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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

aus

den Arbeiten des Vereins

herausgegeben

von

Dr. G. C. Friedrich Lisch,

großherzoglich meklenburgischem Archiv=Rath,
Conservator der Kunstdenkmäler des Landes, Regierungs=Bibliothekar,
Direktor der großherzoglichen Alterthümer= und Münzen=Sammlungen zu Schwerin,
Ritter des königl. preuß. Rothen Adler=Ordens 4. Cl., Inhaber der großherzoglich=meklenburgischen goldenen Verdienstmedaille und der königl. hannoverschen goldenen Ehrenmedaille für Wissenschaft und Kunst und der kaiserl. russischen großen goldenen Verdienstmedaille für Wissenschaft
correspondirendem Mitgliede der königl. Akademien der Wissenschaften zu Göttingen und zu Stockholm, der kaiserl. archäolog. Gesellschaft zu St. Petersburg und der oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz, Ehrenmitgliede der deutschen Gesellschaft zu Leipzig und Ehrencorrespondenten der kaiserl. Bibliothek zu St. Petersburg, Mitvorsteher des naturgeschichtlichen Vereins für Mecklenburg,
Ehrenmitgliede,
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Dresden, Mainz, Hohenleuben, Meiningen, Würzburg, Sinsheim, Königsberg, Lüneburg, Luxemburg und Christiania,
correspondirendem Mitgliede
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Lübeck, Hamburg, Kiel, Stettin, Hannover, Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau, Cassel, Regensburg, Kopenhagen, Gratz, Reval, Riga, Leyden, Antwerpen, Kopenhagen
als
erstem Secretair des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.


Dreiundzwanzigster Jahrgang.


Mit zwei Steindrucktafeln, einer Stahlstichtafel, drei Holzschnitten und sechs Messingschnitten.
Mit angehängtem Jahresberichte.

Auf Kosten des Vereins.

Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung (Didier Otto).

Schwerin, 1858.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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Inhaltsanzeige.


A. Jahrbücher für Geschichte.

Seite
I. Der heilige Erpho von Meklenburg, Bischof zu Münster, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 1
II. Ueber des Wendenfürsten Prizlav Söhne Kanut und Waldemar, von demselben 14
III. Ueber den Gau Chotibanz und den Ort Chutun, von demselben 22
IV. Katharina Hahn, Gemahlin des Herzogs Ulrich, Prinzen von Dänemark,, von demselben 33
V. Ueber die Familien von Platen und die Familie Bevernest, von demselben 41
VI. Genealogische und chronologische Forschungen zur Geschichte der meklenburgischen Fürstenhäuser, von demselben 57
VII. Des Herzogs Johann Albrecht I. Verzeichniß der Landesschulden im Jahre 1553, von demselben 79
VIII. Ueber den lübecker Martensmann, von demselben 81
Nachtrag vom Professor Dr. Deecke zu Lübeck S. 173.
IX. Tagebuch über den Reichstag zu Regensburg 1532, von demselben 91
X. Ueber die meklenburgischen Formschneider des 16. Jahrhunderts von Wiechmann=Kadow 101
Mit sechs Messingschnitten.
XI. Ueber den im 16. Jahrhundert in Meklenburg gebräuchlichen Cisiojanus, von demselben 125
XII. Ueber alte niederdeutsche Andachtsbücher, von C. D. W. und von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 128
XIII. Ueber das plattdeutsche Wörterbuch, von N. Chytraeus, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 139
XIV. Miscellen und Nachträge 143
XV. Urkunden=Sammlung 177
Mit zwei Steindrucktafeln.
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B. Jahrbücher für Alterthumskunde.

Seite
I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne 271
1. Vorchristliche Zeit. 273
a. Zeit der Hühnengräber 273
b. Zeit der Kegelgräber 279
Kegelgrab von Dabel, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 279
Mit drei Holzschnitten.
c. Zeit der Wendengräber 286
2. Alterthümer des christlichen Mittelalters und der neuern Zeit 289
II. Zur Baukunde 300
1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit 300
Ueber die wendische Burg Lübchin 300
2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters 308
a. Weltliche Bauwerke 308
b. Kirchliche Bauwerke 310
Ueber die romanischen Feldsteinkirchen im östlichen Meklenburg, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 310
Ueber die Kirchen zu Lübchin, Semlow, Sanitz, Marlow u. s. w., von demselben 315
Ueber die Grabplatten von Ziegeln in der Klosterkirche zu Doberan, von dem Geheimen=Regierungs=Rath v. Quast und dem Archiv=Rath Dr. Lisch 334
Mit einer Stahlstichtafel.
Ueber drei Denksteine in der Gegend von Wismar, von C. D. W. 350
III. Zur Münzkunde 358
Ueber den Münzfund von Boek, von dem Pastor Masch zu Demern 358
IV. Zur Kunstgeschichte 364
Ueber den Hochaltar in der S. Georgen=Kirche zu Parchim, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 364
Ueber das Amt und Wappen der Glaser und Maler und das Künstlerwappen, von demselben 377

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Inhalt:

A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Der heilige Erpho von Meklenburg,

Bischof zu Münster,

von

G. C. F. Lisch.


V or dem S. Mauritii=Thore der Stadt Münster, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, steht im freien Felde die alte, ehrwürdige Kirche zum H. Mauritius, und neben derselben jetzt ein Kloster zum guten Hirten für die barmherzigen Schwestern mit einem Kranken= und Waisenhause. Ich war nicht wenig überrascht, als ich an einem frühen Herbstmorgen 1854 in der westlichen Kapelle der Kirche eine Verehrung fand, die offenbar einen besondern Heiligen galt, und als ich auf einem erhöheten Grabdenkmale in der Mitte der Kapelle das meklenburgische Wappen sah und in lateinischer Sprache die Worte las:

Der Heilige Erpho von Meklenburg.

Wenn ich auch aus Rudloff's meklenburgischer Geschichte den münsterschen Bischof Erpho dem Namen nach kannte, so war mir doch seine Bedeutsamkeit in der katholischen Kirche völlig unbekannt und Veranlassung genug, möglichst genaue Forschungen anzustellen. Die jetzt in kritischen Ausgaben eröffneten Geschichtsquellen des Bisthums Münster leiten auf sichern Wegen zum Ziele.

Erpho war der 17. Bischof von Münster, welcher 1085 bis 1097 auf dem bischöflichen Stuhle saß, der Nachfolger und Neffe des Bischofs Friedrich I., eines Markgrafen von Meißen aus dem Hause Wettin. 1 )


1) Vgl. Regesta Historiae Westfaliae von Dr. Erhard: Bd. I, S. 186, Nr. 1095; S. 201, Nr. 1215; S. 226, Nr. 1438.
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Der Hauptgegenstand der gegenwärtigen Untersuchung ist die Frage, woher man weiß, daß Erpho ein Meklenburger war.

Die schriftlichen Nachrichten sind nicht sehr alt: eine Hauptquelle ist die Ueberlieferung, welche den Bischof seit länger als 400 Jahren einen Meklenburger nennt.

Jedoch sind auch die geschriebenen Nachrichten nicht zu verachten, welche, wenn sie auch nicht sehr alt sind, doch gewiß aus alten Quellen fließen. Urkunden, welche die Herkunft Erpho's beweisen könnten, giebt es nicht. Die münsterschen Chroniken sind nicht sehr alt. "Bis auf das Jahr 1424 giebt es nur eine selbstständige münstersche Chronik des Bischofs Florenz von Wevelinghoven (1364-1379), der von unbekanten Händen die Leben der Bischöfe Potho, Heidenrich und Otto IV. zugesetzt wurden. Alle anderen münsterischen Chroniken sind bis zu jener Zeit nur Erweiterungen, Umarbeitungen oder Uebersetzungen dieser Chronik". In dieser Chronik (1364-1379) wird der Bischof Erpho ein Meklenburger und ein Neffe seines Vorgängers Friedrich genannt. Die in neuern Zeiten von Dr. Julius Ficker herausgegebene Chronik 1 ) sagt:

"XVII. Erpo, natus de Mekelenborch, nepos Frederici. Hic dedit fratribus Romoldinchof, unde datur talentum et molles casei XIIII diebus. Et cum Odone episcopo Leodiensi et Godefrido duce de Bolyun et quam pluribus aliis ad predicacionem et adhortacionem pape Urbani secundi ultra mare transiit. Et Anthiochiam et Jherusalem ceperunt. Quibus tunc sanctus Turpinus, qui cum Karolo vivus fuit, in omnibus laboribus apparuit et se esse dixit et ipsos confortavit et exitum rei bonum predixit. Et mortuus ductus est ad sanctum Mauricium et ibidem cum nepote suo Frederico honorifice sepultus."
     Excellens merito vivat venerabilis Erpo.
     Mente pia Christe Rumoldinchof dedit iste.

Eine zweite Quelle ist das sogenannte "Rothe Buch (Liber rubeus) des Collegiatstifts S. Mauritz vor Münster, eine sehr reichhaltige Sammlung von Urkunden, Güterverzeichnissen u.s.w., eine Pergamenthandschrift um das Jahr 1492 von Bernhard Tegeler, Scholastor des genannten


1) "Geschichtsquellen des Bisthums Münster, herausgegeben von Dr. Julius Ficker, Bd. I, Münster, 1851, p. 17-18."
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Stifts, gefertigt". 1 ) Dieses nennt auch den Erpho einen Meklenburger, indem es sagt:

"Huic (Friderico) successit secundus collegii fundator, diuus Erpho, Magnopolensis, dicti Friderici cognatus, Hic suscepto crucis signo et secum Ludolphus tunc prepositus huius ecclesiae cum multis nobilibus et principibus, quorum duces et primicerii erant Hugo Magnus Philippi Francorum Regis frater et duo Roberti, quorum alter Normandiae, alter Flandriae comes, et item Godefridus, Eustachius et Balduinus cognomento Boliani, Galitiae comites, profecti sunt anno salutis 1084 in expeditionem Hierosolymitanam contra Turcas et Saracenas, vbi in sancta terra Ludolphus prepositus occisus est".

