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von
großherzoglich=meklenburgischem
Archivar und Regierungs=Bibliothekar,
Aufseher der großherzoglichen Alterthümer=
und Münzensammlung zu Schwerin,
auch
Ehrenmitgliede der deutschen und
ordentlichem Mitgliede der
historisch=theologischen Gesellschaft zu
Leipzig, Ehrenmitgliede des voigtländischen
alterthumsforschenden Vereins und des
Vereins zu Würzburg, correspondirendem
Mitgliede der geschichts= und
alterthumsforschenden Gesellschaften zu
Stettin, Halle, Kiel, Salzwedel, Sinsheim,
Berlin, Kopenhagen, Hamburg, Breslau,
als
erstem Secretair des Vereins für
meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.
Mit drei Steindrucktafeln und einem Holzschnitt.
Auf Kosten des Vereins.
In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung zu Rostock und Schwerin.
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I. | Ueber die Stiftung der Klöster und Kirchen zu Bützow und Rühn, vom Archivar Lisch zu Schwerin | 1 |
II. | Geschichte des bischöflich=schwerinschen Wappens, von demselben | 9 |
III. | Ueber die evangelische Kirchen=Visitation vom Jahre 1535, von demselben | 37 |
IV. | Regierungs=Verordnung des Herzogs Johann Albrecht I. beim Antritt seiner Regierung 1552, von demselben | 52 |
V. | Das Leben des Canzlers Heinrich Husan d. A., vom Archiv=Registrator Glöckler zu Schwerin | 60 |
VI. | Der reichsgerichtliche Pfandungsprozeß, in besonderer Anwendung auf das ehemalige lübeckische Heil. Geist=Hospital=Dorf Strisenow, vom Dr. Dittmer zu Lübeck | 161 |
VII. | Ueber den Ursprung und den Umfang der Lieferung der Pachtgerste aus Russow, von demselben | 177 |
VIII. | Ueber die rostocker Chroniken des 16. Jahrhundert, vom Archivar Lisch | 183 |
IX. | Plattdeutsche Sprichwörter, vom Hülfsprediger Günther zu Eldena | 198 |
X. | Meklenburgische Volkssagen, von demselben | 202 |
XI. | Fragmente altniederländischer Gedichte, vom Archivar Lisch | 213 |
XII. | Miscellen und Nachträge | 219 |
XIII. | Urkunden=Sammlung | 247 |
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:
Ueber die
von
G. C. F. Lisch.
D ie Geschichte der Stiftung der Klöster und Kirchen zu Bützow und Rühn, welche bisher kaum berührt ist, hat, wie überhaupt die Geschichte der Stiftung der Frauenklöster in Meklenburg, so viel Interesse, daß sie unentbehrliches Material zur Geschichte der Germanisirung Meklenburgs und der Entwickelung der neuern Zustände liefert. Leider fehlt es auch über diese Stiftungen an Urkunden, indem im J. 1628 die Urkunden nicht allein des Bisthums Schwerin, sondern auch des Collegiatstifts Bützow und des Klosters Rühn nach Dänemark versetzt wurden; jedoch können für den Nothbedarf die Regesten der bischöflich=schwerinschen Urkunden, welche noch am Ende des 16. Jahrh. nach den Originalen gemacht sind, und die geretteten Copeibücher des Collegiatstifts Bützow aushelfen.
Das Bisthum Schwerin erhielt im J. 1171 bei seiner Dotation von dem Fürsten Pribislav das Land Bützow 1 ), welches nach den Confirmations=Urkunden aus dem 12. Jahrh. zu der Burg Bützow (castrum Butissowe) gehörte. Der Bischof Berno hatte dieses Land unter der Bedingung erhalten, daß er ein Kloster in demselben gründe 2 ). Zunächst beschäftigte ihn jedoch die thätige Verbreitung des Christenthums und er verwandte seine ganze Sorgfalt auf die Einrichtung des Dom=Capitels zu Schwerin und seines Sprengels, auf die Stiftung der Cistercienser=Mönchsklöster Doberan (1170 3 ) und Dargun (1172) 4 ) und auf die Gründung von Pfarr=
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kirchen im Lande, wie denn schon im J. 1173 die Priester von Vicheln, Cramon und Stück, alle nicht weit von Schwerin, vorkommen 1 ). Dann begann er die Errichtung eines Nonnenklosters zu Bützow 2 ), wie es ihm zur Pflicht gemacht war. Mitten unter solchen Bestrebungen raffte aber ein plötzlicher Tod am 30. Dec. 1178 den Wendenfürsten Pribislav hinweg, und dieser Sturz war das Signal zu einem allgemeinen Abfall und Aufstande der Obotriten 3 ), welche die gegründeten Klöster wieder zerstörten. Und als auch der Pommernherzog Kasimir I. im J. 1182 in der Schlacht 4 ) fiel, bestärkte dieser Todesfall auch die östlichen Wenden zu einer Schilderhebung und zum Abfall vom Reiche und vom Christenthum 5 ), nachdem die wendischen Fürsten durch den Sturz Heinrichs des Löwen ihre festeste Stütze verloren hatten. Innere Fehden öffneten den Brandenburgern 6 ) die Thore zum Lande und so ward die Verwirrung noch vergrößert. Die neue Lehre und Bildung hatte nur noch unter dem Schutze des Grafen von Schwerin feste Wurzel. Aber auch der erste Graf von Schwerin, Gunzelin I., starb in diesen Zeiten (vor 1187) und der Bischof Berno trat am 14. Jan. 1191 7 ) vom Schauplatze seines segensreichen Wirkens. Erst langsam konnte die junge Saat unter so thätigen Männern reifen, wie es der Bischof Brunward von Schwerin, der Fürst Heinrich Borwin I. von Meklenburg und der Graf Heinrich I. von Schwerin waren; das Kloster Dargun konnte erst im J. 1216 restaurirt werden 8 ).
Das Nonnenkloster zu Bützow
ist bisher völlig unbekannt gewesen, wenn man nicht Mantzels Aeußerung in den Bützowschen Ruhestunden XIII., S. 25, über eine Ackerstelle bei Bützow:
"Der "Nunnen=Kamp" ein Platz Acker= und Wiesenwerks. Ich bin noch immer darauf erpicht,
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daß hier zu Bützow ein eigentliches Jungfern=Kloster gewesen",
für etwas mehr als eine Vermuthung halten will. Nach den Stiftungs= und Bestätigungs=Urkunden des Klosters Rühn war aber der Bischof Berno von Schwerin:
"zu anrichtung des Closters verpflichtet gewesen, weil mit solchem anhange und bescheide das land Buzhiowe der Kirchen oder Stiffte Zwerin gegegeben worden, das der Bischoff ein Closter darin bawen sollte".
Es hatte Berno auch wirklich
"ein Nonnencloster zu Buzhiowe angefangen".
Die Stiftung dieses Klosters zu Bützow, wahrscheinlich Cistercienser=Ordens, ist also nicht zu bezweifeln; auf jeden Fall wird sie vor Bernos Tode, also vor dem J. 1191, wahrscheinlich vor dem J. 1178 geschehen sein, da die Vollendung des Klosters durch Berno
"wegen einfalß der wenden und anderer vorhinderungen nicht volnbracht"
werden konnte.
Ohne Zweifel ist das Kloster zu Bützow das älteste Nonnenkloster 1 ) in Meklenburg gewesen. Nach dem Untergange desselben ward einige Jahre vor 1219 zu Parkow 2 ), im Kirchspiele Westenbrügge bei Neubukow, das Kloster Sonnenkamp angelegt, welches im J. 1219 nach Kutsin verlegt und seitdem auch Neukloster genannt ward 3 ); dieses Jungfrauenkloster erhielt seitdem den ersten Platz im Alter der
Kirchberg beschreibt in seiner Chronik Cap. CXXIII. diese Stiftung ebenfalls; er nennt die Stelle des alten Klosters die "clus by Westingebrucke"."villa Parcowe ubi primo claustrum situm fuit".
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Nonnenklöster in Meklenburg und daher ein vorzügliches Ansehen.
Es ist bemerkenswerth, daß Neukloster ursprünglich an dem wendischen Orte Parkow angelegt und daher wohl in der Uebersetzung Sonnenkamp genannt ward, da die Heidenbekehrer vorherrschend und gerne an den heiligen Stätten der Heiden christliche Tempel anlegten. Auch bei Parchim liegt ein Bergrücken, der Sonnenberg genannt. Wahrscheinlich hangen diese Benennungen mit dem Namen des Gottes Perkun zusammen und die Sylbe Park - möchte Licht oder Sonne bedeuten 1 ). Auch in der unmittelbaren Nähe von Bützow liegt ein Dorf Parkow; an dieses Dorf, zwischen Parkow und Bützow, grenzte ein Dorf Zarnin 2 ), welches nicht mit dem, eine Meile von Bützow liegenden Dorfe Zarnin zu verwechseln ist. Der Name Zarnin, - man erinnere sich an den dunklen Gott Zarnebog (von czarne=schwarz), - scheint ebenfalls eine mythologische Bedeutung, im Gegensatze von Parkow, zu haben. Auch das Kloster Zarnetin (Zarrentin) scheint an einer heiligen Stätte des Heidenthums gegründet zu sein. - Noch mehr deutet auf eine heilige Stätte der "Freiensteinberg" (auf der großen schmettauschen Charte) zwischen Parkow und Bützow, eine Stelle, an welche sich, nach dem Namen zu urteilen, wahrscheinlich ein uraltes Asylrecht aus dem Heidenthum knüpfte 3 ).
Die Elisabethkirche
und
das Siechenhaus zu St. Georg
vor Bützow.
Welche Stelle zu dem Nonnenkloster zu Bützow bestimmt gewesen sei, möchte schwer zu ermitteln sein. Vielleicht war
Die Zarniner Felder reichten bis an den großen bützowschen See (borgsee). Im J. 1314 war das Dorf schon gelegt, indem es nur als"villam suam dictam Zernyn sitam inter civitatem ipsam et villam Parcow"
"campus Cernyn"
und Stadtfeld aufgeführt wird - Die adeliche Familie von Zarnin trug wahrscheinlich von diesem Orte den Namen.
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sie dort, wo die St. Elisabethkirche stand. Schon im 13. Jahrhundert war vor der Stadt, vor dem rostocker Thore, eine Kirche mit einem Hospitale zu Ehren der Heil. Elisabeth erbauet, welche schon vor dem J. 1286 abgetragen war. An der Stelle dieser Kirche ward, im Einklange mit der Verehrung der H. Elisabeth, ein Siechenhaus für Aussätzige, wie gewöhnlich vor den Städten, erbauet und damit eine Capelle vereinigt, welche dem Heil. Georg geweiht war 1 ), da der Name der H. Elisabeth auf die Collegiat=Kirche übergegangen war. Dieses Siechenhaus ist das nachmalige Armenhaus zu St. Jürgen. Wahrscheinlich ward die Elisabethkirche erst nach dem J. 1235 erbauet, da in diesem Jahre die Landgräfin Elisabeth von Thüringen canonisirt ward, wenn man nicht annehmen will, daß neben der ältern Kirche nach dem Jahre 1235 ein Siechenhaus erbauet worden sei und die Kirche nach der Schutzpatronin des jüngern Hospitals einen neuen Namen erhalten habe, was auch nicht unwahrscheinlich ist, wie aus der Dedication der jüngern Collegiat=Kirche hervorzugehen scheint. Allem Anscheine nach ist diese Kirche die älteste zu Bützow gewesen.
Die Collegiat=Kirche zu Bützow.
Schon vor dem J. 1229 hatte der Bischof Brunward eine Kirche zu Bützow geweiht; er spricht dies aus, als er am 24. Jan. 1229,
"praeter ea quibus ecclesiam Butzowiensem in consecratione ipsius dotauimus",
eine Vikarei für einen zweiten Geistlichen an der Kirche stiftete; damals war "Petrus sacerdos in Bützow". Ob diese Kirche das später in eine Hospital=Kirche umgewandelte Gotteshaus sei, oder eine andere, ebenfalls nicht mehr vorhandene Kirche, muß unentschieden bleiben; so viel ist gewiß, daß es nicht die noch stehende Kirche, die ehemalige Collegiat=Kirche, sei. Bützow, als bischöfliche Stadt und häufige bischöfliche Residenz, war den Bischöfen lieb geworden. Der Bischof Theoderich (1239-1247) faßte daher den Plan, gewiß zur Vermehrung der bischöflichen Würde in der Residenz, ein Collegiatstift nach dem Muster des Dom=Capitels zu Schwerin zu errichten. Er erbaute daher zu diesem Zwecke die schöne Kirche 2 ) und hatte schon Alles zur Installirung des Stifts vorbereitet, als ihn der Tod übereilte. Sein Nachfolger Wilhelm
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führte am 16. Sept. 1248 1 ) seine Absichten aus 2 ). Theoderich ward, auf seinen Wunsch, in der neuen Stiftskirche begraben. Der Bischof Wilhelm sagt nämlich in der Fundations=Urkunde des Collegiatstifts:
"considerata pia intentione venerabilis domini et antecessoris nostri bone memorie Theodorici Suerinensis episcopi circa structuram in Butzow opere superante materiam laudabiliter inchoatam, ubi collegium canonicorum ad honorem dei et ecclesie sue instituere proposuerat, cultumque diuinum per suam industriam ampliare, sed mortis calamitate preuentus non potuit consummare, tamen in promotionem ecclesie quasi pro angulari lapide in extremis agens ibi petiit sepeliri."
Diese Kirche war, wie gewöhnlich, zunächst Christo und der Jungfrau Maria, dann, nach der Mutter=Domkirche zu Schwerin, dem Evangelisten Johannes, und endlich im Besondern der Heil. Elisabeth geweiht. Aus dieser Dedication scheint hervorzugehen, daß die Elisabethkirche vor der Stadt die älteste zu Bützow war, durch die Vollendung der Collegiatkirche unterging, dieser ihren Namen überließ und selbst einem Hospistale Platz machte.
Das Kloster Rühn bei Bützow.
Die Stiftung eines Jungfrauenklosters zu oder bei Bützow, welche dem Bischofe Berno für die Ueberlassung des Landes Bützow schon frühe zur Bedingung gemacht war, unterblieb auch nicht, wenn das Kloster auch nicht an der Stelle entstand, an welcher es angefangen war.
Die jungen Herren des Wendenlandes mahnten den Bischof Brunward wiederholt an die Erfüllung der Bedingung, als sie ihm im J.1232 das Land Bützow bestätigten 3 ):
"Nicolaus vnd Hinricus hern zu Rostogk bekennen, das sie alle ihre recht, das sie mugen gehabt haben im Lande Butessowe, - - - dem Bischofe Brun=
"felicis recordacionis quondam dominus Thidericus et dominus Wilhelmus, episcopi Zwerinenses, fundatores ecclesie Butzowenses"
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wardo zu Schwerin abgetreten vnd vbergeben, jedoch also, das in demselben lande noch ein Closter vor Canonicos oder Nonnen vffs new gebawet vnd hundert hufen darzu gelegt werden mugen. D. d. Güstrow 1232, VI Kal. Aprilis."
Da zögerte Brunward auch nicht länger und stiftete im J. 1233 in dem ganz nahe bei Bützow gelegenen Orte Rühn ein Nonnenkloster Cistercienser=Ordens, nach folgendem Urkunden=Auszuge:
"Brunwardi Bischoffs zu Zwerin Brieff, darin er berichtet, das sein vorfar Berno ein Nonnencloster in Buzhiowe angefangen, aber wegen einfalß der wenden vnd anderer vorhinderungen nicht volnbracht, derwegen er solchs zu Rune zu wercke gerichtet vnd daß Closter mit nachfolgenden dorffern vnd hebungen bewidmet oder dotiret hat, alß mit dem Dorfe Rune, Pyaceke, Nienhagen bey Rune, Brunit mit dem Hagen Altona, Duzcin mit dem langen Hagen, so von Duzcin gehet nach Glambeke werts. Gibt auch dem Closter die Banne in folgenden Kirchen, alß Nienkercken, Rezhecow, Curin, Duzcin, Warin, Chualiz, Bomgarde, Boytin, Tarnow, Parme, Satow, Lambrechtshagen bey Parkentin vnd nach Ern Herbordi tode so wol die Kirche zu Brunit alß derselben ban, die Kirche in Buxisiowe mit dem Banne vnd allem rechte, so er der Bischof daran gehabt vnd eine Parre von vier Dorffern alß Rune, Pyazeke, Wendischen Zhiarnyn, Hanßhagen. Acta sunt hec anno gratiae 1233. Indict 6. Datum in Buzhiowe 8 Idus Julii."
Der Erzbischof Gerhard II. von Bremen gab zu dieser Stiftung seine Einwilligung,
"Gerardus der ander, Ertzbischof zu Bremen, confirmiret die fundation des Jungfrawen=Closters Rune, so vom ersten Bischoffe zu Zwerin Bernone wol angefangen, aber von seinem Successore Brunwardo zu werck gerichtet worden, darin sollen sie die Regul S. Benedicti halten. Acta anno 1233, Indictione 6. Datum Stadii pridie Idus Maii."
wahrscheinlich weil die Stiftung des Klosters ein fundationsmäßiger Act der Stiftung des Bisthums Schwerin war.
Daher gab auch das Dom=Capitel zu Schwerin seine besondere Zustimmung:
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"Des Capitels zu Zwerin Consensbrieff zu voriger Fundation vnd Dotation. Datum in Zwerin 1234, 7. Kal. Maii. "
Und endlich confirmirte der Bischof Friederich von Schwerin im J. 1239 die gesammte Dotation des Klosters:
"Fredericus Bischoff zu Zwerin confirmiret die donationes, die sein vorfar bischoff Brunwardus dem Closter Rune gethan, weil sie zu Rechte bestendig, so da nachgeben, daß ein Bischoff auch ohne consens des Capittels den funffzigsten teil seiner einkommen zu milden Sachen oder heiligen Ortern geben muge, er auch zu anrichlung des Closters verpflichtet gewesen, weil mit solchem anhange vnd Bescheide das land Buzhiowe der Kirchen oder Stiffte Zwerin gegeben worden, das der Bischoff ein Closter darin bawen solte. Acta 1239. Datum apud Buzhiowe 12. Kal. Junii. "
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Geschichte
des
von
G. C. F. Lisch.
Mit drei Steindrucktafeln.
M asch hat in dem ersten Jahrgange der Jahrbücher S. 143 flgd. dem Vereine eine historische Untersuchung über das Wappen des Bisthums Ratzeburg geboten; als Gegenstück liefere ich hier eine Geschichte des bischöflich=schwerinschen Wappens. Manche einleitende Gedanken können hier mit Hinweisung auf Masch übergangen werden; die Hauptmomente dabei sind hier, wie dort dieselben. Nur Eines darf hier nicht unberührt bleiben, nämlich die Frage, ob das Wappen des Bisthums Schwerin eine quellenmäßige Untersuchung verdiente. Das Wappen des Bisthums Ratzeburg war bis auf Masch der Geschichte und der Heraldik fremd; das Wappen des Bisthums Schwerin war dagegen freilich der Hauptform nach bekannt, als ein getheilter Schild mit zwei darüber gelegten Bischofsstäben; aber eine gründliche Untersuchung aus den Quellen fehlte noch immer. Es braucht hier nicht die heraldische Litteratur des schwerinschen Bischofswappens recensirt zu werden, da Westphalen, Rudloff und Gatterer benutzt und angeführt haben, was vor ihnen bekannt geworden ist. v. Westphalen 1 ) hat auf seinen Tabellen die Siegel dreier Bischöfe: Hermanns I. (1264), Johanns I. (1326) und Werners (1463), so wie des Officials von 1520 in Abbildungen mitgetheilt, aber so ungenau und so ohne allen Ge=
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schmack, daß nur eine sehr oberflächliche und ungefähre Ansicht über die Bischofssiegel zu gewinnen ist. Ein allgemeines bischöfliches Siegel, bestehend aus zwei Bischofsstäben mit einer darüber gestellten Bischofsmütze, welches v. Westphalen aus Schedius mittheilt, kann nichts weiter sein, als eine neuere Erfindung, nach dem Muster des Wappens der Stiftsstadt Bützow. Rudloff 1 ) hat für die ältere und mittlere Geschichte nichts weiter, als die aus den westphalenschen Abbildungen und allgemeinen Archivnachrichten gezogene allgemeine Nachricht, daß die Bischöfe in ihrem Wappen das sitzende oder stehende Bild eines infulirten oder pontificirenden Bischofs mit dem Krummstabe in der Hand oder zu seinen Füßen führten; erst für das Jahr 1568 fügt er 2 ) hinzu, daß das schwerinsche Stiftswappen aus zwei kreuzweise gelegten Bischofsstäben über einem roth und gold queer getheilten Schild bestanden habe. Gatterer 3 ) hat natürlich auch nicht mehr, als Westphalen; er giebt dem Bisthum zwei Bischofsstäbe im Andreaskreuze, über welche oben im Winkel gemeiniglich eine Bischofsmütze gestellt sei. Was v. Bülow 4 ) in der Kupfertafel giebt, ist reine Fiction nach schlecht verstandener Beschreibung durch das flüchtige Wort.
Diese litterarischen Ergebnisse mögen hinreichen, um das Unternehmen einer neuen Beschreibung in historischem Gange zu rechtfertigen. Unterstützt mag diese Rechtfertigung dadurch werden, daß eine historische Beschreibung von Siegeln, namentlich der geistlichen, für die Kunstgeschichte eines Landes von nicht geringer Bedeutung ist, namentlich wenn man die Arbeit in den Siegeln mit der Geschichte der Sculptur überhaupt und der Architektur in Verbindung setzt. Ohne eine vollständige Reihe guter Abbildungen kann freilich nicht mit vollständigem Erfolge durch die Siegel für die Kunstgeschichte gewirkt werden, aber die Epochen lassen sich doch mit Worten andeuten, und so kann, mit Unterstützung einiger getreuer Abbildungen, wenigstens die Aufmerksamkeit aus ein wenig bebauetes, fruchtreiches Feld gelenkt werden.
Die in folgenden Zeilen gegebene Beschreibung der Siegel ist nach siebenjährigem Forschen nur aus Originalsiegeln des Großherzogl. Geheimen= und Haupt=Archivs zu Schwerin ge=
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schöpft; ganz vollständig hat sie, trotz alles Suchens, nicht werden wollen. Forschungen im Auslande haben dieser Abhandlung keinen Gewinn gebracht.
Die 12 ersten Bischöfe von Schwerin führten ihr eigenes Bild im Siegel, jedoch in verschiedenen Formen; wenn es mir auch bis jetzt nicht gelungen ist, Siegel von dem dritten Bischofe Friederich I., Grafen von Schwerin, 1237 - 1240, und dem vierten Bischofe Dieterich, einem unehelichen Sohne, 1240 - 1247, zu entdecken, so kann man doch wohl ohne Bedenken annehmen, daß ihre Siegel denen ihrer nächsten Vorgänger und Nachfolger ähnlich und dem allgemeinen Typus entsprechend gewesen seien. - Der erste Bischof von Schwerin, unter welchem der Bischofssitz von Meklenburg für immer nach Schwerin verlegt ward, der große Wendenapostel Berno, 1158 - 1191, ein Cistercienser=Mönch aus dem Kloster Amelungsborn, führte im elliptischen (oder parabolischen) Siegel 1 ) einen stehenden Bischof, die rechte Hand zum Segen erhoben, in der linken den Bischofsstab haltend; die Umschrift des Siegels 2 ) (1173) lautet:
selbst dann noch, als er schon zu Schwerin wohnte und sich in Urkunden zuerinensis ecclesie episcopus nannte. Die nächstfolgenden Bischöfe führen das auf einem Sessel mit verzierten Seitenlehnen im leeren Siegelfelde sitzende Bild eines Bischofs im Siegel, und zwar: Brunward 3 ), ein eingeborner Wende, (1192) 1195 - 1237, den Stab in der rechten, ein Buch mit der linken Hand auf dem Knie, - nach einem zweiten, viel schöner geschnittenen Stempel von 1235 4 ) das Buch auf dem linken Arme haltend, beide Siegel mit der Umschrift:
Wilhelm 5 ), 1247 - 1249, mit dem Stabe in der linken und einem aufgeschlagenen Buche in der ausgestreckten rechten Hand, mit der Umschrift:
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Rudolph I. 1 ), ein Fürst von Rügen (?), 1249 - 1262, mit dem Stabe im linken Arme, die Rechte erhoben, mit der Umschrift:
Die Siegel der bisher genannten Bischöfe haben eine elliptische Form und sind sich überhaupt sehr ähnlich.
Die beiden folgenden Bischöfe, Hermann I. und Gottfried I. weichen zuerst dadurch ab, daß sie die runde Gestalt der Siegel wählen und Verzierungen in das Siegelfeld aufnehmen. Hermann I., von Schladen, 1262 - 1292 führt zwei Siegel der Zeit nach hinter einander: beide sind rund, haben ein ganzes Bischofsbild, welches auf einem niedrigen Sessel sitzt und in der rechten Hand einen Stab, in der ausgestreckten linken ein aufgeschlagenes Buch 2 ) hält, und sind sich mit Ausnahme der Verzierungen im Siegelfelde, so ähnlich, daß sie schwer zu unterscheiden sind; das erste Siegel, mit der Umschrift:
welches der Bischof noch 1266 führte, hat jedoch keine Verzierungen im Siegelfelde; das zweite Siegel 3 ), mit der Umschrift:
welches Hermann sicher 1273 - 1288 führte, hat im Siegelfelde zur rechten Hand des Bischofes den Mond, zur linken die Sonne als Verzierung. - Der Bischof Gottfried I., von Bülow, 1292 - 1314, hat im runden Siegel 4 ) das sitzende Bild eines, Bischofs, in der rechten Hand den Stab, mit der linken ein Buch vor der Brust haltend, rechts die Sonne, links der Mond als Verzierungen im Siegelfelde, mit der Umschrift:
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Die Stuhlbeine sind mit einem Spitzbogen und statt der Lehnen mit Hundsköpfen verziert. Seit dem Jahre 1298 führt Gottfried auch ein kleines, rundes Secret als Rücksiegel mit dem Brustbilde des Bischofs und der Umschrift:
Bis hierher ist der Stuhl, auf welchem die Bischöfe sitzend dargestellt werden, ein niedriger Sessel (faldistorium ), mit Seitenlehnen von Thierköpfen, gewöhnlich Hundsköpfen, ohne Rückenstück.
Unter Hermann II. 1 ) Maltzan, 1315 - 1322, beginnen bedeutendere Abweichungen in allen Theilen des Siegels: es beginnt der Geschmack des ausgebildetern Spitzbogens, . Dieser merkwürdige Mann hatte lange Zeit zu kämpfen, ehe er von seinem Erzbischofe Johannes Grand von Bremen geweiht ward 2 ); dies geschah am Ende des J. 1316. Bis dahin hing er an die Urkunden, in denen er sich: dei gratia electus et confirmatus in episcopum Zwerinensem
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nennt, ein rundes Siegel 1 ), in welchem die Jungfrau Maria auf einem niedrigen Sessel sitzend dargestellt ist, mit dem Christkinde auf dem rechten Arme, in der linken Hand einen langen Lilienstengel haltend und an der rechten Seite mit einem Rosenzweige geschmückt; die Umschrift lautet:
Nachdem Hermann Maltzan am Ende des J. 1316 von dem erzbischöflichen Administrator Johann, Sohn des Herzogs Otto von Lüneburg, geweiht war, führte er ein großes elliptisches Siegel 2 ): auf einem mit Löwen an den Seitenlehnen verzierten Stuhle mit hoher geschnitzter Lehne, welche mit einem Teppiche behängt ist, sitzt der Bischof, mit der Rechten vor der Brust segnend, mit der Linken den Bischofsstab haltend, die Füße auf einen palmettenartig gebildeten Schemel setzend, mit der Umschrift:
Daneben führte er (1316-1322) ein kleines elliptisches Secretsiegel 3 ) mit dem bis zum Schooße hinabreichenden Bilde eines Bischofes, welcher die Rechte zum Segen erhebt und mit der linken den Bischofsstab hält, ohne weitere Verzierungen, mit der Umschrift:
Johannes I., Gans, 1322-1331, führt ebenfalls im elliptischen Siegel 4 ) einen auf einem niedrigen Sessel sitzenden Bischof mit dem Stabe in der Linken und mit der erhobenen Rechten; Umschrift:
Außerdem hat er ein elliptisches Secret=Siegel, mit einem stehenden Bischof, welcher die rechte Hand erhebt und in der linken den Stab hält; Umschrift:
Seit der Regierung dieses Bischofes finden sich vorherrschend Familienwappen in den geistlichen Siegeln der Domherren: ein Siegel des Propstes Heinrich vom
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J. 1322 hat im Siegel den Evangelisten Johannes und zu beiden Seiten einen gespaltenen Schild, dessen rechte Hälfte schrägrechts gestreift, dessen linke Hälfte leer ist.
Der Bischof Ludolph, von Bülow, 1331 - 1339, hat sowohl sein großes, als auch sein kleines Siegel in runder Gestalt. Auf dem großen Siegel ist ein Bischof auf einem niedrigen Sessel sitzend dargestellt, mit dem Stabe in der rechten, dem Buche in der linken Hand, rechts von einer Sonne, links von einem Monde begleitet, mit der Umschrift:
auf dem Secret ist des Bischofs Brustbild von der Schulter an, ohne weitere Verzierungen.
Der Bischof Heinrich I., von Bülow, 1339 - 1347, führte zuerst Wappenschilde in das bischöfliche Siegel ein, und zwar zuerst die Famielienwappen; auch hat er zuerst architektonische Verzierungen im Siegelfelde. Das runde Siegel dieses Bischofs ist folgender Gestalt: unter einem, weit gesprengten, einfachen gothischen Spitzbogen sitzt ein Bischof mit dem Stabe in der linken und mit erhobener Rechten; zu seinen Füßen steht der Wappenschild der von Bülow. Die Umschrift lautet:
Das Secret des Bischofs führt in einer Rosette auf gegattertem Felde das Brustbild des Bischofs mit der Mitra auf dem Haupte; die Umschrift lautet:
Bis hierher sind die Siegel ohne bedeutende Ausschmückung; höchstens kommt ein einfacher Spitzbogen oder eine leichte Stuhlverzierung vor, jedoch ist der Styl ernst und rein. Mit der Mitte des 14. Jahrhunderts beginnt eine reichere
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Darstellung; die gothischen Nischen und Thürmchen nehmen ihren Anfang und gehen gleichen Schrittes mit andern Werken der Architectur und Sculptur in Norddeutschland; namentlich findet sich der größte Einklang zwischen den Siegeln und den großen reich verzierten Messingplatten aus den Gräbern der Bischöfe in der Domkirche zu Schwerin. Die Bilder der Bischöfe verschwinden auf den Siegeln immer mehr und machen den Heiligenbildern Platz. - Der Bischof Andreas, 1347 - 1356, hat zuerst auch ein Heiligenbild, nämlich ein Marienbild, statt seines alleinigen eigenen Bildes, im Siegel: in einer sehr verzierten gothischen Nische, welche mit Ausnahme der Umschrift das ganze elliptische Siegel füllt, ist eine sitzende Maria mit dem Christkinde auf dem Arme dargestellt; unter diesem Bilde knieet in einer kleinern Nische ein betender Bischof mit dem Stabe im Arme. Zu beiden Seiten des Marienbildes hängt an den gothischen Pfeilern zwei Mal das Privatsiegel des Bischofs: auf einem schraffirten Schilde ein Hifthorn von dem linken Schildrande zum rechten oder ein ausgestreckter Arm vom rechten Siegelrande zum linken gehend; die Darstellung ist nicht ganz klar. Die Umschrift ist auf keinem der vorliegenden Siegel ganz vollständig; aus drei defecten Exemplaren stellt sie sich, mit einigen wahrscheinlichen Ergänzungen in [ ], also:
Auf einem kleinen runden Secret ist auf gegattertem Siegefelde nur der Schild des Familienwappens, hier ziemlich klar ein Hifthorn; Umschrift:
Von einem bischöflichen Wappenschilde ist noch keine Spur.
Während der Vacanz, noch um Michaelis 1356, war Conradus, decanus, ecclesie Zwerinensis administrator, sede episcopali vacante per capitulum deputatus; dieser sagt in der Urkunde, daß er ein Administrationssiegel (administrationis sigillum) führe, von welchem jedoch noch kein Abdruck aufgefunden ist.
Von dem Bischofe Albrecht, von Sternberg, 1356 - 1363, habe ich kein Siegel entdecken können. Wahrscheinlich war er wenig im Lande; er hielt sich hier vielmehr einen General=
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Vicarius, und zwar zuerst in der Person des rostocker Pfarrers Johannes von Wunstorp. Dieser war schon im J. 1334 Official des bischöflichen Archidiakonats zu Rostock; als solcher führte er das noch im J. 1405 vorkommende Archidiakonatssiegel: in elliptischem Felde einen betenden Geistlichen in einer gothischen Nische, über welcher Maria mit dem Christkinde hervorragt, mit der Umschrift:
In einer Urkunde vom 13. Dec. 1354 nennt er sich
aber schon: magister Johannes Wonstorp,
officialis principalis reuerendi patris domini
Andreae episcopi Zwerinensis, und in einer
Urkunde vom 1. Oct. 1358: Johannes de Wunstorp,
presbyter in Rozstok, reuerendi in Christo
patris ac domini, domini Alberti, episcopi
ecclesie Zwerinensis in remotis agentis, in
spiritualibus et temporalibus vicarius
generalis. Nach Johannes von Wunstorp war vom J.
1360 - 1362: Gherardus Koche, der Zwerinschen
kerken eyn domhere, des werdighen in Christo
vaders vnde heren hern Albrecht bisscops der
Zwerinschen kerken, handelnde in vernen, in den
gheystlyken vnde tytlyken dynghen eyn ghemene
vicarius efte steheholder, oder: vicarius
generalis ecclesie Zwerinensis. In dem
Vicariatssiegel, das sowohl Johannes von
Wunstorp, als Gerhard Koch führt, kommt das
bisch
fliche Wappen zuerst
1
) vor:
über einem queer getheilten Schilde zwei Bischofsstäbe in Form eines Andreaskreuzes.
Das runde Vicariatssiegel hat in gothischen Nischen zwei stehende Heiligenbilder, rechts Maria mit dem Christuskinde, links den Evangelisten Johannes mit dem Kelche in der rechten Hand; rechts hängt an der Nische der beschriebene bischöfliche Wappenschild, links ein Schild mit einem sechseckigen Sterne, der den ganzen Schild füllt; Umschrift:
Bemerkenswerth ist, daß auf diesem Siegel, statt römischer Unzialen, zuerst gothische Minuskel in der Umschrift der bischöflichen Siegel vorkommt, - Der Bischof Rudolph II.,
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von Anhalt, 1363-1365, ist vielleicht gar nicht im Lande gewesen; wenigstens hat sich von ihm kein Siegel finden wollen.
Unter dem Bischofe Friederich II., von Bülow, 1365 - 1375, wird das bischöflicheWappen am vollständigsten, reichsten und kunstreichsten ausgeschmückt; damit ist aber auch der höchste Gipfel erreicht: nach ihm schwindet der kirchliche Styl und die Kunst immer mehr aus den Siegeln. Zuerst hat derselbe als zum Bischof Erwählter ein kleines, rundes Siegel, welches in der Mitte die Dreieinigkeit, Gott den Vater mit dem Sohne am Kreuze im Schooße, und zu beiden Seiten desselben ein stehendes weibliches und männliches Heiligenbild (wohl Maria und Johannes) enthält; darunter steht der bülowsche Wappenschild, über welchen die zwei Bischofsstäbe kreuzweise gelegt sind. Die Umschrift lautet:
in der Urkunde vom 21. März 1367, an welcher dieses Siegel hängt, nennt sich der Bischof Friederich bloß: divina apostolicaeque sedis gratia electus Zwerinensis. Darauf, gewiß seit dem J. 1368, seit welchem sich Friederich auch Bischof (dei gratia episcopus) nennt, erscheint das große bischöfliche Siegel 1 ), in elliptischer Gestalt, im untern Drittheil queer getheilt; in der obern Abtheilung stehen in einer kräftigen gothischen Nische zwei Heilige, Maria und Johannes, die Heiligen der schweriner Domkirche; in der untern Abtheilung knieet in einer Nische die Figur des Bischofes mit dem Krummstabe im Arme, rechts von ihm steht der beschriebene bischöfliche, links der bülowsche Wappenschild, beide von Löwen gehalten. (Von ganz gleicher Arbeit ist das Siegel des gleichzeitigen Bischofs Heinrich von Ratzeburg.) Neben diesem großen Siegel, welches ein wahres Kunstwerk ist, führt er noch ein kleines rundes Secret, in welchem in einer gothischen Nische ein kurzes Brustbild des Bischofs steht und unter demselben der bischöfliche Wappenschild. Die Umschriften, wieder in römischen Unzialen, sind auf dem großen Siegel:
auf dem kleinen Siegel:
So ist das bischöfliche Wappen unter diesem Bischofe sicher allgemein eingeführt. Unter den folgenden Bischöfen
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wird es nun auf die mannigfaltigste Weise combinirt, bald auch gar nicht, bald doppelt gebraucht. - Das Wappen ist in seinen Hauptbestandtheilen klar: ein queer getheilter Schild mit zwei Bischofsstäben, in Gestalt eines Andreaskreuzes darüber gelegt. Nur ist nicht so klar, ob ein Theil des getheilten Schildes schraffirt ist, und welcher, . Bei einigen ältern Siegeln ist es nicht zu entscheiden; auf den meisten Siegeln sind beide Theile leer, auf einigen ist der obere Theil, auf andern sicher der untere Theil schraffirt, z. B. auf dem Siegel des Bischofs Hermann III., 1429-1444. Die Lösung dieser Frage hängt davon ab, was das bischöfliche Wappen muthmaßlich zu bedeuten habe. Meiner Ansicht nach ist der getheilte Schild der gräflich=schwerinsche Wappenschild; die beiden Bischofsstäbe deuten klar auf die bischöfliche Würde; daß zwei Stäbe auf dem Schilde liegen, darin besteht freilich die Eigenthümlichkeit des schwerinschen Bischofswappens. Vielleicht sind nur der Symmetrie wegen zwei genommen, wie in manchen bischöflichen Wappen Stab und Schwert oder zwei Stäbe kreuzweise hinter den Schild gelehnt sind 1 ); vielleicht aber bedeuten die zwei Stäbe die Bisthümer Meklenburg und Schwerin; denn unter diesen Namen und an diesen Orten bestand dasselbe Bisthum in der Zeit hinter einander. Schraffirte und leere Schildhälften bezeichnen im Mittelalter nur den Wechsel zwischen Farbe und Metall, und die Schraffirung bezeichnet wohl gewöhnlich Farbe. Die Grafen von Schwerin hatten den untern Theil des Schildes schraffirt; seit der Vereinigung der Grafschaft mit dem Herzogthume Meklenburg ist aber beständig der obere Theil des Schildes schraffirt (roth ), der untere leer (golden ). Und diese Tinctur hat sich auch in dem bischöflichen Wappen geltend gemacht. Auf den Gräbern der Bischöfe im Dome zu Schwerin aus der Mitte des 14. Jahrh. findet sich kein bischöfliches Wappen, selbst nicht auf dem des Bischofs Friederich II. von Bülow, obgleich die Messingplatte auf dessen Grabe reich verziert und mit dem bülowschen Wappenschilde reichlich geschmückt ist: und obgleich über der südöstlichen und über der südwestlichen Pforte des Doms an der Marktseite, und eben so an der Collegiatkirche zu Bützow, der bülowsche Wappenschild von Messing in die
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Mauer eingelegt ist, so findet sich doch nirgends das bischöfliche Wappen als Gegenstück 1 ). Die älteste Abbildung in Farben findet sich noch an der westlichen Seite des nordwestlichsten Pfeilers im Dom auf einer Tafel, welche 1570 zum Gedächtniß der neuen Canzel gesetzt ward, die das Dom=Capitel an diesem Pfeiler erbauen ließ 2 ). Das bischöfliche Wappen ist hier quer getheilt, in der untern Hälfte golden, in der obern Hälfte roth, nach dem Gebrauche des fürstlichen Hauses Meklenburg; darüber liegen im Andreaskreuze die beiden blauen Bischofsstäbe mit goldenen Haken; umher stehen die Wappen der damaligen Domherren. Dies ist denn also für das wahre bischöfliche Wappen zu halten. Auch in einem im J. 1617 gemalten Fenster in der Kirche zu Bützow mit dem Wappen des Administrators Ulrich ist der bischöflich=schwerinsche Wappenschild roth und gelb getheilt mit zwei darüber liegenden Bischofsstäben 3 ).
In den folgenden Zeiten wird das bischöfliche Wappen auf mannigfache Weise dargestellt, namentlich seitdem Männer aus fürstlichen Häusern häufiger den Hirtenstab ergriffen, welche das bischöfliche Wappen nicht selten zur Ausschmückung ihres Hauswappens gebrauchten, - Von dem Bischofe Marquard, Beermann, 1375-1376, habe ich kein Siegel auffinden können. - Unter dem Bischofe Melchior, Herzog von Braunschweig, geht das Kirchliche in dem fürstlichen Wappen ganz unter. Zwar hat er noch ein großes elliptisches Siegel, welches an einer Urkunde vom 3. Februar 1381 hängt: in einer schmalen Nische mit einer abgerundeten Krönung, ohne gothische Giebel, sitzt ein Bischof mit erhobener Rechten und mit dem Stabe in der linken Hand; rechts, halb im freien Felde, halb im Raume der Inschrift steht der bischöfliche Schild mit zwei Bischofsstäben, links ein Schild mit zwei Löwen über einander. Umschrift:
Hier ist offenbar auch schon der herzogliche Titel in die
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leider sehr zerstörte Umschrift aufgenommen gewesen. In der Einleitung nennt er sich: Melchior dei et apostolice sedis gratia episcopus zwerinensis. Dieses große Siegel ist mir aber nur in dem einen Exemplare vorgekommen. Häufig dagegen kommt ein kleineres, rundes Siegel vor; auf diesem steht in einer großen dreiblätterigen Rosette ein vierfach getheilter Schild, in dessen je zwei und zwei entgegengesetzten Feldern auf zweien des Bischofs Familienwappen (zwei Löwen unter einander), auf zweien das bischöflich=schwerinsche Wappen steht; Umschrift:
Der nach Melchiors Tode vom Papste bestellte Bischof Potho, der aber nicht zur Regierung im Lande kam (Rudloff II., S. 510), führt dennoch das bischöfliche Wappen. In einer neuklosterschen Urkunde, d. d. Sundis 1385 die Laurentii, nennt er sich: dei et apostolice sedis gracia episcopus ecclesie Zwerinensis; das Siegel 1 ) an dieser Urkunde ist rund, darinnen ein elliptisches Siegelfeld: aus einer gothisch verzierten Brüstung schaut des Bischofs Bild mit halbem Leibe, die Rechte zum Segen erhoben, in der Linken, den Stab haltend; an der Brüstung steht rechts der bischöflich=schwerinsche Wappenschild, links ein Schild mit 3 oder 4 schraffirten, rechten Schrägebalken 2 ), von denen 2 die Schildecken streifen; Umschrift:
Uebrigens ist das Siegel schon sehr mit Schnörkeln verziert. Von seinem Gegenbischof ist noch kein Siegel entdeckt.
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Der Bischof Rudolph III., Herzog von Meklenburg, 1390 - 1415, früher Bischof von Skara, führt mehrere Siegel hinter einander. Im Anfange seiner Stiftsregierung (z. B. 1391 und 1392) hat er ein rundes Siegel, auf welchem ein rechtsgelehnter Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe, über welchem ein bekrönter Helm steht, aus dem Stierhörner hervorragen: zu beiden Seiten der Helmdecke finden sich einige deckenartige Verzierungen; die Umschrift ist auf eigenthümliche Weise abgetheilt, wird jedoch in folgender Ordnung gelesen:
Anfang und Ende der Umschrift stehen auf beiden Seiten, der mittlere Theil steht getrennt auf dem untern Theile des Randes; die Worte: et duc. magnopolen. sollen daher wohl die letzten sein, - Darauf (schon 1403) führt er ein großes Siegel ("sigillum maius") von elliptischer Gestalt: in dem Siegelfelde steht, ohne weitere Verzierungen, nach Art der alten Siegel, jedoch ohne besondern Kunstgeschmack, ein Bischof in ganzer Gestalt mit erhobener Rechten, in der Linken den Stab haltend; zu seinen Füßen steht rechts ein Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe, links der Schild mit dem bischöflich=schwerinschen Wappen; Umschrift:
Daneben (z. B. 1399 und 1400) führt er ein kleineres, rundes Siegel, auf welchem zwischen zwei Pfeilern Schild, Helm und Krone, wie auf seinem ersten Siegel, dargestellt sind; an den Seiten der Pfeiler sind gothische Nischen, in deren rechter ein Engel, in deren linker ein Heiliger zu Roß (der St. Georg?) steht. Die Umschrift, in welcher fast immer je zwei und zwei Buchstaben verbunden sind, lautet:
Das Ganze ist geschmacklos. - Mit mehr Kunstsinn und im Style der Zeit des Herzogs Albrecht II. ist sein letztes großes elliptisches Siegel ("sigilium maius"), (z. B. 1409 - 1415). In der obern Hälfte desselben steht in einer starken gothischen Nische ein Marienbild mit dem Christuskinde auf dem Arm; in der untern Hälfte knieet ein betender Geistlicher; vor diesem, rechts, steht ein großer, vierfach getheilter Schild, dessen je zwei und zwei entgegengesetzte Felder (in der 1. und 4. Stelle)
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das bischöflich=schwerinsche Wappen und (in der 2. und 3. Stelle) den meklenburgischen Stierkopf tragen. Umschrift:
Neben diesem großen Siegel führt er ein kleineres, rundes Siegel (z. B. 1406-1415), auf welchem ein vierfach getheilter Schild mit denselben Wappen steht, wie er ihn in dem letzten großen Siegel führt. Dieser Schild steht in einer architectonischen Rosette, deren Grundform ein Dreieck bildet, das an den Ecken gestutzt und dann eingezogen ward und desen Seiten einwärts gebogen wurden; in den Spitzen der eingezogenen Ecken stehen auf Sparren Lilien, welche in die Inschrift hinein reichen; neben den eingebogenen Seiten steht ein Ring. Umschrift:
Die beiden letzten Siegel führt Rudolph noch im J. 1415.
