgänger. Schon im Jahre 1108, als Heinrich noch auf dem obotritischen Throne saß, soll er ein Mal die Oder erreicht haben, wenn gleich er damals wenigstens keinen festen Fuß an derselben zu fassen vermochte, denn in den folgenden Jahren wogte der Kampf wieder hart an der polnischen Gränze und den Ufern der Weichsel, bis eine fromme Wallfahrt des kriegerischen Polenherzogs zur Abbüßung des gegen den geblendeten Bruder verübten Frevels (1113) den Pommern auf einige Jahre Ruhe verschaffte 1 ). Von der anderen Seite dehnte auch Heinrich der Obotrite unter fortdauerndem Kampfe mit den Rügen, wie wir gesehen haben, seine Macht mit sächsischer Hülfe bis in die Nähe der Oder aus und scheint selbst mit den jenseitigen Pommern in ein Bundesverhältniß getreten zu sein. Dadurch ward aber sofort die alte Eifersucht Dänemarks rege, welches namentlich die Inseln in der Mündung der Oder, wo schon in früherer Zeit dänische Vikinger=Colonien bestanden hatten, fast
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als dänische Provinz betrachtete. Damals regierte in Dänemark Erich der Gutherzige (Ejegod), welcher schon um 1095 eine glückliche Fahrt in diese Gegend unternommen hatte, nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Rom aber, 1098, auf einem zweiten Zuge den Obotriten nachdrücklich zurückwies, Julin eroberte und das dänische Ansehen in dieser Gegend vollkommen wieder herstellte 1 ). Wahrscheinlich wird er dabei die Hülfe der Rügen nicht verschmähet haben, wodurch aber nach dem Siege die Insel selbst in dänische Zinsbarkeit gerieth 2 ). Die späteren Heerfahrten Heinrichs in die Gegend der Odermündung (Wolgast) und nach der Insel Rügen während der Pilgerfahrt Boleslavs, sind oben geschildert.
Gleich nach Heinrichs Tode tritt Boleslav abermals erobernd in Pommern auf. Im Winter 1120 erscheint er mit einem siegreichen Heere an den Ufern der Oder, überschreitet den gefrornen Strom, erobert Stettin und zwingt den Herzog Wartislav nach der Niederlage der Pommern bei Vadam zur Unterwerfung. In dem folgenden Jahre dringt er, seinen Sieg weiter landeinwärts verfolgend, auf einem verwüstenden Zuge bis an die Ufer der Müritz vor und soll schon 1123 eine Anwartschaft selbst auf Rügen erhalten haben, wie man aus der Nachzahlung eines zwölfjährigen Tributes bei der Bestätigung seiner Belehnung mit Rügen und Pommern durch den Kaiser Lothar, 1135, gefolgert hat 3 ). Zwar haben Andere bei diesen Rügen an die Russen gedacht 4 ), eine Verwechselung, welche allerdings öfter begegnet, allein eine Belehnung über Rußland hat Boleslav schwerlich beim Kaiser gesucht, und die Zusammenstellung mit den Pommern zeigt deutlich genug, wo wir diese Rügen zu suchen haben. Möglich ist aber allerdings, daß der Kaiser nur an das Festland Rügen dachte, und darunter mochte leicht das ganze Küstengebiet bis zur Oder verstanden werden, denn Pommern begann erst jenseit des Stromes. In diesem Falle wurde also der Tribut nur für die nachträgliche Anerkennung des factischen Besitzes nachgezahlt, ohne daß daraus eine frühere Anwartschaft auf erst zu erobernde Provinzen zu folgern wäre. Gewiß aber ist, ganz Pommern und das Gebiet diesseit der Oder bis zur Pene erkannte seit dieser Zeit die polnische Herrschaft an und mußte auf das Gebot des christlichen Herrn, wiewohl mit Widerstreben, bald auch christliche Priester dulden.
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Durch diese raschen Erfolge der polnischen Waffen und die wachsenden Ansprüche des glücklichen Eroberers mußte Boleslav nothwendig in eine entschieden feindliche Stellung gegen Dänemark gerathen, welches seine verjährten Ansprüche auf die eroberten wendischen Provinzen niemals aufgegeben hatte. Wirklich wird auch von den ältesten polnischen Geschichtschreibern das Verhältniß beider Staaten ausdrücklich als ein feindliches geschildert, und doch sollte Niels, Erichs Nachfolger, grade zu dieser Zeit nicht nur um eine polnische Prinzessin für seinen Sohn geworben haben, sondern auch mit einer dänischen Flotte ausgesegelt sein, um das wichtige Julin, woran sich aus alter Zeit so viele Erinnerungen seines Volkes knüpften, mit dänischen Waffen zu erobern und den geängsteten Wartislav völlig zu erdrücken, nicht zur Herstellung der dänischen Herrschaft, sondern um die Früchte dieses Sieges dem polnischen Schwiegersohne zu Füßen zu legen? Es gehört in der That ein starker Glaube an die Unfehlbarkeit Saxos dazu, um einem solchen Berichte Vertrauen zu schenken 1 )!
Auch mit der Chronologie kommen wir bei dieser Darstellung Saxos hart ins Gedränge. Wenn die Heerfahrt des Niels wirklich im Vereine mit Boleslav stattgefunden hätte, so ist sie nothwendig vor der völligen Unterwerfung Wartislavs und der Festsetzung des Siegers auf dem linken Oderufer und den Inseln in der Mündung des Stromes zu setzen, also vor 1121, oder spätestens in den Frühling dieses Jahres selbst, wo Boleslav Stettin eroberte und kampfgerüstet dastand, seinen Sieg zur Unterwerfung des Landes zu benutzen. Dem widersprechen aber andere Angaben. Magnus war nämlich zur Zeit seiner Vermählung schon König von Schweden, und wenn wir auch das Jahr seiner Wahl nicht genau kennen, so scheint diese doch jedenfalls nach 1121 stattgefunden zu haben. Ebenso war Knud Laward, welcher bei den Friedensverhandlungen bei Strela ein Freund des Wartislav genannt wird 2 ), offenbar schon König von Obotritien (1125), denn nur in dieser Stellung konnte er mit dem Pommernherzoge in nähere Berührung kommen; auch war es grade auf der Hochzeit des Magnus, wo dessen Eifersucht gegen Knud zum Ausbruche kam, und diese war eben durch die Stellung des letzteren als Königs der Obotriten geweckt. In eben diese Zeit weis't endlich auch das Alter des ältesten Sohnes aus der Ehe des Magnus mit der Rikissa, denn Knud war 1139
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bei dem Tode Erich Emuns, Niels Nachfolgers, noch Knabe oder doch kaum dem Knabenalter entwachsen; bei Erich Lams Tode 1147 dagegen war er bereits regierungsmündig, d. h. 18 Jahre alt 1 ). Er scheint also erst zwischen 1125 und 1129 geboren zu sein, was den Abschluß der Ehe seiner Aeltern nach 1121 vermuthen läßt 2 ).
Alle diese Schwierigkeiten und Widersprüche lösen sich abermals ganz einfach, wenn wir mit der Knytlinga den rügischen Fürsten Burislav als Schwiegervater des Magnus annehmen. Rügen und das obotritische Reich waren durch Boleslavs Eroberungen nicht minder bedroht, als Dänemark. Ein Bündniß des Niels und Knud Laward mit Burislav gegen Polen und den polnischen Vasallen Wartislav war also eine natürliche Folge der Stellung der Völker und durch die Verhältnisse fast zur Nothwendigkeit geworden. Daß Niels dasselbe auch durch eine Familienverbindung zu stärken suchte, ist begreiflich. So erklärt sich die Verlobung seines Sohnes mit der Tochter Burislavs 3 ) und zugleich die gemeinschaftliche Fahrt gegen Julin, wobei auch ein rügisches Landheer von der Pene aus mitwirken mochte, um die polnische Macht über die Oder zurückzuwerfen, eine Unternehmung, die wahrscheinlich 1127 stattfand und vom Könige Lothar selbst unterstützt ward. Nach dem Berichte der Biographen des heiligen Otto, Apostels der Pommern, hatte nämlich Lothar nach der Rückkehr Ottos von der ersten pommerschen Mission (1124) eine Fahrt gegen die Liutizier unternommen, welche ihn in die Gegend von Demmin führte und auf welcher er einen berühmten Götzentempel, vermuthlich zu Rethra, zerstörte. Als hierauf der Bischof im Mai 1128 zum zweiten Male nach Pommern kam, fand er die Bevölkerung dieser Gegend annoch in größter Aufregung. Es waren Partheiungen im Lande entstanden, die zu innern Unruhen, selbst zu offener Empörung gegen den Herzog Wartislav und seinen Lehnherrn, die Beschützer des verhaßten Christenthums, geführt hatten. Als Urheber und Schürer dieser Bewegung läßt der Bericht den ungenannten heidnischen Fürsten
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der Rügen erkennen, welcher namentlich den Stettinern, so lange sie dem Christenthume treu blieben, offen den Krieg erklärt und ihre Schiffe zerstört hatte. Ja an den Ufern der Pene wüthete noch jetzt der Krieg mit einem gleichfalls nicht genannten Feinde, ohne Zweifel eben diesem rügischen Fürsten. Aber auch der Ausrüstung von Schiffen gegen die Dänen wird gelegentlich gedacht und zahlreicher dänischer Gefangenen, sowie umgekehrt edle Pommern in dänischer Gefangenschaft schmachteten. Endlich melden die Berichte auch ausdrücklich die Zerstörung Julins im Jahre 1127 durch eine furchtbare Feuersbrunst, wobei die christliche Kirche, obwohl mitten im Orte gelegen, auf eine wunderbare Weise gerettet sei. Als Ursache des Brandes wird jedoch ein zündender Blitzstrahl angegeben. Diese Einzelheiten, mit dem dänischen Berichte verglichen, lassen den wahren Zusammenhang nicht undeutlich erkennen und bestätigen die ausgesprochene Vermuthung 1 ).
Endlich tritt Saxo auch mit allen polnischen Berichten über die Familienverhältnisse Boleslavs in offenen Widerspruch. Martinus Gallus, ein fränkischer Geistlicher und Zeitgenosse Boleslavs, an dessen Hofe er lebte und dessen Thaten er durch ein Lobgedicht in lateinischen Reimversen zu verherrlichen suchte 2 ), kennt die Verbindung seines Herrn mit Dänemark eben so wenig, als Matthäus Choleva, Bischof von Krakau (1143 - 1166), welcher gleich nach Boleslavs Tode seine prahlerischen Briefe über die Thaten der polnischen Herzoge schrieb 3 ). Beide erwähnen zwar der Familienverhältnisse ihres Herrn überhaupt nur beiläufig, aber eine Vermählung der Tochter des Herzogs mit dem dänischen Thronfolger, von so merkwürdigen kriegerischen Ereignissen begleitet, wie Saxo sie meldet, wäre von unsern Lobrednern nicht übergangen, wenn sie stattgefunden hätte. Geradezu aber widerspricht der 1253 verstorbene Bischof Boguphal von Posen 4 ) und der freilich erst dem 15. Jahrhundert angehörige fleißige Dlugoß, welcher indeß vielfach noch ältere, jetzt verlorene Quellen benutzte 5 ). Nach den Berichten dieser durchaus gaubwürdigen Zeugen ward Boleslav am 20. August 1084 geboren 6 ) und
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folgte seinem Vater Vladislav 1102 in der Regierung des Reiches. Schon im folgenden Jahre, nach Dlugoß am 16. November, vermählte er sich, obwohl erst 19 Jahre alt, mit der Zbislava, Tochter des russischen Fürsten Svantopolk von Kiew, aus welcher Ehe ihm nach der wiederholten, bestimmten Versicherung Boguphals nur ein Sohn, Vladislav, und eine Tochter geboren wurden 1 ). Dlugoß setzt die Geburt des Vladislav in das Ende des Jahres 1104, die der Tochter, hier Svantoslava genannt, genauer auf den 12. April 1106 2 ). Schon im Jahre 1108 starb die Mutter und Boleslav vermählte sich zwei Jahre darauf zum zweiten Male, nach Boguphal mit der Adelheid, Schwester des Kaisers Heinrich IV. 3 ), welche zehn Jahre hindurch unfruchtbar blieb, dann aber noch fünf Söhne gebar. Der Geburt einer zweiten Tochter gedenkt Niemand, wenn gleich auch nicht ausdrücklich gesagt wird, daß sie nicht geboren sei. Für uns ist dies gleichgültig, da ihre Geburt jedenfalls nach 1118 stattgefunden haben müßte, sie also hier ihrem Alter nach nicht mehr in Betracht kommen könnte. Uebrigens war Boleslav nach der sichern Nachricht der Chronik des Klosters Zweifalten in den letzten Jahren mit der Salome, Tochter des Herzogs Heinrich von Berg vermählt, welche ihn überlebte. Es scheint also, als ob die zweite Gemahlin nach zehnjähriger unfruchtbarer Ehe gestorben sei und der Herzog sich später zum dritten Male vermählt habe. Auch dies hat indeß auf unsere Untersuchung keinen Einfluß.
Die erwähnte Tochter erster Ehe aber war späterhin an einen Fürsten von Halicz vermählt. Dies erfahren wir zuvörderst aus völlig sicherer Quelle durch den Bischof Vincenz Kadlubek von Krakau, welcher gegen Ende des 12. Jahrhunderts als Dompropst von Sandomir (1186 - 1208) im Auftrage des Herzogs Kasimir von Polen († 1192), Boleslavs Sohns, die Chronik des Matthäus Choleva fortsetzte. Er erwähnt jedoch dieser Ehe der Schwester seines Herrn nur beiläufig, bei Gelegenheit der zwischen ihren Söhnen, den Fürsten von Halicz, um 1182 ausgebrochenen Streitigkeiten, in welche der Oheim sich einmischte, ohne den Namen, weder der Mutter, noch des Vaters zu nennen 4 ).
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Ausführlicher ist Boguphal. Nach ihm war die Prinzessin an Coloman, einen Sohn des Königs von Ungarn, vermählt, welchem Boleslav als Brautgabe seiner Tochter die Kastellanei Spiß verschrieb, worüber später Weiterungen mit Ungarn entstanden. Coloman ward durch den Einfluß seines mächtigen Schwiegervaters zum Könige von Halicz erhoben, aber wie es scheint schon nach wenigen Jahren, jedoch nach der Zerstörung Wiliczkas am 6. Febr. 1130 1 ), aus seinem Reiche vertrieben und lebte längere Zeit mit Gemahlin und Kindern an dem Hofe Boleslavs, welcher noch kurz vor seinem Ende einen sehr unglücklichen Heereszug unternahm, um den Schwiegersohn mit Waffengewalt wieder einzusetzen 2 ). Dagegen erzählt Dlugoß schon zum Jahre 1108, daß Boleslav seine erst zweijährige Tochter, welche er hier im Widerspruche mit sich selbst Judith nennt, mit Stephan, Sohn des Königs Coloman von Ungarn, verlobt habe, welcher auch später ihr Gatte geworden sei, wobei gleichfalls der Bestellung der Brautgabe und des darüber später mit Ungarn entstandenen Streites gedacht wird. Eben so kennt auch Dlugoß die Vertreibung der Prinzessin mit ihren Kindern, ihre Flucht zum Vater und dessen vergebliche Versuche zur Wiedereinsetzung der Tochter, nur daß er dies alles nach dem Tode Stephans, ihres Gemahles, setzt und den Schauplatz nach Ungarn verlegt. Offenbar sind diese Nachrichten aus verschiedenen Quellen entlehnt und beziehen sich auf zwei verschiedene Ereignisse, welche schon Boguphal mit einander vermischt zu haben scheint, nämlich erstens die Vermählung der Judith (um 1108) an Coloman von Ungarn (nicht seinen Sohn Stephan), welcher nach ungarischen Berichten zweimal vermählt war, dessen zweite Gemahlin aber unbekannt ist, und welcher 1114 starb, und zweitens die natürlich viel später zu setzende Vermählung der Suantoslava an einen unbekannten Fürsten von Halicz. Jene Judith aber war vielleicht eine Tochter Boleslavs II., Oheims Boleslavs III., welcher, durch seinen Bruder Vladislav vertrieben, nach Ungarn floh, wo er mit Hinterlassung eines Sohnes 1181 verstarb 3 ).
Hieraus ergiebt sich denn wenigstens so viel mit voller Gewißheit, daß Boleslav im Jahre 1121, wo die Vermählung des Magnus und die damit zusammenhangende kriegerische Fahrt seines Vaters gegen Julin, nach den politischen Verhältnissen der Zeit, spätestens stattgefunden haben müßte, wenn der Herzog
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von Polen der Brautvater und Bundesgenosse des Niels gewesen wäre, - daß jener also damals überall noch keine mannbare Tochter hatte. Aber auch späterhin kann der dänische Prinz nicht der Schwiegersohn des Polen geworden sein, denn dieser hatte nur eine hier in Betracht kommende Tochter, und deren Gemahl war Magnus von Dänemark nicht, sondern ein russischer Fürst, wie wir, ungeachtet der Zweifel über den Namen und die Herkunft desselben, aus seinen, seiner Gemahlin und seiner Kinder wohlbekannten späteren Schicksalen mit Sicherheit schließen dürfen. - Dagegen findet sich bei den polnischen Schriftstellern umgekehrt eine freilich ziemlich abgerissene und vereinzelt stehende Nachricht von der Vermählung einer dänischen Prinzessin mit einem Sohne Boleslavs III., wobei wir noch einige Augenblicke verweilen müssen.
Dlugoß erwähnt nämlich zum Jahre 1128 einer Versammlung, welche Boleslaus bei Wilun, worunter hier ohne Zweifel Wollin zu verstehen ist, gehalten habe und wo seinem Sohne Vladislav durch dänische Große eine Tochter des Königs von Dänemark mit einer reichen Aussteuer zugeführt sei, worauf die Hochzeit mit großem Aufwande gefeiert und die Dänen mit Geschenken entlassen worden seien 1 ). Das ist gewiß ein merkwürdiges Seitenstück zu Saxos Erzählung! Der Werth der Nachricht an sich ist schwer zu würdigen; vielleicht ist sie aus der Geschichte Peters des Dänen entlehnt, in welchem Falle die Braut keine dänische, sondern eine wendische Prinzessin sein würde; vielleicht ist gar an unsere Rikissa zu denken, die Wittwe des Magnus von Dänemark, so daß das Ereigniß etwa 10 Jahre später, nach 1135, zu setzen wäre. Dies ist aber ohnehin nothwendig, wenn die Erzählung überhaupt auf Wahrheit beruht, da Vladislav nach der frühern eigenen Erzählung des Dlugoß sich schon 1121 mit einer Tochter, richtiger Schwestertochter, des Kaisers Heinrich V. vermählt hatte, die ihm schon in früher Jugend verlobt war und mit der er mehrere Kinder erzeugte. Möglich ist aber allerdings, daß diese um 1138 bereits verstorben war, und Wladislav, welchen sein Vater schon bei Lebzeiten mit der Verwaltung Pommerns betraut hatte, sich in zweiter Ehe mit der Wittwe des Magnus vermählte, welche vielleicht nach der Heimath Rügen zurückgekehrt war. So hätten wir denn in Vladislav, dem ältesten Sohne des Boleslav, den Valadar der Knytlinga, welchen
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sie einen König von Polen nennt, glücklich wiedergefunden, und das würde freilich der bündigste Beweis sein, daß Rikissa keine Tochter Boleslavs III., d. h. Schwester des Vladislav, ihres Gatten, gewesen sei 1 ).
So gewagter Hypothesen bedarf es indeß zur Stützung der von mir verfochtenen Ansicht nicht. Mir kommt es hier überhaupt auf den innern Werth der Erzählung des polnischen Historikers zunächst nicht an, sondern auf ihr Dasein überhaupt. Ich zweifle nämlich nicht einen Augenblick, daß Saro, auf dessen Bekanntschaft mit polnischen Berichten schon oben aufmerksam gemacht ward, diese polnische Sage, die Dlugoß nothwendig aus einer ältern unbekannten Quelle entlehnt haben muß, gekannt habe und lediglich durch die Vergleichung derselben mit der ähnlichen nordischen Sage über die Vermählung des dänischen Prinzen mit einer Tochter des Königs Burislavs zu seiner eigenthümlichen Darstellung des letzteren Ereignisses gelangt sei. Indem er beide Erzählungen zu vereinigen suchte, ließ er sich durch die ähnlich klingenden Namen Burislav und Boleslav, die er für gleichbedeutend gehalten haben muß, zu der Verwandelung des rügischen Königs in einen Herzog von Polen verleiten; das ist die einfache Lösung des Räthsels, die nur dadurch möglich geworden ist, daß uns die nordische Sage durch die Knytlinga glücklicher Weise in ihrer reinen, ursprünglichen Gestalt aufbewahrt ward.
So erscheint denn der Bericht der nordischen Saga nach allen Seiten hin vollkommen gerechtfertigt, und unsere Geschichte ist um eine höchst merkwürdige und bedeutungsvolle Thatsache bereichert: bedeutungsvoll nicht bloß für den nächsten Gegenstand unserer Untersuchung, den Ursprung unsers hohen Fürstenhauses, sondern für die Geschichte der wendischen Völker überhaupt, weil durch sie die gesammten Verhältnisse und Ereignisse der Zeit in einem völlig neuen Lichte erscheinen! Fassen wir nunmehr das Hauptergebniß der ganzen Untersuchung, zugleich zur nähern Erläuterung der beigefügten Stammtafel, noch einmal in kurzer Uebersicht zusammen.
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Nach der Ermordung Gottschalks also, im Jahre 1066, ward Kruto, ein Sohn des Grinus, König von Rügen, durch die Wahl der Großen des Reiches zugleich zum Könige der Obotriten erhoben und gründete durch glänzende Siege ein neues Wendenreich, von einer Macht und einem Umfange, wie es nie zuvor und niemals nach ihm bestand. Er war zweimal vermählt, zuerst mit einer unbekannten Gattin, und später im schon vorgerückten Alter mit der Slavina, durch deren Treulosigkeit er 1093 den Tod fand. In erster Ehe wurden ihm mindestens zwei, vielleicht vier Söhne geboren, von welchen ihm Burislav in der Regierung des Stammlandes folgte und zugleich von den Obotriten auf den Thron des ermordeten Vaters erhoben ward. Auf der smilower Haide erlag er seinem Gegner Heinrich, Gottschalks Sohne, und dessen sächsischen Bundesgenossen, und ward in die ursprünglichen Grenzen der Herrschaft Rügen zurückgedrängt, von wo aus er den Kampf gegen Heinrich, vermuthlich in dänischer Bundesgenossenschaft, fortsetzte, wodurch aber Rügen selbst gegen Ende des 11. Jahrhunderts in dänische Zinsbarkeit gerieth. Im Jahre 1111 unternahm er einen unglücklichen Seezug gegen Lübeck, siegte dagegen 1112 über Heinrichs Sohn Waldemar, mußte aber 1113 und 1114 wenigstens scheinbar die sächsisch=obotritische Oberherrschaft anerkennen und einen Bruder als Geißel stellen. Nach Heinrichs Tode im Jahre 1119 brachen innere Unruhen im Obotritenreiche aus, indem sein Sohn Suentipolk und Kanut um die Herrschaft stritten, was Burislav anscheinend zur Wiedereroberung der kissinischen und circipanischen Gaue benutzte. Im Jahre 1121 warb er zwar nochmals durch die Sachsen daraus vertrieben, eroberte aber drei Jahre darauf, nach der Ermordung Kanuts durch seinen Bruder Suentipolk, die Hauptstadt Lübeck und vertrieb seinen Gegner aus dem Reiche.
Burislav, dessen Gemahlin unbekannt ist, hatte zwei namentlich bekannte Söhne, Niklot und Lubimar, und eine Tochter, Rikissa. Letztere ward 1127 mit Magnus von Dänemark, nach dessen Tode 1135 mit einem polnischen oder russischen Fürsten Valadar, und später zum dritten Male mit Sverker, König von Schweden, vermählt. Niklot dagegen ward noch bei Lebzeiten seines Vaters, 1125, mit der Verwaltung der neu eroberten obotritischen Provinzen betraut, hatte aber das Unglück, bald darauf in die Gefangenschaft des vom Könige Lothar mit der obotritischen Königskrone belehnten Herzogs Knud Lavard von Schleswig zu gerathen. Erst nach dem Tode Knuds, 1131, gelangte er wieder in den Besitz der obotritischen Herrschaft, wenn auch in sehr beschränktem Umfange, und erhielt sich in derselben, aller gegen ihn heranziehenden Stürme ungeachtet, bis an seinen Tod, 1161.
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Er ist bekanntlich der Stammvater des noch jetzt blühenden großherzoglich=meklenburgischen Fürstenhauses.
Während jener Gefangenschaft Niklots und der Regierung Knuds als Königs der Obotriten, scheint Burislav, nach 1127, gestorben zu sein, worauf anscheinend ein ungenannter Bruder desselben, mit Uebergehung des vielleicht noch minderjährigen Lubimar, die Zügel der Regierung ergriff, ohne Zweifel der Vater der spätern rügischen Fürsten Tetislav und Jaromar, welche von 1162 - 70 als Brüder genannt werden, jener aber ausschließlich im Besitze der königlichen Würde. Seit 1181 - 1218 dagegen erscheint Jaromar als König, und neben ihm ein Bruder Stoyslav, anscheinend Söhne des Tetislav, obwohl man jenen, den Stifter des 1325 erloschenen Geschlechtes der rügischen Fürsten, mit obgedachtem gleichnamigen Bruder des letzteren für identisch zu halten pflegt. Stoyslav ist der Stammvater der Herren von Putbus, während das Haus Gristow von einem Sohne des Jaromar, Barnutha, abgeleitet wird. - Bald nach dem Tode Burislavs tritt nun jener Race, oder Ratislav, als Eroberer Wagriens auf, 1138, und verschwindet dann, worauf nacheinander Rochel, 1150, und Pribislav, 1156, als Fürsten dieses Landes erscheinen. Von Ratislav und Rochel ist gewiß, daß sie Nachkommen des Kruto waren, weshalb man jenen für einen Sohn desselben, den Vater der Fürsten Tetislav und Jaromar gehalten hat; wahrscheinlicher war er ein Enkel des Kruto, entweder Bruder der genannten Fürsten, oder Niklots und Lubimars. Rochel und Pribislav aber werden als Söhne Ratislavs zu nehmen sein. Anscheinend hatte dieser aber noch einen dritten Sohn Nicolaus (Niklot?), welcher eine Zeit lang Statthalter von Schleswig war und 1161 bei Gelegenheit der Plünderung einer bischöflichen Besitzung erschlagen ward 1 ).
Ob auch die spätern Herzoge von Pommern krutonischen Geschlechtes waren oder aus einem älteren Zweige des rügischen Fürstenhauses stammten, ist nicht zu erweisen. Eins von beiden ist aber mindestens in hohem Grade wahrscheinlich, seit man genöthigt gewesen ist, die Abstammung dieser Fürsten von dem alten ostpommerschen Herzogsgeschlechte aufzugeben und Giesebrecht wahrscheinlich gemacht hat, daß Wartislav, der erste historisch sichere Stammvater der westpommerschen Herzoge, mit seinem
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Bruder Ratibor, kein Pommer, sondern ein Lutizier war. Einen weiteren Anhalt giebt vielleicht die Nachricht, daß Wartislav in seiner Jugend in sächsische Gefangenschaft gerathen und dadurch dem Christenthume gewonnen sei. So könnte er jener Bruder des rügischen Königs gewesen sein, welcher 1114 dem Herzoge Lothar als Geißel gegeben ward, also ein dritter Sohn Krutos, zu welchem dann Ratibor als vierter hinzukäme. Nach wiedererlangter Freiheit im Besitze der Küstenländer zwischen Pene und Oder, als eines Theiles seines väterlichen Reiches, eroberte er dann zugleich einen Theil von Pommern, bis er der Uebermacht Boleslavs von Polen erlag. Für diesen Zusammenhang spricht die schon am Ende des 12. Jahrhunderts bedeutsam hervorgehobene Verwandtschaft des pommerschen und rügischen Fürstenhauses: eine weitere Begründung der Vermuthung wird aber nur möglich werden, wenn auch hier durch die Eröffnung neuer Quellen unerwartet helleres Licht auf diese Verhältnisse geworfen werden sollte.
Auch aufwärts, über den Grinus, Krutos Vater, hinaus läßt sich der Stammbaum dieses mächtigen Königsgeschlechtes mit einiger Sicherheit nicht fortführen. Die Insel Rügen war seit der Auswanderung, oder richtiger Auswerfung, der alten germanischen Bewohner derselben Jahrhunderte hindurch den Blicken der gebildeten Welt entrückt. Erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts tritt das slavische Volk, welches nunmehr den Namen des fernen Eilandes trug, als Bundesgenossen des Kaisers Otto des Großen in der Schlacht an der Raxa (955) wieder handelnd in der Geschichte hervor, aber ein Fürst des Volkes wird uns noch nicht genannt. Ein Menschenalter später kennt dann die nordische Sage einen wendischen König Burislav in dem Heere Ottos des zweiten, welcher andererseits an den Mündungen der Oder eine bedeutsame Rolle spielt. Schon Suhm und nach ihm Barthold haben denselben gleich seinem jüngern Namensgenossen für identisch mit dem pommerschen Herzoge Mieczyslav von Polen gehalten, indem sie die Sage zugleich einer Verwechselung dieses mit seinem Sohne Boleslav, dem ersten des Namens, beschuldigen. Giesebrecht hat diese unhaltbare Vermuthung zurückgewiesen; ob aber Burislav zu dem Geschlechte der Könige von Rügen gehörte, wie andere angenommen haben, bleibt völlig ungewiß. Noch nebelhafter ist die Gestalt des riesenhaften wendischen Helden Regbus, welcher nach eben dieser Sage über ein halbes Jahrhundert später vom Könige Magnus dem Guten in der Schlacht bei Lyrskow (1044) erschlagen sein soll, dennoch aber noch im folgenden Jahre in der Schlacht bei Helgenäs kämpfte, und hier ausdrücklich ein Rüge genannt wird. Damit sind wir bereits in dem Zeitalter
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des Grinus angelangt; zur Feststellung des Verhältnisses beider fehlt es aber in den diesseitigen, wie in den jenseitigen Berichten an jeglicher Andeutung, und eben so wenig läßt sich die an sich allerdings nicht unwahrscheinliche, ursprüngliche Stammverwandtschaft des rügischen Königshauses mit den ostpommerschen Herzogen einerseits, und den älteren obotritischen Königen andererseits, ermitteln. Erkennen wir also hier die Grenze historischer Forschung.
Spätere Bemerkung.
Die ungewöhnliche Schreibung des Namens Kruto, statt des bisher üblichen Kruko, oder Krito, scheint annoch einer Rechtfertigung zu bedürfen, wozu ich in der Note 1 auf Seite 8 der vorstehenden Abhandlung keinen Raum fand, da diese selbst in der Handschrift der älteren Schreibung (Kruko) folgte, was erst während des Druckes in der zweiten Correctur abgeändert ward. Herr Archivar Lisch, dessen freundschaftlicher Vermittelung ich auch die Benutzung der älteren polnischen Chronisten aus der königlichen Bibliothek zu Berlin verdanke, hatte sich nämlich inzwischen an den Herrn Archivar Dr. Lappenberg in Hamburg gewendet, und durch die dankenswerthe Mittheilung dieses Gelehrten, welcher seit Jahren eine neue Bearbeitung der Chronik des Helmold für die Monumenta historiae Germanicae von Pertz vorbereitet hat, ward uns sofort die gewünschte Auskunft über die auffallende Abweichung in der Schreibung jenes Namens zu Theil.
Hiernach haben alle von Herrn Lappenberg entweder unmittelbar, oder nach einem Verzeichniß der Varianten benutzten Handschriften die Lesart: Cruto. So namentlich die Pergament=Handschrift in Kopenhagen, spätestens aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, in dem Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde VI., S. 576 flgd. als Nr. 1 bezeichnet; ferner die Papier=Handschrift aus dem Ende des 15. Jahrhunderts auf der Stadt=Bibliothek zu Lübeck, welche der Ausgabe des Heinrich Bangert, 1659, zum Grunde liegt (Nr. 2), und eine noch von Bangert benutzte, jetzt verlorene stettiner Handschrift (Nr. 6). Nur einige Male findet sich in Nr. 2 die Lesart Critto, und so lies't auch die editio princeps von Sigmund Schorkel (1556), vielleicht nach einer verlorenen Handschrift (Nr. 10). Auch unser Kirchberg, welcher den Helmold nur handschriftlich benutzen konnte, hat einmal, c. 36, Critto, sonst stets Crito, und diese letzte Lesart findet sich auch bei den meisten übrigen Epitomatoren Helmolds, namentlich Albert von Stade, der lübischen Chronik und Albert Krantz.
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Nur Corner hat Truto, und Bangert Cruco, letzterer vielleicht nach der von ihm benutzten, jetzt verlorenen Rantzovischen Handschrift (Nr. 3).
Demzufolge ist die Lesart Cruto ohne Zweifel die allein richtige, da die Formen Truto und Cruco augenscheinlich auf einer Verwechselung der in alten Handschriften oft so schwer zu unterscheidenden Buchstaben t und c beruhen, aber auch Critto, und das daraus entstandene Crito sichtlich auf Cruto zurückzuführen ist. Dieser letzte Name hat denn auch einen rein slavischen Klang, und ist wahrscheinlich durch das böhmische krutĕ, d. i. gewaltig, strenge, auch grausam oder grimmig, zu erklären.
Den Namen des Vaters schreiben alle Handschriften Grinus (filius Grini). Eben so hat Bangert und Kirchberg (Grines sone, c. XXVI). Nur Albert von Stade (zum Jahre 1167) und Albert Krantz (Vandalia, III, c. 6 u. 7) bieten die Lesart Grimus dar. Die nordische Sage kennt schon einen Slavenfürsten Grimar als Bundesgenossen des Königs Harald Hildetand, während Grim, aus der Stadt Skierum auf Thyle, auf Seiten seines Gegners Ring steht. (Saxo Gr. VIII. P. 144). In historischer Zeit aber wird urkundlich ein ostpommerscher Fürst Grimislav genannt (Cod. Diplom. Pomeran. Nr. 46, von 1178, und Nr. 76, von 1198), wozu auch der Ortsname Grimme zu stellen sein mag. Zur Erklärung des Namens bietet sich das böhmische h mj dar, d. i. donnern, aber auch rauschen, tönen, namentlich auch von der lauten, starken Stimme gebräuchlich. Das böhmische hr entspricht nämlich häufig dem gr anderer Dialecte, daher z. B. polnisch grzmi, es donnert. Die Lesart scheint sich also in mancher Beziehung zu empfehlen; ohne die Auctorität einer Handschrift habe ich jedoch nicht gewagt, sie in den Text aufzunehmen.
In Betreff des hohen Ansehens der rügischen Fürsten im Alterthume ist hier beiläufig noch zu bemerken, daß nach Helmolds Versicherung die Slaven selbst denselben ausschließlich die königliche Würde zuerkannten, indem sie ihnen und ihrem tapferen Volke ein Primat über alle übrigen einräumten 1 ). Daher werden sie denn auch nicht nur von den Schriftstellern, Helmold selbst und Saxo, bis zu ihrer völligen Unterwerfung unter die dänische Oberherrschaft stets Könige (rex) genannt, sondern selbst Kaiser
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Friedrich I. beehrte noch den Fürsten Jaromar mit diesem Titel 1 ). Ihr einheimischer Titel war also vermuthlich krol, während die übrigen Fürsten knezi, kniaze, d. h. Herr, hießen.
Gelegentlich muß ich noch bemerken, daß schon Krantz - was ich früher übersehen habe - die oben S. 12, Not. 2 vermuthete Lücke in der angeführten Stelle des Helmold, c. 34, ganz in meinem Sinne ausfüllt, indem er die Worte Helmolds: et statuerunt in locum ejus, qui etc., so wiedergiebt: alium sibi principem statuentes, de genere Critonis, qui etc. Ob er diesen Zusatz in seiner Handschrift fand, oder nur zur Erklärung nöthig hielt, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls ist es interessant, zu bemerken, daß schon dieser berühmte Forscher den von mir entwickelten Zusammenhang des Ereignisses erkannte.
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im 12. und 13. Jahrhundert,
von
F. Boll
zu Neu=Brandenburg.
T hatsache ist es, daß, nachdem im Laufe des 12. Jahrhunderts in den slavischen Ostseeländern (Meklenburg und Pommern) das Heidenthum, theils durch freiwillige Bekehrung zum Christenthume, theils mit Gewalt war ausgerottet worden, in einem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume das Slaventhum dem deutschen Wesen weichen mußte, so daß schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts diese Länder als völlig germanisirt zu betrachten waren; nur in kleineren Bezirken, wo eine isolirte Lage sie begünstigte, erhielten sich noch Jahrhunderte hindurch Slaven mit ihrer angestammten Sprache. Jener schnelle Uebergang vom Slaventhume zum Deutschthume ist allerdings eine sehr auffallende Erscheinung, wenn man erwägt, daß derselbe in Ländern statt hatte, wo nicht etwa, wie in den anstoßenden Marken, ein deutsches Fürstengeschlecht, von deutschen Dienstmannen umgeben, der bezwungenen slavischen Bevölkerung deutsche Sprache, Sitte und Recht einpflanzte, sondern wo Landesherren aus slavischem Stamme blieben und noch Jahrhunderte lang vorzugsweise den Titel "Fürsten der Slaven" führten. Man hat diese Erscheinung zum Theil durch sehr gewagte Hyothesen zu erklären versucht. Die vorliegende Abhandlung will diese nicht etwa widerlegen, sondern läßt sie gänzlich bei Seite gestellt; sie will nur dasjenige sammeln, was gleichzeitige Chronisten und gleichzeitige Urkunden zur Aufhellung dieser Thatsache an die Hand geben, und überläßt es dem Leser, zu beurtheilen, ob das Beigebrachte zur Aufklärung derselben genüge, oder ob man darüber hinaus zu anderweitigen Hypothesen seine Zuflucht nehmen müsse. Wenn sich aber diese Abhandlung zunächst auf Meklenburg beschränkt, so ist die
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Ursache davon diese, daß die pommerschen Geschichtsforscher, welche gegenwärtig die Actenstücke zu dieser Untersuchung im Codex Pomeraniae mit großer Sorgfalt sammeln, bis jetzt noch nicht zu dem eigentlich entscheidenden Zeitabschnitte vorgeschritten sind. Meklenburg dagegen entbehrt zwar leider einer solchen Urkunden=Sammlung, doch haben wir es dem unermüdlichen Eifer unseres Lisch zu danken, daß gegenwärtig gewiß nur wenige Urkunden, welche für Meklenburg in Bezug auf die vorliegende Untersuchung von wesentlichem Einflusse sein könnten, noch nicht veröffentlicht sind. Das Land Stargard habe ich für diese Untersuchung von Meklenburg ausgeschlossen, weil dasselbe während des entscheidenden Zeitabschnittes zur Mark Brandenburg gehörte und unstreitig von hier aus seine Germanisirung erfolgt ist; dagegen habe ich von Pommern das Land Tribsees oder das sogenannte Festland Rügen mit herangezogen, weil es einen Bestandtheil des schweriner Bisthums ausmachte, und grade dieses, wie der Verfolg zeigen wird, für die rasche Ausbreitung der Deutschen im Wendenlande von überwiegendem Einflusse gewesen ist. Eingehen in oft an und für sich unbedeutende Einzelnheiten wird sich übrigens nicht vermeiden lassen, weil nur auf diesem Wege allein die Aufklärung und Feststellung einer auch in allgemeinerer Beziehung wichtigen Thatsache sich gewinnen läßt.