Aus den Urkunden und Chroniken des Bisthums Münster hat Albert Boichorst, Syndicus des Dom=Capitels und des Collegiat=Stiftes zu S. Mauritz, im J. 1649 eine Lebensbeschreibung des H. Erpho herausgegeben. 2 ) Daraus, daß Erpho ein Meklenburger und ein Neffe Friedrichs von Wettin genannt wird, so wie aus der Zeit, schließt Boichorst, daß Erpho ein Sohn des meklenburgischen Fürsten Buthue (1066 - 1074) gewesen sei und gewesen sein müsse, und bildet folgenden Stammbaum:

Stammbaum

1) Vgl. Regesta Historiae Westfaliae von Dr. Erhard, Bd. I., Münster, 1847, S. IX.
2) Vita s. Erphonis Mimigardefordensis, nunc Monasteriensis episcopi, ab Alberto Boichorst, J. U. D., capituli cathedralis ecclesiae Monasteriensis, necnon collegii s. Mauritti extra muros syndico. Monasteri Westphaliae, 1649, in 4to, 95. pag.
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Dieser Stammbaum hat viel Wahrscheinliches für sich, jedoch wird er sich in keinem Stücke urkundlich beweisen lassen. Diese Herstammung ist auch in die Gedächtnißtafel in der S. Mauritii=Kirche übergegangen.

Diesem münsterschen Geschichtsschreiber folgt Rudloff in seiner meklenburgischen Geschichte I, S. 62, wenn er sagt:

"Man hat ihm (Buthue) des H. Ordulfs Schwester Hildegard zur Gemahlin gegeben und von dieser ihm einen Sohn Erpho zugeeignet, der mit seiner Mutter in dem Schooße ihres väterlichen Hauses geflüchtet und nachher an ihres Mutterbruders Friedrichs Stelle, vielleicht auch durch dessen Beförderung, Bischof zu Münster geworden und nach seinem Tode unter die Heiligen aufgenommen ist".

Rudloff beruft sich nur auf das Buch des Boichorst 1 ) und nennt keine andere Quelle.

Wenn sich nun auch keine urkundliche Gewißheit über Erpho's Herkunft erlangen läßt, so läßt es sich doch beweisen, daß er im Bisthume Münster schon vor 500 Jahren, wie heute, für einen meklenburgischen Fürstensohn galt.

Es wird daher nicht unwillkommen sein, die Grundzüge seines Lebens, seiner Stiftungen und seines Begräbnisses hier mitzutheilen.

Erpho's Vorgänger und Oheim, Bischof Friedrich von Münster, gründete das Collegiat=Stift und die Kirche zu S. Mauritii vor Münster ("in suburbio") für zwölf Domherren. Die Thürme und der ältere Theil der Kirche, das jetzige Schiff, sind jetzt die ältesten Baudenkmäler Münster's. Bischof Friedrich starb am 18. April 1084 und ward in der S. Mauritii=Kirche begraben, in welcher ihm Gedächtnißfeiern gehalten wurden. Am 25. Mai 1576 öffnete man sein Grab und fand seine Gebeine, mit Kelch, Patene und Ring; es war die Inschrift: Frithericus episcopus, eingegraben.

Friedrichs Nachfolger war sein Neffe Erpho 2 ), welcher nach langer Sedisvacanz im J. 1085 den bischöflichen Sitz


1) Boichorst sagt pag. 18: "Ideo Butheo Obotritorum Wandaliae ducem principem Christianum s, Erphonis patrem fuisse, non levibus ad id permotus rationibus existimo matremque Hiltegardem, Saxoniae principem, Frederici Mimigardefordensis episcopi sororis Gertrudis, Ortholphi Saxoniae principis et dynastae Luneburgii uxoris, filiam, atque ita ejus proximam agnatum.
2) Der gleichzeitige, erste Abt Erpho (1074) von Siegburg kann, nach Mooyers Mittheilung, nicht dieselbe Person mit dem Bischofe Erpho sein, da der Abt Erpho am 3. Junii, der Bischof Erpho am 9. Nov. starb, die beiden Erpho also zwei verschiedene Personen sein müssen. (  ...  )
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einnahm 1 ). Seine erste Urkunde 2 ), über das Stift Freckenhorst, ist vom 30. Dec, 1085 datirt:

"Actum Mimigardeford in camera episcopi, anno dominice incarnationis millesimo octogesimo sexto, indictione VIIII a , III. kal. Januarii, anno vero ordinationis domni Erphonis episcopi primo".

Da er bei seiner Wahl zum Bischofe wenigstens 30 Jahre alt sein mußte, so muß er vor dem Jahre 1055 geboren sein.

Erpho nannte sich 1192 zuerst Bischof von Münster. Der alte Name der Stadt ist Mimigardeford. Auf seinem Siegel, auf welchem sein Brustbild dargestellt ist, 3 ) nennt er sich noch Bischof von Mimigardeford:

Siegelinschrift

Jedoch blieb der Name Mimigardeford noch längere Zeit im Gebrauche. Münzen sind vom Bischofe Erpho nicht bekannt, obgleich unter ihm zu Münster geprägt ward 4 ).

Der Bischof Erpho führte eine thätige, segensreiche Regierung. Besonders sorgte er für die Vollendung des von seinem Vorgänger gegründeten Collgiat=Stiftes S. Mauritii und wird daher als der "zweite Gründer" des Stiftes angesehen; dies wird in dem Rothen Buche 5 ) wiederholt anerkannt:

"Huic (Friderico) successit secundus collegii fundator et ampliator diuus Erpho Magnopolitanus, Friderici cognatus"

und

"Memoria beati Erphonis, huius sedis episcopi, qui fuit secundus ecclesiae nostrae fundator"

Im J. 1091 unternahm der Bischof Erpho eine Wallfahrt nach Jerusalem zum Heiligen Grabe. Seit dem Jahre 1000, "in welchem die abendländischen Christen vergeblich des Heilandes Wiederkunft erwartet hatten", ward das Wallfahrten nach dem Heiligen Grabe zur weit verbreiteten Sitte. 6 ) Und so kann es nicht auffallen, daß ein so thätiger


(  ...  ) Mooyer hatte früher gemutmaaßt, daß der Abt Erpho später Bischof von Münster geworden sei; vgl. Erhard und Gehrken Zeitschr. VII, S. 58; Erhard Regesta S. 202; Böhmer Fontes III, S. 359.
1) Vgl. Erhard Regesta a. a. O. I, S. 202, Nr. 1224, und Boichorst a. a. O. p. 79.
2) Vgl. Erhard Regesta, Codex dipl. I, p. 129, Nr. CLXIV.
3) Erpho's Siegel ist abgebildet in Erhard Regesta historiae Westfaliae T. I, Lithogr. Nr. 6.
4) Vergl. Grote's Münzstudien Nr. II, 1856, S. 177 flgd.
5) Vgl. Boichorst a. a. O. p. 45 und 51.
6) Vgl. Wilken Geschichte der Kreuzzüge, I, S. 32 flgd.
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und unternehmender Mann, wie Erpho, auch diese religiöse Pflicht zu erfüllen strebte. Nachdem er am 2. Nov. 1090 die nach einem Brande wiederhergestellte Domkirche zu Münster unter Beistand des Erzbischofs Hermann von Cölln und des Bischofs Heinrich von Lüttich neu eingeweihet hatte 1 ), trat er seine Wallfahrt am 12. Febr. 1091 an; er selbst giebt diesen Tag in einer Urkunde 2 ) an ("quo etiam die poenitentes in ecclesiam induxi, utpote insequenti die Hierosolymam iturus"). Sicher ist, daß ihn der Propst Ludolf von S. Mauritii begleitete. Wevelinghovens münstersche Chronik und das Rothe Buch von S. Mauritii geben ihm, nach den oben mitgetheilten Stellen, andere, vornehme Begleiter, namentlich die Herzoge Gottfried von Bouillon und Robert von der Normandie und den Grafen Robert von Flandern, und schreiben Ihnen die Eroberung von Jerusalem zu. Dies ist aber offenbar unrichtig und die Chroniken haben den ersten Kreuzzug in die Wallfahrt Erpho's hineingetragen. Auch war seit 1091 Otbert 3 ) Bischof von Lüttich und nicht Odo, der auch diese Wallfahrt mit Erpho mitgemacht haben soll. Peter von Amiens unternahm seine Wallfahrt erst in den Jahren 1093 und 1094, aus welcher der erste Kreuzzug im J. 1096 hervorging. Erpho erreichte glücklich sein Ziel. Aber sein Begleiter, der Propst Ludolf ward im Heiligen Lande erschlagen ("in sancta terra Ludolphus praepositus occisus es", nach dem Rothen Buche); der Gedächtnißtag des Propstes Ludolf ward in der Mauritii=Kirche am 8. Nov. gefeiert (nach dem Rothen Buche). Die Wallfahrt des Bischofs Erpho ward aber von großer Bedeutung, indem er auf seiner Rückreise zu Rom und sonst überall die Bedrückung der Christen im Heiligen Lande lebhaft geschildert und den ersten Anstoß zu den Kreuzzügen gegeben, oder dieselben doch vorbereitet haben soll. Am 4. Januar 1092 war er zu Mantua 4 ) bei dem Kaiser, wo er vergeblich versuchte, die Trennung Mährens von dem Bisthume Prag zu verhindern. Erpho kehrte glücklich nach Münster heim und brachte 27 Reliquien mit; auch ein seltenes, kunstreich gearbeitetes Kreuz, das er nach Jerusalem mitgenommen hatte, brachte er in die Mauritii=Kirche wieder zurück, wo es noch heute bewahrt und gezeigt wird.


1) Erhard Regesta p. 207, Nr. 1254.
2) Vgl. daselbst Nr. 1255.
3) Vgl. Dr. Ficker Anmerkungen zu Wevelinghoven's Chronik, S. 17 bis 18, nach welchen über eine Wallfahrt des Bischofs Otbert von Lüttich nichts bekannt ist.
4) Vgl. Erhard Regesta I, p. 207, Nr. 1259.
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Erpho starb am 9. Novbr. 1097 nach dem Rothen Buche und dem Todtenbuche des Mauritii=Stiftes. 1 )

"In festo Theodori martyris 9. Novemb. obiit Erpho, istius sedis, intelligo Mimigardefordensis, episcopus, nostrae ecclesiae fundator secundus, quatuor solidos de campo Richberti, nunc de domo subdiaconi, et peragetur ista memoria, vt in nota inferius signata."

und:

"Memoria beati Erphonis huius sedis episcopi, qui fuit secundus ecclesiae nostrae fundatur, peragetur circa festum b. Martini, cantabuntur vigiliae in capella ejusdem" etc.

Ebenso setzt das Nekrologium des Klosters Liesborn den Gedächtnißtag auf den 9. Nov. Das Nekrologium der Domkirche zu Münster setzt seine Gedächtnißfeier auf den 11. Nov. 2 ), das Nekrologium der Liebfrauenkirche in Ueberwasser Münster auf den 10. Nov.