Mit dem Bischofe Rudolph hört das Charakteristische in den Siegeln mehr und mehr auf; die folgenden Siegel sind meistentheils rund, flach, ohne bemerkenswerthe Kunst und Erfindung, die Schrift ist die unsichere, undeutliche gothische Minuskel des 15. Jahrhunderts: das Interesse, welches die Siegel dieses Zeitraums gewähren, ist mehr ein chronologisches, als ein kunstgeschichtliches. - Der Bischof Heinrich II., von Nauen, 1415 - 1418, führte am 30. April 1417 ein rundes Siegel, welches im leeren Siegelfelde zwischen den innern Rändern der Umschrift einen weit und rund geschweiften Schild trägt; auf dem Schilde steht (wahrscheinlich das Familienwappen desBischofs?) ein gradeaus sehender, gekrönter Adler mit ausgebreiteten Flügeln (der brandenburgische Adler? oder der Adler des Evangelisten Johannes, des Schutzheiligen des schweriner Doms?); auf dem Adler liegen die beiden Bischofsstäbe im Andreaskreuze; die Umschrift lautet:
Der Bischof Heinrich III., von Wangelin, 1419 - 1429, führt
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ein rundes, kleines (dennoch sigillum maius genanntes) Siegel; dieses enthält unter einem sitzenden Marienbilde mit dem Cristkinde in einem gothischen Bogen rechts gelehnt nur das wangelinsche Familienwappen 1 ): einen längs gespaltenen Schild, dessen linke Hälfte schraffirt, die rechte dagegen leer ist; die Umschrift lautet:
Dasselbe Wappen und ein ähnliches Siegel führte er als Dompropst, sicher seit 1398, nur daß in diesem Siegel die rechte Seite seines Familienwappens schraffirt ist, mit der Umschrift:
Dieser Bischof ist der erste, welcher das bischöfliche Wappen wieder wegläßt. - Der Bischof Hermann III., Köppen, 1429 - 1444, führt im Siegel ein Marienbild mit dem Christkinde in einer Nische, an dessen rechter Seite der bischöfliche Wappenschild hängt, auf welchem die untere Hälfte schraffirt ist; an der linken Seite der Nische hängt des Bischofs Familienwappen: ein aus dem untern Schildesrande aufwachsender Löwe (oder Greif) unter einem mit drei Sternen oder Rosen belegten Schildeshaupte. Die Umschrift lautet:
Das Siegel des Bischofs Nicolaus I.; Böddeker, 1444 - 1457, wie er es 1456 an einer, im ratzeburger Archive befindlichen Urkunde gebrauchte, ist rund und gut gearbeitet. Auf dem mit Gitter überzogenen Grunde steht zwischen zwei Hügeln, die mit Gras bewachsen sind, ein gekröntes Marienbild, das Kind auf dem linken Arme; über ihr steht ein Mauergiebel, jedoch ohne alle Unterstützung durch Gemäuer. An der rechten Seite ist das bischöfliche Wappen, an der linken ein Schild mit einem Schwan mit erhobenen Flügeln (das Familienwappen der Böddeker), über den ein Bischofsstab gelegt ist 2 ). Die Umschrift steht auf einem Bande, dessen Enden sich in die innere
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Siegelfläche wenden und an welche durch Bänder die beiden Schilde gehängt sind:
Vom Bischofe Gottfried II., Lange, welcher 1457 - 1458 regierte, ist bisher kein Siegel aufgefunden. Nach Büttners Genealogie der Lüneburgischen Patricier hat seine Familie, die in männlicher Linie 1503 erlosch, einen silber und roth gespaltenen Schild mit einem halben weißen Bären, dessen Maul und Tatzen roth sind. - Der Bischof Werner, Wolmers, 1458-1473, führt zu den Füßen der Figur eines Priesters, welcher in der linken Hand einen Kelch trägt 2 ), einen rechtsgelehnten Schild, auf welchem (sein Familienwappen) ein Band mit drei Dreiblättern oder Rosen und ein Bischofsstab (schräglinks) im Andreaskreuze liegen; Umschrift:
Das bischöfliche Siegel desBischofs Balthasar, 1473-1479, Herzogs von Meklenburg, ist für die Heraldik des meklenburgischen Landeswappens Epoche machend, indem es zuerst das Vorbild des neueren Wappens darstellt, nämlich den bischöflichen Schild mit den drei damals für das Herzogthum Meklenburg gebräuchlichen Schilden zu Einem Wappen vereinigt. Er führt im Wappen einen vierfach getheilten Schild, welcher rechts von einem aufgerichteten Stier und links von einem aufgerichteten Greifen, als Schildhaltern, gehalten wird. In den 4 Feldern steht: oben rechts der meklenburgische Stierkopf, oben links der bischöfliche Schild mit den beiden Bischofsstäben, unten rechts der queergetheilte gräflich=schwerinsche Schild und unten links der rostocker Greif. Die Umschrift auf einem Bande mit schlechten Buchstaben, lautet:
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Auf einem großen bronzenen Taufkessel in der Kirche zu Bützow vom J. 1474, also aus der Zeit des Episcopats des Herzogs Balthasar, sind zwei Wappenschilde in Relief abgebildet: der Stierkopf, nach Art des werleschen mit geschlossenem Maule, und zwei Bischofsstäbe im Andreaskreuze, jedoch so, daß die beiden Krümmungen nach einer Seite hin gerichtet sind. - Von dem Bischofe Nicolaus II., von Penz, 1479, ist kein Siegel aufgefunden. - Der Bischof Conrad, Loste, 1482-1503, führt in einem größern Siegel das ganze Bild eines, mit einem gegürteten, langen Untergewande und einem mantelartigen Obergewande bekleideten Mannes, der in der linken Hand einen Kelch vor der Brust und die rechte darüber hält. Es läge am nächsten, diese Figur für einen den Kelch consecrirenden Geistlichen 1 ) zu halten, wenn nicht ein Heiligenschein um das unbedeckte, lockige Haupt, innerhalb der Umschrift, auch die Annahme nahe legten, daß das Bild den Johannes darstellen soll; dennoch ist das Bild für einen Heiligen etwas priesterlich gehalten. Zu den Füßen des Bildes ist rechts gelehnt das Wappen des Bischofes: ein aus dem linken Schildrande rechts hin vorspringender, halber Widder über einem links gelehnten Bischofsstabe; dasselbe Wappen steht auch auf seinem Leichensteine im Dome zu Schwerin, an der linken Schulter des Bischofsbildes. 2 ) Die Umschrift steht auf Bändern, deren unbeschriebene Enden zu beiden Seiten der ganzen Figur hinabfallen; die Umschrift lautet:
Dieses Siegel nennt ein Notarius in einer Urkunde das "sigil=
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lum maius" des Bischofs. Ein kleineres Siegel des Bischofs ist dem größern in der Darstellung fast gleich und weicht nur darin von demselben ab, daß die Figur nur halb sichtbar ist und keinen Heiligenschein um das Haupt hat; die Umschrift, wie um das größere Siegel, ist im höchsten Grade flach gehalten. - Der Bischof Johannes II., von Thun, 1504-1506, führt im Siegel ganz dasselbe Bild, welches der Bischof Conrad Loste in seinem kleinern Siegel führt; nur hat das Bild des Johannes einen sehr reichen Haarwuchs und die Ränder der Einfassung der Umschrift sind um das Haupt wie ein Heiligenschein ausgebogen. Das Bild steht über dem Familienwappen des Bischofs, bestehend aus drei Queerbalken, zwischen deren je zwei und zweien die Mittelstreifen gewässert gravirt sind 1 ). Die Umschrift lautet:
Hieraus zu schließen hat er wahrscheinlich auch ein größeres Siegel gehabt. - Der letzte selbstständige Bischof während der römisch=katholischen Kirchenverfassung im Lande, Peter Wolkow, 1508-1516, führt in einem runden Siegel ein Marienbild in einer vielfach verzierten Glorie über zwei Füllhörnern; darunter steht ein vierfach getheilter Schild, auf welchem in zwei und zwei entgegengesetzten Feldern das bischöfliche (in der ersten und vierten Stelle) und sein Familienwappen (in der zweiten und dritten Stelle) abwechselt; sein Familienwappen ist drei Mal queer getheilt und hat im untern Drittheil eine Rose, im mittlern Drittheil drei rechte Sparren und zum obern Drittheil ein leeres Schildeshaupt. Die Umschrift lautet:
Auch sein Official zu Rostock, M. Joachim Michaelis, (officialis curie szwerinensis generalis), führt in einer Rosette einen großen, getheilten Schild mit den beiden Bisschofsstäben, unter welchen im Schilde ein Vogel sitzt 2 ).
So ward, mit sehr wenig Ausnahmen, der bischöfliche Wappenschild von seiner Einführung an fast durchgehends in unveränderter Gestalt gebraucht.
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Der Bemerkung werth ist noch das Siegelwachs der bischöflichen Siegel. Bis zum Anfange des 14. Jahrhunderts bestehen die Siegel mit seltenen Ausnahmen aus ungeläutertem, ungefärbtem Wachs, oft mit braunem Firniß überzogen; geläutertes Wachs kommt nur in einzelnen Exemplaren vor. Das erste Beispiel der Siegelung mit rothem Wachs findet sich an einer Urkunde des Klosters Doberan, d. d. Zwerin V Idus Aug. 1286, an welcher nicht allein des Bischofs, sondern auch des Capitels Siegel von zinnoberroth gefärbtem Wachs sind. Mit rothem Siegelwachs wird dann im 14. Jahrhundert abwechselnd gesiegelt, z. B. von den Bischöfen Gottfried I. 1302, Hermann II. 1315, Johannes I. 1328, Andreas 1348, (Johann von Wunstorp, General=Vicar 1358), Friederich II. 1368, Rudolph III.; während des 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts siegeln alle Bischöfe mit rothem Wachs. Dem Bischofe Peter Wolkow ward diese Art der Besiegelung noch im J. 1515 vom Kaiser Maximilian förmlich als ein Vorrecht verliehen, mit diesen Worten:
"Praeterea motu et potestate similibus damus et concedimus capitulis dictarum ecclesiarum (Suerinensis et Butzowiensis) ac personis praelaturas obtinentibus in eisdem, ut quascunque literas publicas et privatas. ipsos et eorum negotia qualiacunque concernentes, communiter divisim., cum cera rubra poterint et valeant sigillare et talibus absque aliqua reprehensione libere et licite uti". Vgl. Schröder Pap. Meckl. II, S. 2829. - Grünes Wachs kommt selten vor, vielleicht nur beim Bischofe Andreas, welcher abwechselnd roth und grün siegelt.
Hierauf folgt die Zeit der Bischöfe aus dem regierenden Fürstenhause, der Administratoren und Coadjutoren.
Bevor von den Siegeln dieser Zeit die Rede sein kann, ist es zweckmäßig, die Capitel=Siegel zu betrachten. Das Capitel des schweriner Domstifts führte zwei Siegel: I. ein großes und II. ein kleineres Geschäfts= oder Sachen= Siegel (ad causas, sakensegel), mit welchen aber einige Veränderungen im Laufe der Zeit vorgingen:
I., 1. In den ältern Zeiten gebrauchte das Capitel ein großes Siegel 1 ) von runder Form, in welchem zwei auf Säulen ruhende Rundbogen stehen, über welchen die Giebel einer
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Kirche 1 ) hervorragen. Unter den Bogen sitzen die Heiligen des Doms: rechts Johannes Ev., in einem Buche schreibend, - links Maria mit dem Christkinde auf dem Schooße. Zwischen den Köpfen des Johannes und der Maria steht unter jedem Bogen ein Kreuz. Die Umschrift lautet:
Dieses Siegel, von demselben Stempel, welches 1304 majus sigillum und 1536 der "kerken groteste Ingesegell" genannt wird, ward sicher von 1248 bis 1550 gebraucht.
I., 2. In den neueren Zeiten erscheint ein neues Siegel: ein kleines, rundes Siegel, auf welchem, im Profil, St. Johannes Ev. auf einem Stuhle, dessen Pfeiler der Rücklehne wie Säulen geformt sind, vor einem Tische schreibend sitzt; unten am Stuhle steht der bischöfliche Wappenschild, der jedoch nicht nur durch eine Linie, sondern durch ein Queer=
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band getheilt ist, hinter welchem die Bischofsstäbe stehen; die Umschrift lautet:
Dieses Siegel, welches, der Arbeit nach, zu P. Wolkows Zeiten gemacht zu sein scheint, ward im 16. Jahrhundert gebraucht, sicher von 1527 bis 1593. Im 17. Jahrh., z. B. schon 1636, führte dieses Siegel der Syndicus des Capitels in Administrationangelegenheiten. Ein fast gleiches und nur in Kleinigkeiten abweichendes Siegel mit derselben Umschrift führt noch heute die Administration des Doms unter der Benennung eines "Capitel=Siegels".
Außerdem führte das Capitel ein kleineres Siegel (ad causas ), und zwar ein älteres und ein jüngeres:
II., 1. Das ältere Sachensiegel 1 ) ist ebenfalls rund und stellt den auf einem mit Rosen verzierten, niedrigen Sessel sitzenden Evangelisten Johannes, in einem Buche schreibend, dar. Die Umschrift lautet:
Dieses Siegel ist am längsten gebraucht, sicher von 1304 bis 1625.
II., 2. Neben diesem existirte zur Zeit der Administratoren ein kleineres, neueres Sachensiegel: es ist rund und stellt einen aufwärts fliegenden Adler dar, der ein Buch in den Krallen hält. Umschrift:
Dieses Siegel ward im 16. Jahrh. seit dem Tode P. Wolkows, sicher von 1522 bis 1543 gebraucht; am Tage Clementis M. 1522 besiegeln Hermann Bantschow und Ulrich Malchow als "administratores der kerken vnd stichtes to Swerin" eine Urkunde mit diesem "des stichtes tho Sweryn sakenseghel".
Wie in allen Verhältnissen das Regiment des Domstifts seit der Zeit der Reformation nach und nach eine weltliche Versorgungs=Anstalt ward, so traten auch die geistlichen Formen mehr und mehr in den Hintergrund. Während der der Zeit der Administration des Stifts für den postulirten Herzog Magnus (1516 - 1550) gebrauchte die Administration die Capitelsiegel und die einzelnen Administra=
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toren ihre sonstigen Amtssiegel, wie z. B. Zutpheldus Wardenberg häufig das Siegel seines Archidiakonats Tribsees in Stiftsangelegenheiten gebrauchte. Der Herzog und Bischof Magnus führte das unvermehrte meklenburgische Landeswappen mit fünf Schilden, ohne irgend etwas, was auf seine geistliche Würde hindeuten könnte, hinzuzufügen, und in einigen Fällen für das Domstift des Capitels neueres Sachensiegel mit dem auffliegenden Adler (II., 2.); z. B. 1539 und 1543; im J. 1543 nennt er dieses "sigillum diocesis nostri".
Der Herzog Ulrich von Meklenburg, welcher 1550 postulirt ward und später das Bisthum administrirte, vermehrte sein Siegel nicht durch ein Zeichen seiner geistlichen Würde. Das Capitel brauchte seine Siegel und der Herzog führte in Administrations=Angelegenheiten ein eigenes Administratoren=Siegel: dieses ist ein achtseitiges Siegel mit einem vielfach ausgeschweiften Schilde, auf welchem nichts weiter, als der meklenburgische Stierkopf, schon mit dem Nasenringe, steht; Umschrift:
Dieses Siegel kommt sicher von 1591 bis 1597 vor.
Unter dem darauf folgenden Coadjutor und nachmaligen Administrator, dem Prinzen Ulrich von Schleswig=Holstein oder Dänemark, erscheint das bischöfliche Wappen zum letzten Male. Dieser Fürst führte ein sechsschildiges Familienwappen (von seltener heraldischer Beschaffenheit in dieser Zeit), ein Mal queer getheilt, mit einem vierfach getheilten Herzschilde. Die zweite Stelle des Hauptschildes in der obern Reihe nimmt der alte bischöfliche Schild ein. Dieses Siegel kommt während der Zeit vor, daß der Prinz Administrator war, sicher im Jahre 1611. Das Siegel ist rund, eingefaßt vom Hosenbande mit der Umschrift:
auf dem Bande liegt mit den Ecken der Wappenschild; über diesem steht eine Königskrone, zu deren Seiten die Buchstaben stehen:
Der Wappenschild hat folgende Zeichen: im vierfach getheilten Herzschilde sieht man auf je zwei und zwei gegenüberstehenden Feldern das einfache Kreuz für Delmenhorst und zwei Queerbalken für Oldenburg; im Hauptschilde sind in der obern Reihe 1) der Löwe mit der gekrümmten Hellebarde; 2) der bischöflich=schwerinsche Schild über dem Herzschilde; 3) zwei Löwen über einander; in der untern Reihe: 4) das holsteinsche Nesselblatt;
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5) ein geharnischter Reiter mit bloßem Schwerte; 6) ein Schwan mit ausgebreiteten Flügeln. - In einem gemalten Fenster in der Kirche zu Bützow steht dieses Wappen auf der Brust eines zweiköpfigen Adlers 1 ).
Unter den folgenden designirten und wirklichen Coadjutoren und Administratoren erscheint aus den Siegeln nichts von der bischöflichen Würde, bis das Stift durch den westphälischen Frieden (1648) aufhörte.
Auf Münzen ist das bischöfliche Wappen nicht bemerkt worden, obgleich nach Hederich (vgl. Evers Meckl. Münzvf. II, S. 14) das Bisthum vom Kaiser im 13. Jahrhundert das Münzrecht erhalten haben soll. Zwar werden im östlichen und südlichen Meklenburg öfter Bracteaten ganz von dem meklenburgischen Typus des 14. Jahrhunderts gefunden, auf welchen zwei gekreuzte Bischofsstäbe ausgedrückt sind, auch finden sich gleiche Bracteaten mit einem Bischofsstabe; dünne, kleinere Münzen aus dem 13. Jahrhundert mit demselben Wappen finden sich in Pommern mit pommerschen Münzen. - Evers a. a. O. S. 14 und 29 möchte jene in Meklenburg gefundenen Münzen dem Bisthum Schwerin zuschreiben. Nach Localuntersuchungen hält man diese Münzen aber für Münzen der Stadt Colberg, welche zwei gekreuzte Pfannhaken (zur Reinigung der Salzpfannen) im Wappen führt. Auch das Bisthum Havelberg führte ein ähnliches Wappen. Die Fundorte der Bracteaten weisen auch mehr auf die Nachbarlande als deren Münzstätten hin, und es ist merkwürdig, daß in und bei Schwerin nie eine gräflich= oder bischöflich=schwerinsche Münze vorgekommen ist, obgleich es im Mittelalter nach Urkunden schwerinsche Pfennige (denarii Zwerinenses) gab.
Die in Urkunden des 15. Jahrhunderts in Meklenburg öfter genannten Bischofsgulden lassen sich mit Evers a. a. O. nicht auf das Bisthum Schwerin deuten; dies ist ein damals allgemein üblicher Ausdruck für die niederländischen Goldgulden der Bischöfe von Utrecht, neben denen auch die Postulatsgulden des Bischofs Rudolph von Utrecht (1440) genannt werden. Der vorkommende Ausdruck "Bischoppesgelt" würde mehr auf bischöfliche Hebungen, als auf bischöfliche Münzen deuten.
Unter den Coadjutoren und Administratoren des Stifts Schwerin haben die Münzen keine andere Vermehrung
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für das Bisthum, als daß der Herzog Adolph Friederich von Meklenburg=Schwerin in der Umschrift von Münzen aus den Jahren 1637 bis 1647 seinem Titel die Buchstaben: A. D. S. V. G. Z. S. (Administrator Des Stifts Vnd Graf Zu Schwerin) hinzufügt.
Die Stiftsstadt Bützow führt in frühern Zeiten zwei über einander gelegte Bischofsstäbe mit der Bischofsmütze darüber im Wappen: seit wann, läßt sich noch nicht bestimmen, sicher aber im 16. Jahrhundert. Dieses Siegel ist rund und von mittlerer Größe. Im J. 1634 hat die Stadt ein etwas kleineres Siegel mit einem queer getheilten Schilde, über welchem die Bischofsstäbe liegen, und darüber eine Bischofsmütze. - Dasselbe Wappen findet sich auch in der Kirche zu Bützow.
Auch die Stiftsstadt Warin führt zwei kreuzweise gelegte Bischofsstäbe im Stadtsiegel. Alte Siegel sind nicht aufzufinden gewesen; in dem Stempel aus dem 18. Jahrh. fehlt die Queertheilung des Schildes.
Bald nachdem das Bisthum säcularisirt und dem Herzogthume Meklenburg als Fürstenthum incorporirt war, vermehrte, der Herzog Christian Louis im J. 1658 gleich nach seinem Regierungsantritt das fürstliche Wappen mit zwei neuen Schilden für die ehemaligen Bisthümer Schwerin und Ratzeburg. Diese Landestheile waren es vorzüglich, welche eine Prüfung des neuen Wappenprojects nöthig machten; man erholte sich auch außerhalb Landes, von dem Canzler Daniel Nicolai zu Stade, Rath und erhielt auch verschiedene Anschläge. Endlich beschlossen in einer eigenen Sitzung die fürstlichen Räthe, "die Bischofsstäbe, welche beide Bischöfe zu Schwerin und Ratzeburg bisher - - gebraucht, in dieses neue fürstliche meklenburgische Wappen nicht mit hinein zu bringen, und dadurch denen, so hinkünftig noch einige Hoffnung zur verenderung haben mochten, allen Anlaß zu benehmen, zumal diese Stifter nunmehr säcularisirt und naturam verändert hätten". Vielmehr "hielt man dafür, daß es besser wäre, wenn man aus den alten meklenburgischen Wappen hinzuthäte, was sich dazu schicken möchte". Es ward demnach "für das Fürstenthum Schwerin, weil es doch guten Theils vor diesem schon dem Herzogthum Meklenburg incorporirt gewesen, - - genommen aus der Kissiner und Rostocker Wappen ein ausge=
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streckter, springender (goldener) Greif in blauem Felde und oben auf dem Helm ein halber fliegender gelber (goldener) Greif, so der Anthyrius, von dem die Herzoge von Meklenburg posteriren, in seinem ersten Wappen auf dem Helm geführt". Diese Idee nahm man aus einem alten Wappenbuche, welches der Herzog besaß. Dieses Buch ist wahrscheinlich das in Westphalen Mon. ined. III., p. 711 flgd. gedruckte und noch im großherzogl. Archive befindliche Wappenbuch von Rixner vom J. 1530, in welchem dieser geflügelte Greis auf dem Helme als ein angeblich slavisches Wappen dargestellt ist; aus demselben Buche nahm der Herzog auch wohl die Idee zu dem projectirten siebenschildigen Wappen (vgl. Jahrb. I, S. 149), da in demselben diese sieben Schilde auf Einem Blatte gemalt sind. Uebrigens ist dieser Rixner als Heraldiker bekanntlich ohne Werth und verdient nicht sonderlich Beachtung, es sei denn, daß man, wie hier, seine Wege und Irrwege verfolgen kann 1 ).
Es entstand nur noch die Frage, wie dieser Schild von dem Schilde für Rostock zu unterscheiden sei. Man griff zu dem Mittel, diesen schwerinschen Greifen auf einen eignen "Plan", also auf ein Feld, zu stellen. Dieses ward denn im J. 1658 mit verschiedenen Farben tingirt: mit schwarz, weiß, gelb, grün u. s. w. Das grüne Feld mit weißer Einfassung behielt die Oberhand.So ward also das neue Wappen für das Fürstenthum Schwerin:
"in blauem Felde ein schreitender goldener Greif, welcher auf einem grünen Plan mit silberner Einfassung steht; das Oberwappen ist ein gekrönter Helm mit einem halben fliegenden goldenen Greifen".
Dies ist die actenmäßige Entstehung und Bedeutung des vom Herzoge Christian I. Louis gebilligten und vom Herzoge Gustav Adolph von Güstrow angenommenen, "bisher noch nicht erklärten" Schildes.
In den Siegeln ward zunächst der "Plan" nicht anders bezeichnet, als daß auf den ersten Siegeln die untere Schildhälfte leer blieb; doch schon in den nächsten Decennien nach der Einführung des neuen Wappens ward, z. B. auch in Siegeln des Herzogs Gustav Adolph von Güstrow und des Her=
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zogs Friederich von Grabow u. a., die leere Schildhälfte eingefaßt, und seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts allgemein der Raum innerhalb der Einfassung schraffirt.
Und so ist das Wappen denn auch geblieben, und eben so ist es auch 1718 in das preußische Wappen aufgenommen, obgleich es hier Gatterer (Pract. Heraldik S. 92), gegen die von ihm gelieferte Abbildung und seine richtige Blasonnirung, S. 121, anders blasonnirt, indem er sagt: "queergetheilt: oben blau, mit einem goldenen Greif, unten roth, mit einem silbernen Schildeshaupte, wegen des Fürstenthums Schwerin".
Ein anderes projectirtes Landessiegel kam nicht zur Ausführung. Am 29. März 1658 wandte sich der Herzog Christian an den Herzog Gustav Adolph von Güstrow und legte diesem, da es schon bei des Herzogs Adolph Friederich Zeiten "vorgewesen, daß wegen der durch den Oßnabrüggischen Friedensschluß angewiesenen beyden Fürstenthümbern Schwerin und Ratzeburg das fürstlich Wapen in etwas geendert und vergrößert werden solle, welches aber wegen fürfallenden Hindernußen biß anhero verblieben", jetzt da neue Wappen gestochen werden müßten, ein schon gestochenes neues Siegel vor. Dieses Siegel hat neun Schilde
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1) den meklenburgischen Stierkopf,
2) ein mit dem Fürstenhut bedecktes Maltheserkreuz für das Fürstenthum Ratzeburg,
3) den rostockischen Greifen,
4) einen Greifen auf einem Plan für das Fürstenthum Schwerin,
5) den gräflich=schwerinschen queer getheilten Schild,
6) eine nackte Jungfrau, welche eine Binde mit beiden Händen vor sich hält, für Richenberg=Parchim,
7) den stargardischen Arm,
8) einen schreitenden Stier vor einem Rosenstock für Güstrow,
9) den werleschen Stierkopf, mit den bekannten 5 Helmen und 2 Schildhaltern.
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Der Herzog Gustav Adolph protestirte jedoch gegen die Einführung von 4 neuen Feldern, und daher blieb es bei der Vermehrung des Wappens durch 2 Felder für die beiden neu erworbenen Fürstenthümer. Die Linie Güstrow aber nahm bekanntlich den Fürstenhut oder die Krone auf dem ratzeburgischen Kreuze ("Christi") nie an.
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:
Ueber
vom J. 1535 ,
von
G. C. F. Lisch.
E s ist bekannt, daß die Herzoge Heinrich und Albrecht im J. 1534 die erste Kirchen=Visitation im Lande veranstalteten. Dieselbe war jedoch keine Visitation im Geiste der evangelisch=lutherischen Lehre, sondern vorzugsweise nur eine amtliche Verzeichnung der fürstlichen Kirchen=Lehne und Patronate; sie blieb in Beziehung auf die Lehre und die Geistlichkeit völlig neutral. Etwas anderes war auch von dem Sinne der Landesherren nicht zu erwarten, da der lutherische Herzog Heinrich "der Friedfertige" war und sein Bruder Albrecht dem katholischen Glauben anhing. Auch die Gesinnung der Visitatoren läßt nichts mehr erwarten, als höchstens Neutralität, um das, was damals noch bestand, zu sichern. Am deutlichsten und kürzesten bezeichnet diese Visitation der Titel des im großherzogl. Archive befindlichen Original=Protocolls, welches also lautet:
Registrum ecclesiarum, canonicatuum et prebendarum, necnon vicariorum, commendarum et beneficiorum, ad quos illustri principes et duces Magnopolenses pro tempore existentes patroni sunt, conscriptum per Sebastianum Schencken, prepositum Gustrowensem, magistrum Detleuum Danckwardi, canonicum Rostockcensem et thesaurarium ecclesie collegiate sancti Jacobi ibidem, et me Nicolaum Bockholt, clericum Swerinensis dyocesis, publicum apostolica et imperiali auctoritatibus notarium, vt commissarios illustrium principum et dominorum Hinrici et Alberti ducum Magnopolensium etc. Anno MDXXXIIII.
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Die Visitation begann zu "Güstrow 1534 in dem mânte Junii" und währte bis in das Jahr 1535.
Bedeutende Aufklärung über diese Visitation geben aber noch der Charakter und die Stellung der beiden Visitatoren; der Notarius Nicolaus Bockholt kommt nicht in Betracht. - Der Magister Sebastian Schenck von Schweinsberg 1 ) war, nach diesem Visitations=Protocolle, im J. 1534 Propst des Dom=Capitels zu Güstrow, daneben sicher seit dem J. 1521 Secretair und treuer Diener des Herzogs Albrecht und Besitzer mancher geistlicher Pfründen, die der Herzog ihm zuwandte, wie er ihn im J. 1521 zu der Petri=Pfarre in Rostock präsentirte 2 ); seit dem J. 1523 machte er auch Ansprüche auf die Pfarre zu Stargard 3 ). Er scheint ein ziemlich unpartheiischer Geschäftsmann gewesen zu sein, wie er z. B. während des heftigen Streites der beiden fürstlichen Brüder im J. 1533 den evangelischen Prädicanten Heinrich Techent auf des Herzogs Heinrich Befehl zu Güstrow präsentirte und ohne alle Anspielung darüber berichtete. Im Siegel führt er einen queer getheilten Schild, unten geschacht, oben mit einem rechts hin schreitenden Löwen, über dem Schilde die Buchstabcn S. S. V. S. - Der Magister Dethloff Dankwardi war Thesaurarius des Dom=Capitels zu Rostock, seit 1517 Official des Archidiakonats Rostock, seit 1526 selbst Archidiakonus und bischöflicher Official zu Rostock, Inhaber der Pfarre Kessin und sonst "rund mit Pfründen behängt", ein gewalthaberischer und übermüthiger Papist, der noch spät (nach 1550) der neuen Lehre Widerstand leistete 4 ).
Völlig unbekannt ist bisher die evangelische Visitation vom J. 1535 gewesen. Die glückliche Entdeckung des Original=Berichts, eines kleinen Heftchens, giebt Veranlassung zu dieser Mittheilung. Der evangelisch gesinnte Herzog Heinrich schickte nämlich sogleich nach Beendigung der katholischen Visistation vom J. 1534 zwei lutherische Prädicanten aus, um an Ort und Stelle den evangelischen Geist in den Gemeinden zu erforschen, über den Zustand der Gemeinden, des Gottesdienstes und der Prediger Erkundigung einzuziehen und Prediger und Gemeinden durch geeignete Mittel auf die
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evangelische Lehre hinzulenken. Da sie keine geistliche Würde bekleideten, sondern nur einfache Prädicanten, nicht einmal Pfarrer waren, so konnten sie begreiflicher Weise nicht sehr viel wirken und mußten wahrscheinlich gewöhnlich still vorüberreisen. Sie kamen nur an 36 Orten zur Unterredung und bekennen, daß ihr Bestreben "kaum ein Schatten einer rechten Visitation", welche erst 1541 vorgenommen ward, zu nennen sei.
Die beiden evangelischen Visitatoren waren die Prädicanten M. Egidius Faber und Nicolaus Kutzke oderKutz. - Der M. Egidius Faber war der bekannte Prädicant und Hofprediger des Herzogs Heinrich zu Schwerin seit 1529/30, der wahre Reformator der Stadt Schwerin, ein eifriger Schüler der Universität Wittenberg und der muthige Vorkämpfer für die Reformation, der auch ein geharnischtes, ächt lutherisches Buch gegen das Heilige Blut im Dome zu Schwerin ("Vom falschen Blut und Abgott zu Schwerin") schrieb. - Sehr schwierig sind Nachrichten über Nicolaus Kutzke, der bisher nicht bekannt war, herbeizuschaffen gewesen. Er lebte im Lande Stargard und daher wählte ihn wohl der Herzog um zwei Männer zu haben, die von dem Zustande beider Landestheile Kunde haben konnten. Zur Zeit der Visitation scheint er kein Amt gehabt zu haben. In einem Briefe vom J. 1535 heißt es:
"s. f. G. predicante Egidius alße eyn visitator mith Nicolao Kutzken".
Im J. 1535 Fridags na Reminiscere berichten die
"Bürger dem Evangelio anhengig in Iwer fürstliken gnaden Stadt Nien=Brandenburgk"
über ihre Prädicanten und die Mönche. Sie bitten, daß der Gardian von ihnen genommen und
"ein ander fromer rechtschapener predeker, de dath wort gades hefft, als wir denne einen Er Nicolaus genanth woll tho bekamen wethen, wedder vmb an seine stede gesettet werden möge".
Bald darauf berichten
"Burgermeister, Radtmanne, Olderlude vnd gantze gemeyne der Stadt Nienbrandenborch,"
daß
"in dessen korten vorschienen dagen, Mitweckens nha Assumptionis Mariä unse Predicanten, als Ehr Nicolaus Kuske vnd Mathias Papenhagen, - vor - dem Radt die Monnicke vth dem grawen kloster hebben verklagt".
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Bei der Visitation im J. 1541 war Nicolaus Kutzke nicht mehr in Neu=Brandenburg. Die evangelischen Geistlichen waren damals:
Capellan Er Luder Greue.
Item de Brandenburgischen haben einen alten Predicanten Er Matias" (Papenhagen ?) dem geben sie, was sie wollen.
Item sie haben noch einen Predicanten Caspar Schmidt.
Item sie haben noch einen Predicanten angenomen Er Nicolaus Milsow genannt"![]()
Nicolaus Kutzke ward also im J 1535 Prädicant zu Neu=Brandenburg und blieb dort bis etwa gegen das J. 1541.
Dies wird hinreichen, um diese Visitation in das rechte Licht zu stellen.
Ich theile im Folgenden mit: die Instruction an die Visitatoren und den ganzen Visitations=Bericht, welcher in einem Quarthefte von 5 Bogen von des M. Egidius Faber unverkennbarer Hand geschrieben ist.
1.
Instruction für die Visitatoren.
Instruction,
was vnsere Herzog Henriges predicanten
Er Egidius Faber vnd Er Niclawes Kutzs, als vor vnser vorordente visitatores der pfarren vnd predicanten in vnsern eygenen Stetten, Ampten vnd vogedien, beide vnder vns vnd vnder vnsern vndertanen, ock yn den steden vnd ampten, vnserm bruder vnd vns semptlich zugehorig, gesessen, mit den selben pfarrern vnd predicanten itzlichs ords in sunderheit, doch alleyne der orthe, da das wort gods zu predigen angefangen ist, handelen vnd außrichten sollen.
1. Erstlich weill an vill orthen deutscher Nation vil leuthe mit tzwingelichschen vnd widerteuffischen Irtumben vnd sunst vilen andern vnchristliken, vngegrunten Ceremonien vnd leren verfurdt werden, vnd besorglich, dat vellichte auch an etzlichen orten anhe Zuthun vnd Inmyschunge solcher vnd der gelichen Irthumbe dat reyne wort gots nicht geprediget, noch keyne
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rechte, borliche, georliche ordenunge gehalten wirt, Szo sollen sie der haluen eyns itzlichen orthes die pharrer vnd predicanten auff eyn bequeme stedt vor sich nemen, sie irer lehr halben notturfftiglich verhoren vnd sich befleissigen, zu erfaren, was sie vor Geremonien in iren kyrchen halten vnd wie de sacrament vnd das worth gads von ynen geprediget wirth, vnd dergleichen auch was ir glauben sey.
2. Zum Andern wo by yemands derselben pfarrhen oder predicanten gespurt worde, das obgemelte Irthumb oder andere vngegrunthe lere bey Inen vorhanden wheren vnd das worth gads nicht lauther vnd reyn, sunder mit vermyschynge vngegrunther leren vnd Ceremonien den leuten vorgetragen wurde, den selben sollen sie anzeigen, das solchs vngotlich vnd vnrecht, auch mynem gnedigen hern solchs also ferner zu halthen vnd die leuthe dar durch von der warheit zu fhüren vnleydlich sey, vnd darbeneben ernstlich beuelen, das sie von sulchen Irtumb abstehen vnd den leuten das wort gads lauther vnd reyn, vnd dergelichen die sacrament des altars vnd der tauffe nach ordenunge vnd lauth der hilligen gotliken schrifft, ane alle vormyschynge menschliker lere vnd zuthun predigen vnd handelen sollen. Vnd wes sie des nicht gegründet vnd erfharen syndt, das sollen die selben vnsere vorortenthe visitatores ihnen alls aus guther gegründeder heiliger schrifft su thun vnderwißen vnd Inen des zu eynem vnderricht ein gedructe ordenynge, wor sie die nicht vorhin haben, verreichen, vnd derselben also allenthalben eyntrechtiglich zu folgen beuelen.
3. zum drudden sollen sie vleissige erfarunge haben, ob de leute auch myt sulchen eren pfarrhen vnd predicanten genochsam vorsorgeth szin, vnd wo jemands vnder ynen synes amptes zu uorweßen vntuchtig were, denn aber de selben sollen sie auffzeichen vnd m. g. h. anzeichen, damit s. f. g. zu forfugen habe, das de leuthe doselbst myt eynem andern rechten pastor vorsorget werden mugen.
4. zum Lesten sollen szie sich och erkunden, welcher massen eyn yder pastor vnd predicant zu synem enthalt vorlehen ist vnd ob er auch das seyne forderlich bekomme, oder auch an der borynge, szo von althers dar zu gewest, eynycher abbruch geschein ist, vnd daruon nharynge haben mogen, aber nicht, vnd bequeme behaußunge, vnd sulchs auch allenthaluen auffzeichen
5. Item wenn nhu solchs alles oberurth eyns itzlichen ortes mit den pfarren vnd predicanten beredeth vnd ausgericht ist, sollen ßie auch darnach den Radt vnd kirchgesworen zu sich erfordern vnd denselbigen in byweßen des phar=
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rers vnd predicanten anzeichen, das m. g. h. vor gantz guth vnd nutze ansicht, eynen gemeynen kasten auffzurichten in der kyrchen, war huß arme leuthe vnd diener des words gods, vnd auch s. g. gefallen wolthe, das szie, wo solchs vorhin nicht gescheen, eine schule vor de kynder vnd Jungen auffrichten vnd sich darzw myt eynem gelerten Schulmeister besorgen mochten, der die kynder in der hilligen schrifft vnd andern guten kunsten vnd tugenden vnderwysende vnd inen darneben die verdeutschen psalmen vnd geistliken gesenge singen leren vnd deselben myt ihnen, wie in andern Steden vnd landen gebruchlicher ist, got zu lobe vnd Ehren auff die feiertage zu Chor singen vnd also in gods furcht erzogen werden, dardorch die selben ire kynder zu gelerten vnd verstendigen leuthen, dem gemeynen besten zu dinst vnd Nutz gedeyhen vnd erwachssen mügen.
6. Item man sol auch vnder der predigeth tabern, wein= vnd birheußer, vnd wo man gebrannten wyn verkaufft, bey vnßer straeff verschlissen zu uorbieten, damith gots worth vnd ehre nicht verachteth noch verspottet werde, by pon X mr.
7. Item so sollen szie auch thuen myt denen, szo eyn offintlichs mothwillig boße ergerlich leben fhuren, dardurch de andern geergert vnd zum boßen vororsacht werden, als syndt trunkenpolt, hurer, Ebrecher, schender, lesterer vnd mißbraucher des nhamen gotts vnd des lyden christi.
8. Item szie sollen auch in sonderheit allen predicanten myt ernst bevhelen, daß szie in iren Sermonen vnd predigten alles das jenege, was zu fridt, eynigkeidt, gehorsam vnd guther pollicey dienet, mit hochstenn vleis zu leren vnd sich ye vor allen dyngen huthen vnd wol vorsehen, nichts das vngehorsam der obrigkeiten, widderwille, vneynigkeiten vnd auffrur dienet, aus neydigem gemüthe außzuschüten, Besonder sich dar vor, so vill immer christlich, menschlich vnd mogelich, zu hueten, alles bey vormeydunge vnser ernsten straff vnd entsetzunge ihrer Ampte.
Nach dem Concepte im großherzogl. Archive zu Schwerin. - Auf der Rückseite steht die Canzlei=Registratur: "Instruxtion her egidii fabri vnd Niklawes kutzen visitatores ao. 35. stargart".
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2.
Visitations=Bericht.
Alphabetisches Inhalts=Verzeichnis.
Visitation: Einleitung und | Güstrow. 9. 11. |
Schluß. 19. 25. | Klütz. 33. |
Basse. 12. | Malchin. 5. |
Boizenburg. 24. | Mummendorf. 30. |
Bössow. 29. | Parchim. 21. |
Neu=Brandenburg. 2. | Plau. 7. |
Bützow. 17. | Qualitz. 18. |
Cambs. 14. | Rehna. 27. |
Camin. 10. | Schwan. 15. |
Crakow. 8. | Schwerin. 19. 20. |
Dassow. 32. | Hohen=Sprenz. 11. |
Doberan. 16. | Sternberg. 20. |
Eldena. 23. | Tessin. 13. |
Friedland. 1. | Teterow. 5. 6. |
Gnoyen. 12. | Waren. 4. |
Grabow. 22. | Warin. 17. 18. |
Gresse. 25. | Wesenberg. 3. (4). |
Gressow. 31. | Wismar. 34. |
Grevismühlen. 28. | Zarrentin. 26. |
Hyrnach folgen dy ortt vnd stette, welche wyr auf dysmal visitirt haben, Etliche E. g. allein, Etliche E. g. vnd ewerm heren bruder zugehörig, vnd dafur vns verboten, alle pharheren vnd dy so sich hören lassen, das sy gottes wort predigen, nicht allein ynn den stetten, sondern auff den ampten, bropsteyen vnd vogedeyen, nach lautt der Credencz vnd instruction.
1. Etlich dorffpharher beklagten sich, das yhnen der adel, darunter sy gelegen, yre bürung von alters yrer kirchen zugehorig nicht folgen lassen, Szollen sy aber vber den Adel klagen, ist zu besorgen (sprechen sy) sy wurden vngunst von yhnen haben vnd von dem yren genommen vnd abgedrungen werden, bytten aber E. g. wöll dareyn sehen.
So beklagt sich auch der lucas, der fridlander predicant, das etliche auff den pfaffen offentlich vnd heimlich yn heusern yn vnd sein lere als keczerisch schölten, Derhalben wyr sy fur Vns beruffen vnd yren falschen gottesdienst angezeigt,
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ernst verbotten haben, sy szollen sich solcher lesterwortt enthalten, vmbs auffrur halben, wöllen sy nicht mit vnser lere vnd rechten gebrauch der sacrament, noch grundt der schrifft vnd ordnung cristi gebrauchen, so faren sy ymmer da hyn, wo sy hyn gehören.
2. Da geht das wortt gewaltig, Aber da beklagten sich etlich auff dem ratt vnd gemeyne, wye dy monche nu ein Zeitlang sich yrer heuchley enthalten, wider anfiengen, heimlich messe zu halten vnd heuchelpredigt heimlich zu thun, haben wyr sy fur vns erfordert auff beger der gemeine, sy vermanet, solchs zu lassen, das nicht ein aufrur wider sy entstände, denn das volk were erbittert wider sy.
3. | Wysenberg. |
4. Da haben sich die geistlichen zimlich yns wort
geschicket vnd wo sy noch fehl haben, sich
bessern, yr kirchengeseng halten sy wye vorhyn
.
Da steht dy schule gancz wuste, dy Jugend wyrd verseumet. Sy haben keinen gotteskasten auffgericht; was sie noch thuen wollen auff vnser vermanung, wissen wyr nicht.
5. Da haben wyr hyn verbotschafft den predicanten auff Detro, weil er sich hat hören lassen, er predige das Ewangelium recht, Aber ym examiniren ist er erfunden eyn vngeschickt, vngelert man, der noch vom glauben, noch vom Ewangelio, noch von versorgung der seelen weys, vnd doch gancz vermessen, als kunde ers besser, dann kein ander.
6. Zu Detro sind eyn ganczer hauff folks, dy sich mit Namen auffgezeichend, dem hern thomas gen malchin haben zugeschriben vnd bytten, er wöll helffen, das E. g. da hyn einen rechten Ewangelischen prediger möchte verordnen, vnd durst sy seer nach dem worth.
7. Da yst Vns einer mit Namen Joannes Mowe
furkhumen, der hatt auff dem sacramentheufflein
vnd monstranczen daryn das sacrament verloren,
weis nicht, wo es hyn yst khumen. DyAndern
werden sich nach der Zeit wol schicken
.
8. Der pharher alda klagt fast über die edelleuth, szo ym seyn burung von der kirchen entwendet haben, wold auch gerne sich gleichformigen den rechten ewangelischen predicanten, Aber
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sein lehnherr, der altschuch von Gustraw, verbeutt yms, vnd drewet yhn zu uerjagen,wo er als wyr wolde predigen.
9. Da klagte der burgermeister kleuenaw wider den Monch, den terminarium, wye er eyn offenwarer hurenjeger ynn der statt. Auch klagt yn an her Joan prediger für den ratt vnd vns, wye er heimlich beicht höret vnd heimlich das sacrament den leutten gibt in einer gestalt vnd gescholten hatt dy Ewangelisch lere, solchs haben wyr ym zu thun weiter verbotten, weil er als, eyn reyssender wolff on allen beruff eindrungen hatt, Auch sprachen Etliche, wo er nicht sein sach anders wollde anfangen, sy wöllen yhm den hals entczwey schlahn.
Item Er Joann predicant beklagte sich für Vns vnd
dem ratt, wye der monchen predicant ym kloster
offtmals wider yhn vnd seine lere gepredigt, als
verfurisch, keczerisch vnd alle, szo yn
höreten" verloren weren, vnd verbotten, man
szol er Joann predigt nicht hören bey yr seele
verlust, welchs auch Vrsach zum auffrur gibt.
Darumb berufften wyr yhn vnd verbotten solch
lesterung vnd czeigten yn yren falschen
gotzlesterlichen gottesdienst vnd heuchley an,
vnd liessens da bey bleiben, wölden sy predigen,
das sy das wortt lautter vnd reyn predigten vnd
nicht vrsach wider sych geben des auffrurs
.