Jahrhunderte lang schon währte der Kampf zwischen Wenden und Sachsen, ohne daß diese den ersteren mehr als eine höchst unsichere Zinspflichtigkeit hätten aufzwingen können; das ihnen zu wiederholten Malen aufgenöthigte Christenthum hatten die Wenden stets wieder abgeschüttelt. Erst das 12. Jahrhundert brachte die beiden Männer hervor, welche von der Vorsehung bestimmt waren, das Heidenthum bei den Slaven zwischen Elbe und Oder mit Gewalt auszutilgen, während bei den Pommern die durch den frommen Bischof Otto von Bamberg ausgestreute friedliche Saat, wenn auch nur langsam, ihre Früchte trug. Der letzte Sachsenherzog aus Hermann Billungs Stamm war im Jahre 1106 gestorben. Von seinen beiden Töchtern entsproßten die Bezwinger der Slaven: Albrecht der Bär, Markgraf von Brandenburg, war sein Enkel, und Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, sein Urenkel. Dieser war noch ein Knabe, als sein Vater starb, dem Conrad von Hohenstaufen in Gemeinschaft mit Albrecht dem Bären eben eines seiner beiden Herzogthümer (Baiern und Sachsen) entreißen wollte. Auf dem Reichstage zu Frankfurt, Pfingsten 1142, ward endlich der Streit geschlichtet: Heinrichs Mutter vermählte sich wieder mit dem Bruder des Königs, dem Markgrafen
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von Oestreich, und brachte diesem das Herzogthum Baiern zu, der junge Heinrich mußte sich mit Sachsen begnügen. Um diese Zeit begann das Eindringen deutscher Colonisten ins Wendenland. Helmold in seiner Slavenchronik ist ein gleichzeitiger und sehr genauer Berichterstatter über diese Vorgänge; folgen wir daher zunächst lediglich seinen Angaben.
Das jetzige Holstein und Lauenburg war damals schon dem größeren Theile nach von Deutschen besessen; nur die fruchtbaren östlichen Landschaften (Wagrien und Polabien) hatten noch Slaven inne. Heinrichs Mutter, als sie noch für ihren Sohn das Regiment führte, hatte Wagrien, weil sie dem Grafen Adolph von Holstein nicht wohl wollte, für Geld an Heinrich von Badewide überlassen; darüber war zwischen beiden ein erbitterter Kampf entbrannt. Nachdem aber Heinrich der Löwe die Verwaltung selbst übernommen, hatte er die Streitenden dahin verglichen, daß Wagrien an Adolph zurückkam, Heinrich von Badewide aber Polabien als Grafschaft abgetreten erhielt. Weil aber Wagrien durch den Krieg sehr entvölkert war, rief Adolph deutsche Colonisten ins Land: die Gegend von Segeberg und um die Trave ward mit Holsteinern, der darguner Gau mit Westphalen, der eutinische mit Holländern und die Gegend von Süsel mit Friesen besetzt; die Slaven aber behielten die Gegend von Oldenburg und Lütkenburg, so wie den Strich an der Meeresküste (Helmold I, 57). Seitdem schritt die deutsche Colonisation im Wendenlande allmälig immer weiter nach Osten vor.
Die nächsten Jahre stand Graf Adolph in gutem Vernehmen mit seinem Nachbarfürsten, dem Obotriten Niklot, und die deutschen Colonien in Wagrien, von den Slaven nicht beunruhigt, begannen aufzublühen. Als aber im Jahre 1147 die sächsischen Fürsten durch Bernhard von Clairvaux zu einem Kreuzzuge gegen die Wenden sich hatten bestimmen lassen, und nun Graf Adolph sich weigerte, dem Niklot gegen das heranziehende Heer der Kreuzfahrer Beistand zu leisten, ergrimmte Niklot, fiel in Wagrien ein und verwüstete die Colonien der Westphalen und Holländer gänzlich; die Holsteiner verschonte er, die Friesen widerstanden ihm tapfer. Die Anstrengungen des Kreuzheeres, das nunmehr ins Wendenland eindrang, hatten übrigens bekanntermaßen keinen großen Erfolg. Man begnügte sich damit, daß die Slaven sich die Taufe gefallen ließen; als das Kreuzheer ihr Land wieder verlassen hatte, kehrten sie alsbald zum alten Heidenthume zurück, Niklot aber söhnte sich mit dem Grafen Adolph wieder aus. Erzbischof Hartwig von Hamburg faßte indeß jetzt den Plan, im Slavenlande drei ihm untergebene Bisthümer, zu Oldenburg, zu Ratzeburg und zu Meklenburg, einzurichten.
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Inzwischen starb Conrad von Hohenstaufen, im Jahre 1152, und sein Brudersohn, Friedrich Rothbart, folgte ihm auf dem deutschen Königsthrone. Mit diesem stand Herzog Heinrich auf dem besten Fuße, seitdem er in Italien Friedrich wesentliche Dienste geleistet hatte: Friedrich gab ihm nicht nur das Herzogthum Baiern zurück, sondern - ein ganz ungewöhnlicher Fall - verlieh ihm auch das Ehrenrecht der Investitur über die drei slavischen Bisthümer. Zu Oldenburg in Wagrien war bereits das seit 84 Jahren durch die Slaven verwüstete Bisthum wieder hergestellt; im Polabenlande ward jetzt zu Ratzeburg Evermod als Bischof eingesetzt. Bischof Gerold von Oldenburg aber erhielt um diese Zeit (1156) vom Grafen Adolph die Erlaubniß, zu Oldenburg eine sächsische Colonie einzuführen, "und die Slaven wichen zurück, die in den umliegenden Ortschaften wohnten, und Sachsen kamen und wohnten daselbst, und der Slaven wurden allmälig wenige im Lande 1 )."
Herzog Heinrich folgte dem Kaiser im Jahre 1159 abermals nach Italien, nachdem er den Slaven zuvor geboten, Frieden mit den Dänen zu halten und keinen Seeraub gegen ihre Inseln zu üben. Das hatten die Slaven nicht gehalten. Als nun der Herzog im Jahre 1160 aus Italien heimgekehrt war, zog er um die Erntezeit in ihr Land, um ihren Ungehorsam zu züchtigen. Niklot fiel, seine Söhne flohen, der Herzog verheerte das ganze Land. Zuletzt, als Niklots Söhne, Wartislav und Pribislav, des Herzogs Gnade suchten, gab er ihnen zwar den östlichen Theil (Kyssin und Werle) zurück, das Obotritenland aber vertheilte er an seine Hauptleute. Zu Kuscin (Parchim) setzte er den Vogt von Braunschweig, Ludolf, ein; Malchow gab er an Ludolf von Peina, Schwerin und Ilow an Günzel von Hagen; in Meklenburg bestellte er Heinrich von Schaten, der alsbald das Land mit Colonisten aus Flandern besetzte. Zum Bischofe des Obotritenlandes bestimmte er den Berno. "Der Herzog aber befahl den Slaven, die im Lande der Wagrier, der Polaben, der Obotriten und Kyssiner zurückgeblieben waren, daß sie die bischöflichen Abgaben leisten sollten, die bei den Polen und Pommern bezahlt werden, das ist vom Pfluge drei Scheffel Roggen und zwölf Pfennige der gangbaren Münze. Der Scheffel der Slaven aber wird in ihrer Sprache Kuritze genannt, und zu einem slavischen Pfluge gehören zwei Ochsen und eben so viel Pferde. Die Zehnten aber mehrten sich im Lande der Slaven, weil dorthin aus ihren Ländern deutsche Leute zusammenströmten, um das geräumige Land zu bauen, das fruchtbar an Getreide
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ist, bequem durch Reichthum an Weiden, und Ueberfluß an Fischen, Fleisch und allerlei Gütern hat" (Helmold I, 87). Bald darauf berichtet Helmold weiter: "In jenen Tagen war Friede durch ganz Slavien, und die Festen, welche der Herzog durch Kriegsrecht im Obotritenlande in Besitz genommen hatte, begannen von den Völkern der Ankömmlinge bewohnt zu werden, die in das Land gezogen waren, um es zu besitzen; der Vorgesetzte dieses Landes war Günzel, ein tapferer Mann und Freund des Herzogs. Aber Graf Heinrich von Ratzeburg, welches im Polabenlande liegt, führte eine Menge Volks aus Westphalen herbei, damit sie das Land der Polaben anbauten, und theilte ihnen das Land mit dem Meßseile zu; und sie bauten Kirchen und leisteten den Zehnten von ihren Früchten zum Dienste des Hauses Gottes. Und das Werk Gottes ward zu den Zeiten Heinrichs im Lande der Polaben gepflanzt, aber zu den Zeiten seines Sohnes Bernhard ward es völliger ausgeführt" (Helmold I, 91).
Allein die Ruhe war nicht von langer Dauer. Die Söhne Niklots, nicht zufrieden mit dem Lande der Kissiner und Circipaner, trachteten das Obotritenland wieder zu gewinnen. Günzel von Schwerin setzte den Herzog von ihren Plänen in Kenntniß, und dieser kam zu Anfange des Jahres 1163 mit starker Heeresmacht in ihr Land, belagerte Werle und zwang Wartislav, der es vertheidigte, mit vielen edlen Slaven sich zu ergeben. In Werle setzte der Herzog den betagten Bruder Niklots, Lubemar, ein, und führte Wartislav gefangen mit nach Braunschweig; Pribislav aber suchte durch Unterhandlungen den Herzog wieder zu versöhnen.
Da ließ der gefangene Wartislav durch heimliche Botschaft den Bruder zu den Waffen mahnen. Wie sie einst, als ihr Vater zu Lüneburg gefangen saß und Bitten und Gelderbietungen vergebens gewesen, ihn dadurch befreit hätten, daß sie zu den Waffen griffen: so solle er jetzt für ihn thun. Pribislav, als er das vernommen, sammelte heimlich seine Schaaren, erschien vor Meklenburg, dessen Befehlhaber grade abwesend war, erstürmte die Feste, erschlug die flamländischen Männer, die sie inne hatten, und führte Weiber und Kinder gefangen fort. Das geschah am 16. Febr. des Jahres 1164. Dann zogen die Slaven vor Ilow, aber Graf Günzel wies ihren Angriff tapfer zurück. Glücklicher war Pribislav vor Malchow, dessen Mannschaft für freien Abzug die Feste übergab.
Der Herzog entbrannte in Zorn. Bei Malchow - hier ward Wartislav gehenkt - vereinigte er sich mit dem Markgrafen Albrecht; auch König Waldemar war übers Meer zur Bestrafung der Slaven entboten. Voraus hatte der Herzog den
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Grafen Adolph von Holstein, den Grafen Günzel, den Grafen Reinhold von Diethmarsen und den Grafen Christian von Oldenburg gesandt. Diese lagerten bei Verchen am Kummerower See, als die Slaven unter Pribislav und den Pommernherzogen Boguslav und Kasimir beim Grauen des Tages das Lager überfielen. Graf Adolph und Graf Reinhold wurden mit vielen Tapfern erschlagen; aber Günzel und Heinrich sammelten ihre Schaaren, stritten männlich und gewannen das Lager wieder; 2500 Slaven wurden erschlagen, die übrigen flohen. Demmin zündeten sie selbst an und entwichen tiefer in Pommern. Der Herzog folgte ihnen; auch König Waldemar vereinigte jetzt seine Krieger mit ihnen; bis zum Kloster Stolp an der Pene drangen sie vor. Da kamen Boten, daß eine Gesandtschaft des griechischen Kaisers in Braunschweig angelangt sei, und der Herzog kehrte heim. "Sonst würde er wegen des unglücklichen Todes des Grafen (Adolph) seine Kriegsmacht zusammengerufen und die ganze Kraft der Slaven bis zum Ende vertilgt haben, und dem Lande der Pommern gethan, wie er dem Obotritenlande gethan hatte. Das ganze Land der Obotriten und die benachbarten Gegenden, die zum Reiche der Obotriten gehören, waren durch die beständigen Kriege, zumeist aber durch diesen letzten, gänzlich zu einer Einöde gemacht, indem Gott Gnade gab und die Rechte des frommen Herzogs stärkte. Wenn einige letzte Reste von Slaven noch übrig geblieben waren, so wurden sie wegen Mangel an Getreide und Verwüstung der Aecker von so großer Hungersnoth geplagt, daß sie sich gezwungen sahen, schaarenweise zu den Pommern und zu den Dänen zu flüchten, die sich ihrer nicht erbarmten, sondern sie an die Polen, Sorben und Böhmen verkauften 1 )."
Pribislav, aus dem väterlichen Erbe gänzlich vertrieben, baute zwar, in Gemeinschaft mit Boguslav und Kasimar die Feste Demmin wieder, und that von dort häufige Streifen ins Obotritenland. Aber Günzel von Schwerin und Bernhard von Ratzeburg waren auf ihrer Hut; in den häufigen Kämpfen verlor Pribislav so viel an Kriegern und Pferden, daß er endlich nichts mehr unternehmen konnte. Auch wurden die Pommernherzoge der Sache überdrüssig, und so mußte denn Pribislav alle Hoffnung aufgeben, jemals von seinem väterlichen Erbtheile etwas wieder zu gewinnen. Da änderte sich plötzlich die Lage der Dinge
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zu seinen Gunsten. Viele sächsische Fürsten, der Erzbischof von Magdeburg und der Bischof von Hildesheim an ihrer Spitze, hatten sich gegen Heinrich den Löwen verbunden; ihm drohete ein heißer Kampf. "Da nahm der Herzog, nachdem er mit seinen Getreuen deshalb Rath gepflogen (wahrscheinlich im Frühjahre 1167), den Fürsten der Slaven, Pribislav, den er, wie oben berichtet, durch viele Kämpfe aus dem Lande vertrieben, wieder zu Gnaden an und gab ihm das ganze Erbe seines Vaters zurück, nämlich das Land der Obotriten, außer Schwerin und dem, was dazu gehört" (Helmold II, 7).
Pribislav leistete Bürgschaft für seine Treue und legte auch im folgenden Jahre schon einen Beweis seines Gehorsams gegen die Befehle des Herzogs dadurch ab, daß er auf sein Geheiß mit Boguslav und Kasimar in Gemeinschaft den Bischof Berno nach Rügen begleitete, um König Waldemar und Bischof Absalon bei der Unterwerfung und Bekehrung der Insel zu unterstützen. Endlich zum Schluß berichtet Helmold: "Das ganze Land der Slaven, das von der Eider anhebt (welche die Grenze des Dänenreichs ist) und zwischen dem baltischen Meere und der Elbe sich erstreckt, in weiter Ausdehnung bis nach Schwerin, einst durch Hinterhalte furchtbar und fast verödet, ist jetzt durch Gottes Hülfe gleichsam in eine einzige Colonie der Sachsen verwandelt; es werden dort Städte und Ortschaften aufgebaut und es mehren sich die Kirchen und die Zahl der Diener Christi. Auch Pribislav hat seine hartnäckige Empörungssucht abgelegt, weil er weiß, daß es ihm nichts fruchtet, wider den Stachel zu lecken; er sitzt ruhig und zufrieden mit dem ihm überlassenen Theile der Herrschaft, und hat die Schlösser Meklenburg, Ilow und Rostock aufgebaut und in ihren Grenzen die Völker der Slaven eingesetzt. Und weil Räuber unter den Slaven die Deutschen beunruhigten, welche Schwerin und seine Grenzen bewohnen, hat Günzel, der Befehlhaber des Schlosses, ein tapferer Mann und Dienstmann des Herzogs, den Seinigen befohlen, daß, wenn sie Slaven finden, die auf Abwegen umherstreifen, wofür der Anlaß nicht einleuchtend ist, man sie fangen und sofort aufhängen soll: so sind den Slaven ihre Diebereien und Räubereien gelegt."
Hiemit schließt im Jahre 1170 oder 1171 - das Jahr ist nicht entschieden - Helmolds treffliche Slavenchronik. Sie zeigt uns, wie von den slavischen Landen der westliche Theil, Wagrien, Polabien (Ratzeburg), und vom Obotritenlande die Grafschaft Schwerin in durch deutsche Colonisten angebauete Länder übergegangen waren. Für das übrige Obotritenland und die ostwärts anstoßenden Landschaften dagegen weiset sie dieses kei=
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neswegs nach, vielmehr erscheinen diese beim Schlusse seines Werks noch im ausschließlichen Besitze slavischer Herren und einer slavischen Bevölkerung. Wir haben zwar eine ziemlich umfangreiche Fortsetzung seiner Slavenchronik durch Arnold von Lübeck bis zum Jahre 1209. Wie aber dieser seinen Vorgänger überhaupt nicht erreicht, so hat er insbesondere dem wichtigen Gegenstande, um den es sich hier handelt, der fortschreitenden deutschen Colonisation des Wendenlandes, gar keine Aufmerksamkeit geschenkt; er gedenkt ihrer auch nicht mit einem Worte. Wir sind daher von jetzt an lediglich auf die in Urkunden sich darbietenden Spuren derselben gewiesen.
Aus Helmolds voraufgeschickter Darstellung geht als nicht zu bezweifelnde Thatsache hervor, daß auch derjenige Theil des Wendenlandes, der noch im Besitze seiner slavischen Herren und ihrer slavischen Vasallen verblieben war, nur eine sehr spärliche Bevölkerung besaß: Krieg, und zwar Vertilgungskrieg, Hunger und Seuchen hatten furchtbar unter der unterlegenen Nation aufgeräumt. Nicht allein Helmold schildert das Slavenland als durchaus verwüstet und menschenleer, sondern auch Herzog Heinrich selbst, der wohl genau wissen konnte, wie es in diesem Lande, das, wie er es ausdrückt, er mit Schwert und Bogen erobert hatte (quam gladio et arcu nostro conquisivimus), aussah, nennt es in der Bewidmungsurkunde des schweriner Bisthums vom Jahre 1171 einen Ort des Schreckens und wüster Einöde (in loco horroris et vaste solitudinis), eine Bezeichnung, die noch im Jahre 1219 Bischof Brunward von Schwerin ausdrücklich wiederholt (hec terra horroris et vaste solitudinis). Die mangelnde Bevölkerung durch herbeigerufene Colonisten wieder zu ersetzen, war also eine sehr nahe liegende Maaßregel, zumal da die westwärts anstoßenden Landschaften, die Grafschaften von Ratzeburg und von Schwerin, durch deutsche Anbauer theils schon wieder bevölkert, theils noch in Colonisation begriffen waren. Denn allerdings waren auch in diesen Landestheilen noch mancher Orten Slaven unter den deutschen Einwanderern sitzen geblieben, und keineswegs ist es wohl ausschließlich zu verstehen, was Helmold von der Einwanderung der Deutschen in diese Gegenden berichtet.
Vorzüglich aber war es in diesen Landen die Geistlichkeit, welche doppelt Ursache hatte, die Einwanderung deutscher Colonisten und die Verdrängung der Slaven durch dieselben in jeder Weise zu begünstigen und zu betreiben. Schon ihre eigene Sicherheit erforderte es, in einem Lande, dessen alte Bewohner so lange und so hartnäckig der Einführung des Christenthums Widerstand geleistet hatten, eine deutsche Bevölkerung herbei zu ziehen,
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um dadurch der jungen Kirche und sich selbst Schutz und Halt zu geben. Aber auch der weltliche Vortheil kam dabei in nicht mindere Berücksichtigung. Die deutschen Einwanderer leisteten der Kirche den Zehnten; für die Slaven aber hatte Herzog Heinrich nur den bei den Polen und Pommern üblichen Bischofszins festgesetzt, nämlich vom slavischen Haken 3 Scheffel Roggen und 12 Pfennige gangbarer Münze. Der Zehnte der Deutschen übertraf, die slavische Hufe zu 45 Scheffel Aussaat gerechnet, den Bischofszins der Slaven wenigstens um das Doppelte des Werthes. Dieser große Gewinn, welchen die deutsche Bevölkerung bot, bewog die Geistlichkeit gewiß nicht weniger, als jene erste Rücksicht, die Einführung deutscher Colonisten möglichst zu betreiben, ja die slavische Bevölkerung theilweise mit Gewalt auszutreiben und durch deutsche Einwanderer zu ersetzen, und die weltlichen Herren, welche zum Theil die Zehntenhebung, um der Kirche Schutz zu gewähren, von ihr zu Lehn empfingen, boten ihr bereitwillig dazu die Hand.
Zunächst wollen wir nach Urkunden untersuchen, wie diese Verhältnisse im ratzeburger Kirchensprengel sich gestalteten. Dieser begriff das jetzige Sachsen=Lauenburg mit den Vierlanden, von Meklenburg den Klützer Ort, einen großen Theil der Herrschaft Wismar und die Aemter Grevismühlen, Rehna, Gadebusch, Zarrentin, Wittenburg, Boitzenburg, Hagenow, Toddin, einen Theil von Grabow. Eldena und Dömitz, nebst dem hannöverschen Amte Neuhaus: er stand unter der weltlichen Herrschaft des Sachsenherzogs, des ratzeburger Grafen, des Obotritenfürsten, des Grafen von Schwerin und des Grafen von Danneberg über der Elbe.
Wir würden für die gewaltsame Austreibung der Slaven in diesem Sprengel ein sehr frühes Zeugniß haben, wenn die sogenannte Stiftungsurkunde dieses Bisthumes durch Herzog Heinrich vom Jahre 1158 (Diplomat. Ratzeb. Nr. 5, in Westphalen monum. inedit. T. II) ächt wäre, denn schon hier wird der Fall gesetzt: "Nachdem aber durch Austreibung der Slaven das Land wird zehntenpflichtig gemacht sein, soll der gesammte Zehnte dem Bischofe zustehen". Allein diese Urkunde ist eben so wohl ein Werk des Betruges, als das zweite Exemplar der Bewidmungsurkunde des schweriner Bisthumes vom Jahre 1171, und es nimmt mich Wunder, daß dieses nicht schon längst entschieden anerkannt worden ist. Die Verfälschung ist trotz des Siegels, das sie trägt, nur zu handgreiflich: unter den Zeugen erscheinen Gerold, Bischof von Lübeck, und Berno, Bischof von Schwerin, und doch ward erst etwa zwei Jahre später das oldenburger Bisthum nach Lübeck,
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und beinahe zehn Jahre später das meklenburger nach Schwerin verlegt 1 ). Auch der Inhalt selbst verräth die Fälschung deutlich; es heißt darin: "der Zins der Slaven durch alle Grenzen dieser drei Bisthümer (und doch ist nirgends vorher von diesen drei Bisthümern die Rede gewesen!) soll vom Haken sein 3 Maaß Roggen, das Kuritz genannt wird, 1 Schilling, 1 Topp Flachs und 1 Huhn". Allein der anfängliche Slavenzins war nur 3 Maaß Roggen und 1 Schilling oder 12 Pfennige vom Haken; 1 Topp Flachs und 1 Huhn sind erst später hinzugekommen Noch in der Urkunde des Herzogs vom Jahre 1169 (Dipomat. Ratzeb. Nr. 12) wird der Slavenzins vom Haken auf 3 Maaß Roggen und 1 Schilling festgesetzt; erst in der Urkunde von 1174 (Diplomat. Ratzeb. Nr. 15) sagt der Herzog mit denselbigen Worten, wie in der unächten Urkunde von 1158 2 ): "der Zins der Slaven durch alle Grenzen dieser drei Bisthümer (hier ist allerdings von den drei Bisthümern zu Ratzeburg, Lübeck und Schwerin vorher die Rede gewesen) soll vom Haken sein 3 Maaß Roggen, das Kuritz genannt wird, 1 Schilling, 1 Topp Flachs und 1 Huhn." Scheint es nicht, als wenn aus dieser Urkunde die fragliche Stelle in jene unächte sei hinübergenommen?
Aber auch diese unächte Urkunde muß als ein Zeugniß für die gewaltsame Austreibung der Slaven im ratzeburger Sprengel gelten, denn der Fälscher würde derselben nicht erwähnt haben, wenn sie nicht wirklich stattgefunden hätte. Wir haben aber auch anderweitige Zeugnisse dafür aus völlig unverdächtigen Ur=
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kunden. Wahrscheinlich zu Ende der achtziger oder zu Anfang der neunziger Jahre dieses Jahrhunderts 1 ) stellte der ratzeburger Bischof Isfried zu Hagenow eine Urkunde aus: Graf Heinrich von Danneberg habe ihn öfter darum angesprochen, daß er nichts von der ratzeburger Kirche zu Lehn trage, und gebeten, daß ihm von Allem, was im Lande Jabel und Weningen (die Gegend von der Sude abwärts bis zur Elde und Elbe bei Dömitz) angebaut und bewohnt werde, der Zehnte möge gänzlich überlassen werden. "Nun sind wir dahin übereingekommen, daß wir dem Grafen den gesammten Zehnten, mit Ausnahme des Dorfes Malke und seiner Grenzen, im Lande zwischen der Walerow (später: Rögnitz), Elbe und Elde (also dem Lande Weningen) zu Lehn frei zu besitzen verliehen, und zwar solcher Gestalt, daß, so lange die Slaven dieses Land baueten, der ratzeburger Bischof unverkürzt über alle Slaven seines slavischen Rechtes genieße, wie es in den Privilegien Herrn Heinrichs Herzoges von Sachsen durch das ganze Bisthum über die Slaven ausgesprochen gefunden wird; wenn aber in dieses Land deutsche Colonisten einzögen und den Zehnten gäben, so solle der genannte Graf seines Lehnes genießen und den Zehnten empfangen. Ueber das Land aber, welches zwischen Sude und Walerow liegt (also das Land Jabel), ist also verordnet, daß der genannte Graf binnen zehn Jahren es zehntpflichtig machen soll; wenn er dieses thut, soll er den halben Zehnten desselben Landes zu Lehn haben, die andere Hälfte aber behalten wir uns und unserer Kirche vor, was derselbe Graf Heinrich bereitwillig angenommen und getreulich zu erfüllen versprochen hat." Auf diese Weise war denn der Landesherr selbst dabei betheiligt, die fraglichen Landschaften möglichst bald zehntpflichtig zu machen, d. h. die slavischen Einwohner auszutreiben und deutsche Colonisten, welche den Zehnten gaben, dafür einzuführen.
Etwa die Dauer eines Menschenalters hindurch lassen uns nun die Urkunden über das Schicksal der ursprünglichen slavischen Bevölkerung im Bisthum Ratzeburg gänzlich im Dunkeln, bis das im J. 1230 verfaßte Zehntenregister desselben 2 ) grade hier
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uns ein helleres Licht darüber verbreitet, als in irgend einem der anderen ehemaligen slavischen Ostseeländer über diese Verhältnisse sich uns darbietet. Dieses Zehntenregister zählt die verschiedenen Dorfschaften der Länder Ratzeburg, Wittenburg, Gadebusch, Dartsow, Bresen (die Gegend von Grevismühlen bis Wismar), des Klützer=Orts, der Länder Jabel und Wehningen und des Landes Sadelband (die Aemter Schwarzenbeck und Lauenburg) auf und bemerkt bei jeder Ortschaft, wie viel der Bischof daselbst vom Zehnten zu Lehn ausgethan und wie viel er sich offen (frei) behalten habe. Verhältnißmäßig aber nur von sehr wenigen Dorfschaften wird bemerkt, daß sie von Slaven bewohnt würden und hier kein Lehn sei, weil die Slaven nicht den Zehnten, sondern den sogenannten Bischofszins gaben. Unter 125 Ortschaften des Landes Ratzeburg werden nur vier als von Slaven bewohnte aufgeführt, in denen der Bischof kein Lehn zu vergeben habe 1 ). Zwar werden außerdem noch einige Dörfer durch die Benennung "slavisch" von den gleichnamigen deutschen Dörfern unterschieden; da sie aber dennoch als zehntpflichtig aufgeführt werden, so müssen auch sie bereits in den Besitz der deutschen Anbauer übergegangen sein. Den Beinamen "slavisch" hatten diese Dorfschaften behalten, weil beim Beginnen der deutschen Einwanderung die Slaven, ehe sie gänzlich den Deutschen weichen mußten, in diese Ortschaften sich zurückgezogen hatten, die zur Unterscheidung von dem gleichnamigen deutschen Dorfe diesen Beinamen auch noch behielten, nachdem sie längst von den Slaven gänzlich geräumt waren 2 ). Denn bei denjenigen "slavischen" Dörfern, die zur Zeit der Abfassung des Registers noch wirklich von den Slaven bewohnt wurden, bemerkt es das Register auch ausdrücklich, wie die beiden letzten in Note I. aufgeführten Ortschaften beweisen: "zu Slavisch Parketin sind Slaven" und "zu Slavisch Pogatse sind Slaven." - Von den 93 Ortschaften des Landes Wittenburg werden ebenfalls nur noch vier als von Slaven bewohnte angegeben; aber im Lande Gadebusch kommt kein einziges von Slaven bewohntes Dorf mehr vor. Dagegen im Lande Dartsow heißt es noch wieder: "zu Slavisch Erkense sind Slaven, hier ist kein Lehn," und bei Reinwardsdorf wird bemerkt: "auf denselben Feldern ist ein slavisches Dorf, hier ist kein Lehn." Wieder
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häufiger ist die Erwähnung von Slaven bewohnter Dörfer im Lande Bresen mit 74 Ortschaften; von dem ersten derselben heißt es: "Marmotse ist ein Slavisches Dorf; wann Deutsche werden eingezogen sein, soll Wartus 2 Hufen haben, außer denen der halbe Zehnte dem Bischofe offen ist;" von Barnekow, von Slavisch Krankow, von Moritzdorf, von Clitse, von Zscarbuz, von Hermannsdorf, von Konradsdorf, von Vulnusdorf, von Gozwinsdorf und von Kl.=Warnow wird bemerkt, daß in ihnen Slaven und dort kein Lehn sei. In dem fruchtbaren Klützer=Ort aber kommt kein von Slaven bewohntes Dorf mehr vor. Dann werden die Lehen aufgeführt, welche die danneberger Grafen Heinrich und Bernhard vom Bischofe in Besitz hatten: "In dem Lande, genannt Jabel, das zwischen der Sude und Walerow liegt, wann dieses von Deutschen wird angebaut sein, sollen die Grafen von Danneberg die Hälfte des Zehnten vom ratzeburger Bischofe haben, die andere Hälfte soll dem Bischofe offen bleiben; mittler Zeit aber, während die Slaven noch dort sind, soll der Bischof allein durch dieses ganze Land des slavischen Rechtes genießen, denn die Slaven sollen vom Haken 3 Maaß Roggen, das Kuritz heißt, 1 Topp Flachs, 1 Huhn und 1 Schilling geben; von diesen soll der Pfarrpriester den dritten Scheffel und 2 Pfennige haben 1 ). Im Lande Weningen aber, welches zwischen der Walerow, Elbe und Elde liegt, sollen dieselben Grafen den ganzen Zehnten vom Bischofe haben." Endlich war auch das angrenzende Land Dirtzinke (der Darsing, das jetzige hannöversche Amt Neuhaus) noch von Slaven bewohnt, "wo der ratzeburger Bischof seines slavischen Rechtes genießen soll, wie es oben beschrieben ist."
Auch unter den Enkeln jenes Grafen Heinrich von Danneberg, der sich einst gegen Bischof Isfried verpflichtet hatte, diese Gegend durch Einführung deutscher Colonisten zehntpflichtig zu machen, war es also noch nicht zur Ausführung dieser Maaßregel gekommen. Die Ursache davon ist nicht schwer zu errathen. Der fragliche Landstrich von der Sude herab bis Dömitz ist eine so traurige Sandwüste, daß deutsche Colonisten sich nicht zur Anbauung desselben entschließen konnten. So blieben denn in diesem sandigen Winkel unseres Landes, durch die Unfruchtbarkeit des Bodens geschützt 2 ), die Slaven unangetastet, und erhielten
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sich hier einzig und allein in Meklenburg noch Jahrhunderte lang in ihrer Volksthümlichkeit. Noch Marschalk bezeugt im J. 1521 (Annal. Herulor. et Vandalor. I, 4, bei Westphalen I, 175), daß die Bewohner der Jabelhaide 1 ) - so hieß bis zu Ende des 17. Jahrhunderts der Landstrich zwischen Sude und Rögnitz (Meklenb. Jahrb. I, 7) - noch zu seinen Zeiten ihre wendische Sprache und meist auch wendische Gebräuche beibehalten hätten 2 ). Mit ihnen benachbart erhielten sich durch gleich ungünstige Bodenverhältnisse geschützt, am linken Elbufer in den lüneburgischen Aemtern Danneberg und Lüchow, am längsten die Wenden mitten unter den Deutschen: noch im vorigen Jahrhunderte sprachen sie ein verderbtes Wendisch, und Reste dieser Sprache sollen dort noch jetzt vorhanden sein 3 ).
Wenden wir nun unsere Betrachtung zu dem eigentlichen Slavenlande, demjenigen Theile Meklenburgs, der durch Herzog Heinrichs von den Umständen gebotenen Entschluß unter die Herrschaft seines angestammten Fürsten zurückgekehrt war: so war zwar mit Pribislav der nach so langen blutigen Kämpfen noch übrige Rest der alten slavischen Bevölkerung in seine frühere Heimath zurückgekehrt; aber eben die so sehr geschmolzene Zahl des slavischen Volksstammes führte hier, wenn auch allmähliger, zu denselben Resultaten, wie sie der westliche Theil des alten Wendenlandes uns bereits gezeigt hat. Die Bevölkerung Slaviens war auch wohl schon früher, ehe die letzte traurige Katastrophe über dasselbe hereinbrach, keineswegs besonders stark gewesen. Dies lag schon in der Lebensweise der alten Slaven. Der Ackerbau hatte bei ihnen nicht den Vorzug vor den übrigen Nahrungszweigen, sondern sie trieben ihn wohl nur grade so viel, als unumgänglich nothwendig war. Viehzucht und Jagd in den großen Wäldern und Brüchen, die das Land bedeckten, Fischerei in den zahlreichen Gewässern des Landes sagte ihnen mehr zu; wo sie die Seeküste nahe hatten, war Seeraub ihr Lieblingsgewerbe; Ackerbau ward wohl nur auf den kleineren, vom Walde freien Landstrecken betrieben: ihr Ackergeräth (der Haken) war leichter, als der deutsche Pflug und eignete sich nur zur Bearbeitung des leichteren Bodens, ihr Hufenmaaß (15 Morgen) nur halb so groß, als das deutsche, und nur den vierten Theil so groß, als das der Flamländer. Daher konnte ihnen statt des deutschen Zehnten nur
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ein weit geringerer Bischofszins aufgelegt werden, der ihnen zu entrichten aber dennoch schwerer fallen mochte, als dem deutschen Bauern der Zehnte. Die verheerenden Kriege Herzogs Heinrich hatten vollends den Ackerbau der Slaven ruinirt: ihre Dörfer waren niedergebrannt, ihre Erndten vernichtet worden. Wie es in dem verheerten Lande aussah, bezeichnet der Herzog selbst sehr deutlich, wenn er es, wie oben bemerkt, einen Ort des Schreckens und wüster Einöde nennt. Die Reste der Slaven, welche in ihrer alten Heimath saßen, zogen sich ganz in die Wälder zurück, und trieben das, was wir in Urkunden mit dem Ausdrucke Wald=Bau (cultura silvestris) bezeichnet finden, d. i. Viehzucht, Jagd und Fischerei.
Daß die slavische Nation allmählig selbst wieder erstarke, konnte nicht abgewartet werden, denn wer sollte das Land schützen? Slavien würde ein Spiel seiner Feinde geblieben und seine Bevölkerung vielleicht gänzlich ausgerottet sein. Sollte das Land dem Anbau wiedergegeben werden, sollte es zugleich im Stande sein, mit Erfolg gegen seine Anwohner sich zu vertheidigen, so war nur ein Mittel übrig, eben das, welches die westlichen Landestheile bereits wieder bevölkert hatte: fremde Anbauer mußten ins Land gezogen werden. Und wer konnten diese anders sein, als Deutsche, namentlich Sachsen? Aus den benachbarten slavischen Ländern die mangelnde Bevölkerung wieder durch Slaven zu ergänzen, war nicht ausführbar. Die südwärts anstoßenden Marken waren ebenfalls durch Krieg und die ihn begleitenden Uebel zu einer unzureichenden Bevölkerung herabgesunken; Pommern war einerseits durch die Polen und andererseits durch die Dänen furchtbar mitgenommen, und seufzte noch fortwährend unter König Waldemars Geißel. Die Dänen waren die alten Erbfeinde der Slaven zur See. Slavien war nun einmal ein dem Sachsenherzoge unterthäniges Land geworden: also durch Sachsen, die schon bis Schwerin vorgedrungen waren, die mangelnde Bevölkerung zu ersetzen, war die Maaßregel, die am nächsten lag und von den Umständen selbst geboten ward. Wir dürfen deshalb unsere slavischen Fürsten nicht anklagen, daß sie der Macht der Verhältnisse gewichen sind und durch eifrige Betreibung (sedula promotione, so nennen sie es selbst in den Urkunden) deutsche Einwanderer, nach dem Zeugnisse der Urkunden sowohl Geistliche, als Kriegsleute (milites, später: der Adel), sowohl Bauern als Handwerker, ins Land gerufen und dadurch ihre eigene Nation allmählig verwischt haben. Sie konnten nicht anders handeln, als sie gehandelt haben.
