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III. Zur Baukunde

des Mittelalters.


Die Kirche zu Reknitz.

Die dem H. Bartholomäus geweihete Kirche zu Reknitz, zwischen Güstrow und Lage, gehört zu den interessantern Landkirchen in Meklenburg. Sie ist zwar kein Bau von ungewöhnlicher Schönheit, hat aber doch manche Merkwürdigkeiten, welche der Betrachtung werth sind. Sie besteht aus Chor, Schiff und Thurmgebäude und stammt in allen Theilen nach dem Baustyl aus dem zweiten Viertheil des 13. Jahrh. Alle Fenster sind nämlich noch im Uebergangsstyl gebauet: schräge eingehend, schmal, leise gespitzt. Sonst fehlt der fest gebaueten Kirche im Aeußern jeder architektonische Schmuck, welcher zu einer Zeitbestimmung dienen könnte. Die ganze Kirche in allen 3 Theilen ist aus Feldsteinen gebauet und hat Gliederungen und Oeffnungen aus großen, festen Ziegeln. Die Kirche hat in der Anlage der Fenster die Merkwürdigkeit, daß im Chor in der Nordwand 2, in der Südwand gegenüber 3 Fenster stehen; eben so verhält es sich bei der nächstfolgenden Fensterstellung im Schiffe.

Der Chor gehört zu dem Baustyl der zwischen Sternberg und Schwan liegenden Kirchen (vgl. Jahrb. X, S. 309 und XI, S. 464) des bischöflich schwerinschen Sprengels, zu welchem Reknitz gehörte. Er ist mit Einem Gewölbe bedeckt, welches 8 starke Rippen hat, die oben in einem Kreise zusammenlaufen, und hat hinter dem Altar 3, in der Südwand 3, in der Nordwand 2 Fenster.

Das Schiff, welches etwas breiter ist, als der Chor, ist dagegen sehr eigenthümlich: es hat nämlich 4 Gewölbe, welche von einem gerippten, starken Pfeiler getragen werden. Durch diese Construction kommt der Pfeiler in der Mitte der Kirche zu stehen und wird das Schiff in zwei Schiffe getheilt. Zu den

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zweischiffigen Kirchen in Meklenburg (vgl. Jahrb. XII, S. 459), welche bisher zu Schlagsdorf, Schwinkendorf, Ankershagen und Gnoyen entdeckt sind, kommt also noch die Kirche zu Reknitz hinzu. Dieser Bau ist bei dieser Kirche weniger auffallend und störend, da sie bei 4 Gewölben nur Einen Pfeiler hat; in den andern Kirchen sind die Pfeiler in der Mitte bei dem protestantischen Gottesdienst oft sehr hinderlich, beim katholischen Ritus freilich nicht so sehr. Das Schiff hat an jeder Seite unter jedem Gewölbe 2 Fenster, nur unter dem ersten Gewölbe zunächst dem Chor in der Südwand, wie oben bemerkt ist, 3 Fenster.

Die Pfarre zu Reknitz war im Mittelalter der Sitz einer mächtigen und reichen Ritterfamilie, deren Hauptstamm das Geschlecht der Nortman auf dem nahe gelegenen Schlosse Rossewitz bildete. Daher berühren die Monumente in der Kirche auch meistentheils die Geschichte dieser Familie.

Rechts neben dem Altare liegt ein alter Leichenstein ohne Umschrift, nur mit dem Schilde und Helme der Nortman bezeichnet: der Schild hat 3 oben kleeblattförmig ausgeschnittene Herzen (oder: "Seeblätter", wie ähnliche Zeichen im Wappen der Grafen von Teklenburg genannt werden), welche mit den Spitzen einen Knopf oder eine Rose in der Mitte des Schildes berühren; der Helm trägt zwei halbkreisförmige, gegenüberstehende Kämme aus Federn.

Zunächst vor dem Altare liegt ein großer, weißer Stein mit eingegrabenen Darstellungen. In 2 verbundenen gothischen Nischen steht rechts ein gerüsteter Ritter, vor sich ein Schwert und den nortmanschen Schild haltend, links eine Matrone mit gefaltenen Händen und zu ihren Füßen mit einem gelehnten Schilde, welcher einen links hin schreitenden Bären hat. An den 4 Ecken stehen die Symbole der Evangelisten. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Zwischen den Füßen beider Figuren steht:

Inschrift

(= Anno domini MCCCLXXXIX, feria III post Laetare obiit dominus Joachim Nortman miles in Rozsseuitze. Anno domini MCCC     obiit

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domina Gheze, uxor Joachim Nortman, filia Johannis Beren. Orate pro eis.)

Der Leichenstein ward ohne Zweifel bald nach dem Tode des Mannes bei Lebzeiten der Frau gelegt, beim Tode der letztern aber die Nachtragung ihres Sterbejahres und Tages vergessen.