Erpho ward neben der S. Mauritii=Kirche, dicht am Westende derselben, auf dem Kirchhofe begraben. Späterhin ward über seinem Grabe eine Kapelle gebauet und mit der Kirche verbunden. Diese Erpho=Kapelle stand schon im J. 1347. Am 4. Mai 1347 3 ) bestätigte das Mauritii=Capitel die Verbesserung des Lehns des Diakonats der Kirche, nachdem der Priester Gottfried, der Besitzer des Lehns, 2 Mark, und der münstersche Bürger Bruno von Calmere 52 münstersche Pfenninge Renten dazu geschenkt hatten, unter der Bedingung, daß in der Kapelle ein neuer Altar errichtet werde zu Ehren des heiligen Apostels Bartholomäus, der Heiligen Drei Könige und des heiligen Erpho Bischofs ("in honorem beati Bartholomaei apostoli et sanctorum Trium Regum et beati Erphonis episcopi") 4 ) Dieser Altar ward auch im J. 1347 errichtet; in dem Rothen Buche 5 ) heißt es:

"Anno domini 1347 erectum est altare in sacello diui Erphonis episcopi, fundatoris collegii nostri secundi, et consecratum in honorem beati


1) Vgl. Erhard Regesta, p. 210, Nr. 1279, und Boichorst p. 45 und 51.
2) Vgl. daselbst, S. 210, Nr. 1279.
3) In einem kleinen (authentischen) Buche: Merkwürdigkeiten der Stadt Münster, den Mitgliedern des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsforscher gewidmet. 1854", S. 22, wird die Erbauung der Erpho=Kapelle in das Jahr 1371 gesetzt.
4) Boichorst a. a. O. p. 75.
5) Vgl. Boichorst a. a. O. p. 76.
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Bartholomaei apostoli, sanctorum Trium Regum et Erphonis" etc.

Auf diese Weise kamen die beiden verwandten Bischöfe Friedrich und Erpho, Gründer des Mauritii=Stiftes, in derselben Kirche zu liegen.

Erpho ward nicht kanonisirt, d. h. nicht förmlich heilig gesprochen, aber von dem Volke seit Jahrhunderten als Heiliger verehrt, und die Kirche hat es unter den Augen eines Bischofs gerne zugelassen, ja durch die Bulle 1 ) des Papstes Urban VIII. vom 4. April 1625 gut geheißen. Sicher seit dieser Zeit wird er immer der heilige Erpho genannt und als solcher verehrt.

Im J. 1492 ward über seinem Grabe ein Denkmal errichtet. Aber (am 5. Januar) 1534 in der Nacht stürmten die Wiedertäufer die Kirche zu S. Mauritii und verwüsteten alles. Auch der Leichenstein des Bischofs Friedrich und das Grabdenkmal des Bischofs Erpho wurden zertrümmert. In der Erpho=Kapelle blieb nur ein Bruchstück eines alten Steines zu den Häupten des Grabes übrig mit den Inschriftworten: "Sanctus Erpho"; man sah hierin ein wunderbares Zeichen. Wenn auch nach dem Sturze des Wiedertäuferregiments die volle Ordnung wieder hergestellt ward, so ward doch erst im J. 1620 das Denkmal gesetzt, welches noch jetzt das Grab Erpho's ziert.

Die Erpho=Kapelle ist gegenwärtig also eingerichtet 2 ).

In der Mitte der Kapelle ist das Grab des H. Erpho.

Das im J. 1492 auf dem Grabe errichtete und 1534 von den Wiedertäufern zerstörte Denkmal hatte folgende von dem damaligen Propste Johann Edlen von Bronkhorst verfaßte Inschrift 3 ):

"Sanctus Erpho multis largitionibus in pauperes, religiosas virgines et ecclesiam affectus multisque virtutibus dum vixit praeclarus."

Das jetzt in der Kapelle auf dem Grabe Erpho's stehende, gut gearbeitete Denkmal ist im J. 1620 von dem Stifts=


1) Vgl. §. IV. "Declarans, quod per suprascripta praejudicare in aliquo non vult, neque intendit iis, qui per communem ecclesiae consensum vel immemorabilem temporis cursum aut per patrum virorumque sanctorum scripta vel longissimi temporis scientia ac tolerantia sedis apostolicae vel ordinarii coluntur." Vgl. Boichorst a. a. O. p. 13.
2) Von den folgenden Beschreibungen verdanke ich vieles der Theilnahme des Herrn Dom=Vikars Bahlmann zu Münster.
3) Vgl. Der Stadt Münster äußere Umgebung im Mittelalter, von Alb. Wilkens, Pfarrkaplan zu Nottuln, S. 13.
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scholasticus Jodocus von Werne († vor 1648) errichtet und aus seinem baumberger Sandstein (dem sogenannten "inländischen Marmor") verfertigt. Auf einer Tumba ruhet die volle, lebensgroße Gestalt des Bischofes, in bischöflichem Gewande, unter demselben mit einem reichen Harnische gerüstet, mit der Bischofsmütze auf dem Haupte und dem Bischofsstabe im rechten Arme, die Hände über der Brust gefalten, den rechten Fuß über den linken gelegt. Am Fußende steht der Name

S. ERPHO

Am Kopfende steht das Wappen: ein vierfach getheilter Schild, an der 1. und 4. Stelle ein rother Querbalken im goldenen Felde, das Wappenzeichen der Stadt Münster, an der 2. und 3. Stelle ein schwarzer Stierkopf mit goldener Krone im goldenen Felde wegen Meklenburg; hinter dem Schilde Bischofsstab und Schwert, über dem Schilde die Bischofsmütze. Auf dem Rande der Tumba steht in zwei Reihen folgende Inschrift:

IN HONOREM OMNIPOTENTIS │ DEI ET S. ERPHONIS, MEGOPOLITANAE FAMILIAE COMITIS, PRAESULIS MONASTERIENSIS AC 2DI HUIUS │ COLLEGII FUNDATORIS, CUIUS S│ACRUM CORPUS HIC REQUIESCIT, DE NOVO EREXIT ET PONI CURAVIT AO. MDCXX │ REVERENDUS AC NOBILIS DOMINUS JODOCUS │ A WERNE, HUIUS ECCLESIAE SCHOLASTICUS, MAUSOLEUM HOC, OLIM MAGNIFICE EXSCULPTUM, │ SED PER DIRAM ANABAPTIST │ARUM RABIEM ANTE HAC DIRUTUM. RENOVATUM ANNO MDCCLXIX Inschriftskreuz

Ueber der Pforte der Kapelle nach der Kirche steht auf einer großen Votivtafel von Holz folgende Inschrift:

                     D.O.M.
SANCTO ERPHONI EPISCOPO MONASTERIENSI
       SECUNDO HUIUS ECCLESIAE FUNDATORI. │ DER HEILIGER ERPHO VOM VATTER BUTHUE UNDT MUTTER HILDEGARDE AUS DEM HOHEN GE│SCHLECHTE MECKLENBURG GEBOREN IST NACH FRUHEZEITIGEM ABSTERBEN SEINER ELTERN │ VON SEINEM GROSSMÜTERLICHEN BRUDER FRIDERICO, 16 TEN BISCHOF DIESES HOCHSTIFFTS MÜN│STER UNDT 1 STEN FUNDATORE DIESER KIRCHEN UNDT CAPITULI, IN ALLEN GEISTLICHEN TUGENDTEN │ UNDT WISSENSCHAFFTEN SO ERZOGEN, DASS SELBER NACH DESSEN ABSTERBEN ANNO 1086 DES-│

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SEN SUCCESSOR MERITIRET. SELBER HAT VIELE KIRCHEN UNDT ALTÄREN IN DIESEN HOCHSTIFTT │ CONSECRIRET, DIESE KIRCHEN UNDT CAPITUL ALsO GLÜCKLICH REGIERET, DASS BEI SEINER REGIE│RUNG KEIN EINZIGE SECTA SELBIGES BEUNRUHIGET, NACHMAHLEN 1095 MIT DAMAHLIGEN PROBSTEN LU │ DOLPHO UNDT VIELEN ANDEREN BISCHÖFFEN NACH JERUSALEM, UM DAS HEILIGE GRAB VON DEN TÜR│KEN ZU EROBERN GEREISET, NACH GLÜCKLICHER EROBERUNG A° 1100 WIEDERUM DAHIE ANGELANGET, DEN │ PROBSTEN LUDOLPHUM ABER AUSGELASSEN, FOLGENTS DIESES STIFFT NOCH EINIGE JAHR GLÜCK│LICH REGIERET, GESTORBEN UNDT ALHIE BEGRABEN, AUCH DURCH GROSSE MIRACULN BERÜHMET WOR│DEN, DASS ÜBER DESSEN GRAB VOR MEHR ALS 300 JAHR DIESE CAPELL GEBAWET, ZU DESSEN GRAB SEHR │ VIELES OPFFER GEBRACHT UNDT DIE LEUTHE VON IHREN KRANKHEITEN BEFREIET WORDEN, ALSO DASS │ NICHT ZU ZWEIFFELN, DASS DURCH DESSEN VORBITT SEHR VIEL ZU ERHALTEN SEY UNDT DURCH EIN │ ANDÄCHTIGES GEBETT ANGERUFFEN WERDEN KÖNNE.
     OMNIBUS ASSISTENS SUCCURRE FIDELIBUS ERPHO
     ET DEFENDE TUUM SANCTE PATRONE GREGEM
TABULAM HANC ANNO MDCCXIII A LUBERTO DE TINNEN, ECCLESIAE HUIUS DECANO ET BENEFACTORE MUNIFICENTISSIMO, REDINTEGRATAM VETUSTATE CORROSAM CAPITULUM RENOVARI CURAVIT.
                     ANNO MDCCLIV.

Es leuchtet auf den ersten Blick ein, daß der Inhalt dieser Gedächtnißtafel aus neueren Schriften, namentlich aus Boichorst, zusammengetragen ist.

Im J. 1847 ist die ganze Erpho=Kapelle restaurirt und dabei zugleich auf die Votivtafel erneuert worden.

Der Bischof Erpho bleibt eine sehr merkwürdige und wichtige Erscheinung in der Geschichte, vorzüglich dadurch, dass er ohne Heiligsprechung seit uralter Zeit zu dem Rufe eines Heiligen gelangt ist, ohne Zweifel ein Beweis für seine

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vielen und großen Verdienste. Noch heute wandern viele Andächtige nach St. Mauritii hinaus, um an dem Grabe des heiligen Erpho ihre Andacht zu verrichten. Ueber die gegenwärtige Stimmung mögen folgende Worte aus dem Briefe eines münsterschen Domgeistlichen an mich reden: "Erpho ist nicht kanonisirt; aber selbst jetzt noch wird sein Name von Allen mit Ehrfurcht genannt, wenn er auch nicht mehr als Fürsprecher bei Gott dem Herrn angerufen wird. Ja, seine 1371 erbauete Kapelle bleibt stets ein Lieblingsplätzchen, besonders für alle die, welche gerne in der Stille sich der Andacht hingeben. Daß aber Jemand, wie Erpho, vom Volke als Heiliger verehrt wird, duldet die Kirche, ja sie sieht es sogar mit Wohlgefallen, wie wir ein Beispiel haben an der Johanna von Portugal, der man Kirchen, Kapellen und Altäre weihet".