Auch beklagt sich Er Joann, daß Er thomas
(welcher vor zweyen Jaren vermeint, er wöll mich
mit seinen disputiren zum keczer machn), das er
gancz entgegen prediget, was er Joann gutt
predigt, Den namen wyr auch für
., Aber er bleib versteckt yn
seinem furnehmen, Als das recht sey, das man den
leib vnd blutt Cristi teglich fur die sunde der
lebendigen vnd todten opffern vnd dy heyligen yn
nötten anruffen szol: Item das der glaub an dy
werck nicht gerecht macht: Item er spricht, es
sey recht, den leyen das eyne teil des
sacramentes zu geben, an das blutt auss dem
kelch: Item er spricht, dy kirche sey mehr, denn
das wort, darauff dy kirchen gebawet vnd
gegrundet yst, vnd vermisset sich auch, solche
keczerische artikel als Cristenlich zu erhalten
fur E. g. mit eyner disputacion
.; Da tracht E. g. nach, das eyn
disputacion möchte gescheyn ynn E. g.
kegenwertikeit mit ym vnd andern seynesgleichen,
denn dyse leuth thuen vnter dem folk grossen schaden.
10. Der kirchher zu Kemyn yst eyn vngeschickt vngelert man, hatt keynen rechten versthande, wye, man dy sacrament gebrauchen vnd was nucz darauss khompt.
11. Der kircher zu Hohen Sprencze weys auch
keynen rechten verstand vnd brauch der
sacrament, furet also eyn blinder den Andern
.
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Das folk zu Gustraw beklagen sych vnd furchten seer eynes auffrurs, der monchen und phaffen halben.
12. Da klagten etliche dorffkircherrn wider dy Edelleut, das sy yre burung der kirchen von alters zugehörig abgerissen, für sich gebrauchen vnd keyn beqweme nerung haben mugen.
Item dy Molten von Bassen edelleut haben vnter sich eyn feyne schöne kirche lenger dann eyn Jar lang öde an prediger vnd kircher vnd alle zugehörung vnd Zustande haben sy vnter sich selbs vnd das arm folk ynn dorffern zugelegen mussen an alle lere vnd wort gottes als das vihe leben.
13. Da yst ein dorffpharher gancz vngelert, wer besser zum hirten auffs felde, denn czum seelsorger, seyn Nam heist Nicolaus.
14. Er Joachim pharher zu Camps yst ein vngelert, blind, vnuerstendig man vnd gancz vngeschickt zum seelsorger.
15. Item das folk zu schwan vnd ynn den vmliegenden dorffer durstet nach gottes wort vnd wöllen yrem kircherrn zu schwan, wann er predigt, nicht glauben geben, er sey denn besunder zum predigtampt beruffen myt eyner solemnitet, weil er auch sonst khein geweyhetter vnd beschorner priester yst, wye ander bapstliche phaffen.
16. Wyr verneme auch, wie alle pharhern vnd
predieanten ynn den dorffer der abtey dobran
zugehörig das folk, dem sy predigen, jämerlichen
verfüren vnd doch von herzen dursten nach dem
wort gottes, da szoll E. gn. achtung haben
.
17. Von schwan wolden wyr durch Buzow gen Waryn, Aber her kersten yr prediger qwam vnss auff der strasse entgegen, batte, wyr mochten vber nacht da herbergen, vmb etlicher sachen willen, das Ewangelium belangende, da bliben wyr vnd das folk sampt dem ratt versamleten sich vnd beklagten, das dy predigt vnd testament nicht ynn der kirchen der statt gehalten wirt, denn es möchte khomen, wye auch nu geschehen, das vnter dem testament, da das folk ausser der statt versamlet yst, eyn fewr möcht lose werdenn vnd dy statt mercklich, da got fur sey, beschedigen yn abwesen des folks. Czum andern sprachen sy, das dy pharkirch vnd dy schule nicht vom Capitel, sondern vom statfolk gebawet yst, der halben begeren sy yr kirchen vnd schule wider für sich zu gebrauchen, vnd baten vns, wyr wöllens E. g. anzeigen, auff das sy czu yrer Erbkirchen wider qwemen, wo nicht, szo gedenken sy weiter keyn hulff
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vnd stewr zur kirchen vnd schule zu thun, sondern sy lassen verfallen vnd verwusten. In der phaffen kirchengepreng vnd falschen gottesdienst haben wyr da nichtz vorendert, sondern sy bleiben lassen, weil wyr bey yhnen kein besserung sahen.
18. Kirchher zu Qwalcz wold nicht erscheyn, Er ist ein hurer vnd beschlefft eyn Eheliche eynes frembden mannes.
19. Ich muß gen schweryn meiner frawen halben, dy
da schwach vnd fast kranck war. Nn weyss E. g.,
das ych ynn gegenwertikeit ern Nicolaus Kuczen
vnter andern czu Plaw ynn der hoffstuben
gedacht, da ych mit E. g. redete, der zu Buczaw
vnd Schweryn, ynn der meinung, das wyr wolden
den kircherrn vnd seinen Caplan czu Schweryn
freuntlich ansprechen, ob wyr sy mochten auff
den rechten weg bringen vnd Cristo gewynnen, Da
sprach E. g. wyr möchtens wol thun, darauff
verbotten wyr alleyn den Caspar kirchherrn vnd
seinen mithelffer, welche beyde offtmals wider
vns vnd vnser lere gepredigt vnd für verfurer
gehalten vnd ausgeruffet haben offentlich von
der Canzel, Da beruffet sich der kircher auffs
Capitel vnd yst Nyemands für vns khomen, noch
kircher, noch Capitel, sondern schickten an Vns
den statschreiber, der sprach vnd protestirt,
das vns das Capitel nicht wöll ansehen für
visitatores vom fursthen gesandt, Er sprach
weitter, wo der fürst wöll widerruffen das, das
yhnen vormals zugelassen vnd briefflich
versigelt yst, szo wollen sy darnach alles gerne
thuen
. Nu g. h. das wort wöllen wyr
Visitatores E. g. grundlich zu beherczigen vnd
zu betrachten geben, was yn sich hatt vnd wo
ferne es langet. Sonst yst da von vns nichts
gehandelt mit den thumphaffen, auch nichtz mit
dem folk, das wider sy yst.
20. Faustinus prediger klagte vber eynen pfaffen, der heimlich beicht höret ynn der statt vnd lieff hyn vnd her auff der statt ynn dy dörffer, hielt heimliche winckelmesse vnd verleittet dy schafflin, szo ym dem Faustino befolhen seyn, solchs haben wyr dem selben weitter zu thun verbotten, ym vnd andren pfaffen den greul vnd misbrauch des sacraments entdecket vnd sy von vns gelassen.
Des gemarterten sacraments (ob noch das selbe vorhanden) haben wyr mit eynem worth nicht gedacht aus vergessenheit. Faustinus beklagt sich fur vns vnd dem ganczen ratt, wie Doctor Bülow (der doch eyn vngeschickter kyrcher yst zu ver=
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sorgen vnd speyssen seine schaffe) ym järlich an seinem solde fl. X entzyhen wil, darumb das nu forthyn keyn opffer gefallet ynn syner kyrche, da mag E. g. auch zu sehen.
Auch yst gancz sternberg bewust, das obgemelter Bülow eyn offenwarer hurer yst, wye auch die thumpfaffen zu Schweryn. Noch muß es alles, recht gethan vnd gelebet seyn, was sy leren, vnd thun vns sünde, wer da wider mucket nach gottes befehl.Ach got von himel, wye blinde yst dy welt, das sy gottes wort vnd befehl binden wil, szo es doch nicht gebunden wil seyn! Sondern ym ausfüren werden wyr sehen vnd auch füelen, wye wyr gottes ehre vnd sein heiliges wort haben gemeynt.
21. Da namen wyr den kircherrn er Anthonium für vns mit seinem caplan, fragten sy beide nach lauth der instruction vor dem ganczen ratt, was yr glauben sey, worauff sy yre predigt richteten, ob sy auch lautter vnd reyn furgetragen würde, Item vom brauch der sacrament vnd Cerimonien. Da erfunden wyr am Anthonio vnd seinem caplan, den er fur sich besunder helt, ynn allen dingen gleich wye wyr E. g. yn eynem brieff zugeschickt haben. Das thatten wyr aber nicht von vns selbs, sondern aus begern vnd bytte eynes burgermeisters vnd etlicher aus dem ratt, denn sy befurchten sich, das er Anthonius villeicht eylend vnd heimlich sich wurde verfügen zu E. g. vnd dy sach anders angeben, dann geschehen yst, vnd besorglich, es möchte darnach eyn auffrur durch yhn zu parchim erwecket worden sein, Derhalben gaben sy yren botten dar vnd batten vns, wyr wölden bryefflich dy sache E. g. entdecken, wye sychs hat ergangen. Aber da wyr von parchim faren wolden, sendet Er Anthonius den Tybald schreiber an vns, das Anthonius alles wöll annehmen nach lauth der Instruction vnd sich mit dem ratt vnd burgern der stat bruederlich vnd cristenlich vertragen; der bryeff aber war schon weg. Ob er nu solchem folg hatt gethan, oder wye er sich mit den burgern vertragen hat, wyssen wyr nicht.
Der kircher ynn der newstatt zu parchim blib verstockt ynn seiner alten heuchbley, nachdem wyr yn auffs allerfreuntlichst vnd christenlichste hatten vermanet, vnd gab dy kirche auff fur dem ratt, weil er nu eyn fast alter man yst, hatt sy fur vnser zukunfft auch resigniret, wye es aber nu steht, yst vns vnbekanth.
22. Da hat der kircher eyn hurn bey sich, sunst steht es wol da.
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23. Dy Jungfrawen baten den vogt zu grabaw, er
sold vns zu yhnen schicken. Alle Jungfrawen
begern aus grundt yres herczen das reyne wort
gottes vnd den rechten brauch des sacraments vnd
beklagen sich fast höchlich, das sy keinen
ewangelischen prediger haben, bytten vleissig E.
g. vmb eynen ehrlichen, eltlichten, guetten
predicanten, der sy mit lere vnd rechten brauch
des sacraments konde versorgen. Darauff hat auch
dy priorin sampt der ganczen samlung an mich
eynen brieff geben, E. g. deshalben anzulangen
. Yr predicant, beichtvater,
messhalter, sind alle heuchler vnd seelmorder
vnd wold keiner fur vns erscheinen.
24. Da stehts guth ynn der statt.
Alda klaget der kircher, auch er Joann Wetschk Zoldner, das der Zustand yrer kirchen yst entwendet worden, bytten E. g. wöll dareyn sehen, das sy zu yrer alten bürung khomen mügen.
Item der Statt burgermeister vnd auch Bartl fogt beklagen sich der vnterthanen vngehorsam, vnd wo sy eynen vngehorsamen oder vbelthetter gerne wölden straffen, szo drewen etliche auß der gemeyn, sy wölln yhnen den hals enzwey schlahen, das ist eyn recht widerteuffer stück.
25. Item alda haben wyr auch für vns gehabt Er Joann kyrcher zu Gressaw odder Gretze eynen schweczigen, verblendeten menschen vnd gancz verstockt yn der papistischen weyse und lere, Dyser mag mercklichen schaden thun vnter den gemeinen, vnuerstendigen hauffen, vnd wer zu ratten, E. g. lyes ynn das ganze lande verbietten, denn wir haben ynn dyser Visitacion noch seyn gleich nicht gefunden.
26. Der weg war vns zu weytt vnd dy Zeit zu kurcz von Boysenburg gen Rheen zu faren, darumb musten wyr vber nacht zu Czerentin haussen. Da yst ein prediger, welcher nichts anders predigt, denn auff den buchern Eckius und Cocleus, den widersachern der martinischen lere, Er wil auch nicht anders predigen. Item das gancz sacrament versagt er den Jungfrawen vnd anderm folk vnd dringet das auff eyn part, wider yr gewissen, bytten auch vmb eynen andern prediger.
27. Dy prioryn vnd jungfrawen bytten vnd begern ynn heren fabiani stette eynen andern prediger. Item dy prediger
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alda beklagen sych, das sy nicht eyn zimlich auskomen vnd narung haben, Dy jungsrawen ym Kloster sprechen, sy sind stets arm, vnd der vogt zeucht yn vyl ab, darumb mügen sy von dem yren nicht prediger halten.
28. | Greuesmölen. |
29. Nache bey der statt yst ym Dorff Bossaw eyn kircher, er Curd, eyn grober, vnuerstendiger man, welcher noch nicht recht den glauben khan sprechen, yst darzu eyn offentlicher hurer vnd grober vnbeschnittener papist.
30. Eyn ander Er Nicolaus Lutke kircher zu Mummendorff klaget wider eynen mitgesessenen in seinem caspel, das er eynen acker vnd wysen, welche erblich zu seiner kirchen gehören, entziehen will.
31. Eyn Ander by greuesmölen zu Gressow klaget wider dy Pargentinischen, eyne wytwe, das sy ym jerlich von dem Zehende ynnen helt 3 lubisch marck.
32. Eyn Ander zu Dassaw klaget, das dy Caspel leuth seyn wonung vnd hauss ganz verfallen vnd vergehen lassen, szo sy doch das billig bawen szollen.
33. Eyn Ander, Henricus, kircher zum Klucz, eyn fein man, beklagt sich des edelmans, des Namens Bernhart von Pless zum Arbshagen gesessen, das er ym an seiner kirchen burung verkurczt, drawet ym am leben zu schaden vnd bey 4 mal tödlichen gesucht vnd vberfallen hett.
34. Henrich Neuer hat auff vnser anlangen vnd frage ynn gegenwertigkeit des ratts nichtz wöllen mundlich antworten, sondern sprach vnd verhieß, Er wöll seinen glauben auff dy gefragten artikel, schrifftlich ynn kurczer czeit E. g. zuschicken, was er halte, von glauben der kindertauffe, dem abentmal Cristi, der menschheit Cristi, weltlicher Oberkeit.
Item ein ander prediger, des Name yst Henrich
Czimmerman, gefragt, was er hielte vnd predigte
vom Sacrament des altars, ob er auch glaube, das
da sey der warhafftig leibe vnd das warhafftige
blutt cristi wesenlich
. Da antwort er also, Ych sag
nicht, das der leibe und blut Cristi da sey
leiblich, warhafftig vnd wesenlich, Sondern ych
sprich vnd bekenne, wenn man das nachtmal des
herrn brauchet, das alda sey das sacramente des
waren leibs und blutts Cristi, Als auch seyn
eygen Handschrifft auffweisset, Da merck E. g.
wol auff, das er bekennet, Es sey da das
sacramente des waren leibs vnd blutt cristi, das
yst, alda da yst, spricht er, allein das
czeichen vnd bedeuttung des warhafftigen leibes
und bluttes cristi, aber
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der leibe Cristi und seyn blutt sein nicht ym abentmal warhafftig noch wesenlich. Das yst nu der yrthum vnd grundt des Zwingels, da durch der große hauff ynn Wismar verfurt yst. Ich halt auch, das Er Neuer auch der meinung sey vnd yst sach, das er sein bekantnis nach seinem verheisen E. g. czuschicket, szo bewar dasselbig E. g. wol vnd lass das lesen vnd richten, dy rechten grundt vnd verstand haben der schrifft, vnd gedenken E. g. das solcher yrthum ausgerottet werd.
Denn wo E. g. nicht halten wirdt vber dyse Vsisitacion (welche khaum eyn schatten yst einer rechten visitacion) vnd nachdrucken, szo wirt sy schedlicher sein, denn szo sy nye geschehen wer, welches wir E. g. zu betrachten wöllen heimgestellet haben, vnd wo es E. g. ymmer schicken möchte, das alle fürnemsten predicanten ym land auff ein ortt versamlet fur sich ruffeten, Etliche mutwillige, hertneckische, vnrichtige prediger, der vyl alhyr ym land sein vnd sich berhumen der rechte lere vnd brauch der Sacrament vnd feilen doch szo ferne der himel von der erde ist, vnd liesse also vnter yhnen eyn gemeine disputacion geschehen, ynn gegenwertikeit E. g. vnd ander gelerten, sönst yst alles verlorn, was wyr haben ausgericht ynn dyser visitacion, vnd wirt der letczt yrthum erger dann der erste, das sy, dy widersacher myt yrem halstarrigen gemueth, solchen schaden vnd yrthum ynn das gemeine folk bringen wurden, das zum letczten kein wehren helffen vnd das land vol yrthum vnd rotterey sein wirdt, dem mag nu E. g. furkhomen mit der obgemelten weysse, dadurch dy widersacher zu spott vnd schanden wurden, vnd sich yrer falschen lere weitter enthielten.
Vmbgeschriben vnd eintrechtig vbersehen durch vnss Visitatores, wöllen wir vns da mit gancz vnterthaniglichen E. g. befolhen haben ynn gnaden solchs gegen vns zu erkennen.
In einem kleinen Hefte in 4°, 15 Seiten groß von der eigenen Hand des M. Egidius Faber geschrieben. - Auf der Rückseite steht die gleichzeitige Registratur von des Herzogs Heinrich eigener Hand: her Egidii Fabern. 35 - Die §§. sind für gegenwärtigen Abdruck zur Erleichterung der Bezeichnung beigesetzt.
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:
des
Herzogs Johann Albrecht I.,
beim Antritt seiner Regierung
aus dem Feldlager an
seine
heimgelassenen Räthe erlassen im April
1552
,
mitgetheilt
von
G. C. F. Lisch.
D as Leben des edlen Herzogs Johann Albrecht I., des Gelehrten, ist bis auf unsere Tage für die Entwickelung der drei letzten Jahrhunderte der Geschichte Meklenburgs, ja selbst Deutschlands, von so großer Wichtigkeit und so sehr mit fast allen Haupt=Angelegenheiten des Landes verkettet, daß wir unwillkührlich häufig auf diesen großen Fürsten zurückkommen müssen. - Kaum hatte sein Oheim und Vorfahr in der Regierung des zweiten Landestheils, Herzog Heinrich der Friedfertige, seine Tage beschlossen (6. Febr. 1552) und er für sich und seinen Bruder Ulrich die Gesammtregierung von Meklenburg angetreten, als er der bedrängten jungen Kirche zu Hülfe eilte und mit seinem tapfern Bruder Georg sich dem denkwürdigen Feldzuge nach Tyrol von 1552 anschloß. Sind die ersten Handlungen eines Regenten häufig von großer Wichtigkeit für seine ganze Regierung und geben sie mehr, als irgend etwas anderes, den Sinn und die Richtung seines Willens kund, so ist es für uns um so mehr zu beklagen, daß wir von den Gesinnungen, mit welchen unser politische Held seine Regentenlaufbahn begann, so wenig Aeußerungen besitzen. Das wenige bisher Bekannte hat Rudloff treu zusammengetragen; eine Hauptquelle bildeten bis jetzt die Verhandlungen des Landtages zu Güstrow von 1552 1 ); und doch tritt in
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ihnen der Fürst nicht einmal selbst auf! Wahrscheinlich ließen ihm Huldigungs= und Bestallungs=Geschäfte, politische und häusliche Verhandlungen und endlich die Kriegsrüstung wenig Zeit, in einem Monat viel zu schreiben. Kaum aber gewann er auf seinem Feldzuge einen ruhigen Augenblick, als er über die Hauptgegenstände seiner Sorge an seine heimgelassenen Räthe diejenige Verordnung erließ und wahrscheinlich durch seinen "Licentiaten", den Canzler Johannes Luccanus, übersandte, welche wir hier mittheilen, und welche über vieles Licht verbreitet, was bisher dunkel geblieben war. Die Säcularisation der geistlichen Stiftungen, der Flor der Universität und der Schulen, die Visitation der Kirchen, der Kampf für die Reformation und die deutsche Freiheit stehen in unserer Landesgeschichte zwar als Thatsachen da, aber nur als nackte Begebenheiten, ohne Grund, Veranlassung und Ziel. - Alle diese großen Begebenheiten entsprangen aus der klaren und milden Einsicht und dem festen Willen unsers Fürsten selbst. Die Verordnung ist die Offenbarung dieser Einsicht und dieses Willens. Und zugleich zeigt uns der Fürst die ganze Liebenswürdigkeit seines Gemüths. Obgleich im Getümmel des Kriegslagers, während eines heftig anregenden Kriegszuges, bei dem so viel auf dem Spiele stand, geschrieben, ist die Verordnung oder vielmehr das Freundes=Schreiben ruhig und freundlich, fest und gerecht, aber auch mild und versöhnlich und nur der Abglanz von der Innigkeit einer klaren, leidenschaftslosen und gütigen Seele. Obgleich das Schreiben ein vertrautes ist, so ist doch keine einzige geheime, politische Anspielung, keine Klugheitsregel für seine Räthe, kein Vorbehalt darin zu finden, sondern so offen und frei, daß seine Räthe in allen Dingen rückhaltslos öffentlich seinem Begehren folgten.
Das Schreiben ist nur im Concept vorhanden. Wahrscheinlich ist es im Anfange des Monats April 1552, vielleicht von Augsburg aus, geschrieben, da der Herzog, nach Hederichs Chronik, im Anfange des Monats März 1552 von Schwerin zog und, nach des Andreas Mylius Annalen, kurz vor Palmarum (welches Fest in diesem Jahre auf den 10. April fiel) in Augsburg ankam; daß Johann von Lucka großen Antheil an den wichtigen ersten Schritten des Regenten und an diesem Schreiben hatte, ist um so weniger zu bezweifeln, da dieser Kanzler seinen Herrn im Anfange des Feldzugs begleitete und fernerhin die Absichten desselben trotz aller Hindernisse glücklich ausführte.
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J. A. h. z. m.
V. g. g. z. Erbare und hochgelarte Rethe vnd liebe getreuen. Wir hetten euch genumenem abschiede nach vnser gemut gnediglich vnd gern zu erkennen geben, wir seint aber des eilenden anzugs halben bisher daran vorhindert wordenn.
Who nhun Holsteindorfs handel durch euch noch nicht vorrichtet ist, So begern wir, ir wollet seine freunde zum furderlichsten für euch bescheiden vnd nach erzalter mißhandlung, deren sie sich zum theil auch mit theilhaftig gemacht, die sache auf die Wege richten, das Achim Liuezouen sein abgeschatzt geldt entrichtet oder genugsam versichert, dem Richter zu Brandenburgk die vnkosten erlegt vnnd den beiden weggefhurten bürgern zu Brandenburgk für Iren schaden ein ziemlichs, als vngefherlich drey oder zwe hundert gulden erstatet werde, vnnd whan solchs alles geschehen, den gefangnen auf einen geschwornen vrfriden seiner gefengnuß entledigen, auf der angefangenen rechtfertigung wider seine freunde vnd helffer vnserthalben renunciiren, doch das vnsere aufgewandte scheden vnd vnkosten vnd seine anforderung gegen einander aufgehoben werden.
Zum andern begern wir gnediglich, ir wollet aufs aller erste etzliche vnßere vnderthanen auß den Stedten, auch vom adel vnd vnsere Ambleute auf einen gewissen tag zusammen fordern, vnnd den Stift Ratzenburgk, sonderlich aber die beide heuser Schonbergk vnd Stoue mit alle Irer zugehorung vnserthalben einnehmen vnnd des Stifts vnderthanen vns hulden vnd schweren lassen, dazu vns dan stadtliche vrsachen vnd vnter anderm auch das sie vnserm hern vnd vater loblicher seliger gedechtnuß vnd vns in vielen Jharen das schuldige schutzgeldt nicht entrichtet, bewegen thun.
Zum dritten begern wir, ir wollet durch den Ern D. Aurifabrum, Ern Ribling, Ern Omeken vnd Mgr. Symon Leupoldt, denen Jr an itzlichem Orte die ampleute sollet zuordnen, die Visitation fur die handt nehmen, die abgotterei vnd papistische diener allethalben abschaffen vnd die reine gotliche Lehr vnd christliche Ceremonien aufrichten, christliche predicanten verordnen, Inen auch
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vnd den schulmeistern notturftige ziemliche vnterhaltung machen, vnnd alles so zu den kirchen gehörig an geistlichen Lehnen vnd sonsten vleysig aufschreiben, auch allen denen, so nicht kirchendiener, wer sie auch sein, Ire Lehne einziehen vnd das geldt einfordern vnd hinterlegen lassen, da auch ethwas von pauren, burgern oder edelleuten vntergeschlagen ist, dasselbe dazu widerbringen, damit wir von demselben vnd andern geistlichen gütern zu vnser glucklichen heimkunft, wils got die vniuersität, auch junge gesellen vom adel vnd andere ihm studio vnterhalten vnd die armen dauon versorgen können. Vnser bedenken etzlichers Closter halben wird euch vnser Licentiate anzeigen; mit dem werdet ihr euch vorgleichen vnd vnser bestes, wie vnser vertrauen zu euch stehet, treulich allenthalben helffen fortsetzen.
Der Canzler D. Zciring hat sich allerlei nachteilige vneinickeit zwischen vnserm Vetter loblicher seliger gedechtnuß vnd vnß und vnsern fr. lieben brudern anzurichten bevlissen, Vnsern lieben seligen Vetter auch darauf geleitet, das S. L. in derselben hochsten Alter vnd Schwachheit sich widerumb vorehlicht, wie er dan gleiche practicken mit vnserm Vetter Hertzog philipsen vorgehabt, vngeachtet aller vmbstende, Zu dem das er allerley Finanzen von den parthen genumen, vnß auch vnd vnsern fr. lieben brudern nach vnsers lieben vettern absterben die heuser vorzuenthalten sich vnterstanden, auch von Gustrou kurtz für vnsers seligen Vettern absterben vhier kasten nach Schweryn hinten in sein behausung sol haben bringen lassen, dadurch vnd auß andern mehr vrsachen wir bewogen worden, Inen vorstricken zu lassen. Nhun begern wir, Inen zu erfordern vnd Ime solchs alles vorzuhalten, der weggefurten kasten halben bericht von Ime zu fordern vnnd wiewol wir ethwas weiters wider Inen vorzunehmen vrsach hetten, so sein wir doch fridlich, geschehener vorbit halben, das ir es dahin richtet, das er seine bestallung von sich gebe, einen Vrfriden thue, mit der Zusage, hinfurder wider vns vnd vnsere bruder mit nichten zu handeln, vnnd darauf seiner bestrickung entledigt werde vnnd sich an andere orter, who es ym gelegen, vorfüge. Es sollen auch alle Cantzleihendel von Ime gefordert, vnnd who er sich diesen beschiedt anzunehmen wegern wirdet, soll er
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in sein hauß, darauß sich ane vnsern wissen vnd willen gar nicht zu begeben, ferner vorstrickt, Ime auch alsbaldt futer vnd mhal abgeschaft werden.
Mit her Gerhart Omeke begern wir zu handeln, das er mit der probstei einkhommen, einem ochsen, 4 hamel vnd 4 schweinen friedlich sein wolte, wo nicht, mag er sich ferner vorsehen.
Da sich Jmant vnsere Lande zu befheden oder zu bekrigen vnterstehen wurde, Begern wir, ir wollet ungeseumpt vns solchs zuerkennen geben vnnd auf den vhal eylents bei vnsern fr. lieben vettern Hertzog Augusto zu Sachsen vnd Marggraf Hansen zu Brandenburgk vmb hulf vnd zuzug bitten vnd anregen, die vns solchs vormuge aufgerichter buntnuß schuldig, derwegen auch die kn. zu Tene:, den Churf, z. Brandenb. vnd die Hertzogen zu Preußen ersuchen.
Wir begern auch, ir wollet Hans von Blankenborch vnd Achim Lutzouen zu euch bescheiden, mit Inen handeln, das sie vns ein hundert pferde annehmen vnd zufhuren mochten, Inen auch dazu etzlich hundert thaler durch vnsern rentmeister zustellen lassen.
Letzlich weill wir vnns der waren Religion vnd deutscher freiheitt halben, vnnd also vnnsern Landen vnd Leuthen nur zum besten, In diese kriegshandlung eingelassenn vnnd 600 pferde, so lang der krieg wehret, vor vns vnnd vnsers seligen vettern halben vnterhalten mussen vnnd solchs ahn vnnserer lieben getrewen vntherthanen hulff nicht kann noch mag geschehen, So begeren wir gnediglich, Ihr wollet euch eines gemeinen Landtages vergleichen, denselben ausschreiben vnnd bei vnnsern lieben getrewen vnderthanen vnnsernthalben mit vleis anhaltenn, das sie solche Reutter zu vnterhaltenn auff sich nehmen odder je zum wenigstenn eine ansehenliche hulff dazu bewilligen wollenn, damit solche Reuter mugen vnterhalten werden.
Daran thut Ihr vnns allenthalben gutt gefallenn mit gnaden vnnd allem gueten zu beschulden.
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Erläuterungen.
1. Holstendorf.
In den letzten Jahren der Regierung der Herzoge Heinrich und Albrecht, namentlich seit dem Jahre 1540, hatten Raubfehden und Selbsthülfen wieder überhand genommen; dies zeigte sich vorzüglich an den pommerschen und brandenburgischen Grenzen; denn die Klagen der beiderseitigen Fürsten wurden häufiger. Der vorliegende Fall war einer der merkwürdigsten in der Geschichte der Fehden der damaligen Zeit. Franz von Holstendorf, Sohn des Achim Holstendorf zu Jagow, aus dem Geschlechte der Holstendorf, welche lange auf Holstendorf in der Uckermark, zwischen Prentzlau und Woldeck, gesessen hatten (vgl. Brandenb. Landbuch S. 173), hatte dem Herzoge Albrecht von Meklenburg aus seinem Zuge nach Dänemark gedient und hatte dafür so unbillig gefordert, daß der Herzog nicht darauf eingehen konnte. Obgleich F. v. H. sich einer Ermäßigung seiner Forderung durch seinen Landesherren, den Kurfürsten von Brandenburg, unterworfen hatte, so übte er dennoch seit dem J. 1539 die größte Gewalt. Er schlug wiederholt Fehdebriefe an die Thore der Stadt Neu=Brandenburg, zuletzt noch am 24. Mai 1549, führte wiederholt (1541 und 1549) den Burgemeister Hans Bergstein und den Rathmann Achim Behr von Neu=Brandenburg gefangen in seine Veste, beraubte und fing Bürger dieser Stadt, welche von den Jahrmärkten heimzogen, beraubte andere meklenburgische Unterthanen, übte besonders Gewalt an Achim Lewezow zu Lunow, indem er unter falschem Namen gastlich in sein Haus kam, ihn dann überfallen ließ, mißhandelte, beraubte, gefangen hinwegführte und nur für 2800 Gulden, zur "Vermeidung der Leibesgefahr" losließ. Da alle weitläuftigen Unterhandlungen mit dem Raubritter und seinen Fürsten zu keinem Ende führen wollten, so ward er 1549 im "Schwandter Holze, zwischen Neu=Brandenburg und Ankershagen" gefangen, und es sollte ihm der peinliche Prozeß gemacht werden. Es legten sich andere Fürsten ins Mittel: die Fürsten von Brandenburg, Sachsen und Preußen und deren Gemahlinnen; der Kurfürst von Brandenburg forderte den Gefangenen am Dienstag nach Laurentii 1551 von dem Herzoge Heinrich zurück, um ihn, nach den Erbverträgen, von seinen Gerichten richten zu lassen. Aber die Herzoge Albrecht und Heinrich waren darüber weggestorben; erst Johann Albrecht nahm sich gleich der Sache ernsthaft an. In der hier mitgetheilten Verordung machte er Vorschläge, welche auch ausgeführt wurden, indem Franz von Hostendorf am Tage Petri und Pauli (29. Junii) 1552
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zu Neu=Brandenburg seinen Ansprüchen entsagte, die von ihm verursachten Schäden, namentlich an Lewezow, ersetzte und Urfehde schwur, wogegen ihm die "Leibesstrafe" erlassen und die Freiheit geschenkt ward.
2. Die Huldigung des Stifts Ratzeburg ward einstweilen wohl durch den Einfall des Grafen Volrad von Mansfeld unterbrochen. Vgl. Masch Bisth. Ratzeb., S. 495-501.
3. Licentiat:, ist der Canzler Johannes von Lucka, welcher den Herzog auf seinem Feldzuge begleitete, nach dieser Verordnung aber früher heimkehrte.
4. Mit den Klöstern sind wohl die Feldklöster gemeint; vgl. Rudloff M. G. III, S. 133 flgd., und Jahrb. I, S. 32.
5. Canzler Zciring oder Scheyring. Hier wird der Grund der fürstlichen Ungnade völlig klar. Scheyring ward am 19. Dec. 1547 auf 3 Jahre zum Canzler des Herzogs Heinrich bestellt, nach dem Tode desselben gefänglich eingezogen und im J. 1553 seiner Haft entlassen; er ging wieder nach Magdeburg zurück, wo er bald darauf starb (nimio vini haustu interiit, sagt der Archivar Schulz), In einem Geldregister des Herzogs Johann Albrecht vom J. 1557 heißt es:
"Der Ziringschen vf den Vortrag geben 300 fl. (20 Junii)",
und:
"247 goldfl. 2 ßl. Doctor Johann Schirings nachgelassen witfrawen den Rest, so man Ihr zu gebenn vorwilligt hat. Swerin den letzten Octobris".
6. Gerhart Oemeke war Propst zu Güstrow.
7. Die 600 Pferde wurden von den Landständen nicht bewilligt. Vgl. die angeführten LTV. von 1552.
8. Ueber die Erwartungen, welche man von dem jungen Herzoge Johann Albrecht für die evangelische Lehre hegte, vergleiche man den folgenden Brief von Agricola an den Herzog.
Illustrissime princeps ac domine clementiss: Dedi operam sedulo, vt t. ill. d. haberet hominem eruditum ac piis et honestis moribus praeditum, verum coelibem inuenire non potui. Nam qui nunc sunt, Deum metuunt noluntque mala conscientia sine uxoribus viuere et scortari.
Mitto ad t. ill. d. historiam passionis D. nostri Hiesu Christi. [Ali]quos libellos paulo post conquiram . . . diligentia atque mittam, cum . erior . . . homin . . . mihi p . . . s . as erit. Gra[tulor] autem ditioni
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ill. d. t. eo [quo]d sinceriorem doctrinam per t. ill. d. [ha]bitura sit, qui thesaurus est vere omnium maximus. Hoc n: modo appellat principes Esaias propheta: Nutricios ecclesiae. Et ps. ait: Principes populorum congregati sunt ad populum Dei Abraham, Quoniam scuta terrae valde exaltati sunt. Et sunt principes non tantum secundae, sed primae etiam tabulae custodes, vt per eos floreat ecclesia et politeia. Macte igitur virtutis esto, princeps Illustriss. Aderit Deus Opt. Max. ceptis ill. d. t. Berlini pridie Ns. Julij Anno MDXLVII.
T. ill. d.
d. d.
Joann.
Agricola
Isleben.
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:
Das Leben
des
des Aelteren,
von
A. F. W. Gloeckler.
K aum irgend eine Zeit der deutschen Geschichte ist so schwierig und widerwärtig darzustellen, als die zweite Zeitfolge der Reformation (1555 - 1618). Die katholischen Reichsstände geriethen in Schrecken, wenn der benachbarte protestantische Fürst einen Rittmeister in Dienst nahm. Jedes rauschende Blatt war den Protestanten Anlaß des Verdachtes. Aber während das Papstthum mit den Jesuiten frische Kraft entwickelte, schwächte innere Trennung die deutsch=protestantische Partei. Bei dem langen und bittern Gezänke der Schultheologen ermattete das Streben, wirklich zu bessern. Manche Landesherren und viele Gebildete theilten den Haß der Lutheraner und der Reformirten gegeneinander. Jene hätten lieber den Katholiken, als den "Sectirern vnd Sacramentirern, so die luttereine leer zerstören," Beistand geleistet. - Das den Deutschen eigenthümliche Recht ging unter, zugleich bei neuen Handelswegen städtischer Reichthum und der lebendige Geist der Gemeinden. Die Kunst verlor durch Verkennung des Mittelalters ihre volksthümliche Grundlage; die Ueberschätzung oder das Mißverständniß der Alten trübte das neue Licht der Wissenschaft. Die Hexenverfolgung, die härtere Leibeigenschaft, die Goldmacherei, die Rangstreitigkeiten, die verkehrte Nachahmung des Fremden in der Sitte und die Vermischung der Formen in der Kunst wurden geübt oder nahmen schon überhand. - Die Kaisergewalt und der Reichsverband waren geschwächt durch die Religionstrennung der Stände, durch Wahlbedingungen, Uebergriffe Frankreichs und die Türkengefahr; doch erhielten Carls V. nächste Nachfolger, im Besitze von Hausmacht und voll Mäßigung, durch Besetzung der Reichsgerichte,
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Leitung des sich entwickelnden Staatsrechts und Handhabung des Landfriedens das kaiserliche Ansehen. Bald wurden indeß die Reichstage der Schauplatz langwierigen, oft kleinlichen Haders und von den Fürsten seltener in Person besucht. - In den einzelnen Ländern stieg mit der Lockerung des Lehnsverbandes die monarchische Gewalt. Sie übte das in der Landeshoheit begründete Reformationsrecht und die Befugniß der Bündnisse, benutzte die Zeitereignisse und die religiösen Interessen zur Machtvergrößerung gegen das Reichsoberhaupt und zuweilen im eigenen Lande gegen Ritterschaft und Städte. Dieses und die katholischen Bestrebungen gegen die neue Lehre erzeugten hier und da Willkühr, Neid und Treulosigkeit und in deren Folge viele vereinzelte Zwiste. Die Bedürfnisse der Landesherren steigerten sich, weil die Staaten nicht mehr in abgeschlossener Stille bestehen konnten. Die allgemeine Erregung drängte zu neuer Gestaltung des Staates, wie zu mannichfachen Fortschritten der Bildung hin. Durch das Erwachen alter Wissenschaft, besonders die Verbreitung der Rechtsstudien wurden die Gebrechen der Gesetzgebung und Verwaltung klarer erkannt. In der That geschah um die Mitte des XVI. Jahrhunderts in den meisten deutschen Ländern viel für die Regelung des öffentlichen Lebens 1 ).
Das Verständniß dieser Zeit wird leichter, wenn man das Wirken einzelner hervorragender Männer verfolgt. Denn es geschieht zuweilen, daß die Triebfedern und die großen Ereignisse des Zeitalters sich im Bilde eines Einzelnen wie in einem Spiegel sammeln und beleben. Ein solches Bild mag auch aus dieser Zeit erfreuen, in welcher noch das deutsche Volk für Denk= und Glaubensfreiheit begeistert war, was freilich bei innerem Zwiste die fortgehende Schwächung des Reiches nicht hemmte. Die meisten der Besseren, durch Grundsatzlosigkeit und Genußsucht weniger entkräftet, als heutiges Tages, wollten in Treue der Ueberzeugung und Eifer des Glaubens lieber zu Grunde gehen, als die Wahrheit verläugnen. Nie war die Zahl der Religionsflüchtlinge aller Bekenntnisse in Friedenszeiten so groß, als damals. In den edleren Menschen der Zeit lebten hohe Strebsamkeit, ein ernster entsagender Sinn und unverfälschter oder doch thatkräftiger Eifer für öffentliches Wohl. Zu sehen, wie die fachgelehrten Staatsmänner bei seltenem Um=
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fange der Bildung und wissenschaftlichem Wirken den gemessenen Gang der Geschäfte, unter vielfacher Hemmung von Außen, mit unglaublicher Emsigkeit bis in das Kleinste verfolgten, das Recht auch in Gefahr unwandelbar und offen vertraten und zugleich als Muster in häuslichen Dingen den rein menschlichen Sinn sich bewahrten, fesselt den forschenden Geist.Auch in andern Ländern war diese Zeit die Schule seltener Größen, wie der Thuan und Grotius, denen bei uns ein Chyträus ruhmvoll voranging 1 ).
Zu den weniger bekannten Männern, welche damals in engeren Kreisen das Höchste erstrebten, die Ordnung und Bildung im Staate, gehört Heinrich Husan der Aeltere. Ein Mann, der in einer bewegten Jugend Erfahrung neben tiefen Kenntnissen sammelte, der später, die Geschäfte des Staates mit den Wissenschaften verbindend, nacheinander Advocat und Procurator beim Reichskammergerichte, Professor zu Jena, sächsischer Rath, meklenburgischer Rath und Canzler, endlich Syndicus der Stadt Lüneburg und gleichzeitig mehrerer Fürsten vertrauter Diener war. Geist und Gelehrsamkeit, Fleiß und Eifer, Muth und Beredtheit ließen ihn an der Regelung vieler wichtigen Staatsverhältnisse Theil nehmen. Er gehört der Geschichte von Sachsen, Meklenburg, Lauenburg, Holstein, Dänemark und der Hansestädte mehr oder minder an; die deutsche Geschichte nennt ihn mehrfach in dem unheilvollen Schauspiel der Grumbachschen Händel.
Vorzugsweise denkwürdig ist sein Leben für die Landesgeschichte Meklenburgs. Hier wirkte er in den letzten Zeiten Johann Albrechts I., kämpfend mit den widerwärtigen Umständen vor und nach den Reversalen (1572). In wenig Jahren beförderte und vollzog er - das glückliche Werkzeug eines preiswürdigen Fürsten - die Begründung oder Verbesserung der Gesetze, der Gerichtsbehörden und der Staatsverwaltung durch neue Ordnungen des Hof= und Landgerichts, des gesammten Landes=Polizeiwesens, der Hofcanzlei und durch Errichtung des Consistoriums. Er führte den ermüdenden Kampf für die landesherrlichen Interessen gegen Ritterschaft und Städte auf vielen Landtagen, wirkte wesentlich ein auf den bitteren Streit der Herzoge mit der Stadt Rostock und auf die Grenz= und andern Irrungen Meklenburgs mit benachbarten Staaten.
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Später betrieb er des Herzogs Ulrich Geschäfte in vielen Gesandtschaften, auf Reichs= und Kreistagen und verfaßte das erste Meklenburgische Lehnproject.
Es fehlt nicht an einer Literatur über sein Leben. Das Zedlersche Universal=Lexicon, Moreris grand Dictionnaire , Jöcherers Gelehrten=Lexicon und andere Werke der Art liefern Umrisse desselben. Diese schöpften zum Theil aus Müllers Staats=Cabinet, Marpergers erstem Hundert gelehrter Kaufleute, Beyers Syllabus Rectorum et Professorum Jenae und Zeumers Leben Jenaischer Professoren. Ebenso finden sich in v. Mosers patriotischem Archiv, Bd. II, und in Wehnerts meklenb. gemeinnützigen Blättern, Bd. I, Notizen über das Leben des Husan. Ausführlicher sind die Nachrichten in den hannoverschen gelehrten Anzeigen v. J. 1753, S. 543 - 552. Neuerdings hat Spangenberg in der Ersch=Gruberschen Encyclopädie über Husan geschrieben, ohne jedoch neue Aufschlüsse zu geben. Alle diese Schriften sind sehr unvollständig und in so ferne wohl bedeutungslos, als sie das Wesen und das geschichtliche Wirken dieses Mannes im Zusammenhange nicht ergreifen. Die Verfasser, unbekannt mit den Quellen, geben die spärlichen Nachrichten eines Buches in einem andern wieder, bisweilen zum alten Irrthum neuen fügend. Darin aber stimmen die Meisten überein, daß Husan als Gelehrter und Staatsmann hochberühmt gewesen und sein Leben erforscht und erzählt zu werden würdig sei.
Unter den Zeitgenossen feiern ihn Einige, wie N. Chytraeus, P. Lindenberg, H. Ranzow, Fichardus und Andere mit dichterischem, nicht selten übertriebenem Eifer. Aber auch Caselius und der holsteinische Vice=Canzler J. Marcus gedenken seiner in ernsten Reden mit gemessenem, begründeten Lobe 1 ).
Ueber seine Theilnahme an den Grumbachschen Händeln sind wichtige Actenauszüge gedruckt in des gleichzeitigen Langneti historia belli Gothani, 1568. 4., in des Rudolphi Gotha diplomatica, Mülleri annales Saxoniae und besonders in Häberlins Geschichte des deutschen Reiches, Bd. VII, S. 2 - 42.
Die meklenburgischen Geschichtswerke enthalten
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über Husans Leben dürftige Nachrichten 1 ), wahrscheinlich weil er Zeitgenosse vieler hervorragender Personen und Ereignisse war und sein Wirken in unserm Lande bei nur siebenjähriger Amtsführung Vielen als vorübergehend erschienen ist. Dem Wesen nach hat er für Meklenburg lange gelebt und in mancher Hinsicht ist auf seinen Werken fortgebauet worden. Sein Andenken verdient eine dankbare Erneuerung in quellengeschichtlicher Wahrheit.
Der im Geheimen und Haupt=Archiv zu Schwerin vorhandene Stoff dieser Beschreibung ist umfänglich und in vielen Theilen der Acten zerstreut, doch nicht überall ausreichend, den Anfang und das Ende des Mannes wenig berührend. Diesen Mangel ersetzen zum Theil des Husan eigene Werke, namentlich seine von Nathan Chyträus im J. 1577 und von Michael Lange im J. 1601 gesammelten Dichtungen. Außerdem ist die Litteratur zur Ergänzung und Vergleichung benutzt und - vielleicht zu oft - nachgewiesen worden 2 ).
1.
Heinrich Husan
als
Jüngling, Lehrer und
Staatsmann
im Vaterlande.
(1536 - 1566.)