Daß die zusammengeschmolzene slavische Bevölkerung nicht im Stande sei, das Land gehörig wieder anzubauen, wird in
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Urkunden ausdrücklich als die Ursache dieser Maaßregel angegeben. Sie hätten Colonisten von nah und fern herbei gerufen, um das wüste und unwegsame Land dem Anbau wieder zu geben, erklären die Fürsten gradezu in einer Zeit, wo sie noch größtentheils nur von Edlen ihres Volkes umgeben waren. Nothwendig muß also diese Maaßregel, wohl gewesen sein. Woher sie diese neuen Anbauer des Landes herbei gerufen haben, sagen uns die Urkunden freilich nicht, in denen sie nur überhaupt als Deutsche bezeichnet werden. Aber die Sprache sagt es uns deutlich genug, welche bald durch sie im Wendenlande die herrschende ward: es ist die niedersassische Mundart, welche damals von der Elbe an bis zu den westlichen Gränzen Westphalens hin allgemein gesprochen ward. Aus diesen Ländern haben im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte die Länder längs der südlichen Küste der Ostsee bis nach Preußen hin zum großen Theile eine neue Bevölkerung erhalten: bis in die neu erbaueten Städte Preußens ist das Stadtrecht von Soest und Magdeburg vorgedrungen. Sachsen und besonders Westphalen hatten in jenen Jahrhunderten verhältnißmäßig nur wenig von verheerenden Kriegen gelitten: so war denn ihre Bevölkerung so angewachsen, daß sie den verödeten, jetzt dem Christenthume eroberten Slavenländern eine neue Bevölkerung geben konnten.
Uebrigens ist diese sächsische Einwanderung in Meklenburg nicht rasch erfolgt, wenn sie auch schon früh, unter Pribislav, begonnen hat, wenigstens lange nicht mit der Schnelligkeit, mit welcher Helmold das Land von der Eider bis nach Schwerin in eine sächsische Colonie sich verwandeln sah. Auch waren die Umstände nicht der Art, daß diese Einwanderung schnell hätte vor sich gehen können. Das Sachsenland ward bald selbst durch Herzog Heinrichs Uebermuth mit Verwirrung und Krieg erfüllt. Zwar machte im J. 1181 seine Verbannung dem ein Ende; aber Heinrich kam wieder und der Kampf entbrannte aufs neue. Inzwischen hatte sich auch im Slavenlande zwischen Pribislavs Sohne Borwin und seinem Brudersohne Niklot Krieg entzündet: er führte die Unterwerfung des Slavenlandes unter Waldemars Sohn Kanut herbei. Mit dem Ende des Jahrhunderts entbrannte der Kampf um die deutsche Krone zwischen Herzog Heinrichs Sohn Otto von Braunschweig und dem Hohenstaufen Philipp, zwischen dem Markgrafen von Brandenburg und dem Dänenkönige um die Oberherrschaft Pommerns. König Waldemar von Dänemark trat später gegen Kaiser Otto auf die Seite des jungen Friederich von Hohenstaufen, der ihm dafür das Slavenland förmlich überließ. Seine Macht schien hier für immer befestigt, als nach wenigen Jahrren die kühne That des Grafen Heinrich von Schwerin ihm
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ein Ziel setzte, und der Tag von Bornhövd der dänischen Herrschaft im Slavenlande für immer ein Ende machte.
Erst in den späteren Jahren Heinrich Borwins, des Vaters, scheint die sächsische Einwanderung ins Wendenland recht in den Zug gekommen zu sein, wenigstens sprechen aus diesen Zeiten urkundliche Belege dafür. Natürlich kamen die Einwanderer nicht auf einmal zu Tausenden herbei, sondern fast noch ein ganzes Menschenalter hindurch, bis gegen die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, dauerte der Zuzug. Urkunden bezeichnen diese Zeit als "die neue Anpflanzung" (novella plantatio) des Wendenlandes, spätere sprechen von der "ersten" oder "anfänglichen Anpflanzung und Ausradung" (prima oder primaeva plantatio et radicatio) 1 ). Ohne Härte gegen die Reste der slavischen Bevölkerung ging es dabei nicht ab. Die Deutschen verachteten die besiegten Slaven und mochten mit ihnen nicht beisammen wohnen. Die Slaven mußten weichen, oder wurden mit Gewalt ausgetrieben: so entstanden die gleichnamigen Dorfschaften Deutsch N. und Slavisch N., wofür später, als die slavische Bevölkerung sich völlig in die deutsche aufgelös't hatte, zum Theil die Bezeichnung Groß und Klein N. gebräuchlich ward. Begünstigung der deutschen Einwanderer vor den Slaven machte sich wohl wie von selbst, da die deutsche Bauernwirthschaft den Waldbau der Slaven so offenbar übertraf. Eine gewaltsame Auflehnung der Slaven gegen die deutschen Eindringlinge kommt nur ein Mal vor, und zwar gleich Anfangs, als das Heidenthum bei den Slaven noch nicht überwunden war, und auch von dieser Seite ihr Haß gegen die christlichen Einwanderer genährt ward.
Was aber den Deutschen bald durchaus das Uebergewicht über die Slaven sicherte, war die Erbauung deutscher Städte. Zwar hatte Pribislav die alten wendischen Burgen Meklenburg, Ilow und Rostock wieder hergestellt; auch pflegte sich unter dem Schutze solcher befestigten Plätze eine zahlreichere Bevölkerung des Handels und Verkehrs wegen anzusiedeln 2 ). Aber größere befestigte Städte kannten die Slaven wohl eigentlich nicht; diese
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sind im Wendenlande erst von den deutschen Einwanderern erbauet worden. Zum Theil machte sich wohl die Sache wie von selbst. Die Häfen von Rostock und Wismar zogen der Schifffahrt und des Handels wegen Ansiedler herbei: so hatte Rostock schon eine deutsche Bürgerschaft, als Heinrich Borwin ihr im J. 1218 das lübische Recht verlieh, und so wird Wismar schon früher (1211) als Hafenplatz erwähnt, ehe von einer Stadt dort die Rede ist. Dagegen, um in einer weniger durch ihre Lage und natürliche Beschaffenheit sich empfehlenden Gegend Städte anzulegen, mußten von fern und nahe ausdrücklich Einwanderer dazu berufen werden: das sagen uns die Stiftungsbriefe (oder deren Bestätigungen) dieser Städte, von Parchim, Plau, Goldberg und Grabow. Wenn man erwägt, welchen Einfluß überhaupt die Städte auf die Bevölkerung des sie umgebenden platten Landes üben, so wird man nicht bezweifeln, daß grade diese deutschen Städte im Wendenlande der deutschen Nationalität in Sprache und Sitten bald ein entschiedenes Uebergewicht über die Reste der slavischen Bevölkerung geben mußten. Ein eigentlicher Handwerkerstand war wohl unsern Wenden eben so fremd, als er noch zu Anfange des vorigen Jahrhunderts unter den rein slavischen Nationen war, denen er zum Theil mit Gewalt mußte aufgedrungen werden. Dieser ward mit seinem Innungswesen jetzt durch die Deutschen im Wendenlande eingeführt. Sie, die sich als die Sieger und Herren betrachteten, duldeten keine Slaven unter sich; noch zu Anfange des vorigen Jahrhunderts mußte, wer in eine Handwerkszunft wollte eingeschrieben sein, durch Zeugnisse erhärten, daß er nicht "wendischer Art" 1 ) sei. So kam das slavische Wesen völlig in Verachtung und Unterdrückung.
Bei Besetzung des platten Landes mit deutschen Colonisten und bei der damit verbundenen Unterdrückung der slavischen Bevölkerung und ihrer allmähligen gänzlichen Verschmelzung mit den Deutschen hat die einwandernde deutsche Geistlichkeit, besonders die von ihr gegründeten Klöster, große Thätigkeit entwickelt. Namentlich war es der in der schweriner Diöcese vorherrschende
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Cistercienser=Orden, der durch seine besondere Einrichtung in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle gespielt hat.
Der eigentliche Verkündiger und Begründer der christlichen Religion in den meklenburger Landen war Berno, der erste schweriner Bischof. Kaiser Friederich in der am 1. Januar 1170 zu Frankfurt erlassenen Bestätigung des schweriner Bisthums (Lisch, Meklenb. Urk. III, 19) rühmt, wie "ein geistlich armer Mönch, Namens Berno, allein mit dem Glauben Christi gewaffnet, und durch die Vollmacht und den Segen des Papstes Adrian gekräftigt, zu dem Heidenvolke jenseit der Elbe, das unter dem Fürsten der Finsterniß in der Finsterniß des Unglaubens und des Götzendienstes beschlossen war, als der erste Prediger zu unsern Zeiten gegangen sei." Die dem Berno dazu vom Papste Adrian IV. (von 1154 - 1159) ertheilte Vollmacht bestimmt ungefähr die Zeit, wann er sein Werk begonnen. Seit 1162 erscheint er in Urkunden als Bischof von Meklenburg, im J. 1167 war bereits durch Herzog Heinrich sein Bischofssitz von Meklenburg nach Schwerin verlegt. Berno war vordem Mönch im Cistercienser=Kloster Amelungsborn an der Weser gewesen 1 ): diesem Kloster und dessen Mutterkloster Campen am Rhein, so wie überhaupt dem Orden von Cistertium, ward durch Bischof Berno und seinen Nachfolger Brunward die Hauptrolle bei der Pflanzung und Befestigung des Christenthums in den meklenburger Landen, und damit zugleich auch bei Beförderung der deutschen Einwanderung zugetheilt 2 ). Ein Blick auf die besondere Einrichtung dieses Ordens wird uns dies Verhältniß sogleich klar machen.
Der heilige Robert hatte im Jahre 1098 die Regel von Cistertium (Citeaux, in der Diöcese von Chalons, 5 Stunden von Dijon) gegründet, und Papst Paschalis im Jahre 1100 sie bestätigt. Diese Regel war so ungemein strenge und nahm die Mönche so ausschließlich in Anspruch, daß man, um den Klöstern, welche sie befolgten, ihren Unterhalt zu sichern, auf eine anderweitige Auskunft bedacht sein mußte. Deshalb ward im Jahre 1114 zu Cistertium beschlossen, "daß die Mönche mit Erlaubniß ihres Bischofes weltliche Conversenbrüder (auch Laienbrüder genannt) annehmen sollten, die wie sie gehalten und als Diener besoldet werden sollten, weil sie nicht wußten, wie sie ohne diese Hülfe Alles nach der Vorschrift der Regel würden genau beobachten können. Sie faßten überdies noch den Entschluß, von
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der Wohnung der Menschen weit entlegene Ländereien, Weinberge, Wiesen, Holzungen, Gewässer zur Anlegung von Mühlen und des Fischfanges wegen, Pferde und andere zur Nothdurft des Lebens nöthige Thiere anzunehmen, und wenn sie wegen des Ackerbaues Vorwerke anlegen würden, so sollten die Conversenbrüder, und nicht die Mönche, die Aufsicht über selbige haben, weil die Mönche nach der Regel nur in ihrem Kloster wohnen dürfen. Sie wollten dem heiligen Benedikt nachahmen, der seine Klöster weder in Städten, noch in Dörfern, sondern an abgelegenen Oertern erbauet hatte, und, wie er, nur 12 Mönche mit dem Abte in jedem Kloster haben 1 )." Diese Einrichtung, und besonders der Eifer, mit dem der Orden die Anbauung wüste liegender Ländereien betrieb, Mühlen, Kalk= und Ziegelbrennereien, Gerbereien und dergleichen anlegte, verschafften ihm eine ungemein rasche Ausbreitung, so daß er in den ersten funfzig Jahren seines Bestehens bereits an 500 Abteien zählte. Ein besonderes Vorrecht ertheilte Papst Innocentius im Jahre 1132 dem heiligen Bernhard, der diesem Orden angehörte, noch dahin, daß er die Cistercienser für die Aecker, namentlich die novalia oder Radeländer, welche sie mit eigener Hand oder auf ihre Kosten baueten, von aller Zehntenleistung gänzlich befreit sein sollten 2 ).
Von Chistertium aus waren zunächst vier Tochterklöster gegründet, die mit der Mutter die Leitung des gesammten Ordens theilten, nämlich La Ferté, Pontigni, Clairvaux und Morimond. Das letztere, im Jahre 1115 in der Champagne an der Grenze von Lothringen gestiftet, gründete nach wenigen Jahren (1121) das berühmte Kloster Campen am Rhein (im cölnischen Amte Rheinberg, zwischen den Herzogthümern Cleve und Meurs und
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der niederländischen Provinz Geldern), welches seine Tochterstiftungen über das nordwestliche Deutschland, Dänemark und längs der Ostseeküste hin bis Lievland verbreitete. Von hier aus war schon gegen Ende des Jahres 1130 auf dem Auersberge, einer mäßigen Anhöhe in der Nähe der Weser, das Kloster Amelungsborn angelegt worden. Den ungemein wichtigen Einfluß dieser beiden Klöster auf unser Wendenland werden die folgenden Untersuchungen darthun.
Sollte das Christenthum in diesem Lande, welches bis dahin so hartnäckig im Heidenthume verharrt hatte, festen Fuß fassen, so war die Anlegung von Klöstern dazu das zweckmäßigste Mittel: man könnte sie die Citadellen der katholischen Christenheit nennen. Von allen geistlichen Orden eignete sich wohl keiner durch seine eigenthümliche Einrichtung mehr dazu, um in dem durch blutige Vertilgungskriege verödeten Wendenlande sich festzusetzen, als der von Bernhard von Clairvaux jetzt zu seiner größten Blüthe erhobene Orden von Cistertium. Der Bischof des für die Kirche jetzt eroberten Wendenlandes gehörte demselben an: es war natürlich, daß er alsbald darauf bedacht war, Klöster seines Ordens innerhalb seiner Diöcese anzulegen.
Dem Gestade der Ostsee nahe, zu Doberan, wo bisher heidnische Gräuel getrieben waren, bestimmte Berno den Herrn des Obotritenlandes, Pribislav, ein Kloster Cistercienser=Ordens zu gründen: im Jahre 1170 führte von Amelungsborn aus Abt Conrad den ersten Convent dort ein 1 ). Wäre der Stiftungsbrief dieses Klosters aufbehalten: so würden wir ohne Zweifel darin auch diese Bestimmungen antreffen: daß es den Klosterbrüdern erlaubt sein solle, Leute jedes beliebigen Volks und Handwerks in ihre Güter herbeizurufen und einzusetzen, so wie daß dieselben von allen Diensten, welche die andern Unterthanen den Vögten und Amtleuten des Landesherrn zu leisten verpflichtet wären, sollten befreit und allein dem Kloster zu Dienstleistungen sollten verbunden sein. Denn diese Bestimmungen werden wir von nun an fast in allen Stiftungs= und Bestätigungsbriefen der Klöster dieses Ordens antreffen; ein späterer Bestätigungsbrief des doberaner Klosters wird noch insbesondere darthun, daß schon Pribislav die genannten Berechtigungen diesem Kloster verliehen hatte. Sollte die einwandernde deutsche Geistlichkeit unter den halb mit Gewalt zum Christenthume bekehrten Wenden eines Theils ihres Lebens und Eigenthums sicher sein, andern Theils die ihnen verliehenen, meistens verwüsteten Güter gehörig anbauen und benutzen können, so mußten sie dieselben mit Bauern ihrer eigenen Nation besetzen
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können, und dazu gaben ihnen die erwähnten Bestimmungen das Recht.
Wie die noch übrige slavische Bevölkerung gegen die neue Religion und ihre Priesterschaft gesonnen war, that sich bald in einem sehr traurigen Ereignisse kund. Ihr Fürst Pribislav war todt, Herzog Heinrich bereits vom Kaiser geächtet und mit dem Erzbischofe von Magdeburg und dem Bischofe von Halberstadt in einer erbitterten Fehde begriffen: als die dem Götzendienste noch immer anhangenden Wenden in der Nacht des 10. November 1179 das Kloster zu Doberan überfielen, seine sämmtlichen Bewohner - gegen 78 an Zahl - erschlugen und das Kloster völlig zerstörten 1 ) Auf die Nachricht davon entbrannte der Abt Johann zu Amelungsborn von heiligem Eifer: er übergab sein Amt und führte selbst zum zweiten Male vom Mutterkloster einen Convent nach Doberan. Unter diesen Umständen erforderte es die Sicherheit der Klosterbrüder unumgänglich, mit deutschen Colonisten sich zu umgeben, und eine Urkunde legt auch alsbald Zeugniß ab, daß sie es gethan haben. Nikolaus, Fürst der Slaven, der Sohn des bei Malchow erhenkten Wartislav, ertheilte zu Rostock am 8. April 1189 dem nunmehr wieder hergestellten Kloster Doberan zwei Privilegien 2 ); in dem zweiten heißt es: "wenn die Leute ihres Hauses (Klosters) oder die Deutschen in ihren Dörfern eine Beschädigung erleiden würden, so sollen die Thäter mit dem Handbeil gerichtet werden;" und weiterhin werden erwähnt: "ihre Leute, die Gewerbetreibende sind, Pelzer, Schuster, Handelsleute, oder von anderen Gewerben." So brachten die deutschen Geistlichen zuerst deutsche Handwerker und Gewerbe in das Wendenland.
Ostwärts hatte Bischof Berno seinen Sprengel bis gegen Demmin hin über Circipanien (d. i. das Land zwischen Pene, Nebel, Reknitz und Trebel) ausgedehnt, welches damals unter der
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Landeshoheit des Herzogs Kasimar von Pommern=Demmin stand. Bei dem slavischen Burgort Dargun war die erste Capelle vom Bischofe geweiht worden. Die hier ansässigen slavischen Barone (so nennt sie die Urkunde), die Gebrüder Miregrav, Monik und Gotimar, gaben mit Bewilligung Herzog Kasimars ansehnlichen Grundbesitz her, um hier ein Kloster Cistercienser=Ordens zu errichten: im Jahre 1172 zog der erste Convent von dem Kloster Esrom aus Seeland her dort ein. Als Herzog Kasimar im Jahre 1174 die Stiftung des Klosters förmlich bestätigte, erklärt er: "Auch thun wir kund -, daß wir den vorgenannten Brüdern von Dargun freie Macht und vollkommene Freiheit gegeben haben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in dem Besitzthume der vorgenannten Kirche von Dargun, Deutsche, Dänen, Slaven oder Leute jedes beliebigen Volkes und Handwerkes, und die Handwerke selbst zu üben, Pfarrkirchen zu erbauen und Priester einzusetzen, sowie eine Schänke (taberna) zu halten, wie sie wollen, nach dem Brauche unseres oder des deutschen und dänischen Volkes. Auch lassen wir dieselben Leute, welche sie herbeirufen und einsetzen werden, frei von aller Auflage unserer Barone und aller, die ihnen und uns dienen, und von allem Dienste, der uns und ihnen nach dem Brauche unseres Volkes gebührt, nämlich von Erbauung der Burgen, Anlegung der Brücken und Ausbesserung beider, und von aller Heerfahrt, also daß sie niemanden irgend ein Dienst schuldigen, außer Gott und dem Kloster 1 )." Es ist diese die einzige Urkunde, welche einem Kloster ausdrücklich die Wahl zwischen deutschen, dänischen ober slavischen Bauern für seine Güter läßt: man sieht, das Schicksal der slavischen Bevölkerung in dieser Gegend war damals noch nicht enschieden.
Längere Zeiten hindurch schweigen nun die Urkunden über das Schicksal der alten einheimischen Bevölkerung, oder richtiger gesagt, es sind keine Urkunden vorhanden, welche uns Auskunft darüber geben könnten. Erst seit dem ersten Jahrzehent des dreizehnten Jahrhunderts mehren sich die Zeugnisse, welche einerseits die gewaltsame Austreibung der slavischen Einwohner, andererseits das fortwährende Einwandern deutscher Colonisten darthun.
Im Jahre 1210 schloß der Bischof von Lübeck wegen der vor dem wismarschen Hafen belegenen, zu seinem Sprengel gehörigen Insel Pöl einen Vertrag mit Heinrich Borwin, dem Fürsten des alten Obotritenlandes. In der betreffenden Urkunde erklärt der Bischof 2 ): "Wir wollen durch gegenwärtige Schrift kund thun, daß auf einer gewissen Insel unserer Diöcese, Pule
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genannt, die bis dahin von Slaven bewohnt war, da wegen der Armuth und geringen Anzahl der Leute dieses Volks, welche sie zu bebauen nicht im Stande waren, Fürst Heinrich von Meklenburg deutsche Colonisten versammelte, und er sich für diese hartnäckig widersetzte, daß uns nicht der rechtmäßige Zehnte, das ist die zehnte Garbe, bezahlt werden dürfte: so haben wir, in Betracht, daß es nicht sicher sei, mit dem zu streiten, der die große Menge auf seiner Seite hat, dafür gehalten, lieber in Frieden nachgeben zu müssen, und damit wir einiges im Wege der Güte erreichten, anderes aufopfern zu müssen geglaubt. Deshalb haben wir, auf den Rath des Herrn schweriner Bischofes Brunward und des Abtes Gottfried von Doberan, so wie unsers Capitels, von den Zehnten jener Insel, die von den deutschen Colonisten einkommen, die Hälfte dem genannten Fürsten zu Lehn überlassen, und derselbe wird dahin wirken, daß wir von der andern Hälfte den rechtmäßigen Zehnten fördersamst erhalten."
Auch in der Grafschaft Schwerin war die deutsche Einwanderung noch fortwährend im Gange: dieses beweiset eine Urkunde, durch welche im Jahre 1217 die Grafen Günzel und Heinrich von Schwerin und Graf Nicolaus von Halland dem Johanniter=Orden das Dorf Zülow (Sülsdorff) zum Geschenk machten. 1 ) Sie sagen darin, daß sie dem Orden das gedachte Gut mit eben der Freiheit und eben den Grenzen überlassen haben, welche sie den deutschen Anbauern zuvor bestimmt haben, die daselbst von ihnen eingesetzt werden sollen.
Fürst Pribislav hatte zwar, nachdem er durch Herzog Heinrich in sein väterliches Erbe wieder eingesetzt war, die urbs Rostock, wie sie Helmold nennt, wieder aufgebaut: aber unter urbs ist nach dem Sprachgebrauche jener Zeiten nicht eine Stadt, sondern nur ein befestigter Platz (Burg oder Schloß) zu verstehen. Die eigentliche Stadt Rostock verdankt erst seinem Sohne Heinrich Borwin ihre Gründung: am 24. Juni 1218 stellte dieser die Urkunde aus, wodurch er zur Erbauung dieser Stadt Vollmacht ertheilt und sie zugleich mit lübischem Rechte begnadigt. Bemerkt nun auch die Urkunde nicht ausdrücklich, daß eine deutsche Stadt hier solle gegründet werden, so geben doch die Worte der Urkunde an die Hand, daß die Bewohner derselben von auswärts kamen 2 ), und es ist dem früheren Bürgermeister dieser Stadt, Heinrich Nettelbladt, wohl nur gänzlich beizustimmen,
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wenn derselbe in seiner trefflichen Monographie: "Von dem Ursprunge der Stadt Rostock Gerechtsame .," Rostock für eine von Deutschen gegründete Stadt erklärt: die acht Rathmänner der Stadt, welche in der genannten Urkunde mitzeugen, tragen sämmtlich deutsche Namen.
In demselbigen Jahre 1218 bestätigte auch Heinrich Borwin "Fürst der Meklenburger und Kysssiner" die Privilegien des Cistercienser=Klosters zu Doberan. Hier heißt es denn ausdrücklich in der Urkunde 1 ): "Wir thun auch kund, daß wir den vorgenannten Brüdern freie Macht gegeben haben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in dem Besitzthum der vorgenannten Kirche, Leute jedes beliebigen Volks und Handwerks, so wie diese Handwerke auch zu betreiben. Auch lassen wir die Leute, welche sie herbeirufen und einsetzen werden, frei von jeder Auflage der Grafen, Vögte und Richter, von Erbauung der Burgen, so wie von Erlegung der Schosse und Zölle, und von aller Heerfahrt, so daß sie niemandem zu einer Dienstleistung verpflichtet sind, außer allein Gott und dem Kloster." Als im folgenden Jahre 1219 seine Söhne, Heinrich von Rostock und Nikolaus von Meklenburg, die schon mit dem Vater die Herrschaft theilten, auch ihrerseits diesem Kloster seine Privilegien bestätigten, erklären sie ausdrücklich, daß ihr Großvater Pribislav festgesetzt habe, daß, gemäß der dem Cistercienser=Orden verliehenen Freiheit, nicht allein die Brüder des Klosters selbst, sondern auch die zur Colonisirung ihrer Besitzungen herbeizurufenden Leute von allem ihm (dem Pribislav) zustehenden Rechte sollen frei und ledig sein 2 ). Diese Worte liefern einen hinreichenden Beweis für unsere Behauptung, daß diesem Kloster schon bei seiner Gründung durch Pribislav das Recht der Colonisation müsse beigelegt worden sein.
Inzwischen hatte Heinrich Borwin in seinen Landen, unfern der Burg Ilow, bereits ein zweites Cistercienser=Kloster für Nonnen dieses Ordens zu Parkow (d. i. Sonnenkamp) gegründet. Nachdem es hier, wie Kirchberg angiebt, schon ins achte Jahr bestanden, fand man es aber angemessener, im Jahre 1219 das Kloster unter dem Namen Sonnenkamp nach Kusczin zu verlegen. In der Stiftungsurkunde sagt Fürst Borwin, daß er diesem Kloster seine Güter zu demselben Rechte verliehen habe, wie das Kloster Doberan seine Güter besitze, also auch mit dem Rechte, Colonisten jedes beliebigen Volkes in seine Güter herbeizurufen. Wichtiger
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jedoch für unsern Zweck ist Bischof Brunwards Bestätigungs=Urkunde von demselben Jahre, worin es heißt: "Wir, um dem lobenswerthen Beginnen solcher frommen Fürsten nachzuahmen, da wir die zweite Stelle inne haben, wo der erste Bischof dieser Kirche, unser ehrwürdige Vorfahr Berno, die Götzenbilder ausgerottet hat, dem wir in der selbigen Arbeit nachgefolgt sind, in Erwägung, daß diese Freiheit 1 ) deshalb verliehen sei, damit dieses Land des Schreckens und wüster Einöde desto leichter mit Bewohnern versehen und das rohe Volk durch die Einwanderung Gläubiger zum Glauben überredet werde: so kommen wir zur Anregung ihres frommen Eifers in dem, worin wir es können, zu Hülfe und verleihen ihnen, was uns vom Zehntenrecht aus ihren Gütern und Vorwerken zuwachsen könnte, wenn sie auf ihre Kosten und durch ihre Arbeit den unbebaueten Wald werden ausgeradet haben 2 ), welches für neu zu gründende Klöster zu thun das lateransche Concil gestattet hat."
Nicht minder sprechend für unsern Zweck ist eine andere Urkunde dieses Bischofs aus demselben Jahre 1219, wodurch er dem St. Johannis=Kloster zu Lübeck die Hälfte des Zehnten aus den Dörfern Krempin und Schmakentin verkauft. Im Eingange derselben erklärt der Bischof 3 ): "Da nach der Pflicht unseres Amtes wir gehalten sind, Sorge zu tragen für alle Kirchen: so muß nothwendig, wo die Ernte groß und der Arbeiter wenig sind, die Liebe sich auch auf die Auswärtigen erstrecken, damit, wenn einer des andern Last trägt, wir Genossen haben an der Arbeit und am Trost. Deshalb, da einem großen Theile nach unsere Diöcese wegen der Barbarei der Slaven unbebauet war, und die Fürsten unseres Landes nicht nur Kriegsmänner und Ackerbauer (milites et agricolas), sondern auch Ordens=Geistliche herbeizogen, um den neuen Weinberg des Christenthumes anzubauen" u. s. w.
Um dieselbige Zeit etwa ist auch der Stiftungsbrief der Stadt Parchim durch Heinrich Borwin den Sohn zu setzen 4 ), der ebenfalls für unsern Zweck sehr bemerkenswerthe Stellen enthält. Der Eingang der Urkunde lautet 4 ): "Wir Heinrich Borwin von Gottes Gnaden Herr von Rostock - thun
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kund, daß wir von der göttlichen Erbarmung begünstigt und durch unsere fleißige Betreibung das Land Parchim, ein wüstes und unwegsames Land, ein Land dem Dienste der bösen Geister ergeben, christlichen Anbauern überlassen haben, sowohl von fernen, als von benachbarten Gegenden sie einladend. Auch haben wir in derselben Landschaft eine Stadt erbaut" u. s. w. 1 ) Dann folgen die Gerechtsame, welche er der Stadt Parchim verleiht, und hier heißt es gegen das Ende: "Wenn jemand sterben sollte, dessen Söhne bei Lebzeiten des Vaters ihre Güter nicht empfangen haben: so sollen ihnen die Güter gewährt werden, die ihre Väter von der Heidenzeit und dem Wald=Bau her besessen haben." Der Sinn dieser Worte kann wohl nur der sein, daß die Söhne dann alle Güter empfangen sollen, welche ihre Väter besessen haben, seitdem das Heidenthum und der Wald=Bau hier ein Ende genommen. Schwieriger ist zu bestimmen, was unter dem Ausdruck cultu silvestri, den ich durch Wald=Bau wiedergegeben habe, zu verstehen sei, Clemann und frühere erklärten ihn durch Hain (Opfer)=Dienst, und bezogen ihn auf den bei den Slaven gebräuchlichen Götzendienst in Wäldern. Doch dies ist wohl irrig; vielmehr ist wohl die Lebensweise der durch die Vertilgungskriege Herzogs Heinrich so sehr zusammengeschmolzenen slavischen Bevölkerung damit bezeichnet, die sich in die Wälder zurückgezogen hatte, und hier von Jagd, Fischerei, Viehzucht und spärlichem Ackerbau an lichten Waldstellen sich nährte. Vielleicht lies't das noch erhaltene Original dieser Urkunde auch deutlicher 2 ): a paganismo et cultura silvestri, wie in der Bestätigung dieser Urkunde vom Jahre 1238 3 ) und in andern Stiftungsbriefen diese Formel beständig lautet.
Ein noch deutlicheres Zeugniß von dem traurigen Schicksale der besiegten slavischen Bevölkerung legt um diese Zeit eine Urkunde aus dem entlegensten Theile der schweriner Diöcese ab. Dieser war das Land Tribsees oder das sogenannte Festland Rügen, welches sich jenseit der Reknitz bis zum Rykflusse bei Greifswald hin erstreckte. 4 ) Auch hier war in Folge der ver=
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heerenden Kriege (König Waldemar hatte grade diese Gegenden in den siebenziger und achtziger Jahren des zwölften Jahrhunderts vorzugsweise arg mitgenommen) die slavische Bevölkerung sehr schwach geworden, und die Vortheile des bessern Anbaues des Landes durch deutsche Colonisten sprangen so sehr in die Augen, daß man sich entschlossen hatte, deutsche Anbauer herbeizurufen. Am 24. November 1221 stellte zu Tribsees Fürst Witzslav eine Urkunde aus 1 ), worin er bekennt: "daß als für die deutschen Anbauer gehandelt ward, welche das Land Tribsees bewohnen, über den Zehnten, welcher auf deutsche Weise entrichtbar dem schweriner Bischofe zusteht, der Herr Bischof und ich dieser Gestalt übereingekommen sind, daß ich Witzslav dem schweriner Bischofe ein Dorf mit 12 Hufen in dem vorgenannten Lande überließe. - - - Dafür hat der Herr Bischof von 120 Hufen den ganzen aufkommenden Zehnten mir zu Lehnrecht gewährt. Auch soll der Herr Bischof gehalten sein, von dem übrigen Theile desselben ganzen Landes den Schulzen eines jeden Dorfes mit dem Zehnten einer Hufe von seinem Antheil zu belehnen. Von allen andern Hufen durch das ganze oft genannte Land, soll die eine Hälfte des Zehnten zur Nutzung des Bischofes kommen, der übrige Zehnte ist mir zu Lehn übertragen. Ueberdies, wenn die Waldungen und der Raum wüster Einöde (locus vaste solitudinis), wo früher kein Dorf gelegen war, nachdem die Bäume weggehauen und das Gestrüpp ausgeradet worden, werden zum Ackerbau gebracht worden sein, so sollen zwei Theile des Zehnten auf mich kommen, und der dritte Theil auf den Herrn schweriner Bischof. Auch sei allen kund, daß wenn der Herr Bischof und ich werden das Land mit dem Meßseil ausgemessen haben, was wir dann an Land gewonnen haben, unbeschadet der vollen Zahl der einem jeden Dorfe angewiesenen Hufen, davon wollen wir den Zehnten gegenseitig theilen. Uebrigens hat der Herr Bischof von der Abgabe der Slaven, die Biskoponitza heißt, nämlich derer, welche den Deutschen, die jene Aecker bebauen, gewichen sind, aus dem andern Theile des Schlosses Tribsees, den dritten Theil des Zehnten mir zu Lehnrecht überlassen. Von denen aber, die noch mit den Deutschen wohnen, soll der ganze Zehnte zur Nutzung des genannten Herrn Bischofs kommen. Wenn aber der ungünstigste Fall eintreten sollte, was Gott verhüte, daß das berührte Land in seinen frühern Zustand zurückkehrte,
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so daß nach Vertreibung der Deutschen, die Slaven wieder das Land zu bewohnen anfingen: so sollen sie den Zins, der Biskopunitza heißt, dem Bischofe gänzlich bezahlen, wie vordem."
Der befürchtete Fall, daß die Deutschen durch die Wenden wieder möchten vertrieben werden, trat freilich nicht ein; vielmehr die Herbeiziehung deutscher Anbauer zur weitern Urbarmachung des Landes nahm auch hier ihren Fortgang. Davon zeugt eine andere Urkunde, welche Fürst Witzslav am 8. November 1231 ausstellte 1 ). Er übertrug durch dieselbe "dem Cistercienser=Orden zu Handen des ehrwürdigen Mannes Herrn Arnold, Abtes zu Campen, zur Erbauung einer Abtei desselben Ordens" in der Umgegend von Richtenberg, wo demnächst das Kloster Neuenkamp sich erhob, drei Dörfer und 300 Hufen Waldes auszuraden (trecentos mansos nemoris exstirpandos). Ausdrücklich bestimmt die Urkunde wieder: "Wir haben auch den vorgenannten Brüdern die Macht gegeben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in dem Besitzthume der vorgenannten Kirche, Leute jedes beliebigen Volkes und Handwerks, und diese Handwerke zu betreiben, mit Ausnahme unserer Unterthanen, welche sie nicht anders als mit unserer Bewilligung herbeirufen dürfen. Auch lassen wir die Leute, welche sie herbeirufen und mit denselben dienenden Brüdern (den Conversen oder Laienbrüdern des Ordens) einsetzen werden, und die übrigen, welche in den Gütern der Kirche wohnen, frei von allem Rechte und aller Auflage der Grafen, Vögte und Richter, von Erbauung der Burgen, so wie von Beitreibung der Schosse und Zölle, so daß sie niemandem irgend eine Dienstleistung schuldig sind, außer allein Gott und dem Kloster. Jene Clausel, daß die Mönche in ihre Güter nicht Witzslavs eigene Unterthanen ohne seine Erlaubniß herbeirufen sollen, läßt vermuthen, wie schwach bevölkert sein Land im Ganzen noch sein mußte. Unter den Zeugen der Urkunde ist übrigens Bischof Brunward von Schwerin der erste: vielleicht hatte er diese Schenkung an das Mutterkloster von Amelungsborn vermittelt.
Abt Arnold von Campen aber scheint bei seiner Anwesenheit im Wendenlande - vielleicht auf einer Visitations=Reise der von Campen abstammenden Klöster in Norddeutschland - überhaupt die Fürsten Slaviens zur Dankbarkeit gegen sein Kloster, von dem aus sich das Christenthum und größere Cultur in ihren Landen verbreitet, gestimmt zu haben. Am 28. De=
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cember 1232 verlieh Güstrow Herr Nikolaus von Rostock (oder von Werle, wie er sich später nannte) "den Brüdern der Campenschen Kirche Cistercienser=Ordens" 50 Hufen mit dem See Kotze (dem Mönchssee bei Wredenhagen), mit allen Freiheiten und Immunitäten, gemäß den Privilegien der doberaner Kirche; Abt Gottfried von Doberan ist der erste Zeuge 1 ). Aber auch das amelungsborner Kloster, die eigentliche Mutter der schweriner Diöcese, sollte nicht leer ausgehen. Am 10. August 1233 stellte Herr Nikolaus von Rostock eine mit der vorerwähnten gleich formulirte Urkunde aus, wodurch er den "ehrwürdigen Brüdern der amelungsborner Kirche Cistercienser=Ordens" 60 Hufen am See Drans (in der Prignitz südwärts an die Campenschen Klostergüter grenzend) übermacht, ebenfalls nach den Privilegien der doberanschen Kirche zu besitzen. Zu verstehen ist hierunter das Recht fremde Colonisten in diese Güter herbeizuziehen, und die Befreiung derselben von den sonst üblichen Unterthänigkeitslasten, wie denn eine zweite, unter demselben Datum ausgefertigte Urkunde 2 ) wieder ausdrücklich festsetzt: "Auch haben wir den Brüdern der genannten Kirche die Macht gegeben, zu sich zu rufen und einzusetzen, wo sie wollen in der vorgenannten Besitzung, Leute jedes beliebigen Volkes und Handwerks und dieselbigen Handwerke zu üben. Auch lassen wir die Leute, welche sie herbeirufen und einsetzen werden mit denselben dienenden Brüdern, und die übrigen, welche in diesen Gütern wohnen, für beständig frei und unbelästigt von allem Vogtei=Rechte und von allen Auflagen der Grafen und der unser Recht ausübenden Vögte und Richter, von Erbauung der Burgen, wie von jeder Beitreibung der Schosse und Zölle und von aller Heerfahrt, so daß sie niemandem irgend eine Dienstleistung schuldigen, außer allein Gott und dem amelungsbornschen Kloster. Ueberdies haben wir auch den Brüdern derselben Kirche die richterliche Gewalt über alle, die ihnen dienen, und die Anbauer und die übrigen, die in ihren Gütern wohnen, in jeder Sache gegeben".
