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15.
Codicill der Wittwe von Wangelin
vom Jahre 1639.
Der Einsender dieses alten Actenstückes, welcher lange bei sich zweifelte, ob dasselbe wohl von allgemeinerem Interesse und daher der öffentlichen Mittheilung werth sein möchte, entschloß sich endlich, dasselbe der Redaction dieser Jahrbücher zur Disposition zu stellen.
Erwägt man, daß die Verfasserin desselben im Privatstande lebte und daß sie einer Familie angehörte, die jetzt bei uns ausgestorben oder verschollen ist, so kann dessen Bekanntwerdung für die Geschichte unsers Vaterlandes kaum von einigem Interesse sein und in dieser Beziehung höchstens nur demjenigen eine willkommene Gabe sein, deren Vorfahren mit der vormals in Meklenburg weitverbreiteten Familie von Staffeld in verwandtschaftlichen Verbindungen gestanden haben.
Aber als ein Beitrag zur Sittengeschichte des 17. Jahrhunderts scheint dieses Document einige Beachtung zu verdienen, so wie es denn auch durch den Umstand, daß es von einem wenigstens nicht wissenschaftlich gebildeten Frauenzimmer, und zwar ohne Beihülfe eines Rechtsbeistandes abgefaßt ist, eine gewisse Originalität erhält. Es dürfte indessen zum besseren Verständnisse des Ganzen nicht undienlich sein, über die Familienverhältnisse der Erbsetzerin Einiges voran zu schicken, - und man mag es dem Einsender zu gute halten, wenn derselbe, um das Dargebotene möglichst vollständig zu geben, über die Familie von Staffeld etwas mehr sagen wird, als zum Verständniß des Codicills grade nöthig ist. Es bestimmte ihn hiezu aber auch noch ein anderer Grund.
So wie wir von dem Leben und Treiben unserer Vorfahren, auch von deren Geistesrichtung im Allgemeinen nur wenig wissen, so sind auch die genealogischen Nachrichten über unsere vaterländischen Familien oft nur sehr dürftig und beschränkt. Man kann hier im eigentlichen Verstande sagen: "unser Wissen ist Stückwerk." Würde es aber nicht eine für unsern Verein würdige Aufgabe sein, zu Mittheilungen auch aus diesem Gebiete der Alterthumskunde aufzufordern, und solche, wenngleich fragmentarische Mittheilungen, so viel möglich, zu einem Ganzen zu verbinden?
Hening von Staffeld, fürstlich=meklenburg=güstrowscher Geheimer Hofrath, zu Ganzkow Erb= und zu Neuenkirchen Pfandgesessener, starb vermuthlich zu Neuenkirchen etwa im Jahre 1609 mit Hinterlassung zweier Söhne und dreier Töchter. Seine ihn überlebende Gattin Anna
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Margaretha Hahn, eine Tochter von Eggert Hahn zu Arensberg, blieb nach seinem Tode, und zwar bis zu ihrem eigenen Lebensende, dem damaligen Landesgebrauch gemäß, im Besitze der Güter ihres verstorbenen Ehegatten. Nach ihrem Ableben, welches im Jahre 1619 oder 1620 erfolgt sein muß, administrirte ihr ältester Sohn Zabel Staffeld die Güter zwei Jahre hindurch für sich und seine minderjährigen Geschwister. Da aber eine solche Communion gewöhnlich eine Mutter der Zwietracht ist und die Güter sehr verschuldet waren, so trug er auf eine Auseinandersetzung mit seinen Geschwistern oder vielmehr mit deren Vormündern an, die auch unterm 4. April 1622 glücklich zu Stande kam. Nach dem bei der Gelegenheit abgeschlossenen Erbvertrage erhielt Zabel Staffeld das Gut Ganzkow und sein noch minorenner Bruder Adolph Friedrich Staffeld das Gut Neuenkirchen mit den dazu geschlagenen Höfen in Warlin und in Glocksien.