Heinrich Husan ward am 6. December 1536 zu Eisenach geboren. Sein Vater, Johann Husan, Burgemeister daselbst, war ein verdienter und unbescholtener Mann, in Ansehen und Wohlhabenheit lebend. Der Sohn ward mit zärt=
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licher Sorgfalt, aber in strenger Zucht und Sitteneinfalt erzogen. Die Grundsätze der neuen Lehre wurden ihm frühzeitig in die Seele geprägt. Da der Knabe lebendigen Geist und muntere Thatkraft zeigte, bestimmten ihn die Eltern, seiner eigenen Neigung entsprechend, für den Handel. Zur Erlernung des großen kaufmännischen Geschäfts sandten sie ihn, noch in zartem Alter, nach Bergen auf das Hansische Comptoir, welches damals unter den vier Hauptniederlagen der Hansa allein noch den alten Glanz bewahrte. Auf der Reise dorthin ward der von allem Heimathlichen verlassene Knabe von den Unfällen der Seekrankheit und der Stürme betroffen. Doch dieses entmuthigt ihn nicht. Zu Bergen angelangt mußte er als angehender Lehrling das norwegische Wasserspiel bestehen. Die hansische Sitte gebot, die Kraft und Tüchtigkeit junger Kaufleute durch schmerzhafte und gefahrvolle äußere Proben zu erhärten. Dadurch wurden die Jünglinge hansisch gemacht. Die erste Probe bestand darin, daß sie nackend ins Meer gestürzt und mit Ruthen gepeitscht wurden 1 ). Als Husan diese Probe bestand, ward er übel zugerichtet. Mehr noch war es die rauhe, oft schnöde Behandlung der Lehrlinge, welche ihm den künftigen Beruf verleidete. Er sandte sein beim Wasserspiele blutig gewordenes Hemde der Mutter und klagte über die hansische Härte. Die Mutter bewirkte seine Zurückberufung ins Vaterland, wo er im J. 1550 wieder anlangte. Empfänglich für das Wissen setzte er zu Eisenach seine Schulbildung fort, welche ihn bei leichter Fassungskraft und emsigem Fleiße rasch für höhere Bildungsanstalten heranreifen ließ. Unter seinen damaligen Lehrern gedenkt er in spätern Gedichten mit rühmender Dankbarkeit des Bartholomaeus Rosini, eines eifrigen, edlen Zöglings der Reformatoren. Unter der Leitung dieses Mannes erhielt Husans Bildung eine classische und religiöse Begründung; doch entschied er sich für das Studium der Rechte. Er bezog, noch nicht 17 Jahre alt, die Universität zu Wittenberg, wo er am 31. Mai 1553 eingeschrieben ward. Hier hörte er mehrere berühmte Lehrer in verschiedenen Fächern, zunächst mit begeistertem Eifer die Vorträge des Melanthon, und erfreuete sich der Pflege des als Dichter gekrönten Stigelius, seines Landsmannes. Beiden zollt er in seinen Dichtungen Liebe, Ehrfurcht und hohe Bewunderung. Er strebte gemeinsam mit
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Friedrich Videbrand, seinem Mitschüler zu Eisenach, der ihm ein Bruder war und dem er, nach schwerer Trennung, immer zugethan blieb. Im J. 1556 besuchte er die Studienanstalt zu Ingolstadt, verweilte hier aber nur kurze Zeit, vielleicht aus religiösen Beweggründen. Von hier ging er auf die französische Hochschule zu Bourges und pflegte daselbst im J. 1557 - da das durch bürgerlichen Krieg zerrissene Frankreich von Spanien und England bedrängt ward - mit großem Eifer die Rechtswissenschaft. Die Pandecten hörte er bei dem berühmten Duraren, der ihn in die quellenmäßige Erkenntniß des römischen Rechtes einführte. Er studirte die Justinianeischen Gesetzbücher, versuchte sich in Redeübungen und las die Werke der Alten. Auch ritterlichen Uebungen lag er ob; die Landessprache erlernte er in kurzer Zeit. Hier verschied am Fieber sein Landsmann, der ihm enge befreundete Hausgenosse Martin Hirtemar, ein edler Jüngling, für das Höhere schwärmend, der frühzeitig Ungemach erduldet hatte. Husan betrauerte ihn mit tiefem Schmerze. Im J. 1558 begab er sich über Lyon, von wo er seine Liebe zu einem schönen Mädchen dem Freunde Gordi in Versen beschrieb, nach Padua. Auf dieser Universität vollendete er seine Studien, deren Hauptgegenstand nun das Lehn= und römische Recht bildeten. Rasch bemeisterte er sich der Sprache Italiens und bereiste mehrere Gegenden dieses schönen Landes. Die Unerfahrenheit und Hingebung der Jugend mußte er mit großem Schmerzenspreise zahlen, wie er warnend dem Ulysses Venturi schrieb, mit dem er zu Padua beisammenlebte. Dieses Ungemach erzeugte oder verschlimmerte ein hitziges Fieber, an dem er Ostern 1559 in Padua schwer erkrankte. Zu der Zeit, da in der Natur Alles Freude athmete, lag er hoffnungslos darnieder, mit Sehnsucht des Vaterhauses gedenkend, des Geschickes harrend, in fremder Erde unbekannt zu ruhen. Allmählig genas er. Aber seit dieser Zeit trafen ihn oft körperliche Leiden, die später andauernder und heftiger wurden, wie Herzklopfen und Bruchschaden. Doch die Schule des Rosini und Melanthon hatte in ihm einen ernsten, muthvollen, von der Wissenschaft befruchteten Sinn geweckt, einen Sinn, den die Ereignisse des Jugendlebens, verbunden mit dem Anblick der Zerstörung und des Elendes eben geführter Kriege in Deutschland, Frankreich und Italien, fester gestalteten. Denn sie übten ihn in Seelenstärke und in gläubiger Ergebung des Gemüths, die seitdem, oft wohl der einzige Trost in schweren Tagen, ihm immerdar verblieb.
Von Padua kehrte Husan in das elterliche Haus zurück. Im J. 1560 begab er sich nach Speier, um beim Reichs=
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kammergerichte die Anwendung der Rechtslehren zu versuchen. Zwei Jahre lang übte er die Praxis nicht ohne Erfolg; machte sich gründlich bekannt mit dem Verfahren des höchsten Reichsgerichtes und erlernte die Pflicht und Geschicklichkeit der Geschäftsführer. Bald bewies er Gelehrsamkeit und Fleiß, Gewandtheit in schwierigen Dingen und Festigkeit des Sinnes. Dies erwarb ihm einigen Ruf.
In Kurzem nahm ihn sein Vaterland in Anspruch. Der am 2. Februar 1558 geweihten Universität zu Jena fehlten in einigen Fächern noch Lehrer, namentlich für die Rechtswissenschaft. Husan ward - vielleicht nicht ohne Mitwirkung der Angehörigen - am 6. September 1561, da er noch nicht 25 Jahre zählte, als Rechtslehrer an die neue Hochschule berufen. Er erwarb zu Jena die juristische Doctorwürde und begann als Lehrer nach Kräften zu wirken. Aber diese Zeit feindseligen Eifers war dem Aufblühen der Anstalt nicht günstig. Durch den Hader der Schultheologen, angefacht vom schroffen Eifer des Herzogs Johann Friedrich des Mittleren 1 ) von Sachsen und seines Canzlers Brück, war schon am 27. März 1559 ein gewaltsames Einschreiten gegen Strigelius veranlaßt; am 10. Julius 1562 wurden sogar - neben 40 sächsischen Geistlichen - 4 Professoren Jena's, unter denen Wigand, gleichzeitig entsetzt und vertrieben. Alsbald verminderte sich die Zahl der Studenten; die Erbitterung blieb unter vielen Gelehrten andauernd. Doch Husan hielt sich ferne von dem leidenschaftlichen Treiben der Meisten; er fuhr unverdrossen fort im Lehramte.
In diese Zeit, vielleicht schon in das Jahr 1561, fällt seine Heirath mit Regina Rudolph, der Tochter des sachsen= gothaischen Kammersecretairs Johann Rudolph, von der ihm nach Einigen schon im J. 1562 eine Tochter geboren ward. Doch wenn er sich häuslichen Glückes erfreuete, so blieb er auch nicht frei von Kummer. Am 5. April 1563 starb zu Eisenach sein Vater, den er wehmuthsvoll betrauerte. Zudem war er mit den Angehörigen seiner Frau in Manchem nicht einstimmig, und obwohl ein liebender Gatte, scheint er sich doch den Eltern der Frau und den Schwägern, welche höhere Aemter in Thüringen bekleideten, nie mit ganzer Liebe ergeben zu haben. Aber hierbei bewies er die Entschiedenheit seiner Denkart und jene Offenheit des Sinnes, welche die Wahr=
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heit nicht verhehlt, auch wenn sie Feindschaft erweckt. So schrieb er am 14. September 1563 dem Schwiegervater: ich verehre und liebe Dich und Deine Frau, wie die Eltern, und habe es bisher in Rath und That bewiesen; ihr aber scheint mir mehr auf schauspielerische Geberden und leeren äußern Glanz zu sehen und darnach das Innere zu schätzen, welcher Täuschung ich von Natur stets fremd gewesen bin und immerdar sein werde; ich will lieber von Gott mein Gewissen geprüft sehen, als falsche und erdichtete Mienen und Reden von den Menschen 1 ).
Inzwischen war Husan vom Herzoge Joh. Friedrich, der in mißlichen Bestrebungen Diener von hoher Fähigkeit bedurfte, auch als Rath von Haus aus für einzelne Geschäfte, besonders Gesandtschaften bestellt worden 2 ). Obwohl er zunächst in Jena wohnhaft und als Professor wirkend, verblieb, ward er doch bald, als die Stellung des Herzogs gefahrvoller wurde, mit geheimen Sendungen beauftragt. Den H. Joh. Friedrich verleitete Unduldsamkeit zu übereilten Handlungen der Härte in Religionssachen, so wie Ehrgeiz zum Hasse gegen das neue sächsische Kurhaus und zu dem Streben, die verlornen Länder des Vaters wieder zu gewinnen. Als der geächtete Wilhelm von Grumbach 3 ), ein entschlossener, verwegener Mann von großer Erfahrung, nach vergeblich vollbrachtem Frevel gewahrend, daß er den Feinden nicht länger widerstehen könne, sich in den Schutz Joh. Friedrichs begab, nahm ihn dieser im December 1563 als ein Werkzeug für die Zukunft gnädig auf. Aber Grumbach hatte den Religionshaß eben so gemißbraucht, wie die "altritterliche Freiheit", und durch Verbindung mit unzufriedenen Vasallen manchen Landesherren gefährlich, bedrohete er die Ruhe des Reiches; er mußte unschädlich gemacht, die Acht gegen ihn vollzogen werden. Es erfolgten bald, im Januar und Februar 1564, kaiserliche und andere Abmahnungsschreiben an den Herzog; doch dieser, trotzend auf die Feste Grimmenstein,
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eingedenk der schwachen Vollziehung der Acht in früheren Tagen, auch von den Geächteten und einigen Dienern in Thorheit bestärkt, war der Warnung nicht zugänglich. Er schmiedete Pläne und warb um den Beistand der protestantischen Fürsten, unter denen ihm einige wegen seines Eifers für die neue Lehre oder durch Verwandtschaft zugethan waren.
Im Mai 1564 ward Husan an den Hof des Kurfürsten von Brandenburg gesandt, um über die durch das Naumburger Bündniß - im März 1555 - begründeten Verpflichtungen zum Schutze der Glaubens=Verwandten zu verhandeln. Zugleich sollte er die Gesinnung des Kurfürsten über die Aufnahme Grumbachs und deren Folgen erforschen und wo möglich jenen für die Sache des Letzteren gewinnen. Der Kurfürst mißbilligte zwar den Schutz der Geächteten und rieth zum Gehorsam gegen den Kaiser; doch erwirkte Husan so viel, daß der Kurfürst am 21. Mai zu Gunsten Grumbachs ein Fürschreiben an den Kaiser erließ, in welchem er unter Hinweisung auf die drohende Stellung des Lehnadels und die Gefahren eines inneren Kriegs den Wunsch aussprach, die Sache Grumbachs einstweilen auf sich beruhen zu lassen 1 ).
Hier zuerst scheint Husan das Mißliche dieser Händel und seiner eigenen Lage klarer erkannt zu haben. Denn war es auch nicht offen und geradezu die Sache der Geächteten, die er vertreten mußte, so blieb doch sein Wirken zweideutig und gefahrvoll. Daher war er nicht abgeneigt, den Dienst des Joh. Friedrich zu verlassen, als ihn der preußische Rath Elias von Konitz im Auftrage des Herzogs Johann Albrecht I. von Meklenburg hiezu einlud. Dieser suchte ihn in eigenhändigen Schreiben für sich zu gewinnen und wollte durch David Pfeifer zu Gotha seine Entlassung erwirken. Diese ward jedoch verweigert, da Husan zu neuen Sendungen bestimmt war; vergeblich bat Joh. Albrecht am 11. Juli 1564 noch einmal den Herzog um einen gelehrten Rath und guten Lateiner 2 ).
Alsbald nach seiner Rückkehr vom Kurfürsten erhielt Husan am 30. Juni auf dem Grimmenstein dieAnweisung für eine geheime Botschaft an die Königin Elisabeth von England. Er sollte diese an die Freundschaft ihres Vaters gegen den unglücklichen Kurfürsten erinnern und ihr vorstellen, wie zwar in England die neue Lehre gesiegt habe, aber hier wie anderswo
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deren Bekenner in Gefahr schwebten. Der Papst - Pius IV. - habe viele katholische Mächte in einem geheimen Bunde vereinigt, um die Tridentiner Beschlüsse überall durchzuführen. Frankreich solle Schottland, Spanien England bekriegen, wozu der Papst große Geldsummen anhäufe. Schon würden von dessen Neffen Kerntruppen am Bodensee gesammelt und die Werbungen gingen fort unter dem Vorwande eines neapolitanischen Krieges gegen die Mauren. Weil auch aus Deutschland viele tapfere Männer in das feindliche Lager eilten, die Gefahr Englands bei den erschöpften Geldmitteln Frankreichs geringer sei, dagegen der Kurfürst Joh. Friedrich für die gute Sache kämpfend seine besten Länder verloren habe, und er, der Herzog, für die Religionsfreiheit, wie die Königin durch die vorigen Gesandten wisse, Gut und Blut wagen wolle, so sei ein zeitiges Bündniß der Bekenner der neuen Lehre zu wünschen. Er erbiete sich daher zu Rath, Dienst und Beistand und bitte, mit seinem Gesandten über eine Kriegsbestallung die Zahl und den Sold anzuwerbender Truppen zu verhandeln. Zunächst wünsche er eine Summe Geldes, welches der Nerv des Krieges sei und die von ihm sicher, wie im Schatze zu London, bewahrt werden solle. - Husan verließ ungerne, da eben zum zweiten Male ihm Vaterfreude bevorstand, in den ersten Tagen des Juli den Grimmenstein. Mit polnischen Rossen eilte er durch Franken und Lothringen nach Fontainebleau, wo er dem jugendlichen Könige Franz II. im Namen Joh. Friedrichs Ehrfurcht bezeugte. Ueber Peronne begab er sich nach Calais und landete am Ende des Monats in England, wo er Elisabeth zu Canterbury traf. Er ward zwar freundlich empfangen, richtete aber Wesentliches nicht aus. Die Königin war durch Gesandte und Kundschafter mit dem Zustande Deutschlands bekannt, im eigenen Reiche mit Sorge belastet, beunruhigt durch das Treiben der Maria Stuart und das Mißvergnügen in Schottland. - Sie legte daher auf Joh. Friedrichs Anträge kein besonderes Gewicht; der schlaue Staatssecretair Cecil Burleigh vermied, so scheint es, die eigentliche Verhandlung, Unwohlsein und das Gewühl der königlichen Reise vorschützend. Husan empfing schließlich zwar höfliche, aber in der Hauptsache ausweichende und auf die Zukunft verweisende Antworten. Elisabeth schrieb, Canterbury den 9. August, dem Herzoge: sie habe unlängst von den Gesinnungen und Plänen ihrer Widersacher gehört, aber diese würden ihre Ohnmacht, Feindseliges gegen sie auszuführen, empfinden. Doch mißachte sie nicht die Anerbietungen und Rathschläge des Herzogs, dessen Gesandter seinen Auftrag mit Klugheit und Fleiß vollführt
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habe. Sie danke dem Herzoge und werde sich seines Rathes nach Zeit und Umständen bedienen.
Unwesentlich erscheint also das Ergebniß der Sendung; doch Husan, vielleicht weil er besondere mündliche Eröffnungen Burleighs brachte oder der einflußreiche Schwiegervater ihn förderte, stieg in der Gunst Joh. Friedrichs. Dieser schenkte ihm am 5. October 1564 ein Grundstück zu Jena, frei von Abgaben und mit dem Vorrechte, Wasser aus der Leutra zu leiten, auf dem er im Laufe des Jahrs 1565 an einem stattlichen Wohnhause bauete 1 ). Zugleich bestellte ihn der Herzog, anscheinend ohne ihn förmlich des Lehramts zu entheben, zum wirklichen Hofrath auf 8 Jahre und sagte ihm eine besondere Begnadigung von 3000 Gulden zu.
Als Husan in den geheimen Rath Joh. Friedrichs eintrat, war der Secretair Rudolph, vertraut mit den wichtigsten Sachen des sächsischen Hauses, zu Gunsten Grumbachs gesinnt und galt mehr fast, als der Canzler Brück, der den Schutz der Geächteten damals mißbilligte. Der Canzler haßte den Rudolph und den aufstrebenden Neuling Husan, die vermeintlich des Fürsten Gunst ihm entzogen. Husan ahnete zwar nicht den bösen Ausgang der Sache, den diese wirklich genommen hat, aber einen rühmlichen durfte er beim Fortschreiten auf der betretenen Bahn nicht hoffen. Er suchte dahin zu wirken, daß wenn man den Grumbach nicht sofort aufgeben wolle, doch zugleich versöhnende Schritte gethan würden. In Folge dessen ward er im J. 1565 zum Kaiser Maximilian II. nach Wien gesandt 2 ), um das bisherige Benehmen Joh. Friedrichs hinsichtlich Grumbachs, besonders mit der Absicht der Beruhigung und leichteren Ausgleichung desselben mit den Feinden, zu entschuldigen und den Kaiser gütig zu stimmen. Maximilian belobte zwar den Zweck dieser Sendung, verwies aber wegen der Sache auf den künftigen Reichstag und ließ Unmuth über den Herzog blicken. Zasius, der Vice=Canzler, ein feiner Staatsmann, obwohl die Wirkung des zu Gotha und sonstwo politisch genährten Religionshasses fürchtend 3 ), sagte eines Tages in Husans Gegenwart während der Tafel: der Kaiser kenne die Mittel, die Grumbachschen Händel zu endigen und werde der Gewalt sich
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bedienen. Als Husan, mit den kaiserlichen Vertrauten verkehrend, tiefer in das Getriebe der deutschen Staatshändel eindrang, gestaltete sich seine Ansicht entschiedener gegen die Beschützung Grumbachs. Heimgekehrt von Wien, wo er seine Stellung nicht unrühmlich behauptet hatte, rieth er seinen Herrn von fernerer Theilnahme am Schicksale Grumbachs ab.
Indessen drängten sich schnell andere Geschäfte auf, bei denen Husan als ein besonders geschickter und eifriger Diener erprobt ward 1 ). Zwischen den drei Gebrüdern, welche als sächsische Horzoge bisher unter Führung Joh. Friedrichs, des ältesten Bruders, gemeinsam regierten, bestand seit lange vielfacher Zwist, den ein am 20. August 1565 geschlossener Vertrag nicht aufhob. Als am 31. October d. J. der jüngste der Brüder starb, ward der Streit heftiger angefacht, sei es durch Ränke Grumbachs und einiger Räthe, oder durch Herrschbegierde und Starrsinn Joh. Friedrichs. Da beförderten Husan und Rudolph eine Vermittelung durch den Schwiegervater des Herzogs, den Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz. Nach vieler Verhandlung kam zu Weimar am 21. Februar 1566 ein Absonderungs=Vergleich zu Stande, bei welchem Husan den gedeihlichen Abschluß, wie den Nutzen seines Herrn - dessen erhaltener weimarscher Landestheil Vielen als der bessere erschien - unermüdet, mit Umsicht und nicht ohne Hader verfolgt hatte. Damals gewann ihn der in Thüringen anwesende Kurfürst lieb und belobte sein Verhalten in der Theilung, während der Herzog Johann Wilhelm, der jüngere Bruder, dem zum Nachtheil er die Sachen geführt haben sollte, ihm zürnte, so daß dieselbe Handlung Husans bei dem Einen Gunst und bei dem Andern Unwillen für alle spätere Zeit ihm erweckte.
Während auf solche Weise Husan anscheinend mit Glück - der ihm feindlich gesinnte Canzler war als vermeintliche Ursache des brüderlichen Zwistes, auch des Verfalls der Universität entlassen und des verschriebenen Amtes Tenneberg entsetzt, dem Husan aber war Gnade erwiesen - die Geschäfte seines Herrn vollführte, ereilte Beide, und den Diener zuerst, die Zeit bitterer Prüfung. Das Schauspiel der Grumbachschen Händel ging verderbenbringend zu Ende. Noch immer hatte Husan Sinnesänderung des Herzogs erhofft, auch wohl noch an strenger Handhabung der Acht gezweifelt, da die Ueberziehung des mächtigen Grimmenstein schwierig erschien, und
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einige norddeutsche Fürsten, namentlich der Markgraf Johann von Brandenburg und der Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg, in gewisser Weise dem Herzoge beistimmen mochten 1 ). Als dieser im Schutze Grumbachs beharrte und der Reichstag herannahte, warnte Husan inmitten des Dranges der Theilungs=Handlung; ja, er zeigte dem Joh. Friedrich am 29. Januar 1566 in Gegenwart Ruprechts von Buttlar genau die schlimme Aussicht auf die Zukunft, die einzelnen Wege, welche am Reichstage gegen den Herzog auf die Bahn kommen würde. Aber dieser verkannte nicht nur den guten Rath des Husan, sondern befahl ihm auch, noch einmal auf offenem Reichstage die böse Sache zu vertreten. So zog er denn, gemäß des Dieners Pflicht, doch widerstrebend und voll banger Sorge, mit Veit von Obernitz im April 1566 auf den bereits am 23. März eröffneten Reichstag zu Augsburg. Schon vor seiner Ankunft war im Fürstenrathe, vielleicht auf kaiserlichen und kursächsischen Antrieb, da Grumbach gegen Kurfürst August Meuchelmörder gedungen hatte, die Vollziehung
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der Acht - nach vorheriger letzter Warnung - beschlossen und dasselbe stand im Rathe der Kurfürsten bevor.
Nach genauer Anweisung 1 ) sollte Husan die Unschuld Joh. Friedrichs in den einzelnen Puncten, die vielfache Verläumdung desselben und Grumbachs, so wie die Ungerechtigkeit des Bischofs von Würzburg gegen diesen darthun und endlich um Aufhebung der Acht und gütliche Beilegung des Handels nachsuchen. Husan erkannte sofort nach seiner Ankunft die verzweifelte Lage der Dinge, bei welcher ihm schwindelte, je mehr er forschte und warb. Er wiederholte nochmals in denkwürdigen Berichten vom 25. April und 2. Mai die dringendsten Warnungen und Bitten. Nie habe - so schreibt er dem Joh. Friedrich - die Sache des verblendeten Grumbach schlimmer gestanden; der Herzog möge bedenken, wie er vor Gott und Menschen den fernern Schutz eines verlornen, treulosen Mannes, der ihm den Wahn, als wolle er ihn groß machen, vorgebildet habe, verantworten könne. Man rufe offen und einstimmig über Grumbach: kreuziget ihn!; noch stehe der Weg offen: so möge er ihn denn eiligst fortschaffen. Wolle er ihm, dem Husan, auch jetzt keinen Glauben schenken, so möge er zukünftig dieses Schreibens eingedenk sein, denn nicht anders wäre zu schließen, als daß der Herzog mit dem Grumbach werde zu Grunde gehen. Der Kurfürst von der Pfalz rede von der Sache seuszend, mit wehmüthigen Geberden, und bitte Joh. Friedrich herzlich, doch umzukehren. Er möge doch nicht seinem Selbstwahn folgen, sich nicht um seine letzten Länder bringen. Der Kaiser nehme keine Fürbitte mehr an; die Türkensteuer belaste zwar das Reich, aber um so mehr wolle man die Türken im Innern desselben abschaffen. Auch fürchte man zu Augsburg den vermeintlichen Aufruhr der Ritterschaft bei Vollstreckung der Acht nicht. - Husan spare den Fleiß nicht zur Abwendung des Uebels, aber ein armer Diener könne dem Herrn nur rathen, nicht ihn zwingen; wem nicht zu rathen sei, dem stehe nicht zu helfen. Er müsse annehmen, daß der Herzog, auf seinem Sinne beharrend, nicht nachgeben werde, und daher bitten, ihn mit dieser ganzen Sache und allen ferneren Befehlen in derselben zu verschonen, damit er nicht selber in Verdacht und Beschwerung gerathe.
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Wie Husan vorhergesagt, so kamen die Dinge auch im Rathe der Kurfürsten ward Vollstreckung beschlossen; am 12. Mai entsandte der Kaiser Eilboten nach Gotha mit letzter Abmahnung und ließ dann folgenden Tags den Befehl zur Vollziehung der Acht gegen Grumbach, seine Schutzherren und Anhänger zu Augsburg unter freiem Himmel feierlich ausrufen. Die vom Grimmenstein zurückkehrenden Eilboten brachten dem Kaiser vom 15. Mai nichtssagende Antwort des Joh. Friedrich und dem Husan, wie schon vom 7. Mai, neue Befehle zur Werbung. Aber dieser gab nun die Sache seines Herrn verloren, sandte seine Anweisung zurück und erklärte, nicht ferner in dieser Sache ihm dienen zu können. Er sah ihn nie wieder.
Als des Husan Rücktritt den Geächteten kund geworden, sprengten diese - wie oftmals der Schuldige beim Ausgange der Missethat den Anbeginn oder das Ende derselben in dem Fehler eines Andern sucht - in Schmähgedichten und sonstig aus: Husan sei durch große Geldsummen gewonnen, habe zu Augsburg seinen Herrn und Grumbach verrathen und alles Unheil über sie gebracht. Solche Verläumdung war zu jener Zeit, bei der geheimen Weise der Staatsgeschäfte, bei herrschendem Mißtrauen und vielfacher Anfeindung gefährlich, leichter Eingang findend, als heut zu Tage. Dem Husan brachte sie Kummer; flüchtend und gleichsam heimathlos, Manchen verdächtig erscheinend, den Haß der Geächteten auf der Ferse, mußte er diesen Leib und Leben feil tragen 1 ). Zwar entkam er selbst durch Vorsicht und Schutz bei mächtigen Gönnern, aber es schmerzten ihn Amtlostgkeit, Verbannung und das dem Rudolph begegnende, von ihm willenlos geförderte Unglück. Denn nach Husans Abfall zn Augsburg rief Joh. Friedrich den entsetzten Canzler Brück zur Vertretung der Grumbachschen Sache zurück und warf schwere Ungnade auf Rudolph. Dieser, der Gesinnung Husans folgend, auf des Canzlers Anstiften des Verraths an der Feste Grimmenstein angeklagt, ward verhaftet und zu zweien Malen in die Folter gespannt, so daß ihm das Blut aus dem Nabel sprang. Und wenn gleich später vom Kaiser am 5. Julius 1568 für schuldlos und ehrenhaft erklärt, blieb doch jene Schmach für ihn und die Seinigen ein schweres Leid.
Husan begab sich über Speier nach Heidelberg, wo er den Schutz des Kurfürsten genoß und des Ausgangs der
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Achtsvollstreckung harrte. Er klagte damals dem Nicolaus Selnecker, wie ihm nach viel gefahrvoller Mühe für das Vaterland der Lohn der Verbannung geworden sei, und deutete, die Segnungen des Friedens preisend, auf das zerstörende Gefolge des Krieges und die immer wiederkehrende menschliche Leidenschaft und Thorheit hin, welche überall die längere Dauer des Wohls der Staaten verkürzten. Mit Sehnsucht der Heimath gedenkend, stärkten ihn das Bewußtsein guter That und der Trost der Religion; er schloß mit dem Wunsche, daß er bald durch löbliche Thaten die Schmähung, mit welcher Bosheit ihn angreife, möge zurückweisen können 1 ). - Obgleich noch in Gerüchten und Druckschriften, welche von Gotha, Dresden und Augsburg aus in bitteren Anklagen die Leidenschaft der Streitenden nährten, zuweilen ungünstig genannt 2 ), wurden ihm doch vom Kurfürsten und anderen süddeutschen Fürsten Dienstanträge gemacht. Er lehnte sie, vielleicht wegen religiöser Beweggründe ab; als er sich im October 1566, nach der Heimath strebend, dem Herzoge Joh. Wilhelm von Sachsen als Rath antrug, wies ihn dieser unter schwerer Beschuldigung zurück. Im December 1566, da endlich die Belagerung Gothas begann, floh seine bedrohte Familie zu ihm an den Rhein. Mit ihr zog er nach Speier, wo er auf sein Gesuch von dem sächsischen Kurfürsten ein Zeugniß über die Reinheit seines Verhaltens zu Augsburg erhielt. Hier ward er auch von Neuem dem Herzoge Johann Albrecht I. von Meklenburg durch dessen Agenten Heinrich Burkhard empfohlen. Schon am 5. Februar 1567 ließ er auf ihm gemachte Vorschläge durch Eilboten Antwort an Johann Albrecht gelangen, indem er Lehramt oder Rathsbestellung im protestantischen Norden der eröffneten Aussicht auf kaiserliche und andere Dienste vorzog. Joh.
"Id quod in aetatis nostrae spectare theatro
Praeteritique licet temporis historiis:
Nulla diu felix respublica floruit unquam
Justitiae solida non stabilita basi;
Justitiae neruo quae non deuincta tenentur
Quid sunt regna, nisi magna latrocinia!
Conscia mens recti, dulcis natricula vitae,
Quae probat exilio crimen abesse meo,
Da porro studio rectum seruare tenaci
Impositumque mihi ferre decenter onus".
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Albrecht war seinen Anträgen geneigt und entbot ihn zu sich nach Meklenburg. Behutsam blieb er zu Speier bis zum Ausgange der Belagerung Gothas - übergeben den 13. April - und eilte dann, Thüringen vermeidend, dem Norden zu.
Aus dem sächsischen Dienste und der Theilnahme an den Grumbachschen Händeln 1 ) erwuchsen Husan zwei, noch einige Zeit fortwirkende Uebel: der Verlust seines Grundbesitzes in Thüringen und fernere Anschuldigung geübten Verraths. Hierüber wurden Schriften gewechselt, deren Inhalt und Verlauf noch Einiges aufklärt.
Während der Belagerung Gothas, vor geführter Untersuchung gegen die Geächteten, ließ Herzog Johann Wilhelm die unbeweglichen Güter Husans einziehen, vorwendend, daß er ein Verräther am sächsischem Fürstenhause sei, mit der Aufforderung, sich in Gotha zu stellen. Dagegen suchte sich dieser, Speier den 2. und 3. April, zu rechtfertigen und widersprach der ihm ohne Verhör und Urtheil widerfahrenen Gewalt. Er hütete sich, bei der herrschenden Leidenschaft 2 ) persönlich in Thüringen zu erscheinen, obgleich ihm von dem sächsischen Kurfürsten Geleitsbriefe ertheilt wurden. Nach seiner Ankunft in Meklenburg betrieb er durch dieHerzoge Joh. Albrecht und Ulrich vermittelnde Schritte bei Joh. Wilhelm und dem Kurfürsten August. Doch blieb dieses ohne Erfolg, vielleicht weil die bei Gothas Belagerung geübte Plünderung und Verwüstung des sächsischen Landes, die Zerstörung des Grimmenstein und der Streit über die Kriegskosten die Fürsten mit Sorge und Groll beschäftigt erhielt.
Inzwischen traf den Husan auch in der Ferne der Stachel jener Verläumdung, welche die Arglist der Geächteten ersonnen hatte. Es waren die Gebrüder Lutter aus Gotha auf
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der Reise in Schwerin zur herzoglichen Tafel gezogen, wo sie am 25. Junius in des Herzogs Joh. Albrecht, Husans und Anderer Gegenwart von den Ereignissen der Belagerung und den seltsamen Erdichtungen des Joh. Friedrich redeten. Bald hierauf hatte, wie dem Husan berichtet ward, der Dr. Paul Lutter zu Berlin bei dem Magister Praetorius und auch zu Grimnitz an der kurfürstlichen Tafel erzählt: er habe zu Schwerin dem Husan Verrath und Undank in der Grumbachschen Sache vorgeworfen, worauf dieser schamroth geschwiegen, der Herzog aber, mit dem Messer im Teller spielend, den Kopf gesenkt; Husan sei zu Augsburg vom Kurfürsten August und dem Bischof von Würzburg bestochen, seine Gesandtschaftsberichte wären erdichtet und später zu Grimmenstein eingeschwärzt. - Solche Lästerung versetzte den Husan, der vor Gott und den Menschen guten Ruf bewahren wollte, in heftigen Zorn; jedes Wort der Erzählung abläugnend und unter Berufung auf Zeugen forderte er dringend am 12.August vom Herzoge ein urkundliches Zeugniß über die Erdichtung des ganzen Vorganges. Dieses erhielt er anscheinend alsbald, konnte auch um so leichter die Verläumdung zurückweisen, als er die Antwort des Joh. Friedrich vom 7. Mai auf seine Gesandtschaftsberichte in Urschrift wohl aufbewahrte und mit den Fürsten, die ihn durch Geld sollten gewonnen haben, niemals verkehrt hatte, vielmehr der sächsische Kurfürst noch zur Zeit ihm ungünstig gesinnt war.
Auch tröstete ihn im August eine Kunde von dem befreundeten kaiserlichen Rathe Dr. Thimotheus Junge, - in vielen Staatshändeln der Zeit mitwirkend -, welcher Husans Sache vor der zu Erfurt versammelten Kriegsbehörde geführt hatte. Dieser waren im Juli seine Schriften aus der Gothaer Canzlei vorgelegt, nach deren Prüfung sie ihn einstimmig und auf die beste Weise von Schuld entbunden hatte. Auf diese Nachricht hin bat er am 1. September von Neuem den Herzog Joh. Wilhelm um Rückgabe der Güter, so wie am 10. Sept. den Kurfürsten um Fürsprache bei jenem. Bald darauf empfahl Joh. Albrecht dem Grafen Burchard von Barby, die Angelegenheit des Husan zu befördern. Als am 22. Sept. der Dr. Junge zu Erfurt die herzoglich=sächsischen Räthe Thangel und Durfeld wegen Einziehung der Husanschen Güter zur Rede stellte, bemerkten diese: sie sollten nun erstattet werden, doch habe das Verfahren Husans in der brüderlichen Theilung ihrem Herrn wehe gethan. Als Junge sagte, er gedenke Husan bald in die Dienste des Kaisers zu bringen, wurde Thangel - bei rascher Sinnesänderung durch die Furcht vor den Mächtigen - betroffen und sagte
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alles Gute von ihm aus, seine seltenen Geistesgaben belobend, mit dem Gesuche, wegen dieser Sache nicht nach Wien zu berichten.
Am 3. Nov. 1567 wiederholte Husan sein Anliegen beim Herzoge Ulrich von Meklenburg, der ihm wohlwollte und bald darauf sein in Gold gegossenes Bildniß sandte. Der Herzog bat den Kurfürsten August, dem Husan Gnade zuzuwenden, da dieser dem Meklenburgischen Hause und Lande treue Dienste leiste. Aber der Kurfürst hielt ihn damals noch für einen zweideutigen Mann, indem er früher einmal auf des Joh. Friedrich Befehl dem Rathe zu Erfurt eine unbegründete Warnung gegen den Kurfürsten gebracht, zugleich aber seine Beglaubigung, um den Beweiß des Trugs zu vernichten, zurückgefordert hatte. In seiner Antwort gedachte August dieser Sendung und einer Aussage Brücks, als sei dieser von Husan durch Vertretung Grumbachs verdrängt, und tadelte Husans Leichtfertigkeit, der erst nach ganz geschwundener Hoffnung von den Geächteten abgetreten sei. Doch wollte er diese Dinge vergessen und hatte seiner gegen hohe Personen nicht ungnädig erwähnt.
Als diese Mühen eine Rückgabe der Güter nicht bewirkten und dem Husan fernere Versuche nutzlos erschienen, hoffte er noch auf einen schon am 16. Juni 1568 ergangenen kaiserlichen Auftrag an den Herzog Ulrich, der die Sache ausgleichen oder rechtlich entscheiden sollte. Dieser zeigte am 10. August dem Horzoge Joh. Wilhelm den Auftrag des Kaisers an. Joh. Albrecht wirkte am 3. Sept. durch die Erklärung mit, daß er den wismarschen Superintendenten Joh. Wigand 1 ) nach Wunsch auf 1 Jahr beurlauben werde, wenn der Herzog die Güter Husans, der des meklenb. Hauses Staatssachen mit Fleiß, Treue und großer Mühe verrichtete, zurückgeben wolle. Auf gleichzeitige Fürsprache des Grafen von Barby und des Rittmeisters Rudolph Marschal ward endlich eins der Güter, ein Grundstück im Dorfe Ottern, dem Husan aus väterlicher Erbschaft zuständig, rückerstattet. Doch erklärte Joh. Wilhelm, im gefaßten Unwillen behar=
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rend, nach langer Zögerung am 22. April 1569 dem Herzoge Ulrich: des Husans Sache sei schwer zu verantworten und der kaiserliche Auftrag wahrscheinlich erschlichen, da der Kaiser, hätte er die Dinge gekannt, ihn nicht würde erlassen haben. Husan wäre einer der vornehmsten und häufig versandten Diener der Geächteten gewesen: durch seine Schuld sei Joh. Friedrich ins Verderben gestürzt und obendrein wären beide Herzoge von ihm an fürstlicher Ehre verkleinert 1 ). Für eine Begnadigung von 3000 Gulden habe er statt 8 Jahre nur 2 gedient; von seinen Gütern, die er freiwillig von Augsburg fliehend aufgegeben, wäre das Haus zu Jena - zur Zeit gemeinsamer Regierung der sächsischen Herzoge - ohne die Zustimmung Joh. Wilhelms, gegen den er sich vielfach habe gebrauchen lassen, aus landesherrlichen Mitteln erworben. Jedenfalls müsse er sich vor allen Dingen in Thüringen zu Recht stellen.
Hierauf ward von Husan am 1. Mai 1569 in einer eifrigen Denkschrift Folgendes erwidert: als Diener Joh. Friedrichs habe er dessen Aufträge vollziehen müssen, auch wenn sie Grumbach betroffen hätten. Durch seine Sendungen sei Vermittelung und Ausgleichung erstrebt; die desfallsigen Acten seien bekannt und zum Theil gedruckt. Habe er sich gegen den Kaiser oder die Reichsfürsten vergangen, so würden sie ihn richten, da er in ihrer Gewalt sei. Es wären Viele in der Grumbachschen Sache versandt oder sonst thätig gewesen, ohne doch Kränkung zu leiden. Aber wenn man Lust habe, den Hund zu schlagen, so finde man leicht den Prügel; was Einem Ablaß sei, müsse oftmals dem Andern Todsünde werden. Aus seinen Gütern sei er gewaltsam verdrängt, da seine Frau beim Abzuge von Jena die Sorge für das Haus dem Amtsschosser übertragen habe. Dasselbe wäre auch nicht auf Amtskosten gebauet, sondern habe ihm allein im J. 1565 an 1500 Gulden gekostet. Vom Reichstage sei er nach geübter Pflicht geflohen, bedroht durch die Geächteten, von denen sogar ein Silberbote des pfälzischen Kurfürsten auf der Heerstraße bei Eisenach erwürgt sei, um in Briefen seiner Frau und Schwäger Beweise gegen ihn zu entdecken. Erfüllung der Dienstbestallung sei ihm unmöglich geworden, da man einem nicht mehr vorhandenen Herrn nicht dienen könne. Auch sei der Diener der Pflicht entbunden, wenn ihm mit des Herrn Willen an Leib und Leben nachgestellt werde. Wäre er nach
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Gotha heimgekehrt, so würde er, wie seine Verwandte, durch den Canzler Brück verfolgt und mißhandelt worden sein. Wie Johann Friedrich durch eigenen Starrsinn zu Grunde gegangen, erzähle fast das Kind auf der Gasse. Daß dieser ihn anklage, beweise nicht seine Schuld. Jeder strebe nach der Menschen Weise gegen dasAnsehen der Uebelthat; zumal, wenn hohe Gemüther die Gebühr überschritten hätten, suchten sie die Schuld der Sünde von sich abzuwälzen. Schon Adam im Paradiese bedecke seine Blöße mit Feigenblättern nach dem Falle. Wohl habe auch Johann Friedrich gegen den eigenen Bruder und dessen übelgesinnte Räthe oftmals geklagt 1 ). Beweise über dieses des Herzogs Johann Wilhelm Schuld? - Es bezeugten ihm Manche, wie der Graf v. Barby, daß er nach des Joh. Wilhelm eigener Aussage in dem Theilungsgeschäfte ehrbar und aufrichtig befunden sei. Er möge damals und sonst in amtlicher Verhandlung gegen Joh. Wihelm gesprochen haben, doch nie mit Verletzung der Ehrfurcht; der treue Diener kämpfe für das Wohl des Herrn und erhärte seine Meinung, wie in jeder Regierung, wenn Streit vorfalle. An den Höfen seien Afterreden gewöhnlich; zu Gotha und Weimar haßten ihn Einige, welche den heißen Muth an ihm kühlen möchten. Brück habe vielleicht gegen ihn ausgesagt, aber er sei sein höchster Todfeind und in der Noth bestrebt gewesen, die Schuld auf Andere zu wälzen 2 ). Kein Buchstabe sei vorhanden, den er als Rath der Geächteten geschrieben: dem Herzoge habe er treu gedient, auch ihn zeitig gewarnt. Fernere Anschuldigung werde ihn zwingen, seine Anweisungen im Dienste des sächsischen Hauses zu öffentlicher Kunde zu bringen. Die Begnadigung von 3000 Gulden sei ihm nur zu einem Theile erlegt; in Thüringen dem Rechte sich zu stellen, sei er nicht verpflichtet, da er seine Güter längst verloren und in Meklenburg Heimath gefunden habe. - Er erbot sich für 2000 Gulden das Haus in Jena abzutreten und verlangte nur die Rückgabe seiner erkauften Güter zu Ottern und Fürtern. Zugleich lehnte er die von Johann Wilhelm vorgeschlagene Ernennung von Räthen zur Rechtspflege ab, weil er durch diese vermuthlich von Feinden gerichtet wäre. Schließlich erklärte Husan, er stelle in christlicher Erge=
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bung Gott und dem eigenen Gewissen des Herzogs die endliche Rückgabe jener Güter anheim, in denen sein und seiner Frau ererbtes Vermögen zum größten Theile enthalten sei.
Am 6. Mai theilte Husan diese Schrift dem Herzoge Ulrich mit und ersuchte im Herbste denselben, binnen Monatsfrist auf Ladung zu erkennen, oder ihm dieses Gesuch urkundlich zu bezeugen. Doch hiermit endete die Bemühung Husans, seine Güter wieder zu erlangen. Von einer beabsichtigten Klage beim Reichskammergerichte hielt ihn anscheinend fremder Einfluß oder die Besorgniß zurück, das Andenken gehässiger Dinge zu oft zu erneuern. Auch erfuhr er seitdem keinerlei Anschuldigung oder Verfolgung wegen der Grumbachschen Sache. Mehrmals ward ihm Aussicht auf Rückgabe der Güter eröffnet, wie durch Joh. Wigand, den Grafen von Barby und Andere, wobei jedoch Wigand die zu Gotha und Weimar noch herrschende Anfeindung Husans wegen seines Rücktrittes in der Grumbachschen Sache bemerkte. Aber bald nach dem Tode Joh. Wilhelms - 2. März 1573 - begab er sich nach Weimar, wo ihm ein Rechtstag angesetzt war, und im nächsten Jahre erhielt er, anscheinend zur Entschädigung nach erkanntem Rechte, ansehnliche Geldsummen von dort 1 ).
Wenn sein bisheriges Leben im Einzelnen Tadel nicht ausschließt, so bleibt doch sein Wirken im Vaterlande bei unreifem Alter, Ungunst der Zeit und schwieriger Stellung preiswürdig, von Muth und Festigkeit des Sinnes, wie von Schärfe und Bildung des Geistes zeugend. Seine angebliche Feilheit zu Augsburg ist unverkennbar erdichtet, wie denn der Vorwurf der Käuflichkeit, welche am kaiserlichen Hofe wirklich schon zunahm, damals nicht selten war; die Aechtheit seiner Gesandtschaftsberichte ist geschichtlich niemals bezweifelt, vielmehr sein Verhalten am Reichstage von Geschichtschreibern belobt 2 ). Auch ward sein Name in Thüringen, als der Haß
Unde soluta tibi Gothae fuit aulica merces - etc.
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über die Kriegsunfälle im Volk erkaltet und Joh. Wilhelm geschieden war, von Vielen rühmend genannt, ja die sächsischen Herzoge trugen ihm Dienste an, während unter seinen Gegnern der Canzler Brück auf dem Richtplatze geendet hatte und die Räthe Thangel und Dürfeld ungnädig entlassen waren 1 ).
2.
Heinrich Husan
als
meklenburgischer Rath und Canzler.
(1567 - 1574.)
"Fulgebant in eo
et caeterae virtutes
in bono cancellario necessariae, ar- dens amor et cura tuendae ve- ritatis et justitiae, constan- tia, non fracta metuvel seruili adulatione, quo minus ueras et iustas sententias firmiter tueretur." |
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D. Chytraei oratio de Joh.