Indeß hatten auch schon die Vorfahren des Herrn Nikolaus von Werle dem Kloster zu Amelungsborn sich dankbar bewiesen: dies erhellt aus einer Urkunde, welche Nikolaus im J. 1244 zu Röbel ausstellte 3 ). Er erklärt darin, daß sein Vater Heinrich von Werle und sein Großvater Heinrich Borwin der Kirche zu Amelungsborn, "darum weil die Brüder dieser Kirche
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die ersten Vertilger der Götzenbilder im Wendenlande gewesen 1 ), gewisse Güter zu Satow (südwärts von Doberan, auf dem halben Wege zwischen Neu=Bukow und Schwan) verliehen hätten. Nun hatte das Kloster den Zehnten in den satowschen Gütern von Bischof Brunward gegen das Dorf Wokrente eingetauscht; es war aber seit längerer Zeit zwischen dem Abte von Amelungsborn und den benachbarten Gutsbesitzern Streit über die Grenzen von Satow gewesen, den Nikolaus von Werle im J. 1244 durch seinen Truchseß Heinrich Gamm hatte entscheiden lassen. Aus den in der Urkunde aufgeführten Grenzbestimmungen geht hervor, daß die Conversen zu Satow noch dabei beschäftigt waren, das Land umher durch Ausraden urbar zu machen (novellare), und die Grenzbestimmungen wurden so getroffen, daß sie dabei nicht etwa zu weit greifen möchten.
In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts muß die Urbarmachung des Landes, das Herbeiziehen fremder Colonisten und theilweise Verdrängen der Slaven in vollem Gange gewesen sein. In derselben Gegend, wo Nikolaus von Werle den Klöstern Campen und Amelungsborn Güter verliehen, südwestlich von der Müritz, erhielt damals auch das Kloster Doberan 50 Hufen von ihm angewiesen, nämlich bei Zechlin. Diese Schenkung muß schon vor 1237 statt gefunden haben, denn am 14. Februar 1237 verlieh schon Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Doberan den Zehnten von den 50 Hufen, welche Herr Nikolaus von Werle dem Kloster im Lande Turne zu Zechlin geschenkt habe 2 ). Die Schenkungsurkunde selbst aber ward erst am 29. December 1243 zu Güstrow durch Nikolaus von Werle ausgefertigt 3 ). Natürlich enthält sie wieder die Bevollmächtigung zur Berufung fremder Colonisten, nur noch mit dem Zusatz: "ob sie entweder durch ihre eignen Conversen oder durch andere weltliche Leute denselbigen Grund und Boden anbauen wollen, darüber haben wir ihnen völlig freie Macht gegeben. Auch sollen die Leute jedes beliebigen Volks und Handwerkes, welche die Brüder der vorgenannten Kirche herbeirufen werden, Vollmacht haben, diese Handwerke in der vorgenannten Besitzung auszuüben" u. s. w. Dieselbe Zusatz=Clausel ertheilte Nikolaus von Werle 14 Tage später zu Röbel auch dem Kloster Amelungsborn für seine Güter zu Drans 4 ).
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Die Befugniß, fremde Colonisten in ihre Güter herbeizurufen, würden wir ohne Zweifel in den Stiftungsbriefen der beiden andern Cistercienser=Klöster der schweriner Diöcese, Dobbertin (vor 1226) und Rühn (1233), enthalten finden, wenn diese Stiftungsbriefe noch erhalten wären. Jedoch ein Paar für unsern Zweck sehr sprechende Stellen bieten uns noch die Urkunden des Klosters Sonnenkamp dar. Am 5. Januar 1235 schenkte Bischof Brunward diesem Kloster in allen Gütern, welche, demselben durch Heinrich Borwin und seine Erben verliehen worden, "alles, was uns an Zehnten von den Dörfern und Vorwerken der Klosterjungfrauen zuwachsen kann, wenn sie auf ihre Kosten und mit ihrer Arbeit den unbebaueten Wald werden ausgeradet haben (incultam silvam a novalibus exstirpaverint 1 ). Am 21. Mai 1236 erklärt derselbe Bischof: "auf Anhalten unsers geliebten Herrn Adam, Propstes zu Sonnenkamp, haben wir unser Dorf Bobelin, welches wir für unsern Zehnten in Boidewitzdorf von Herrn Johann von Meklenburg durch Tausch besessen haben und das wir wegen der Verwüstung der Slaven, die von dort vordem ausgetrieben waren 2 ), an Ackerbauer, um es anzubauen, auszuthun mehrere Jahre lang nicht im Stande waren, der heiligen Versammlung der Dienerinnen Christi im Kloster Sonnenkamp freigebig verliehen, um es beständig zu besitzen".
Ein nicht minder deutliches Zeugniß für jene Zustände legen denn endlich die uns aus jenen Zeiten noch aufbehaltenen Stiftungs= oder Bestätigungsbriefe mehrerer Städte ab. Im J. 1235 erklärten zu Plau die Gebrüder Johann, Heinrich, Nikolaus und Pribislav von Werle: "wir thun kund, daß von der göttlichen Erbarmung begünstigt unsere Väter seeligen Andenkens durch fleißige Betreibung das Land Plau christlichen Anbauern überlassen haben, dieselben sowohl von fernen, als von nahen Gegenden zu sich einladend. Sie haben in derselben Provinz auch eine Stadt erbauet" u. s. w. 3 ). Nun folgen die Rechte, welche der Stadt verliehen worden und welche jetzt von den Ausstellern der Urkunde bestätigt werden; auch hier kommt, wie in den parchimschen Rechten, die Bestimmung vor: "Wenn jemand sterben sollte, dessen Söhne bei Lebzeiten des Vaters ihre Güter nicht empfangen haben, so
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sollen ihnen alle die Güter gewährt werden, die ihre Väter und deren Vorfahren von der Heidenzeit und dem Waldbau her (a paganismo et cultura silvestri) besessen haben". Hier zeigt das eingeschobene: "und deren Vorfahren", welches in dem parchimschen Stiftungsbriefe nicht steht, daß man jetzt schon um ein Menschenalter weiter von der Heidenzeit entfernt war, und nur noch theilweise die Väter sie gesehen haben mochten. Ganz derselben Formel bedient sich Pribislav von Parchim, als er einige Jahre später (1238) dieser Stadt ihre von seinem Vater ihr verliehenen Rechte bestätigt: "Jedermann thun wir kund, daß von der göttlichen Erbarmung begünstigt unsere Väter seeligen Andenkens durch fleißige Betreibung das Land Parchim christlichen Anbauern überlassen haben, dieselben sowohl aus fernen, als nahen Gegenden einladend, in derselbigen Provinz eine Stadt erbauet haben u. s. w. 1 ). Dann werden wörtlich die parchimschen Rechte aus der oben angeführten Urkunde wiederholt, nur daß in dem Artikel von dem Erbtheil der Söhne, wie schon bemerkt, nicht "cultu", sondern "cultura silvestri" steht. Mit völlig gleich lautender Eingangsformel ist auch die von Pribislav im J. 1248 ausgestellte Bestätigung der von seinen Vätern der Stadt Goldberg verliehenen Rechte 2 ): "Jedermann thun wir kund, daß von der göttlichen Erbarmung begünstigt unsere Väter seeligen Andenkens durch fleißige Betreibung das Land Parchim christlichen Anbauern überlassen haben, dieselben sowohl aus fernen als aus nahen Gegenden einladend, in derselbigen Provinz die Stadt Goldberg erbauet haben" u. s. w., wie denn auch die Stelle: "welche ihre Väter von der Heidenzeit und dem Waldbau her (a paganismo et cultura silvestri) besessen haben," grade so, wie in der vorerwähnten Urkunde lautet. Zu diesen Zeugnissen kommt denn endlich noch der Stiftungsbrief von Grabow hinzu, in welchem die Eingangsformel zwar anders lautet, weil die Urkunde von einem andern Landesherrn ist ausgestellt worden, aber die Beweiskraft dieselbe bleibt. Am 2. Januar 1250 stellte zu Grabow Graf Volrad von Danneberg eine Urkunde aus, worin es heißt: "Wir - thun kund, daß wir, nach reiflicher Ueberlegung und nach gepflogenem Rath un=
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serer getreuen Ritter und Vasallen, zur Vertheidigung und zum Schutz unserer Lande und zur Stärkung und Vermehrung unserer Herrschaft, eine Stadt Namens Grabow in den Grenzen und Scheiden unsers Landes gegründet und an dem Fluß Elde erbauet haben, und von fernen Gegenden und den Enden der Welt die Christgläubigen zur Besitznahme der genannten Stadt Grabow herbeigerufen haben" 1 ).
Die im Voraufgehenden beigebrachten urkundlichen Zeugnisse thun meiner Meinung nach zur Genüge dar, daß im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte mehrere Menschenalter hindurch in Meklenburg, sowohl in den Städten, als auf dem platten Lande, Einwanderung von Deutschen (und zwar dem Mehrtheil nach von Niedersachsen) stattgehabt hat, so daß mit der Zeit die Zahl der deutschen Einwanderer so sehr anwuchs, daß die Ueberbleibsel der alten slavischen Bevölkerung unter den eingewanderten Deutschen gänzlich verschwinden und ihre Nationalität sich in die der Deutschen völlig auflösen mußte. Slavien ward ein deutsches Land, nur der Name blieb. Befördert und beschleunigt ward der Untergang der slavischen Bevölkerung allerdings auch dadurch, daß man nicht anstand, wie die voraufgehenden Zeugnisse ebenfalls beweisen, die Slaven mit Gewalt aus ihren alten Wohnsitzen zu vertreiben. Völlig ausgerottet sind sie freilich nicht, aber ihre immer geringer werdende Anzahl hat sich mit der Zeit unter der immer anwachsenden Menge der deutschen Bevölkerung gänzlich verloren. Erwähnung der noch hin und wieder übrigen Slaven ist in den Urkunden äußerst selten 2 ). Das allmählige Verschwinden der Slaven unter den immer mehr überhand nehmenden Deutschen giebt ebenfalls in den Urkunden sich uns deut
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lich zu erkennen, nämlich in den Zeugen, welche die Urkunden der Fürsten Slaviens während dieses Zeitraums aufführen. In den Urkunden Nikolaus I., Heinrich Borwins I. und seiner Söhne Heinrich Borwin II. und Nikolaus II. sind die slavischen Namen der Zeugen vor den deutschen Namen noch überwiegend; in den Urkunden der vier Söhne Heinrich Borwins II. ist dies Verhältniß durchaus umgekehrt. Die slavischen Namen verschwinden in denselben rasch und fast gänzlich; nur einzelne bald kenntlich heraustretende Landestheile zeichnen sich in der Bewahrung slavischer Namen aus. Des Interesses wegen, welches der Gegenstand hat, verzeihe man es mir, wenn ich aus den mir zu Gebote stehenden Urkunden der genannten Fürsten die sämmtlichen Laienzeugen 1 ) hier folgen lasse, um dadurch meine Behauptung gleichsam augenscheinlich darzuthun.
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Laienzeugen aus den Urkunden Nikolaus I., Heinrich Borwins I. und seiner Söhne Heinrich Borwins II. und Nikoaus II.
1189, am 8. April, zu Rostock: Nicolaus Slavorum princeps verleiht dem Kloster Doberan das Vorwerk Wilsne zu demselben Rechte, zu dem sein Vaterbruder Pribislav dem Kloster alle seine Güter verliehen, Zeugen: Henricus Buruwe princeps de Michelenburc, Sirizlaf Recis, Wolcouiz 1 ), Uencegur, Rademir, Bruno de Chubanze, Gerardus Prelle. (Diplom. Doberan. Nr. I. in Westphalen Monum. ined. III. - Gerardus Prel auch Diplom. Dargun. N. 2.) [Berichtigt. L. ]
1192: Henricus Burewinus Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps bestätigt die Verleihungen seines Vaters Pribislav an das Kloster Doberan. Zeugen: Slavi Venciko, Woywoto, Martinus, Damascho, Paliz, Gusiz, Vriz. (Diplomat. Doberan. Nr. 3.) [Berichtigt. L. ]
1210: Vergleich zwischen Bischof Dietrich und Heinrich Borwin wegen des Zehnten von der Insel Pöl. Zeugen: de laicis Heinricus Damasc slauus, Uffo et frater eius Jerdagh. (Diplomat. Doberan. Nr. 4.) [Berichtigt. L. ]
1218: Henricus Burewinus Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps bestätigt die Privilegien des Klosters Doberan. Zeugen: Johannes de Snakenburch, Rawelinus, Sziso slauus, Lodewicus. (Diplom. Doberan. Nr. 5.) [Berichtigt. L. ]
1218, am 24. Juni: Borwinus dominus Magnopolensis stiftet die Stadt Rostock - dominacionis nostre majoribus tam Slauis quam Theutonicis presentibus, episcopo nostro Brunwardo videlicet viro religiosissimo interposito, Thetleuo de Marlowe, Jordano, Hermanno capellano, Zlauteich, Janeke, Heinrico Gamma, Wartis, Johanne de Snakenburgh, Raulino, Hinrico Grubone, Hughone abbate de Doberan
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universalique conventu ibidem, Stephano sacerdote, Dummemaro, Pribolo, Bizprawe, Thoma, Aluerico preposito, Hermanno de Rodenbeke, Heinrico Holtzato, Nacono, Janike Germeritz, Wentslawo, magistro Woltero de Bucoe, ejusdem opidi consulibus Heinrico Fabro, Heinrico Pramule, Hermanno, Rodolfo, Ludero, Bertramo, Wyzelo, Lamberto, Bodone, Heinrico Lantf. (Vom Ursprunge der Stadt Rostock, Anlage I.) [Berichtigt. L.]
1219: Borwinus Magnopolitanus dominus verleiht dem Michaelis=Kloster zu Lüneburg das Dorf Cesemow. Zeugen: de laicis Janick, Stoyzlavitz, Zlavotech, Neopra, Heinricus, Jermeriz, Thidericus de Godebuz, Johannes de Snakenborg. (Meklenburg. Jahrb. II, 291. VI, 172.)
1219: Heinricus Burwinus princeps Slavorum gründet das Kloster. Sonnenkamp. Zeugen: de laicis Thetlevus de Godebuz, Ludolfus de Ganzowe, Heilardus de Vifle, Heinricus Holtsatus, Raulinus, Dummamir, Wartis, Pribus, Zise, Nacon, Newoper, Janich, Merezlaf. (Diplomat. Soliscamp. Nr. I. in Lisch mekl. Urk. II. )
1219: Heinricus de Rozstock und Nicolaus de Magnopoli bestätigen die Privilegien von Doberan. Zeugen, laici: Janic Stoizlauiz, Zlautech, Henricus Gamme, Jordanus miles de Wrle, Weiuuote, Niwoper, slavi, Eilardus advocatus de Godebuz, Thidericus miles de Netsen. (Diplomat. Doberan. Nr. 6.) [Berichtigt. L. - Im Originale steht bei den Namen dort ein Punct, wo hier ein Komma steht. L.]
1222, am 7. Juni: Borewinus Magnopolensis dominus stiftet das Gotteshaus St. Antonius zu Templin. Zeugen: laici Niewopre, Theodericus dapifer, Heinricus Holtzate, Theodericus de Dibawe, Petrus de Griwole, Baroldus de Lubowe, Hermannus Niclot. (Rudloff Urk. Lieferung Nr. 2.) [Berichtigt. L.]
1222, am 8. Juli, zu Ratzeburg: Henricus senior Borwinus Magnopolensis und seine Söhne Heinrich und Nicolaus errichten einen Vertrag mit dem ratzeburger Bischofe. Zeugen: Reinfridus, Otto Albus, uterque Reinboldus (ratzeburger Vasallen), Volmarus, Eilardus de Godebutze, milites, Conradus advocatus, Hermannus dapifer. (Diplomat. Ratzeb. Nr. 32.)
1223, am 29. December (rege Dacorum Waldemaro captivato) zu Meklenburg: Borchwinus dominus Magni-
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polensis verleiht dem havelberger Domcapitel das Dorf Gartz. Zeugen: de laicis Theodoricus dapifer, Henricus Soltwedel, milites. (Rostocker Nachr. Beil. von 1824, S. 165.)
1226, am 3. Juni, zu Güstrow: Henricus dominus de Rozstock stiftet das Domcapitel zu Güstrow. Zeugen: laici Buriwinus pater meus, Heinricus comes de Zuerin, Johannes Ztoyzlaf, Johannes de Snakenborch, Heinricus Gamme dapifer curie, Jordanus, Heinricus Grubo, Baroldus, Engelbertus, Lippoldus. (Thiele, Domkirche zu Güstrow, Anl. A.) [Berichtigt. L.]
1226, am 11. August, zu Rostock: Burwinus dominus Magnopolensis bestätigt die Stiftung des Domkapitels zu Güstrow. Zeugen: laici carissimus filius noster Heinricus fundator ecclesie predicte, Reinbertus de Clodene, Thidericus Paganus, Yo, Henricus Gambe. (Thiele, Domkirche zu Güstrow, Anl. B.) [Berichtigt. L.]
Laienzeugen aus den gemeinschaftlichen Urkunden der Söhne Heinrich Borwins II.
1226, am 15. Februar, zu Lübeck: Johannes, Nicolaus und Heinrich, Gebrüder, Herren von Rostock, ertheilen der Stadt Lübeck Zollfreiheit. Zeugen: dominus Thetleuus de Godebuz, Johannes de Snakenburch, Heinricus Gamme, dapifer, Sigebodo de Holthorp, Brunwardus de Butzowe, Heinricus cognatus domini Thetleui, Bernardus advocatus, Conradus advocatus. (Lübecker Urk. Buch I, Nr. 33.)
1227, am 3. December, zu Güstrow: Johannes, Nicolaus, Heinrich und Pribislav, Gebrüder, Herren von Meklenburg, schenken dem Johanniter=Orden 60 Hufen im Lande Turne. Zeugen: laici Zlawotech de Malegowe, Gotimerus et Johannes frater suus de Havelberch, Unizlaus castellanus de Robole, Heinricus Gamba dapifer, Jordanus, Heinricus Grubo, Baroldus, milites, castellani de Guztrowe (Meklenb. Jahrb. II, 215).
1228, am 25. October, zu Güstrow: Dieselben bestätigen der Stadt Güstrow das schwerinsche Recht. Zeugen: Gampa dapifer, Jordanus, Heinricus Grubo, Baroldus, Conradus, castellani de Guztro, Bruno, Hinric. Advocatus, Johannes Cocus, Arnoldus Sagittarius, Fr. Daniel institor, cives in Guztrow. (Besser, Beiträge zur Gesch. von Güstrow, S. 243, berichtigt.)
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1230, am 30. October: Vertrag zwischen Johann von Meklenburg, Nicolaus von Rostock und ihren Brüdern einer= und dem Grafen Günzel von Schwerin andererseits: Testes et promissores: Bernadus comes de Dannenberch, d. Johannes Magnopolensis et Nicolaus d. de Roztoch, Alardus Gans, Thetlephus de Godebuz, Johannes de Snakenborch, Thetlephus iuvenis, Wernerus de Netelenborch, Petrus de Gansethorp, Unizlaus, Johannes de Balisen, Egkehardus Hane, Otto Bersarius, Otto Bawarus, Salomon, Johannes de Crupelin, Heinricus de Roma, Nicolaus de Brusevitz, Godescalcus nepos d. Thetiephi, Johannes de Bulowe, Conradus de Suinga, Jordanus de Poterowe. (Lisch, Han'sche Urk. I, 8.)
1231, am 28. November, zu Rostock: Johann und Pribislav von Meklenburg und Nicolaus und Heinrich von Rostock bestätigen die Privilegien von Doberan. Zeugen: Heinricus comes Ascharie, Thetlephus de Godebuz, Johannes de Snakenburg, Heinricus Gammo dapifer, Brunwardus castellanus de Marlowe, Heinricus de Ungerede, Bertrammus castellanus de Roztoch, Gerhardus dapifer, Sygebodo de Holthorpe, Godefridus de Bulowe, Hermannus et Gunterus fratres, Heinricus Wargus, milites. (Diplomat. Doberan. Nr. 7.) [Berichtigt. L.]
Aus Urkunden von Johann und Pribislav gemeinschaftlich oder Johann allein.
1229, am zweiten Pfingsttage: Johann von Meklenburg über den Bau von 4 Capellen zu Parchim. Zeugen: Ditlevus de Godebuz, Godofridus de Bulowe, Hanno (I. Nanno) de Lensyn. (Cleemann, Chronik von Parchim, S. 108.)
1229, bei Wismar: Johann von Meklenburg bestimmt die Grenzen von Wismar. Zeugen: d. Brunwardus et d. Detlevus iuvenes, Helias Ritzo, Hermannus de Dortmunde, Enghelbertus monetarius, Hermannus Vorrad et suus gener Didericus, Johannes Pinguis, Gherwinus de Buckowe, Leuerus, Tedolfus Halfpape, Clemens et Gherwinus monetarii, Conradus et Marquardus, Hermannus et Titmarus. Item testis d. Alardus Gans et d. Gherardus de Snakenborg, Conradus de Suinga, Hinricus Warguswitz, Bernardus de Pole, Hermannus de Rodenbeke, Sigebodo de Holtdorp. (Schröder, Wismar. Erstlinge, S. 69.)
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1231, am 29. April, zu Ilow: Johann und Pribislav von Meklenburg verleihen das Dorf Nakunstorf, welches das Kloster Sonnenkamp a quodam nostro fidele Woltzic gekauft, an dieses Kloster. Zeugen: Gerardus dapifer, Godefridus de Bulowe, Johannes de Bulowe, Heinricus Holzatus, Gerardus de Malin, Heinricus Boidevitz, Johannes Boidevitz, Heinricus Warsussevitz (Diplomat. Soliscamp. Nr. 3.)
1231, am 9. Juli, zu Neuburg (Ilow): Johann von Meklenburg verleiht die Kirche zu Goldberg dem Kloster Dobbertin. Zeugen: Gerardus dapifer, Gerardus de Malin, Godefridus de Bulowe, Gunterus advocatus de Bucowe, Nicolaus de Brusevitze, Eggehardus Gallus. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 11.)
1232, am 11. Februar: Johann von Meklenburg verleiht an den Bischof von Schwerin 10 Hufen in Bobbin. Zeugen: Gerardus dapifer, Fridericus de Clodrem, Heinricus de Zwerin, Conradus de Suinge, Godefridus de Bulowe, Heinricus Wargussevitz, Tessemarus frater eius. (Diplom. Soliscamp. Nr. 5.)
1236, am 5. August (Februar?), zu Sonnenkamp: Vertrag zwischen Bischof Brunward und Johann von Meklenburg gegen Pommern=Demmin. Mitgelober Johanns von Meklenburg: Thetlevus de Godebuz, Godefridus dapifer, Sygebodo de Holthorpe, Conradus de Suinge, Thydericus de Dybowe. Ekkehardus Gallus, Johannes de Multzyan, Johannes de Babyse, Wernerus Yazeke, Thetlevus de Regccedo(z), Bertoldus Pycht, Nicolaus Polen. (Lisch, Meklenb. Urk. III, 83.)
1236, am 12. Mai, zu Gadebusch: Johann von Meklenburg bestätigt das Kloster Rehna. Zeugen: fratres nostri d. Nicolaus de Werle, Borewinus d. de Roztoc, Thetlevus de Godebuz, Godefridus dapifer, Gerardus Lepel, Volcwinus de Langvedele, Theodoricus de Dybowe, Johannes de Bulowe. (Meklenb. Jahrb. X, 205.)
1237, am 6. September, zu Gadebusch: Johann von Meklenburg verleiht dem Kloster Rehna die Kirchen zu Rehna und Wedendorf. Zeugen: Thidlevus de Godebuz, Godefridus et Johannes fratres de Bulowe, Volcquinus de Lancwedele, Godescalcus camerarius, Rembernus de Stoven, Theodericus de Dibowe, Ludeke Hardenacke, Heinricus et Theodericus fratres, filii eius, Segebodo de Holthtorp, Burchardus Lupus, Ekehardus Gallus, militis. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 17.)
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1238 circa: Johann von Meklenburg bestätigt dem Kloster Rehna das Dorf Roxin. Zeugen: Gerhardus dapifer, Thetlevus de Godebuz, Godefridus de Bulowe et frater suus Johannes, Volcquinus de Lancwedele, Rembernus et frater suus Corvus de Stove, Godescalcus de Degowe et frater suus Eckehardus Gallus, Buno et frater suus Hiddo, Hinricus et frater suus Ethelgerus. (Hahn'sche Urk. I, 24.)
1239, am 28. April: Johann von Meklenburg befreiet das Kloster Dargun von allen Lasten aus dem Dorfe Cantim und von 4 Hufen zu Starsow. Zeugen: Gerardus dapifer, Conradus de Zuinga, Johannes de Mulsan, Bernardus, Hermannus de Hakenstede. (Diplomat. Dargun. Nr. 24.)
1239, am 13. Juni: Johann von Meklenburg verleiht dem Kloster Dargun alle Freiheiten im Dorfe Covnim und von 8 Hufen in Starsow. Zeugen: Gerardus dapifer, Heinricus, Bertoldus de Emlendorf. (Diplom. Dargun. Nr. 25.)
1240, am 28. Juni, zu Meklenburg: Johann von Meklenburg verleiht dem Kloster Sonnenkamp den Hof Sellin. Zeugen: Bernardus de Walia, Ecquardus Gallus, Volsegho, Thidericus Clawe, Fredericus de Isenhagen, Reimbernus Scalip, milites nostri, frater Raven, Wedeghe, Conradus de Sture, Fredericus de Lubowe, Reinardus de Lu, Olricus de Lu, Johannes, Heidenricus, Hermannus, Henricus de Lu, milites Christi. (Diplom. Soliscamp. Nr. 11.)
1245, am 16. Mai: Johann von Meklenburg vereignet dem Kloster Doberan das Dorf Kartlow. Zeugen: milites Guntherus aduocatus et frater suus Hermannus, Borchardus Lupus, Nycolaus Reschinkel. (Diplom,.Doberan. Nr. 20.) [Berichtigt. L.]
1246, am 27. Mai, zu Meklenburg: Johann von Meklenburg verleiht den Bürgern von Riga im Hafen von Wismar dieselbe Freiheit, die sie zu Lübeck genießen. Zeugen: d. Godofridus de Bulowe, d. Johannes frater ejus, d. Johannes de Walie, d. Thidericus Klawe, d. Olricus frater ejus, Ludeke de Hamme telonearius noster, Heinricus de Tremonia, die Rathmänner von Wismar und einige Bürger von Riga. (Schröder, Wismar. Erstl. S. 71.)
1248, am 26. November [VI. Kal. Dec.], zu Meklenburg: Johann von Meklenburg bestätigt den Verkauf des Dorfes Bekervitz und 2 Hufen in Gögelow durch Herrn Burchard Wulf an das Kloster Reinfelden. Zeugen: Godefridus de Bulow et Johannes frater eius, Godescalcus Prene et Heinricus frater eius, Volquinus de Langwedele, Theodoricus Clawe,
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Ludolphus de Plucekowe et Egkehardus frater eius. (Schröder, Papist. Meklenb. S. 632.) [Berichtigt. L.]
1252, am 8. November, zu Ratzeburg: Johann von Meklenburg bestätigt den Verkauf des Dorfes Karstan an das Domkapitel zu Lübeck. Zeugen: milites Godefridus et Johannes fratres de Bulowe, Theodericus et Arnoldus Clawen, und einige lübecker Bürger. (Diplom. Soliscamp. Nr. 14.)
1253, am 19. Juni, zu Meklenburg: Johann von Meklenburg verleiht dem Heil. Geist=Hause zu Wismar 2 Hufen in Metenstorp. Zeugen: Bernardus de Walie, Hinricus dictus Pren et frater suus Godescalcus, Alvericus de Prozeka, Benedictus de Rodenbeck, milites nostri. (Schröder, Papist. Mekl. S. 652.)
1256. am 2. August, zu Wismar: Johann von Meklenburg verleiht dem Bischofe von Ratzeburg das Patronatrecht über die Kirchen im Klützer=Ort. Zeugen: Alvericus de Barnekow, Theodoricus de Clave, Volkero (Volceco?), Vredebernus, milites. (Schröder, Papist. Meklenb. S. 660.)
1257, am 25. März, zu Schloß Wismar: Johann von Meklenburg bezeugt, daß der Ritter Hermann und seine beiden Brüder Eckhard und Johann, Knappen, alle Söhne des Ritters Albert von Buch, der rothe (rufus) zubenannt, gewisse Güter zu Buch nach dem Tode des Vaters an das Kloster Doberan verkauft haben: Zeugen: milites Heinricus dei gracia iunior dominus Magnopolensis et noster filius, Bernardus de Walia, Everhardus de Calsowe, Arnoldus Clawe, Thidericus Moltike, Gerhardus Kytelhoth, Tymmo Holthzatus, item Albertus noster filius, adhuc servus. (Diplom. Doberan. Nr. 36.) [Berichtigt. L.]
1260. am 7. März, zu Wismar: Johann von Meklenburg bestätigt das Privilegium seines Großvaters Heinrich Burewin für das Bisthum Ratzeburg. Zeugen: Ludolphus Hardenakke, Hermannus de Modentin, Theodoricus Clawe, Albericus de Barnekowe, milites. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 679.)
1260, am 26. September: Johann von Meklenburg bestätigt den Kauf des Dorfes Vinekendorf durch die Stadt Wismar, Zeugen: Ludolfus Hardenack, Bernhardus de Walie, Alvericus de Barnekow, Benedictus, Thidericus et Arnoldus Klawe, Everhardus Kalsowe, Otto de Swinga, Johannes et Fridericus Molteke, Otto de Revetlo, Conradus et Albertus Dotenberg, Heinricus Gesewitz, Godfridus de Plote, Fredebernus Huskummer, Hermannus de Rodenbecke, Olricus de Blucher, milites nostri, die
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Rathmänner von Wismar (Schröder, Papist. Meklenb. S. 1027.) [Der in dieser Urkunde und in den folgenden Urkunden von 1261 und 1262 genannte Henricus Gesewitz ist richtig gelesen: Gesewitz, Gezeviz, auch Jesewiz, Der Name ist bis in das 16. Jahrhundert häufig - und gewöhnlich - falsch gelesen, bald Gesenitz, bald Geseritz, bald Gerevitz u. s. w. Die Familie hieß Jesewitz, war auf Bolland und Neu=Karin angesessen und starb um 1515 aus; nach dem Abgange derselben wurden die von Oertzen von der roggower Linie im Jahre 1515 mit den Gütern belehnt. L.]
1261, am 18. October, zu Wismar: Johann von Meklenburg und sein Sohn Heinrich vereinbaren sich mit der Stadt Lübeck wegen Zerstörung des Schlosses Dassow. Zeugen: milites dominus Ludolphus de Dybowe noster dapifer, Aluericus de Barnekowe, Theodericus et Arnoldus Clawe, Benedictus de Rodembeke, Otto de Suinga, Marquardus de Indagine, Volceko; insuper: Gerhardus de Indagine, Willekinus de Stadis, consules Lubicenses. (Lübecker Urk. Buch I, S. 237.)
1261 (?): Johann von Meklenburg bestätigt die Verleihung von 3 Mark jährlicher Hebung durch den Ritter Johann von Werthen an das Heil. Geist=Haus zu Wismar. Zeugen: milites d. Ludolphus Hardenake, Bernhardus de Walie, Thidericus et Arnoldus Klawe, Alvericus de Barnekowe, Benedictus de Rodenbeck, Thimmo Holsatus, Gherardus Metzeke, Otto de Swinga, Henricus Gese[v]iz. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 695.)
1262, am 29. September, zu Wismar: Johann von Meklenburg und sein Sohn Heinrich geloben der Stadt Lübeck, daß zu Dassow und von da an bis Grevesmühlen kein Schloß wieder erbaut werden solle. Zeugen: Otto de Swinga dapifer noster, Bernardus de Walie, Aluericus de Barnekowe, Benedictus de Rodenbeke, Theodericus et Arnoldus Clawe, Gerhardus et Hartwicus Mezeke, Johannes Molteko, Heinricus Gezeviz, Marquardus de Indagine, Conradus et Albertus Dotenberg, Volzeco. (Lübecker Urkundenbuch I, S. 245.)
1262, am 13. December, zu Wismar: Johann von Meklenburg und sein Sohn Heinrich bekennen, daß Arnold von Tremonia das Dorf Boydewinestorp von ihnen gekauft habe. Zeugen : Bernhardus de Walie, Albericus de Barnekow, Otto de Swinga, Thidericus et Arnoldus, Benedictus, Gherardus Metzeke, Volceke, Timmo Holzatus, Hart-
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wicus advocatus noster, milites, et Gutjarus, Henricus de Zwerin. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 701.)
1263, am 1. Mai: Johann von Meklenburg, mit seinen Söhnen Heinrich und Albrecht, bekennt, daß er einen Camp bei Wismar an das Heil. Geist=Haus daselbst verkauft habe. Zeugen: Otto de Swinga, Helmoldus de Plesse, Alvericus de Barnekowe, Benedictus de Rodenbecke, Conradus Pren, Thidericus et Arnoldus Clawe, Gherardus et Hartwicus Mezeke, Conradus Dotenberge, milites, und viele wismarsche Bürger. (Schröder, Pap. Meklenb. S. 707.)
Aus Urkunden von Pribislav allein.
1240: Pribislav von Parchim verkauft der Stadt Parchim das Dorf Bicher. Zeugen: Arnoldus de Molendino et Hanno (Nanno?) de Lensyn et Hermannus Cnut, milites, und die Rathmänner von Parchim. Cleemanns Chronik von Parchim, S. 221.)
1241: Pribislav von Parchim verleiht dem Kloster Dargun das Dorf Dargebant. Zeugen: laici Johannes de Snakenbur, Nycolaus de Hamburch, Bernardus et Hermannus de Hakenstede, et ceteri castrenses. (Diplomat. Dargun. Nr. 28.)
1247, zu Schwerin: Pribislav von Parchim vergleicht sich mit Graf Günzel von Schwerin wegen der Grenzen der Länder Ture und Brenze. Zeugen: Nanno de Lencin, Wedikinus, Martinus et Gherardus de Malin, Arnoldus de Molendino, Hinricus de Hagenowe, milites. (Meklenb. Jahrb. XI, 238.)
1249, am 20. September, zu Parchim: Pribislav von Richenberg verleihet einem Priester die Burgkapelle zu Parchim. Zeugen: Nanno de Lentsin, Arnoldus et Bernardus de Molandino, Theodericus Berser, Johannes de Redekestorp, Iwanus et Nicolaus fratres de Belowe, Gerardus et Martinus fratres de Malyn, Heinricus et Segebodo fratres dicti de Holtdorp, milites, Gerardus Kuesel. (Meklenb. Jahrb. XI, 239.)
1253, am 14. Februar, zu Wismar: Pribislav von Richenberg vereignet dem Kloster Doberan das Dorf Zolchelin. Zeugen: milites Widekyndus de Walsleve, Martinus de Malin, Theodericus dictus Berser, Ywanus de Belowe, Gerhardus de Leisten, Henricus de Rolsted. (Diplom. Doberan. Nr. 28.)
1256, zu Sternberg: Pribislav von Richenberg verbessert die Pfarre zu Wahmkow. Zeugen: d. Hermannus Brushaver
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et suus frater Arnoldus, d. Henricus de Rolstede, d. Henricus de Holtorp. (Meklenb. Jahrb. XI, 244.)
Aus Urkunden Borwins III. von Rostock allein.
1237, am 15. Februar, zu Rostock: Borwin von Rostock bestatigt die Privilegien von Doberan. Zeugen: milites Thitlevus de Godebuz, Johannes de Snakenburg, Heinricus Gamme, Nicolaus dapifer, Walterus de Penz, Baroldus, Heinricus Grube, Bernardus de Wygenthorpe. (Meklenb. Jahrb. X, 43.)
1240, am 15. October: Borwin von Rostock schenkt dem Kloster Dargun 1 Hufe in Levin. Zeugen: Thidericus de Buren et frater suus Johannes, Jerezlaus et frater suus Johannes, Heinricus de Ragen advocatus noster. (Diplom. Dargun. Nr. 27.)
1241, am 24. April, zu Wismar: Borwin von Rostock verleiht dem Kloster Dargun die Kirche zu Levin. Zeugen: milites d. Johannes de Snakenburch, Lippoldus de Kalend, d. Jo. et Th. milites et fratres de Bure. (Diplom. Dargun. Nr. 30.)
1243, am 12. September, zu Rostock: Burewin von Rostock schenkt dem Kloster Doberan zwei Salzpfannen zu Sülz. Zeugen: laici, milites Theodericus dapifer, Johannes de Snakenborch, Rubin. Meklenb. Jahrb. XI, 271.)
1244, am 13. Juni: Borwin von Rostock tauscht Güter mit dem Kloster Dargun. Zeugen: Hinricus de Warborch, Rutgerus, Lyppoldus, Jerezlaus et Johannes frater suus, militis. (Diplom. Dargun. Nr. 32.)
1247, am 19. Februar, zu Rostock: Burewins von Rostock Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: laici, milites Johannes de Snakenburch, Godefridus dapifer, Georius de Jorike, Heinricus de Scharnin, Johannes de Bune, Johannes de Sweden, Gerhardus Bertrami filius, (Diplom. Doberan. Nr. 22.) [Berichtigt. L.]