 

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II.

Ueber

des Wendenkönigs Niklot Enkel

Kanut und Waldemar,

Prizlaus Söhne,

von

G. C. F. Lisch


Prizlav.

K önig Niklot von Wendenland hatte drei Söhne: Pribislav, Stammhalter des meklenburgischen Fürstenhauses, Wartislav und Prizlav. Ueber den Fürsten Prizlav schweigen die meklenburgischen Nachrichten gänzlich und er würde völlig unbekannt geblieben sein, wenn nicht dänische Chroniken und Urkunden über ihn berichteten. Die Nachrichten über Prizlav sind ziemlich vollständig enthalten in den Geschichtsbüchern des Saxo Grammaticus und in der Knytlingasaga, und es wäre wohl der Mühe werth, sein Leben zu beschreiben. In früheren Zeiten ist Prizlav vielfach mit seinem ältern Bruder Pribislav verwechselt und erst Rudloff (M. G. I, S. 125 und 139) hat den Prizlav scharf von seinem Bruder geschieden. In den neuesten Zeiten hat der Professor Werlauff zu Kopenhagen in der vortrefflichen Lebensbeschreibung der Königin Sophie von Dänemark, der Tochter des Herzogs Ulrich von Meklenburg=Güstrow, welche in deutscher Uebersetzung in unsern Jahrbüchern IX, S. 111 flgd. mitgetheilt ist, in der Einleitung auch die frühern Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem dänischen und meklenburgischen Regentenhause beleuchtet und a. a. O. S. 118 auch das Leben Prizlavs mit Berücksichtigung der Quellen zur Untersuchung gezogen.

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Prizlav hatte schon bei seines Vaters Lebzeiten die christliche Religion angenommen. Wegen dieses Schrittes soll er nach Saxo Gr. von seinem Vater verjagt, nach der Knytlingsaga soll er von den Dänen gefangen genommen sein. Er lebte seitdem in Dänemark und vermählte sich mit Katharina, einer Tochter des Knud Lavard, Herzogs von Südjütland und Königs der Wenden, des Vaters des Königs Waldemar I. von Dänemark. In Folge dieser Vermählung ward er von dem Könige Waldemar I. mit schönen Inseln des dänischen Reiches ("magna nobilium insularum pars") belehnt, namentlich mit Lolland, das späterhin im Besitze seines Sohnes erscheint, und vermuthlich mit Alsen. Er war in seinem Vaterlande im Gefolge Waldemars, als im J. 1160 mit Niklot und der Burg Werle das Heidenthum im Wendenlande fiel, und er sah vor der Burg Werle seines Vaters Haupt auf einer Stange stecken, als er den Bischof Absalon auf dessen Zuge durch Wendenland zum Herzoge Heinrich dem Löwen begleitete 1 ). Nach dem J. 1164 kommt Prizlav nicht wieder vor.

Prizlav hinterließ zwei Söhne. "Daß er auch Töchter sollte hinterlassen haben, beruht nur auf unbegründeten Vermuthungen 2 )". Den einen Sohn kennt schon Rudloff; der andere Sohn ist durch dänische Schriftsteller ans Licht gezogen, und Werlauff nennt ihn a. a. O. ausdrücklich.

Es kommt hier wesentlich darauf an, zu dem Besitze der ungetrübten Quellen zu gelangen, aus denen die spärlichen Nachrichten über das Leben der beiden Söhne Prizlavs fließen.

Kanut.

Der eine Sohn war Kanut, Herr von Lolland, und wird von Saxo Gr. wiederholt genannt. Dieser Kanut gründete auf dem östlichen Theile von Fünen eine Stadt, vermutlich Ryeborg, und vielleicht hat das nahe liegende Knudshovet von ihm den Namen.

Rudloff sagt in seiner M. G. I, S. 139, Not. o., daß die Universitäts=Bibliothek zu Upsala eine Urkunde von ihm aufbewahre, worin er am 20. Nov. 1183 der Kirche zu Odensee einen Theil seiner Erbschaft auf Alsen vermachte. Nach dieser Andeutung habe ich mich viele Jahre lang bemühet, eine Abschrift dieser Urkunde aus Upsala zu erlangen, jedoch blieben


1) Vgl. Knytlingasaga, in Uebersetzung in Baltischen Studien, I. S. 44 flgd.
2) Vgl. Werlauff a. a. O. S. 119.
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alle Bemühungen nach verschiedenen Seiten hin vergeblich. Als ich im J. 1851 den Ankauf der handschriftlichen Urkunden=Sammlung Rudloffs aus dessen Nachlasse für das großherzogliche Geheime und Haupt=Archiv zu Schwerin vermittelte, fand ich in derselben zwar die lange vergeblich gesuchte Abschrift der Urkunde, aber offenbar so lückenhaft und fehlerhaft, daß auf diese Abschrift nicht viel zu geben war. Kurz vorher hatte ich in den Urkunden=Regesten zur dänischen Geschichte 1 ), Bd. I, auch diese Urkunde aufgeführt und einige Stellen, wo sie gedruckt sein sollte, angegeben gefunden. Ich setzte daher meine Bemühungen in Dänemark fort und war endlich so glücklich, durch die unermüdliche Bereitwilligkeit und Thätigkeit meines Freundes, des Herrn Directors und Professors Dr. Paludan=Müller zu Nyköbing auf Falster, früher Professors in Odensee, eine sichere Abschrift von der getreuen und zuverlässigen Abschrift des dänischen Geschichtsforschers Langebek mit vielen andern willkommenen Mittheilungen und Aufklärungen aus dem Geheimen Archive zu Kopenhagen zu gewinnen.

Diese Urkunde 2 ) und deren Inhalt in die meklenburgische Geschichte einzuführen, ist der Hauptzweck der gegenwärtigen Zeilen. Diese Urkunde in ihrer Vollständigkeit hat Inhalt genug, um einen Blick in das Leben unsers Fürsten Kanut zu gönnen, einen festen Grund zu gewinnen und manche Dichtung älterer Geschichtsschreiber zu zerstören. Aus dieser Urkunde ergiebt sich Folgendes mit ziemlicher Gewißheit:

Der Fürst Kanut, "ein Sohn des Fürsten Prizlav", hatte sich, obgleich er nicht Mönch ward, der Geistlichkeit sehr ergeben, wie nicht allein aus dieser Urkunde hervorleuchtet, sondern auch aus den Briefen des Abtes Stephanus des Klosters zu S. Genovefa in Paris, in welchem sein Bruder Waldemar als Mönch starb, wie sich aus der folgenden Darstellung ergeben wird. Gegen das Ende seines Lebens hatte der Fürst Kanut sein Begräbniß in der Mönchskirche zum Heiligen Kanut zu Odensee, in welche dessen Gebeine nach seiner Heiligsprechung versetzt worden waren, erwählt; der Heilige Kanut war ein Großoheim der Gemahlin des Fürsten Kanut gewesen. Die Mönche des Klosters hatten ihn in die volle Brüderschaft ("Fraternität", plenariae fraternitatis suae collegium") ihres Klosters aufgenommen und ihm nach seinem Tode den Mitgenuß aller ihrer guten Werke verheißen, gleich als wenn er


1) Regesta diplomatica historiae Danicae. T. I. Havniae, 1843. p. 58. Nr. 346.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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ihr wahrer, eingekleideter Klosterbruder gewesen wäre ("velut pro suo proprio fratre loci professo"). Aus diesen Worten geht klar hervor, daß Kanut nicht in den eigentlichen Mönchsstand getreten war, sondern nur die "Fraternität" (Brüderschaft) des Klosters verliehen erhalten hatte, eine Begünstigung, die das ganze Mittelalter hindurch nicht selten war; aus den etwas gesuchten und bestimmten Ausdrücken der Urkunden kann man aber als wahrscheinlich annehmen, daß er sich gegen das Ende seines Lebens als "Conversbruder" in das Kloster begab, um in frommer Einsamkeit zu leben, ohne gerade in den Mönchsorden zu treten. Er hatte, als er in die Fraternität aufgenommen war, noch einen eigenen Capellan Heinrich, der auch sein Arzt war, und drei Stallmeister: Ubbo, Gottfried und Toke. Zur Wiedervergeltung vermachte Kanut der S. Kanutskirche am Tage des Heiligen Märtyrers und Königs Edmund (20. Nov.) 1183 zwei Hufen in Tandzleth auf der Insel Alsen und alle seine Besitzungen, welche er auf der Insel Alsen hatte, und der Bischof Simon von Odensee bestätigte diese Schenkung mit seinem Banne. Nach dem ganzen Ton der Urkunde war dieselbe unbezweifelt das Testament Kanuts. Daß Kanut aber noch in dem Jahre 1183 gestorben sei, läßt sich nicht bestimmen. So viel scheint aber aus der Urkunde hervorzugehen, daß er der letzte seines Hauses war und keine Kinder hinterließ, da in der ganzen Urkunde nicht von Angehörigen oder Erben die Rede ist, wie es sonst wohl in ähnlichen Vermächtnissen der Fall zu sein pflegt, sondern statt der Zustimmung seiner Erben der Bann des odenseer Bischofs Simon eintrat.

Daß der Fürst Kanut, welcher die Urkunde vom 20. Nov. 1183 ausstellte, sicher ein Sohn des wendischen Fürsten Prizlav war, wird nicht allein durch die Worte der Urkunde, sondern auch durch die Umschrift auf seinem Reitersiegel 1 ) bewiesen, welche lautete:

S, Canuti filii principis Prizlai.

Der Löwe auf dem Rücksiegel Kanuts soll wohl auf seine Herrschaft Laland zielen. So viel läßt sich aus der Urkunde herauslesen. Daher ist denn auch Alles unbegründet, was ältere Geschichtschreiber so bestimmt von dem Fürsten Kanut erzählen, z. B. was Pantoppidan in seiner Kirchen=Historie des Reichs Dänemark I, 1741, S. 459, aus der Urkunde herausbringt: "daß der Fürst Kanut am 20. Nov. 1183 in Gegenwart vieler vornehmer Herren mit gewöhnlichen Cere=


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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monien vom Bischofe Simon eingeweihet und aller weltlichen Hoheit entzogen sei, daß er aber nur wenige Zeit im Mönchsstande zugebracht und bereits bei Antretung desselben eine zehrende Krankheit am Halse gehabt habe und im Jahre 1183 gestorben sei". Auch Suhm in seiner Geschichte von Dänemark, VIII, S. 37, nimmt an, daß Kanut in dem Kloster zu Odensee "ohne Zweifel am selbigen Tage als Mönch eingekleidet und bald nachher an der Auszehrung gestorben sei".