Luccano cancellario. |
Husan betrat Meklenburg in einer besonders denkwürdigen Zeit der Landesgeschichte. Meklenburg war getheilt unter zwei nur in allgemeinen Landessachen gemeinsam regierende fürstliche Brüder. Der jüngere, Herzog Ulrich, war von strenger religiöser Gesinnung, doch bedachtsam und festhaltend am Rechte, ferne vom Streben über erhaltenes Maaß hinaus, wohlwollend und dem Frohsinne ergeben, in Geschäften unverdrossen, oft zögernd, nach erfahrner Kränkung mißtrauend. Des Joh. Albrecht Geist war umfassend und weitblickend, auf große Dinge gerichtet, durch Wissenschaft und Religion veredelt und milde, doch im Gefühle der Kraft herrschbegierig, im Streben allzu erregbar, nicht immer sorgsam und folgerecht in der Ausführung großer Entwürfe 2 ). Er pflegte die Künste und Wissenschaften durch eigene Theilnahme und reiche Hülfe, hielt ein stattliches Hofwesen, unternahm weite Reisen und umfängliche Bauten. Mit Gut und Blut hatte er neben Moritz von Sachsen die Freiheit der protestantischen Reichsstände verfoch=
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ten 1 ); mit großen Opfern suchte er daheim die Staatsanstalten zu bessern, noch mehr fast durch kostbare Mühen im Auslande für die Seinigen zu sorgen und das Recht der Erstgeburt in seinem Hause zu begründen. Dieses Streben aber, in Manchem mißglückend, überstieg die ihm gewordenen Kräfte. Denn die, meist aus eingezogenem Klostergute bestehenden, Haus= und Kammergüter waren ihm verpfändet oder verwüstet anheimgefallen und blieben immer bei mangelhafter Verwaltung wenig einträglich. Er hatte bald nach dem Beginne seiner Regierung aus den Landtagen Hülfe von den Ständen begehrt und schon seit dem J. 1548 die dringendsten Erklärungen über fast gänzlich fehlende Mittel, die Staatsverwaltung nothdürftig zu bestellen, wiederholt. Doch die an Reichthum abnehmenden Städte und die noch immer zu "mordlichen Thaten" geneigten Lehnleute - indem sie wie früher das Lehn mit Blut, nicht mit Geld zu verdienen gedachten - halfen nur langsam und ungenügend durch außerordentliche Steuern seit dem J. 1555. Inzwischen hatte der Herzog, bei seinem Streben beharrend und von neuen Ereignissen getrieben, viele Geldsummen erborgen müssen und um das J. 1566 überstieg seine Schuldenlast 200,000 Gulden. Ein Theil dieser damals bedeutenden Summe war mit Erfolg für das Gesammtwohl des Landes verwandt. Joh. Albrecht hatte vom Auslande gelehrte Männer in seinen Dienst berufen und in ihnen den Kirchen, Schulen und Gerichten manche würdige Diener gegeben. Die Universität zu Rostock war damals der Glanzpunct norddeutscher Bildung. Das Gerichtswesen hatte nothwendig gebessert werden müssen. Die Gerichte waren nicht stehend und bei dem höchsten von 1530 - 1558 in Folge von Krieg, Pest und mangelnden Richtern fast gar keine Rechtstage gehalten worden, oder diese bei unbestimmtem, halb mündlichen Verfahren und ungeregelter Vollziehung oft fruchtlos geblieben. Zur Abhülfe dieser und anderer Mängel hatte Joh. Albrecht mit schweren Kosten den Anfang gemacht. Aber sein und des Bruders Streben für Ordnung und Bildung fand bei den Ständen nicht den Preis des verdienten Ruhmes. Was der pommersche Chronist Kantzow um das J. 1530 von Meklenburg sagte, war auch im J. 1570 noch ziemlich bezeichnend: "de Vnderdanen setteden sick wedder de Betalinge vnd kurreden vnd murreden, vnd vnse Landsatten nemen des ein Exempel, dat se nichts betalden vnd in velen Jaren kein Gerichte geholden was."
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Hierzu kamen noch zwei besondere Uebel: zunächst fortdauernder Zwist der Herzoge unter sich 1 ) wegen der von Ulrich erzwungenen Theilung des Landes und der Leitung der gemeinsamen Geschäfte. Der ältere Bruder Joh. Albrecht drängte von jeher den jüngern zurück und erlaubte sich Uebergriffe in der Geschäftsführung; oft ward die Meinung Ulrichs mißachtet, zuweilen ganz ohne ihn gehandelt. Nicht selten war es, daß da, wo ein Landesherr gebot, der andere verbot. Dieses erzeugte Mißtrauen und nicht selten persönliche Reibung unter den Fürsten und ihren Räthen.
Nicht minder nachtheilig wirkte ein langjähriger Kampf der Landesherrn mit der Stadt Rostock, wo seit dem J. 1557 mißbräuchliche Verwaltung und Eigenmacht des Rathes die Reizbarkeit der kräftigen, zuweilen übermüthigen Bürgerschaft geweckt hatte. Zu Gunsten des Rathes griff Joh. Albrecht nicht ohne Uebereilung und Härte in den innern Streit ein, gerieth aber auch hier mit dem Bruder in Zwist. Versöhnt durch die Noth und auf Kosten der Stadt, - im Febr. 1566 -, baueten die Herzoge, den Uebermuth der Stadt zu bändigen, eine Feste auf dem Gebiete derselben, nahe den Mauern. Doch solche und andere Bedrängung brachte das Ganze, noch mächtige, freiheitgewohnte Rostock gegen die Fürsten in Waffen und es entstand über die Feste und viele andere Streitpunkte zwischen der landesherrlichen Hoheit und den städtischen Gerechtsamen ein förmlicher Prozeß vor Kaiser und Reich 2 ).
Diese Verhältnisse vermehrten das Mißtrauen und stärkten den Widerstand der Stände gegen die Landesherrn. Ueberdies waren die verarmenden Landstädte durch Eingriffe der Vasallen in städtische Gewerbe erbittert, während diese über Bedrohung ihrer Gerechtsame durch Eigenmacht der Fürsten Klage führten. Auch suchte Johann Albrecht, bei großer Geldnoth, Lehne einzuziehen und pflegte - hierin alter Weise folghend - schwere Verbrechen besonders der Vasallen mit harten Geldbußen zu strafen. Solche und andere Umstände machten den ständischen Widerspruch gegen die landesherrlichen Wünsche zuweilen heftig und bitter, so daß Geltendmachung
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von Sonderinteressen das Wesen der Landtage zu verkehren drohte, von denen mehrere ohne jegliche Frucht blieben.
Zu so gefahrvoller Zeit wurde Husan berufen, die Geschäfte des ihm fremden Staates zu führen.
Des Husan erste Bestallung als Rath Johann Albrechts auf drei Jahre war in der Hauptsache schon um Ostern des J. 1567 festgesetzt. Nach seiner Ankunft in Meklenburg am 12. Mai entstand eine neue Verhandlung, indem er über einzelne Nebenpuncte Bedingungen stellte und den Eintritt in kaiserliche Dienste sich vorbehielt. In den ersten Tagen des Juni ward die Bestallung vollzogen. Er erhielt die damals höchste Besoldung 1 ) eines Rathes mit jährlich 300 Rthlrn., freie Behausung zu Schwerin und außerhalb freien Unterhalt am Hofe, Hofkleider für sich und seinen Schreiber, an Naturalhebungen 2 Ochsen, 4 Schweine, 8 Hammel, 8 Ohm Rheinwein, 5 Drömbt Roggen, eben so viel Gerste und statt 20 Klafter Holz 20 Mark lübisch. Außerdem ward ihm ein Gnadengeschenk von 2000 Rthlrn. zugesagt, von dem er beim Dienstantritt 500 Rthlr. empfing; der Rest sollte ihm in drei Jahren mit jährlich 500 Rthlrn. erlegt werden. Bei Verunglimpfung Husans durch Dritte verhieß der Herzog, vor Verhör und Beweis ihm ungnädig nicht zu begegnen; nach Ablauf der Dienstjahre sollte er ohne dringende Ursache und beweisliche Noth nicht von dannen ziehen. - Am 9. Juni stellte er seinen Dienstrevers aus und am 19. d. M. ward er vom Canzler Chilian Goldstein und dem Rathe Andreas Mylius beeidigt.
Am Hofe wunderte man sich über den "fremden jungen Rath", der kaum 30 Jahre zählte und dessen Leben nach der Sage Neugierde und Zweifel hervorrief. Der Herzog nahm ihn gütig und vertrauensvoll auf und gestattete ihm, an der fürstlichen Tafel in heitern Gesprächen seine Welterfahrung und Geistesbildung zu bewähren. Einige blickten wohl auf dieses und die hohe Besoldung Husans mit Erstaunen und Neid. Doch er achtete es nicht, da er von Natur gütig und
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furchtlos war und ihn bald der Drang ernster und vieler Geschäfte ergriff. Er übernahm zunächst in der Hofcanzlei die Entscheidung der meisten Rechtsfälle und einen großen Theil der laufenden Tagesssachen. Nach wenigen Wochen ward er auch zur Berathung der Staatsfragen in den gemeinsamen Landessachen gezogen.Durch Rechtskenntniß, Rednergabe, Fleiß und Gewandtheit der Feder trat er vor den übrigen Räthen hervor. Schon um die Mitte des J. 1567 bemerkt der Herzog Joh. Albrecht eigenhändig bei den Acten über die Abfassung wichtiger Schriften: dieses soll Husanus stellen, oder wegen mündlicher Vorträge: der Redner soll Husanus sein.
Seit dem 1. Juli war er mit den Landesherrn zu Güstrow, wo diese eine Beilegung des Streites mit Rostock durch kaiserliche Gesandte gewärtigen wollten. Hier ward er, obwohl die Canzler der Herzoge zugegen waren, mit an die Spitze der Geschäfte gestellt. Er mußte Satzschriften abfassen und in der mündlichen Besprechung mit den Kaiserlichen, unter denen der ihm befreundete Thimotheus Junge war, gewöhnlich das Wort führen. Durch Zusammenwirken Beider ward auch ein Vertrag entworfen, dessen Vollziehung der Rath zu Rostock verweigerte, indem dort Mißtrauen herrschte und angeblich Kunde von geheimen Anschlägen der Fürsten erschollen war 1 ). - Glücklicher endete die Verhandlung der Herzoge unter sich über Theilung des mütterlichen Nachlasses. Sie einigten sich am 31. Juli über die zur Verfügung stehenden Aemter so wie über die künftige Versorgung der eigenen Witwen, welches Husan durch Eifer und seine in Sachsen gemachte Erfahrung wesentlich förderte. Hierauf verfaßte er, neben Fortführung der ihm zufallenden Rechts= und Canzleigeschäfte, gemeinsam mit des Herzogs Ulrich Rathe Joachim Wopersnow auf Schlagstorf die neue Ordnung des Hof= und Landgerichts, welches nun jährlich außer vier Hauptrechtstagen eben so viele außerordentliche zu festbestimmten Zeiten halten sollten. Hierbei wurden die von den Landräthen Ostern 1567 gemachten Bemerkungen und die einschlagenden Gesetze anderer Länder benutzt 2 ).
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Inzwischen begann die Stellung Husans schwierig zu werden. Nach der Weise der Zeit war er nicht auf abgeschlossene Geschäftskreise verwiesen und dabei unbekannt mit der Geschichte, dem Rechte und der Sitte des Landes. Außerdem vermehrten ungünstige Umstände die Last der Geschäfte und machten manche Mühe Husans fruchtlos oder Feindschaft erregend. Die Zahl der tüchtigen Unteren in der Canzlei war geringe; die meisten Erlasse mußte er selbst abfassen, zuweilen auch denen anderer Räthe an Form und Inhalt Manches hinzufügen. Außer mehreren trägen und unfähigen Dienern des Herzogs gab es auch solche, die, das Schwert besser denn das Gesetz handhabend, wie die Rotermund, Winterfeld und Jasmund, in Rechtssachen gewaltthätig vorschritten 1 ), das landesherrliche Ansehen schwächend und die Geschäfte der Regierung erschwerend. Hiezu wirkten des Herzogs Joh. Albrecht Gemüthsart und Lebensweise, Geldnoth und Ansicht in Staatssachen mannigfach mit. Leicht erregbar und für neue Entwürfe empfänglich, unterbrach er oft die Geschäftsführung der Räthe, indem er, auf der Jagd und zur Beschauung der Bauten umherziehend 2 ), sie plötzlich zu sich entbot oder nach dritten Orten entsandte. Dieses begegnete dem Husan nicht selten, wie am 28. October 1567 auf dem Rechtstage zu Wismar, da er nach dem fernen Neubrandenburg berufen ward, sich aber entschuldigte, nicht folgen zu können. Auch die Zerrüttung des herzoglichen Vermögens erfuhr er neben andern Dienern schon damals, indem ihm die Besoldung nicht rechtzeitig gezahlt ward. Wie er am 31. October dem Herzoge schrieb, war er nie ärmer gewesen, als zu dieser Zeit, da ihm an Auslagen, Miethe, Holzgeld und Besoldung
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über 400 Rthlr. rückständig waren. Joh. Albrecht möge sich, so bittet er, des Verlustes seiner Güter in Thüringen, seiner bedrängten Familie und daran erinnern, daß den Herrn und den Diener gegenseitige Verpflichtung verbinde; er möge zwischen fleißigen, getreuen Dienern und solchen, die der Arbeit enteilten, wo sie es könnten, einen Unterschied machen. - Die Ansicht endlich Joh. Albrechts von den deutschen Staatssachen, besonders von der eigenen Stellung zum Reiche, und sein Verfahren in den Geschäften waren dem Streben Husans nicht immer entsprechend. Als Rechtsgelehrter und durch den Ausgang der Grumbachschen Händel gewarnt, ehrte er die reichsgesetzliche und herkömmliche Geltung der kaiserlichen Macht und rieth, die meklenburgischen Reichssachen mit Vorsicht zu leiten. Aber Joh. Albrecht, für die Religionsfreiheit und die Landeshoheit eifrig bestrebt, im abgelegenen Lande den Arm des Kaisers minder fürchtend und eingedenk des siegreichen Kampfes mit Carl V., war der kaiserlich=katholischen Reichsregierung abhold und hegte Mißtrauen gegen das spanisch= österreichische Haus. Selbst geldbedürftig, erfüllte er seine Verpflichtungen gegen das Reich nachlässig 1 ) und zürnte zuweilen wegen vermeintlicher Eingriffe des Kaisers in die landesherrliche Hoheit. Da jedoch offener Widerstand immer gefahrvoll blieb, suchte er in schwierigen Zeiten bei Fürsten gleicher Gesinnung Rath und Hülfe, auch am kaiserlichen Hofe, wo nach Vieler Meinung jeder Diener seinen Preis hatte, sich freigebig zu zeigen 2 ). Dieses ganze Verhältniß, dem Herzoge kostbar und gefährlich, mißbilligte Husan und widerrieth, wie in Verhandlungen zu Güstrow am 18. und 19. December über scharfe kaiserliche Erlasse im Rostocker Streite, den betretenen Weg. Joh. Albrecht ward wegen Einmischung in die preußischen und polnischen Händel, zweideutiger Verbindung mit den brandenburg. Markgrafen, vermeintlicher Beipflichtung des gefangenen Herzogs Joh. Friedrich und Eigenmacht gegen die Stadt Rostock am kaiserlichen Hofe verdächtigt 3 ), beim
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Reichskammergerichte wegen rückständiger Reichsanlagen mit vollziehender Gewalt bedroht. Deshalb warnte Husan, wie am 2. December 1567 von Wismar aus, vor nahendem wissentlichen Schaden und bat, mit der Acht des Reiches nicht zu scherzen. Es finden sich allezeit Leute - so schreibt er - die vollziehen, wenn sie den eigenen Nutzen draus schneiden können; besser ist es, vom Anbeginn an eine Sache unverletzt zu bewahren, als nachdem sie verletzt ist, Hülfsmittel zu suchen. Es betrübt mich schier, daß es zugehet, wie Seneca sagt: das Nothwendige versäumt man, weil Ueberflüssiges betrieben wird.
So offen mahnte und tadelte Husan sich die Treue bewahrend und denen nicht beipflichtend, welche unbedingte Ergebung des Dieners in den Willen des Herrschenden lehrten. Dieses entzog ihm die Gnade des Herzogs nicht, von dem er hohes Vertrauen erfuhr und bald hierauf zur Canzleiverwaltung berufen ward.
Es stärkten und erheiterten ihn häusliche Freuden in andauernder mühvollerArbeit. Zu Wismar hatte er im August seine Angehörigen, welche bis dahin im Auslande der festen Gestaltung seiner Stellung geharrt, wohlbehalten wieder gesehen. Im Anfange des folgenden Jahres ward ihm auch erträgliche Einrichtung des Hauswesens zu Theil, indem er zu Schwerin. die am Burgsee, nahe dem Schlosse, belegene Amtswohnung im Canzleigebäude bezog.
Es erhielt nämlich im Anfange des J. 1568 der Canzler Chilian Goldstein, nach kurzer Verwaltung und in der Rostocker Sache verdächtigt, seine Entlassung. Joh. Albrecht übertrug am 6. Januar die Leitung der Geschäfte dem Husan und erhöhte dessen Einkünfte durch Antheil an den Canzleigefällen. Husan übernahm die Canzleiverwaltung, neben dem Rathsamte, zunächst nur auf ein Jahr, wohl um zu erproben, wie weit seine Kräfte der Aufgabe gewachsen sein. Denn die Acten der früheren Verwaltung waren wenig geordnet, selten vollständig, auch der Geschaftsbetrieb 1 ) weitläufig und ungeregelt, die Hof= und
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Staatsverwaltung und die Rechtspflege, wenn gleich diese ohne bestimmte Formen, - beim Hof, und Landgerichte wurden nur die größeren Rechtssachen anhängig gemacht, viele Beschwerden aber von den Untergerichten und eine Menge geringfügiger Klagen gingen der Hofcanzlei zu - fast gleichmäßig umfassend. Zudem mußte die Canzlei, oder doch der größere Theil ihrer Beamten, oft dem reiselustigen Herzoge folgen oder am Hofe dessen Privatsachen betreiben, welches die laufenden Geschäfte des Staates zurücksetzte und die Verwirrung der Dinge mehrte. Husan fand die Canzlei ohne Ordnung, ohne Actenverzeichnisse, ohne Registratur= und Copialbücher vor. Er drang zuerst auf Sonderung der laufenden Actenmassen und auf eine bestimmtere Weise in der Niederlegung und Bezeichnung derselben; er sorgte für Abschrift der meisten Erlasse in eigenen Büchern und ließ viele Acten heften und binden. Er hielt die Schreiber und anderen Diener zur Pünctlichkeit an und stellte ihre Zechgelage in der Canzlei ab. Doch fehlten ihm oft strebsame Genossen der Arbeit, da die tüchtigen Räthe Andreas Mylius, Hubert Sieben und Joachim Krause vielfach verschickt und besonders verwandt wurden. Es geschah auch, daß Einige zuweilen unmittelbare Befehle des Herzogs erwirkten und, frühern Erlassen nicht immer entsprechend, ohne Kenntniß des Canzlers vollzogen. Eine große Zahl von Injurien= und Schuldsachen erschöpfte zu Zeiten die Kraft der Canzleibeamten; in Lehnsachen herrschte Mißbrauch, indem die Vasallen gewisse Pflichten umgingen. 1 ) Ueber die mangelhafte Besetzung mancher Kirchen= und Schulämter, die Schmälerung des Vermögens frommer Stiftungen durch Magistrate und Lehnleute, über Gewaltthaten aller Art, so wie das Entweichen und die Unzucht der ländlichen Unterthanen liefen vielfache Klagen ein, nicht selten die Wirksamkeit der Canzlei für Geschäfte von größerer Wichtigkeit hemmend.
Husan erstrebte mit Nachdruck die Ausbildung der Canzleiordnung. Eine solche bestand in sehr einfachen Grundbestimmungen schon seit dem J. 1494; im J. 1557wurde sie vom Canzler von Lucka in eine Art von Geschäftsordnung
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über die Beeidigung und die Arbeitszeit der Beamten, die Ausstellung der Lehnsurkunden, Einführung von Verzeichnissen u. s. w. erweitert. Seit dessen Tode war sie theils nicht vollzogen, theils nicht fortgebildet; an einer Geschäftstheilung fehlte es noch gänzlich. Husan erinnerte den Herzog an die Mängel des Canzleiwesens. Der erfahrne Dr. Joachim Gregor, eine Zeit lang zum Canzler bestimmt, scheint eine neue Ordnung entworfen zu haben, welche von Husan und Mylius geprüft ward 1 ). Nach ihr sollen außer dem Canzler, der Hofmarschall und drei gelehrte Räthe beständig am Hofe sein; unter diesen erhält Mylius die Kammer= und Privatsachen des Herzogs, Sieben die Grenz= und Lehnsachen, Lersner die laufenden Rechts= und die Kreistagsgeschäfte nebst den brüderlichen Irrungen. Allenfalls sollen diese Räthe auch andere Geschäfte übernehmen und die wichtigeren Sachen in der Regel im gemeinsamen Rathe verabschieden. Der Canzler berichtet dem Herzoge täglich in früher Stunde, überwacht die gesammte Thätigkeit der Canzlei, die Ausfertigung der Erlasse, die Berechnung der Einkünfte, das Betragen der Unteren u. s. w.
Die Ausführung dieser Bestimmungen ward bald in manchen Puncten durch widrige Umstände gehemmt, wie durch häufige Versendung der Räthe, weite Reisen des Herzogs mit einzelnen Canzleibeamten und besonders durch mangelnde Ordnung und Folgerechtigkeit in der höchsten Leitung. So kam es, daß Husan schon nach wenig Wochen, am 8. März 1568, in heftiger Weise seine Entlassung vom Canzleramte begehrte, vorwendend: der Herzog suche den Gebrechen der Verwaltung nicht ernstlich abzuhelfen; Molinus, dessen Geheimschreiber, habe in Bausachen der Hochschule zu Rostock herzogliche Befehle erschlichen, die dem Rechte wie der Würde des Canzlers zuwider seien; der Herzog sei unbeständigen Sinnes in der Leitung der Staatssachen und heiße widersprechende Gebote gut. Unter solchen Umständen könne er ferner nicht dienen. Joh. Albrecht beseitigte aber, Wismar den 10. März, diese Beschwerden dahin: Husan sei in der Sache der Rostocker Universität und des Molinus ohne Kenntniß der Acten vorgeschritten; an den Mängeln des Canzleiwesens wären wohl die unthätigen Räthe Schuld, da der Herzog keine Kosten scheue, die Verwaltung zu bessern und wohl wisse, was den Geschäften dienlich sei. Derselbe achte auch jede begründete Vorstellung Husans und Alles, was dessen Stellung
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und Würde entspreche. So möge er fortfahren, mit getreuem Fleiße die Geschäfte zu führen, denn Entlassung vor dem Ablaufe der Dienstjahre könne er nicht erzwingen und schon hätten Manche bedauert, aus des Herzogs Diensten in die der Könige und Kurfürsten gezogen zu sein. Diese edle Mäßigung des Herzogs machte des Husan Unwillen schweigen und ließ ihn das Geschehene in rastloser Arbeit vergessen.
Neben der Canzleiverwaltung führte Husan als Rath einen großen Theil der gemeinsamen Regierungssachen der Landesherrn. Außer dem Streite mit Rostock wurden ihm fast ausschließlich die Landtagsgeschäfte 1 ) übertragen, deren Leitung hohe Fähigkeiten in Anspruch nahm. Schon im November d. J. 1567 hatte er zu Schwerin mit dem Herzoge den nahenden Landtag bereitet und die landesherrlichen Anträge verfasst. Am 15. December trug er zu Güstrow in beredter, eindringlicher Weise den Ständen die Wünsche der Herzoge vor. Hier bewährte er zuerst öffentlich seine staatsmännischen Gaben, wenn gleich in der Sache ohne Erfolg. Er sah bald die bedenkliche Lage der Dinge bei sehr ungünstiger Stimmung der Stände, die in vielen Privatklagen der Einzelnen hervortrat. Neben der Bewilligung erweiterter Reichsanlagen, welche gewährt ward, wünschten die Herzoge eine neue ständische Uebernahme der landesherrlichen Schulden 2 ). Aber dieser letzte Punct konnte bei der Stimmung der Stände gar nicht vorgebracht werden und schon am 20. December - 4 Tage nach der Eröffnung - löste der Landtag sich auf, da die Stände hinwegzogen. Die Geldnoth Johann Albrechts ließ ihn bereits im Februar d. J. 1568 auf die Berufung eines neuen Landtages denken. Husan suchte nun die Verhältnisse von Grund aus zu erforschen und prüfte die Mittel, von den Ständen Hülfe zu gewinnen. Es liegt hierüber unter Andern von Husans Hand ein Entwurf der Hauptpuncte vor, der, geschichtlich denkwürdig, die Lage der Dinge und den späteren Grund der Verhandlung in folgender Weise bezeichnet:
I. Gründe der Landesherrn für die ständische Uebernahme ihrer Schulden:
"1) Necessitas, que est ineuitabile et durissimum telum; 2) utilitas: quo diutius
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malum haerebit, eo grauius fiet; 3) exemplum aliorum in Germania subditorum; 4) Erpauung der niedergewonten, verodeten hofe; 5) Das sie - die Stände - selbs wusten, was zu mehr als einer statlichen furstlichen abfertigung aufgangen; 6) Das die alten Schulden nie zu Grunde abgetragen; 7) jus collectandi ist der Fürsten Regal; 8) Rente vnd Zinse der schulden fressen die Fürsten vnd wurden das lant in schaden bringen; 9) Besuchung der Reichs= vnd Kreistage; 10) die Reichsburden."
"1) Der Reuers - das die Stände keine Schulden weiter zu übernehmen haben - ; dagegen: enormes emergentes casus; 2) Einnam der gaistlichen guter, dadurch das haus Meckelb. an einkommen merklich gesteigert; dagegen: die hetten I. F. G. vorfarn auch gehabt vnd I. F. G. musten davon jerlich 32,000 fl. ad pios usus liffern; 3) Einmal geschehene einlosung der heuser; dagegen: die schulden litten keinen lengern verzug propter communem calamitatem; 4) Paukosten sein vnnotig; dagegen: Brandschaden zu Gustrow, Domiz dem gemainen lande zum Besten gefestiget; 5) Vnuermugen der stende; dagegen: der Ritterliche Standt hette sich an bauwerk vnd haushaltung trefflich gebessert."
So in der Kürze erschöpfend faßte Husan die Sachlage auf, mit Vorsicht den Stoff künftiger Verhandlung ergründend, da die Summe der Schulden groß und die Stimmung der Stände bekannt war. Ueberdieß standen die Landesherrn selbst auch wegen der Tilgung der Schulden in heftigem Streite, indem Joh. Albrecht, schwerer belastet, den größeren Theil der künftigen Hülfe begehrte, welches der jüngere Bruder nicht zugestand. Doch für jetzt waren der Fleiß des Husan, wie der Zwist der Fürsten gleich nutzlos. Denn als Husan am 24. März aus dem neuen Landtage zu Güstrow zu den Ständen mit Fülle und Kraft von der landesherrlichen Noth sprach und dringend Hülfe begehrte, erfuhr er kalte Verneinung in bitterer Kürze. Die Stände wiesen, angeblich bei eigener Noth, und viele Klagen der Einzelnen vorbringend, jede Verhandlung über die landesherrlichen Schulden
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zurück 1 ). Als nun Joh. Albrecht abermals einen neuen Landtag auf den 7. Mai nach Wismar berief, beschwerten sich die Stände und Herzog Ulrich selbst über den unpassenden Ort, der eine Festung sei, und die ungelegene Zeit, in welcher die Aussaat zu geschehen pflege. Vergeblich wartete Husan, nicht wissend, ob es schwieriger sei, die Fürsten unter sich, oder mit den Ständen zu einigen, im Gefolge seines Gebieters zu Wismar des Landtags. Nur wenige der Stände erschienen und auch diese zogen nach zwei Tagen ohne Verhandlung hinweg. So kehrten denn Herr und Diener am 12. Mai, die Reise wie den Mißmuth theilend, nach Schwerin zurück. Die Noth des Herzogs ward größer, die Hülfe aber blieb entfernt.
Auch des Dieners harrte schon neue Sorge. Kaum heimgekehrt ward er zu einer Sendung nach Prag an den Hof des Kaisers berufen, um dem Streite mit Rostock, der die Fürsten durch nachgesuchte Wegräumung der Festung mit Nachtheil bedrohete, eine bessere Wendung zu geben. Dieser Auftrag, schon früher besprochen, war dem Husan beschwerlich gekommen. Ihm erschien das frühere strenge Verfahren 2 ) gegen die Stadt, das Kleinod des Landes, unweise und des Joh. Albrecht Streben gegen den Willen des Kaisers gefährlich. In der Sache selbst war nun, wie er erachtete, wenig zu hoffen. Ueberdieß wollte er die Seinen und den eben gewonnenen Heerd unlieb verlassen, zumal er wegen der Grumbachschen Händel noch Sorge trug. Doch hatte er, beschworne Pflicht erfüllend, schon am 29. März zu Güstrow, nach einem Streite mit den übrigen Räthen wegen kaiserlichen Geleits, die Anweisung für die Gesandtschaft verfasst. In den ersten Tagen des Mai ward Joh. Albrecht durch den kaiserl. Vicecanzler Zasius, der ihm durch manche Gnade verbunden war, plötzlich bewogen, in Person zum Kaiser zu ziehen 3 ). Von Husan und einigen Andern gefolgt, brach er am 16. Mai auf, stellte jedoch nach 7 Tagen zu Dresden die Reise ein, da er bedenkliche Botschaft aus Preußen erhielt. Auch hatte der Kaiser die Verhandlung nach Wien verlegt, wohin nun eine Gesandtschaft unter
Urbs olim quam florens opibus rebusque secundis,
En quo perduxit miseros discordia cives!"
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Husan und Joachim Krause abging. Ihr schickte der Herzog - Dresden den 26. Mai - durch Eilboten 900 Goldgulden nach, um den beigesellten Räthen befreundeter Fürsten Prunkkleider, den vornehmsten kaiserlichen Dienern Geldsummen zu verehren. Am 7. Juni empfahl er noch von Cöln a. d. Spree aus den Gesandten, die rostocker Festung jeden Falls zu erhalten, den Zasius zu pflegen und die geheimen Puncte des Friedens mit den Türken zu erforschen. Zu Wien zeigte Husan ausgezeichnete Umsicht und Gewandtheit des Geistes, indem er vom 8 - 30. Juni der schwierigen und gehässigen Verhandlung mit den rostocker Gesandten vor den Kaiserlichen oblag und vielmals, um die Sache zu beschleunigen, aus dem Stegereif redete. Zuweilen zwar schien Ausgleichung in Güte oder ein den Fürsten günstiger Spruch zu nahen, doch endlich ward, wie Husan es gedacht hatte - da man die im J. 1566, vor seinem Dienstantritt, erbauete Festung in der Hauptsache für unrechtmäßig erachtete - auf kaiserliche Beschlagnahme der Festung erkannt. Das Weitere sollte eine neue Gesandtschaft des Kaisers verhandeln. Solchen Ausgang nahm diese mißliche Sache an demselben Tage zu Wien, an welchem Joh. Albrecht von Schwerin aus einen goldenen Becher und 3000 Rthlr. dem Zasius sandte! - Als Husan und Krause, nach eiliger Rückfahrt, am 4. August dem Herzoge zu Stargard das Ergebniß der Sendung berichteten, spürten sie den zornigen Entschluß des Herzogs, dem Kaiser nicht zu gehorchen; die Feste müsse, so hieß es, wegen des schwedisch=dänischen Krieges und drohender Gefahr durch die Moscoviter den Fürsten verbleiben. Johann Albrecht entließ unwillig die Gesandten und begab sich schleunig zu dem Markgrafen Johann von Brandenburg nach Besekow, wo beide am 18. und 19. August mit dem ränkevollen Ritter Friedrich Spedt, ihrem langjährigen Werkzeuge und Kundschafter in mißlichen Händeln, das Verfahren gegen Rostock und den Kaiser, so wie einen großen politischen Plan es Ritters beriethen 1 ).
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Husan blieb der gewonnenen Ueberzeugung, wie der Offenheit seines Sinnes getreu. Am 12. September erschienen die Kaiserlichen zu Wismar, um die Vollziehung des Spruches in dem rostocker Streite zu berathen. Als Joh. Albrecht in die Beschlagnahme der Festung nicht willigen wollte, wies Husan - hierin wohl dem Herzoge mißfallend - in scharfsinnigem, gedrängten Vortrage nach, daß der Spruch rechtmäßig erkannt und Gehorsam gegen den Kaiser nothwendig sei. Am Schlusse erklärend: einen andern Rath könne er nach Pflicht und Gewissen nicht geben, andere Botschaft den Kaiserlichen nicht bringen und, wenn Nichtvollziehung beliebt werde, an dieser Sache ferneren Antheil nicht nehmen. Bei solcher Erklärung blieb er fest und entschieden; da Einige, wie Mylius, ihm beistimmten, beugte dieses den zürnenden Sinn des Herzogs, zumal ihm auch Markgraf Johann gerathen, den Kaiser in dieser Sache nicht ferner zu reizen. Husan führte dann die Verhandlung zum Schlusse und verfaßte die wichtigen Schriften, wie die Reverse der Kaiserlichen, welche später eine Schutzmauer der bedrängten Herzoge wurden. Am 24. Sept. ging er mit Heinrich Warburg und zwei Geheimschreibern zur Einleitung und Vollziehung der Beschlagnahme nach Rostock, wo ihn die Beamten der hohen Schule feierlich empfingen. Am Morgen des 1. October entließ er die herzogliche Besatzung, wies den Kaiserlichen die Festung an und sah das auf ihr entfaltete Banner des Kaisers vom Jubel der rostocker Bürger begrüßt.
Johann Albrechts Aufregung über den Spruch des Kaisers, sein Zorn zu Stargard und seine Haltung in der Verhandlung zu Wismar führten Husan zur Forschung über die Aufgabe und die Eigenschaften der Regenten. Mitten im Laufe der Geschäfte - am 18. September - schrieb
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er zu Wismar flüchtige Verse nieder, welche seinen spätern Dichtungen beigefügt 1 ), die Tugenden und Pflichten des Herrschers wesentlich so bezeichnen: Gottesfurcht, Kenntniß und Pflege des eigenen Landes, Mäßigung im Streben nach dem Neuen, Festigkeit und Vorsicht, Folgerechtigkeit und Treue, Verachtung der Schmeichler und Ränkemacher, Ordnungssinn und Ausdauer in Geschäften, Strenge gegen das Böse und Vertretung des Gerechten.
Im Herbste ward dem Husan ein längeres ungestörtes Verweilen am häuslichen Heerde zu Theil. Schwere andauernde Arbeit hatte seine leiblichen Kräfte geschwächt und nahm doch nicht ab. Noch sagten ihm die rauhere Natur und Sitte des Nordens nicht zu; mehrmals litt er an den Folgen starker Erkältung oder am Herzklopfen. Seine Amtswohnung war beschränkt und gegen die Stürme und Wellen des nahen Sees nicht genügend geschützt. Dabei klagte er unwillig 2 ) über den Mangel an Stunden der Muße. Sein ernster wissenschaftlicher Sinn, obwohl der Wirklichkeit unabweisbare Bedeutung nimmer verkennend, strebte im geschäftigen Leben mit den klassischen Studien, der Dichtkunst und dem Denken über höhere Dinge vertraut zu bleiben. Oft auch von Privatleuten um Rath oder Fürsprache ersucht, gewann er nur selten die Zeit, mit Wenigen, wie dem herzogl. Mathematiker Tilemann Stella von Siegen oder dem Rathe Andreas Mylius und dessen Angehörigen gesellige Freundschaft zu pflegen. Der Spiel= und Zechgelage nichtigem Treiben blieb er ferne, obwohl munter und scharfen Witzes, doch ohne Bitterkeit im täglichen Umgange. Sein Familienleben war durch Liebe und Treue beglückt, zuweilen durch fürstliche Gnade geziert, wie von Joh. Albrechts edler Gemahlin Anna Sophie, welche eine ihm eben geborne Tochter aus der Taufe hob.
Im Anfange des Winters begannen wieder Husans mühevolle und eilige Sendungen im Auftrage des Herzogs.
"Non duci studio rerum nec amore novarum,
Non vento quovis circumagente rapi;
Consilium rebus praemittere semper agendis,
Consilium captum mox in agendo sequi."
Jedoch ging ihm sein im Häuslichen heiterer Sinn nie ganz verloren; belebt von edlem Scherze und doch ernst und gedankenvoll ist z. B. sein damaliger Glückwunsch an Tilemann Stella, der sich im J. 1569 mit Anna Hofmann verband. Dieses Gedicht bildet in der angef. Sammlung des Chyträus, fol. 107, die zehnte Elegie des ersten Buches."Vita quid est? labor est et habendi vana cupido,
Tristis ad extremum sollicitudo diem."
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Am 1. December 1568 vertrat er diesen, als des Kaisers Beauftragten, im Streite des Busse von der Schulenburg mit dem Herzoge Franz von Sachsen=Lauenburg zu Lüneburg. Am 9. December wohnte er einer persönlichen Verhandlung der Landesherren zu Sternberg bei, wo er von Neuem auf Abhülfe der Klagen beim Reichskammergerichte antrug. Vom 20. Jan. bis zum 3. Februar 1569 verhandelte er zu Güstrow mit des Herzogs Ulrich Canzler Gieseler die fürstbrüderlichen Irrungen und des aus harter Gefangenschaft erlösten Herzogs Christoph künftige Abfindung, streitend mit dem zögernden Canzler und seines Herrn Nutzen eifrig verfechtend. Dann mußte er, der rauhen Jahreszeit ungeachtet, mit Joachim Krause und einigen Andern vom 5. bis zum 16. Februar die Grenzirrung mit Pommern an Ort und Stelle zu geregelter Verhandlung hinleiten. Er bezog in Person mit seinen Genossen und den pommerschen Räthen die Grenze vom Meere an bei Wustrow bis nach Bruderstorf bei Dargun, wo er am 16. Februar eine vorläufige Schlußacte als Maaß und Grundlage künftiger Ausgleichung sorgfältig abfaßte 1 ).
Eine dauernde rühmliche Sorge Husans war die Hebung der Rechtspflege, welche den herzoglichen Beamten und Vögten oft durch die Lehnleute und Magistrate erschwert oder von den Richtern unförmlich gehandhabt ward. Es gingen manche Morde und Gewaltthaten vor, welche ungestraft blieben, weil die Uebelthäter entflohen oder sich sonstig der Strafe entzogen. Der herzogliche Fiscal Dr. Behm sagte im October 1568 auf dem Rechtstage zu Wismar: das Morden will fast eine unstrafbare Gewohnheit werden; Todtschläge und Ehebrüche bleiben der Geschenke und der Privatpersonen Einmischung wegen ungestraft. Auf solche und andere Thatsachen hin ging Husan in vielen Erlassen von dem Grundsatze aus, daß es nothwendig werde, zum Ruhme der Fürsten wie zur Ordnung des Landes über die Vollziehung der Gesetze mit größerem Nachdruck zu wachen. Demgemäß ward von ihm in dieser und der nächstfolgenden Zeit die Bestrafung säumiger und unwissender oder harter und ungerechter Richter, wie zu Friedland, Neubrandenburg und Sternberg, ohne Schonung betrieben, indem sie dort oder am Hoflager zu Recht gefordert und in Strafe genommen, auch wohl des Amtes entsetzt wurden. Von Lehnleuten und reicheren Bürgern mußten Einige ihre
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Unthaten mit schwerer Haft, hoher Geldstrafe 1 ) oder Verweisung des Landes büßen, welche häufiger noch über Verbrecher aus dem niedern Volke erkannt ward.
Damals sollte Husan nochmals erfahren, wie gefährlich in ungünstiger Zeit einmal geschmäheter Ruf sei. Der Ritter Friedrich Spedt, ein sinnlicher Mann, erfahren, kräftig und ränkevoll, hatte in der rostocker Sache Trug und Gewalt geübt. Er ward von rostocker Bürgern und kaiserlichen Gesandten der Gelderpressung und Nachbildung des kaiserlichen Siegels peinlich beklagt. Ueberdieß bedrängt durch die den Herzogen feindliche Wendung der Sache, welche er zu fördern oftmals verheißen 2 ), und in den eigenen Schlingen gefangen, suchte er durch neuen Trug sich zu retten. Er reizte im December 1568 zu Küstrin noch einmal den Herzog Joh. Albrecht und den Markgrafen Johann durch Vorspiegelung großen Gewinnes. Hiebei, so scheint es, gab er in Gemeinschaft mit des Herzogs Geheimschreiber Molinus, dem des Husan ernster Rechtssinn in zuweilen üblem Treiben hinderlich war, den Husan als Verräther in der rostocker Sache an. Dieser - früher von den Geächteten als käuflich zu Augsburg geschmähet - sollte in der Verhandlung zu Wien den rostocker Gesandten die Rathschläge der Fürsten um eine stattliche Gabe verkauft haben. Zugleich warnte Spedt den Herzog, Husan überhaupt nicht in geheime Sachen zu ziehen, da er Dienste beim Kaiser erstrebe. Der Herzog wußte, wie Spedt und Molinus dem Husan feindlich gesinnt waren; er verkannte die Bedeutung der Anklage nicht und ließ sie, wenn gleich vielleicht mißtrauisch gestimmt, auf ihrem Werthe beruhen. Aber Husan ward durch die Kunde tief verletzt, forderte die Angeber zu Recht und weigerte bis zur Entscheidung der Sache alle Theilnahme am rostocker Streite. Spedt und Molinus deuteten auf den Dr. Antonius Witersheim zu Hamburg als die Quelle ihrer Aussage hin, welcher jedoch dieselbe am 1. April 1569 als erlogen zurückwies, nachdem Husan bereits im März zu
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Doberan vor dem herzogl. Rathe und dann beim Hof= und Landgerichte gegen die Angeber förmlich geklagt hatte 1 ).
In Folge dieser Anklage, der Mängel des Canzleiwesens und häufiger Versendung wollte Husan nach dem Ablauf seiner Bestallung am 8. Januar 1569 dem Canzleramte entsagen. Er bat den Herzog, ihn ferner mit demselben zu verschonen. Doch dieser hatte ihn, wie die neue Bestallung sagt, mit Wohlgefallen treu, geflissen, unverdrossen und aufrichtig im Dienste befunden, und wollte ihn des Amtes nicht entlassen. Es ward hierüber eine Verhandlung gepflogen, welche am 13. April als neue Canzler=Bestallung dahin zu Stande kam: Zum Ersten. Husan übernimmt das Canzleramt wieder auf ein Jahr, bis Ostern 1570, soll jedoch von der Führung der gemeinsamen Landessachen, welche er bisher mehr aus Dienstwilligkeit, denn aus schuldiger Pflicht übernommen, entbunden sein. Des Joh. Albrecht eigene Geschäfte erfordern schon maaßlose Mühe und bisher hat Husan in den gemeinsamen Sachen oft nicht blos die Arbeit, sondern auch die Verantwortung allein tragen sollen. Da aber der Herzog ihn nicht auszumatten gedenkt, so genehmigt er die Bedingung Husans, nach welcher dieser in jenen Sachen nicht weiter, als des Herzogs Ulrich Canzler verpflichtet ist oder in deren Führung mit demselben zu wechseln hat. Nachdem, zum Zweiten, einige Mißgönner Husans aus Neid und Feindschaft ihn zu verdächtigen und zu entfernen gestrebt haben, so wird ihm Schutz und Gerechtigkeit gegen diese verheißen. Da man ihn namentlich in der Rostocker Sache des Verrathes beklagt hat, so wird ihn gestattet, deshalb beim Landgerichte Recht zu suchen; vor der Entscheidung ist er nicht weiter verpflichtet, in jener Sache zu wirken. Nie soll ohne Verhör Ungnade ihn treffen. Zum Dritten werden zur Führung der Staatsgeschäfte ihm alle Canzleibeamte nebst dem Hofnotar Harding Petri überwiesen, welche er nach seinem Ermessen entlassen und durch Tüchtigere ersetzen kann; doch sind dieselben vom Herzoge zu unterhalten, der ihn auch gestattet, für die in fürstlichen Privatsachen verwandten Canzleischreiber neue zu wählen. Zum Vierten erhält von allen Canzleigefällen der Secretair Peter Friedrich den vierten Theil, Husan die Hälfte des Uebrigen, der Rest wird den Unteren getheilt. Der Schreiber Husans, Johann Gutich, wird ebenfalls aus diesen Gefällen oder sonst vom Herzoge besoldet. Weil, zum Fünften, Husan viele Verzeichnisse und Auszüge der Acten, auch andere Bücher ver=
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fertiget, welches bisher der Verwaltung zum Nachtheil verabsäumt ist, so soll im Laufe des Sommers seine enge Amtswohnung um ein Stockwerk erhöht werden und einige größere Gemächer erhalten, in deren einem er seine Acten und Bücher bewahren und studiren wird. Ferner soll ihm das kleine herzogliche Waschhaus zum Badezimmer zugerichtet und der Hof des Hauses gepflastert werden. Zum Sechsten soll er von allen Gelübden und Bürgschaften für den Herzog befreit bleiben. Zum Siebenten sind in keiner beim herzoglichen Rathe und bei der Canzlei anhängigen Sache ohne des Canzlers Vorwissen Befehle oder Aufträge zu geben, damit keine Winkelbefehle ergehen und nicht ferner Zerrüttung die Geschäfte des Staates ergreife. Husans Besoldung bleibt wie zuvor; alle Rückstände sind ihm sofort zu erlegen, namentlich 1000 Rthlr. des Gnadengeldes nebst halbjähriger Besoldung, auch Wein= und Holzgeld und andere Hebungen. Endlich wird ihm zu Ostern des J. 1570, wenn er es begehren sollte, gänzlicher Abgang aus dem Dienste verstattet, vom Amte des Canzlers auch im laufenden Jahre, wenn wider den Inhalt der Bestallung gehandelt wird.
Solches Vertrauen und so hohe Gnade verehrte Husan dankbaren Sinnes, unermüdet bei schwerer Tageslast, für des Landes Gedeihen redlich strebend und, ferne von Uebermuth, die erlangte Gewalt mit Mäßigung handhabend. Er war in der folgenden Zeit, da die Lage Joh. Albrechts immer bedrängter ward, eine feste Stütze und in Staatssachen der bewährteste Diener des hart geprüften Fürsten. Dieser verlor damals die gehofften Früchte zum Theil mißlicher und kostbarer Mühen, für die Hebung seines Hauses, zum Schutze Norddeutschlands gegen die Moscoviter und zu andern Zwecken in fremden Ländern 1 ) verfolgt; Versuche, durch Handel und
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Erhöhung der Zölle Geldmittel zu gewinnen, schlugen ihm fehl, und, was schlimmer war, im eigenen Lande dauerten bei wachsender Noth Hader und offener Streit fort.