1248, am 22. März: Burewins von Rostock Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: milites Johannes de Snakenburch, Godefridus dapifer, Georgius de Jorike, Johannes Bune, Gotan (alias: Gottanus Morder 1268, 1275), Darguzlaf, Heinricus dapifer, Johannes de Sweden. (Diplom. Doberan. Nr. 23.) [Berichtigt. L.]
1250, am 1. Februar, zu Rostock: Burwins von Rostock Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: Darizlauus, Johannes de Szverze, Johannes Buno, Wolterus de Go-
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rowe, milites, Sileuus tunc advocatus in Rozstoc. (Diplom. Doberan. Nr. 26.) [Berichtigt. L.]
1250, am 25. August, zu Rostock: Borwin von Rostock stiftet die Stadt Cröpelin. Zeugen: advocatus noster d. Johannes de Zwertze, d. Zegherus, milites nostri. (Rudloff, Urk. Lieferung, Nr. 12.)
1252. am 19. Februar: Borwin von Rostock tauscht Kaland vom Kloster Dargun ein. Zeugen: d. Lippoldus, Eggehardus, Conradus de Rensowe, Heinricus de Warborch, Jeroslaus et frater eius Johannes, milites. (Diplom. Dargun, Nr. 44.)
1252, am 20. März: Borwin von Rostock bestätigt die Privilegien der Stadt Rostock. Zeugen: Johannes de Snakenburgh, Godefridus dapifer, Johannes aduocatus, Gottanus, Johannes de Bune, Georgius de Jork, Florinus, Wolderus Gherardus filius dapiferi Bartrammi, Rotgerus, Heinricus de Warborgh, Dargeslaus, Johannes de Swecia, Segerus, Jerezlaus, die Rathmänner von Rostock . (Diplom. Doberan. Nr. 27.) [Berichtigt. L.]
1252, am 14. September, zu Rostock: Borwin von Rostock überträgt dem Kloster Dargun 3 Hufen zu Penkow, welche Johann von Bune bis dahin zu Lehn getragen. Zeugen: d. Godefridus, d. Heinricus de Dudinge, d. Georgius de Jorc, d. Otto de Ghicowe. (Diplom. Dargun. Nr. 45.)
1252, am 24. September, zu Rostock: Borwin von Rostock verleiht dem Kloster Dargun die Freiheit, zu Sülz Salz zu sieden. Zeugen: d. Heinricus de Dudinghe, d. Georrius de Jorck, milites, Otto de Ghikow, famulus. (Diplom. Dargun. Nr. 46.)
1262, am 18. Juni, zu Rostock: Borwin von Rostock und seine Söhne Johann und Waldemar bestimmen, daß zu Rostock nur ein einiger Rath und ein Gericht sein sollen. Zeugen: milites d. Gottanus, d. Johannes de Cropelyn, d. Hinricus Duding, d. Thimmo de Domechowe, d. Johannes de Bune, d. Johannes de Zwercze, d. Johannes de Oldenburg et d. Welvinghus frater suus, d. Retis, d. Plussecow, d. Elerus de Lewitzow, d. Hinricus de Caland, d. Zegere, d. Johannes de Swecia, d. Ernestus de Penetz, d. Emeko de Cetyn. (Ungnade, Amoen. dipl. S. 12.)
1262, am 17. Mai, zu Kaland: Borwin von Rostock begabt den Altar Mariä in der Kirche zu Kaland mit 7 Hufen, de quibus nos unum dedimus in villa Ghorez, prepositus H. unum in Lellekendorp, quem emit de d. Roth-
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gero, item R. unum in eadem villa, d. Jo. de Bune unum in Kemeric, d. Jo. Vozinc unum in eadem villa, quem emit contra Jo. de Bune, d. H. de Warborch unum in Doliz, domina M. de Rensow unum in Daleviz, domina M. de Bure unum punt siliginis in castellania sua. Zeugen: d. H. Magnopolensis, Tidericus Clawe, Lippoldus de Kalant, Johannes de Bune, Volcic, Hinricus de Warburch, Hinricus Rothgeri, Bertoldus de Latcop. (Diplom. Dargun. Nr. 56.)
1264, am 12. October: Borwins von Rostock Verleihung an die Stadt Rostock. Zeugen: d. Helf miles dni. Regis(?), d. Darmyslaus, d. Wolderus de Conowe, milites, Silews advocatus noster. (Westphalen. mon. ined. IV, 939).
Aus Urkunden von Nikolaus von Werle allein.
1232, am 30. December, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht dem Kloster Campen 50 Hufen. Zeugen: Heinricus Gamba, Conradus dapifer, Heinricus Grubo, Bartholdus, Johannes de Crupelin, milites de Guztrowe, Gotimerus (de Havelberch) et Johannes frater suus, Zlautech (de Malchow), Jacobus, nobiles, Robertus de Bralin, Heinricus Dargazh, Gerhardus Scouko advocatus de Robole. (Riedel, Codex A. III, 340.)
1233, am 10. März, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht dem Kloster Amelungsborn 60 Hufen. Zeugen: Heinricus Gamma, Conradus dapifer, Heinricus Grube, Heinricus de Dudingin, Johannes de Crupelin, milites de Guztrowe, Gutimerus et Johannes frater suus, Zlautech, Jacobus, Robertus de Bralin, Heinricus Dargaz, Gerardus Scoke advocatus de Robole. (Riedel, Codex A. I, 446.)
1235, am 14. März, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht der Stadt Malchow schwerinsches Recht. Zeugen: Henricus Gamba, Baroldus dapifer, Jordanus, Henricus Grubo, Bernardus de Wientorp, milites, und Bürger von Güstrow und Malchow. (Rostocker Nachr. Beil. von 1827, S. 110.)
1235, am 29. April: Nikolaus von Werle verleiht dem Kloster Sonnenkamp 14 bebauete und 20 unbebauete Hufen zu Punek, desgleichen 6 Hufen zu Bryzelaz a Slavo quodam Thessitze nomine comparatos. Zeugen: Conradus de Sconewolde, Johannes Danus, Jordanus de Sabene,
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Baroldus de Guzsterov, Heinricus de Zyarnin, Heinricus de Insula, milites. (Diplom. Soliscamp. Nr. 8.)
1236, am 7. April, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock bestätigt der Stadt Malchin das schwerinsche Recht. Zeugen: Hinricus Gamba, Baroldus dapifer, Hinricus Grubo, Jordanus, Unizlaus, Otto Barinus (Bawarus?), milites, und Bürger von Güstrow und Malchin. (Grund der Steuerfreiheit, 1742, S. 133.)
1237, am 6. März: Nikolaus von Werle verleiht dem Domkapitel zu Güstrow das Dorf Lüssow. Zeugen: laici Zamburius dux Pomeranie, Baroldus dapifer, Johannes de Snakenborch, Jordanus, Henricus Grubo, Bernardus de Wiendorp. (Thiele, Güstrow. Domkirche, Anl. E.) [Berichtigt. L.]
1238, am 25. Mai, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock bestätigt die Stiftung des Domkapitels zu Güstrow. Zeugen: laici Baroldus dapifer noster, Gotemarus, Vnizlaus, Heinricus Dargats, Otto Suleske, Gregorius, Venceko, Tribimer, Gidvirgute, Yo, Ratis. (Thiele, Güstrow. Domkirche, Anl. D.) [Berichtigt. L.]
1240, am 12. August: Nikolaus von Werle bestätigt dem Kloster Dargun die Dörfer Gilow und Benitz. Zeugen: Hinricus Gamba dapifer, Hinricus Grubo, Johannes de Snakenborch, Bernardus de Wigendorp, Baroldus, Jordanus. (Diplom. Dargun. Nr. 26.)
1241, am 18. Januar, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock verleiht dem Kloster Eldena 50 Hufen. Zeugen: Gunzelinus comes de Zuerin, Everhardus de Molendino, Luderus de Bluchere, Theodoricus Scakmann, milites de Zuerin, Unizlaus, Jerozlaus, Heinricus Dargatz, Johannes de Havelberch, Geroldus de Peccatle, milites de Robole, Heinricus Grubo, Bernardus de Wienthorp, Ekkehardus Gallus, Gerardus Metzeke, Heinricus Fulmen, Theodoricus de Ganzowe. (Mekl. Jahrb. II, 216.)
1242, am 17. Juni, zu Güstrow: Nikolaus von Rostock schenkt den Johannitern einige Aecker zu Mirow. Zeugen: Unizlaus, Jarozlaus, Heinricus Dargats, Johannes de Havelberch, castellani de Robele, Heinricus Fulmen, Albertus de Antiqua Villa, Johannes de Duzcin, Gerardus Scoke tunc advocatus. (Mekl. Jahrb. II, 218.)
1243, am 6. Juni: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow schenkt dem Kloster Doberan 10 Drömt Korn in Kl. Zwizow. Zeugen: milites Vnizlaus, Gerozlaus, Ber-
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nardus de Wigendorpe, Johannes de Hauelberch. (Diplom. Doberan. Nr. 16.) [Berichtigt. L.]
1244, am 29. December, zu Güstrow: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow verleiht dem Kloster Doberan 50 Hufen im Lande Turne. Zeugen: milites Vnizlaws, Gerozlaws, Johannes de Havelberch, Heinricus Dargaz, Henricus Grubo, Bernardus de Wigendorp, Otto Bawarus, Geroldus advocatus in Robele. (Diplom. Doberan. Nr. 18.) [Berichtigt. L.]
1244, zu Röbel: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow über die Grenzen der Satowschen Güter des Klosters Amelungsborn. Zeugen: Heinricus et Johannes filii nostri, milites Vnizlaus, Gerozlavs, Johannes de Hauelberch, Heinricus Dargaz, Heinricus Grubo, Robertus de Brelin, Geroldus aduocatus, Otto Bersere, Otto Bawarus, Arnoldus de Nova Ecclesia. (Diplom. Doberan. Nr. 19.) [Berichtigt. L.]
1244, zu Röbel: Nikolaus von Werle und Herr zu Güstrow bestätigt dem Kloster Amelungsborn seine Güter. Zeugen: Heinricus et Johannes filii nostri, milites Vnizlaus, Gerozlavs, Johannes de Havelberch, Heinricus Dargaz, Heinricus Grubo, Robertus de Brelin, Geroldus aduocatus, Otto Bersere, Otto Bawarus, Arnoldus de Nova Ecclesia. (Riedel, Codex A. I, 447.)
1248, zu Güstrow: Nikolaus von Werle gestattet den Bürgern zu Güstrow die Abbrechung der Neustadt. Zeugen: comes Mauricius (de Spegelberg), filii mei Henricus et Johannes, d. Grubo, d. Bernardus de Wigendorp, d. Albertus de Holdendorp, d. Johannes filius dni. Baroldi, d. Echehardus de Anchere, d. Marquardus de Goudenbuche, Bertoldus Kolhaze advocatus, u. s. w. wahrscheinlich Bürger zu Güstrow. (Mekl. Jahrb. X, 206.)
1249, am 31. October, zu Röbel: Nikolaus, Herr von Güstrow, verleiht dem Kloster Doberan das Dorf Zechlin mit 75 Hufen. Zeugen: nos Nycolaus et duo filii nostri domicelli Heinricus et Johannes, Heinricus Grvbo et filius eius Henricus, Arnoldus de Nienkerken, Otto Bersarius, Geroldus de Peccatle, Stephanus prepositus, Johannes de Hauelberch, H. Dargaz, Jerezlaus, Vnizlavs, Ekbertus de Mirowe, Wernerus capellanus, H. aduocatus, Harnith. (Diplom. Dober. Nr. 24; Nr. 25, eine Urkunde von demselben Datum über denselben Gegenstand, mit denselben Zeugen.) [Berichtigt. L.]
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1254, am 1. Mai, zu Röbel: Nikolaus von Werle bezeugt, daß er die eine Hälfte und Herr Jersclaus, Castellan zu Röbel, die andere Hälfte des Sees Sclopen dem Kloster Doberan überlassen habe. Zeugen: domicelli Henricus et Johannes, d. Geroldus de Peccatle, d. Arnoldus de Nova Ecclesia, d. Johannes de Hauelberge, d. Vnizsclaus, Harnith dictus Bere et fratres sui, Henricus advocatus in Robole. (Diplom. Doberan. Nr. 29.) [Berichtigt. L.]
1256, am 1. Mai (oder 1250, am 26. April?), zu Röbel: Nikolaus Herr von Güstrow bekennt, daß die Streitigkeiten zwischen dem Kloster Doberan und dem Ritter Johann von Havelberg, als Besitzer des Dorfes Repente, wegen der Mühle zu Zechlin durch die Schiedsrichter Herrn Heinrich Dargatz, Herrn Otto Bersere, den Bruder Johann von Drans und den Bruder Werner geschlichtet seien. Zeugen: d. Henricus de Mynda, Arnoldus miles de Noua Ecclesia, Werslaus, Vnizlaus, Rembertus advocatus. (Diplom. Doberan. Nr. 32.) [Berichtigt. L.]
1257, am 6. Januar, zu Güstrow: Nikolaus von Werle verleiht dem Kloster Dargun die Kratzburger Güter. Zeugen: Unizlaus, Jerezlaus, Johannes de Hawelberghe, Arnoldus de Nigenkerke, Lodewicus Cabolt, Johannes de Cropelin, Ludolphus Rone, milites. (Mekl. Jahrb. II, 285.)
1261, am 21. Januar, zu Röbel: Nikolaus von Werle, bestätigt der Stadt Röbel das schwerinsche Recht. Zeugen: milites Arnoldus de Nova Ecclesia advocatus in Robel, Johannes de Havelberg, Otto Bersarius, Hermannus Zwichtcop, Geroldus de Peccatle, Unitzlaus, famuli Ludekinus de Tzwerin, Hinricus de Havelberge, Harnith Bere, Hildebrandus de Coniat, Hinricus de Tzernove. (Ungnaden, Amoen. dipl. S. 7.)
1263, am 28. Februar, zu Röbel: Nikolaus von Werle bestätigt der Stadt Penzlin das schwerinsche Recht. Zeugen: Arnoldus de Nova Ecclesia, Henricus de Peccatele, Harnidus Ursus, Johannes de Havelberge, Magorius advocatus in Robele, Adam marschalcus. (Franck, altes und neues Meklenb. ad a.)
1266, am 14. April, zu Wismar: Nikolaus von Werle, mit seinen Söhnen Heinrich und Johann, bestätigt die Privilegien von Wismar. Zeugen: Johannes de Kropelin, Arnoldus de Nigenkerken, Johannes Barold, Machorius de Zene,
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Nicolaus Hane, Hinricus Grube, milites, u. s. w. wahrscheinlich wismarsche Bürger. (Hahn'sche Urk. I, 39.)
1270, am 11. März, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an die Stadt Güstrow. Zeugen: milites Johannes Barold, Johannes Kaboldi, Magorius de Cene, Hinricus de Flotow; famuli Hinricus advocatus in Gustrow, Wescelus marschalcus, Ludekinus Holsatus, Olricus de Bardenflet, und die Rathmänner von Güstrow. (Westphalen IV, 941.)
1270, am 20. April, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an die Stadt Lage. Zeugen: de riddere Hinricus van Vlotow unse advocat van Robele, Wedekind Beehr; denstknechte Hinricus unse advocate to Güstrow, Conradus Claviger binnen Güstrow etc. (Rudloff, Urk. Lieferung, Nr. 23.)
1270, am 25. September, zu Röbel: Nikolaus von Werle bestätigt den Johannitern zu Mirow ihre Güter. Zeugen: H. advocatus dictus Thakalange, Remerus de Stocflit, Jo. de Cropelin, Priscebure et frater suus, Harnet Bere, Wideghe Bere, Gotemerus de Ritsoe, Ludekinus de Swerin, milites. (Meklenb. Jahrb. II, 220.)
1272, am 1. August, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt dem Kloster Sonnenkamp seine Güter. Zeugen: milites Mauricius comes de Spegelberghe, Johannes de Crupellin, Gherardus Ketelhot, Albernus de Butzowe, Nicolaus Hane, Henricus de Spegelberghe, Johannes et Henricus fratres de Kaboldisdhorpe, Adam; famuli Hinricus advocatus in Guzstrowe, Wescelus marscalcus, Conradus Claviger, Wlvingus et Johannes fratres de Oldenburg. (Diplom. Solisc. Nr. 24.)
1272, am 17. December, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an die Stadt Teterow. Zeugen: milites Johannes de Cropelin et filius suus Gerardus, Fredericus de Dechow, Musteke, Conradus Berchane, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrow; famuli Wescelus marscalcus, Conradus Clawe. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 43.)
1273, am 30. Januar, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt der Stadt Parchim ihre Rechte und Privilegien. Zeugen: milites Fridericus de Dechowe, Nicolaus Gallus advocatus in Guzstrowe, Johannes Koz advocatus in Parchem, Segebodo de Holtdorp; famuli Wescelus marscalcus, Conradus de Brochusen, Thetlevus Wackerbart. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 44.)
1273, am 10. April, zu Plau: Nikolaus von Werle Verkauf an das Kloster Dargun. Zeugen: Guncelinus comes
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de Zwerin et filius suus, d. Woldemarus de Rostock, Heinricus Grubo, Nicolaus Gallus, Heinricus de Vlotowe, Bordeko, Heinricus de Colonia, Johannes Cabolt, Hermannus Coze, milites. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 45.)
1273, am 23. April: Nikolaus von Werle bestätigt dem Kloster Broda seine Güter. Zeugen: milites Henricus Lucho, Henricus de Vlotowe, Bernardus de Peccatel, Hermannus de Langenvurde, Nicolaus de Stralendorpe, Misnerus, Jacobus de Brelin, Priceburius et Johannes filii dni. Jeroslai, Henricus et Bertoldus fratres de Havelberge; famuli Weselus marscalcus, Lanbertus advocatus in Penzellin. (Meklenb. Jahrb. III, 219.)
1273, am 29. April, zu Röbel: Nikolaus von Werle Verleihung an die Johanniter zu Mirow. Zeugen: milites Henricus de Vlothowe advocatus in Robele, Nicolaus Gallus advocatus in Guzstrowe, Johannes Koz advocatus in Plawe, Misnerus, Fredericus Brusehavere, Bertoldus de Havelberge, Henricus Kabolt, Ludolphus de Zwerin, Gerardus et Hermannus de Crimun, Bertoldus de Danbeke, Priseburius et Johannes frater suus. (Meklenb. Jahrb. II, 224.)
1273, am 12. Mai, zu Güstrow: Nikolaus von Werle über die plauer Mühlen. Zeugen: milites comes Moricius, Henricus Luche, Nicolaus Hane, Magorius de Cene, Johannes Koz; famuli Weselus marscalcus, Willekinus kamerarius, Olricus de Bardenvlet. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 49.)
1273, am 5. August, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt dem güstrowschen Domkapitel seine Privilegien und Güter. Zeugen: milites Heinricus de Cremun, Johannes de Antiqua Civitate, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrowe, Johannes Coz advocatus in Plawe, Marquardus Coz frater suus, Jordanus et Gherardus fratres dicti de Cropelin, Johannes de Belin, Otto de Revetlo, Herbordus advocatus de Gnogen, Heinricus de Ludorpe; famuli Wiscelus marscalcus, Olricus de Bardenvlete, Conradus de Brochusen, Henricus de Siwan. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 51.)
1273, zu Gnoien: Nikolaus von Werle verleiht Herrn Martin von Brussekow das Dorf Vorwerk. Zeugen: Fredericus de Dechowe, Bernardus de Hakenstede, Hermannus de Musteke, Herbordus advocatus in Gnogen, Nicolaus Friso. (Diplom. Soliscamp. Nr. 25.)
1273, am 12. September, zu Röbel: Nikolaus von Werle Versicherung an die Johanniter zu Mirow. Zeugen:
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milites Henricus advocatus in Robele dictus de Vlotowe, Ludolphus de Zwerin; famuli Olricus de Bardenvlet, Willekinus camerarius, Bertrammus de Malechowe minor advocatus in Robele, Henricus minor advocatus in Wesenberge. (Meklenb. Jabrb. II, 226.)
1274, am 13. Januar, zu Röbel: Nikolaus von Werle Verleihung an das Kloster Amelungsborn. Zeugen: Heinricus de Vlotow advocatus noster in Robele, Heinricus de Havelberge, Johannes [de] Decow (?), Theodericus de Osten, Priscebur, Johannes de Belin, Harnit, Lippoldus, Johannes de Cruchere, Bertoldus de Havelberge, Johannes Kabolt, Heinricus Kabolt, Zabel de Redigesdorpe, Zabel de Plawe, Yo. advocatus in Wistoke, milites; Buckeslawe filius dni. Barnami, Willekinus camerarius, Olricus de Bardenvlete, Lambertus de Pinzelin, Johannes filius Unizlai, Heinricus de Rorbeke, Hermannus de Havelberge. (Riedel, Codex Ag I, 448.)
1274, am 24. Februar, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an das Kloster Doberan. Zeugen: milites duo Nicholaus Gallus, Johannes Molteko, Heinricus antiquus advocatus, Johannes de Brunswich. (Lisch, Hahnsche Urk. I, 58.)
1274, am 12. März: Nikolaus von Werle Lehnbrief an die Gebrüder Bernhard und Heinrich von Peckatel über ihre Güter in der Vogtei Penzlin. Zeugen: Hinricus de Vlotowe, Gherardus de Antiqua Villa, Nicolaus de Brusevitze, Olricus de Bardenvlet, Willekinus camerarius, Hermannus de Smarzenow, Lambertus de Rozenhagen, Hermannus Sagittarius. (Meklenb. Jahrb. X, 209.)
1274, am 6. Mai, zu Güstrow: Nikolaus von Werle Verleihung an das Kloster zum Heil. Kreuz in Rostock. Zeugen: milites Reimbernus de Stocvlete, Henricus Luche, Henricus Grube, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrowe, Jordanus et Gerardus fratres dicti de Cropelin, Johannes Baroldi, Adam Spottegile. (Lisch, Hahn'sche Urk. I, 59.)
1274, am 5. Juni, zu Röbel: Nikolaus von Werle Vertrag mit dem havelberger Bischofe. Zeugen: Henricus de Vlotowe advocatus in Robele, Johannes Owman ( ? ), Ludolfus de Swerin, Henricus et frater eius de Holtdorp, Prizbur et frater eius, Sabellus de Redichsdorp, Sabellus de Plauwe, Yo advocatus in Wistock, Hermannus de Plawe, Rodolfus de Boyster, Johannes
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de Stendal, Johannes de Gantecow, Henricus de Wodenswege, (Riedel, Codex A. II, 261.)
1274, am 25. August: Nikolaus von Werle verkauft den Düsterwald an die Neustadt Röbel. Zeugen: milites Reimbernus de Stocvlet, Henricus Cabolt, Ludekinus de Swerin. Henricus de Vlotow advocatus de Robele, Henricus et Sigebodus dicti Holtorpe, Prizeburius et frater suus; famuli Ulricus magister coquinae, Wernerus Cabolt, Ulricus Claviger, Hermannus de Havelberge. (Rudloff, Urk. Lieferung Nr. 28.)
1274. am 15. December, zu Güstrow: Nikolaus von Werle bestätigt die Privilegien des Klosters Dobbertin. Zeugen: milites Ludolfus Moltsan, Nicholaus Gallus, Heinricus de Vlotowe, Heinricus de Colne, Heinricus de Cremun, Henricus Luche, Johannes Coz, Johannes Megedetrost, Machorius de Cene, Johannes de Belin; famuli autem Bernardus de Belin, Henricus Claviger. (Hahn'sche Urk. I, 60.)
1275, am 28. Juni: Nikolaus von Werle Verkauf an das Kloster Dobbertin. Zeugen: milites d. Hermannus Coz et d. Marquardus Coz et d. Johannes Coz, et d. Nicolaus Friso, et d. Nicolaus de Brusevitz, et d. Johannes de Duzcin, et d. Hinricus Caboldus, et d. Walterus de Malechowe, et d. Johannes de Belin, et d. Bertoldus de Dambeke, et d. Gherardus de Cremun; famuli Heince de Prescentin et Bernardus de Belin. (Rudloff, Urk. Lieferung Nr. 32.)
1275, am 17. August, zu Gnoien: Nikolaus von Werle Verkauf an das Domkapitel zu Güstrow. Zeugen: milites Heinricus de Cremun, Heinricus Grubo, Nicolaus Gallus advocatus in Gustrowe, Hermannus Musteke, Bernardus de Hakenstede, Herbordus advocatus de Gnogen, Johannes de Lypen, Heinricus de Vlotowe, Godefridus Luche; famuli Olricus Bardenvlete, Willekinus camerarius. (Hahn'sche Urk. I, 65.)
1275, am 1. October, zu Güstrow: Nikolaus von Werle und seiner Söhne Verleihung an das Kloster Sonnenkamp. Zeugen: Gerardus Ketelhot, Johannes de Belin, Heinricus de Vlotowe, Nicolaus de Bruzeviz, Johannes de Duscin, Gunterus de Lewezowe, Heidenricus Babbo, Thanquardus Gustevele, Conradus Berkhane, Nicolaus Ruce. (Diplom. Soliscamp. Nr. 27.)
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Das Ergebniß dieses Zeugenverhörs stellt sich deutlich genug heraus. Die unter Heinrich Borwin I. und seinen Söhnen noch so häufigen slavischen Namen der edlen Geschlechter des Landes verschwinden unter seinen Enkeln, welche die Herrschaft Slaviens überkamen, als mit der bornhövder Schlacht für das Wendenland ein neuer Zeitabschnitt eintrat, sehr bald immer mehr unter den deutschen Namen der Adelsgeschlechter. Schwerlich darf man annehmen, daß auch der wendische Adel von seinen angestammten Fürsten mit Gewalt sei ausgetrieben worden und dem deutschen Adel habe Platz machen müssen. Viel wahrscheinlicher ist, daß der wendische Adel durch Annahme deutscher Namen und der Benennung nach dem Stammlehn mit dem deutschen Adel sich völlig gleichgestellt hat und dadurch für uns von demselben ununterscheidbar geworden ist. Vielleicht von dem einzigen Geschlecht der von Havelberg ist die slavische Abkunft mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Diejenigen Geschlechter dagegen, welche auch die slavischen Namen behalten, beschränken sich bald auf eine bestimmte Gegend. In den westlichen Landestheilen verschwinden sie bald gänzlich: Johann von Meklenburg, obwohl ihn selbst das Volk "Knese Janeke von Ilow" zu nennen pflegte 1 ), hat kaum noch einen Edlen slavischen Namens in seiner Umgebung, eben so der Anfangs mit ihm abgetheilte Pribislav von Parchim. Etwas häufiger sind die slavischen Namen im Rathe Borwins von Rostock. Am zahlreichsten bleiben sie unter den Vasallen des Nikolaus von Werle, dessen Landestheil auch vorzugsweise den Namen Land zu Wenden behielt. Im Süden seines Gebietes, in dem von den großen Seeen abgegrenzten sogenannten stuerschen Winkel, wo gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts von den Werlern das Schloß Wenden (Wredenhagen) erbaut ward 2 ), scheint sich das wendische Wesen am reinsten erhalten zu haben. Die Castellane von Röbel sind es, die durch ihre Namen vorzugsweise als slavische Geschlechter sich kund geben: Zlawotech von Malchow, Gotemar und Johann von Havelberg, Unislav, Jeroslav, und Heinrich Dargatz. Jeroslavs Söhne waren Pritzbur und Johan: hier begegnen wir noch im Jahre 1333 rein slavischen Namen in Jerslav von Walow, Pritzbur von Kargow, Pritzbur und Dubeslav von Kelle, und den Brüdern Pritzbur von Poppentin 3 ). Die Pritzbur und die Nachkommen des Castellans von Güstrow Heinrich Gamba (Gamm) möchten die einzigen Adelsgeschlechter unsers Landes
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sein, deren slavische Abkunft bis jetzt mit Sicherheit anzunehmen ist. Andere lassen sich als von Westen her einwandernde deutsche Geschlechter mit ziemlicher Bestimmtheit verfolgen. Welche aber von den übrigen alten Adelsgeschlechtern unsers Landes mit Wahrscheinlichkeit für slavischen Geblütes zu achten sind, muß das Vorliegende freilich unentschieden lassen. Wann einst in Meklenburg so viel Interesse an seiner eigenen Geschichte wird erwacht sein, daß man seine sämmtlichen Urkunden - sei es auch nur bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts - sammelt, dann wird sich auch diese Untersuchung auf den Punct führen lassen, wohin sie mit einiger Sicherheit allein noch gelangen kann.
Neubrandenburg, den 22. März 1847.
F. Boll.
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:
Anhang.
von
G. C. F. Lisch.
E s ist schon häufig die Frage aufgeworfen, aus welchen Gegenden vorzüglich bei der Germanisirung Meklenburgs am Ende des 12. Jahrh. die Colonisten nach Meklenburg gerufen seien. Für manche Gegenden und Gewerbszweige läßt sich dies mit ziemlicher Bestimmtheit beantworten. Nach dem Dialekt werden z. B. die Warnemünder dänische Colonisten sein (vgl. Meklenburg in Bildern, II, S. 61); nach den Urkunden des Klosters Dargun mochte man ebenfalls Dänen in das Gebiet des Klosters gerufen haben, da es diesem freigestellt ward, auch dänische Colonisten einzuführen (vgl. Meklenb. Urk. I, S. 10, 11 und 24), das Kloster zuerst von dem seeländischen Kloster Esrom gegründet ward (vgl. das. S. 115, S. XIV und die dänischen Chroniken des 12. Jahrh.) und in dem Klostergebiet die jütische Geldbuße von 8 Schillingen für Diebstahl galt (vgl. das. S. 52 und 54 und Lappenberg in Götting. Gel. Anz. 1838, St. 124, S. 1235 flgd.). Die Grafen von Schwerin mögen aus ihren Erbgütern (vgl. Mekl. Urk. III, S. 63), manche geistliche Stiftungen mögen aus den Gütern ihrer Mutterklöster Bauern ins Land gerufen haben. Die Meier oder Kuhwirthschafter werden aus Holland gekommen sein, da sie noch heute "Holländer" genannt werden.
Dies gilt aber nur für einzelne Gegenden des Landes. Es ist noch immer die Frage, woher die Hauptmasse der Colonisten kam. Wenn man Deutschland in Beziehung auf diese Frage aufmerksam durchforscht, so möchte sich diese dahin beantworten lassen, daß die Hauptmasse der Colonisten aus Westphalen, namentlich aus den Grafschaften Mark und Ra=
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vensberg einwanderte. Es giebt in ganz Deutschland wohl keine Gegend, in welcher alle Gebräuche und Sitten so sehr mit denen des meklenburgischen Landvolkes übereinstimmten, als es im Innern Westphalens der Fall ist, namentlich wenn man aus dem Süden und Westen Deutschlands kommt; man betritt dann plötzlich ein ganz anderes Land. Hier finden wir ganz die meklenburgischen Bauerhäuser mit dem Giebel und der Scheurendiele wieder; hier werden selbst in neuen Häusern auch noch keine Schornsteine gebauet, um die viel besprochenen Schinken bequemer räuchern zu können, zu denen plötzlich auch das schwarze Brot erscheint. Hier treibt der Bauer den Haken mit Ochsen im viereckigen Doppeljoche und arbeitet die langen Ackerstriche in Stücken von dreieckigem Queerdurchschnitte auf, wie es noch heute der Bauer in der Prignitz an der meklenburgischen Grenze thut, während in Süddeutschland der Ochse mit der Stirne schiebt oder, wie das Pferd, im Kummt geht. Die kurze, breite, dicke Sense und die Sichel des Südens verschwinden plötzlich und statt dieser Geräthe tritt die lange, schmale, dünne Sense (Hakensense) mit den beiden Haken zum Niederlegen des Korns ein. Das Sielengeschirr der Pferde ist in beiden Ländern ganz gleich. Hier geht der Bauer in dem weißen linnenen Kittel. Was aber vorzüglich entscheidend ist, die Sprache ist in beiden Ländern gleich; es soll im Kleveschen eine Gegend geben, in welcher genau die meklenburgische Aussprache des platten Dialekts herrscht, welcher sich z. B. bedeutend von dem nahen köllnischen Dialekt unterscheidet, den man in unserer Zeit schon mitunter auf dem obern Mittelrhein hört. Dazu kommt, daß unter den meklenburgischen Bauern, namentlich in den Colonistendörfern mit der Zusammensetzung - hagen, der Familienname Westphal sehr verbreitet ist. Beachtenswerth ist noch, daß der klevesche und märkische Bauer in Meklenburg sein Heimathland wieder fand: es giebt in Deutschland wohl kaum zwei Länder, welche in der Bodengestaltung so viel Aehnlichkeit mit einander haben, als das innere, ebenere Westphalen und Meklenburg, wenn man die eigenthümlichen Seen in Meklenburg übersieht. Kurz, der Meklenburger wird sich im innern Westphalen, und nur hier, fast ganz in seiner Heimath fühlen.
Erklären läßt sich diese Einwanderung aus Nordwestphalen vielleicht auch dadurch, daß nicht fern von dieser Gegend das Kloster Alten=Camp lag, das Mutterkloster der deutschen Cistercienserklöster, also auch in gerader Filiation der Klöster Amelungsborn und Doberan.
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Es würde daher von großer Wichtigkeit sein, wenn Jemand, der Meklenburg kennt, zur Vergleichung das innere Westphalen nach Wohnung, Acker= und Hausgeräth, Nahrung, Kleidung, Sitte, Sprache in Untersuchung zöge. Ich glaube nicht, daß man in Westphalen nach dem Heimathlande des meklenburgischen Bauern lange zu suchen brauchte; es würde nur einer scharfsichtigen Beobachtung und Vergleichung bedürfen. Ich war wenigstens im höchsten Grade überrascht, als ich, im Herbste des J. 1846, von dem Cölnischen her in diese Gegend kam und hier plötzlich meklenburgische Gegenden sah und meklenburgische Sitten in den oben angeführten Grundzügen wahrnahm.
Besonderes Augenmerk würde auf die weibliche Volkstracht zu richten sein. Die eigenthümliche Tracht der sogenannten Bistower Bäuerinnen in der Gegend von Rostock und Doberan habe ich nur im Klettgau am südlichen Schwarzwalde, im sogenannten Vorderwalde bis nach Schaffhausen hinab, wieder gefunden, wo die Bäuerinnen die schwarze Farbe, den faltigen Rock, die hochrothen Strümpfe u. s. w. tragen; der Kopfputz allein weicht etwas ab.
Vorzüglich aber verdienen die bäuerlichen Verhältnisse ein tieferes Studium. Bekanntlich besitzen die westphälischen Bauern Grundeigenthum. Die meklenburgischen Bauern sind aber erst in den letzten drei Jahrhunderten zu ihrem jetzigen Zustande herabgekommen; im Mittelalter hatten unsere Bauern eine ganz andere Stellung. Man müßte daher die Verhältnisse unserer Bauern im Mittelalter aus den Urkunden erforschen und dieselben mit der historischen Entwickelung der westphälischen Verhältnisse vergleichen. Es läßt sich kaum annehmen, daß die aus Westphalen gekommenen Colonisten aus dem Stande eines Eigenthümers in die Leibeigenschaft sollten getreten sein. Ohne Zweifel blieben sie in ihrer neuen Heimath in ihren gewohnten Rechtsverhältnissen.
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:
Geschichte
der
in Meklenburg,
von
G. C. F. Lisch.
Geschichte
der
Besitzungen des Klosters
Amelungsborn.
D as Hauptstreben der Eroberer der deutschen Wendenländer im 11.und 12. Jahrh. ging dahin, diese Gegenden, welche seit Jahrhunderten das unverrückte Augenmerk der deutschen Kaiser gewesen waren, deutsch zu machen, deutsche Eigenthümlichkeit und Gewohnheit auf ihre Bewohner zu übertragen, ein Werk von großer Bedeutung, welches auch nach der endlichen Eroberung in unglaublich kurzer Zeit durchgeführt ward. Vorzüglich mußten mehrere geistliche Stiftungen zu diesem Zwecke dienen, vor allen die Ritterorden und die Klöster, und unter diesen wieder von den geistlichen Ritterorden besonders der Johanniterorden und die Cistercienserklöster 1 ). Meklenburg verdankt beiden
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größtentheils die ganze, wenn auch sehr späte Umwandlung in ein deutsches Land.
"Als die Kreuzzüge begannen, war der Benedictinerorden in gewisser Weise verfallen und entsprach nicht mehr dem Zwecke einer Verbreitung des Christenthums über heidnische Völkerschaften; zum Theil war er in Luxus versunken, zum Theil gelehrten Bestrebungen hingegeben, überhaupt aber mehr der Theorie, als dem Leben zugewendet. Daher entstand mit dem Ende des elften Jahrhunderts, den Kreuzzügen gleichzeitig, der Orden der Cistercienser, dessen ältestes Kloster Citeaux bei Dijon in Burgund im J. 1098 gestiftet wurde. Der neue Orden nahm zwar ebenfalls die Regel des heiligen Benedict an, allein er ergab sich weder der Gelehrsamkeit, wie die Benedictiner, noch einer bloßen Aszetik, wie die spätern Bettelmönche, sondern seine Richtung war eine mystisch=practische, und ganz besonders widmete er sich dem Landbau."