Alle diese Erzählungen sind nur unbegründete Vermuthungen, welche in diese Urkunde hineingetragen sind, da keine andere Nachricht vorhanden ist. Wie lange Kanut noch gelebt habe, läßt sich nicht bestimmen.

Waldemar.

Durch die Forschung über das Leben des Fürsten Kanut, Prizlavs Sohn, ist auch ein zweiter Sohn Prizlavs mehr in den Vordergrund getreten, der Fürst Waldemar, welcher zwar dänischen Geschichtsforschern bekannt, in der meklenburgischen Geschichte aber bisher völlig unbekannt war. Die einzige Quelle sind zwei Briefe des Stephanus, Abtes des Klosters zu S. Genovefa in Paris, welcher selbst in Dänemark gewesen war und der im J. 1203 als Bischof von Tournay starb. Diese zuverlässigen, vom J. 1159 bis zum J. 1196 geschriebenen, leider nicht datirten Briefe 1 ) eines bewährten Mannes sind den neuern dänischen Geschäftsforschern bekannt geworden, weil die Sammlung viele Briefe des Abtes an andere dänische Personen enthält. Der eine Brief 2 ) ist an den "Edlen Kanut von Dänemark" (Canuto nobili viro de Dacia") geschrieben. Stephanus redet ihn an als einen, der königlichem Geschlechte entsprossen sei, und schreibt ihm: sein leiblicher Bruder ("frater carnalis") Waldemar, ein Jüngling von guten Anlagen, der dem königlichen Geschlechte ("regio generi") seines Bruders Ehre gemacht habe und in gesegnetem Andenken stehe, sei in dem Genovefa=Kloster in Paris gestorben und daselbst begraben, und sei der guten Werke, wie einer der Klosterbrüder, theilhaftig geworden.


1) Diese Briefe sind gedruckt in: "Epistolae Gerberti etc., postea Romani pontificis Silvestri secundi. Epistolae Stephaini, etc. s. Genouefae Parisiis abbatis, tandem Tornacensis episcopi, ab anno 1159 vsque ad 1196. Nunc primum in lucem editae Parisiis. M. DC, XI. In 4to. Epistola CLXIX et CLXX, paag. 646 et 647".
2) Vgl. Urkunden=Sammlung
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Zugleich bittet der Abt um milde Beiträge, da er die durch Kanuts heidnische Vorfahren eingeäscherte S. Genovefa=Kirche, in welcher Waldemar ruhe, zu restauriren und mit Blei zu decken beabsichtige.

Ein zweiter Brief 1 ) ist an den König Kanut von Dänemark gerichtet. In diesem Briefe schreibt der Abt Stephanus an den König, daß er nicht so unverschämt sein wolle, ihn um einen Beitrag zur Restaurirung der durch seine Vorfahren (die Normannen) zerstörten Genovefa=Kirche anzusprechen; er bitte ihn aber, seinen Verwandten ("consanguineum"), den Edlen Kanut ("nobilem virum Canutum"), zu erinnern, daß er seines Bruders Waldemar gedenken möge, der auf seinem Sterbebette Mönch ihres Klosters ("in beato fine suo canonicus noster factus") geworden, in ihrer Kirche begraben und der guten Werke des Klosters theilhaftig geworden sei, und ihn zu bewegen, daß er zum Seelenheile seines Bruders, der bei seinem Leben nichts von seinem Erbe genossen habe, der Noth der Kirche durch eine angemessene Gabe zu Hülfe kommen möge.

Zu derselben Zeit schrieb der Abt Stephan auch Briefe an den Erzbischof Absalon von Lund, an den Bischof Waldemar von Schleswig, an den Bischof Orm (Omerus) von Ripen, an den Abt Wilhelm von Eskelsöe, an Peter Sunesson mit derselben Bitte.

Es steht zur Frage, woher diese beiden Brüder Kanut und Waldemar stammen. Der scharfe dänische Kritiker Gram 2 ) vermuthet, diese Brüder seien bisher unbekannte Neffen des im J. 1157 zu Roskilde ermordeten Königs Kanut V. Magnussen gewesen. Suhm dagegen nimmt an, Waldemar sei der Bruder desjenigen Kanut, der in der Urkunde vom 20. Nov. 1183 als ein Sohn Prizlavs bezeichnet wird. Diese Ansicht ist von allen neuern dänischen Geschichtschreibern befolgt, und es steht der Annahme allerdings nichts im Wege; Stephanus nennt den Kanut einen "durchlauchtigen Mann und einen Edlen, der aus königlichem Geschlechte entsprossen und ein Verwandter des regierenden Königs Kanut sei". Dies Alles läßt sich ohne Zwang auf Söhne Prizlavs anwenden und hat wenigstens das für sich, daß der eine, Kanut,


1) Vgl. Urkunden=Sammlung
2) Vgl. Dänische Bibliothek oder Sammlung von alten und neuen gelehrten Sachen in Dänemark. Stück VII. Kopenhagen, 1745, daselbst: S. 439 - 518: Joh. Grammii Oratio de origine et statu rei literariae in Dania etc., anno 1745 publice recitata.
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urkundlich gesichert ist, während alle andern Annahmen rein erdacht sind. Daher werden denn auch die Brüder Kanut und Waldemar als Prizlavs Söhne angesehen; Werlauff a. a. O. nimmt dies ohne Bedenken an und die Regesten zur dänischen Geschichte (I, Nr. 353) fügen ausdrücklich zu dem Namen Kanut hinzu, daß er ein Sohn Prizlavs gewesen sei ("ad Canutum [Prislavi filium] epistola").

Da die nur in den Concepten erhaltenen Briefe nicht datirt sind, so ist über das Jahr ihrer Ausstellung mancherlei vermuthet. Suhm nimmt ohne Grund an, daß Prizlavs Sohn Kanut noch im Jahre 1183, dem Jahre der Ausstellung der Urkunde, gestorben sei und daß Stephanus, mit dem Tode dieses Fürsten unbekannt, den Brief an ihn mit den andern Briefen im J. 1184 geschrieben habe, nachdem er schon vorher vergeblich an ihn geschrieben haben müsse, weil er den König Kanut bittet, daß er es versuchen möge, das harte Herz seines Verwandten Kanut zu bewegen. Die dänischen Regesten (1843) setzen die Briefe nach Suhm auch in das Jahr 1184. Gram dagegen setzt die Briefe in das Jahr 1191 oder 1192 und nimmt an, daß Kanut, den er freilich nicht für Prizlavs Sohn hält, damals noch am Leben gewesen sei. Alles dies ist nur willkührlich angenommen und ohne Grund. Daß die Briefe ungefähr in jener Zeit geschrieben sein müssen, geht aus den übrigen Briefen an gleichzeitige Personen hervor. Da der dänische Prinz Waldemar im J. 1182 als erwählter Bischof von Schleswig aufgeführt wird und der König Kanut VI. am 12. Mai 1182 den Thron bestieg, so können die Briefe des Abtes Stephanus erst nach dem J. 1182 geschrieben sein. Da Waldemar 1191 oder 1192 zum Erzbischofe von Bremen und Peter im J. 1191 zum Bischofe von Roskilde erwählt ward, so müssen diese Briefe vor dem J. 1191 geschrieben sein. Es mag daher nicht weit von der Wahrheit liegen, daß die Briefe um das J. 1184 geschrieben wurden.

Es wird sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen lassen, das der Prinz Waldemar ein Bruder des "Durchlauchtigen und Edlen Kanut" und ein Sohn des wendischen Fürsten Prizlav gewesen sei, um so mehr, als in jener Zeit die königlicheWürde der Obotritenfürsten allgemein angenommen wird.


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Nach diesen und anderen Forschungen gestaltet sich die Genealogie und Chronologie der ältesten Glieder des meklenburgischen Fürstenhauses folgendermaßen:

Stammbaum
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III.

Ueber

Chotibanz und Chutun

von

G. C. F. Lisch.


Z u den merkwürdigsten Gegenden für die älteste Geschichte Meklenburgs gehört ohne Zweifel der Landstrich zwischen dem südlichen Ende des Tollense=Sees und der östlichsten Biegung des Müritz=Sees, oder vom Lieps=See bis zum Specker See und zum Düster=Wohld (silva tenebrosa), dort, wo die Ortschaften (Nemerow), Prilwitz, Hohen=Zieritz, Peccatel, Kostal (jetzt Adamsdorf), Kratzburg, Pieverstorf, Dambeck, Speck liegen, um die Quellen der Havel. Diese Gegend gehörte in alten Zeiten der mächtigen adeligen Familie von Peccatel, auf dem Schlosse und "Städtchen" Prilwitz gesessen, deren gewaltige Burgwälle noch heute Zeichen ihrer Macht sind; in einer Urkunde vom J. 1408 1 ) werden alle peccatelschen Hauptgüter aufgeführt: Prilwitz, Usadel, Blumenholz, Weisdin, Dolgen, Oldendorf, Hohen=Zieritz, Peccatel, Langhagen, Stribbow, Peutsch, Dambeck, Zahren, Lübchow, Liepen, Wustrow, Zippelow, Ziercke, zu denen gewiß noch viele dienst= und pachtpflichtige Bauerdörfer gehörten. Es ist gewiß nicht von ungefähr, daß diese Räume in den ältesten Urkunden genannt worden, wenn dies auch nur daher kommt, daß es als verwüstetes Land, vielleicht einst heidnisches Tempelland, verlassen war und der christlichen Geistlichkeit übergeben ward. Es ist dieses Land in neuern Zeiten auch viel besprochen. Aber so alt, bestimmt und ausführlich


1) Die Urkunde vom 6. April 1408 ist gedruckt in Lisch Maltzan. Urkunden, II, S. 476. flgd.
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auch die alten Nachrichten sind, so sind sie doch bisher ziemlich dunkel geblieben, weil es häufig an sichern Anhaltspunkten fehlte. Ich will es versuchen, durch Hülfe einiger glücklicher Entdeckungen diese Gegenden etwas mehr zu erhellen, und will wünschen, daß ich dadurch zu Forschungen an Ort und Stelle Veranlassung geben möge.