Links vom Altare liegt ein kleiner, blauer Stein mit dem nortmanschen Wappen unten in der Mitte und den Evangelisten=Symbolen in den Ecken. Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Anna domini MCCCCXXX obiit Nicolaus Nortman, filius domini Joachim Nortman militis, et vxor ejus Ghisele, filia domini Nicolai [Tulendorpe] militis. Orate pro eis.)

Der Leichenstein wird noch bei Lebezeiten des Nicolaus Nortman angefertigt sein, da Sterbejahr und Sterbetag noch nicht genau angegeben sind und Nicolaus Nortman nach Original=Urkunden der Kirche zu Reknitz noch im J. 1433 lebte. Der Vatersname der Frau ist entweder auch offen gelassen oder auch völlig abgetreten; nach reknitzer Urkunden war im J. 1425 Gisele Tochter des Nicolaus Tulendorp; auf dem Leichensteine ist der Raum für diesen Namen zu kurz, welcher also wahrscheinlich von vorne herein ausgelassen ist.

Zunächst an dem großen nortmanschen Leichensteine vor dem Altare liegt ein anderer Stein mit 2 gothischen Nischen, in welchen 2 Priester stehen, welche den Kelch consecriren. Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Anno domini MCCCLXXXIII in profesto Georgii obiit dominus Johannes Doberan, hic vicarius. Orate pro eo. Anno domini MCCCLXXXIX in die Lamberti obiit dominus Nicolaus Daluitz. Orate pro eo.)

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In einer Urkunde der Kirche zu Reknitz vom J. 1365 kommen die beiden Vicare Johannes Doberan und Nicolaus Dalvitz vor als "presbiteri et vicarii in ecclesia Rekenitze". Die Kirche zu Reknitz hatte mehrere durch die Familie Nortmann und Zapkendorf reich dotirte Vicareien. Im J. 1368 stiftete der Knappe Nicolaus Zapkendorf, Sohn des wailand Ritters Johann Zapkendorf, in der Kirche zu Reknitz noch eine Vicarei mit einem Hofe zu Reknitz, den er bewohnte.

Neben den nortmannschen Leichensteinen sind vier hölzerne, bemalte Schilde von Interesse, welche im Chor an den Wänden hangen.

Dem Altare gegenüber hangen 2 Schilde der Nortman, blau, mit drei weißen Herzen um eine rothe Rose, welche völlig deutlich gemalt ist; über einem Schilde ist noch der Name

clawes nortmann

zu lesen.

Links vom Altare, diesem nortmanschen Schilde gegenüber, hängt ein blauer Schild mit demselben Wappen: drei weißen Herzen um eine rothe Kugel, welche jedoch nicht als eine Rose zu erkennen ist; nur steht über der Kugel ein weißes t mit einer Krone darüber. Ueber diesem Schilde steht die Inschrift:

Inschrift

(= O ille bonus Cunradus Zapkendorp. [M]CC CCV. [die] Luciae.)

Es hat den Anschein, als wenn dieser Schild beim Tode des Conrad Zapkendorp aufgehängt worden ist. Aber noch in einer reknitzer Kirchenurkunde vom J. 1406 werden die beiden Claus Nortman und Curt Zapkendorp "vedderen" genannt; vielleicht ist die Jahreszahl auf dem Schilde entweder zum Theil verlöscht oder hat etwas anderes zu bedeuten.

Ein Wachssiegel eines Conrad Zapkendorf in der Sammlung des Vereins, wahrscheinlich aus dem rostocker Stadt=Archive, bezeichnet mit der Jahreszahl 1386 hat ganz das nortmansche Wappen, ohne Beizeichen: drei Herzen um eine Kugel mit der Umschrift:

Umschrift

Durch beide Schilde und das Siegel lernen wir die interessante Stammesverwandtschaft der Nortman und der Zapkendorf kennen. Beide haben dasselbe Wappen, beide nennen sich sicher im J. 1406 noch Vettern, beide besaßen neben einander

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die Lehngüter zwischen Güstrow und Lage am rechten Ufer der obern Reknitz und die Nortman erscheinen im Besitze der Güter der Familie Zapkendorf, nachdem diese ausgestorben war.

In der Bestätigung einer von den Familien Nortman und Zapkendorf gestifteten Vicarei in der Kirche zu Reknitz vom 23. Febr. 1369 heißt es:

In allen dessen vôrscreuen articulen tûchnitze vnde lôuen hebbe wy her Joachim Northman, her Hinrick Northman vnse ingesegele henget an dessen brêff myt den ingesegelen vnser vedderen, alse Clawes Sapkendorp, Werner Sapkendorp, Vicke Northman, Gerth Northman.

Freilich ist das Original dieser Urkunde nicht mehr vorhanden, jedoch sind die vorhandenen Abschriften, welche wahrscheinlich Uebersetzungen eines lateinischen Originals sind, alt und stammen noch aus der ersten Hälfte des 16. Jahrh.