"Der Cistercienser=Mönch war eine Zusammensetzung aus Bauer, Oekonom und Geistlichem. Von jeher zeichnete sich der Orden durch Häuslichkeit und Arbeit, durch Beförderung alles Nützlichen und durch eine weise Oekonomie aus. Bücherabschreiben war den Mönchen nur gegen eine besondere Erlaubniß des General=Capitels gestattet, eben so verbieten die ältesten Institutionen von Cisterz, daß die Mönche von fremdem Schweiß oder Verpachtung ihrer Güter leben sollten, sie befehlen ihnen vielmehr, ihren Unterhalt durch eigner Hände Arbeit zu beschaffen. Die Oekonomie der Cistercienser auf ihren Höfen oder Vorwerken (curiae, grangiae) war daher eine Art Musterwirthschaft für den Landbau des Mittelalters, die Mönche trieben Weinbau, legten ländliche Fabriken 1 ) an, zogen Wasserleitungen, beschäftigten sich sogar mit ökonomischen Experimenten, und oft berief der Adel Cistercienser=Mönche, um seine verfallenen Güter wieder in Aufnahme zu bringen. Auch Handwerke, zumal die, welche mit dem Landbau im Zusammenhang stehen, beförderten die Cistercienserklöster. - - Besonders trug die dem Cistercienserorden eigenthümliche Einrichtung der Conversen zur Beförderung eines selbstthätigen Ackerbaues bei. Diese Conversi (Conversbrüder) waren dem
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Orden affiliirte Laien, jedoch von den Laienbrüdern anderer Mönchsorden unterschieden, eine Art Halbmönche mit besonderer Tracht, zum Gehorsam und zur Ehelosigkeit ohne geistliche Gelübde verpflichtet. Sie säeten und pflügten selbst, ja es finden sich Beispiele, daß sie Müller auf den dem Kloster gehörigen Mühlen 1 ) waren. Mehrere solcher Cünversbrüder lebten auf einer grangia (Hof) unter einem magister curiae (Hofmeister), auch rector genannt, welcher meist ein Mönch war, auch selbst ein conversus sein konnte. - - Daß die Cistercienser=Mönche von jeher von selbstgebautem Gute zehntfrei waren, beförderte ihren Trieb zur Landwirthschaft nicht wenig. - - Die Cistercienser bildeten zuerst unter allen Mönchsorden eine förmliche Congregation aller ihrer Klöster; regelmäßig visitirte das Mutterkloster die Tochter 2 ), und das General=Capitel - - - erhielt stete Aufsicht über das Ganze. - - - Bald erkannten die Großen, wie geeignet der Cistercienserorden zur Bekehrung und Aufnahme eines neu eroberten heidnischen Landes sei, und im zwölften Jahrhundert wurde es ordentlich Mode, Klöster dieses Ordens zu stiften, ganz besonders in den wendischen Ländern Meklenburg, der Mark Brandenburg und Pommern".
"Die Errichtung der Landklöster mit einem beträchtlichen Grundbesitz gehört fast ohne Ausnahme der ältesten Zeit nach der ersten Eroberung des Landes an, späterhin sind meist nur Bettelklöster in den Städten gestiftet, welche dem Landesherrn nichts, nicht einmal das Obdach, kosteten. Wahr ist es, daß den ältesten Klöstern bei Einführung des Christenthums beträchtliche Landstrecken überwiesen wurden, allein sie werden in den Urkunden mehrentheils als wüste, ungebaute Striche (deserta) voller Sümpfe und Wälder geschildert; der Werth des Geschenks war also so groß nicht, im Gegentheil machten die Mönche das Ganze dem Landesherrn erst nutzbar 3 ). - - - Nach wenigen Menschenaltern stand die einem Cisterzienser=Kloster geschenkte Wüstenei als ein blühender Landstrich voller deutscher Dörfer da; ohne diese Klöster würde die Mark Brandenburg dem heutigen Ungarn gleich geblieben sein, wo deutsches
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Wesen nur in den Städten herrschend geworden, das Landvolk asiatisch geblieben ist. In spätern Zeiten ist den Klöstern wenig geschenkt worden. Wollte man freilich die vielen Urkunden, in denen von Schenkungen die Rede ist, für eitel Liberalität halten, so würde des Geschenkten eine große Masse herauskommen, allein es zeigt sich bei genauerer Lesung bald, daß es lauter Appropriationen sind, d. h. das Kloster hatte einem fürstlichen Vasallen ein Stück Land abgekauft und der Landesherr erließ die darauf haftenden Lehndieste. - - Wo ja reine Schenkungen vorkommen, ist es ein Ersatz für Schäden. - - Umgekehrt ergiebt sich bald, wie schon in der frühesten Zeit - - die Landesherren in ihren Nöthen stets auf die Stifter recurrirten, so daß man nicht zu viel sagt, wenn man behauptet, daß sie fast fortwährend gebrandschatzt wurden. Es wäre unbegreiflich, wie die Klöster den beständigen Anforderungen und der öfters gradezu angewandten Gewalt genug thun, wie sich die meisten sogar in einem blühenden Zustande erhalten konnten, wenn nicht zwei Umstände das Räthsel löseten, nämlich einmal die Selbstbewirthschaftung der Klostergüter von Oekonomen, - - sodann die Naturalienwirthschaft."
Es ist nun höchst merkwürdig, die Filiation, gleichsam den Stammbaum zu verfolgen, in welchem sich die Cisterzienserklöster von Cisterz aus über ganz Deutschland verbreiteten, und hat dies eine gewisse Aehnlichkeit mit der Gründung der Städte, welche, von Cölln als einer gemeinsamen Wurzel ausgehend, in zwei Stämmen, Magdeburg und Lübeck, sich allmählig in unendlich viele Aeste verzweigten. Eines der vier ältesten Töchterklöster von Cisterz ist das 1115 gestiftete Kloster Morimund in Lothringen". Im Jahre 1122 wurden Cistercienser aus Morimund in das neugestiftete Kloster Alten=Kamp am Rhein berufen. Schon im Jahre 1130 errichteten Mönche von Alten=Kamp das Kloster Amelungsborn an der Weser bei Holzminden. Amelungsborn stiftete im Jahre 1170 das Kloster Doberan, von welchem wieder viele Klöster gestiftet wurden, in Meklenburg nur das bedeutende Mönchskloster Dargun im Jahre 1172; zwar machten auf die Mutterschaft dieses Klosters auch die Mönche des seeländischen Klosters Esrom Anspruch, im Jahre 1258 versicherte aber das General=Capitel des Ordens dem Kloster Doberan die volle Paternität über das Kloster Dargun (vgl. Meklenburg. Urk. I, Nr. LII).
Nicht allein das Schwert, vorzüglich der muthige Glaubenseifer und die standhafte Rastlosigkeit des Bischofs Berno zu Meklenburg (seit 1167 zu Schwerin), desApostels der Obotriten, verschaffte dem Christenthume dauernden Eingang in Me=
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klenburg. Es war ein großes Glück für Meklenburg, daß Berno ein Cistercienser=Mönch, aus dem Kloster Amelungsborn, war, da für die Eigenthümlichkeit des Landes keine Art von Cultur besser paßte, als die, welche die Cistercienser ihm geben konnten: noch heute stehen unzählige Einrichtungen auf dem Grunde, den Berno gelegt hat. Im Jahre 1164 bewirkte er die Taufe des letzten Wendenfürsten Pribislav; Pribislav stürzte auf dem fürstlichen Hofe Doberan 1 ), später Alt=Doberan, der alte Hof Doberan, jetzt Althof genannt, die Götzen und gründete in demselben Jahre 1164 an derselben Stelle ein christ!iches Gotteshaus. Neben diesem stiftete er im Jahre 1170 das Cistercienser=Kloster Doberan und besetzte es durch Vermittelung Berno's mit Mönchen des Klosters Amelungsborn. Doberan ward also das älteste Kloster Meklenburgs und als solches und durch seine innere Kraft die glanzvollste geistliche Stiftung im Lande; noch heute zeugt die wunderherrliche Kirche, welche bis in unser Jahrhundert hinein die vorzüglichste Ruhestätte der Landesfürsten aller Linien ward, mit ihren vielen und seltenen historischen Denkmälern für die Größe der Stiftung. Nach dem Tode Pribislav's, am 30. December 1178, erhoben sich die Wenden noch einmal in schnaubendem Grimme gegen das Christenthum, verwüsteten am 10. November 1179 den jungen Weinberg des Herrn und erschlugen hier zu Alt =Doberan 78 Bewohner des Klosters. Im Jahre 1186 stellte Pribislav's Sohn Borwin das Kloster Doberan wieder her, verlegte es in das Dorf Doberan, dahin, wo noch heute die Kirche steht, und bevölkerte es wieder mit Mönchen des Klosters Amelungsborn; um das Jahr 1190, kurz vor dem Tode Berno's, ward der sichere Grund zu der erneueten Stiftung gelegt und seitdem mit seltener Kraft an der Blüthe des Klosters gearbeitet.
Meklenburg verdankte also dem Kloster Amelungsborn, welches ohne Rast um das blühende Tochterkloster Doberan bemüht war, den besten Theil seiner Bildung. Dessen war sich das Kloster Amelungsborn auch stets ewusst und daher stand es auch immer in der engsten Verbindung, nicht allein mit dem Kloster Doberan, sondern auch mit den meklenburgischen Fürsten. Als die Herzoge von Meklenburg bei dem innern Verfall der Klöster auch das Kloster Doberan visitiren und reformiren wollten, schrieben der Abt und Convent von Amelungsborn am 21. Junius 1502 einen sehr merkwürdigen Brief 2 ) an die Fürsten: "ihr erbliches Stift Doberan dürfe nur von ihnen visitirt
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werden; ihre Väter hätten es zu Althof gegründet, die meklenburgischen Fürsten hätten es ihnen übergeben und sie hätten es mit großem Blutvergießen und bittern Martern gewonnen; sie hätten den Christenglauben im Wendenlande gemehrt, das geistliche Leben zu Doberan gefördert mit großer Anstrengung im Bau und im geistlichen Leben; deshalb hätten sie auch das Wappen der Fürsten von Meklenburg an dem Gewölbe über dem Hochaltare ihrer Kirche befestigt, zum Zeichen, daß sie ewig mit den meklenburgischen Fürsten sollten verbrüdert sein." Bei einer so innigen Verbindung feierten denn auch die Brüder von Amelungsborn die Gedächtnißtage der ältesten meklenburgischen Fürsten, deren Sterbetage sie in ihrem Todtenbuche 1 ) verzeichnet hatten.
Daher hatte das Kloster Amelungsborn auch die gerechtesten Ansprüche auf die Dankbarkeit der Fürsten, um so mehr, da das Kloster den größten Eifer in der Beaufsichtigung des Tochterklosters bewies, indem es nicht nur die jährlichen Visitationen mit gewissenhafter Sorgsamkeit ausführte, sondern auch in jeder Noth und bei jeder Irrung demselben mit Rath und That beistand; noch am 21. Junius 1502 schreibt der Abt von Amelungsborn: "er sei in 5 Jahren 4 Male mit großer Aufopferung in Doberan gewesen, um alle Dinge mit eigenen Augen zu erkennen, und er hoffe, daß er nichts versäumt habe, wie auch seine Vorfahren zu Doberan alles mit Gewissenhaftigkeit und in der Furcht Gottes ausgeführt hätten."
Diese Dankbarkeit bewiesen denn auch die Fürsten Meklenburgs in vollem Maaße. Sie schenkten dem Kloster Amelungsborn die Dörfer Satow und Dranse, welche das Kloster bald zu Haupthöfen umschuf und mit andern bedeutenden Besitzungen durch seinen Landbau vermehrte.
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1.
Der Hof Satow.
Der Fürst Borwin I. (1179 † 1227) schenkte, unter Zustimmung seiner Söhne, dem Kloster Amelungsborn das Gut (praedium, bona) Satow, Die Urkunde über diese Schenkung ist verloren gegangen und auch in den hinterbliebenen Diplomatarien des Klosters nicht enthalten; die Zeit der Schenkung kann also nicht bestimmt angegeben, jebdoch ziemlich genau begrenzt werden. Die Schenkung geschah unter Zustimmung der Söhne Borwins, welche erst seit dem Jahre 1218 die Regierung mit ihrem Vater theilten; der Bischof Brunward von Schwerin bestimmte im Jahre 1224 die Größe der Pfarre Satow: zwischen beide Zeitpuncte fällt also die Schenkung von Satow, wahrscheinlich ungefähr in das Jahr 1219, nachdem der Fürst im J. 1218 die Besitzungen des Klosters Doberan bestätigt und im J. 1219 das erste und vorzüglichste Cistercienser=Nonnenkloster Sonnenkamp oder Neukloster neu errichtet hatte. Im J. 1301 hatte das Kloster Amelungsborn Satow über 70 Jahre besessen. Die Schenkung durch den Fürsten Borwin I geht nicht nur aus mehreren späteren Urkunden 1 ), sondern auch aus der Aufzeichnung in dem aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden Todtenbuche des Klosters Amelungsborn hervor:
IV non. Febr obiit Borwinus princeps Slauorum, qui contulit ecclesie nostre grangiam et indaginem Satowe, cum decima, a venerabili episcopo Zvirinensi Brunwardo pro villa Wukernte mutata, que simul cum omnibus appenditiis, de maturo hincinde fratrum consilio, permutatione cum filia nostra Doberanense inita, in duarum sartaginum saline in Lunenborch reditus sunt redactae.
Non. Junii obiit Henricus, Burwini principis Slauorum filius, cuius consensu Satowia est collata.
IV kal. Oct. obiit Nycolaus, filius Burwini principis Slauorum,
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(und irrthümlich ist durch Verwechselung dieses Nikolaus mit seines Bruders Sohn Nicolaus, wahrscheinlich später, hinzugefügt:)
qui monasterio nostro grangiam Drans cum stagno adiacente donauit, porro decimam LX mansorum Brunwardus episcopus Zvirinensis, reliquas vero omnes decimationes ad dictam grangiam pertinentes Wilhelmus episcopus Haueibergensis largiter contulerunt.
Satow war zur Zeit der Schenkung ein Ort des Grauens und wüster Wildniß ("locus horroris et vastae solitudinis" 1224) und wahrscheinlich Domaine, daher Landgut (praedium) genannt, oder herrenloses Gut, vielleicht ein ehemaliges heidnisches Heiligthum, um so mehr, da ein alter Ort in der Nähe, welcher bei der Gründung der Colonie zur Pfarre Satow gelegt ward, den Namen Radegast führte; es liegt beinahe zwei Stunden südlich von Doberan und eine Stunde südöstlich von Parkow (bei Neubukow), wo früher das auf der Domaine Kussin im J. 1219 wieder aufgerichtete erste Nonnenkloster Sonnenkamp (Uebersetzung des wendischen Wortes Parkow), später Neukloster, gestanden hatte. Nach der politischen Eintheilung lag Satow im Lande Schwan 1 ). Die Gegend von Satow mag zur Zeit der Schenkung wild gewesen sein, wahrscheinlich ganz mit Urwäldern von Laubholz bedeckt; jetzt ist die Gegend unendlich reizend und fruchtbar. Kirche und Pfarre liegen auf einer bedeutenden Anhöhe, von welcher man eine wahrhaft entzückende, meilenweite Aussicht hat; die nächsten Umgebungen bieten einen herrlichen und mannigfaltigen Wechsel von Berg und Thal, Laubwaldung und Wasser, Feld und Wiese.
Der Fürst Borwin schenkte dem Kloster Amelungsborn aber nicht allein den Besitz von Satow, sondern verlieh ihm auch die Befreiung von beschwerlichen Lasten, namentlich von den geistlichen Zehnten, welche der Fürst von dem Bischofe von Schwerin zu Lehn trug; der Bischof Brunward ließ sich von dem Fürsten dadurch abfinden, daß er von diesem die an Satow grenzende fürstliche Domaine Wokrent zum Tausch nahm und dem Fürsten sogleich wieder zu Lehn gab. Vielleicht daher, weil Wokrent unter der bischöflichen Oberlehnsherrlichkeit stand, mag es gekommen sein, daß die von Vieregge auf Wokrent, welche übrigens außerdem Lehnsbesitz im Bisthume Schwerin hatten, späterhin Marschälle des Bisthums waren 2 ). Der
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Bischof Brunward von Schwerin bestätigte 1 ) diese Zehntenschenkung noch bei Lebzeiten Borwins, wahrscheinlich gleich nach der Schenkung des Gutes Satow im J. 1219, weil die Brüder von Amelungsborn die Gründer des Glaubens und die Vertilger der Götzen im Wendenlande ("auctores fidei et exstirpatores ydolorum in Zlauia") seien.
Sogleich legten die Brüder die Hand an die Christianisirung und Germanisirung des Ortes und an die Colonisirung der Gegend. Schon im J. 1224 stand die Kirche 2 ). Von allen Klosterbauten zu Satow ist nichts weiter übrig geblieben, als die Kirche, welche Zeugniß giebt, daß ihre Gründung gleich nach der Schenkung begonnen sein muß, weil der Chor noch ein hübsches, im Rundbogen gewölbtes Fensterpaar hat, das Schiff aber im Uebergangsstyle vom Rundbogen zum Spitzbogen aufgeführt und in den Gewölben durch einen Kreis geschlossen ist; die Zeit des Ueberganges läßt sich in Meklenburg aber ziemlich genau durch das Jahr 1220 bestimmen, wenn wir die ältesten Giebel der Kirchen zu Neukloster (1219) und zu Güstrow (1226) zu Rathe ziehen. Das Schiff der Kirche zu Satow hat eine Pforte (um 1224), welche der südlichen Pforte des Domes zu Güstrow (um 1228) ganz gleich und dabei eigenthümlich ist, nämlich mit rechtwinklig in die Wulste gesetzten, zugespitzten Scheiben verziert; diese Verzierung ist außerdem in Meklenburg nicht beobachtet, findet sich jedoch noch an einer Rundbogenpforte des alten Domes zu Lund 3 ).
Im J. 1224 bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Amelungsborn die Größe des Kirchsprengels 4 ) von Satow, welche von Borwin und seinen Söhnen bei der Stiftung bestimmt war, und damit zugleich das Patronatrecht, welches der Besitzer des Hofes Satow immer besaß und das im J. 1301 ausdrücklich auf das Kloster Doberan überging; es sollten nämlich der Kirche eingepfarrt sein: außer Satow, zwei Dörfer: Radegast und Rederank, und vier Hagen: Gerhards=Hagen (Gerdeshagen), Wendisch=Hagen, Marquards=Hagen (Markshagen) und Iken=Hagen (Miekenhagen) 5 ). Die beiden Dörfer Radegast und Rederank waren
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ohne Zweifel alte, wendische Dörfer; die 4 Hagen aber waren sicher schon neue Colonien zur Ausrodung des Waldes (Hagen), und wahrscheinlich mit Sachsen besetzt, mit Ausnahme von Wendisch=Hagen, dessen Name dafür spricht, daß die Mönche von Amelungsborn neben den Einwanderern auch die Wenden zur Cultivirung anhielten.
Im Wesentlichen besteht der Pfarrsprengel von Satow noch jetzt aus den bei der Stiftung ihm zugewiesenen Dörfern und Gütern: Satow, Radegast, Rederank, Gerdshagen, Miekenhagen, Steinhagen und Horst. Bei der Kirchen=Visitation 1599 enthielt die Pfarre: Hof und Dorf Satow, Hof und Dorf Radegast, Dorf Rederank, Dorf Gerdeshagen, Hof und Dorf Marxhagen, Hof und Dorf Miekenhagen und Horst. Es sind also in neuern Zeiten abgegangen Marxhagen und Wendisch=Hagen, hinzugekommen Steinhagen und Horst. Marquardshagen oder Markshagen, im 15. Jahrh. im Besitze der Preen 1 ), deren altes Lehn Rederank war, war altes Lehn der Raben mit einer liegenden halben Lilie im Schilde und einem Raben mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Helme. Noch im J. 1730 bestand der Meierhof Markshagen, jedoch nur als Pertinenz von Rederank. Wendischhagen ist wahrscheinlich früh in der Feldmark Satow, da auch Satow späterhin einen Hagen hatte, untergegangen, nachdem hier die Wenden zeitig germanisirt waren; das Dorf erscheint nur in der Stiftungsurkunde und wird später nie wieder genannt; auf der großen schmettauschen Charte steht bei Miekenhagen, nach Rosenhagen hin, ein Wendenholz gezeichnet. Horst war 1599 nur ein "Haus in der Horst also genannt"; vielleicht ist es die Hohehorst, welche 1244 zwischen Satow und Püschow lag. Steinhagen erscheint nur als neuere Pertinenz von Radegast.
Nachdem die Hauptgeschäfte geordnet und die nothwendigsten Bauten vollendet waren, ging es an die Urbarmachung der Wälder und Felder und die völlige Einrichtung der ganzen Wirthschaft. Der Priester und Mönch Stephan zu Satow (Stephanus monachus et sacerdos in Satowe) war es, der die ganze Colonisirung leitete; noch in den Jahren 1235 und 1236 war er bei dem Bischofe Brunward auf dessen Residenzen Warin und Bützow 2 ) und nahm hier nächst dem Abte von Doberan die erste Stelle ein, stand sogar vor dem Domdechanten von Güstrow. Er sammelte zu Satow Conversen des Ordens, um ihn in der Ausführung des Werkes zu unterstützen; im J. 1244 werden "des Klosters Amelungsborn Conversen
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zu Satow" (conversi in Satovia) 1 ) ausdrücklich als Repräsentanten der Besitzung genannt.
Bald erscheinen denn auch die Besitzungen geordnet: sie umfaßten, außer der Pfarre, den Hof Satow, wo der Hofmeister (curiae magister, grangiarum magister, provisor) mit den Conversen wohnte, das Dorf Satow und die Mühlen ("cum molendinis" 1301, vergl. 1350); außerdem wird noch ein Hagen Satow genannt (am 27. März 1330 und 18. Oct. 1422), es muß aber unentschieden bleiben, ob hiemit das Dorf Satow oder das schon früh untergegangene Dorf Wendischhagen gemeint ist. Sowohl die Wirthschaft zu Satow, als überhaupt der Verkehr der amelungsborner Mönche war so bedeutend, daß sie, wie die Mönche von Doberan, schon im J. 1288 einen Hof 2 ) in der Stadt Rostock besaßen; in dem ältesten rostocker Stadtbuche ist zum J. 1288 folgendes Protocoll aufgezeichnet:
Ludolfus Dame vendidit Hermanno Bůc VI marcarum redditus in hereditate sua angulari tota descendente ad curiam monachorum de Satowe.
Im J. 1233 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle, Borwins I. zweiter Enkel, dem Kloster Amelungsborn 60 wahrscheinlich noch nicht bebauete Hufen am See Dranse bei Witstock, auf denen das Kloster einen zweiten Haupthof Dranse aufführte, welcher mit seinen Gütern im zweiten Abschnitte besprochen werden soll. In demselben Jahre schenkte der schweriner Bischof Brunward dem Kloster die Zehnten 3 ) von diesen Hufen und zwar durch Beförderung des "Herrn Stephan" ("domino Stephano hoc negotium promovente"), unter welchem wohl kein anderer zu verstehen ist, als der rührige Priester und Mönch Stephan von Satow.
Ungefähr um dieselbe Zeit wird es gewesen sein, als derselbe Fürst Nicolaus I. von Werle dem Kloster Amelungsborn zwei Hufen in Wildeshufen bestätigte, welche sein Vater demselben geschenkt hatte; er bezeugt in der sehr merkwürdigen und wichtigen Urkunde: sein verstorbener Vater Heinrich (Borwin II.) von Werle habe, unter seiner geziemenden Zustimmung, für das Seelenheil seiner selbst und seiner Mutter Christine, seines verstorbenen Großvaters Borwin (I.) und seines Oheims Nikolaus, zum Gottesdienst zwei Hufen in
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Wildeshusen dargebracht und dieselben der freien Bestimmung der Einsiedlerin (sororis reclusae) Christine zu Satow überlassen, um wöchentlich eine Messe für die Lebenden und eine für die Gestorbenen dort lesen zu lassen, wo es ihr angemessen erscheinen werde 1 ). Daraus, daß das Kloster Amelungsborn diese Urkunde besaß, läßt sich schließen, daß dieser Besitz mit der Verpflichtung zu den Seelenmessen früher oder später dem Klosterhofe Satow übertragen ward. Die Urkunde ist in dem Diplomatarium leider ohne Datum; es lassen sich aber alle Zeitpuncte aus den Umständen ziemlich genau bestimmen. Die Schenkung der zwei Hufen wird wahrscheinlich im Anfange des J. 1226 geschehen sein, da Heinrich Borwin II. am 4. Junii 1226 starb und seine noch sehr jungen Söhne, welche noch einige Zeit lang alle unter Vormundschaft standen, unter dem Beirath der Landesräthe schon im Anfange des J. 1226 ihre Zustimmung zu Regierungshandlungen ihres Vaters und Großvaters gaben 2 ); da aber Nikolaus I. von Werle ausdrücklich der Zustimmung zu der Schenkung seines Vaters erwähnt, so kann diese schwerlich in eine andere Zeit fallen, als in die erste Hälfte des J. 1226. Die Ausstellung der Urkunde über die Schenkung in Wildeshusen wird aber in die ersten Zeiten nach dem Tode der Borwine (1226 und 1227) und der Landestheilung (1229) und in die ersten Zeiten der Volljährigkeit des Fürsten Nikolaus fallen; möglichst früh muß die Urkunde gestellt werden, da Nikolaus sich noch Fürst von Wenden (princeps Slaviae) nennt und das Andenken an die Todesfälle in der fürstlichen Familie nach der ganzen Fassung der Urkunde noch im frischen Andenken gewesen zu sein scheint, jedoch auch nicht zu früh, da Nikolaus schon allein handelnd auftritt und bereits volljährig gewesen sein muß 3 ). Die Urkunde wird also im Jahre 1232 ausgestellt worden sein.
Diese Urkunde ist auch dadurch merkwürdig, daß sie die bisher unbekannte Gemahlin des Fürsten Borwin II., Christine, nennt; freilich wissen wir bis jetzt nicht, aus welchem Fürstenhause sie stammte, aber es ist einstweilen doch etwas gewonnen. Vielleicht war sie sogar die Schwester Christine, welche nach derselben Urkunde als Einsiedlerin (reclusa) zu Satow lebte, ein Beweis für das große Vertrauen zu den amelungsborner Mönchen, daß bei ihnen eine Einsiedlerin in der Wildniß, die erst eben gelichtet ward, Zuflucht suchte. Auch des Fürsten Johann von Gadebusch Tochter wird 1353 als Wittwe eine Religiose (religiosa, Rudloff, M. G. II, S. 103) genannt.
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Es fragt sich, wo Wildeshusen gelegen habe, da in Meklenburg kein solcher Ort mehr existirt, auch nicht in früheren Zeiten in den Archiven je vorkommt. So viel scheint man annehmen zu können, daß es in der Nähe von Satow 1 ) gelegen habe. Wilsen bei Doberan wird nicht gemeint sein, da dieses schon sehr frühe in der Form Wilsene vorkommt und dieser Name wendisch zu sein scheint. Wahrscheinlich lag Wildeshusen, welches seinen Namen wohl von einer Ansiedelung in der Wildniß trug, an der Grenze der Feldmark Satow. Vielleicht waren die geschenkten 2 Hufen in Wildeshusen diejenigen, welche am 1. Nov. 1304 das Kloster Doberan von dem "Geistlichen (Hofmeister) des Heiligen=Geistes=Hagens" zu den Feldern des Hofes Satow erworben hatte 2 ). Heiligengeisteshagen, welches östlich an Satow grenzte, heißt jetzt Heiligenhagen 3 ) und trug seinen Namen von dem Heiligen=Geist=(Hospitale) zu Riga, dem das Gut gehörte, jedoch wohl noch nicht im Jahre 1244, da damals noch Bölkow und Lukow östlich an Satow grenzten. Der Heilige=Geist zu Riga veräußerte Heiligengeisteshagen im 15. Jahrhunderte. Heiligengeisteshagen wird also in alten Zeiten, ehe es in den Besitz des Heiligen=Geistes zu Riga kam, einen andern Namen geführt haben. Wahrscheinlich hieß Heiligengeisteshagen früher Wildeshusen, um so mehr, da am 4. April 1350 zwischen Satow, Heiligengeisteshagen und Püschow ein Feld lag, genannt das Streitfeld 4 ), welches die in Frage stehenden 2 Hufen gewesen sein können, da sie vielleicht streitig waren, weil man nicht wußte, ob man sie, der Abgaben wegen, zu Heiligenhagen oder zu Satow ziehen sollte.
So fleißig und umsichtig aber auch die amelungsborner und doberaner Mönche wirthschafteten und ordneten, so hatten sie doch fortwährend, trotz aller Privilegien, mit allerlei Anfechtungen zu kämpfen: die Forderungen der Fürsten und der Nachbaren nahmen kein Ende; die allerfreiesten geistlichen Güter wurden dennoch ohne Ende und Maaß in Anspruch genommen.
Nachdem die Landestheilung völlig durchgeführt war, bestätigte der Fürst Nikolaus von Werle im J. 1244 dem Kloster Amelungsborn den freien Besitz der Güter Satow 5 ), da
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diese im Lande Schwan lagen, welches damals noch zur Herrschaft Werle gehörte; der Fürst bestätigte dem Kloster den Besitz der Güter "mit allen Zugehörungen und Nutznießungen, mit allen Freiheiten und Gerechtigkeiten, frei von aller Belästigung der Beamten und Richter, von Burgen= und Brückenbau, von Steuern, Zöllen und Kriegsdiensten, so daß die Bewohner der Güter keinem andern verpflichtet sein sollten, als Gott und dem Kloster Amelungsborn, weil sich die Brüder des Klosters als die ersten Vernichter der Götzen im Wendenlande gezeigt hätten." Zu gleicher Zeit bestimmte der Fürst die Grenzen von Satow, zu deren Regulirung er seinen Truchseß Heinrich Gamm abgeordnet gehabt hatte. Die Grenzen waren namentlich zwischen dem Kloster und Jordan von Savene, Hermann von Wokrent und Judith von Neuenkirchen auf Radegast streitig gewesen. Wir kennen freilich diese Personen und deren Familien und Besitzungen nicht mehr, da die Namen und Besitzungen der Vasallen in den ältesten Zeiten äußerst dunkel sind; ohne Zweifel aber waren die genannten Personen, unter diesen auch eine Frau, benachbarte Gutsbesitzer. Vermuthlich für denselben Ritter Jordan ward im Kloster Amelungsborn alljährlich am 20. Sept. eine Gedächtnißfeier zur Dankbarkeit für seine Wohlthaten gehalten, indem es in dem amelungsborner Memorienbuche 1 ) heißt:
XII. Kal. Octob. Eodem die pro Jordano milite et uxore sua de Slavia, qui cenobio nostro multa beneficia inpenderunt, in piscibus tantum servitur.
Aus den über diese Grenzbestimmung ausgestellten merkwürdigen Urkunden 2 ) geht hervor, daß damals die Grenzen der zu Satow gehörenden ungeheuren Wälder sich viel weiter erstreckten, als jetzt, so weite Strecken die Mönche damals auch schon urbar gemacht hatten. Damals wurden die Grenzen gegen Süden mit Wokrent und Radegast bestimmt. Nach den andern Seiten hin war den Conversen die Urbarmachung ohne bestimmte nahe Grenze erlaubt, gegen Osten hin bis zu den Grenzen der Dörfer Bölkow und Lukow, gegen Norden hin bis gegen Püschow; diesen Raum hatten sie schon zum großen Theile ausgerodet; gegen Westen hin theilten sie ihre Gerechtigkeiten mit den Bewohnern des Dorfes Karin in den Wäldern auf einem bedeutenden Raume, auf welchem jetzt mehrere Landgüter liegen. Es erhellt aus diesen Bestimmungen, daß noch damals sehr weite
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Gegenden unangebauet waren und man diese den nächsten Klöstern in so weit überließ, als sie dieselben mit eigenen Kräften cultiviren konnten, und so lange sich nicht andere Leute fanden, welche die Cultivirung übernahmen.
Bei der Abschließung des Vertrages wohnten zu Satow wenigstens: der dirigirende Priester und Mönch Stephan, der Gründer der Colonie, der Gastmeister Heinrich, der Hofmeister Hermann und zwei Conversen: Hermann Wise (Sapiens), wahrscheinlich aus dem rostocker Patrizier=Geschlechte, und Engelbert.
Eine feste Gestalt erhielten die Felder von Satow erst gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war es ein Hauptgeschäft der landesherrlichen Verwaltung, die Felder zu vermessen, theils um jetzt den Besitzern bestimmte Größen und Grenzen versichern zu können, theils und vorzüglich um das Hufenmaaß für die Erhebung der Abgaben (Beden) zu erforschen, und die Radelandshufen (Ueberschlag) herauszubringen, welche im Laufe der Zeit den tragfähigen Boden der Güter vermehrt hatten. In dieser Zeit kommt es nun sehr häufig vor, daß die Klostergüter von der Vermessung befreiet und ihnen ihre Besitzungen maaßlos versichert wurden, vorzüglich weil sie abgabenfrei waren. So versprach der Fürst Heinrich von Werle am 6. März 1287 dem Kloster Amelungsborn, daß, obgleich durch die fürstlichen Beamten die Felder von Satow vermessen seien, es dennoch dieselben ohne Bestimmung der Hufenzahl besitzen und in der Folge nie eine Vermessung der Felder erleiden solle 1 ), - ein Versprechen, welches eben so wenig gehalten ward, als das Versprechen der Abgabenfreiheit.
Nun hätte man glauben sollen, daß dem verdienten Kloster der Besitz von Satow ungeschmälert zu Nutzen gekommen wäre. Aber weit gefehlt: die Plackereien fingen jetzt erst an. Es war durch die Confirmations=Urkunden bestimmt, daß die Brüder zu Satow die Besitzungen völlig frei haben und keinem andern, als "Gott und ihrem Kloster" verpflichtet sein sollten: aber es war nicht ausdrücklich bestimmt, daß die Felder von Satow frei von Beden (Contributionen) seien, und es scheint fast, daß keine Freiheit gewährt ward, wenn sie nicht wörtlich und ausdrücklich ausgesprochen war. Daher mußte das Kloster von den Gütern Satow Bede zahlen, welche um so sicherer entrichtet werden mußte, als sie einem Privatmanne zur Erhebung überwiesen war 2 ). Ward nun in der Folge auch dem besitzenden Kloster wiederholt
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der völlig freie Besitz versichert, so mußte doch im J. 1422 schon wieder "Ueberbede" entrichtet werden 1 ): kaum war eine neue Last abgewälzt, so mußten sich die geistlichen Güter schon wieder zur Uebernahme anderer Lasten verstehen.
Drückender als die Geldabgaben, waren aber die Ablager: das Recht der Fürsten, in den Klosterhöfen Herberge zu nehmen; dies hatte freilich seinen guten Grund darin, daß die Fürsten bei den schlechten Wegen und den mangelhaften Herbergen in den kaum gegründeten Städten Bequemlichkeit und gebildeten Umgang nur auf den Klosterhöfen finden konnten, so lange sie noch nicht in jeder Stadt eigene Schlösser hatten, welche häufig doch nicht ausreichten; aber die Last der Aufnahme war für die Klöster immer sehr bedeutend, namentlich wenn man bedenkt, mit welchem ungeheuren Reitergefolge die Fürsten damals zu reifen pflegten. So ward denn auch Satow als ein Klosterhof betrachtet, auf welchem gutes Ablager zu finden war. Und wirklich finden wir aufgezeichnet, daß die Landesfürsten zu Satow Hof hielten; so war z. B. am 8. Septbr. 1320 der Fürst Heinrich der Löwe auf dem Hofe zu Satow 2 ) und im Mai 1330 ward der edle Jüngling Johann von Plate, Schildknappe des Fürsten Albrecht, auf dem Hofe zu Satow durch einen Conversen vergiftet 3 ).
Endlich waren die häufigen Kriege und Fehden für die Klosterhöfe im höchsten Grade drückend, da sich häufig die Kriegsvölker verwüstend und zehrend auf ihren Besitzungen umhertrieben, weil die Fürsten oft auf den Klosterhöfen Schlachtplane machten und Frieden und Bündnisse schlossen; und dies mochte oft Satow treffen, da es unweit der Grenze vieler Landestheile lag, der Herrschaften Meklenburg, Werle, Rostock und des Bisthums Schwerin. Besonders drohend für Satow ward der Fall des Fürstenhauses Rostock und der Eingriff des Königs von Dänemark in die politischen Angelegenheiten der Wendenländer. Der letzte Fürst von Rostock, bezeichnend Nikolaus das Kind genannt, hatte sich, da er sich nicht zu rathen wußte, dem Könige Erich von Dänemark in die Arme geworfen, welcher sich auch im J. 1300 persönlich in den Besitz des Landes Rostock setzte. Zwar wurden durch die Friedensverhandlungen und Schlüsse vom 22. Julii und 1. Aug. 1301 einstweilen die Kriegsstürme beruhigt; aber der Fürst Nikolaus von Werle mußte das Schloß und das halbe Land Schwan an den König abtreten und dadurch für immer verloren geben. Hiedurch ward die Stellung des Klosters
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Amelungsborn für den Hof Satow natürlich sehr gefahrvoll. "Weil die Güter so sehr entfernt von dem Kloster lagen und das Kloster fast gar keinen Nutzen von denselben hatte, jedoch so bedeutenden Schaden abzuwenden wünschte", so kam es, in Voraussicht trüber Zeiten, schon am 2. Febr. 1301 dahin, daß das Kloster Amelungsborn, unter Zustimmung des Vater =Abtes von Alten=Camp, das Dorf und den Hof Satow mit dem Kirchenpatronat und den Mühlen gegen zwei Salzpfannen in der Saline zu Lüneburg an das Tochterkloster Doberan vertauschte 1 ) und diesem allen möglichen Schutz gegen jeden Anspruch versicherte, da alles Gut des Ordens Gemeingut sei; dabei ward festgesetzt, daß das Andenken der Geber und Wohlthäter stets unvermindert in den Klöstern Amelungsborn und Doberan gefeiert werden solle. Die beiden Salzpfannen zu Lüneburg hatte das Kloster Doberan 1233 und 1262 von den Herzogen von Braunschweig erworben.
Seit dieser Zeit blieb das Kloster Doberan im Besitze von Satow, welches in der Nähe des Klosters und dessen zahlreicher Landgüter lag.
Das Kloster Doberan strebte nun im Laufe der Zeit mit allen Kräften darnach, die auf dem Gute Satow ruhenden Lasten abzuwälzen, wie es sich überhaupt durch eine musterhafte, solide Wirthschaft auszeichnete.