Die nächste Veranlassung zur Forschung geben die sogenannten Strelitzschen Haidedörfer bei Kratzburg. Am 6. Jan. 1257 verlieh 1 ) der Fürst Nicolaus I. von Werle dem Kloster Dargun diese Dörfer, namentlich Kratzburg (auch Werder genannt), Techentin, Blankenförde und Granzin, und beschrieb die Grenzen derselben genau. Diese Dörfer gingen im J. 1359 durch Verkauf von dem Kloster Dargun an die Johanniter=Comthurei Mirow über. Diese Beschreibung beginnt mit dem südlichen Theile der östlichen Grenzen dieser Dörfer:

die Grenzen beginnen in dem See, der Langhagen heißt, und steigen grade gegen Süden hinauf bei zwei bezeichneten Eichen vorbei zu einem Berge, auf welchem eine bezeichnete Eiche steht, von wo sie in grader Richtung durch ein großes Moor fortgehen bis zu einem See, welcher Techentin genannt wird.
("Incipiunt in stagno, quod Lanckauel dicitur, et ascendunt directe ad austrum perante duas quercus signatas ad montem vnum, in quo stat quercus signata, inde recto cursu procedunt per paludem magnam vsque ad stagnum, quod Thechentin vocatur, a quo stagno circumflectuntur per ascensum Hobole" etc.)

Diese Grenze ist völlig klar. - Der Name Lanckavel ist die beständige, alte, häufig vorkommende Namensform für die Güter, welche jetzt Langhagen genannt werden. - Der See Techentin führt jetzt nicht mehr diesen Namen; ohne Zweifel hatte er seine Benennung von dem Dorfe Techentin, welches dem Kloster Dargun im J. 1257 mit verliehen ward, jetzt aber auch nicht mehr steht und früh untergegangen sein muß, da gar keine bestimmte Nachricht darüber mehr vorhanden ist Nach der Verleihung gehörte das Dorf mit zu den Haidedörfern und lag auch innerhalb der geschlossenen Grenzen derselben. Nach dem Visitations=Protocolle der Kirche zu Blankenförde vom J. 1651 hatte damals diese Kirche:

"ein Stück Ackers im Techentin vorm Holze"


1) Vgl. die Urkunde in Jahrb. II, S. 285 flgd.
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und

"noch ein Stück Ackers im Techentinschen Felde."

Das Dorf Techentin lag also bei Blankenförde. Hiernach und nach der oben mitgetheilten Grenzbeschreibung kann der See Techentin kein anderer sein, als die nördliche Bucht des jetzt sogenannten Userinschen Sees. Die Comthurei Mirow behauptete im 16. Jahrh. wiederholt: der Techentin(=See) liege auf des Ordens Grund und Boden.

Dieser See und dessen nördliche Bucht hat sehr verschiedene Namen geführt. In den ältesten Zeiten hieß der ganze See: der See von Vielen. Im J. 1257 und späterhin hieß die nördliche Bucht der Techentiner=See. In jüngern Zeiten führte diese Bucht den Namen Krams=See; so steht auf der großen schmettauschen Charte von Mecklenburg=Schwerin, während auf der Charte von Meklenburg=Strelitz Krumme See steht. Den Namen Krams=See hatte diese Bucht von dem Dorfe Kramptz, welches ebenfalls untergegangen ist. In der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die adlige Familie von Bardenfleth, außer den Gütern Zahren, Gr.Vielen, Dambeck und Pieverstorf, auch noch "etliche Gerechtigkeit an der Feldmark Kramptze, die Gerechtigkeit zu Kratzburg und drei Drömt Mehl aus der Neuen Mühle". In der Mitte des 16. Jahrh. heißt es: "de wuste Feldmarke de Kramtze genometh sampt 1 gemekligen schonen Sze heft den Bardenuleten gehorth. Desse veltmarckede hebben de grantzinschen, de dalmestorper, de kratzeborger und de blankenuörder". Die beiden untergegangenen Dörfer Techentin und Kramptze lagen also wohl an dem westlichen Ufer der nördlichen Bucht des Userinschen Sees. - Der Userinsche See hat in neuern Zeiten seinen Namen von dem Dorfe Userin erhalten.

Von den weitern Grenzen der Haidedörfer kommen hier nur die nördlichen in Betracht. Nachdem die westlichen Grenzen bis zum Pagel=See ("stagnum Paule") beschrieben sind und gesagt ist, daß sie von hier grade gegen Norden gehen, heißt es weiter, daß sie (an der Nordseite der Haidedörfer) gehen:

"vsque ad quoddam stagnum, quod dicitur paruum Sciruene, a quo per ascensum parai montis recto tramite ante multas quercus signatas versus orientem veniunt ad quoddam stagnum, quod Cuthimershe nominatur; inde paruo interuallo procedunt ad quandam quercum, quae tres praecipuos habet ramos et inferius est exusta; inde flectuntur et currunt

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ad aliam quercum, vbi conterminantur campi illorum de Granzin et de Cutkune et de Dalmerstorpe, a qua procedentes vadunt directo cursu ad quendam valliculum, ubi concurrunt termini illorum de Dalmestorp et illorum de Chutune et de Dannenbeke; inde recto cursu tendunt ante multos valliculos pro terminis factos vsque ad quandam magnam crucem quatuor vicibus signatam; inde vadunt iterum ante tales valliculos et dirigunt gressum suum vsque ad Hobolam fluvium tenduntque per Hobolam ad castrum Zcarnitz, de quo videlicet castro vergunt ad vallem Liperi".

Dies heißt nach einer zugleich erläuternden Uebersetzung also:

(Die nördlichen Grenzen der Haidedörfer beginnen im Westen nicht weit östlich vom Specker=See) bei einem See, welcher der kleine Zilmann genannt wird, von welchem sie einen kleinen Berg hinauf in grader Richtung bei vielen bezeichneten Eichen vorbei gegen Osten gehen bis zu einem See, welcher der Cutuner See genannt wird; von hier gehen sie eine kurze Strecke weiter zu einer Eiche, welche drei große Zweige hat und unten ausgebrannt ist; von hier biegen sie sich und gehen zu einer andern Eiche, wo die Felder derer von Granzin und von Cutun und von Dalmerstorf grenzen, von welcher sie weiter grade aus zu einem kleinen Thale gehen, wo die Grenze derer von Dalmerstorf, von Cutun und von Dambeck zusammenstoßen; von dort gehen sie in grader Richtung bei vielen kleinen Thälern (Gräben), die zu Grenzen aufgeworfen sind, zu einem großen Kreuze, das an den vier Seiten bezeichnet ist; von hier gehen sie wieder bei solchen Gräben vorbei und lenken ihre Richtung bis zum Flusse Havel und gehen durch die Havel zur Burg Zcarnitz, von welcher sie zum Lieper=Thale gehen.

Darauf beginnt die Beschreibung der östlichen Grenzen gegen das Gut Liepen, in denen nur das Thal Margrevenbude in der Nähe des Käbelick=(Cobolc=)Sees einen auffallenden Namen hat.

Diese Gegend bedarf der Aufklärung, um einen sichern Grund für die folgenden Untersuchungen zu gewinnen. Der Anfangspunkt der Nordgrenzen ist sicher: der See Scirvene ist der See, welcher jetzt der Zilman=See heißt und

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östlich neben dem Specker See liegt; zur noch deutlichern Bestimmung wird gesagt, daß sich von hier die Grenzen gegen Osten wenden.

Die Hauptfrage bleibt nun die, wo der Ort Cutun gelegen habe. Nachdem der Zug der Grenzen mit Sicherheit erkannt ist, kann Cutun nur nördlich von Granzin gelegen haben. Es ist dann unzweifelhaft, daß der in der Urkunde unter zwei verschiedenen Formen vorkommende Name einen und denselben Ort bezeichne: die Formen Cutkune und Chutune sind Namen Eines Ortes, obgleich sie neben einander stehen und verschieden geschrieben sind. Dann liegen die Grenzen der hier aufgeführten Ortschaften ungefähr also:

Grenzen der Ortschaften

Nachdem diese Grenze ermittett ist, läßt sich denn auch der Cuthimershe genannte See feststellen. Dies ist ohne Zweifel der zu dem Orte Cutun gehörende See; der Name ist in Cuthimer=shê oder Cuthuner=shê, d. i. Cutuner See aufzulösen. Es ist möglich, daß in der Original=Urkunde auch cuthunershe steht, was durch Undeutlichkeit der Schrift wie cuthimershe erscheint. Jedoch ist diese verschiedene Lesart nicht von großer Wichtigkeit; der Cuthimer oder Cuthuner See ist der nicht weit östlich vom Zilman See in gleicher Richtung liegende Lange=See neben dem Gute Dambeck. Durch eine glückliche Entdeckung ist denn auh der Ort Cutun wieder gefunden, in der Feldmark des Dorfes Gottun neben Dambeck 1 ), welches schon im Mittelalter wüst ward. Die Güter Zahren und Dambeck mit Zubehörungen gehörten zu dem großen Besitze der Herren von Peccatel auf Prilwitz. Schon im J. 1408 stand der größere Theil dieser Güter den v. Bardenfleth zu Pfande 2 ), welche auch im Besitze derselben blieben. Im J. 1519 hatte Achim v. Bardenfleth, mit dem um 1548 das Geschlecht ausstarb,


1) In den Directorial=Vermessungs=Charten und Registern der Güter Dambeck und Piverstorf ist keine Spur von dem Namen des untergegangenen Dorfes Gottun zu finden.
2) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 47 flgd.
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die Güter an Henneke v. Holstein auf Ankershagen oder Wickenwerder verpfändet, bei dessen Familie sie auch zunächst nach dem Aussterben des Geschlechts v. Bardenfleth blieben. Diese Güter waren Zahren, Gr. Vielen halb, Dambeck, Pieverstorf 1 ) und die wüste Feldmark Gottun genannt 2 ). Als nach dem Aussterben des Geschlechts der Bardenfleth dessen ehemaliger Besitz bei dem Lehnhofe zur Untersuchung kam, wird gesagt, daß denselben gehört habe: Zahren, Gr. Vielen, Dambeck, Pieversdorf, die wüste Feldmark Goddun , das Gut zu Rutzenfelde, etliche Gerechtigkeit an der Feldmark Kramptze, die Gerechtigkeit zu Kratzeburg und drei Drömt Mehl aus der Neuen Mühle.

Es ist also außer Zweifel, daß der Ort Chutun oder Cutkun mit dem Cuthunersee die schon im 15. Jahrh. wüst liegende Feldmark Gottun war, welche zu Dambeck gehörte.