Von den drei Schwestern, deren Altersfolge unbekannt ist, heirathete die eine, mit Namen Clara Maria, Jürgen von der Lühe zu Schulenburg, eine andere, Engelt Lieschen, die Verfasserin des Codicills, den Albrecht Hieronymus von Wangelin und die dritte, Anna Dorothea, den Otto von Glöden auf Trollenhagen. Letzterer kam späterhin durch die Verheerungen des dreißigjährigen Krieges in seinen Vermögensumständen dergestalt zurück, daß er im Jahre 1640 seinem Hauptcreditor, dem von Völschow, Hauptmann des Amtes Broda, sein Gut, wiewohl vergleichsweise, abtreten mußte, wobei ihm jedoch das Vermögen seiner Ehefrau unverkürzt verblieb. Diese hatte aber zu der Zeit noch einen Theil ihres Brautschatzes, vermuthlich den, der von ihrer Mutter herrührte, in Neuenkirchen stehen; und als nun auch über dieses Gut der Concurs ausbrach, so klagte Otto von Glöden diese und noch andere Forderungen seiner Ehefrau von seinem Schwager Adolph Friedrich von Staffeld ein. Dies hatte nun die Folge, daß Glöden von dem Gute Neuenkirchen Staffeldschen Antheils ein kleines ritterliches Besitzthum durch Adjudication erhielt und daß er, nachdem er sich dort einen Wohnhof eingerichtet hatte, 1649 von Trollenhagen dort hinzog. Schon nach 3 Jahren starb Glöden; aber seine Gattin verlebte darauf noch 19 Jahre in einem sorgenvollen und betrübten Wittwenstande und starb den 7. Juni 1671, 68 Jahre alt. Die sie überlebenden Kinder waren drei Töchter. Von diesen war die älteste, Eva Dorothea, verheirathet mit Baltzer Friedrich von Berg, königl. schwedischem Oberst=Lieutenant in Diensten Gustav
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Adolphs. Er war des Einsenders Ureltervater. Die zweite Tochter, Sophia Elisabeth, war die Gattin des Otto von Dewitz auf Kölpin. Die dritte, Clara Maria, war mit Joachim von Below ehelich verbunden.
Ihm namen der hochgelobetten undt heilligen dreifalticheitt, auff dem ich in alle meinem Ellendie mein höchsten troß hoffenun gesetzet, dem ich auch in meiner lesten stundie mein seele zu getruwen Henden befellen thu, habe ich diesen mein lesten willen, wie es nach meinem dottdie mit meiner fürlassenschaff vndt vnwiedersprechlich solt giehalten werden, dergiestalt wie sich dieses, weil ich anitzo Keinen anwalt gehabt, beßstendichs testamendt zu fultziehen lassen, vndt weil ich den mitt meiner mutter gelttie zu dunthie mach habe, was ich wilt 1 ), also ferne ich ihn meinen wuttwench standtie nach gottdes willen vorbleichbe, vndt nicht weitter beerbet wurdtie, sol meine vielgeliebttie schwester Anna mergretha von staffeltdes Otto von gloden Ellich haußfraw derselben Kinderken nach meinem Dott Die ein Duessen gulttden von meiner seelichgen mutter Erbgeltie von allen anderen meinen erben vorauß haben, noch meine schwester Dochtter dorthige gloden, welches ich in Rostoch eine geringe Zeitt beich mir gehatt habe, Zwe hundert gultden nach meinem dothie ebenmessig von meiner selichgen muther geltie vorauß haben. Och solt Ihr dochther dorttia gloden, wen ich storffe, meinen schwarchzen adtlaß rockt haben; Och habe ich einnen ladie, so gron ist mitt gelben bochstaffen, worchauf: "Luetke hahne, mergreta bullowen" forauf gieschriben, worein mein vielgeliebettie schwester, Otto gloden Haußfrawe, noch eitlich Zug hath vndt ich ein geringeß darth beich ein habe. Woch fernie ich aber mith dothie abginhge, sollen meine beichten schwester dochter, alsie Dorttiege vndt Soffiea lieschen, ( - so wol Cllarrei merriecke gloden sol neben den anderen darmit zu komen -) Das meinige, so ich in der lachtdie habe, vndter sich dellen. Och hat Junffer Kattringe wintherfeldtes noch 2 parh Lacken mitt in ihrre Kastie 3 ]) geleichgett, so nach denhniem archger 4 ) giekomen, die sollen sie och haben. Dieses alles sollehn mein vielgeliebettie schwester Otto gloden Haußfraw vnd ihr Kinder vorauß haben, vnd hernach mitt meinen andern arben nach meinem Dothie zue gelichger Dellunge kommen. Och der vhrsachgen halber