Unter diesen waren die Irrungen der Herzoge unter sich, genährt durch immer neue Fragen des Tages bei Theilung oder gemeinsamer Verwaltung einzelner Güter, Hölzungen und Gewässer, Schiffbarmachung der Flüsse, dem Zwiste mit Rostock, den kirchlichen Händeln, den Landtagen und der Tilgung der Schulden eine Hauptquelle des Uebels. Husan erkannte klar, daß diese Irrungen bei gemeinsamer Regierung in den gemeinen Landessachen die Ordnung und Bildung im Staate wesentlich hemmten. Daher rieth er seinem Herrn Nachgiebigkeit und Ausgleichung an, von der Ansicht ausgehend: der erste Punct ist, daß die Fürsten selbst sich versöhnen. Aber Joh. Albrecht durch Mistrauen des Bruders gehemmt und wegen Tilgung der Schulden auf dem Verlangen des größeren Antheils beharrend, erwirkte am 7. März 1569 durch Zasius und Spedt am Hofe zu Wien den Vorschlag kaiserlicher Vermittelung zwischen den Fürsten. Dieses Verfahren beklagte Husan, denn es erwecke, wie er in den Acten schrieb, seinem Herrn leere Hoffnung und ziehe den verderblichen Streit hin, da ja Herzog Ulrich sich zum Rechte erbiete und wider Willen zu Vergleichen nimmer zu zwingen sei. Als aber der Auftrag ihm ward, zeigte er auch hierin sich eifrig; ein im Juli des J. 1569 von ihm verfaßter Entwurf über das Verhalten im Versuche zur Ausgleichung vor den Kaiserlichen, hebt bezeichnend so an: schon weil zu vermuthen, daß Herzog Ulrich dem unsrigen wegen mancher rechtsbegründeter Einreden nicht nachgeben werde, wird es sehr nützlich sein, irgend eine Vorstellung zu erfinden, nach welcher Ausgleichung ihm selbst gewinnbringend erscheine, jedoch im Geheim, so daß die zugezogenen Landstände die Stimmung der Fürsten nicht erkennen. - Doch Ulrich ging weder auf die neuen Gesuche des Bruders, der vermeintlich lange seine Gutherzigkeit mißbraucht und in einen "Dornbusch" ihn geführt hatte, noch auf die kaiserlichen Anträge ein und so blieb, auch nach deren Erneuerung am 27. Sept, 1569, der unheilvolle Zwist bei alter Geltung 1 ).
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Husan ließ sich neben der Verwaltung und Rechtspflege die Förderung der Wissenschaft angelegen sein. Er machte sich im Herbste des J. 1568 mit den Lehrern der Universität zu Rostock persönlich bekannt, wechselte Briefe mit Chyträus, Heine, Niebur, Brucäus und Andern, suchte auch eifrig seine Sammlung von Büchern durch seltene Schätze des Wissens zu bereichern. Die Geldmittel zur Erhaltung jener damals bedeutenden Bildungsanstalt waren, wenn nicht geringe, doch immer sehr mäßig und dabei gingen von den 3500 Gulden jährlicher Haupteinkünfte nur etwa zwei Drittheile mit Sicherheit ein, schon früher hatte Husan in der Sache der Errichtung von Gebäuden der Hochschule mitgewirkt und da er Hindernissen begegnete, in heftigem Eifer seine Entlassung begehrt. "Er übernahm den Schutz der Hochschule und unterließ nichts, was zu deren Zierde und Pflege gereichen konnte 1 )." Als die mangelhafte Unterhaltung derselben, zum Theil durch deren Gesandte bei Zusammenkünften der Landesherren im Sommer 1569 zu Schwerin und Sternberg mehrmals zur Sprache kam, war Husan unter denen, welche den Herzogen diese Sache empfahlen und sie verfochten. Ihn selbst, der mit Bedauern gestand, viel von den Früchten des Schulfleißes am Hofe vergessen zu haben, trieben die Liebe oder der Lauf der Geschäfte, wenn es einmal die Muße vergönnte, zu neuer Forschung, wie in der rostocker Sache und bei Einleitung eines landesherrlichen Prozesses gegen Vasallen, in Folge dessen er die, nachher bekannt gewordene Abhandlung "vom Mannengerichte" schrieb 2 ).
In dem Streite mit Rostock wirkte Husan einige Zeit nicht mit, indem auch etwas Wesentliches nicht vorging. Joh. Albrecht hatte von Neuem im Februar 1569 den Friedrich Spedt nach Wien entsandt und den Herzog Ulrich ersucht, daß er jenem einen Diener beiordnen möge. Aber Ulrich wollte, wie er am 10. Februar schrieb, mit dem losen Manne Spedt
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nichts zu schaffen haben, der sei ehrlos und voller Schelmstücke. Während Joh. Albrecht hierauf erwiderte, der Kaiser sende zuweilen lose Leute den Reichsfürsten zu und diese dürften in derselben Münze ihm zahlen, war Husan mit dem Herzoge Ulrich, Andreas Mylius und Andern gleicher Ansicht über Spedts verwerfliches Treiben, welches er im April 1569 in mehreren Schreiben dem Herzoge Ulrich berichtete. Ein vom Kaiser auf den 22. April bestimmter Rechtstag ward auf Ansuchen der Landesherren, bei drohenden auswärtigen Händeln, in den Juni und dann bis in den Herbst erstreckt. Im Frühling hatte Husan die zur Versendung der Acten an fremde Rechtsgelehrte nöthigen Schriften verfaßt als gleichzeitig, am 11. Juni, ein kaiserlicher Erlaß den Rostockern die Accise und die Ausfüllung der eingerissenen Mauer vergönnte, besorgte Joh. Albrecht, es möge diesen bei stattlichem Einkommen und kaiserlichem Schutze der Muth allzusehr wachsen. Während zu Sternberg am 2. August die Landesherren, von Husan und Andern zur Güte ersucht, dieses beriethen, baten rostocker Gesandte um eine Vertragshandlung. Diese wurde, durch des Husan Rath befördert, seit dem 14. September zu Wismar gehalten, doch ohne Erfolg, da Joh. Albrechts Erbitterung durch Ränke des Molinus genährt, die Verhandlung selbst durch die von den Landesherren erbetenen Räthe der Herren und Freunde anscheinend erschwert und der Rostocker Rath von Mißtrauen geleitet ward. Husan aber hatte mit Eifer Ausgleichung erstrebt und beklagte entschieden deren neues Mißlingen.
Das Canzleramt führte er mit Kraft und Emsigkeit fort, wie er am 11. Juni dem Herzoge schrieb, vielfache Mühe unbeschwert auf sich ladend, welche vielleicht ein Anderer vor oder nach ihm ungern getragen hätte oder angreifen werde. Zuweilen wiederholte er den Wunsch, der Herzog möge mit größerer Vorsicht und Festigkeit walten. Oft stockten die gemeinsamen Geschäfte, weil einer oder der andere Landesherr die nöthigen Diener schon anderweitig verwandt hatte oder die Acten zerstreut und vergessen waren. So zergingen manche Rechtstage und Aufträge, indem immer neue Geschäfte des Tages sich aufdrängten, den Fortgang der gestörten auch ferner noch hemmend. Dann pflegte Husan zu erinnern: der Verzug des Hin= und Wiedersendens ist den Sachen nachtheilig; man muß auch bei dem Begonnenen bleiben und dieses vollführen. In der Canzlei ermahnte er bald: man soll alle Befehle auf ganze Bogen und nicht auf halbe stellen, damit sie in das Conceptbuch eingeheftet werden mögen; es soll auch unter ein jegliches Concept geschrieben werden, an wen es halte;
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und bald über die Form der Erlasse: jene Wiederholungen sind zeitraubend und widerlich, so oft sie in die Erlasse das ganze Gesuch des Bittenden einschließen. - Selbst mit einigen Räthen gerieth er über diese und andere Puncte in Streit, und es geht aus den Acten hervor, daß sein klarer, oft gedrängter und würdevoller Vortrag die gedehnte, schwerfällige Schreibweise auch vieler der höher gebildeten Zeitgenossen beschämt.
Die Mängel des Geschäftsganges, der Ausbau des Canzleigebäudes und die eigene Bemühung Husans führten zur Erlassung einer neuen Raths= und Canzleiordnung, welche am 23. October 1569 in Kraft trat. Sie erscheint für diese Zeit musterhaft und beurkundet die Grundsätze einer höher entwickelten Verwaltung. Sie zuerst verheißt die Bestellung eines eigenen Botenmeisters für die Canzlei, der die ein= und ausgehenden Sachen verzeichnet und befördert, auch für das Schreibmaterial und andere Vorräthe, über deren Mangel oder schlechte Beschaffenheit Husan öfterer Klage geführt, Sorge trägt. Die Arbeitszeit und der Geschäftsbetrieb der Räthe und der Canzleibeamten werden von Neuem festgesetzt. In der Regel sollen alle Bescheide am Hoflager gesucht und in Parteisachen auch die Verhöre daselbst gehalten werden. Die Stellung des Canzlers tritt, der letzten Bestallung Husans entsprechend, klarer hervor. Er ist in der Regel beständig am Hofe, hat täglich vor und nach dem Mittage an bestimmten Stunden offenes Gehör bei dem Herzoge, führt das Canzleisiegel, gegenzeichnet in den Parteisachen die Erlasse und übt, mit ausgedehnter Gewalt bekleidet, über das ganze aus neun Beamten bestehende, namentlich aufgeführte Canzleipersonal die oberste Leitung und Aufsicht 1 ).
Damals begann die körperliche Schwäche Husans durch zuweilen anhaltendheftiges Klopfen des Herzens und Ausbildung des Bruchschadens drohender zu werden. Er berichtete um diese Zeit dem berühmten Arzte Heinrich Brucäus zu Rostock auf die Anfrage, wie es ihm ergehe? er sei aufgeregt, schlaflos, von krampfhaften Zufällen, Kopfweh und Schwäche des Magens geplagt, und fügte die dringende Bitte bei, ihm heilbringende Mittel und neue Vorschrift des Lebens senden zu wollen. Er trug mit Ergebung und auf den eigenen Irrthum deutend, der bei blühender Jugend ihn in des Lebens Wirren geführt, sein Leid. In ernster, entsagender Stimmung schrieb er fast gleichzeitig "des Heinrich Husan Wunsch,"
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welcher den glücklich preis't, der in Gottesfurcht dem Weltleben entsagend, die Pflicht übt, mit gewordenem Loose zufrieden, frei vom Streben nach Ruhm und Reichthum wie von Ueberlast der Geschäfte, nicht durch träge Ueppigkeit an Geist und Körper entnervt, ferne von dem überall in Schulen, Kirchen und Gerichtshöfen erschallenden Gezänke und der schlüpfrigen Bahn des Hoflebens. Ein solches Loos verdienter Ruhe in häuslichem Glücke wünscht er sich als seines Wirkens belohnendes Ende 1 ).
Es nahte die dreijährige Dienstzeit Husans ihrem Schlusse. Seit dem October des Jahres 1569 ward über seine neue Bestallung als Canzler und Rath, meist durch Andreas Mylius, verhandelt. Da ihm wiederholt Sold und Begnadigung rückständig geblieben, - wie er denn am 11. Juni 1569 um Erlegung der Ostern fälligen 1000 Rthlr. des Gnadengeldes unter förmlichem Widerspruch gegen die Nichterfüllung der herzoglichen Verpflichtung dringend ersuchte, - so verlangte er Anweisung auf eine bestimmte Person zur Zahlung. Dieses ward nach einiger Besprechung gewährt. Aber das mangelhafte Canzleiwesen, besonders die Versendung in der rostocker Sache und die Anklage Spedts erschwerten den Abschluß. Lange betrieb er vergeblich gerichtliche Ladung der Angeber, vielleicht mit des Herzogs Willen behindert, der Spedts Arglist und Trug zwar erkannte, doch ihn als Diener des Kaisers und Vertrauten gewichtiger Männer am Hofe zu Wien in manchen geheimen und gefahrvollen Händeln gebrauchte, auch mit Geldsummen ihm verhaftet war. Denn am 18. April 1569 forderte Spedt mit der Miene beleidigter Unschuld einen offenen Rechtstag gegen Husan, der ihn vor den Land= und Hofräthen als flüchtigen Verläumder beschimpfe. Die Ladung geschah nicht und vermuthlich hatte der umherziehende, vom Herzoge Ulrich mit Haft bedrohete Ritter dies sicher erwartet. Nach Husans Worten blieben die Ankläger im alten Werthe, während er als ein gebranntes Kind das Feuer scheuete und gemäß einem Schwur mit Spedt oder Molinus nahe oder ferne nimmer wieder versandt sein, auch mit Jenem niemals in demselben Rathe noch an dem nämlichen Tische sitzen wollte.
"O animi felix, o parte beatus ab omni,
O immortali proximus ille Deo,
Quem docuit mundi valedicere moribus huius
In verum pictas obsequiosa Deum."
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Deshalb verweigerte er fernere Versendung in der rostocker Sache, außer im Gefolge der Herzoge und in Gemeinschaft anderer Räthe, begehrte auch ausdrückliche Bezeichnung des Spedt und Molinus als Verläumder und neuen Schutz gegen dieselben. Als der Herzog die bezügliche Stelle im Entwurfe der Bestallung durchstrich, war er am 16. October 1569 entschlossen, lieber die Verhandlung zu schließen und den Stab weiter zu setzen, als hierin zu weichen. Doch Joh. Albrecht strich abermals in einem andern Entwurfe vom 26. October jenes Verlangen und auch in dem letzten vom 16. December erfüllte er es nicht ganz. Da fügte Husan dieser Stelle bei: wenn der für mich wichtigste Punct, den Spedt und Molinus betreffend, nicht ausgeführt wird, so bin ich zur Aufhebung des Vertrages gezwungen. Indessen hatte die Festigkeit Husans in Verfechtung der Ehre den Herzog vermocht, des Molinus Verhaftung kurz vor dem 10. December zu gestatten. Husan führte mit Nachdruck die rechtliche Verfolgung desselben, so daß dieser am 10. Januar 1570 zu Güstrow vor dem höchsten Gerichte die Anklage zurücknehmen mußte und überdies mit weiterer Klage von den Rostockern in derselben Sache bedroht blieb. Auch gegen Spedt hatte er am Ende des Jahres 1569 Ladungen des Hof= und Landgerichts erwirkt. Dieser suchte sich alsbald zu rächen, indem er, wie schon am 18. October von Preßburg, am 5. November von Wismar aus dem Herzoge schrieb: Husan wolle in den Dienst des Kaisers ziehen, der Herzog möge ihn zu eigener Verkleinerung nicht aufhalten, und am 10. December demselben: was der aberwitzige Canzler mit Molinus zu thun habe, sei ihm unbewußt, doch müsse dieser gegen Bürgschaft der Haft entlassen werden 1 ). Bald darauf am 10. Januar 1570 schützte Spedt gegen erneuerte Ladung des höchsten Gerichts als Einrede vor: er sei vom Kaiser mit hohen Gerechtsamen begnadigt, nach denen er nur beim kaiserl. Hof= und Kammergerichte beklagt werden könne; da er überdies des Kaisers Geschäfte
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führe und dennoch Ladungen erhalte, so bitte er, den Husan in die verwirkte Strafe von 40 Mark löthigen Goldes zu nehmen. Dieser wollte zwar nach vergeblicher dritter Ladung Spedts Güter gerichtlich verzeichnen lassen, stand jedoch bald, wahrscheinlich dem Wunsche des Herzogs entsprechend und sich am Wiederruf des Molinus genügend, von weiterer Verfolgung zurück.
Unter solchen Reibungen war die neue Bestallung noch im Februar nicht zur Vollziehung gekommen und der Herzog dem Husan, wohl wegen dessen gereizter Verfolgung der Angeber, ungnädig gesinnt. Angeblich ruhend oder im verschlossenen Gemache eigene Geschäfte betreibend, versagte er ihm mehrmals den Zutritt, so daß Husan am 10. Februar 1570 ihm meldete: er wisse nicht mehr, zu welcher Zeit er gelegen oder ungelegen komme, noch woran er recht oder unrecht thue. Endlich in den ersten Tagen des März ward die neue Bestallung vollzogen, anscheinend nach dem Wunsche des Herzogs ohne Bezeichnung der Angaber, indem er am 24. März dem unzufriedenen Husan die kalte Fassung des Dienstreverses verwies und dieser am 26. d. M. einen zweiten verfasste. Die Bestallung verpflichtet - in den entschiedenen Puncten der letzten Entwürfe und nach dem Reverse - den Husan auf neue vier Jahre, von Ostern 1570 bis dahin 1574, als Canzler und Rath des Herzogs; dieser erhöht seine Besoldung auf 400 Rthlr. nebst 100 Rthlr. an Weingeld und stattlichen Nebeneinkünften; verheißt ihm ein Gnadengeld von 4000 Rthlrn., Ostern 1570 mit der Hälfte, im Reste jährlich mit 500 Rthlrn, zu erlegen, und bestimmt den Secretair Peter Friedrich zur Zahlung. Husans verdienstvoller Eifer wird von Neuem gerühmt, seine ausgedehnte Gewalt, wie die Grenze seiner Verpflichtung als Canzler in gemeinsamen Landessachen bestätigt, die Rechtspflege ihm besonders empfohlen, endlich größere Hülfe in der Führung der Geschäfte und fernere Verbesserung des Canzleiwesens ihm zugesagt. Auswärtig und namentlich in der rostocker Sache soll er nur dann versandt werden, wenn seine Person nicht zu ersetzen ist und die Herzoge selbst oder mehrere Räthe nach genauer Anweisung mitziehen. Aus besonderer Gunst werden ihm neben dem Holzgelde eines der größten Flußschiffe mit Brennholz, täglich zu jeder Mahlzeit 2 Reihen herzogl. Tafelbrode und zum Ehrenkleide im dritten Jahre 12 Ellen Sammet und 16 Ellen Dammast verheißen.
Husans Vorsicht in der rostocker Sache war in so ferne begründet, als diese weitere Sendungen an den Hof des Kaisers hervorrief und Joh. Albrecht den Spedt nochmals in diesen und andern Händeln verwandte. Es erging im März
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1570 an die Herzoge ein geschärfter Aufruf, einen weitern Rechtstag in Prag zu beziehen, wo schon seit dem Februar Rostocks Gesandte der Entscheidung harrten 1 ). Von Zasius und Spedt getrieben, der nach "Stechpfennigen" gelüstend, unter Andern die nöthigen Geschenke zu Prag dem Herzoge empfahl, ging dieser am 22. März mit geringem Gefolge über Küstrin eilig nach Prag. Am 24. März erließ er von Spandau aus an Husan und Joachim Krause dringende Befehle, ihm auf dem nächsten Wege zu folgen, da er zu Prag ihres Rathes bedürfe. Husan, durch gleichzeitige Erlegung fälliger 2000 Rthlr. des Gnadengeldes und Ausrüstung mit Reisemitteln ermuntert, zog mit Krause seit dem 3. April der böhmischen Hauptstadt zu. Hier war Joh. Albrecht schon am 6. d. M., vom Kaiser gehört und hatte folgenden Tages durch Spedt die Vornehmsten der Kaiserlichen beschenkt. Am 17. d. M., gleich nach Husans Ankunft, begann die Verhandlung und zog sich, da jede Partei einzeln gehört ward, unter großem Mißtrauen hin. Noch schien Einiges den Herzogen günstig, als plötzlich in den erstenTagen des Mai der Vicecanzler Zasius starb und mit ihm Joh. Albrecht wie Markgraf Johann "den besten Stein aus dem Brette verloren". Husan, obwohl viel mit den Kaiserlichen verkehrend, wobei ihm Spedt oftmals auf der Ferse blieb, auch anscheinend mit Anträgen zur Nachfolge in des Zasius Amte beehrt, verkannte doch nicht die trübe Seite des glanzvollen Lebens und der Staatskunst am Kaiserhofe 2 ). Fast immer der Erste im Reden und Schriftenfassen suchte er die schleichende Verhandlung zu beeilen, wenn gleich seine innerste Meinung von dem mißlichen Streite in dem Worte sich aussprach: "wen Gott strafen will, den steckt er in eine böse Sache".
"Aula dedit nobis rescripta notata papyro,
Et sine mente sonos et sine corde manus."
Nach des Zasius Tode verhieß Joh. Albrecht dem neuen Vicecanzler Dr. Weber eine Gabe von 2000 Rthlrn. Gleichzeitig empfahl Zacharias Wels dem Herzoge Ulrich den kaiserl. Secretair Erstenberger als einen "gutwilligen Man, so etzlicher vorehrung wirdig". Er erhielt auch wirklich mit seinem Collegen Obernburger zusammen 200 Goldgulden. Aehnlich verfuhren aber auch andere Fürsten und nicht minder die Rostocker! - Der Rechtstag zu Prag ward noch dadurch merkwürdig, daß Herzog Ulrich, seines Bruders "practiken vnd vnterbawung" in dem eigenen Streite fürchtend, von Dresden und dem Carlsbade aus dessen Treiben zu Prag sorgsam verfolgte, auch sich einmal vom Erscheinen daselbst kaum vom Kurfürsten August zurückhalten ließ. - Vgl. Franck, a. a. O. Buch X., S. 184; v. Rudloff, a. a. O. Bd. I., S. 208."Scriptum est in porta: pro verbis verba reporta."
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Wirklich erkannte am 17. Mai der Abschied - ungünstig genug - die Fortführung des Streites auf dem Reichstage zu Speier in drei Rechtssätzen, nachdem mit Mühe ein Erkenntniß auf Zerstörung der Feste verhindert war.
Die innern Landessachen führte Husan strebsam, folgerecht, unverdrossen in Widerwärtigkeit fort. Die ihn zuweilen wohl aufregende und kränkende Verhandlung über seine neue Bestallung hatte ihn hierin nicht irre gemacht. Denn gleichzeitig wirkte er unter Andern rühmlich mit zur Begründung des landesherrlichen Kirchengerichtes zu Rostock, welches in der Kirchenordnung, sowie auf dem Landtage zu Güstrow im April 1555 verheißen, und seitdem öfterer von rostocker Gelehrten angeregt war. Um die Ordnung und Einheit in Kirche und Schule zu erhalten, ward dessen Errichtung, unter dauerndem Widerspruche Rostocks und der Ritterschaft, seit dem J. 1569 nachdrücklich betrieben. Am 31. Jan. 1570 ward die Ordnung des Gerichtes erlassen und am 8. Februar dasselbe mit Gütern bewidmet. Husan hatte das heilsame Werk nach Kräften gefördert und namentlich den Entwurf der Consistorial=Ordnung 1 ) im ganzen Umfange mit großem Fleiße geprüft und gebessert. - Nicht anders erwies er sich im fortgehenden Zwiste der Herzoge, welchen die Einmischung des Kaisers und fremder Fürsten nur bitterer machte. Während hier seine zuweilen kunstvolle Mühe an dem Sinne und Streben der Streitenden scheiterte; trat Joh. Albrechts Noth sichtbar und bedenklich hervor. Im Jan. des J. 1570 kündigten viele Gläubiger ihre Forderungen im Gesammtbetrage von mehr als 100,000 Thaler ihm auf; nicht ferner wußten seine geschickten Geschäftsführer Geld zu schaffen, so daß er oft heftigen Wucherern, wie den Pichten zu Leipzig, anheimfiel und Kleinodien sogar an eigene Diener, wie an Friedrich Spedt, verpfänden mußte. Husan, Mylius und Andere beklagten die heillose Lage des in vieler Weise trefflichen Fürsten, der ruhelos und in Hader dahin lebte und dessen schwere Belastung die Verwaltung und Rechtspflege störte. Aus den Acten erhellt, daß diese Männer keine Mühwaltung flohen, das Uebel zu mindern und die inneren Streitigkeiten zu heben. So seit dem Jan. 1570 zu Güstrow, wo neben dem Rechtstage und Umschlage die brüderlichen Irrungen verhandelt wurden; immer erstrebte Husan Mäßi=
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gung des Zwistes oder rascheren Betrieb der einzelnen Puncte. Als Joh. Albrecht seit dem Februar strengere Erlasse des Kaisers zur Ausgleichung nachsuchte, deutete er wieder auf das Nutzlose solcher Bemühung hin. Am 19. März erhielt er neben Joachim Krause Vollmacht, die Sache zu führen, während der Herzog selbst sich zu Prag um des Kaisers Gnade auch in diesem Streite bemühete. Obgleich dieses fruchtlos blieb, mußte doch Husan im Juli umfängliche Schriften verfassen, den Kaiser von Neuem zu gewinnen. Am 3. August ward er mit Mylius zum Herzoge Ulrich nach Stargard gesandt, um dessen strengere Mitwirkung gegen Rostock und die Ausgleichung der eigenen Irrung zu fördern. Doch Jener verharrte in Unwillen und ging auf die meisten Wünsche des Bruders so wenig ein, daß die Räthe am 5. August sich in Aufregung trennten. Husan erachtete, daß der Zwist das Wohl des Landes gefährde und rieth am 7. August mit Mylius dem Herzoge, weiteren "Argwohn und Beschuldigung" zu meiden.
In der rostocker Sache hielt er am 20. Juni bei einer Besprechung der Landesherren zu Sternberg dafür, den Streit nicht ferner auf den weitläufigen Rechtsgang zu stellen und erbot sich, entweder drei Jahre umsonst dienen oder ein Schelm heißen zu wollen, wenn den Herzogen auf dem Reichstage zu Speier selbst gegen Bürgschaft die Festung und Accise wieder eingeräumt würden. Joh. Albrecht blieb jedoch um so mehr bei der strengeren Ansicht, als der rostocker Rath, gedrängt vom Pöbel und einigen Geistlichen "so gegen die Festung predigten", im Juni den Doberaner Hof mit Gewalt einnahm, die Bürger in Waffen rief und die herzoglichen Erlasse wegen der Accise zerriß 1 ). Husan hielt nochmals am 25. Juli zu Dobbertin im geheimen Rathe dafür: die Herzoge müßten zwar ihre Gerechtsame mit Kraft vertreten, doch zugleich den Streit bald zu schlichten suchen. - Gegen Ende August zog Joh. Albrecht mit ihm, Mylius und Andern auf den Reichstag zu Speier; am 1. Sept. war er 150 Pferde stark zu Nordheim, am 3. zu Cassel, am 7. zu Marburg und seit dem 15. d. M. zu Speier. Den Husan ermüdeten zwar die Beschwerden der Reise und die Bankette an den Höfen "der Herren und Freunde", doch schrieb er fast täglich in gemessenen Raststunden zahlreiche Erlasse, namentlich vom 28. August bis 4. Sept. wegen des Kirchengerichtes zu Rostock. In Speier, wo wegen Theurung und Krankheit wenige Fürsten
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erschienen, 1 ) sah er seine Ansicht in der rostocker Sache bewährt. Der Kaiser, die Vermählung seiner Tochter Elisabeth mit Carl IX. von Frankreich betreibend oder der Jagd mit den gezähmten Leoparden obliegend, war in Geschäften übel gelaunt. Als Joh. Albrecht seit dem 23. Sept. den Streit in der Verhandlung mit den Kaiserlichen wenig gefördert sah, erbat er Richter aus der Mitte der Reichsstände. Der Bericht der Kaiserlichen an diese erschien dem Herzoge so ungünstig, daß Husan am 24. Octbr. gegen einige Ausdrücke desselben Verwahrung einlegen mußte. Meistens redete dieser an der Spitze der Räthe, verfaßte manche der vielfachen Schriften, führte auch Briefwechsel mit den Statthaltern daheim. In Joh. Albrechts Namen wirkte er in den Reichssachen mit, wie bei Berathung der Gesandtschaft der protestantischen Stände nach Frankreich, und hielt Vorträge im Fürstenrathe, wie über die drohende Kriegsmacht der Moscoviter im baltischen Meere. Inzwischen blieb auch das Einbringen der Rechtssätze vor den Reichsständen fruchtlos und der Kaiser schlug nochmals eine Vertragshandlung vor. Als Johann Albrecht sie abzulehnen geneigt war und deshalb Rath mit den Seinigen hielt, redete Husan: "die Pflicht, so ich geschworen, vermahnet mich, dasjenige zu reden und zu rathen, so dem Herrn zu Ehren und Nutz gereichet und dagegen vor Schaden und Nachtheil zu warnen, ohne Rücksicht auf Gnade und Gunst, Ungnade und Feindschaft oder wie das der Menschen Sinn erdenken mag; nichts ist rühmlicher einem Fürsten, als sich selbst zu besiegen und auch dem schuldigen Unterthan sich gnädig zu zeigen", - und stellte dann vor: daß Abweisung der Güte Kaiser und Reich beleidigen werde, die Festung an sich unwichtig sei, daß Stadt und Land durch den langen Zwist Schaden erlitten, der Rechtsstreit beiden Parteien große Geldsummen koste, auch des Herzogs Freude am Leben zerstöre und im Ausgange ungewiß sei. Als der kursächs. Rath. Dr. Teuber, vom Herzoge Ulrich gesandt, und Andere ihm beistimmten, ließ Joh. Albrecht den Versuch zur Güte geschehen. Doch auch dieser verfehlte das Ziel. So ward nochmals vor den Richtern verhandelt, aber nach der Voraussicht Husans am 16. Decbr. erkannt: Der Streit solle zum Beweise verstellt sein, die Festung jedoch in Beschlag bleiben. Hiezu kam noch, daß der
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Kaiser sich persönlich dem Herzoge ungeneigt zeigte und auf den Festen, welche seit dem 22. Oct. der Vermählung Elisabeths folgten, angeblich nicht zu ihm redete. Doch brach Joh. Albrecht erst am 28. Nov. vom Reichstage auf 1 ). Er schiffte von Worms den Rhein hinab, wobei Husan mehrmals in des Herzogs Namen die Festgrüße der Anwohner, welche Geschenke, zuweilen mit Gesang und Dichtung, brachten, empfangen mußte. Am 6. Dec. erreichte der Zug Bonn, war am 9. zu Wesel und rastete seit dem 13. d. M. zu Bremen, von wo Husan nach Lüneburg eilte, die Ankunft in der Heimath zu bereiten. Doch harrte er hier am 23. Dec. mit dem Rathe der Stadt vergeblich des Herzogs, der wegen Eisganges der Elbe über Hamburg zog und am 28. Dec. zu Schwerin wieder eintraf.
Joh. Albrecht war unwohl, voll bitterer Gefühle heimgekehrt; es ergriff ihn ein kränkelnder, reizbarer Zustand. Sein drückender Geldmangel war durch die 16,000 Thaler betragenden Kosten der Fahrten nach Prag und Speier merklich gesteigert und schon sollten im Auslande Schmähungen gegen ihn laut werden. Unter den übelsten Bedingungen wurdenAnleihen gemacht, und dennoch nur einzelnen Gläubigern Zinsen, den wenigsten Dienern der Sold erlegt. Als dieses auch Husan erfuhr und er um sein fälliges Gnadengeld vergeblich gemahnt hatte, verwahrte er sich am 24. Februar gegen Einwilligung in die nicht erfüllte herzogliche Verpflichtung. Er kündigte den Dienst zu Ostern des folgenden Jahres auf, hinzufügend, daß es nicht an ihm liege, wenn er andere Dienste erstrebe und die bestimmte Zeit nicht erfülle, zumal er gezwungen werde, alle Last des Tages zu tragen. Auch Ostern 1571 erhielt er seine Besoldung nicht, was ihn in eine mißliche Lage brachte, indem er selbst Anderen schuldete und sein früher Erworbenes auf Renten ausgethan hatte. Er mahnte deshalb von Neuem, nachdem er zuvor auch über andere Puncte, wie seine Amtswohnung und den Mangel eines Arztes am Hoflager
Ueber die meklenb. Sachen auf dem Reichstage zu Speier vgl. Franck, a. a. O. Buch X, S. 186, 187; v. Rudloff, a. a. O. Bd. I., S. 208, 211; einen Ausflug Joh. Albrechts nach Straßburg erwähnt unter Andern v. Lützow, a. a. O. Bd. III., S. 117."Papa Pius quintus moritur. Res mira, tot inter
Pontifices tantum quinque fuisse pios."
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geklagt hatte. Diese zuweilen heftigen Vorträge, sein Verhalten in der rostocker Sache und besonders eine ihm angeschuldigte Eigenmacht in der Führung der Staatssachen regten den Zorn des Herzogs gegen ihn auf, der ihn mehrmals nicht hörte und im Laufe des Maimonats das Canzleisiegel von ihm zurücknahm. Dieses sah er als entscheidendes Mißtrauen und stillschweigende Enturlaubung an, so daß er zur Stunde seine Entlassung begehrte. Da sandte ihm am 27. Mai der Herzog das Siegel zurück, mahnte ihn aber an die Vorschrift der Raths= und Canzleiordnung, welcher zuwider er in Verabschiedung der Rechtssachen das Bedenken der übrigen Räthe nicht eingeholt habe und schärfte ihm die Befolgung anerkannter Geschäftsweise ein. Die Sache ward unter des Mylius Vermittelung beigelegt, zumal einige Räthe auch auf des Husan Ruf nicht erschienen und andere, welche während seiner Entfernung vom Hoflager die Geschäfte geführt hatten, nun, da er wieder mit Ernst waltete, ihm zu helfen wenig bereit waren. Doch blieb er entschlossen, den Dienst des Hofes zu meiden, obgleich er in Kurzem die Rückstände des Soldes und Gnadengeldes erhielt, auch mehrmals nach dieser Zeit sich der ganzen Gnade des Herzogs erfreuete.
Daß Husan in der Pflege des Rechtes sorgsame Untersuchung, gerechten Spruch und ernste Vollziehung nach Kräften erstrebte, erhellt aus dem Zeugniß der Rechtsfälle selbst. Durch Pflichttreue und Ernst suchte er das obrigkeitliche Amt in des Volkes Achtung zu sichern. Es ist erwähnt, wie er mit Nachdruck gegen untere Richter, namentlich in den Städten, verfuhr; nicht anders erwies er sich fortgehend auf Rechts= und Vergleichstagen, in Verabschiedung der Parteisachen und in besonderen Aufträgen, wie der Errichtung des die Vasallen bedrohenden Mannengerichtes, 1 ) welches am 27. und 29. Juni, nach mehrfacher Verhandlung auf dem Rathhause Schwerins, wirklich bestellt ward, um die unerlaubten Veräußerungen von Lehnen zu strafen. Wenn dieses und manches Andere vor der Macht der Zeitumstände zerging und die Sitte des Landes, schwere Verbrechen in vielen Fällen mit Geldbußen zu sühnen,
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die Wirksamkeit der Obrigkeit hemmte, so verfolgte er doch als Canzler und Rath im Ganzen eine rasche und gerechte Pflege des Rechtes. Die Strenge war ein Bedürfniß der Zeit; kein Laster, sagt er in einem Erlasse v. J. 1569, sei dieser Lande so gemein, als Todtschläge und landfriedensbrüchige Thaten. Aber er wußte auch neben der Strenge ohne Vorurtheil und milde zu richten. Denn in der peinlichen Rechtsansicht erhob er sich zu den trefflichen Grundsätzen der Carolina über den Beweis des Verbrechens. Er gebrauchte weise die gesetzliche Freiheit des richterlichen Ermessens und wies namentlich in den Hexenprocessen die Richter auf Vorsicht und Menschlichkeit hin. Wiederholt sagt er in Erlassen an untere Beamte: man müsse sorgsam nach genügenden Anzeigen zum peinlichen Verfahren, besonders aber zur Marter forschen, man müsse die Weiber nicht wie Hunde halten. Es sei viel leichter, berichtet er im J. 1572 dem Herzoge Ulrich, Menschen hinzurichten, als das Urtheil zu rechtfertigen; kaum gewissenhaft genug könne man sein in Anwendung der Marter. In einem herzoglichen Befehle an den Rath der Stadt Sternberg vom 27. März 1572 sagte er: der Rath habe ein armes altes Weib ohne genugsame Anzeigen foltern lassen, bis diese, ohne doch schuldig befunden zu sein, elend dahin gestorben; wann denn Niemand unverhörter Sachen und ohne zu Recht erhebliche Anzeigen peinlich zu befragen sei, ein so unchristliches Verfahren nicht könne gestattet werden und ungestraft bleiben, so solle der Rath bei schwerer Strafe sofort über den Vorgang beweislich berichten. Und endlich in einem Erlasse vom 2. April 1572 an denselben: er solle dem abgesetzten Stadtvogt gegen Bürgschaft häusliche Haft verstatten und diejenigen aus dem Rathe, welche dem Gerichte über die todtgepeinigte Frau obgelegen, namhaft machen, um sie gebührlich zur Strafe zu ziehen, und ebenso dem Angeber ernstlich auferlegen, daß er sich sofort mit dem Landesherrn ob seines Verbrechens abfinde. - Wirklich sind trotz des schmachvollen und sinnlosen Eifers mancher Untergerichte damals viel weniger Opfer jenes Wahnes gefallen, als in den jammervollen Tagen des folgenden Jahrhunderts.
Die nun beginnende Zeit der Landtage ist im Leben Husans ein glänzender Punct, in der Geschichte des Landes minder leuchtend. Joh. Albrecht hatte nochmals zu Speier den Kaiser ersucht, dem Herzoge Ulrich die Gewährung des größeren Theils der künftigen Landeshülfe zu empfehlen. Doch war auch dieses vergeblich und Ulrich wollte sogar - Jan. 1571 - im rostocker Streite sich von ihm trennen, was jedoch als zu
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gefahrvoll unterblieb. Nun trat er mit einer Forderung von 194,000 Rthlr. aus der Zeit der alleinigen Landesverwaltung gegen Ulrich auf, und suchte dann, als diese mit Unwillen verworfen ward, im Laufe des Sommers 1571 in eigenhändigen Briefen Ulrichs Gemüth zu beugen. Allein aus diesem sprach gekränkter Sinn und der feste Entschluß, dem Rechte nichts zu vergeben, so daß Jener bat, den bitteren Zank, welcher das Leben verkürze, zu meiden, und sich Beide mahnten, das Gewissen zu wahren 1 ). Am 17. Juli entschloß sich Joh. Albrecht im Stillen, aus der Noth eine Tugend zu machen; er bat Ulrich nochmals, doch erfolglos um Hülfe und sandte am 26. Juli dessen letztes Schreiben an Husan und Mylius zur Prüfung. Als Beide, auf die Gefahr des Verzuges und das unentschiedene Recht deutend, zur Einstellung des Streites und zur Fügung in das Nothwendige riethen, auch in einer neuen Werbung bei Ulrich am 10. und 11. August 1571 nichts als Ausdehnung des Grolles bewirkten, erklärte sich Joh. Albrecht bereit, die künftige Hülfe gleich zu theilen. Um diese zu erreichen, mußten acht Landtage gehalten werden, deren Verlauf dem Husan zwar Lob, doch auch Hader und Täuschung, dem Herzoge Zorn und Kummer brachte. Husan leitete die Geschäfte im Sept. in vertraulicher Besprechung mit einigen Landräthen und Lehnleuten ein, die Umstände darlegend, aus denen unwiederbringliches Unheil einem uralten Fürstenhause erwachsen müsse, wenn dem Herzoge nicht baldige Hülfe geschehe. Dann hob er am 16. Oct. auf dem Landtage zu Güstrow, um die ständische Berufung auf die Reverse aus den J. 1555 2 ) und 1561 zu schwächen, die veränderten Zeitumstände hervor und wies auf das seltsame Loos hin, welches einen hochsinnigen Fürsten bei Land und Leuten den Verfall der Ehre erleben lasse. Die Beschwerung desselben sei zu groß, als daß die Hülfe könne verschoben werden, und die Stände wären ja von Gottes=Natur=Rechts= und Gewohnheitswegen zur Hülfe verpflichtet. Aber diese lehnten unter vielfachen Klagen über Bedrückung und Unvermögen das Ansinnen ab und zogen trotz der Ermahnung, zu bleiben, nach drei Tagen
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von dannen. Um sie günstiger zu stimmen, war Husan mit Mylius und Krause bis in den Nov. zu Güstrow bestrebt, jene Klagen zu mindern, führte und schrieb die Berathung nieder und fertigte treffliche Erlasse auf die Beschwerden. Ein neuer Landtag wurde mit Strenge nach Güstrow berufen. Hier erklärte er am 22. Jan. 1572, nicht ferner könne von der Stände Pflicht zur Übernahme der Schulden, sondern allein von den Mitteln der Tilgung geredet werden. Allein die Stände, angeblich von dem Syndicus Johann Wolf und Dietrich Plessen auf Zülow mißleitet, blieben bei dem früheren Verhalten und brachten abermals Klagen in großer Zahl vor. Auf einer landesherrlichen Zusammenkunft zu Sternberg vom 11. bis 14. März wurden fast ausschließlich die Landtagssachen berathen. Hier verfaßte Husan eine ausführliche und umsichtige Erklärung der Herzoge auf die jüngsten Beschwerden. Jene übergab er am 25. März auf dem Landtage zu Güstrow den Ständen. Diese ließen nun zwar für den Fall besserer Zeiten und der Beseitigung aller Beschwerden Neigung zu einiger Hülfsleistung blicken, aber ihre Wünsche und Klagen droheten kein Ende zu nehmen. Zahllose Händel der Einzelnen drängten sich vor und hoben fast das Wesen der Landtage auf, zumal sie sich zum größeren Theile als unbedeutend, rechtshängig oder wenig begründet ergaben. Dieser Gang der Dinge kränkte den Herzog Joh. Albrecht tief, ja erschien ihm als "Meuterei" und er beschloß, die Urheber zu strafen 1 ). Mit der zunehmenden Verstimmung desselben mehrte sich die Sorge Husans. Die große Aufgabe der Zeit war diese: den Herzogen rasche und gründliche Hülfe zu schaffen, die landesherrliche Hoheit im Kampfe mit dem Streben der Stände zu wahren, Städte und Ritterschaft über ihre theilweise unter sich feindlichen Standesrechte zu einigen und den Klagen der Einzelnen treffend zu begegnen. Husan begriff seinen Antheil an Lösung der Aufgabe und erfüllte ihn in ernsten, eindringlichen Reden an
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die Stände, in unermüdet fleißiger Erwägung der Beschwerden, in sorgsamer Fassung der Erlasse auf diese und in Berichten an Joh. Albrecht, welche zur Nachgiebigkeit, wie zum rascheren Betriebe der Geschäfte anregten. Obwohl seine zuweilen rauhe Sprache und sein eilig geschäftiger Sinn dem kräftigen Widerstande der Ritterschaft und der schwerfälligen Landesweise wenig entsprach, gewann er doch das Vertrauen Mancher und die Achtung Vieler. Aber eine völlige Lösung der Aufgabe ward behindert durch den öffentlichen Geist dieser Zeit, der von Mißtrauen und dem Kampfe vereinzelter Standesrechte bewegt ward, wie nicht minder durch die in allzuschwerer Verschuldung und früherer Verheißung der Landesherren sehr ungünstig gegebenen Lage der Dinge. Am 5. Juni übergab Husan in beider Herzoge Gegenwart auf dem Landtage zu Sternberg die ebenfalls von ihm verfaßten Erlasse auf die neuen Beschwerden der Stände, mahnte diese, nicht ferner über Privatsachen den Hauptgegenstand zu vergessen und schlug ihnen die Bestellung eines Ausschusses vor. Diese verstanden sich nun unter mehrfacher Bedingung - und nachdem von den Herzogen die Einräumung der drei verheißenen Klöster ihnen zugesagt war - zu einiger Hülfe, thaten jedoch gegen die von Husan im Herbste 1571 mit vielem Bedachte geprüfte und verbesserte Polizeiordnung Einspruch und zogen von dannen, ohne daß Umfang und Art der Hülfe bestimmt ward. Husan mußte demnach einen neuen Landtag bereiten. Am 18. Juni berichtete er dem Herzoge über zu vollziehende Erlasse und noch unerledigte Beschwerden. Die bekannte Verheißung vom 2. Juli hatte er dem Stoffe nach aus allen betreffenden Acten zusammengesucht und kurz vor dem 18. Juni gestellt; sie ist nach Husans erster Fassung vollzogen und grundgesetzlich geworden. Die Zusicherung vom 4. Juli aber, nach der früheren gleichartigen Acte vom 25. September 1561 von ihm entworfen, mußte vor der Vollziehung zu Gunsten der Stände mehrfach erweitert werden. Am 3. Juli ward ein neuer Landtag zu Sternberg eröffnet, zu welchem die Ritterschaft bei Verlust der Lehne erfordert war. Er übergab hier die Erlasse vom 2. und 4. Juli und wiederholte den noch immer sich Sträubenden: "sie möchten beisammen bleiben oder einen Ausschuß bestellen, sich besser erklären und höher angreifen, als bisher, damit die Herzoge nicht genöthigt würden, an einem Orte zuzuflicken, am andern wieder einzubrechen". Endlich erklärten sich die Stände zu einer Hülfe von 400,000 Gulden bereit. Vor Erlangung derselben mußten die Art der Erhebung, die Prüfung der Kloster= und Polizeiordnung und andere Puncte
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beseitigt werden, welches zum Theil durch einen Ausschuß geschehen sollte, da die Masse der Stände über drei bis vier Tage auf den Landtagen nicht ausdauerte. Am 10. Juli bewog Husan den Herzog, den Ausschuß schon zum 22. August nach Güstrow zu rufen, um wo möglich die Noth des nächsten Umschlags durch zeitige Maßregeln mildern zu können. Er schrieb die Anweisung für die herzogliche Gesandtschaft zum Ausschußtage und ward selbst an deren Spitze gestellt. Man fand aber den Ausschuß wegen mangelnder Ausrichtung so schlecht gestimmt, daß er mit Abzug drohete. Nur durch dringende, wiederholte Vorstellung vermochte Husan den erzürnten und kränkelnden Joh. Albrecht, die Hälfte der Kosten zu tragen. Da der ständische Syndicus nicht gleich erschien, ward vom 27 - 31. August die Polizeiordnung nochmals geprüft, wobei Husan langen und harten Streit mit dem Ausschusse bestand und doch gleichzeitig die Ergebnisse der Verhandlung niederschrieb. Als man dem Ausschusse einschlagende Gesetze anderer Länder vorlegte, wollte dieser "dergleichen Zettel" nicht annehmen. Mit Mühe ward kaum die Hälfte desselben so lange zusammengehalten, bis die Steuerweise grundleglich bestimmt war. Da Rostock sich dem Beitrage entzog und Joh. Albrecht die Zinsen seiner Schuld ferner nicht tragen konnte, mußte Husan am 23. Sept. und 29. Oct. auf zwei weiteren Landtagen zu Sternberg mit den Ständen um die Uebernahme der laufenden Zinsen handeln, wobei er oft aus dem Stegereife die landesherrlichen Antworten vortrug. Am 1. November ward ein Steueredict erlassen, aber der Zuschuß für die Zinsen von den Ständen geweigert. Als diese zugleich über die häufigen Landtage klagten, sagte Husan: "solche würden von ihnen selbst veranlaßt, indem sie stets unzeitig hinwegzögen; da sie die Hülfe bewilligt hätten, müßten sie folgerecht bis zu deren Erlegung die Zinsen tragen, welche auch kaum so groß sein möchten, als die sich selbst verursachten Zehrungskosten". Auf einem fernern Ausschußtage zu Wismar, vom 27. Nov. bis 5. Dec. legte er die umgeänderte Versicherung vom 4. Juli vor, drang aber im Puncte der Zinsen nicht durch. Weil der Umschlag nahte, mußte er auf einem nochmaligen Landtage zu Güstrow am 7. Jan. 1573, als eben Joh. Albrecht schwer erkrankt war, das frühere Verlangen erneuern. Nun übernahmen die Stände bedingungsweise auch die laufenden Zinsen, doch ward, dem Widerspruche des Husan und Mylius ungeachtet, das Schuldverzeichniß Joh. Albrechts von den Ständen geändert, um inländische Gläubiger und Bürgen zu sichern. - So endete das mühevolle Werk, dem H. Joh.