Nach dieser Ermittelung lassen sich die nördlichen Grenzen der Haidedörfer der Comthurei Mirow ganz klar bestimmen. Sie beginnen am Zilman=See (stagnum Sciruene), gehen von dort gegen Osten zu dem See, der Gottuner=See (Cuthimershe, jetzt Lange See) genannt wird, von diesem zu dem Punkte, wo die Grenzen von Granzin, Gottun und Dalmerstorf, und von dort zu dem Punkte, wo die Grenzen von Dalmerstorf, Gottun und Dambeck zusammenstoßen; von hier gehen sie zu einem großen Kreuze und nehmen ihre Richtung zum Havelflusse, d. h. dahin, wo die Havel aus dem dambecker See fließt, und durch die Havel bis zur Burg Zcarniz, von wo sie sich zum Lieper Thale wenden.

In dem letzten Theile dieser Beschreibung ist nur das große Kreuz, ungefähr südlich von dem Gute Dambeck, und die Burg Zcarniz merkwürdig. Die Burg Zcarnitz (d. i. wohl die schwarze oder dunkle Burg) lag ohne Zweifel südlich von Pieverstorf, ungefähr dort, wo auf der großen schmettauischen Charte ein großer Burgwall angedeutet zu sein scheint, in ziemlich grader Richtung zwischen Piverstorf und Kratzburg. Es ist die Frage, ob der Name Kratzburg nicht mit der Zcarnitz oder Zcarnburg im Zusammenhange steht. Das Dorf Kratzburg hieß im 13. Jahrh. Werder 3 ) und war sicher nur ein Bauerdorf zu einer Burg Kratzeburg;


1) Das Dorf Pyvesdorf wird auch schon 1273 genannt; vgl. Jahrb. III, S. 220.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Jahrb. II, S. 286.
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im Anfange des 14. Jahrh. hatte aber das Dorf den Namen Kratzeburg erhalten ("villa Werder, quae nunc Kraceborch nuncupatur" 1 ), nachdem wohl die Burg ihre Bedeutung verloren hatte. Die Namen: Zcarnitz, d. h. auf deutsch: schwarze oder dunkle Burg, Pyvestorf, Kratzeburg, Cutun und andere in dieser Gegend, so wie die Nähe des Gaues Turne, scheinen eine große Bedeutsamkeit in Beziehung auf die viel besprochene Lage von Rethra zu haben.


In naher Beziehung zu diesen merkwürdigen Oertlichkeiten steht die frühe Stiftung des Klosters Broda bei Neu=Brandenburg. Als am Einweihungstage der Kirche zu Havelberg, am 18. August 1179, das Kloster Broda gestiftet ward, schenkten die Fürsten von Pommern demselben einen ungeheuren Länderstrich, von welchem aber das Kloster, als es zu Bestande kam, nur den geringern Theil behielt. Das Kloster erhielt 2 ) zu seiner Stiftung zugesichert: 1) den Landstrich westlich von der Tollense von Calübbe bis Hohen=Zieritz und in diesem unter andern die Ortschaften Penzlin, zwei Dörfer (Gr. und Kl.) Vielen, Wustrow, Zieritz; 2) im Lande Raduir östlich von der Tollense den Landstrich von Podewahl bis zur Lieps und in diesem unter andern die Ortschaften Prilwitz, Nemerow und Stargard, - im Ganzen also die ganze Gegend weit rund um den Tollense=See, - und dazu 3) die Lieps.

"Lipiz cum omnibus uillis suis in stagnum Woblesko et sursum Havelam usque Chotibanz et desertas villas quae a Vilem inter fines Chotibanz, Lipiz et Hauelam iacent".
(Die Lieps mit allen ihren Dörfern bis zum Woblitz=See (stagnum Woblesko) und die Havel hinauf bis Chotibanz und die wüsten Dörfer, welche von Vielen zwischen Chotibanz, der Lieps und der Havel liegen.)

Diese Gegend, welche kurz nach Vollenduug der Kreuzzüge gegen die Wenden wüst lag, scheint jetzt ganz klar nachgewiesen werden zu können.

Die Lieps ist ohne Zweifel der noch jetzt sogenannte See südlich von der Tollense bei Prilwitz.

Der See Woblesko ist der noch jetzt sogenannte Woblitz= See bei Wesenberg.


1) Vgl. Jahrb. II, S. 284.
2) Vgl. Jahrb. III, S. 198 flgd.
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Chotibanz ist nach den obigen Ermittelungen ohne Zweifel bei Chutun oder Gottun bei Dambeck zu suchen. Vielleicht bezeichnet die Sylbe - banz: Gau oder Bezirk. So hieß auch bei Doberan ein Bezirk Cubanze, in welchem die Dörfer Diedrichshagen und Brunshaupten lagen.

Vilem oder Vielen muß ein anderes Vielen sein, als die Dörfer Gr. und Kl. Vielen bei Penzlin, welche schon in der ersten Gütergruppe westlich vom Tollense=See aufgeführt waren. Die Dörfer Userin, Quassow und Gor, welche östlich am Userinschen See liegen, gehörten in alten Zeiten dem pommerschen Kloster Stolpe, welches dieselben am 24. Febr. 1346 den Rittern von Dewitz zu Lehn gab 1 ) und dabei die Grenzen genau beschrieb; zu diesen Gütern gehörte auch der Userinsche See ("de gantze See tu Vylym") und die Mühle, und die Grenzen der Güter waren: der See zu Vylum, der die Havel durchfließt und eine Mühle treibt, die Havel niederwärts zu dem Bache, der aus dem Ziercker=See, (see tu Cyroch) kommt, den Bach aufwärts bis zu dem Ziercker=See, von hier in den Bruch bis zur Haide und von dort wieder bis an den genannten See von Vylum. Es ist also ganz klar, daß der jetzt sogenannte Userinsche See damals der See zu Vielen hieß und daß an demselben ohne Zweifel auch ein Dorf Vielen lag oder gelegen hatte. Klöden 2 ) meint, daß die Orte Vielen, Vilm, Viel(i)tz u.s.w., welche fast ganz auf Pommern und Meklenburg beschränkt bleiben, von der Vila oder Wyla, der slavischen Göttin der Unterwelt, den Namen haben.

Die Grenzen dieses dem Kloster Broda verliehenen Güterbezirkes lagen also zwischen den Endpunkten Lieps=See, Woblitz See, durch welchen die Havel strömt, und die Havel hinauf, und dem Bezirk Chotibanz oder Gottun bei Dambeck. Dies sind wesentlich die Gegenden der Dörfer Weisdin, Glambek, Ziercke und Prelank, der Raum der Städte Strelitz 3 ), die genannten spätern Stolpeschen Klosterdörfer Userin, Quaffow und Gor und die spätern Kloster=Dargunschen und darauf Comthurei=Mirowschen Dörfer Kratzeburg, Blankenförde (mit Techentin und Krampz), Granzin und Dalmerstorf.


1) Vgl. Jahrb. III, S. 234 und 150.
2) Vgl. Klöpden über die Götter des Wendenlandes, in den Märkischen Forschungen, Bd. III, S. 240.
3) Es könnte zur Berücksichtigung kommen, daß das Bisthum Havelberg, welches für das Kloster Broda mit der Zeit diesen ganzen Raum verlor, vielleicht zum Ersatz in der Stadt Strelitz ein Dom=Capitel erhalten hatte (vgl. Jahrb. VI, S. 186), dessen Geschichte jedoch noch dunkel ist.
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Das Kloster Broda erhielt also geschenkt diesen Raum, welcher die Lieps genannt ward, mit allen Dörfern zwischen Lieps, Woblitz und Chotibanz, und besonders zugesichert noch die wüsten Dörfer zwischen Vielen und der Havel und Lieps und Chotibanz. Dieser zweite Bezirk ist kein neuer Bezirk, sondern nur die westliche Hälfte des im algemeinen schon zugesicherten Bezirks, in welchem die Dörfer wüst lagen, während es scheint, daß in dem östlichen Theile die Dörfer der Lieps schon oder noch besetzt waren.

Hier ist der Ort oder Bezirk Chotibanz von Wichtigkeit. Da er von den Seen Woblitz und Vielen die Havel aufwärts am Ende lag, so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß er in oder bei Cutun oder Gottun in der Nähe von Dambeck lag, und wir gelangen hier wieder in jene Gegend, welche sich als besonders merkwürdig zeigt.

Es leidet kein Bedenken, daß die Wörter Chut-un und Chot - i - banz dieselbe Sprachwurzel Chut- haben. Der Name ist schon in den Jahrbüchern III, S. 18 - 19, zur Untersuchung gezogen. Der Wortstamm kommt in slavischen Namen öfter vor, z. B. Chotibuz, Chotimir, Chotibor. Der slavische Forscher Hanka erklärt den Namen Chotibanz so, daß Choti: Braut, heiße und -banz von buditi: wecken, herkomme. Chotibanz würde polnisch Chocibacdz heißen und dasselbe Wort mit Chotibuz = Kotbus sein. Ich füge hinzu, daß von der einen Seite die Namen Godebuz (Gadebusch) und Goderac oder Gudracco (Godehardsdorf, jetzt Goorstorf), von der andern Seite Kutsin (Quetzin bei Plau) und Kutsin (später Sonnenkamp und Neukloster) vielleicht dieselbe Sprachwurzel haben und mache darauf aufmerksam, daß alle diese Orte wendische Fürftenburgen oder Tempelorte waren. Vielleicht ist Gotebant (jetzt Gädebehn) dasselbe Wort Chotibanz. Nach Kosegarten (Codex Pom. I, S. 870) ist das polnische gody und das bömische hody = Fest, Feierlichkeit; die oft vorkommende Sylbe -bant aber ist wohl das Wort bud, welches im Altböhmischen und Polnischen = Wohnuug bedeutet. Gotebant oder Chotibanz, Chotibuz, Godebuz wäre also = Festwohnung, eine Bedeutung, welche zu der Berühmtheit der Orte dieses Namens trefflich paßt (Vgl. Kosegarten a.a. O. I, S. 254).