Wenn auch das Kloster Amelungsborn für Satow von allen Lasten befreiet war, so waren dennoch im Laufe des 13. Jahrh. die Felder vermessen und Bedenabgaben auf die Hufen des Dorfes gelegt, wenn auch die Aecker des Hofes frei sein mochten. Die Erhebung dieser Beden war an den Ritter Friederich Babbe veräußert; die Babbe wohnten im 14. Jahrh. auf Siemen, an die Pfarre Satow grenzend, und waren außerdem Lehnleute der Bischöfe von Schwerin. Am 1. Nov. 1304 überließ dieser Friederich Babbe dem Kloster die Beden 2 ) von den Bauerhufen des Dorfes Satow, von den zwei Hufen auf der Dorffeldmark, welche das Kloster von dem Hofmeister des rigaschen Heiligengeist=Hospitals zu Heiligenhagen erworben hatte, und von allen Aeckern des Dorfes Satow, welche das Kloster unter eigenem Pfluge hatte. Am 27. März 1330 bestätigten des Ritters Friederich Babbe Sohn Conrad und Enkel Friederich (Vicke) diese Ueberlassung der Beden 3 ), indem sie ihren vermeinten Ansprüchen an die Bede des "Dorfes oder Hagens" Satow entsagten.
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Bald darauf ward auch der Streit zwischen dem Kloster und dem Ritter Zubislav von Püschow (oder Putzekow) geschlichtet. Die von Püschow wohnten im 14. Jahrh. auf den an die Pfarre grenzenden Gütern Püschow und Lüningshagen. Das Kloster klagte gegen den Ritter Zubislav von Püschow und seine Söhne Johann und Zubislav (oder Zubbeke) über einen Schaden von 30 Mark rostock. Pf. wegen eines Pferdes und dreißig Schweine, der Ritter dagegen klagte über das Kloster wegen Verletzung der Grenzen zwischen dem Hofe Satow und dem Dorfe Püschow. Am 1. Junii 1335 ward der Streit dahin verglichen 1 ), daß das Kloster seinen Ansprüchen auf Entschädigung entsagte, der Ritter mit seinen Söhnen dagegen dem Kloster die alten Grenzen versicherte, namentlich dort, wo die Felder des Hofes Satow, des Dorfes Püschow und des Heiligen=(Geistes =) Hagens zusammenstießen, und diese Grenzen genau bezeichnete.
Es war bei dieser Unterhandlung eine zahlreiche Zeugenschaft aus der Umgegend versammelt, unter diesen namentlich der Conversbruder und Hofmeister Bernhard von Satow und der Pfarrer Dethard von Satow, so wie auch der Pfarrer Hermann Klein von Retschow.
Am 4. April 1350 bestätigte der Knappe Subbeke oder Zubislav von Püschow diese Grenzbestimmung, nachdem er volljährig geworden war, wie sein verstorbener Bruder Johann sie früher verabredet gehabt habe 2 ).
Am 17. Jan. 1386 wurden auch die Grenzen zwischen Satow und Wokrent regulirt und dabei von Otto Vieregge auf Wokrent dem Kloster Doberan ein Acker Namens "Mönchhals" abgetreten 3 ).
Je fleißiger aber die Mönche wirthschafteten und Acker urbar machten, desto eifriger forderten die Landesherren Abgaben. Am 13. Jan. 1350 bewilligten die Herzoge Albrecht und Johann von Meklenburg, zu deren Gebiet die Vogtei Schwan jetzt bleibend geschlagen war, daß das Kloster Doberan beliebig Aecker zu dem Hofe oder zu dem Dorfe Satow legen könne und daß die Felder beider Güter zusammen stets nur für 20 Hufen gerechnet und nie wieder gemessen werden sollten 4 ); die beiden Fürsten bestätigten dem Kloster zugleich alle Freiheiten und Rechte über Satow, wie sie dem Kloster Amelungsborn von den Fürsten von Werle verliehen und verbrieft worden seien, und versicherten
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demselben alle Eigenthumsfreiheiten, mit Ausnahme der allgemeinen Landwehr gegen feindliche Ueberfälle, zu welcher die Bewohner für 20 Hufen verpflichtet sein sollten.
Nach der Landestheilung vom J. 1352 erschöpfte der Herzog Albrecht seine Güte und versicherte am 24. Febr. 1353 dem Kloster "alle und jede Beden und die obere und niedere Gerichtsbarkeit über den Hof und das ganze Dorf Satow" 1 ), indem er zugleich alle früheren Privilegien bestätigte und sich und seinen Nachkommen kein Recht an den Gütern vorbehielt.
Aber es dauerte nicht lange, so war schon wieder "Ueberbede" zu bezahlen. Nachdem der Herzog Johann III. am 16. Oct. 1422 gestorben war, bestimmte dessen hinterlassene Wittwe, die Herzogin Katharine, am 18. Oct. 1422 zu Doberan die von ihrem verstorbenen Gemahle dem Kloster Doberan vermachte jährliche Hebung von 12 lüb. Mk. Pf. aus der "Ueberbede des Gutes Satow" 2 ) zu Gedächtnißfeiern und Seelenmessen für ihren Gemahl auf dessen Sterbetag, den 16. October (St. Gallen), jährlich, obgleich das Gut Satow dem Kloster mit allem Herrenrechte gehörte. An demselben Tage bestätigte auch des Herzogs Johann Vetter, der Herzog Albrecht, für sich und als Vormund der Kinder seines Vetters, dieses Legat "aus dem Hagen und Gute zu Satow" 3 ).
Ungefähr um jene Zeit als am 26. August 1433 die Grenzen zwischen Rederank und Püschow am püschower See regulirt wurden 4 ), war Hermann Hofmeister zu Satow.
Hiemit hören die besondern Nachrichten über Satow, insoferne sie ein bedeutenderes geschichtliches Interesse haben, gänzlich auf.
Im Jahre 1552 bei der Säcularisirung des Klosters Doberan ging Satow mit den übrigen Gütern des Klosters zu den Domainen über.
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2.
Der Hof Dranse.
Ueber den amelungsborner Klosterhof Dranse sind von v. Raumer in v. Ledebur's Allgem. Archiv VIII, 1832, S. 316 flgd., und von Riedel in dessen Cod. Dipl. Brandenb. I, 1838, S. 443 flgd., sämmtliche alten Urkunden mitgetheilt und verarbeitet; es bedarf deshalb hier nur eines kurzen Ueberblicks, um die Verhältnisse des Klosters Amelungsborn zu den Fürsten der Wendenländer aufzuklären.
Am 10. März 1233 schenkte der Fürst Nicolaus von Werle 1 ), unter Zustimmung seiner Gemahlin Judith und seiner Brüder Johann, Heinrich und Pribislav, da die Landestheilung damals noch nicht völlig ausgeführt war, den See Dranse mit 60 an diesem See liegenden Hufen, zu denselben Freiheiten und Gerechtigkeiten, mit welchen das Kloster Doberan seine Güter besaß. Diese Hufen, so wie alle später zu dem Haupthofe des Klosters zu Dranse gehörenden Güter des Klosters lagen in dem Lande Lieze 2 ) (auf der Lieze, dem Liezländchen, zwischen Witstock und Mirow), welches in alten Zeiten zu dem Fürstenthume Werle gehörte. Die Bischofsgewalt über dieses Land war schon früh, sicher seit dem Jahre 1229 3 ) zwischen den Bischöfen von Schwerin und Havelberg streitig. Daher schenkte noch im Jahre 1233 der Bischof Brunward von Schwerin dem Kloster Amelungsborn die Zehnten von diesen 60 Hufen, aber schon im Jahre 1242 erneuerte der Bischof Wilhelm von Havelberg diese Schenkung, obgleich erst am 16. December 1252 die Streitigkeiten zwischen beiden Bisthümern geschlichtet wurden 4 ). Im Jahre 1244, an demselben Tage, an welchem der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Amelungsborn das freie Eigenthum
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und die Grenzen von Satow versicherte, bestätigte er dem Kloster das Eigenthum und die Freiheiten der 60 Hufen am See Dranse und bestimmte zugleich die Grenzen dieses Landgebietes bis zu Rederank, Schweinrich, Schildbrok und Bale, und gab dem Kloster die Erlaubniß, entweder durch eigene Leute oder durch herbeigerufene Colonisten das Land nach Gefallen zu cultiviren und zu benutzen.
Wahrscheinlich war der Raum, den diese 60 Hufen einnahmen, damals noch unbebauet und wüst, da kein Dorf genannt wird und nach andern Urkunden diese Gegenden weit umher mit dichten Wäldern bedeckt waren. Im Jahre 1251 wohnte jedoch schon der Hofmeister Randiko zu Dranse 1 ).
Bald aber erblicken wir auf diesem Raume eine Menge von Dörfern, welche entweder das Kloster aus Wald und Weide aufgebauet oder durch Ankauf zu den 60 Hufen erworben hatte; es fehlt aber jede Nachricht über den Erwerb und die Entstehung dieser Dörfer, Zunächst ward ein Wirtschaftshof angelegt und Dranse genannt; hier wohnte der Hofmeister, welcher mit den Conversen das Ganze leitete. Nach spätern Urkunden waren die zu dem Klosterhofe Dranse gehörenden, neben einander liegenden Güter folgende:
Hof Dranse, Dorf Dranse, Schweinrich, Gr. Bale, Kl. Bale, Schild mit der Schilder Mühle, die Kule=Mühle, Gr. Raderank, Kl. Raderank, Sewikow, Zempow, Uchtorp, und dazu ein Hof in der Stadt Witstock.
Die erstgenannten, zunächst an und nicht weit von dem See Dranse gelegenen Dörfer, von denen Hof und Dorf Dranse nur 32 Hufen umfaßten, sind ohne Zweifel auf den zuerst geschenkten Hufen aufgebauet, die andern wohl erst später erworben.
Zu diesen zusammenhangenden Gütern erwarb das Kloster Amelungsborn noch einige angrenzende Besitzungen.
Am 13. Januar 1274 verkaufte der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster das Eigenthumsrecht des an Dranse grenzenden Dorfes Kl. Berlin, jetzt Berlinchen genannt, welches das Kloster von dem Ritter Harnit 2 ) Beer und dessen Söhnen und Brüdern, die dasselbe zu Lehn trugen 3 ), gekauft hatte.
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Schon am 26. Mai 1239 hatte der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Amelungsborn die Mühle zu Priborn 1 ) für gewisses Geld, welches der Fürst dem Kloster zu zahlen schuldig war, in Erbpacht gegeben, um eine jährliche Pacht von 4 Wispel Roggen und 4 Wispel Gerstenmalz, so wie unter der Bedingung der Metzenfreiheit für den Fürsten und die Seinigen. Am 17. März 1291 brachten aber die Fürsten von Werle diese Mühle wieder an sich 2 ), indem sie für dieselbe um 220 Mk. Pf. dem Kloster Amelungsborn und im besondern den Brüdern zu Dranse einen Hof mit 4 Hufen zu Solzow, ferner 1 Hufe zu Vipperow mit dem vierten Theile des Sumpfsees und der Hälfte des Rekegewässers, so wie 5 Hufen in Priborn, welche Besitzungen die Fürsten von dem Knappen Heinrich von Rorbek gekauft hatten, verkauften und dem Kloster das Eigenthumsrecht an 4 Hufen in Soltzow, welche der Bürger Tidemann Priborn zu Röbel von Heinrich von Rorbek gekauft hatte und die von diesem Vasallen früher genutzte Fischerei auf der Müritz überließen; endlich verkauften die Fürsten dem Kloster zugleich das Eigenthumsrecht der obern Mühle zu Schilde beim Dorfe Bale,
Diese Besitzungen des Klosters Amelungsborn im Lande Röbel werden nicht weiter genannt; wahrscheinlich veräußerte sie das Kloster bald wieder, da grade diese Güter im Jahre 1410 an die Familie Hahn kamen und Soltzow seit dieser Zeit das Hauptgut einer Hahn'schen Hauptlinie bildete 3 )
Das Kloster erhielt für die Güter des Haupthofes Dranse schon früh andere Landesherren. Im Jahre 1276 verlor das Fürstenhaus Werle das Land Lieze an die Markgrafen von Brandenburg und besonders an die Linie von Brandenburg=Stargard, von denen es in den Kriegen im Anfange des 14ten Jahrhunderts mit dem Lande Stargard an die Fürsten von Meklenburg kam, welche es von Brandenburg im templiner Frieden 1317 zugesichert und im Jahre 1329 zu Lehn erhielten 4 ). Durch die Landestheilung von 1352 kam die Lieze im besondern an das Herzogthum Meklenburg=Stargard. - Im Jahre 1362 kam auch das Land Röbel als Pfand von dem Fürstenhause Werle
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an das Land Meklenburg, und im Jahre 1368 im besondern an die Linie Meklenburg=Stargard, welche es im Anfange des 15. Jahrhunderts als Eigenthum erwarb 1 ). - Mit dem Aussterben des Fürstenhauses Werle im Jahre 1436 ging überdies das ganze Fürstenthum Werle an die Herzoge von Meklenburg über.
Das Kloster Amelungsborn fand jedoch in der Bewirthschaftung des Hofes Dranse mit den dazu gehörenden Dörfern, deren Ausdehnung wir vorzüglich durch ein Ackerregister (bei v. Raumer und Riedel a. a. O.) kennen lernen, seine Rechnung nicht. Theils waren die Güter nicht besonders ergiebig und von dem Kloster viel zu weit (an 40 Meilen) entfernt, als daß sie gehörig hätten beaufsichtigt werden können, theils waren sie, an einer im Mittelalter sehr belebten Straße zwischen Brandenburg und Meklenburg gelegen, den Kriegszügen und den häufigen Raubzügen und Privatfehden so sehr ausgesetzt, daß sie im Anfange des 15. Jahrhunderts in 40 Jahren gar keinen Ertrag geliefert hatten und sich die 4 auf dem Hofe lebenden Brüder nicht mehr erhalten konnten, ja sogar 400 Gulden Schulden gemacht hatten. Deshalb entschloß sich das Kloster im Jahre 1430 2 ), sämmtliche Güter an das Bisthum Havelberg zu verkaufen. Die Güter lagen den reichen Bischöfen von Havelberg, welche seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zu Witstock zu residiren pflegten, sehr gelegen. An die Güter des Klosterhofes Dranse stießen im Westen die witstocker Tafelgüter des Bischofs und im Osten grenzten an dieselben Güter die weiten Besitzungen von Zechlin, welche das Bisthum schon im Anfange des 14. Jahrhunderts von dem Kloster Doberan erworben hatte. Durch den Kauf des Hofes Dranse kam nun das Bisthum Havelberg in den zusammenhangenden Besitz aller Landgüter von Witstock östlich bis an die meklenburgisch=stargardische Grenze. Am 11. April 1430 verpflichtete sich der Bischof Curt von Havelberg zur Bezahlung des Kaufgeldes von 1300 rhein. Gulden für diese Güter und zur Uebernahme der auf denselben ruhenden Schulden und Lasten, am 11. Mai 1430 ertheilte der Abt Guido von Morimund, als Generalreformator des Cistercienser=Ordens, zu dem Verkaufe seine Erlaubniß und am 24. Junius 1431 stellte das Kloster
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Amelungsborn den förmlichen Verkaufsbrief aus über seine Güter:
"up der Lytze belegen twischen Wisteke und Myrow, nomeliken de hoffstede to deme Drantze, dat dorp to deme Drantze unde de dorpere Swynreke, Sevekow, beyde Bale, beyde Roderanke, Zempow, Uchtorpe, Luttiken Berlin unde den zee to Groten Berlin, de Kulemollen, den Schild unde Schildermolen".
Aus allen bisher bekannt gewordenen und andern Urkunden geht ohne Zweifel hervor, daß das Land Lieze ursprünglich zum Lande Werle, demnächst zur Herrschaft Meklenburg=Stargard gehörte; fast das ganze Land war in den frühesten Zeiten an geistliche Stiftungen verliehen und von diesen zum größern Theile an das Bisthum Havelberg übergegangen. Da die Güter alle fast ganz frei von weltlichem Einflusse waren, so regierte über dieselben ein so einflußreicher Kirchenfürst, wie der Bischof von Havelberg war, der mitten in diesen Gütern residirte, fast unbeschränkt und kam sehr oft in Versuchung, keinen Herrn über sich zu erkennen. Auch wegen der amelungsborner Klostergüter kam es bald zum Streite 1 ) zwischen dem Bischofe und den Herzogen von Meklenburg. Dieser Streit ward am 6. März 1445 dahin geschlichtet 2 ), daß der Bischof von Havelberg anerkannte, daß diese Güter "in der Herrschaft und den Landen der Herren von Meklenburg lägen", und daß "die Herzoge von Meklenburg von diesen Gütern Dienst, Bede und Landding (oberste Gerichtsbarkeit) und den Zoll zu Dranse behalten sollten, wie diese Fürsten und (namentlich) die Besitzer des Schlosses Wredenhagen seit langen Zeiten diese Gerechtsame besessen hätten"; der Bischof verpflichtete sich auch, die von dem Kloster Amelungsborn ausgelieferten Urkunden in gutem Verwahrsam zu halten, um mit denselben die Herrlichkeiten der Herzoge schützen zu können. - Zu gleicher Zeit ward auch eine Vereinbarung über die von dem Kloster Alten=Kamp an die Stadt Witstock veräußerten Güter geschlossen, wenn freilich ohne rechten Erfolg für die Zukunft, da diese Güter Veranlassung zu endlosen Streitigkeiten in der Zukunft wurden.
Schon im J. 1460 kam es zwischen dem kräftigen, kriegerischen Bischofe Wedege Gans von Putlitz und den Her=
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zogen von Meklenburg zu einer Fehde wegen der Güter um Witstock 1 ).
Die ehemaligen amelungsborner Klostergüter geben nun einen werthvollen Beitrag zu der Geschichte der Territorial=Vergrößerung der Mark Brandenburg, welche sich an den Grenzen durch Besitznehmen und Behalten nicht wenig vergrößerte. So kamen auch die Herzoge von Meklenburg um die Lieze, ohne daß sie recht wußten, wie.
Durch das Aufheben und Zerstören der Dörfer wurden die landesherrlichen Gefälle nicht wenig geschmälert, - wenn die Hauptdörfer nicht deren Lasten übernahmen, was in der Regel nicht geschah. Dazu waren die Dienste nach weiten Höfen hin sehr unbequem und wurden daher oft nicht geleistet.
Der milde Bischof Busso I. von Alvensleven ließ sich mit den Herzogen auf Unterhandlungen an, da diesen seit Bischofs Wedege Zeit Abbruch an ihren Gerechtsamen geschehen war; am 12. Aug. 1492 traten beide zu Neustadt zusammen 2 ) und beredeten, daß sie zu Wredenhagen zusammenkommen und Urkunden und Zeugenaussagen entscheiden lassen wollten; auch wollten sie dann sich die Urkunden über die gegenseitigen Ansprüche an Arnsberg und Penzlin, so wie an Putlitz und Witstock vorlegen. Der Bischof Busse starb aber schon am 12. Oct. 1493 und damit erstarb factisch auch die Herrschaft der Herzoge von Meklenburg über die Lieze; der neustädter Vertrag von 1492 ist das letzte Zeugniß für das wohlbegründete Recht der meklenburgischen Fürsten.
Am 4. Oct. 1494 verweigerte der Bischof Otto von Königsmark den Herzogen die Zahlung der Landbede 3 ) durch die Bewohner der ehemaligen amelungsborner Klosterdörfer, weil sie den Herzogen und ihrem Vater, nach Aussage der Verpflichteten, nicht entrichtet sei; und doch war durch den Vertrag von 1445 die Bedezahlung ausdrücklich eingeräumt. Dies war um so auffallender, als der Herzog Magnus einige Zeit vorher in Gegenwart des Markgrafen Friederich von Brandenburg im Dorfe Dranse vor allen Bauern die Urkunde vom J. 1445, nach welcher den Herzogen von Meklenburg "Dienst, Bede und alle Obrigkeit" zustand, hatte verlesen lassen 4 ); diese Handlung war als eine sichere Erfüllung des neustädter Vertrages von 1492 zu Gunsten der Herzoge von Meklenburg zu betrachten.
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Nun mischten auch die Kurfürsten ihre Hände ins Spiel. Im J. 1494 nahm sich der Kurfürst Johann des havelberger Domkapitels an und beschwerte sich auf dessen Klage bei den Herzogen über die Schatzung der "vier Dörfer auf der Lieze". Die Herzoge antworteten am 27. Dec. 1494, daß sie das Stift Havelberg nicht über Recht und Billigkeit zu beschweren, sich aber auch nichts nehmen zu lassen gedächten, was ihnen rechtmäßiger und billiger Weise zustehe 1 ). Da verhehlte der Kurfürst, nachdem er nun einmal in die Sache hineingezogen war, seine wahre Meinung nicht, und erklärte 2 ) am 26. Nov. 1495 in sehr scharfem und heftigen Tone, daß die Dörfer Dranse, Berlin und Sevckow "in seinem Kurfürstenthum lägen"; es sei ihm also fremd zu hören und unleidlich zu dulden, daß des Stifts Havelberg arme Leute von den herzoglichen Vögten mit Steuern belegt würden, und müsse auf die Abstellung unbilliger Beschwerung dringen; übrigens sei er von Gottes Gnaden selbst so statthaft, daß den Seinen nicht Noth sei, irgend jemand für Schutz und Schirm Steuer zu zahlen. Hieraus geht hervor, daß die Bischöfe und Kurfürsten damals die Abgaben an Meklenburg höchstens nur für ein "Schirmgeld" auszugeben Lust hatten.
Damit waren die Herzoge von Meklenburg abgefunden und hatten factisch die Lieze verloren. Zwar machten sie noch hin und wieder Anstrengungen zur Behauptung ihrer Landesherrlichkeit, z. B. im J. 1497, als sie als Landesherren die Befreiung der Bewohner des Dorfes Schweinrich von Diensten zum Bau des Kirchthurmes und der Befestigung zu Witstock 3 ) forderten, und wiederholt im J. 1529, als die Herzoge beim Umsichgreifen der Reformation von dem katholisch gesinnten Bischofe Busso II. von Alvensleven die Landbeden von den "ohne alle Mittel in ihrem Fürstenthume gelegenen Dörfern" Dranse . begehrten 4 ). Aber die Herzoge erhielten nichts; man lehnte ab und temporisirte.
Daneben waren schon die Streitigkeiten wegen der kampenschen Klostergüter, namentlich der Kotzer Haide, mit der Stadt Witstock ausgebrochen, Streitigkeiten, deren Verhandlung ganz ungewöhnliche Massen von Papier verlangten und welche erst im J. 1802 beigelegt wurden. Die Streitigkeiten wegen Dranse schliefen fast ganz ein und von der Lieze war gar nicht mehr die Rede; nur hin und wieder wurden sie noch bei den witstocker Streitigkeiten berührt.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXVI.
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Nach dem Tode des letzten katholischen Bischofs Busso II. im J. 1548 und der Durchführung der Reformation und Säcularisirung wurden die Tafelgüter der Bischöfe von Havelberg eingezogen und bald darauf (1571) mit den Domainen verschmolzen 1 ). Von dem J. 1548 an war also an eine Wiedergewinnung der Herrschaft über die Lieze gar nicht mehr zu denken.
Die Leistungen von den ehemaligen amelungsborner Klosterdörfern bestanden aus Hand= und Spann=Diensten bei der Ackerbestellung des Amtes Wredenhagen, aus Anfuhr von Bau= und Brennholz eben dahin, aus Holzfällen, aus Entrichtung von Geldbede, Rauchhühnern, Ablager=Brot u. s. w. Diese Leistungen wurden 1557 2 ) und 1654 3 ) wiederholt verzeichnet, und können mit dem alten Ackerregister aus dem 14. Jahrh. und den späteren Leistungen an das Amt Zechlin 4 ), zu welchem die Dörfer gelegt waren, verglichen werden; die brandenburgische Herrschaft forderte freilich Befreiung der Unterthanen, aber - nur für sich die Leistungen. Die Leistungen von den 6 untergegangenen Dörfern 5 ) hatten die meklenburgischen Herzoge schon im 15. Jahrh. einbüßen müssen 6 ). - Noch einmal kamen bald nach dem Regierungsantritt des ausgezeichneten Herzogs Johann Albrecht im J. 1548 und nach der Theilung des Landes mit seinem Bruder Ulrich im J. 1557 bei Gelegenheit der witstocker Verhandlungen die Ansprüche an Dranse, vorzüglich durch die Bemühungen des ausgezeichneten meklenburgischen Kanzlers Johann von Lucka, wieder zur Sprache 7 ), jedoch ohne Erfolg, da die "Disputation verschoben" ward. Endlich wurden noch im J. 1654 die von dem Amte Zechlin zu leistenden Abgaben von den Dörfern, welche seit 1637 gar nicht mehr entrichtet waren, verzeichnet 8 ).
Damit hört das Andenken an die amelungsborner Klosterdörfer und die Lieze auf. Man stritt noch fast 200 Jahre wegen der witstocker Grenzen, über deren Localität eine Handzeichnung des Kanzlers Johann von Lucka willkommene Aufklärung giebt 9 ), aber die Herrschaft über den Klosterhof Dranse war und blieb vergessen und bei Brandenburg.
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Geschichte
der
im
Dome zu Schwerin,
vonG. C. F. Lisch.
A n Namen knüpft sich das Gedächtniß außerordentlicher Thaten und Begebenheiten, an Namen hängt Segen oder Fluch des Menschengeschlechts. Und wie nach der Weisheit der Vorsehung diesem oder jenem Menschen ein größeres Feld für die öffentliche Wirksamkeit angewiesen ward, so trägt mancher Ort eine reichere Erinnerung an bedeutungsvolle Ereignisse. Es giebt Orte, welche Denktafeln gleichen, auf denen die Hauptbegebenheiten der Weltgeschichte Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch niedergeschrieben sind; mag auch der Menschen Thun und Treiben, Glaube, Wissen, Kunst und Sitte sich wandeln, an ihnen wiederholen sich immerfort die Handlungen, welche den Gang der Geschichte und ihre Wendepuncte bezeichnen, und immer wieder netzen Thränen des Schmerzes und der Rührung den Boden, auf dem unsere Väter geweint haben. Die Verehrung des Volkes und seine Ueberlieferungen reden oft lauter, als alle Schriften, für die Bedeutsamkeit von Orten, welchen die Geschichte den Stempel der Heiligkeit aufgedrückt hat.
In Meklenburg aber ist wohl kaum eine Stelle so reich an bedeutungsvollen Erinnerungen, als die Heilige=Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin. An sie knüpfen sich die bedeutsamsten Begebenheiten aus der Geschichte des Landesbisthums und der Landeskirche, des gräflichen und des fürstlichen Regentenhauses und des ganzen Volkes fast sieben Jahrhunderte hindurch. Was
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hier geschehen ist, war oft der Grundstein oder der Schlußstein eines ganzen geschichtlichen Gebäudes, war oft eine Handlung, welche die Thatenreihe einer ganzen Vergangenheit und eine neue Zukunft versinnbildlichte. Wie jetzt das Volk mit Wehmuth und Begeisterung die geweihete Stelle betritt, so hat es hier schon oft gestanden mit vollem Herzen und ernstem Blick, aber auch freudig die Augen nach oben gerichtet.
Jahrhunderte hindurch hatte das große deutsche Kaiserreich gerungeun das kleine, aber gewaltige Volk der westlichen Wenden, aus welchem das meklenburgische Fürstenhaus stammt, für deutsche Bildung und den christlichen Glauben, auch für seine eigene Macht zu gewinnen; aber selbst Männer wie Karl der Große und Otto der Große konnten das Riesenvolk nicht dauernd bändigen, wenn auch die nordische Mission unter ihrer eigenen Obhut stand. Selbst in den vernichtenden Kreuzzügen, welche der Sachsenherzog Heinrich der Löwe gegen das ihm mitverliehene Land unternahm, konnte das Kriegsgeschrei des Volkes nur augenbicklich durch Blut erstickt werden; denn hätte nicht Gattenliebe und tiefere Einsicht den Fürsten Pribislav dem christlichen Glauben zugeführt, so würden auch die größten Anstrengungen des Löwen keinen dauernden Erfolg gehabt haben, da nach seinem und Pribislavs Tode das Obotritenvolk mit Erfolg wieder zu den Waffen griff, um das alte Reich wieder aufzurichten. Und es konnte wohl nicht anders sein; denn fast vier Jahrhunderte hindurch hatten die Wenden die Liebe nur im Schwerte kennen gelernt und in ihren Beglückern nur Unterdrücker sehen können: natürlich, daß sie das ganze Bekehrungsgeschäft nur als Knechtungs= und Raubzüge betrachteten und betrachten konnten. Was aber der Gewalt nicht gelang, das erreichte die aufopfernde Ausdauer des Geistes; denn so roh war die kräftige Natur der Obotriten nicht, daß sie nicht den höhern und edlern Geist erkannt und aufgenommen hätten. Der Bischof Berno von Meklenburg und Schwerin, der Apostel der Obotriten, war der Mann, dem sich ein Volk beugte, welches keinem fremden irdischen Herrscher gehorcht hatte.
Schon bald nach dem Jahre 970 war zu Meklenburg eine Kirche zu Ehren des Apostels Petrus gegründet und bei derselben ein Nonnenkloster gestiftet, in welches selbst des Fürsten Mistav Billung Tochter Hodica gebracht und bald zur Aebtissin des Klosters erhoben ward. Bald ward jedoch das Kloster wieder aufgehoben und kurze Zeit nach dem J. 1012 unter dem Fürsten Miccislav auch die Kirche zerstört, wie denn alle übrigen Pflanzstätten des Christenthums im Obotritenlande ein gleiches Schicksal hatten. Zwar gewann unter dem Fürsten Gottschalk das Christenthum
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wieder den kräftigsten Schutz in den Obotritenländern: zu Meklenburg waren drei geistliche Stiftungen, und um das J. 1052 ward durch Betrieb des mächtigen Erzbischofs Adalbert ein Bisthum zu Meklenburg errichtet und dem Schotten Johann anvertraut; aber um das J. 1066 wurden die Verehrer des Christenthums, unter denen der Fürst Gottschalk und der Bischof Johann, in einer furchtbaren Empörung durch Blut erstickt und die christlichen Stiftungen zum zweiten Male ausgerottet.
Seit den deutschen Kaisern aus dem sächsischen Hause hatte sich die Zinsbarkeit der Wenden in eine Oberherrlichkeit oder Lehnsherrlichkeit der sächsischen Herzoge über die Wendenländer ausgebildet, welche jedoch bald wieder erlosch. Als nun im J. 1147 das Kreuz gegen die Ungläubigen gepredigt und alle Welt von der Schwärmerei durch die Kreuzpredigten zum Gelobten Lande hingerissen ward, die Sachsen jedoch keinen Theil an diesen verderblichen Zügen nahmen, da hielt es der kriegslustige Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen für zeitgemäß, einen Kreuzzug gegen die Wenden predigen zu lassen, um unter der Kirchenfahne das Schwert zur eigenen Erwerbung der Länder schwingen zu können. Was in diesen blutigen Kriegen das Wendenvolk fast ein Vierteljahrhundert hindurch gelitten hat, ist der Welt bekannt und für den Heldenmuth des Volkes bewundernswerth; der Ausgang ist eben so bekannt: die endliche Bekehrung der Obotriten und zugleich der Fall des Löwen, ihres bittern Feindes. Die günstige Gelegenheit des wendischen Kreuzzuges glaubte der Erzbischof Hartwig von Bremen nicht unbenutzt vorbeigehen lassen zu dürfen, um die zur Unterjochung bestimmten Länder für seinen Sprengel wieder zu gewinnen. Er richtete daher im J. 1150 die seit lange unbesetzten wendischen Bisthümer zu Oldenburg, Ratzeburg und Meklenburg wieder auf und bestellte im J. 1154 den Emmehard zum Bischofe von Meklenburg. Jedoch fehlte es bei dem hartnäckigen Widerstande der Obotriten an einem sichern Orte, an Gemeinden und an Versorgung für den Bischof, und Emmehard scheint gar nicht zum Besitze seines Bisthums gekommen zu sein.
Sein Nachfolger war Berno, ein Cistercienser=Mönch aus dem Kloster Amelungsborn, unweit der Weser, ein Mann von dem heiligsten Eifer und der aufopferndsten Thätigkeit, welcher als der erste meklenburgische Bischof von Schwerin betrachtet wird. Als der Herzog Heinrich der Löwe im J. 1161 seinen großen, zweiten Kreuzzug gegen Wendenland eröffnete, brannte der letzte Wendenkönig Niklot, seine Festen Meklenburg, Schwerin, Dobin (bei Hohen=Vicheln) und Ilow nieder und zog sich auf seine Burg Werle (bei Schwan) zurück, wo er bei einem
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Ausfalle den Heldentod fand und das Heidenthum seine letzte Stütze verlor. Durch diesen Fall war die Kraft des Obotritenvolkes gebrochen, wenn es auch späterhin noch lange durch Aufstand und Widerstreben die wohlgemeinten Anstrengungen der Landesfürsten für die Bildung des Volkes zum großen Theile vereitelte und Christenthum und deutsche Sitte nur sehr langsame Fortschritte machten. Heinrich der Löwe legte sogleich im J. 1161 tapfere Dienstleute mit Besatzungen auf die heidnischen Burgwälle, um durch Vertheilung einer großen Macht an verschiedene Stellen die Kraft des viel geprüften Volkes zu schwächen. Auf den Burgwall von Schwerin, wo jetzt noch das Residenzschloß steht, setzte er seinen Statthalter, den tapfern Ritter Gunzelin von der Hagen, welcher hier eine Burg nach deutscher Weise erbauete und sie zur Hauptstütze der deutschen Macht in den Wendenländern erhob; auf den Burgwall Meklenburg setzte er den Edlen Heinrich von Schaten.
Zu gleicher Zeit konnte Heinrich der Löwe seinen Lieblingswunsch erfüllt sehen: er stellte im J. 1161 das Bisthum Meklenburg wieder her und verordnete den Mönch Berno zum Bischofe von Meklenburg. Jetzt erhob dieser unerschrockene, kluge und aufopfernde Apostel der Obotriten das bisher für unmöglich Gehaltene zur Wirklichkeit: er stürzte die Götzen bis zum Vorgebirge Arkona hinauf, taufte die Heiden und predigte den Glauben, gründete Kirchen und Klöster, lichtete durch seine Cistercienser=Mönche die Wälder, daß die Sonne den Boden beschien, und führte Bildung jeder Art in die Hütten ein. Im J. 1164 hatte er die Freude, die Taufe des Fürsten Pribislav und die Gründung des ersten christlichen Gotteshauses außerhalb der wendischen Burgwälle zu Alt=Doberan, jetzt Althof, zu sehen und hier eine Stätte für das große Kloster und die Hauptbildungsanstalt des Landes vorzubereiten. Im J. 1166 ward Pribislav wieder in sein Erbe eingesetzt, Gunzelin zum Grafen von Schwerin erhoben und die Stadt Schwerin gegründet, welcher Heinrich der Löwe sein Siegelbild, nämlich sein eigenes Reiterbild, zum Wappen verlieh.
Jetzt machte die Bildung rasche Fortschritte. Berno fühlte, im Hinblick auf die gewaltigen, erhabenen Dome des christlichen Deutschlands und die um dieselben gegründeten großartigen Bildungsanstalten, daß der Burgwall von Meklenburg in dem weiten, feuchten Sumpfe und die schutzlos gelegene, kleine Ortschaft vor der Burg seinen Schöpfungen keine große Ausdehnung gestattete. Er verlegte also im J. 1167 den obotritischen Bischofssitz von Meklenburg nach Schwerin, unter die treue, ritterliche Obhut des Grafen Gunzelin. Und so erhielten deutsche Bildung
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und Christenthum durch Grafschaft, Stadt und Bischofssitz in Schwerin die festeste Stütze im Obotritenland. Der Grundstein war zwar gelegt, der Ausbau ging aber noch langsam, da es noch an allen Vorbereitungen zur Ausführung großer Plane fehlte. Im J. 1170 gründete Berno das gefeierte Mönchskloster Doberan, Cistercienser=Ordens, die Hauptquelle der Bildung für das Land, die Ruhestätte der Fürsten aller Linien. Die Anfänge zur Verbreitung des Lichts werden nur klein gewesen sein und die jungen Pflanzungen vorzüglich in der persönlichen Wirksamkeit der Männer Gottes ihre Hauptpflege gefunden haben.
Berno hatte mehrere Jahre lang die Bewidmung seines Bisthums nicht erreichen können. Erst am Tage nach dem Feste der Geburt Mariä, am 9. Septbr. 1171, brachte er es dahin, daß der Herzog Heinrich der Löwe das Bisthum Schwerin bewidmete 1 ) und mit den ihm ausgesetzten 300 Hufen und andern Freiheiten und Gerechtigkeiten begnadigte: dies geschah zu Schwerin durch den Herzog Heinrich den Löwen in Gegenwart der Bischöfe Evermod von Ratzeburg und Berno von Schwerin, der Fürsten Pribislav von Meklenburg und Casimir von Pommern, der Grafen Gunzelin von Schwerin, Bernhard von Ratzeburg, Heinrich von Ravensberg, Otto von Bentheim, Conrad von Regenstein, Hermann von Lüchow und vieler anderer hochgestellter Männer geistlichen und weltlichen Standes, welche alle dem Bischofe Berno Dank und Ehre zollten, am Tage der Grundsteinlegung 2 ) der Domkirche. Daher ward auch an diesem Tage (9. Sept.) alle Zeiten hindurch das Kirchweihfest gefeiert und daher auch noch in den letzten drei protestantischen Jahrhunderten bis zum Jahre 1846 ein Jahrmarkt 3 ) gehalten, welcher unter dem Namen Kirmeß mit dem Kirchweihfeste verbunden zu sein pflegte; noch im vorigen Jahrhunderte fiel der erste Markttag auf Mariä Geburt, in den neuesten Zeiten war freilich der Jahrmarkt schon vom 9. Sept. auf den 19. Sept. verlegt.
Die Gründung (dedicatio) ist von der Einweihung (consecratio) so unterschieden, daß unter Dedication die Anweisung des Ortes für den Bau einer Kirche, unter Consecration die Bestimmung des vollendeten Gebäudes mit allen Geräthen zum Gottesdienst verstanden wird.Acta sunt hec V° idus Septembris in dedicatione ejusdem ecclesiae anno incarnationis MCLXXI°.