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Albrecht zu schwachem Troste, da der halbe Antheil der spät kommenden Hülfe für die Last seiner Schulden nicht ausreichte, ihm auch die Verwendung über den erhaltenen Antheil nicht vergönnt ward. Wie sehr ihn alles dieses ergriffen habe, geht aus seinem tiefen Unwillen gegen Johann Wolf und Dietrich Plessen, wie aus seinem letzten Willen hervor, in welchem er unter Andern die bedenklichen Folgen landesherrlicher Vermögenszerrüttung für Verfassung und Verwaltung des Staates warnend beklagt 1 ) - Auch hat wohl dem Lande die durch jene Bedrängniß herbeigeführte Versicherung vom 4. Juli 1572, welche die Ritterschaft als einen freien Stand ausdrücklich und gleichsam für alle Zukunft anerkannte, in so ferne zweifelhaft gefrommt, als in ihr der erste Saame für die Zwietracht gelegt war, welche Meklenburg später ein halbes Jahrhundert hindurch schwer heimgesucht hat 2 ).
Durch die Landtagsgeschäfte ward dem Husan die Canzleiverwaltung fühlbar erschwert, zumal Herzog Ulrich, minder als der ältere Bruder bedrängt, die Leitung der Dinge Jenem und dem Eifer Husans überließ, auch damals in Haussachen nach Dänemark zog. Zugleich dauerten die störenden Reisen zu Rechts= und Vergleichstagen fort. So war er am 2. März 1572 zu Güstrow, am 8. d. M. zu Lübz, am 12. Juni zu Ribnitz, wo der Amtmann Melchior v. d. Lühe plötzlich und nach der
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Sage an Gift starb, im August zu Wismar und fortgehend an andern Orten, wohin ihn öfter schon die Landtage riefen. Doch kommen auch in dieser Zeit erhebliche Beschwerden über Versäumniß im Canzleibetriebe nicht vor und öfter wurden von den Parteien Erlasse nicht eingelöst, als vergeblich begehrt. Durch Geisteskraft, Geschicklichkeit und Fleiß besiegte oder minderte Husan die Ungunst vielfacher Umstände. In der Arbeit war er behende und ungemein ausdauernd, oft nicht nur von der sechsten Stunde des Morgens ohne Erlaß bis zur Mittagszeit um 11 Uhr, sondern auch den Abend hindurch mit Geschäften erfüllt, gewöhnlich eben so Vieles selbst ausführend, als beschließend.
Nie ließ ihn geschäftiger Drang den Werth häuslichen Glückes verkennen. Treu und sorgsam war er als Gatte, zärtlich und weise als Vater. Im Febr. 1572 schrieb er dem David Chyträus, der ihn zur Hochzeit geladen, daß nichts ihn verhindern sollte, dem Rufe zu folgen, wenn nicht die theure Gattin täglich der Abbürdung von schwerer Leibesfrucht harre und somit die Pflicht an den häuslichen Heerd ihn binde, zumal er früherhin willenlos viermal gerade zu solcher Zeit versandt sei, wie an den Hof des Kaisers und der Königin Englands 1 ) Als ihm im Mai d. J. die Tochter Anna Sophie gefahrvoll erkrankte, und ihn Boten zu Güstrow und nochmals zu Lübz ereilten, riß er sich von den Geschäften los und reiste die Nächte hindurch, um das Lager des geliebten Kindes zu erreichen und die letzte Pflicht ihm zu weihen. Wie er in der Frühe des 9. Mai dem Herzoge schrieb, wollte er die Enturlaubung des Leibarztes Heinrich Menschever zur Pflege der Kranken als die höchste Wohlthat verehren 2 ). Damals übergab er auch seinen ältesten Sohn dem Lehrer Lucas Lossius in Lüneburg zur Bildung. Dabei schrieb er ihm vom hohen Berufe
Lebhaft spricht er, fol. 91, gegen Selnecker die Liebe zur Heimath aus:"Praecipue quando, qui verum praestet amicum
Suppetiis promptas exhibeatque manus,
Nullus in hoc populo est, aut coruo rarior albo,
Exterus indigenas cum rogat hospes opem".
"O natale solum, quanta vi cogis alumnum
Nomen inoblito pectore ferre tuum".
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und dem edlen Wirken des Lehrers und bat ihn; das theure Kind wie den eigenen Sohn zu halten, nur dieses bedingend, daß Verehrung Gottes die Grundlage, Sprachkunde und ausdauernder Fleiß die Hauptsache jeglicher Bildung seien 1 ). - Auch für Freundschaft blieb er empfänglich. Gleiche Grundlage der Bildung und des Strebens ließ ihn sich mit manchen trefflichen Zeitgenossen verbinden, wie mit David Chytraeus, welchen er den größten Lehrer der rostocker Hochschule nennt; ehrend preis't er dessen erste Gattin und wünscht ihm in zweiter Ehe gleiches Gedeihen. Ein theurer Freund war ihm Hermann Vechtold, Lübecks Syndicus. Als dieser im Dec. 1572 plötzlich verschied, weihte er ihm, als einem Manne von seltenen Geistesgaben, großer Wissenschaft, Weltbildung und edler Gesinnung ein rühmendes Andenken. Den Johann Freder zu Rostock schätzte er hoch und sandte auch ihm, als er sich im J. 1573 mit Margaretha Chytraeus verband, glückwünschende Verse, in denen seine Geschichtskunde und Laune sich ausspricht 2 ). Mit dem Nathan Chytraeus theilte er die Neigung zur Völkerkunde und Dichtkunst; dem Caselius flößte er durch Schrift und Rede hohe Achtung ein.
Ueberlast der Geschäfte, Ungunst der Umstände und leibliche Schwäche ließen ihn seit dem J. 1572 den Wunsch nach Ruhe, nach häuslichem und wissenschaftlichem Leben dringender hegen. In den Sendschreiben an Lossius und Nathan Chyträus klagt er, daß die unablässige Sorge mit fremden Geschäften ihm die Ruhe des Geistes zerstöre, daß er viel leeres Geschwätz der Thoren zu hören, auch im Umgange mit zweideutigen Männern, welche die Gunst der Mächtigen erstrebten. Alles zu fürchten habe, daß er für Andere die Mühen der Arbeit tragen und ängstlich die Schläge der Stunde nachzählen müsse, oftmals im Hader der Tageshändel von beiden Seiten Streiche empfange und
"Ergo rudimentum studiorum ab origine prima
Ponat in autoris cognitione sui.
Scire viatori quid prodest, quo sit eundum,
Si quae sint mediae nesciat ille viae?"
"Cum tot ubique sacris euertant templa Sophistae
Litibus et bellum voce manuque gerant.
Cum tot ubique mali grassentur in omnibus aulis
Vix ut adhuc animam languida regna trahant.
Cum tot ubique mali labefactent oppida cives
In patrae clades excidiumque suae".
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die verborgenen Leidenschaften der Menschen gewahre. Sein Trost sei in seltenen heimlichen Stunden der Umgang mit den Musen, besonders die Erforschung der bilderreichen Geheimnisse der heiligen Schrift, welches Streben den Geist auf Augenblicke gleichsam aus trauriger Oede in das Land der Ruhe führe. Wäre ihm vergönnt, die Jahre der Jugend zurückzurufen, so würde er um des Crösus Schätze nicht abermals an die Höfe der Könige ziehen, sondern in ruhiger Verborgenheit der Wissenschaft und dem Hauswesen leben 1 ) - Diesen Wunsch stärkte wohl der Umstand, daß er fortgehend seine Einkünfte nicht nach Verheißung empfing, sondern stückweise, durch Mahnung, immer mehr dem Zufalle, als dem Vertrage gemäß. Der Michaelis 1571 fällige Sold war ihm im Mai 1572 noch nicht erlegt; auch 650 Rthlr. des Gnadengeldes blieben ihm rückständig. Seitdem hielt er zuweilen die Strafgelder von Todtschlägern, Unzüchtigen und Friedbrechern zurück und bat den Herzog, sie auf Abrechnung nehmen zu dürfen. Auf solche Weise und dadurch, daß dieser Schulden von ihm übernahm, gelangte er zeitweise zum verdienten Lohne, obgleich er immer vom Neuem, wie seit Neujahr 1573, bedeutende Summen zu fordern hatte 2 ).
In der durch solche Umstände erzeugten und genährten Stimmung ergriff ihn im März d. J. 1573 eine schwere Krankheit, besonders das Herzklopfen so heftig, daß er am Leben verzagte. Am 5. März, da seiner Augen Licht ermattete, die Zunge starr am schweigenden Gaumen haftete und Dunkel seine Seele umpfing, gab er die Hoffnung auf und flehte um den Beistand des Höchsten, wenn der Augenblick nahe, wo er dem unglücklichen Ringer gleich auf letzter Kampfbahn streiten müsse. Als die Krankheit bis zur höchsten Gefahr stieg, blickte er auf die vollbrachte Bahn des Lebens zurück, gedenkend, wie er am Ufer der Saale sein Glück begründet, dem Vaterlande gedient habe und in weite Fernen versandt sei, wie aber bei wandelbarer Gunst und dem Treiben eines Elenden - Grum=
Das Schreiben an Nathan Chyträus das. fol. 66 wird im Dec. 1572 verfaßt sein, nach den Worten des Einganges:"Illic a strepitu vellem vulgoque remotus
Intra fortunam me cohibere meam.
Inuigilare libris, in pace latêre quieta,
Me curare domi non aliena foris".
"Dum me Rostochiae cruciat transactio causae
Spesque tenet pacis rara metusque frequens".
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bach's - ihm trauriger Lohn geworden. Er warnt die Ehrsüchtigen vor dem Streben nach der mächtigen Nähe, welche den Diener willenlos mache, während ihr Schutz auf dem steilen Pfade des Glückes nicht ausreiche, sondern allein des Höchsten Hülfe 1 ). - Endlich wandte sich die Krankheit zum Bessern, doch blieb seine Schwäche bedrohlich. Dieses und die üble Laune des Herzogs bestärkten ihn in dem Vorsatze, den Dienst des Hofes zu räumen. Am Osterdienstage den 25. März 1573 übergab er nochmals dem Herzoge ein Gesuch um Entlassung, in welchem er entschieden und offen sich dahin erklärte: er werde nach Jahresfrist dem Herzoge sieben Jahre lang als ein unwürdiger Rath und Canzler gedient haben. Wenn diesem seine Führung der Staatssachen zum Wohlgefallen gereiche, werde es ihn hoch erfreuen, wenn nicht, ihm ein Leid sein. Wohl wünsche er, daß nimmer ein Mangel an ihm gespürt wäre. Es werde der Herzog erwägen, daß er als ein Fremdling zu vielen wichtigen und schwierigen Geschäften gekommen sei. Er habe die Canzlei ohne Ordnung und über die meisten Theile der Verwaltung ohne Nachricht gefunden. Doch werde der Herzog seinen bei geringer Hülfe und Handreichung unverdrossenen Fleiß gnädig bemerkt haben. Sein Gewissen bezeuge ihm und der Herzog nebst anderen guten Leuten hätten wohl wahrgenommen, daß er es treu gemeint und keine Mühe geflohen habe. Gerne würde er mehr gethan haben, wenn er es vermocht und die hindernden Umstände, zumal die gesammte Landesregierung, es vergönnt hätten. Doch zuweilen habe er über sein Vermögen, bei dem schweren Schaden des Bruches, zu welchem nun das oft wiederkehrende Herzklopfen getreten, die Pflicht vollbracht. Jetzt sei ihm nichts heilsamer, als die Ruhe zu suchen und der Last des täglichen Hofdienstes sich zu entladen. Er zeige, obwohl hiezu nicht verpflichtet, sein Vorhaben frühzeitig an, damit erstens der Herzog Zeit gewinne, das Amt des Canzlers, welches ja der Fürsten Herz und Mund im Rathschlagen, Reden und Schreiben sei, würdig zu besetzen, und zweitens damit derselbe, dem nun wenig zu Dank geschehe, ihn vor den Land=
"Si modo se nostram non insinuasset in aulam
Eluuies patriae, pestis acerba ducis;
Stigma notasque gerens inferni ditis Alastor,
Versibus indignus nomen habere meis.
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und Hofräthen zur Rechenschaft ziehen könne, falls er ihn für schuldig erachte. Er erbitte rückständige 1000 Rthlr. des Gnadengeldes, seine Besoldung, das Hof= und Ehrenkleid und andere Hebungen. Die von ihm gesammelten Acten und Nachweise über die Staatsverwaltung seien auf dem Schlosse im Gewölbe neben der kleinen Rathsstube niedergelegt. Sein Leben lang wolle er willig sein, dem Herzoge sich ergeben zu zeigen; dessen Wohlthaten werde er immer dankbar verehren und seine Kinder ermahnen, derselben zu gedenken 1 ).
Hierauf erneuerte er frühere Verhandlungen wegen anderweitiger Dienste. Es war ihm im J. 1571 bei einer großen Stadt Schlesiens das Syndikat in Aussicht gestellt; Lazarus von Schwendi hatte schon seit dem Reichstage zu Speier wegen kaiserlicher Rathsbestallung mit ihm verhandelt. Im Frühjahr 1572 stand er mit der Stadt Lüneburg wegen Dienstes in Schriftenwechsel, indem er kurz zuvor den Herzog durch einige Hof= und Landräthe wegen nicht erfüllter Bestallung um Entlassung ersucht hatte. Als ihm diese verweigert ward, bat er am 10. April 1572 den Rath, das Syndikat Lüneburgs bis zum J. 1574 ihm vorbehalten zu wollen, wogegen er zu jener Zeit der Stadt sich verpflichtete 2 ). Der Rath ging hierauf ein, erneuerte die Verhandlung Ostern 1573 nach der Genesung Husans und vollzog mit ihm am 19. Mai 1573 eine Bestallung als Syndikus auf 10 Jahre.
Des Husan Verhalten im Geschäftsleben blieb von seiner Gemüthsstimmung und dem Vorsatze des Rücktrittes ungekränkt. Der rostocker Streit, obwohl ihm von jeher Ungunst und Täuschung bringend, ließ ihn auch jetzt unverdrossen in Mühwaltung, folgerecht im Rathe erscheinen. Die Stadt, angeblich mit mehr als 400,000 Gulden eigener Schulden belastet, weigerte die Theilnahme an der ständischen Schuldentilgung und erwirkte gleichzeitig in dem alten Streite seit dem 28. Juli 1572 zu ihren Gunsten Schritte des Kaisers durch dessen Rath Zott von Perneck. Die Sache ward, wie Husan vorhergesagt, den Landesherren gefährlich. Besonders auf dänischen und
"Corpore dum iaceo male nunc affectus et aeger
In partesque animum diuido mille meum".
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"Des libertatem, dederis sic omnia, tantum
Deprecor incumbens istud onoris onus".
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kursächsischen Rath beliebten sie abermals eine Vertragshandlung zu Wismar seit dem 29. Novbr. 1572. Auch hier mußte er nach vergeblicher Weigerung an die Spitze der Geschäfte treten. Er stimmte mit Teuber für die mildere Ansicht, indem er sagte: "ich bin von Natur zu nachgebender Güte und Theilnahme geneigt; hier müssen wir noch die Bedeutung der Umstände erwägen und vor Allen halte ich dafür, zu streben, daß die Verhandlung nicht zergehe." Doch faßte er nur selten Hoffnung zum Frieden, häufig Besorgniß, und sein Eifer, die Streitenden nachgiebig zu stimmen, fand - wie es zu geschehen pflegt - bei den Parteien mehr Tadel, als Lob. Die Stadt war muthig geworden durch kaiserliche Gunst und die Herzoge, oder doch Joh. Albrecht, wurden gereizt durch ihnen günstige Erachten und die Rathschläge ihrer Sachwalde, zumal des Dr. Schrader zu Frankfurt a. d. O., eines habsüchtigen Mannes, der nicht früher seine ersten Satzschriften abgab, bis Joh. Albrecht einen goldenen Schmuck ihm verpfändet hatte. So zerfiel auch dieser Versuch, obgleich einige Räthe der Herren und Freunde mit Husan Gleiches erstrebten. Während Joh. Albrecht fürchtete, der von Perneck gedenke Rostock zu einer freien Stadt des Reiches zu machen, "damit man desto besser der Lutherischen Herr werde," sprach sich Husan - Jan. 1573 - in der fremden Räthe Gesellschaft über das neue Mißlingen der Güte so scharf aus, daß Molinus und Schrader ihm nochmals heimlich dem Herzoge verdächtigten, ohne doch Gehör zu finden. Mit Mylius war er am 22. April zu Güstrow, wo sie, in Joh. Albrechts Namen dem Herzoge Ulrich vorschlugen, mit der Stadt nochmals zu handeln, nicht mit Zuziehung fremder Räthe, noch weniger mit weitläuftiger Spitzfindigkeit des Rechtes, sondern unter sich selbst vermittelst der Landräthe, doch unvermerkt, daß dieses von den Fürsten ausgehe. Während man noch zögerte, hatte im März Rostock sich gewaffnet und die Holzwand an der Stelle, wo die Mauer gebrochen war, fester denn früher, erbauet. Durch den von Perneck war am 21. April ein kaiserlicher Kriegsmann als Sequester auf die Festung gesetzt. Nun suchten die Herzoge eine Beschlagnahme der rostocker Schiffe in den Häfen des befreundeten Dänemark nach, auch in Zukunft ihnen diese zu schließen und die Stadt von der Land= und Seeseite zu sperren. Am 5. Mai stimmte Husan im Rathe zu Sternberg dahin, zunächst nicht weitere Gewalt gegen die Stadt zu üben; seit dem 16. Juni empfahl er auf dem Landtage daselbst den Herzogen die von den Ständen gebotene Vermittelung, da in jedem Kampfe ein ehrenvoller Friede erstrebt werden müsse. Joh. Albrecht
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zählte ihn unter die kleinmüthigen Doctoren 1 ) und bat für den Fall ferneren Uebermuthes der Stadt den Herzog Erich von Braunschweig um einen Reiterdienst wider dieselbe, wobei jedoch bestimmt ward, die Stadt nicht zu plündern. Warnemünde ward durch fünf dänische Kriegsschiffe unter dem Admiral Jürgen Appelgart gesperrt; zu Lande begann durch einen ungeordneten Kriegshaufen eine Art von Belagerung, in Folge deren die Rostocker mehrmals ausfielen und die Festung mit Bürgern besetzten. Da der Kampf ohne Erfolg blieb und das Land zu verwüsten drohte, ward seit dem 14. Juli zu Güstrow blos mit Zuziehung ständischer Gesandte ein endlicher Vertrag mit Rostock verhandelt. Husan suchte Wiederholung und Spitzfindigkeit ferne, den guten Willen der Unterhändler rege zu halten und die Parteien in Ansprüchen zu mäßigen, "wobei er befand, daß Thorheit Mühe mache." Obgleich der glückliche Schluß des Geschäftes durch eine in Rostock wirkende Friedenspartei und die Erfahrung der Kriegsübel begünstigt ward, ist doch Husans versöhnendes Streben und sein Rath, in rein vaterländischer Sache den zweifelhaften Beistand von Fremden zu meiden, so wie der Antheil, den er an der Fassung des Erbvertrages vom 21. Sept. 1573 nahm, für verdienstlich zu achten. Auch in der letzten Handlung dieses Schauspiels wirkte er ehrenvoll mit. Es war zur förmlichen Aussöhnung ein Einzug der Herzoge in die Stadt und deren Abbitte beschlossen. Als im Januar 1574 Rostock angeblich rüstete und ein Theil der Bürgerschaft den Herzogen noch feindlich gesinnt war, beriethen diese am 5. Febr. zu Doberan die Frage des Einzugs. Husan hielt im Rathe dafür, "daß man der Gerüchte ungeachtet das Werk der Versöhnung nicht sollte zergehen lassen, es würde sonst eine große Wirrniß daraus werden." Ueber Zeit und Ort der Abbitte stimmte er für den Marktplatz und den aus den Einzug folgenden Morgen. So geschah es auch. Am 8. Februar, nachdem die Abbitte geschehen, redete er zwischen den beiden Herzogen in der mittleren Halle des Rathhauses stehend, in deren Namen klar und gewaltig zu der bei Tausenden versammelten Menge, ihr die neuerwachte Gnade der Landesherren verkündend. Dieser Ausgang 2 ) gereichte den Fürsten wie der Stadt "zu Freude
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und Nutz"; dem Husan brachte er Ruhm, so wie ein fürstliches Geschenk von hundert Goldgulden.
Im Uebrigen erfüllte er als Canzler und Rath bis zur Stunde des Scheidens die Pflicht mit Treue. Im October 1573 vollführte er mit Mylius seines Herrn Aufträge in Geldsachen und wegen der neuen Schifffahrt beim Rathe zu Lüneburg. Vom 17. bis 26. October leitete er auf dem Schlosse zu Schwerin mit Heinrich Below eine Reihe von Rechtshändeln der Lehnleute unter sich und mit den Herzogen ein. Seit der kränkelnde Joh. Albrecht weniger mit eigener Hand schrieb, fiel die Führung des umfänglichen auswärtigen Verkehrs meistens ihm zu. Mehrmals beklagte er das frühere Streben Joh. Albrechts nach außen als verderblich; ebenso rieth er von der Wahl mißlicher Werkzeuge, wie des Dr. Poley, zu wichtigen Sendungen ab 1 ). Er bewahrte sich, auch als die Mißlaune des Herzogs dauernd ward, dessen Vertrauen, wie in früherer Zeit. Dieser zog ihn in seinen geheimsten Wünschen zu Rathe und sandte ihn mit Mylius im April 1573 nach Güstrow, den Herzog Ulrich auf Joh. Albrechts Todesfall um die Vormundschaft über dessen Söhne zu bitten. Er berief auch beide am Morgen des 22. Decbr. 1573 als Zeugen der
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Vollziehung seines letzten Willens, dessen Inhalt auf Theilnahme beider an der Abfassung hindeutet 1 ). Seit dem 8. Februar 1574 berieth er zu Rostock die Vorschläge eines neuen Landtages, den er am 10. d. M. daselbst eröffnete, auf welchem sich die Stände mit den Seestädten über die Landeshülfe vereinigten und das Polizeiwesen gebessert ward. Als er noch dem Fiscal Dr. Michael Graß über dessen künftige Wirksamkeit Anweisung gab und mit andern Räthen die jüngsten Beschwerden der Stände prüfte, rief ihn am 16. Febr. ein Eilbote nach Doberan zu seinem Gebieter. Von hier ging er im Gefolge desselben nach Wismar, wo er längere Zeit in Staats= und Rechtssachen thätig war. Am 16. März verfaßte er zu Schwerin ein Erachten in der Vergiftungssache des Herzogs Erich von Braunschweig und führte bis zum Osterfeste das Canzleramt fort, in welchem er noch am 10. April Erlasse vollzog.
Husans Dienstaustritt rief eine Verhandlung hervor, da Joh. Albrecht auch sein jüngstes Gesuch um Entlassung verwarf. Dieser sagte ihm für die Zukunft noch höhere Gnade, als bisher ihm geworden, zu und begehrte im October 1573 von ihm, er möge den Umständen weiter nachdenken und sich über seinen Austritt anders, denn bisher erklären. Doch Husan wiederholte am 16. October den früheren Vorsatz dahin: es sei ihm unmöglich, ferner an Höfen zu dienen; aus Dankbarkeit verheiße er, als Rath von Haus aus und ohne der Stadt Lüneburg Nachtheil dem Herzoge sich abermals zu verpflichten, jedenfalls nie gegen ihn zu dienen. Dieser möge auf Ersetzung seiner Person Bedacht nehmen. Als er fest hiebei blieb, forderte der Herzog am 22. Jan. 1574 den Rath zu Lüneburg auf, von Husan, weil er vor beendigter Dienstzeit und vor erwirkter Entlassung der Stadt sich verpflichtet habe, die Aufhebung des Vertrags zu begehren. Am 8. Februar erwiederte aber der Rath: er bedürfe seit längerer Zeit eines tüchtigen Mannes zur Berathung der Stadt; er
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habe erfahren, daß Husan wegen Erschlaffung der Kräfte und Behinderung am wissenschaftlichen Leben an Höfen ferner nicht dienen könne, sondern auf eine Hochschule oder in sonst eine Stadt Niedersachsens sich zurückziehen wolle; er habe mit ihm über eine Bestallung verhandelt und abgeschlossen, nachdem von Husan wiederholt erklärt sei, daß er den Hofdienst für immer meiden und zu Ostern 1574 frei sein werde. Die Bestallung sei rechtsgültig vollzogen, doch wolle der Rath Husan gestatten, dem Herzoge eine Zeit lang als Rath von Haus aus zu dienen, wogegen er bitte, die Stadt nicht in Schaden setzen zu wollen. - Noch hatte der Herzog in die Entlassung ausdrücklich nicht gewilligt, als plötzlich am 11. April ein thüringischer Kaufmann, der über Hamburg nach England reiste, Husan zur Empfangnahme von Geldsummen dringend in die Gegend der Elbe beschied. Um Verzug zu meiden, zog er eilig von dannen und nahm schriftlich vom Herzoge Abschied. Er bat um Verzeihung, nicht mündlich eine gnädige Entlassung gesucht zu haben, erklärte sich zum ferneren Dienste von Haus aus bereit, wenn die alte Bestallung - aus der ihm an 2000 Rthlr. geschuldet wurden - erfüllt sei, und stellte dem Herzoge das Staatssiegel zurück, welches er also gebraucht habe, wie er es dereinst vor dem Höchsten, hier aber vor dem Herzoge und Jedermann zu vertreten bereit sei.
Husan ist als Canzler und Rath Joh. Albrechts von einigen meckl. Geschichtsschreibern gerühmt worden 1 ). David Franck sagt am Schlusse seines zehnten Buches über Joh. Albrecht unter Andern: "Seine Bedienten wußte er nach ihrer nöthigen Geschicklichkeit zu wählen und war sehr gnädig gegen sie, daher er die beyden auserlesene Männer Lucanus und Husanus zu Cantzlars hatte."
Wohl mag Husan im Eifer des Rathes zuweilen die Ehrfurcht des Dieners vergessen oder in der Eile der Mühwaltung die Grenze der Befugniß überschritten haben. Doch macht sein Verdienst etwanige Fehler vergessen und schon des Herzogs Bemühen, ihn an der Spitze der Geschäfte zu erhalten, zeugt für den Werth des Mannes. Näher begründen die Ergebnisse seines Strebens für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege, nicht minder sein Wirken aus den Landtagen und im rostocker Streite das ihm gewordene Lob. Höher erscheint
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sein Verdienst, wenn man die Erregbarkeit und Verschuldung Joh. Albrechts, die den Herzogen zuweilen feindselige Stellung der Stände und die eigenen Irrungen der Fürsten bei doch gemeinsamer Regierung als hemmende Zeitumstände erwägt. Im übrigen geht es über den Umfang und Zweck dieser Beschreibung hinaus, erschöpfend zu zeigen, wie im Einzelnen des Geschäftslebens Husan sich bewährt hat. Mit welcher Sammlung und Schärfe des Geistes - bei unabweisbarer Theilung der Kräfte - er die meisten Sachen erfaßt und durchgeführt, mit welcher Gedankenfülle und Frische, Schnelligkeit und Ausdauer er in fast allen Acten der Zeitgeschichte geschrieben, wie eindringlich auf den Landtagen, wie treffend im Rathe und wie versöhnend er zu den Parteien geredet hat, dieses konnte nur hier und da berührt, nicht umfänglich verfolgt werden, da es meistens im Zusammenhange mit dem nähern Verlaufe der Dinge selbst hätte erzählt werden müssen.
3.
Heinrich Husan
als
Syndikus der Stadt Lüneburg
und
"
Rath von Haus aus
"
1
)
der Fürsten.
(1574 - 1587.)
Husan war am 19. Mai 1573 als Syndikus der Stadt Lüneburg auf 10 Jahre, von Ostern 1574 zu rechnen, bestellt worden. Die Bestallung verhieß ihm eine jährliche Besoldung von 500 Rthlr 2 ), freie Amtswohnung nebst einem Garten außerhalb der Stadt, ferner 12 Faden Holz jährlich und freie Ausrichtung zum Anzuge. Ueberdieß versprach ihm die Stadt zur Bezeigung ihres geneigten Gemüthes und um ihn für immer sich zu verbinden, ein Gnadengeschenk von 3000 Rthlrn., dessen eine Hälfte Ostern 1574, die andere
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Ostern 1579 erlegt werden sollte. Endlich wollte sie jedem seiner Söhne, wenn diese hohe Schulen besuchen würden, jährlich 50 Rthlr. fünf Jahre lang reichen lassen, jedoch nicht mehr als zweien zu gleicher Zeit.
Die Stadt hatte Husan vergönnt, dem Herzoge Joh. Albrecht von Meklenburg noch einige Zeit "von Haus aus" zu dienen. Gleich nach seiner Abreise von Schwerin am 11. April 1754 sandte ihm dieser einen Eilboten nach, um die Abfassung von Schriften wegen der Flußschifffahrt, der Erneuerung des Mannengerichtes und der fürstbrüderlichen Irrungen von ihm zu begehren. Er stellte dieselben noch auf der Reise zu Kölzin bei Wittenburg, so wie er am Abend vom Wagen gestiegen war. Bald nach seiner Ankunft zu Lüneburg berief ihn Joh. Albrecht mit Wissen des Rathes zu sich und verhandelte mit ihm in der Mitte des Mai Staatssachen. Auch die Forderungen Husans wurden berechnet und am 16. Mai zu 1500 Rthlr. bestimmt, über welche Summe er eine neue Verschreibung erhielt. Zwar ging er eine förmliche Bestallung als "Rath von Haus aus" des Herzogs nicht ein, aber er diente ihm als solcher zwei Jahre lang, ohne Sold, "gutwillig", in dankbarem Sinne. Im Laufe der nächsten Zeit berichtete er 1 ) wiederholt über Anfragen des Herzogs, der ihn auch mehrmals vom Rathe "loshandelte", um einzelne Geschäfte durch ihn zu fördern, wie in Sachen der Flußschiffahrt, des Salzhandels von Lüneburg nach Wismar 2 ), des Hauszwistes und der Grenzirrungen mit Pommern. Nach dem Tode Joh. Albrechts - 12. Febr. 1576 - empfahl er am 13. April dem H. Ulrich als Mitvormunde seine noch nicht erledigte Forderung, von welcher er im J. 1577 die Hälfte erhielt und zum Theil für die Bezahlung erkaufter Bücher verwandte.
Zu Lüneburg ehrenvoll empfangen, zeigte sich Husan der Stadt treu und geflissen in Berathung "gemeiner
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Sachen", Abfassung wichtiger Schriften, in gesandtschaftlichen und andern Geschäften derselben. Lüneburg war damals, als Mittelpunct des niedersächsischen Kreises, im Besitze eines reichen Salz= und Durchgangshandels und in enger Verbindung mit Lübeck und Hamburg, eine wohlhabende und politisch nicht unwichtige Stadt. Wie gütig der Rath ihm gesinnt war, mag unter andern daraus erhellen, daß er ihm schon am 17. Juli 1574 die zweite Hälfte des Gnadengeschenkes entrichten ließ, weil Husan eine erstandene Büchersammlung bezahlen wollte. Es ward ihm bald ein besonderer Anlaß gegeben, solche Güte zu verdienen. Die Stadt war seit längerer Zeit mit dem Landesherrn, dem Herzoge Wilhelm dem Jüngern zu Braunschweig=Lüneburg, wegen der Gerichtsbarkeit und Erstreckung der Landwehren über die Ilmenau zerfallen . Seit dem J. 1573 war wiederholt unter Beirath von lübecker Gesandten vergeblich Ausgleichung erstrebt. Husan rieth, anscheinend bald nach seinem Amtseintritte, von dem mißlichen Wege ferneren Rechtsstreites ab. Herzog Otto IV. zu Haarburg ward für die Vermittelung einer neuen Verhandlung gewonnen, welche unter Husans Leitung am 24. Juli 1576 zu einem Vertrage über erbkäufliche Abtretung der Gerichtsbarkeit an die Stadt und genaue Bestimmung ihrer Landwehren führte 1 ).
Im J. 1576 ward Husan von dem alten, ritterlichen Herzoge Franz I. von Sachsen=Lauenburg als "Rath von Haus aus" bestellt. Als solcher hat er einzelne Geschäfte desselben in den Streitigkeiten mit den übel berufenen Söhnen desselben, namentlich Franz II. und Magnus II., auch in Verhandlungen mit den Ständen verrichtet und zugleich wohl das gute Vernehmen Lüneburgs mit dem Herzoge befestigt. Dessen Sohn, Franz II., beschwerte sich am 27. Juni 1577 beim Herzoge Ulrich von Meklenburg über eine angeblich durch Husan ergangene Verläumdung, als wenn er, Franz II., seinen Vater bei Kaiser und Reich auf verruchte Weise an Ehre und Recht gekränkt habe. H. Ulrich aber erwiderte am 7. Juli: er glaube, daß Husan sich "der Gebühr nach werde zu verantworten wissen", zumal wenn ihm die Angeber genannt würden. Später ward auch dieser Fürst ihm wohl geneigt. Franz I. sandte ihn mehr=
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mals, wie am 10. August 1577, an den Herzog Ulrich mit Beglaubigung zur mündlichen Werbung; auch wohnte er der im Juli d. J. zu Lübeck gehaltenen kaiserlichen Vergleichshandlung in dem lauenburgischen Hauszwiste bei. Im J. 1579 berief ihn Franz I. wegen des Landtages nach Büchen, wohin zu folgen ihn andere Geschäfte behinderten; doch im J. 1580 war er für ihn thätig. Nicht lange hernach, am 19. März 1581, starb Franz I. 1 ).
Enger und verdienstlicher ward das Verhältniß, in welches Husan im J. 1577 zu dem Herzoge Ulrich von Meklenburg trat. Da er aus der Zeit seines Canzleramtes mit den Landessachen vertraut war und einige von ihm damals geleitete wichtige Geschäfte noch obschwebten, auch H. Ulrich ihm persönlich zugethan war, so nahm dieser besonders als Vormund der Söhne Joh. Albrechts seine Erfahrung und Kenntniß in Anspruch. Am 2. März 1577 suchte er seine Beurlaubung zur wittstocker Tagefahrt in den meklenbur=brandenburgischen Grenzirrungen beim Rathe zu Lüneburg nach. Als Husan erschien, verhandelte der Herzog mit ihm im April zu Güstrow diese und andere Staatssachen, so wie seine fernere Hülfe zu deren Leitung. Da er seiner Verpflichtung gegen den Rath als hindernd gedachte, erwirkte der Herzog im Mai durch Laurentius Niebur unter Hinweisung auf die von Husan früher fast ausschließlich geführten meklenburgischen Grenzirrungen, Landtagssachen und andere wichtige Geschäfte des Rathes Einwilligung in seine Bestallung als "Rath von Haus aus" des Herzogs, auch das Versprechen öfterer Beurlaubung Husans, so weit sie den Stadtsachen nicht schade. Nach einiger Verhandlung, in welcher Husan den Wunsch gelegentlicher Erwerbung eines Lehngutes aussprach, ward am 15. August dessen Bestallung vollzogen. Sie verhieß ihm jährlich 200 Rthlr. Besoldung, 1 Tonne Maibutter, 2 Schweine und für seinen Schreiber ein Hofkleid, und verpflichtete ihn besonders zur Führung der Grenzirrungen und zu Gesandtschaften. Schon seit etwa Mitte August war er bis über den 15. September hinaus meistens zu Güstrow und Wittstock in jenen Geschäften zum Wohlgefallen des Herzogs wirksam, der ihm 50 Goldgulden schenkte und ihm Begünstigung zur Erwerbung eines Lehngutes verhieß. Am 14. Dec. 1577 ernannte derselbe ihn und die Dr. Teuber und Schrader zu Obmännern für die Entscheidung der mit Rostock nach dem Vertrage vom 21. September 1573 noch unentschiedenen Punkte.
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Im März 1578 war er wiederum wegen Lehnrechtsfälle, der Grenzirrungen und der Vorbereitung des Kreistages zu Halberstadt, im October d. J. besonders wegen des rostocker Erbvertrages in Meklenburg anwesend. Er verfaßte wie früher viele und umfängliche Schriften, trat öfterer mit Tilemann Stella zusammen und erhielt nicht selten Actensendungen aus der Hofcanzlei.
Wie er sich in Führung der Geschäfte erwiesen habe, geht daraus hervor, daß Herzog Ulrich im Februar 1578 den Rentmeister Gabriel Brüggemann nach Lüneburg sandte, um Husan nochmals für das Canzleramt zu gewinnen und den Rath um seine Entlassung zu bitten. Allein derselbe erwies sich, wie Husan erklärte, redlich und gütig gegen ihn; überdies hatte er sich nun zeitweise der gewünschten Muße zu erfreuen und war durch körperliche Schwäche zum Hofleben unfähig geworden.
Obgleich er demnach den rühmlichen Antrag ablehnen mußte, blieb ihm doch die Gnade des Herzogs unverkürzt. Am 16. October 1577 hatte er aus Thüringen heimkehrend, bei diesem die käufliche Erwerbung des Lehngutes Tessin im Amte Wittenburg nachgesucht, indem er bei herrschenden "Sterbensläufften" für den Fall seines Todes den Seinigen eine Zufluchtsstätte zu sichern, sich selbst aber, der zu viel in engen Stadtmauern verschlossen sei, im Anschauen der Natur zu erfrischen wünsche. Der Herzog verhieß ihm am 23. Octbr. Erfüllung des Wunsches, beseitigte angebliche Anwartschaften des Christoph Pentz zu Raguth und des Vicke von Bülow und ließ ihn, nachdem Heine Bralstorf, der letzte seines Stammes, im December 1577 zu Tessin verstorben war, am 13. Juni 1578 durch Andreas Stavenow, Amtmann zu Walsmühlen, in das Gut einweisen. Husan erlegte für dasselbe 6000 Gulden, etwa die Hälfte des Werthes; der Kaufbrief ward im December 1578, der Lehnbrief am 25. Januar 1582, nach beigelegten Grenzirrungen, vollzogen 1 ).
Es war dem Husan größere Muße geworden, den Wissenschaften zu leben. Gleich anfangs hatte er zu Lüneburg für seine Büchersammlung durch umfängliche kostbare Erwerbungen gesorgt. Bald "erlangte er neue Gunst bei seinen alten Freunden, den Büchern." Er nahm die Rechtsstudien wieder auf und faßte öfters im Auftrage von Fürsten
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oder Städten Gutachten über streitige Rechtsfälle, Verhandlungen und Neuerungen ab. Mit Vorliebe wandte er sich zugleich der Erforschung der biblischen Geschichte und der Betrachtung der evangelischen Lehre zu. Die Ergebnisse solcher Beschäftigung kleidete er, seiner Neigung zur Dichtkunst, einer nicht gewöhnlichen Fertigkeit im Gebrauche der lateinischen Sprache und dem Geschmacke der gelehrten Zeitgenossen entsprechend, in Verse. Schon bevor er nach Lüneburg zog, waren seit dem J. 1572 einzelne seiner religiösen Dichtungen - meistens wohl ohne sein Zuthun, insoferne er sie nur an Freunde gesandt hatte - zu Rostock und Frankfurt gedruckt worden. Sie wurden von manchen Gelehrten mit Beifall gelesen. Zu Lüneburg setzte er diese dichterischen Versuche eifriger fort und sandte im J. 1576 eine Sammlung derselben dem Freunde Nathan Chyträus zur Durchsicht. Dieser, dem Rathe zu Lüneburg durch Wohlthaten verpflichtet, ergriff gerne den Anlaß, den Rath zu ehren. Er ordnete die Sammlung, ließ sie im Beginne des J. 1577 zu Rostock bei Jacob Lucius drucken und eignete sie dem Rathe zu, dem Husan die gewonnene Muße verdankte und der die Stadt mit dem trefflichen Manne geziert hatte. Im Uebrigen erschienen dem Chyträus diese Dichtungen "ausgezeichnet durch Würde der Gedanken und Feinheit der Sprache 1 )."
Mehr jedoch, als ein dichterisches und religiöses Streben, war es das staatsmännische Wirken Husans welches ihn durch einen ehrenden Ruf fast zu der Höhe der trefflichsten Zeitgenossen erhob und die Kunst der Unterhandlung, damals schon von Vielen eifrig gepflegt, in den Händeln der Staaten ihn üben ließ Besonders im Auftrage des Herzogs Ulrich von Meklenburg, dessen Mäßigung und fester Rechtssinn bei Fürsten und Völkern anerkannt wurden - wie er denn wiederholt zum Nachgeordneten und zum Obersten des niedersächsischen Kreises erwählt ward - nahm er an der Schlichtung von Irrungen der Hansestädte mit Dänemark und Holstein, besonders auch der letzteren unter sich, seit dem Jahre 1579 rühmlichen Antheil.
Als Herzog Ulrichs Rath und Gesandter war er im Juni 1579 neben dem edlen Joachim von der Lühe auf Büt=
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telkow, Hofmarschall und Hauptmann zu Dobbertin, unter den vom Kaiser Beauftragten zu Lüneburg, um in Güte oder Recht den Streit zwischen Holstein und dem Stifte Lübeck wegen Besteuerung der in Holstein gelegenen lübecker Güter zu schlichten, was am 13. Juni halbwegs gelang. - Folgenden Tags eilte er in H. Ulrichs Auftrage zu der Verhandlung zwischen Hamburg und Dänemark wegen des Elbschiffahrts=Streites und anderer Puncte nach Flensburg, indem H. Ulrich und Kurfürst August von Sachsen von Hamburg als Vermittler erbeten waren. Zugleich hatte der Rath zu Hamburg im April und Mai Husan um Beirath und um seinen Vortrag an der Spitze der hamburger Gesandschaft in dieser Sache ersucht, was jedoch H. Ulrich, als Friedrichs II. Schwiegervater, auf Husans Anfrage, dem Rathe abschlug. Ueber einen Theil dieser Irrungen ward unter Leitung des kursächsischen Rathes Hans von Lindenau und Husans am 5. Juli ein Vertrag vollzogen. Auch an der Verhandlung der noch übrigen Puncte nahm Husan seit dem 26. August zu Kiel Theil und trug anscheinend mit dem kursächsischen Rathe Hans von Seidlitz das Meiste zu der Annäherung der ziemlich schroff abweichenden Parteien durch den Abschied vom 8. Septbr. bei 1 ). In den zwischen Dänemark und Holstein herrschenden Lehnsstreitigkeiten über Schleswig war Husan ebenfalls mit Joachim von der Lühe im Auftrage Ulrichs, als erbetenen Vermittlers, vom 3 - 26 März 1579 in der Verhandlung zu Odensee wirksam gewesen, wo am 25. März ein Vergleich erfolgte. Am 28. d. M. bezeugte König Friedrich II. gegen H. Ulrich, dessen Gesandten einen "getreuen und mühseligen Fleiß, Geschicklichkeit und Sorgsamkeit," durch welche die Verhandlung zu Odensee glücklich beendigt sei, welches ihm, dem Könige, zum gnädigsten Gefallen gereiche 2 ). - Ebenso bewährte sich Husan in der Verhandlung des Erbschafts=Streites zwischen Dänemark und Holstein über den Nachlaß des am 24. Septbr. 1580 verstorbenen Herzogs Johann des Aelteren zu Hadersleben. Die Handlung geschah vom 26. Juni bis 15. August 1581 zu Flensburg, wohin er wieder mit J. v. d. Lühe vom H. Ulrich, als Vermittler, gesandt ward. Eine treffliche
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Anweisung für ihr Verhalten - vom 19. Juni - war, wie gewöhnlich in solchen Fällen, von Husan selbst verfaßt. In der Verhandlung suchte er gemeinsam mit Veit Weinsheim, dem berühmten kursächsischen, dann dänischen und holsteinschen Rathe, das Mißtrauen und die Gereiztheit der Parteien zu mäßigen und den spitzfindigen, weitschichtigen Schriftenwechsel zu kürzen. Viermal war er mit andern Gesandten durch mündliche Vorstellung bei den streitenden und heftig erregten Fürsten 1 ) bemüht, einen Bruch zu verhüten. Vornämlich zu Kronenburg, vom 26. bis 28. Juli, scheint sein würdiger, versöhnlicher Vortrag, gefördert durch H. Ulrichs Gemahlin, welche eben die Königin im Kindbette pflegte, auf den erzürnten, fast zur Gewalt entschlossenen König günstig gewirkt zu haben. Gewiß ist, daß schon am 12. August eine Einigung über die Hauptpuncte geschah und ein Schlußvertrag am 19. September 1581 zu Kiel erfolgte 2 ). - Diese und ähnliche Sendungen befestigten Husan in dem Vertrauen der Fürsten, von denen ihn einige persönlich und durch Geschenke ehrten, und befreundeten ihn mit manchen "Heroen" der Zeit, wie mit Hans von Lindenau, Veit Weinsheim, Joachim von der Lühe, mit Niels Kaas, dem dänischen Canzler, und Adam Tratziger, dem holsteinschen, endlich mit dem dänischen Statthalter in Holstein, Heinrich Ranzow, "dem nordischen Maecen," der an Wissenschaft, Ruhm und Erfahrung alle Nordländer soll übertroffen haben 3 ).