Die Zapkendorf oder Sabekendorf, wie der Name in alter Zeit geschrieben wird, haben ohne Zweifel von dem Gute Zapkendorf den Namen und dieses ist wieder sicher von dem wendischen Personennamen Sabic benannt. Bei den pommerschen Herzogen erscheinen z. B. 1242 - 1246 ein Sabic und 1282 dessen Söhne Barchil und Johann Sabekewitsch vgl. Mekl. Urk. I, S. 71, 74 und 161). Die Sabekendorf erscheinen im 14. Jahrh. auf den Gütern Zapkendorf, Reknitz, Spotendorf und Glasewitz gesessen. Der letzte des Stammes war der oben genannte Curt Zapkendorf, mit welchem das Geschlecht in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. ausstarb. Nach seinem Tode erscheinen in den Jahren 1447 und 1450 die zapkendorfer Güter im Besitze des Curt Nortman.

Die bekanntere Familie Nortman saß auf dem viel besprochenen Schlosse Rossewitz, zu welchem eine große Menge von Gütern gehörte. Der letzte des Geschlechts war Curt Nortman, welcher am 20. October 1450 alle seine Güter: nämlich das Schloß Rossewitz mit den Dörfern Gr. und Kl. Wendorf, Glasewitz, Spotendorf, Zapkendorf, Levekendorf, Parper, Pölitz, Nienhagen, Plaatz, Repeschendorf, Mirendorf, Knegendorf, Reknitz, Lissow, Kurleput und Pruschendorf, an seinen Schwager VickeVieregge verkaufte. Nach der Leichenrede auf Eleonore Sibylle Vieregge vom J. 1652 hatte Vicke Vieregge "die letzte des Geschlechtes Frau Gisel Nortmannen, Fräulein von Rossevitz", geheiratet. Seitdem blieben bis auf die neuern Zeiten die Vieregge im Besitze der rossewitzer Güter.

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Rechts vom Altare hängt ein weißer Schild mit einem rechts sehenden, schwarzen Greifenkopfe mit rothem Schnabel; auf dem Schildeshaupte steht die Inschrift:

Inschrift

Dieses Wappen stammt aus der abgebrochenen Kapelle zu Mirendorf, welche nach diesem Schilde von der Familie von Mirendorf erbauet ward. Diese Familie ist bisher noch nicht bekannt gewesen. Im J. 1450 waren ihre Güter ebenfalls im Besitze der Nortman.

Der Altarschrein ist ein ziemlich gutes Schnitzwerk aus dem 15. Jahrh., in der Mitte mit einem Marienbilde in einer Glorie, zu den Seiten mit den 12 Aposteln und 12 andern Heiligen. Zu den Füßen der Maria knieet der Stifter in ritterlicher Tracht, leider ohne weitere Bezeichnung.

Von den Glocken sind die beiden großen neu. Die kleinste hat um den Helm die unbeholfene Inschrift:

Inschrift

welche dadurch interessant ist, daß die römischen Unzialen noch so spät (1370) angewandt sind und dazu für die deutsche Sprache.

Die übrigen Monumente stammen aus der Zeit der Vieregge. Dies sind die Chorstühle, die Kanzel und die Orgel, alle aus Schnitzwerk, freilich jedes im Style seiner Zeit.

Die Chorstühle links vom Altare haben an den Thüren geschnitzte Wappen und Inschriften. An dem ersten Stuhl steht die Inschrift:

DE. NORMAN. DEN. GOT. GNEDICH. SI. 1579.

Dann kommen folgende Namen mit ihren Wappen:

Ewalt Vieregge. Ide Restorf.
Vicke Vieregge. Anna Swerin.
Mathias Vieregge.          Adelheit Lewetzow.

Die gut geschnitzte Kanzel ist in demselben Style und aus derselben Zeit, mit den Wappen und den Namen der beiden letzten Ehepaare.

Die Orgel aber ist ein ausgezeichnet schönes und reiches Schnitzwerk, freilich ganz im Rokokostyle, aber so ungewöhnlich schön und prachtvoll, daß es zu den ausgezeichnetsten Arbeiten dieses Styls im Lande gehört, wenn es nicht gar das allerbeste ist. Die Leichtigkeit, Schönheit und Kraft aller dieser vielen Figuren, Guirlanden und Schnörkeleien ist unübertrefflich. An dem Schnitzwerke stehen die Wappen der Vieregge und Sperling. Nach den Kirchennachrichten soll das Werk 1703 - 1708 von Johann Engelbrecht Gerhard, Orgelbauer und Organisten zu Rostock, ausgeführt sein, welcher auch die Orgel in der Kirche zu Malchin gebaut haben soll.

G. C. F. Lisch.