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daß sie mir ihn dieser ellenden Zeitt och in fellen gutten Beichstandt gedanth. Och ist mein Wille wen künfftich vnßer Pendie 5 ) wurden eingelössedt, so sol meinei schwester oder ihr Kinder die helffte meineß Delles vorauß nemen vnd hernach mit den anderen zuer gelichgen Dellun gehen, wen ich aber nach gottdes willen mit Dottie abgingei, so wil ich den armen vndt meiner machget Kattrin mulen waß geeben, daß ihm doch solches och giehalthen wird. Dieses ist alle mein lester wille vnd meinunge, das es so soltie von meinen erben giehalten werden; welchen es Duntt vnd halten, wunßsche ich von dem almechtichgen gott gnadie vnd seigen; welchen es nicht duntt wollen vndt sich vndterstehen, solches nicht zu halten, wunsche ich alle zeittlichge straffe, sollen meine erbschaf gantz benomen sein, vnd groß vndtgielücke 6 ). Dieseß geschreiben zu Rostoch ferchzeichen Dachge nach Pintten Anno 1639.
Albrecht Irrommuß wangellinge
seelichger wittwe
Engelt lichsche
staffeltteß
mein Egen handtt.
Das Kegenwärtige Copeii mith dem Originali buchstablich Concordiret vnd gleich lautett zeuge ich mitt dieser meiner vnterschrifft.
Joachimus Plutzkow
N.
publicus. mppria.
Anmerkungen.
1.) Ueber alles dasjenige, was der Erbsetzerin aus ihrer mütterlichen Verlassenschaft zugefallen war, durfte sie frei verfügen; anders verhielt es sich mit den Geldern, die sie aus den Lehngütern ihres Vaters erhalten hatte.
2.) Die Worte der nachfolgenden Parenthese geben keinen deutlichen Sinn, auch wenn man das Wort "sowol" streichen wollte. Nachdem vorher gesagt war, daß die beiden älteren Schwestern dasjenige, was die Lade enthielt, unter sich theilen sollten, heißt es nachher dennoch, "daß Clara Maria neben den anderen damit zukommen solle". Ich möchte dies für nichts anderes als für eine Ergänzung halten. Die Erblasserin schrieb dieses Codicill vielleicht während ihrer letzten Krankheit, als sie schon geistesschwach war, und so ließe es sich dann wohl erklären, daß sie anfangs an ihre letztgenannte Nichte nicht gedacht, gleich darauf aber sich ihrer erinnert habe.
3.)Die oben genannte grüne Lade mit gelben Buchstaben scheint mit diesem Kasten einerlei zu sein und früher der Catharine Winterfeld, einer nahen Anverwandten der Wittwe Wangelin, gehört zu haben.
4.) Abermals eine dunkle Stelle: "Nach dem neuen Erker"?
5.) "Pende", gewöhnlicher: Pande: Pfänder. Es sind hier die von ihren Eltern verpfändeten, aber nicht wieder eingelöseten Pretiosen gemeint,
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von welchen die der Mutter, bestehend in Perlen, Ketten und anderm Geschmeide, bei der Erbtheilung den Töchtern zugefallen waren.
6.) Diese Fluchtworte dürften als Schreckschüsse zu betrachten sein für diejenigen Erben, welche es sich beigehen lassen möchten, diese letztwillige Verfügung anzufechten, was ihnen, insofern sie kein rechtsbeständiges Testament war, auch wohl hätte gelingen können. - Uebrigens ist dies eine aus uralter Zeit stammende Formel.
Neuenkirchen.
Ernst von Berg.