Außer jenen größeren Sendungen führte Husan in H. Ulrichs Auftrage viele minder bedeutende Geschäfte desselben mit gleichem Eifer. Im J. 1579 häuften sich diese so sehr, daß sie fast die Kräfte Husans überstiegen und seine Wirksamkeit für die Stadt Lüneburg allzusehr beengten. So verhandelte er vom December 1578 bis Mai 1579 wieder=
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holt mit dem Rathe zu Lübeck wegen dessen Streites mit dem reichen Kaufherrn Johann Chapelle, aus England gebürtig, seit 1564 Bürger zu Lübeck, seit 1579 zu Wismar. Der Rath hatte ihm eine große nach Narva bestimmte Waarensendung, namentlich aus ungarischem Kupfer bestehend, als den Reichs= und Hansegesetzen zuwider laufend, weggenommen. Husans Vermittelung ward durch die Ränke oder die Ruhmredigkeit des Chapelle vereitelt, der den Woiwoden Ivan Andreawitsch, für welchen die Sendung bestimmt war, zu einer Beschlagnahme der lübecker Schiffe zu Narva gereizt haben sollte 1 ). - Damals erblickte Husan bei dem Stadtsecretair Dr. Calixtus Schein ein herrliches Kunstwerk - anscheinend ein Werkzeug für die Himmelskunde - dergleichen er nie in Deutschland oder bei andern Völkern gesehen hatte, ein auf tausend Thaler geschätztes fürstliches Kleinod, welches H. Ulrich auf seine Empfehlung kaufte und im J. 1580 dem Könige Friedrich II. schenkte 2 ). - Obgleich sich dann die dem Husan gewordenen Aufträge in den nordischen und anderen Sendungen häuften, schrieb er doch am 3. Juni 1579 dem H. Ulrich: er diene dem Herzoge um so lieber, als die Verhandlungen zu Beilegung eingerissener Mißverstände abzweckten, wozu jeder Christ und Biedermann nach Vermögen Handreichung zu thun schuldig sei.
In dieser Zeit ward Husan auch zur schwierigsten Pflicht des Staatsmannes, zur Gesetzgebung berufen. Meklenburg war zu seinem "Ruhestande" - von Husan mit herbeigeführt - gekommen, den Einige für die glücklichste Zeit in der neuern Geschichte desselben geachtet haben 3 ), wie denn wirklich in ihr öffentliche Sicherheit, Rechtsschutz und ziemlich gleichmäßiger Wohlstand, bei innerem Frieden, im Volke vorherrschend waren. H. Ulrich gedachte die Rechtspflege durch eine Bearbeitung der in Meklenburg geltenden Rechte zu regeln. Am 6. Mai 1579 beauftragte er die Räthe und Doctoren Heinrich Husan, Laurentius Niebur und Johann Albin, mit der Ausarbeitung eines meklenburgischen Gesetzbuches. Husan nahm den Auftrag gerne entgegen, da
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er schon während seines Canzleramtes oftmals gewünscht hatte, daß ein solches Werk vorgenommen werde. Am 20. Mai erbot er sich, das Lehn= und das Strafrecht - welche ihm als die schwierigsten Theile des Ganzen erschienen - mit seinem besten Fleiße zu entwerfen. Das Lehnrecht vollendete er im Anfange des J. 1580. Nach seinem Berichte vom 31. Januar d. J. hatte er in seinem Entwurfe "alle Erzählung vielfältiger abweichender Meinungen der Rechtslehrer, welche nur den Leser irre machen," vermieden und sich so kurz und einfach, wie möglich gefaßt; unbekümmert um klügelnde Meister, allein auf das sehend, was zu des Landes Gedeihen dienen möge. Denn wenn man, so schreibt er, einzelnen eigennützigen Köpfen nachgeben wolle, so könnten nimmer in einem Lande gewisse Rechtsordnungen gemacht werden. Wiewohl auch Leute gefunden würden, welche, wenn man sie bei solchem Werke nicht anfänglich mit zu Rathe ziehe, hernach das Ganze ohne Ursache tadelten, um nur ihren eigenen Sinn zu haben, so lasse er doch deren Urtheil auf seinem Unwerthe beruhen. Er verstellte zum Ermessen des Herzogs, über angeführte zweifelhafte Fälle den Rath der Land= und Hofräthe zu erfordern. Am 31. August d. J. rieth er von Kiel aus dem Herzoge, den Entwurf, wenn er geprüft werden solle, zunächst dem ritterschaftlichen Ausschusse vorzulegen, der den Landesgebrauch, von welchem im Bartolus und Baldus wenig stehe, am besten kenne, nicht aber den Rechtsgelehrten. Diese würden über das Werk, wenn es erst auf ihre Hechel komme, selbst nicht einig bleiben, sondern durch Meistern und Klügeln es leicht ins Stocken bringen. Auch erbot er sich die Arbeit des Ausschusses zu leiten: Dieser ward am 23. December 1580 auf den 24. Januar 1581 nach Güstrow zur Berathung des Entwurfes berufen. Er antwortete hier auf einige der vorgelegten Fragen, konnte aber über mehrere keinerlei Auskunft geben, sich vermuthlich auch weder mit dem Herzoge noch unter sich über Streitpuncte sobald einigen. Dasselbe mag mit dem im Juni 1583 vom H. Ulrich auf dem Landtage zu Sternberg zu diesem Zwecke ernannten Ausschusse geschehen sein. So gerieth die Sache auch auf diesem Wege, zumal die gelehrten Räthe, namerttlich Joh. Albin, die Entwürfe nicht einig und nachdrücklich betrieben, ins Stocken. Inzwischen beurtheilte der berühmte Rechtslehrer Wesenbeck am 7. Februar 1582 Husans Entwurf beifällig. - Das Strafrecht hatte dieser ebenfalls im J. 1580 ausgearbeitet und wollte es die Mitte des Jahres dem Herzoge zusenden. Allein der ganze Plan des Landrechtes scheiterte, theils an Nachlässigkeit oder
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Eigensinn der Genossen Husans, theils an dem Schwanken und Mißtrauen der Stände. Gewiß ist, daß nach dem Tode Husans und Nieburs die Dr. Klinge, Cothmann und Graß, neben Albin, mit der Fortführung der Arbeit beauftragt wurden, daß jedoch Pfingsten 1590 der Entwurf des Ganzen noch nicht vollendet war. Auf dem Landtage vom 15. Juni 1598 verhieß endlich H. Ulrich den Ständen die demnächstige Vorlegung des ganzen Entwurfes. Aber die Stände wollten zu dessen Prüfung neben dem Ausschusse zwei Gelehrte bestellen, "damit ein jeder Stand seine Vorrechte dabei in Acht haben könnte." Als sogar die Seestädte gar nicht an das künftige Landrecht gebunden sein wollten und am 9. März 1599 sich wiederholt dagegen verwahrten, mußte hiemit das rühmliche Unternehmen des Herzogs um so sicherer zergehen, als er selbst bald darauf verschied. - Abgesehen aber davon, daß Husan die Aufgabe des Gesetzgebers würdig erfaßte, bleibt auch sein Entwurf des Lehnrechtes verdienstlich. Derselbe hat sogar eine Art von gesetzlicher Gültigkeit in Meklenburg erlangt, auch wesentlich eingewirkt auf die im J. 1621 erfolgte Lehnsgesetzgebung und ist noch jetzt für die Kenntniß und Pflege des heimischen Rechtes wichtig 1 ).
Obgleich Husans umfängliche Geschäftsführung im Dienste der Fürsten zuweilen wohl seine Thätigkeit für die Stadt Lüneburg kürzte, - wie denn der Rath zu zweien Malen gegen H. Ulrich den Wunsch aussprach, Husans haufige Abrufung zu mindern, - so strebte er doch, seine Pflicht gegen die Stadt so viel möglich immer zunächst zu erfüllen. Auch war ein solches gedoppeltes Dienstverhältniß der Syndiken damals in vielen Hansestädten noch üblich. Husan blieb bei demselben in stets guten Vernehmen mit den Männern, welche an der Spitze des auch ihm anvertrauten Gemeinwesens standen, wie den Töbing, v. Dassel, den Elver, Witzendorf und Andern. Er wußte wohl das ihm gewordene Vertrauen der Fürsten auch
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für die Stadt nutzbar zu machen und diese namentlich mit dem H. Franz I. von Sachsen=Lauenburg und dem H. Ulrich von Meklenburg in Freundschaft zu erhalten. Im Uebrigen führte er sowohl auf den nordischen Sendungen, als auf städtischen Tagefahrten, auf Kreistagen und in besonderen Gesandschaften die Geschäfte Lüneburgs und anderer Städte mit Fleiß und Glück. Von Bedeutung für die inneren Verhältnisse Lüneburgs war die Wirksamkeit Husans für das Stadtrecht, zu welcher er, vielleicht in Folge seiner Theilnahme an der Gesetzgebung Meklenburgs, im J. 1581 vom Rathe berufen sein soll. Gewiß ist, daß er im folgenden Jahre mit der Sammlung und Bearbeitung der in Lüneburg geltenden Rechte beschäftigt war. Nach Einigen hat er den Entwurf des lüneburger Stadtrechts damals wirklich vollendet und ihn im J. 1583 dem Ausschusse der Bürgerschaft zur Prüfung vorgelegt. Die von dem Ausschusse gemachten Bemerkungen soll er am 15. Juli 1583 beleuchtet haben. Zuverlässig ist jedoch dieser Entwurf von Husan nicht vollendet und nicht in dieser Zeit gesetzlich geworden, indem schon Hardewig von Dassel im J. 1591 bemerkt, daß Husan vor dem Abschlusse seines Werkes vom Tode ereilt sei. Später soll der Husansche Entwurf in IX. Theilen, vermuthlich nach mehrfacher Ueberarbeitung, wirkliche Gesetzeskraft erlangt haben, und im J. 1722, jedoch fehlerhaft, zuerst gedruckt sein. Jedenfalls ist wohl auch diese Arbeit Husans für die Erforschung und Ausbildung des städtischen Rechtes von wesentlichem Werthe und übrigens von Zeitgenossen gepriesen 1 ).
Inzwischen hatte Husan als des H. Ulrichs Rath nicht blos in den Grenz= und Landtagssachen, dem Streite über das Land Malchow und den noch rückständigen Irrungen
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mit Rostock, im October 1579, März 1580, Januar und Juni 1581 durch Rath, Zeugenschaft und Schriftenfassung mitgewirkt, sondern auch auf Reichs= und Kreistagen dessen Geschäfte geführt. Im April 1581 war er als dessen Gesandter auf dem Kreistage zu Lüneburg in Verfechtung der meklenburgischen Forderungen an die Kreisstände begriffen, als ihn am 18. April ein dritter Eilbote der verwittweten Herzogin Anna v. M., geb. Prinzessin von Preußen, nach Lübz berief, wo er eine Anweisung für deren Gesandte an den in Preußen bevorstehenden Landtag zur Vertretung der Ansprüche der Herzogin und ihrer Söhne stellte 1 ). Schon am 13. August d. J. hielt Laurentius Niebur, des H. Ulrich Rath, es wiederum für höchst nothwendig, Husan als Redner vor den dänisch=braunschweigschen Obmännern im pommerschen Grenzstreite zu berufen und ihn zu dem Zwecke vom Rathe zu Lüneburg zu erbitten. Im Januar 1582 war er zu Güstrow und begleitete dann den H. Ulrich zum Kurfürsten August von Sachsen, der zu Dresden auch ihn huldvoll hörte. Bald darauf mußte er sogar, obgleich die Stadt seiner übel zu entrathen, doch nicht wohl den Urlaub abzuschlagen wußte, dem Herzoge auf dessen glänzender Reichstagsfahrt nach Augsburg 2 ) folgen. Mit 220 Pferden, 16 Kutschen, 10 Rüstwagen und mehr als 100 Personen durchzog H. Ulrich, nebst seiner Gemahlin und seinen beiden Neffen, in 34 Tagen - vom 9. Mai bis 13. Juni - die auf 97 Meilen geschätzte Wegstrecke bis Augsburg. Hier, wo ihn Kaiser Rudolph II. durch persönliche Huld ehrte, weilte derselbe sechs Wochen lang und versammelte oftmals auf fröhlichen Banketten und Scheibenschießen zahlreiche Fürstenkreise um sich. Husan, vom Herzoge mit Ehrenkleidern beschenkt, wirkte gemeinsam mit dem Canzler Jacob Bording in den Geschäften, redete im Fürstenrathe und warb bei den kaiserlichen Dienern. Der Kurfürst von Mainz und andere hohe Personen erwiesen ihm Gnade, während er heiteren Geistes den Festen beiwohnte. Doch erschöpfte deren Ueppigkeit seine Kräfte so sehr, daß er am 29. Juli bei der Abreise H. Ulrichs an Entkräftung des Magens darniederlag und bis zum 2. August sich des Rathes des kaiserl. Leibarztes Dr. Peter Monau und des kurmainz. Dr. Joachim Camerarius bedienen mußte. Dann begann
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er, bei strenger Enthaltsamkeit, seine Rückreise, und setzte sie mit so großer Eile Tag und Nacht fort, daß er seinen Gebieter bald überholte und schon am 12. August zu Lüneburg eintraf. Von hier aus sandte er am 21. September dem Herzoge die Reichstagssachen nebst Berichten über die meklenburgische Anwartschaft auf die halbe Landgrafschaft Leuchtenberg und über den Rangstreit mit Jülich und Pommern zu 1 ). Gleichzeitig meldete er die Niederlage der spanischen Flotte durch Don Antonio, den Bastard von Portugal, und die Heimsuchung Wittenbergs durch die Pest. Im December 1582 berief der Herzog ihn und Veit Weinsheim - seit dem J. 1576 Herzog Ulrichs Rath von Haus aus - zur Prüfung und Einleitung der bevorstehenden Land= und Kreistagssachen nach Stargard 2 ). Am 3. Januar 1583 begab er sich von hier nach Halberstadt auf den Kreistag, um dort die herzoglichen, wie auch sonstige Geschäfte zu führen. Er wirkte seitdem auf diesen Versammlungen mehrfach und erfolgreich, sowohl in den meklenburgischen, als allgemeinen Religions=, Kriegs=, Steuer= und Münzsachen, und erfreute sich dabei persönlichen Ansehens. Als zu Halberstadt am 12. Januar der hildesheimische Gesandte Peter Körnlein sich an die Räthe von Halberstadt andrängte und den Sitz über Meklenburg erschlich, that Husan sofort Einspruch und drohete den Kreistag zu verlassen. Da ward alsbald beschlossen, daß Hildesheim nicht bloß unter Meklenburg, sondern auch unter Holstein sitzen sollte. Oefters wandten sich die Gesandten anderer Fürsten und einzelner Städte an ihn, Rath und Empfehlung begehrend. Wegen dringender Geschäfte Lüneburgs verließ er schon am 17. Januar den Kreistag und legte auf der Rückreise trotz vieler Beschwerden täglich acht Meilen zurück. Im Mai d. J. war er zu Güstrow in Berathung der Grenz= und Landtagssachen, so wie des rostocker Streites thätig 3 ) und stellte dann Schriften in
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den neuen Irrungen der meklenburgischen Landesherren mit dem Herzoge Christoph von Meklenburg wegen Jagd und begehrter Landestheilung, stets willig zur Uebenahme von Mühwaltung, ausdauernd und hurtig in der Arbeit, versöhnlich im Streben. Im August verhandelte er in Herzog Ulrichs Auftrage und gemeinsam mit Gesandten Hamburgs und Lübecks mit dem Herzoge Franz II. zu Sachsen=Lauenburg wegen der von diesem vorgenommenen Zollerhöhung in Neuhaus. Seit dem 8. September war er in derselben Sache mit Abgeordneten der Städte zu Dassow beschäftigt, von wo er über Schwerin nach Bützow zum Herzoge Ulrich zog. In dessen Namen führte er vom 2. bis 6. October zu Lüneburg, wo wegen drohender Kriegsgefahr ein Kreistag gehalten ward, den Vorsitz in einer besondern Zusammenkunft niedersächsischer Stände, welche gegen Franz II. wegen Erhöhung der Zölle klagten 1 ). In solcher Weise rastlos und vielseitig wirkend, bewährte sich Husan, so lange es die leibliche Kraft ihm vergönnte, deren Abnahme um diese Zeit immer sichtbarer ward.
Die persönliche und häusliche Lage Husans wäre in hohem Grade beglückt gewesen, wenn nicht körperliche Leiden die Freude am Dasein ihm verkürzt hätten. Bei schwachem Körperbau und schweren Schicksalen in frühen Jahren war seine Gesundheit durch dauernde Uebel gebrochen. Dennoch hatte er ohne Unterlaß, nicht selten erschöpfend, die Geisteskraft geübt. Das üppige Leben an den Fürstenhöfen und der ihm frühzeitig zur Gewohnheit gewordene Genuß des Weines 2 ), im Frohsinne wohl bisweilen übertrieben, steigerten das Uebel. Auch seit er zu Lüneburg lebte, rief ihn schon das Geschäftsleben häufig zur Theilnahme an festlichen Gelagen. Namentlich war dieses auf seinen vielen Sendungen, zumal im Norden der Fall. Im Juni 1579 beklagte er zu Flensburg, wo an den Tafeln der Gesandte arge Schlemmerei herrschte, die so weit vorgeschrittene Entartung, daß dasjenige, was früher ein Laster gewesen, nun eine Sitte geworden sei, und nannte die Trink=
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sucht eine der traurigsten menschlichen Krankheiten, welche allen Lastern den Weg bahne und mit dem Leibe den Geist ersticke 1 ). Als er im J. 1581 aus Dänemark heimkehrte, ergriff ihn die Fußgicht sehr heftig. Der Arzt Peter Memmius rieth ihm, das Weintrinken gänzlich zu meiden. Er gelobte auch am 23. August d. J., mit Gottes Hülfe in Dänemark nicht wieder zu ziehen und nicht ferner daselbst, wie bisher vielfach geschehen, der großen Herren Gesundheit zu seiner eigenen Krankheit zu trinken. Dem suchte er auch wohl nachzuleben, doch warfen ihn gleich in folgendem Jahre die Bankette des Reichstags zu Augsburg wieder auf's Lager. Seitdem litt er, vom Bruchschaden und zeitweisen Herzklopfen abgesehen, häufiger an der Fußgicht, an Gliederreißen und fieberhaften Anfällen. In Folge dessen mußte er seine langgewohnte Thätigkeit beschränken und zuweilen von den Geschäften, namentlich Gesandtschaften, abstehen. Ueberdrüssig der Stadt und des Hofes zog er sich dann in die Stille seines Landgutes zurück, um sich in häuslicher Ruhe und im Genusse des Landlebens sich selbst wiederzugeben. - Tröstend erhoben ihn das Glück der Seinen, ein ehrender Ruf und die Huld der Fürsten, besonders die Wissenschaft und Dichtkunst. Das Hauswesen gedieh ihm unter der Pflege einer trefflichen Gattin, mit der er in stets einiger Ehe lebte, und bei dem eigenen klaren, ordnenden Sinne. Seine Söhne erweckten ihm durch rasch vorschreitende Bildung freudige Hoffnungen. Die beiden älteren, Johann Friedrich und Victor Honorius, besuchten damals schon hohe Schulen, wozu sie die vom Rathe verheißene Hülfe erhielten. Die älteste Tochter Regina verband sich im Mai des J. 1582 mit Caspar Kroger, Patrizier zu Lüneburg. Zu der Hochzeit sandte Herzog Ulrich den Joachim von Bassewitz, um den Glückwunsch und die Geschenke des Herzogs zu bringen. Derselbe Fürst hatte auch am 30. Juli 1581 einen letztgebornen Sohn des Husan durch Albrecht Lützow aus der Taufe heben lassen, der Wöchnerin einen Ring mit einem Saphir, auf die Wiege aber einen doppelten Portugalöser verehrt. - Außer im häuslichen Kreise suchte und fand Husan Freude und Erhebung in der Pflege der Wissenschaft und besonders in der Betrachtung der christlichen Lehre und der dichterischen Behandlung
Fol 70 kommt noch ein "aliud de ebrietate carmen" vor."Cum mores fiunt ea, quae vicia ante fuerunt,
Ventum ad supremum, quis neget, esse gradum?"
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der heiligen Schrift. Der Eile des Lebens und des künftigen Gerichtes eingedenk, bereitete er auf ein höheres Dasein sich vor. Auf seinem Landgute 1 ) unter dem Schatten weithin gebreiteter Eichen oder auf dem weichen Halme des Grases ruhend, nahe den wandelnden Heerden und dem hellen Gesange der Vögel, fügte er seine Gedanken über höhere Dinge in Verse. Er schrieb damals die "Sonntagsgebete" und die "Gebete an den Festtagen der Heiligen", welche Michael Lange, Pfarrer zu Rostock, im J. 1601 herausgab. Doch blieb immer Husans Geist in der Neigung zu religiöser Betrachtung und bei aller Hinfälligkeit des Leibes klar und kräftig. Der Abend seines Lebens war nicht verfinstert durch starren Eifer oder dunklen Trübsinn. Nicht fromme Verse bloß pflegte er in oft schweren Stunden dem treuen Diener in die Feder zu sagen, auch liebevolle Briefe an die Geschäftsfreunde und an die studirenden Söhne, auch gediegene Staatsschriften und treffliche Anschauungen einer großen Welterfahrung. Er selbst lehrte, daß Jeder an seinem Orte auf Erfüllung, der Pflicht, wie sie der Augenblick heische, immerdar bedacht sein und mit eigenem Fleiße die Sendung erfüllen müsse, welche ihm auferlegt sei. So wirkte er, die Gaben Gottes ehrend, auf das Treiben des großen Haufens nicht achtend 2 ).
Die religiöse Ansicht oder vielmehr - nach der Weise jenerZeit - die kirchliche Lehrmeinung, welcher Husan anhing, war die der gemäßigten Wittenberger Schule, nach der Anleitung Melanthons, wie sie auch von Chytraeus, besonders in spätern Jahren, vertreten ward. Zwar eifrig und fest war er in Glaubenssachen, doch auch stets zur Milde und Versöhnung geneigt. Nie galt ihm eine Schulmeinung eben so viel oder mehr gar, als das unbestrittene Wesen der christlichen Lehre. Wohl wußte er die Prüfung und den Werth
"Huc ades, o fili charissime Victor Honori,
Huc ades et casta concipe mente preces,
Quas ego, dum podagrae pertaesus et urbis et aulae
Rusticor inque agro me mihi reddo meo;
Dum chartis alii ludunt, aut pocula siccant
Aut nihil aut aliud, quam quod oportet, agunt".
"Dona Dei reverenter habe, memor esto futuri
Judicii, vitam corrige, funde preces.
Neglige rumores, quos spargit futile vulgus,
Intentusque tuo sis in agendo loco.
In qua quemque Deus statione locavit, in illa
Muneris accuret proprio pensa sui".
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der Lehrmeinungen von den Befugnissen und Pflichten der Geistlichen, als den Dienern des Staates, zu trennen. Mehrfach beklagte er die großen Spaltungen in der christlichen Kirche, wie das Unwesen der zänkischen Klüglinge 1 ) und der heftigen, oft eigensüchtigen Eiferer, welche zu seiner Zeit die Empfänglichkeit der Menschen für die kirchlichen Dinge mißbrauchten. Gleich manchen andern gefeierten Zeitgenossen, namentlich Matthäus Wesenbeck, Professor zu Jena und dann zu Wittenberg, und Niels Hemming, Professor zu Kopenhagen 2 ), ward auch Husan von den Eiferern verdächtigt. Nachdem Nathan Chytraeus im J. 1577 die Sammlung der Gedichte Husans veröffentlicht hatte, wurde von einigen Seiten, doch mehr versteckt, als offen, des Verfassers Rechtgläubigkeit in Zweifel gezogen. Er legte deshalb am 11. December 1581 ein vollständiges Glaubensbekenntniß ab. Seitdem scheint er nicht weiter angefochten zu sein. Bei der Mehrzahl der Bessern fanden Husans Denkart und Streben unbestrittenes Lob, wie denn Fichardus von ihm sagte: er beweise durch sein Beispiel, daß in diesem Zeitalter die Rechtswissenschaft die Kunde göttlicher, wie menschlicher Dinge umfasse 3 ). Später ward er auch immer unter den Rechtsgelehrten genannt, welche die höchsten Wahrheiten zu erforschen gesucht und als gute Christen gelebt hätten 4 ).
Der religiösen Ansicht Husans entsprach sein Urtheil über einzelne kirchlich=politische Händel der Zeit. Dasselbe war besonnen und treffend. Als während seines Canzleramtes im J. 1569 der bekannte Abendmahlsstreit durch den zänkischen Eiferer Johann Saliger auch Meklenburg berührte 5 ), hielt er dafür, die hadernden Kirchendiener
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nachdrücklich zur Verträglichkeit anzuhalten und die etwa starrsinnigen Anstifter solcher Händel aus dem Lande zu weisen. Als im J. 1570 deutsche protestantische Fürsten, wie Herzog Johann Wilhelm von Sachsen, für die Krone Franksreich gegen die Hugenotten Kriegsvolk warben, fragte er seinen Gebieter, wo nun der Eifer für die evangelische Wahrheit bleibe, da man in Religionssachen des Geldes willen den Katholischen Hülfe leiste; er fürchtete sehr, Gott werde die Heuchler, welche also mit dem Vorwande seines Wortes gaukelten, ernstlich strafen. Im Jahre 1583 bedauerte er das srenge, nicht ganz partheilose Verfahren des Kaisers gegen den Erzbischof Gebhard von Cöln 1 ), als den Frieden gefährdend. Gleichzeitig fürchtete er bei der innern Spaltung der Protestanten und der herrschenden Erbitterung von dem nach Mühlhausen in Religionssachen ausgeschriebenen Kreistage mehr weitläuftige Trennung als vertrauliche Einigung der evangelischen Stände.
Im Uebrigen theilte Husan, ähnlich den meisten trefflichen Männern, bei aller Freiheit und Bildung des Geistes, einzelne Schwächen seiner Zeit, wie die fast blinde Furcht vor Türken und Moscovitern, den Glauben an die Vorbedeutung der Kometen und Mißgeburten, so wie die übertriebene Ansicht von der wachsenden Sittenverderbtheit und Volksarmuth. Auch war seine Erkenntniß des Alterthums und seine Vorliebe für den Gebrauch der lateinischen Sprache, verbunden mit dem Streben gegen alles Papstthum, nicht frei von Befangenheit, wenn gleich er das Vaterländische nicht mißachtete, vielmehr das deutsche Volk als einig und sittenrein eifrig erwünschte und von der Liebe zum Heimathlichen immer ergriffen blieb 2 ).
Husan erfüllte, so viel es ihm Leibesschwäche vergönnte, seine amtlichen Pflichten gegen die Stadt Lüneburg und den Herzog Ulrich von Meklenburg bis an den Tod. Die Stadt verlängerte im J. 1584 seine Bestallung als Syndicus, wie es scheint, auf Zeit seines Lebens. Er verrichtete, wie bisher, außer seinen nächsten Berufsgeschäften manche gesandtschaftliche Aufträge der Stadt und wirkte in deren Obergerichte mit. Herzog Ulrich berief ihn im Juni 1584 zur Berathung des nächsten Landtages nach Güstrow 3 ). Auf der Reise dort=
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hin erkrankte er plötzlich und mußte unter lähmenden Schmerzen in Schulter und Arm auf seinem Landgute der Genesung harren. Doch im August folgte er einem neuen Rufe nach Meklenburg und bezog nochmals in Person die pommersche Grenze, wobei er am 22. August zu Dargun treffliche "Regeln, des Lebens" schrieb 1 ). Nach seiner Rückkehr warf ihn eine heftige Fußlähmung vier Wochen lang darnieder. Das J. 1565 ließ ihn seine gepriesene Wirksamkeit kräftig erneuern. Seit dem Mai berichtete er an den Herzog Ulrich über die meklenburgischen Hausirrungen, bereitete auch die Geschäfte für den Kreistag zu Halberstadt vor. Diesen zu besuchen, hinderte ihn eine Verhandlung zu Kiel in städtischen Sachen und eine Tagefahrt zwischen der Stadt Lüneburg und dem Herzoge Wilhelm zu Braunschweig und Lüneburg, welcher er am 28. Juli beiwohnte. Um diese Zeit begehrte ihn Herzog Otto VI. zu Harburg - dem er ebenfalls als Rath von Haus aus gedient haben mag - wiederholt und dringend von der Stadt zur Führung von Geschäften. Als er am 7. August in Herzog Ulrichs Namen zur Verhandlung der kaiserlichen Beauftragten in den sachsen=lauenburgischen Hausirrungen 2 ) nach Lübeck ziehen wollte, ergriff ihn ein plötzlicher Fieberanfall, mit gichtischer Lähmung der Glieder verbunden. Die Krankheit trat so heftig auf, daß er einen tödtlichen Ausgang vermuthete, zumal er in dem siebenten Stufenjahre seines Lebens stand. Er bat deshalb am 8. August von Lüneburg aus seinen alten Geschäftsfreund Veit Weinsheim, ihn bei den Gesandten zu entschuldigen, den Weinsheim selbst aber um Verzeihung, falls er ihn jemals gekränkt habe und empfahl ihm die Seinigen. Doch ging die Gefahr noch diesmal vorüber; einiger Kräfte Herr geworden, begab er sich am 23. Aug. nach Lübeck, wo er bis zum 8. Sept. an der Verhandlung Theil nahm. Bald hierauf war er wegen Berathung der meklenburgischen Hausirrungen 3 ) und Kreistagssachen zu Güstrow. Am 17. October reiste er zu dem Münzprüfungstage des niedersächsischen Kreises nach Braunschweig und führte daselbst bis zum 26. Oct. die
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meklenburgischen Geschäfte. Auch hatte er in diesem Jahre in Handelssachen Lüneburgs und Meklenburgs gewirkt und die "neue Schifffahrt" von der Ilmenau in die Elbe, wie früher die Elbdeiche zwischen Dömitz und Boizenburg, besichtigt. Wie er sich in den lauenburgischen Haus= und Zollstreitigkeiten verhalten, deutet ein Schreiben des H. Franz II. vom 20. Juni 1585 an, in welchem Husan als ein Mann "voll von Gott hochbegabten Verstande und großer Erfahrung" gerühmt wird. - Im Januar und Mai des J. 1586 besuchte er zwar nochmals Meklenburg und wirkte in dem meklenburgischen Hauszwiste durch Rath und Stellung von Schriften, erfüllte auch noch seit dem 19. Juni zu Lüneburg in den Verhandlungen über dieselbe Sache die dem H. Ulrich geschworene Pflicht, doch gab er schon um diese Zeit einen Theil seiner bisherigen Geschäfte an den Dr. Niebur ab. Im Auftrage der Stadt Lüneburg hatte er vom 24. Mai bis 18. Juni theils mit dem H. Wilhelm zu Braunschweig und Lüneburg wegen eines Einbruches der Elbe, theils mit den Städten Lübeck und Hamburg, so wie dem H. Franz II. von Sachsen=Lauenburg in Zollsachen verhandelt.
Seitdem fesselte ihn Krankheit dauernder zu Lüneburg oder auf seinem Landgute an das Lager. Im Februar 1587 war er ein wenig gestärkt und gedachte auf des H. Ulrich Wunsch als dessen Gesandter neben Joachim von Bassewitz den wegen drohender Kriegsgefahr, der Kreishülfen und des Münzwesens nach Braunschweig ausgeschriebenen Kreistag zu beziehen. Indeß traf ihn wieder eine Lähmung am linken Schenkel und Arm, welche in Kurzem den ganzen Körper ergriff und ihn seit den ersten Tagen des März auf seinem Landgute das Bette hüten ließ. Doch blieb er klaren Geistes und willig zum Dienste. Gegen Ende März ward er als Zeuge in Sachen des H. Ulrich wider die Herzoge von Braunschweig und Lüneburg berufen. Im August d. J., um welche Zeit er mit zunehmend unsicherer Hand schrieb, war er noch in Berathung der meklenburgischen Haussachen mit Niebur und Weinsheim thätig. Seine rasch abnehmenden Kräfte wandte er dann mehr und mehr auf das Heil seiner Seele und das Wohl der Seinigen. Er suchte sich in religiöser Betrachtung das Heilige gegenwärtig zu erhalten und sorgte auch für seines Hauses Gedeihen, indem er noch immer die Bildung seiner Söhne überwachte. Von diesen studirte damals Victor Honorius zu Helmstädt, der Pflege des Wilhelm Aemilius, Lehrers der jungen Herzoge von Braunschweig und Lüneburg, empfohlen. Husan ermahnte wiederholt sowohl den Aemylius, den Sohn in der Sprachlehre und Schreibweise fleißig zu üben, als auch besonders
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diesen selbst, mit Ernst dahin zu streben, daß er einst an Sitten und Wissenschaft blühend erfunden werde.
Seinen hoffnungslosen Zustand erkennend und unter schweren körperlichen Leiden harrte Husan mit Ergebung und Ruhe seiner letzten Stunde. Er verschied sanft am 9. Dec. 1587 zu Lüneburg, 51 Jahre und 3 Tage alt. Sein Leichnam ward in der Michaelis=Kirche daselbst feierlich bestattet und seine Ruhesstätte durch ein Denkmal geziert 1 ). Sein Andenken blieb bis zu den verderblichen Kriegswirren des folgenden Jahrhunderts in lebendiger Feier.
Es mag bezeichnend und für die Vergleichung dienlich sein, die Grabschrift Husans und einige ihn betreffende Stimmen der Zeitgenossen mit den Worten der Urschrift beizufügen.
Die Inschrift auf dem Denkmale Husans überliefert Nathan Chyträus 2 ) also:
"Henrico Husano, Isenacensi Turingo, ab ineunte aetate in Germania, Italia et Gallia bonis litteris et lingais exculto, et mox supra aetatem egregio oratori, politico et juris consulto, Saxoniae et multorum principum consiliario et legato, Cancellario Megapolitano et post aulicarum jactationum taedium Luneburg. quoque Reipubl. syndico, dexteritate et usa rerum conspicuo, et in consiliis, transactionibus et pacificationibus mirifice experto, pieque hic defuncto, in spem optatissimae resurrectionis uxor et liberi cum lachrymis ponsuerunt".
Caselius 3 ) in der Leichenrede auf den Herzog Johann von Meklenburg urtheilt von Husan:
"Henricus item Husanus cancellarius, non minus ipse consilio pollens, quam eloquentia, praestans fide, industrius et dexter in gerendis negotiis, in consuetudine quotidiana salsus absque
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acerbitate, et elegans, atque ita multiplici nomine gratus principibus".
Derselbe 1 ) in der Lobrede auf Joachim von der Lühe:
"Pro se misit dux noster Luhium et Husanum, cuius et ante mentionem fecimus, viri equidem non solum diserti et periti legum, sed etiam politici. Hanc laudem, ut singularem, Husano lubens, et vere, si hoc quis mei indicii esse putet, tribuo, etsi politici munus imperitissimus quisque sibi hodie sumit, qui juris disciplinam vix primoribus labris attigerit".
Nathan Chyträus in der Zueignung der Husanschen Gedichte an den Rath zu Lüneburg:
"Inter enim reliqua celeberrimae urbis vestrae, quae sane plurima sunt, ornamenta, non postremum esse judico hunc virum, eximia doctrina, singulari eloquentia, incomparabili fere in tractandis et perficiendis negotiis dexteritate et industria, quae omnia harum quoque regionum incolis non sunt ignota".
Dieses Lob der Zeitgenossen Husans, welches ihn als einen trefflichen Staatsmann bezeichnet, ist ohne Zweifel in seinem Leben begründet. Denn er gewann in früher Jugend eine tiefe Erkenntniß der Wissenschaft, im ersten Mannesalter schon eine reiche Erfahrung des Lebens und besaß, bei einem freien, edlen Geiste, eine große Klugheit und Mäßigung, eine nicht gewöhnliche Rednergabe und Gewandtheit in der Unterhandlung. Ohne, wie die Neueren, von "der Macht der Ideen" ergriffen zu sein und ohne in der Kunst, zu gefallen, sich auszuzeichnen, erfüllte er vielseitig und ehrenvoll den staatsmännischen Beruf, hohe und schwierige Dinge vollbringend durch Klarheit des Geistes, sittliche Begründung des Strebens und Festigkeit des Willens ohne Starrheit. Die Staatskunst Husans war begründet in der Wissenschaft des Rechtes, ward geleitet durch Treue der Ueberzeugung - er sagte die Wahrheit, auch wenn sie mißfiel, vertrat das Recht, auch wenn es Gefahr brachte - und erstrebte vornämlich Sicherung desRechtsschutzes, zugleich aber in jedem Kampfe mehr einen ehrenvollen Frieden, als starre Verfechtung der einzelnen Rechtspunkte. Der Friede erschien ihm als die Bedingung jeglicher Ordnung
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und Bildung im Staate 1 ); um des Friedens willen und um das Wesentliche zu erhalten, wollte er, wie Chyträus, Grotius und Andere, Manches hingehen lassen, was er sonst nicht zu billigen wusste. - Eigen war ihm auch und gemeinsam mit den edleren Staatsmännern der alten Schule jene Pflichttreue, welche das Lieblingstreiben beschränkt und zu vergessen weiß, um dem Pflichtleben zu genügen, und jene Selbstbeherrschung, welche bei glücklichem Erfolge des Strebens sich ferne hält von Eigensucht und Ueberschätzung. Demnach sind des Caselius Worte: Husan sei nicht nur ein beredter und gesetzkundiger Mann, sondern auch ein Staatsmann gewesen, welches Lob er ihm als ein nicht gemeines gerne und in Wahrheit zolle" für treffend zu halten.
Nicht minder ist Husan als Dichter von den Zeitgenossen gepriesen worden 2 ). Seine Gedichte sind theils einzeln und zeitweise, theils in zwei größeren Sammlungen gedruckt worden. Die erste derselben, im J. 1577 von N. Chyträus besorgt, umfaßt fast alle einzeln zuvor erschienenen Gedichte 3 ) Husans und führt den Titel:
"Henrici Husani Jurisconsulti horarum succisivarum siue imaginum Mosaicarum libri duo, elegiarum libri totidem. Rost. MDLXXVII." 4.
In den beiden Büchern der Mosaischen Bilder knüpft er an angeführte Bibelstellen religiöse, geschichtliche und Selbstbe=
E. Lubinus, in der von M. Lange im J. 1601 besorgten Sammlung der Husanschen Gedichte:"Quem loquar aut referam Husanum? genitumne Minerva
Arbitrer, aut natum stemmate Daedaleo;
Non musis genitus non a mortalibus ortus,
Sed Musas peperit Marte suo Aonias".
"Singula, quae concessa aliis, concessa tibi uni
Omnia, miraculum saeculi, Husane, tui.
Cui Suada et Themis alma, omnesque cumApolline musae
Certatim dotes contribuere suas".
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trachtungen, oft mit Klagen und Wünschen über die Gegenwart verbunden. Auf diese folgt das tägliche Gebet des H. Husan, meklenb. Canzlers, sein Wunsch vom J. 1569 und sein Entlassungsgesuch an Joh. Albrecht aus dem J. 1573. Die beiden Bücher der Elegieen sind theils religiösen Inhalts, theils betreffen sie die persönlichen Schicksale Husans, seiner Lehrer und Freunde, auch einzelne Zeitbegebenheiten. - Die zweite Sammlung ward im J. 1601 von dem Pfarrer M. Lange zu Rostock unter folgendem Titel herausgegeben:
"Dierum dominicarum preces anniversariae, ab Henrico Husano, J. C. clarissimo - olim conscriptae et nunc primum editae. Accesserunt ejusdem autoris fragmenta lectu haud inutilia. Rostochii. 1601."8vo. min 1 ).
Diese enthält außer einigen, schon in der ersten Sammlung vorkommenden Gedichten, die Sonntagsgebete und die Gebete an den Festen der Heiligen, in denen er aus beigefügten Bibelstellen religiöse und geschichtliche Lehren, wie Hoffnungen und Wünsche über wachsende Verbreitung und Erkenntniß des Christenthums herleitet. An diese schließen sich die Bruchstücke, welche Lebensregeln und Sinnsprüche enthalten.
Es ist unverkennbar, daß in diesen Dichtungen ein ernster, gläubiger und strebsamer Geist, wie geschichtliche Kenntniß, und Welterfahrung, bei großer Gewandtheit im Ausdrucke, sich kund thun. Aber eben so gewiß ist es auch, daß Husan kein wahrer Dichter gewesen sei. Hierfür zeugen sein ganzes Leben und Wirken und nicht minder das Urtheil verständiger Zeitgenossen, wie des Caselius, welche über den Staatsmann den Dichter gerne vergessen. Doch war er kein eitler Thor, der mit Versen getändelt hätte. Er gehörte vielmehr zu den trefflichen Männern, welche den fruchtreichen Boden des Alterthums durchfurcht hatten und welche, wie Thuan und Grotius, nicht bloß ihre classische Bildung in lateinischen Versen den Zeitgenossen zu beurkunden pflegten, sondern auch an der Dichtkunst in so ferne sich wirklich erfreueten, als sie dieselbe mit der Uebung einer classischen Sprache und mit einem ernsten, religiösen Streben verbanden. Umschrieb doch selbst Thuan die Schriften des alten Testamentes, namentlich des Hiob, in lateinischen Versen; ja Grotius verfaßte in denselben Trauerspiele über den "vertriebenen Adam und den leidenden Christus"! - Husan blieb immer mit der römischen Literatur
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eng befreundet. Er las in späteren Jahren eifrig den Seneca und den Tertullian, deren Worte er sich in Versen, Briefen und sonstig bediente. Den Tacitus nennt er den Begründer der Geschichte; Aussprüche des Sallust giebt er in seinen Dichtungen wieder, welche auch auf Nachbildung des Ovid, Virgil und Horaz zuweilen auffallend hindeuten. Auf Heinrich Ranzow's, des nordischen Mäzen, berühmten Schlosse Bredenberg sah man um das J. 1590 neben den Gemälden der Helden unter Andern auch Sinnsprüche der Alten prangen, wie Husan sie erklärt hatte 1 )! Nur im Sinne classisch= begründeter Liebhaberei und besonders mit Rücksicht auf den würdigen Inhalt sind die Gedichte Husans zu erfassen. Ihm zum Ruhme ist beizufügen, daß er selbst nirgends Werth auf sie legt, auch niemals so stümperhaft und so ausschweifend, wie von Vielen vor und nach ihm geschehen ist, die Verskunst geübt hat. Aber ein wesentlicher Werth kann seinen Dichtungen als solchen nicht beigelegt werden. Ihr Stoff ist größten Theiles der dichterischen Behandlung nicht günstig; Sprache und Form lassen sie den Meisten nicht zugänglich und dem reiner gebildeten Kunstgeschmacke nicht genügend erscheinen. Doch nicht leichtfertig urtheilte Martin Brasch, Lehrer der Logik und gekrönter Versemacher zu Rostock, daß die Gedichte Husans den Werken mancher mit dem Lorbeer geschmückter Dichter jener Zeit vorzuziehen seien 2 ). Eine mehrfache Vergleichung ergiebt, daß die meisten Verse Husans durch Bildung der Sprache und Klarheit der Gedanken - bisweilen an die unverstellt menschliche Anschauung der Alten erinnernd - die Dichtungen nicht weniger seiner Zeitgenossen beschämen 3 ). Eben dieses und
"Consilium sapiens, occasio commoda, felix
Exitus, unius sunt tria dona Dei.
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Saepe rogare, rogata tenere, retenta docere,
Haec tria discipulum faciunt superare magistrum.
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Non excusatur, qui causa peccat amici,
Nam virtus omnis nexus amicitiae est.
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Per quod quis peccat, per idem punitur et ipse
Quod facis injuste, juste patieris id ipsum.
Vae tibi, qui spolias, spoliaberis ipse vicissim."
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ihr religiöser Inhalt erklären die ihnen von Mitlebenden, besonders solchen, die selbst Verse machten, zu Theil gewordene Ueberschätzung.
Husan hinterließ ein ansehnliches, nicht so sehr durch Gunst und Glück, als durch Wissenschaft, Fleiß und Ordnungssinn erworbenes Vermögen und eine blühende Nachkommenschaft. Von elf Kindern seiner glücklichen Ehe mit Regina Rudolph erreichten sechs ein höheres Alter.Die Söhne waren: 1. Joh. Friedrich, geb. 1566 zu Jena, gest. 1592 als Professor zu Rostock an den Blattern, bekannt durch die Abhandlung von den Leibeigenen. 2. Victor Honorius, geb. 1572 zu Schwerin, gest. 1592 als Krieger in Frankreich. 3. Heinrich, geb. 1577 zu Lüneburg, eine Zeit lang meklenburgischer Rath und Gesandter, seit 1618 kaiserlicher Rath und Gesandter, am 22. Februar 1626 vom Kaiser unter Beilegung großer Freiheiten und Machtbefugnisse zum Edlen von Husan 1 ) erhoben. Er war ein an Geist und Bildung
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ausgezeichneter Staatsmann und wirkte in den deutschen Händeln während des dreißigjährigen Krieges bedeutsam mit, doch zuweilen, wie es scheint, zweideutig und nicht in vaterländischem Sinne. Er besaß sieben Güter in Meklenburg, die er meistens wieder verlor und starb am 12. Juli 1654 zu Gallin bei Boizenburg. - An Töchtern werden genannt: 1. Regina, geb. 1562 zu Weimar, verm. A. 1582 mit Caspar Kroger, Patrizier zu Lüneburg; b. 1595 mit Georg Schrader, Domherrn zu Lübeck. 2. Anna Sophie, geb. 1568 zu Schwerin, verm. 1587 mit Nicolaus von Toden auf Rundshagen. 3. Dorothea, geb. 1578 zu Tessin, verm. a. 1595 mit Reimar von Pentz auf Warlitz; b. 1612 im Lorenz Schack zu Boizenburg.
Die Wittwe Husans hatte mit treuer Pflichterfüllung für die Erziehung der Kinder Sorge getragen und auch die jüngeren Söhne auf treffliche Bildungsanstalten und in fremde Länder gesandt. Sie erwies sich in Geschäften umsichtig und fest und erreichte bei großer Thätigkeit ein hohes A