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Freilich war am 9. Sept. 1171 der Grundstein zu der Kirche gelegt; aber man würde sehr irren, wenn man glauben wollte, ein so großes und erhabenes Werk sei seiner Vollendung rasch entgegengeführt; dazu fehlte es damals noch viel zu sehr an kunstgeschickten Händen, und die Geschichte fast aller großen Kirchen giebt den unumstößlichen Beweis, daß diese aus vielen, sehr verschiedenen Theilen zusammengesetzt sind und Jahrhunderte gebrauchten, ehe sie zu der Gestalt gelangten, in welcher wir sie heute bewundern. Daß der jetzt noch stehende Dom nicht das Gebäude sei, in welchem 1167 und 1171 Gottesdienst gehalten ward, geht unbezweifelt aus dem Umstande hervor, daß damals noch durchaus der Rundbogen im Baustyl herrschte, der Dom zu Schwerin aber im strengen Spitzbogenstyl erbauet ist. Der Rundbogenstyl erhielt sich aber in Meklenburg noch lange und erscheint in einzelnen Anklängen noch 50 Jahre später; der Spitzbogenstyl beginnt in Meklenburg im Uebergangsstyle erst mit dem Anfange der mittlern Geschichte, welche mit dem Anfange der Landestheilung im J. 1229 ihren Anfang nimmt. Wahrscheinlich stand in der Nähe des jetzigen Domes ein anderes, kleines Gebäude, welches vor der Vollendung des großen Baues zum Gotteshause diente. Hierauf scheinen die alten Fundamente und die alten, zum Rundbogenstyle passenden Säulenkapitäler zu deuten, welche oft in der Nähe des Domes gefunden sind. Vielleicht war jene älteste Kirche die Kapelle 1 ), welche auf der Südostseite des Domes, zwischen diesem und dem Markte stand, im 16. Jahrhundert nicht mehr benutzt und im J. 1693 von der Dom=Structurei für das Baumaterial abgebrochen ward. Vielleicht war aber diese Kapelle auch nur eine Tauf=Kappelle oder eine Neben=Kapelle zu irgend einem andern Zwecke, wie z. B. neben der Marienkirche zu Wismar noch zwei solcher Kapellen stehen; denn gewöhnlich baute man nach dem ersten Plane an derselben Stelle immer fort: man erweiterte und erhöhete häufig auf den alten Fundamenten und ward oft in Jahrhunderten mit dem Bauen nicht fertig.
Das älteste Gebäude war ohne Zweifel im Rundbogenstyle aufgeführt und vielleicht ungefähr nach dem Plane des Domes
und in Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Urkunden:"continuando per forum ad dextrum latus et iterum incipiendo a domo angulari apud ecclesiam ad orientem uel pretereundo forum piscium usque ad parvam capellam in cimiterio,"
Rodolphus Bischof zu Zwerin giebt 40 tage Ablaß denjenigen, die Marien=Kirche vff dem Kirchhofe zu Zwerin besuchen vnd alda opfern werden. Datum 1412 die beate Praxedis virginis."
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zu Ratzeburg angelegt. Wir besitzen eine Abbildung dieser ältesten Kirche in dem uralten großen Siegel des Dom=Capitels 1 ); hier sehen wir die Kirche von der Westseite ganz in dem Grundplane des noch stehenden Gebäudes, aber durchweg im Rundbogenstyle gewölbt. Diese bildliche Darstellung giebt zugleich einen Fingerzeig, saß man den ersten Bau von Westen her begonnen habe. Der westlichste Theil des Langschiffes, welcher jetzt den Thurm trägt, hat auf der Abbildung ein Hausdach, und der Thurm steht auf dem Kreuzschiffe als rundbogige Kuppel.
Mit dieser Wahrnehmung stimmt denn auch der noch stehende Bau völlig überein. Der älteste Theil des ersten Domes ist ohne Zweifel das Thurmgebäude, an dessen Westseite man noch klar den alten Bau erkennen kann: man sieht noch deutlich die alte Wölbung der rundbogigen Pforte, welche zu einer hohen Spitzbogenpforte ausgebrochen ist; man sieht noch deutlich, wie aus den zwei schmalen Fenstern über der Pforte, welche auch auf dem Siegel dargestellt sind, ein großes Spitzbogenfenster gemacht ist; und über diesen Fenstern steht noch der Rundbogenfries, der hier offenbar die Ringmauern unter einem Giebel oder einem Dache schloß. Wir erkennen also in dieser Wand noch heute den alten westlichen Giebel der Kirche, wie er auf dem ältesten Capitel=Siegel abgebildet ist. Die Seitenschiffe sind augenscheinlich im 14. Jahrhundert agesetzt. Eine ganz gleiche Erscheinung bietet die St. Georgen Kirche der Stadt Parchim 2 ) (gegründet um das J. 1220), indem auch hier ein ganz gleich construirtes Gebäude, welches jetzt ebenfalls den Thurm trägt, in die Kirche dergestalt aufgenommm ist, daß auch noch im Innern der jetzigen Kirche der Rundbogenfries erhalten ist.
Der Bau der jetzigen Kirche wird mit dem Anfange bessrer Zeiten, wahrscheinlich mit dem J. 1222, nach dem alten Grundplane begonnen sein. Nun traf es sich aber, daß grade damals der Rundbogenstyl seine Endschaft erreicht hatte und der Spitzbogenstyl in seiner ersten Entwickelung lag, welche die Zeit des Uebergangsstyls genannt wird, da dieser Styl noch die kurzen und engen Oeffnungen des Rundbogenstyls, aber schon die zugespitzten Gewölbe des Spitzbogenstyls hat, Eigenthümlichkeiten, welche sich auch an dem Westgiebel des Thurmgebäudes wahrnehmen lassen.
Man begann darnach den großen Bau mit der Aufführung des hohen Chors. Daß das Hauptschiff des Chors der älteste
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Theil des Baues ist, dafür zeugen die einfach und ernst gewölbten obern Fenster und die schwachen Strebepfeiler zwischen den Fenstern; für eine neuere Zeit zeugen jedoch schon der vielseitige Chorschluß und die weite Oeffnung der Fenster. Bald darauf wird denn auch der Bau des Schiffes in Angriff genommen sein.
Es war am Tage des Heiligen Vitus, d. 15. Junii, des J. 1248, als der Dom so weit gediehen war, daß der Bischof Wilhelm (1247 - 1249), der fünfte Bischof von Schwerin, ihn dem Gottesdienste übergeben und einweihen konnte. Wir besitzen diese Nachricht sowohl aus einem Berichte des Rectors Hederich 1 ), als aus einem Urkundenberichte des Archivars Chemnitz, welcher sagt: "Im selbigen Jahre 1248 am Tage Viti hat Wilhelmus der fünfte Bischof zu Schwerin im ersten Jahr seiner Regierung die Thumkirche daselbst im Beisein der dreien Bischöfe zu Verden, Lübeck und Camin zum ersten geweihet, und zum Gedächtniß der Weihung von dem zum bischöflichen Tische gehörenden Einkommen den Zehnten von 11 Hufen Landes im Dorfe Robertstorf zu einer ewig währenden Präbende gegeben." Den Tag des H. Vitus wählte man, weil dieser Heilige, in dankbarer Erinnerung an den Bischof Berno und dessen Heidenbekehrung, zu Schwerin in besonderem Ansehn stand: am Tage des Sanct Vit hatte nämlich der kluge Berno nach dem Sturze des Svantevit auf Arkona die Rugianer getauft 2 ), er hatte, die Namensähnlichkeit benutzend, ihnen für ihren Svantvit den Sant Vit gegeben! Daher ward auch am Tage des H. Veit der Kirchweihtag gefeiert und bis auf die neuesten Zeiten auf der Altstadt ein Jahrmarkt gehalten 3 ). Daß von den älteren Geschichtschreibern wiederholt gesagt wird, der Bischof Wilhelm habe den Dom "zuerst" geweihet, bezieht sich wohl darauf, daß, wie unten auseinandergesetzt werden wird, späterhin noch eine Weihung folgte.
Vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, S. 93. Es wird die Einweihung hier richtig eine Consecration genannt.Wilhelmus episcopus Suerinensis eligitur 1248. Templum Suerinense primus consecrat in die S. Viti, in memoriam primae dedicationis ex mandato Henrici fundatoris
quia geus Ruyanorum - - verbo predicationis flecti noluit, - - maximo ydolo eorum Szuentevit destructo, in die beati Viti martiris inuitos ad baptismum coegit.
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Wenn nun auch der Dom sicher am 15. Junii 1248 zur Benutzung eingeweihet ward, so ist doch damit keinesweges gesagt, daß er damals schon in seiner jetzigen Gestalt vollendet gewesen sei; vielmehr ward noch lange an demselben fortgebauet und geändert. Jedoch war im J. 1248 ohne Zweifel die Ausdehnung und die Grundform bestimmt, und daher werden die voraufgehenden Auseinandersetzungen genügen, um die Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle in ein helleres Licht zu setzen. Die Heilige=Bluts=Kapelle ist die östlichste Kapelle hinter dem Hochaltare in der mittleren Abtheilung des vielseitigen Chorschlusses an dem Umgange hinter dem hohen Chore.
Der ruhmwürdige Graf Heinrich I. von Schwerin zog im J. 1219 zu einer Kreuzfahrt in das Heilige Land. Der Graf mochte sich schon längere Zeit zu diesem Zuge gerüstet haben, da er mit seinem Bruder Gunzelin II. in den nächsten Jahren vor demselben mehrere fromme Stiftungen gründete, namentlich im J. 1217 dem "überseeischen Hospitale" des Johanniter=Ordens das Dorf Sülstorf schenkte 1 ) und dadurch die Johanniter=Comthurei Craak gründete. In demselben Jahre schenkten beide Brüder der Domkirche zu Schwerin die Dörfer Rubow und Medewege 2 ) zur Stiftung einer neuen Domherrnstelle, deren Besitzer namentlich von den Einkünften des Dorfes Medewege täglich in dem Dome zu Schwerin in der Kapelle, in welcher ihr Vater und ihre Brüder begraben lagen, eine Seelenmesse lesen sollte; am 3. Mai 1218 bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin diese Stiftung und ordnete im besonderen die Einkünfte des damaligen Priesters jener Kapelle, welcher auch für seine Lebenszeit den vierten Theil der in dieser Kapelle dargebrachten Opfer genießen sollte 3 ). Aus diesen Urkunden geht also hervor, daß diese Kapelle schon von dem ersten Grafen von Schwerin, Gunzelin I., zur Begräbnißkapelle seines Hauses erwählt war und schon im J. 1218 in einem besonderen Ansehen stand, da sie reich beschenkt ward und nennenswerthe Opfer erhielt. Daß diese im J. 1218 erwähnte Begräbnißkapelle der Grafen von Schwerin die spätere Heilige=Bluts=Kapelle sei, geht aus den von Zeit zu Zeit auf einander folgenden Bestätigungen und Berufungen unwiderleglich hervor.
Die Kapelle besaß wahrscheinlich schon vor der Einführung des Heiligen=Blutes in dieselbe, einen heiligen Schatz. Denn am 29. Junii 1220 verlieh der Papst Honorius III. für die "neue Pflanzung",
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die "junge Braut Christi" zu Schwerin, in welcher das "Sacrament unsers Herrn Jesu Christi nach dem frommen Glauben aufbewahrt" ward, auf Bitten des Grafen Heinrich, des "festen Vertheidigers der römischen Kirche", allen denen, welche am Grünen Donnerstage und an Christi Himmelfahrtsfeste die Kirche in frommer Andacht und mit Gaben besuchen würden, vollkommenen Ablaß, - denen, welche am Tage des Heiligen Veit und an den Festen Mariä Geburt und des Evangelisten Johannis, der beiden Schutzpatrone des Domes, in der Kirche fromme Andacht verrichten würden, Ablaß des dritten Theiles ihrer Sünden, und so fort für andere Feste mehr reichen Ablaß 1 ). Diese Bulle ward in der Folgezeit für die Heilige=Bluts=Kapelle in Anspruch genommen und wiederholt, namentlich am 22. Junii 1301, am 14. Junii 1479 und am 28. Sept. 1506, von den Päpsten bestätigt. Dieser Ablaßbrief ward ausdrücklich für ein im J. 1220 schon im Dome befindliches Heiligthum gegeben; würde sie für das Heilige=Blut, welches erst im J. 1222 dargebracht ward, verliehen sein, so würde dessen ohne Zweifel genauer und bestimmter Erwähnung geschehen. Vielleicht aber gab der Papst dem Grafen den Ablaßbrief schon im voraus zugleich mit der Anweisung auf das im gelobten Lande zu erwartende Geschenk des Heiligen=Blutes, welches der Cardinal Pelagius wohl nicht ohne Bewilligung des Papstes weggeben durfte. Der Graf Heinrich erhielt diesen Ablaßbrief ohne Zweifel in Rom auf seiner Durchreise nach dem Gelobten Lande.
In Palästina gewann nun der Graf Heinrich von Schwerin, welcher "dem Heiligen Lande zu Hülfe einem Kreuzzuge gegen die Heiden" sich angeschlossen hatte, mit großen Mühen und Kosten von dem Cardinale Pelagius, welcher dort apostolischer Legat war, "das in einen Jaspis eingeschlossene Blut unsers Herrn", also eine Art Gral 2 ), mit der Bedingung, diesen unvergleichlichen Schatz in einer Kirche bei einem Convent von Geistlichen niederzulegen, damit das Heiligthum ohne Unterbrechung verehrt werden könne. Da nun der Graf Heinrich zu der Kirche zu Schwerin eine besondere Zuneigung trug, weil "in ihr sein Vater und seine Brüder begraben lagen", so übergab er am Grünen Donnerstage in Gegenwart vieler Geistlichen und Weltlichen, welche der Andacht wegen her=
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beigeströmt waren, dem Bischofe Brunward für den Dom das Heilige=Blut, welches in Processsion mit Gesängen und der größten Freude empfangen ward. Der Bischof aber bestimmte, daß fortan der Grüne Donnerstag für die ganze Geistlichkeit und das Volk des ganzen Bisthums Schwerin ein Festtag sein und der Jahrmarkt, welcher bisher am Grünen Donnerstage gehalten worden sei, am Tage vor diesem Feste 1 ) gehalten werden solle; es sollten ferner alljährlich an Christi Himmelfahrtsfeste alle Priester des Landes Schwerin mit ihren Reliquien und Beichtkindern zum Dome in Schwerin wallfahrten, wo dann dem ganzen Volke das Heilige=Blut zur Verehrung gezeigt werden solle; auch am Tage Kreuzeserhöhung solle das Heilige=Blut gezeigt, an jedem Freitage von dem Convent der Domkirche eine Messe vom Heiligen Kreuze gelesen werden. Der Bischof verpflichtete sich, für sich und seine Nachfolger, bei jeder Jahresfeier am Grünen Donnerstage persönlich den Dienst bei dem Heiligen=Blute zu verrichten und sich nur in unumgänglichen Nothfällen von einem anderen Bischofe, und wenn auch dieser nicht zu haben sei, von dem jedesmal anwesenden höchsten Prälaten des schweriner Domes vertreten zu lassen. Ueber die an den drei Festtagen bei Zeigung des Heiligen=Blutes geschenkten Opfergaben ward so bestimmt, daß ein Drittheil zum Bau eines Klosters, ein anderes Drittheil zum Unterhalt der Domherren, das dritte Drittheil in den nächsten drei Jahren zur Anschaffung von Büchern, von da aber zur Custodie, d. h. der Bauverwaltung des Domes, verwandt 2 ) werden solle. Dies alles bestimmte 3 ) der Bischof Brunward von Schwerin an demselben Grünen Donnerstage, welcher im J. 1222 auf den 31. März fiel, in Gegenwart des Abtes Matthäus von Doberan, des Dom=Propstes Hermann von Hamburg (ehemaligen zum Bischofe von Schwerin Erwählten und wahrscheinlich Grafen von Schwerin), des Dom=Propstes Conrad von Lübeck, des Kloster=Propstes Alverich von Sonnenkamp oder Neukloster, des Domherrn Friederich von Hildesheim (eines Bruders der Grafen
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von Schwerin und nachmaligen Bischofs von Schwerin), lauter Prälaten der vorzüglichsten, zu der Bildung des Landes im engern Verbande stehenden Stiftungen, so wie des Dom=Capitels von Schwerin und vieler anderer Zeugen.
Das Heilige Blut war ein in einen Jaspisstein 1 ) sorglich aufbewahrter rother Tropfen, oder, nach dem Glauben jener Zeit, ein Tropfen des Blutes Christi, welcher sich, so sagte man, jeden Freitag in der Todesstunde des Erlösers in drei Theile scheide 2 ) und an den Gläubigen hohe Wunder thue. Der Ruf von dem seltenen Kleinode und dessen Wunderthätigkeit durchflog bald die Länder nah und fern, wie die Kunde von den kühnen Thaten des Gebers, des Grafen Heinrich, welcher am 6. Mai 1223 den gewaltthätigen König Waldemar von Dänemark und dessen Sohn aus dem eigenen Lande gefangen nach Schwerin führte und endlich die dänische Macht brach, Europa in Erstaunen und Bewegung setzte. Aus allen Ländern strömten die Gläubigen herbei, Erleichterung zu finden, und dem Dome flossen Gaben aller Art zu; der König Ludwig IX. der Heilige von Frankreich sandte etwa um das Jahr 1260 dem Bischofe Rudolph (1249 - 1262), bald nach der Einweihung des Domes, einen Dorn von der Dornenkrone Christi 3 ) und der Erzbischof Johann V. von Riga verehrte 1396 dem Dome ein Stück vom Kreuze Christi 4 ) mit einem Ablasse.
Nachdem wegen des Heiligen Blutes zahllose Opfergaben auf den Altar gelegt wurden, ging es auch mit dem Bau der Domkirche rasch weiter und schon im J. 1248 konnte dieselbe eingeweiht werden. - Auch das zum Bau eines Klosters bestimmte Drittheil der Opfer war hinreichend, bald ein Kloster aufzuführen. Schon im J. 1236 war ein Franziskaner= oder Grau=Mönchen= oder Barfüßer=Kloster, das einzige in Schwerin,
Ludouicus rex Francie confert ecclesie Suerinensi per Rudolphum episcopum spinam sancte corone domini.
Dan. Clandrian giebt eine Regeste der darüber redenden Urkunde:Johannes archiepiscopus Rigensis mittit ecclesie Suerinensi de ligno sancte crucis ad concedendas indulgentias.
"Johannes Erzbischoff zu Riga hat vff Dietrich von Funffhausen, Canonici zu Zwerin, Bitte von dem heiligen Holtze, so in der Rigeschen Kirche ist, ein Stuck der Kirchen zu Swerin bei demselben vberschicket, die es besuchen werden, vff 40 Tage ablaß vertrostet. Datum in Thoreyda 1396 sabbato post ascensionis domini."
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gegründet und im J. 1287 die Kirche zu demselben vollendet, da in diesem Jahre in derselben die Gräfin Audacia, des Grafen Heinrich I. Gemahlin, begraben ward. Die Kirche, welche als ein außerst schönes Bauwerk gerühmt wird, ward im J. 1554 zerstört und im J. 1557 ganz abgebrochen, um die Steine zu dem neuen Schloßbau zu benutzen; - im J. 1848 werden sie zum dritten Male bei dem neuen Schloßbaue zum Theil wieder vermauert! - Bei weltlichen Gebäuden ist in Meklenburg nicht immer von den Steinen auf das Alter der Gebäude zu schließen, da manches neuere Gebäude aus alten Klöstern aufgeführt ist. - Nach der Vollendung der Klosterkirche fiel das zum Bau derselben bestimmt gewesene Drittheil der Opfer beim Heil. Blute an den Bischof zurück.
Ueber hundert Jahre lang erfahren wir von dem Heiligen Blute nichts weiter, als die ruhige und sorgsame Fortentwickelung und Pflege des Instituts, welches sich fortwährend neuer Gaben zu erfreuen hatte. Da der berühmte Graf Gunzelin I. und mehrere seiner Kinder schon in den Jahren 1218 und 1222 in der Kapelle begraben lagen, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß auch der Graf Heinrich I. und sein Bruder Friederich, welcher 1237 - 39 Bischof zu Schwerin war, daselbst begraben wurden und daß überhaupt die Heilige=Bluts=Kapelle die Hauptbegräbnißstätte der Grafen von Schwerin ward, wenn sich auch annehmen läßt, daß Glieder der Grafen=Familie auch in der Klosterkirche beigesetzt wurden. Von den alten Begräbnissen und den Gebeinen der Grafen von Schwerin ist aber überall jede Spur verschwunden.
Wenn auch der Dom im Jahre 1248 zur Benutzung hingegeben und geweihet werden konnte, so war der damals eröffnete Dom doch keineswegs das Gebäude mit den vielen hohen Fenstern und den äußern Schwebebogen, welches jetzt fertig dasteht; vielmehr hat die Kirche im Laufe der Zeit sicher bedeutende Erweiterungen erfahren. Es leidet nämlich keinen Zweifel, daß das Mittelschiff, das Kreuzschiff und die Seitenschiffe erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in ihrer jetzigen Gestalt angebauet wurden. In dem Geiste und dem Reichthume dieser Zeit lag die Aufführung der hochstrebenden Spitzbogen=Dome, und nicht wenige Kirchen haben sich eine Umgestaltung ihres Wesens gefallen lassen müssen. Es war der Bischof Fiederich II. von Bülow (1365 - 1375). welcher das Bisthum aus dem hundertjährigen Verfall seiner Verwaltung wieder aufrichtete und während der höchsten Entwickelung der deutschen Kunst des Spitzbogenstyls auch dem schweriner Dome im Wesentlichen seine jetzige Gestalt gab. Er baute nämlich die Seiten=
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schiffe 1 ) an den Dom, also das, was dem Gebäude einen großen Theil seiner Eigenthümlichkeit verleiht. Den Beweis dafür giebt sein Familienschild aus Messing, welcher über jeder der beiden Hauptpforten des südlichen Seitenschiffes befestigt ist. Die Wappenschilde sind jedesmal Zeichen des Bauherrn. So ließ sich z. B. der Erbauer eines jeden Theils der vor kurzem abgebrochenen Bischofsburg zu Warin, in Uebereinstimmung mit den Urkunden, an den angebrachten Wappenschildern erkennen. Wir haben ein Bauwerk zur genauen Vergleichung mit dem schweriner Dome, nämlich die bischöflich=schwerinsche Collegiat= Kirche zu Bützow, welche ebenfalls im Jahre 1248 erweitert und erst unter dem Bischofe Friederich II. in der Zeit von 1364 - 1375 vollendet ward. Dieser Bischof ließ diese Kirche ebenfalls bedeutend erhöhen und urkundlich an ihr einen neuen Chor mit polygonischem Chorschlusse und Umgang erbauen 2 ); deshalb ließ er an jedem äußern Strebepfeiler dasselbe v. bülow'sche Wappen anbringen, welches über den südlichen Pforten des schweriner Domes steht. Ein gleiches Schicksal erlitt der Dom zu Lübeck; von dem alten Rundbogenbau Heinrichs des Löwen aus dem 12. Jahrhundert steht nichts weiter mehr, als das innre Schiff; die Seitenschiffe sind im jüngern Spitzbogenstyle angebauet, und den Chor ließ der Bischof Heinrich von Bokholt (1317 - 1341) anbauen und brachte ihn ungefähr im Jahre 1335 zur Vollendung. Dieser Chor des lübecker Domes hat nun wieder die größte Aehnlichkeit mit dem Chore der Kirche zu Bützow. Es erging dem Dome zu Schwerin, wie der ihm ähnlichen Klosterkirche zu Doberan, welche ebenfalls zwei Male geweihet ward: einmal am 3. October 1232 (die consecrationis ecclesiae), als sie im Uebergangsstyle fertig war, und das zweite Mal ebenfalls von dem Bischofe Friederich II. am 4. Junius 1368, als ihr Umbau und ihre Einrichtung vollendet war (consecratio ecclesiae bene fundatae et edificiis perfectae) 3 ); beide Tage waren von der Gründung (dedicatio) völlig verschieden. Den Anbau der Seitenschiffe in der Zeit von 1365 - 1375 beweiset auch der Bau des links an der südöstlichen Pforte angebaueten Dom=Archives oder " Capitel=Hauses", welches nach glaubwürdigen
Nach Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Urkunden."Daniel der Steinhauer quitirt die Baumeistere der Kirchen zu Zwerin, daß er wegen Meister Peter Petzels Steinmetzen die bedingten 231 Mk. lüb. empfangen, anno 1380".
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Nachrichten, zur Zeit der Anfertigung der großen Stiftsmatrikel, von dem Bischofe Friederich II. erbauet ist und mit dem Seitenschiffe in Mauerverband steht 1 ).
Einen fernern Beweis für den jüngern Bau der Seitenschiffe des Domes, wenn nicht der Styl schon deutlich genug redete, giebt endlich auch der Kreuzgang. Der Kreuzgang des Domes ist nicht alt. Es würde aber auffallend sein, daß ein so altes, wohlhabendes Stift keinen so alten Kreuzgang hätte, wie z. B. die Dome zu Ratzeburg und Lübeck, wenn nicht der Bau der Kirche den Bau des Kreuzganges hinausgeschoben hätte: die Kirche war lange Zeit hindurch nicht vollendet und deshalb ward auch kein Kreuzgang an dieselbe gelehnt. Wahrscheinlich ist das nördliche Seitenschiff etwas älter, als das südliche, und daher konnte man mit dem Bau des Kreuzganges auch eher beginnen, als das südliche Seitenschiff in Angriff genommen ward. Im Jahre 1328 stand nach einer Urkunde der Kreuzgang noch nicht, sondern an der Stelle desselben ein Kalkhaus; es ward jedoch die Absicht ausgesprochen, hier ein Schlafhaus (dormitorium seu refectorium) zu bauen. Es wird also wohl nicht lange darnach das Schlafhaus 2 ), der westliche Theil des Kreuzganges, welcher jetzt den Hörsaal des Gymnasiums und Dienerwohnungen enthält, erbauet sein. Nach der Vollendung der Seitenschiffe ließ im Jahre 1392 der damalige Dom=Schatz=meister Bernhard von Plessen 3 ) das Speisehaus oder das Refectorium, den östlichen Theil des Kreuzganges, welcher jetzt die Lehrzimmer des Gymnasiums enthält, an das Seitenschiff
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lehnen 1 ). Der Bau des nördlichen Theils des Kreuzganges, des überwölbten Straßenganges, welcher in seinen obern Räumen jetzt die Bibliothek des Gymnasiums aufgenommen hat, ward erst unter dem Bischofe Werner (1458 - 1473) im Jahre 1463 in Angriff genommen 2 ) und unter dem Bischofe Conrad (1482 - 1503) vollendet 2 ).
Alle diese Umstände reden dafür, daß die Seitenschiffe des Domes gegen das Ende des 14. Jahrhunderts vollendet wurden. Und damit war der Dom noch nicht fertig: das Mittelschiff war noch nicht gewölbt. Dies mußten die Stralsunder um das Jahr 1430 wölben lassen, um sich aus dem Banne für die in einem Aufruhr im Jahre 1407 verbrannten Priester zu lösen 3 ). Die Baukunst war schon im Verfalle, als dies geschah; man sieht es an der leichtfertigen Ueberdachung der obern Fenster des Schiffes, welche bei der Wölbung des Mittelschiffes, statt mit einem Spitzbogen, mit einem stumpfwinkligen Dreieck überwölbt sind.
An der östlichen Durchgangsthür ist an der Außenwand des Bischofs Conrad Loste Wappen, in Stein gehauen, eingemauert."Wernerus Bischoff zu Zwerin giebt den Personen des Capittels, so einen Vmbgang an der Kirche zu bawen angefangen vnd allen, so dazu helffen, 40 Tage Ablaß, anno 1463 sabbato ante dominicam Judica".
An der östlichen Durchgangsthür ist an der Außenwand des Bischofs Conrad Loste Wappen, in Stein gehauen, eingemauert."Wernerus Bischoff zu Zwerin giebt den Personen des Capittels, so einen Vmbgang an der Kirche zu bawen angefangen vnd allen, so dazu helffen, 40 Tage Ablaß, anno 1463 sabbato ante dominicam Judica".
In Johann Berckmans (Stralsundischer Chronik, S. 7, wird berichtet:"Die Wort am Ende des Gewelbes über der Orgel nach dem Glockenthurm lauteten also:
Jesus Maria. Dit Welffte ist vollenbracht von den pennigen der Sundischen, tho der Söhne der dreyer Prester halven, de se unschuldigen up ehren Marck vorbrennen lehten.
"Diese Worte seyn im 1560 Jahr, da die neue Orgel gebauet, mit Faren und andern gemelden überstrichen worden."
"In 22 Jaren musten se dat gelt vthgeuenn Doctor Lowen tho Rostog woll bekannt, datt welffte im Dome tho Schwerin buwen. Dar steit noch hutiges dages mit grotenn rodenn bockstauenn angeschreuenn:
Dith hebben de Sundeschen mothen buwen, datt se de papenn vorbrantt haddenn."
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Die Bauten an der Domkirche während des 14. Jahrhunderts werden nun auch ohne Zweifel Einfluß auf die Heilige=Bluts=Kapelle gehabt haben. Wahrscheinlich war die architektonische Bildung des Umganges hinter dem Hochaltare in ältern Zeiten anders gestaltet, in den ältesten Zeiten wohl halbkreisförmig, darauf vielleicht dreiseitig. Stammte der jetzt noch stehende Bau aus der ersten Anlage, aus der Zeit der Dedication der Kirche (1171), so würde die Altartribüne halbkreisförmig ausgebauet sein, wie an den Kirchen zu Ratzeburg, Vietlübbe und Lübow, und mit einer halben Kuppel gewölbt sein, wie zu Ratzeburg und Lübow. In den darauf folgenden ersten Zeiten des Uebergangsstyls gab man dem Chore, welcher als ein eigenes, kleines Gebäude an die Ostseite der Kirche angesetzt ward, eine vierseitige Gestalt; die Mauer hinter dem Altare bildete also eine grade, rechtwinklig angesetzte Wand. Erst später schloß man die Altarseite dreiseitig, im 14. Jahrhundert vielseitig. - Bei dem Anbau der Seitenschiffe des schweriner Doms in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird nun auch der jetzige, spitzbogige Umgang hinter dem Chore erst seinen vielseitigen polygonischen Schluß und die Heilige=Bluts=Kapelle dadurch eine größere Ausdehnung erhalten haben. Eine Hindeutung hierauf giebt auch die von dem oben genannten Dom=Schatzmeister Bernhard von Plessen am Ende des 14.Jahrhunderts, gleich nach Vollendung der Seitenschiffe und des Refectoriums, ausgeführte neue Einrichtung und Ausschmückung der Heiligen=Bluts=Kapelle, welche wohl nach einem Umbaue vorgenommen ward. Hederich berichtet in seiner schwerinschen Chronik S. 18, zu dem Jahre 1400:
"Um diese Zeit (1400) ist die Capell des H. Bluts "mit den gemählden der Graffen zu Schwerin 1 ) sambt den donationibus, damit sie die Kirche zur Ehre Gottes von ihren Landgütern belehnet, von Bernhard von Plessen, des Stiffts Thesaurario und Baumeister, verzeichnet worden, da er kurtz zuvor 1392 zunegst dem Chor auch das Refectorium, itziger Zeit der Schulen Auditoria, gebauet, wie er dann zum Gedächtniß diese Worte an das Gewelbe in den einen Creutzgang nach der Kirchen schreiben lassen: A o MCCCXCII praesens Refectorium per Bernhardum de Plessen est for-
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matum. Er ist gestorben 1414 und liegt zur rechten des Chors gegen Nord=Osten begraben; den Stein hat man in Hertzog Christoffers Begräbniß auffnehmen müssen".
Das Andenken an die Heilige=Bluts=Kapelle war im 19. Jahrhundert völlig verwischt; man kannte weder den Namen, noch die Stelle derselben, ja der historische Sinn war so sehr abgestumpft, daß weder die Begebenheiten der Reformation in Schwerin, noch die großen Handlungen des Herzogs Johann Albrecht I. bekannt waren und Theilnahme fanden. Dazu kam, daß später die sogenannte Restauration des Domes die Denkmäler in der Kapelle bedeckte. Nach einer langen, für die Würde des Gottesdienstes nicht sehr empfänglichen und in verkehrter Kunstrichtung befangenen Zeit mochte die Säuberung der Kirchen allerdings nöthig sein. Auch die Restauration des Domes zu Schwerin, deren Hauptzweck "die Hebung des Gottesdienstes durch Verschönerung der Kirche" war, ward am 23. Februar 1811 beantragt. Da verhinderte der russische Feldzug, während dessen die Kirchen zu Futtermagazinen und Lagerplätzen benutzt wurden, einstweilen den Angriff des Unternehmens; desto eifriger betrieb man es sogleich nach Ueberwindung dieser schweren Zeit in den Jahren der größten patriotischen Aufregung. Seit dem Jahre 1813 wurden die Vorbereitungen eingleitet und im Jahre 1815 ward durch den Landbaumeister Barca zu Ludwigslust die Restauration ausgeführt, welche die freilich schon sehr des Schmucks entkleidete Kirche so nüchtern machte und mit dem geschmaklosen Gestühle füllte, auf dessen Fortschaffung man jetzt eifrig bedacht ist 1 ). Bei dieser sogenannten Restauration, bei welcher manche sogenannte "Kleinigkeiten und viel störender Zierrath 2 ) aus der papistischen Zeit", unter diesen die Chorstühle der Domherren, fortgeschafft, auch der Fußboden der Kirche in gleiche Fläche gelegt ist, ward auch die Heilige=Bluts=Kapelle mit einer rothbraunen, schwarz und weiß besprenkelten Farbe übertüncht, einer Decoration, welche zu der Würde des Ortes und der weißen Marmortafel mit der vergoldeten Inschrift schlecht genug stand. Im J. 1830 entdeckte ich unter dieser Tünche einige regelmäßige Umrisse in dem Kalkübersatz der beiden Seiten=Wände und nach Wegwischung der Tünche Malereien unter derselben. Forschungen im Archive
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überzeugten mich bald, daß hier die Wandgemälde der Heiligen=Bluts=Kapelle verborgen seien. Ich veranlaßte daher im J. 1840, während der Vorbereitungen zum Musikfeste, nach sorgfältiger Prüfung der Art der Malerei, die Abwaschung der Wände, und es traten 8 mehr oder minder gut erhaltene, lebensgroße Bilder hervor, in denen 6 Grafen von Schwerin und 2 Herzoge von Meklenburg zu erkennen waren. Die von dem Dom=Thesaurarius Bernhard von Plessen um das Jahr 1400 mit Bildern gezierte Heilige=Bluts=Kapelle war also wieder entdeckt. In den Bildern waren der Herzog Albrecht II. (1363 - 1412), König von Schweden, ohne Zweifel auf den ersten Blick sicher und nach den Wappen der Herzog Johann II (1392 - 1417), unter welchen die Ausschmückung der Kapelle ausgeführt war, so wie nach den Wappen die Grafen von Schwerin zu erkennen. Es wurden nun im Archive zu Schwerin die beiden folgenden Verzeichnisse der Bilder entdeckt: das eine, Nr. I, welches aus dem alten Capitelbuche entlehnt ist und in der Abschrift wohl aus dem 15. Jahrh. stammt, nennt 6 Grafen von Schwerin und wiederholt 2 Grafen (Heinrich I und Helmold II) um 8 Personen herauszubringen; das andere Verzeichniß, Nr. II, aus einem Heberegister des 16. Jahrh. führt die 8 Personen richtig auf, nimmt aber auf die Bilder keine Rücksicht, sondern führt Schenkungen und Bilder in 11 Nummern auf, bei deren Zusammenziehung jedoch 8 Personen herauskommen. In alten Zeiten hatten die Bilder Unterschriften mit den Namen und Thaten der Personen gehabt, da Hederich 1 ) eine derselben mittheilt; durch einen neuern plump aufgetragenen Kalkputz, waren dieselben aber völlig vernichtet.
Die beiden folgenden Verzeichnisse stimmen nun auch mit der Geschichte des Heiligen=Blutes vollkommen überein.
Die Inschriften konnte v. Westphalen zum Theil noch lesen, da er in Mon. Ined. III, p. 1705 berichtet:"Henricus I - - confert in Wittenforde ad erigendam capellam in Schelmone, fundatam circa annum 1238 (?); testatur idem iuscriptio ad effigiem ipsius in capella "sanguinis dominici."
und dann die Bilder beschreibt."Effigies VIII comitum Sverinensium in aedicula sancti sanguinis depictae, additis inscriptionibus, quarum tamen reliquiae saltem supersunt",
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I.
Verzeichnis der Graffen von
Schwerin, so in der heiligen Bluts
Capell abconterfeiet sein im thumb
zu Schwerin.
Aus dem 15. Jahrhundert.
1, [1] Comes Gunselinus (I) senior (1166 - 1187).
2, [4] Comes Heinricus (I) (1190 † 1228)
sanguinem domini nostri Jesu Christi
diligentissime conservavit, quem a domino
Pelagio S. R. E. cardinali suis meritis
obtinuit, praesentavit Brunwardo episcopo
Suerinensi anno 1222 nono kal. Aprilis.
[2] Comes Heinricus (I) fundavit capellam in
Schelmone (1228).
3, [6] Comes Gunselinus (II) († 1221), filius Helmoldi (?), villam Medewege (1217) et Bandenisse (1220) dedit.
4, [3] Comes Gunselinus (III) (1228 † 1274) dedit XI mansos in Plathe (1249), Zcittekow (1251), Bralstorf (1262) cum omni iure.
5, [5] Comes Helmoldus (II) (1274 † 1299)
vicariam in Gnevenhaven et vinum per totum
comitatum dedit (1283).
[8] Helmoldus
praebendam in Rubow.
6, [7] Comes Hinricus (III) (1332 † 1332), filius Helmoldi, lumen ante altare Catharine dedit.
*) Von den Ziffern bezeichnen die arabischen Hauptziffern , die Zahl und Folge der Bilder, die in [ ] eingeschlossenen Ziffern die Zahl und die Reihenfolge der Absätze in den Originalen; in ( ) sind die Ziffern der Regentenfolge und die Jahreszahlen der Schenkungen hinzugefügt.
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