Noch wichtiger wird aber diese Gegend durch den Ort "Kuhstal", welcher in der Nordgrenze des Lieps=Bezirkes, zwischen Prilwitz und Hohen=Zieritz von der einen und Kratzburg und Chutun von der andern Seite lag. Das Dorf

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"Kostal" 1 ) wird in alten Zeiten wenig genannt, da es früh verwüstet ward und noch während des 15. Jahrhunderts wüst lag. Merkwürdiger Weise gehörte dieses Dorf, obgleich mitten unter Lehngütern gelegen, den Landesherren; am 9. Junii 1460 verpfändete der letzte Herzog von Meklenburg=Stargard dem Henneke von Holstein auf Ankershagen die eine Hälfte des wüsten Dorfes "Kostall" 2 ) und darauf verpfändeten die Herzoge Heinrich (vor 1466) und Ulrich (vor 1471) von Stargard den von Peccatel die andere Hälfte, worauf nach dem Aussterben der herzoglichen Linie Meklenburg=Stargard der Herzog Heinrich der Dicke von Meklenburg=Schwerin zwischen 1471 und 1477 dem Claus v. Peccatel auf Gr. Vielen die andere Hälfte der wüsten Feldmark "Kostal" mit 6 freien Hufen für eine neue Anleihe von 100 Mark aufs neue verpfändete 3 ) und sich ausdrücklich den eigenen Gebrauch nach der Wiedereinlösung vorbehielt und allen benachbarten Vasallengeschlechtern die Auskaufung der v. Peccatel versagte. Nun ist Kostal oder Kostel, wie Masch das Dorf nennt, ein allgemein bekanntes slavisches Wort und bedeutet in der häufig in slavischen Ländern vorkommenden Form: Kostel = Kirche, Tempel 4 ). Nach den Mittheilungen zweier Besitzer 5 ) des Gutes Kostel liegt bei demselben ein großer Steinwall von fast einer Viertel Meile Länge, in deffen Nähe ein heidnischer und ein christlicher Kirchhof und viele heidnische Gräber liegen. Das Gut ist in neuern Zeiten wieder aufgebaut und in den neuesten Zeiten Adamsdorf genannt worden, vielleicht weil der Name Kuhstall, plattdeutsch Kohstall, etwas unästhetisch klang.

In der Maschschen Familie hat sich ohne weitere Veranlassung die Tradition fortgepflanzt, daß das Gut Kustal oder Kostel früher Koschwanz geheißen habe 6 ); dieser Ausdruck könnte eine gewöhnliche deutsche Verdrehung des Wortes Cotibanz oder Coscibanz sein. Vielleicht stehen mit diesem Namen auch noch der Kuck us berg und das Kud as bruch


1) In dem Dorfe Gr. Vielen gab es eine Bauernfamilie Costal, z. B. im J. 1480 einen Bauern Costal (nach einer Urkunde im pommerschen Archive zu Stettin).
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Urkunden=Sammlung.
4) Vgl. Jahrb. VI, S. 183, und III, S. 19, Note, und Kl. Buttmann über die deutschen Ortsnamen in der Mittelmark und Niederlausitz 1856, im Register, S. 176 und S. 132.
5) Vgl. Jahrb. III, S. 19, Note.
6) Vgl. Jahrb. III, S. 18.
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in Verbindung, welche auf der schmettauischen Charte verzeichnet sind.

Ob der Name des nicht weit davon liegenden, nördlich von Kratzburg und an den Burgwall Zcarnitz grenzenden Gutes Pieverstorf, welches schon im J. 1273 unter dem Namen Pywesdorp vorkommt 1 ), und der Name des nördlich an Pieverstorf grenzenden Dorfes Freidorf, ebenfalls schon im J. 1230, sicher im J. 1273 Vridorp, jetzt Bornhof, genannt, auf welchem in alter Zeit der Ursprung der Havel angenommen ward 2 ), mit der geschichtlichen Bedeutung dieser Gegend in Verbindung stehen, ist noch nicht zu ermessen.

Vignette

1) Vgl. Jahrb. III, S. 219 - 220.
2) Vgl. Jahrb. III, S. 149, 207 und 220.
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IV.

Katharina Hahn,

Gemahlin

des Herzogs Ulrich, Prinzen von Dänemark,

Administrators des Bisthums Schwerin,

von

G. C. F. Lisch


D er dänische Prinz Ulrich, Herzog zu Schleswig=Holstein, war ein Sohn des Königs Friedrich II. und der schönen, klugen und guten Sophie 1 ), des wackern Herzogs Ulrich von Meklenburg=Güstrow einzigen Tochter und Kindes. Nach seines mütterlichen Großvaters Ulrich von Güstrow Tode († 14, März 1603) ward der junge Prinz in seinem 25. Lebensjahre Administrator des Bisthums Schwerin, als solcher in Meklenburg unter dem Namen Ulrich II. und nahm seine Residenz in der schwerinschen Stiftsstadt Bützow. Er starb am 27. März 1624 auf seinem nahe bei Bützow gelegenen Landsitze und "Hoflager" zu Kühn 2 ), einem ehemaligen Nonnenkloster; seine Leiche ward am 24, Mai 1624 in der Stiftskirche zu Bützow beigesetzt 3 ), aber im J. 1642 in die Domkirche zu Roeskilde auf Seeland versetzt 4 ).


1) Vgl. Sophia von Meklenburg, Königin von Dänemark etc. . von Dr. Werlauff, aus dem Dänischen übersetzt von A.G. Masch, in den Jahrb. IX, S. 111 flgd. und 131 flgd.
2) Nach den bei seinem Begräbnisse erschienenen Leichenreden und Hederichs Schwerinscher Chronik, Fortsetzung, S. 125.
3) Nach den bei seinem Begränisse erschienenen Leichenreden und Hederichs Schwerinscher Chronik, Fortsetzung, S. 125. - Mantzel berichtet in den "Bützowschen Ruhestunden" Th. XI, 1764, S. 56, daß an der Kirche zu Bützow eine "dänische Kapelle am Thurme südostwärts stand, zu welcher von der Kirche her ein Eingang war. Die ausgemauerte Gruft haben noch jetzt lebende Männer gesehen". Im J. 1764 war das Begräbiß nicht mehr zu erkennen und die "Kapelle bis auf Ruinen verfallen".
4) In Hederichs Schwerinscher Chronik, Fortsetzung, S. 125, wird berichtet, daß der "verblichene Körper zu Bützow in der Capellen beige= (  ...  )
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Von seinem Wirken und häuslichen Leben ist bis jetzt noch sehr wenig bekannt geworden. Er ward mit Sorgfalt erzogen. "Er ward schon in seiner Kindheit wegen seines guten Kopfes und seines vortrefflichen Gedächtnisses gelobt. Als jüngerer Prinz mit ferneren Aussichten zum Throne, aber mit früher Hoffnung auf ein auswärtiges Bisthum, welches er auch erhielt, scheint er späterhin durch Studiren, Reisen und Aufenthalt auf fremden Universitäten sich eine ungewöhnliche Bildung erworben zu haben." 1 ) Aus den auf ihn gehaltenen Leichenreden und seinem ganzen Leben zu schließen war er ein friedlicher Herr.

Nach den bisherigen geschichtlichen Ueberlieferungen und Stammtafeln war er nie vermählt. Nach einer im gräflich Hahnschen Archive aufbewahrten unverbürgten Nachricht 2 )soll er mit Katharine Hahn von Hinrichshagen vermählt gewesen sein und diese nach des Herzogs Ulrich Tode den Obristen v. Nidrum wieder geheirathet haben. Die Wahrheit dieser Vermählung ließ sich aus mehreren Gründen wahrscheinlich machen, jedoch durch keine Urkunde oder andere sichere Nachricht beweisen, so weit auch die Forschungen reichten. Katharine Hahn war die älteste Tochter des Otto II. Hahn auf Hinrichshagen und der Brigitte von Trotha von Krosigk und Wettin, welche nach ihres ersten Gemahls frühem Tode sich im J. 1598 mit dem Erblandmarschall Henneke von Lützow auf Eikhof wieder vermählte. Die ganze hahn=hinrichshäger Linie ist in vieler Hinsicht sehr merkwürdig. Katharinens Bruder Christoph ward während des dreißigjährigen Krieges im J. 1635 bei Vertheidignng seines Gutes Hinrichshagen erschossen und das Gut völlig verwüstet, worauf es durch Concurs von der Linie kam. Christophs Wittwe ward mit ihren Kindern im höchsten Elend flüchtig; ihr Sohn ward der


(  ...  ) setztet, biß Anno 1642 König Christian IV. denselben zu Wasser nach Rohtschild abholen und in die Königl. Begräbniß versetzen lassen". - Vgl. Königsfeld Genealogisk-historiske Tabeller over de nordiske Rigers Kongeslaegter. Kiöbenhavn, 1856, p. 54, Not. 233, wo berichtet wird, daß die Leichte im Dome zu Roeskilde in der von Christian IV. erbaueten Kapelle, welche vor Kurzem fertig geworden, beigesetzt worden sei. Vgl. Behrmann Grundriß til Roeskilde Domkirkes, Kiöbenhavn, 1815, pag. 96, in Uebersetzung: "In der dritten Gruft (im Dome zu Roeskilde) stehen 13 königliche Prinzen und Prinzessinnen, Kinder von Christian III, Friedrich II, Christian IV. und Christian V. Vorne steht Prinz Ulrich ein Sohn Friedrichs II, welcher Bischof zu Bützow in Meklenburg war, geb 1578, gest. 1624. Sein Sarg ist von Zinn".
1) Vgl. Werlauff a. a. O. in Jahrb. IX, S. 149.
2) Vgl. Lisch Geschichte und Urkunden des Geschlechts Hahn, III, S. 279.
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viel besprochene dänische Oberjägermeister Vincenz Joachim Hahn. Die hauptsächlichsten Begebenheiten dieser Linie ergeben sich schon aus dem folgenden abgekürzten Stammbaum.

Stammbaum

Es ist mir endlich gelungen, zuverlässige Nachrichten zu entdecken, aus denen klar hervorgeht, daß Katharine Hahn wirklich die eheliche Gemahlin 1 ) des Herzogs Ulrich gewesen ist. Der Herzog hatte ihr zum Wittwensitze das Gut Zibühl gekauft und geschenkt. Als nach des Herzogs Tode


1) Eine ähnliche Ehe ungefähr zu jener Zeit ist die weltbekannte Ehe zwischen dem Erzherzoge Ferdinand von Oesterreich († 1595) und der Philippine Welser (1550 † 1580)
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der dänische Hof ihr das Gut streitig machen wollte, erhob sie bei dem herzoglich meklenburg=wallensteinschen Hof= und Landgericht Klage: und diese authentischen Acten eines strengen und ausgezeichneten Obergerichtes enthalten die Beweise der wirklichen Ehe.

Wann Katharine Hahn mit dem Herzooge Ulrich vermählt worden sei, läßt sich nicht nachweisen. So viel ist aber gewiß, daß der Herzog ihr bei der Vermählung 30,000 Reichsthaler, unter Ratification des Königs Christian IV. von Dänemark, verschrieb und ihr später noch das Gut Zibühl schenkte, welches der Herzog für 17,000 Reichsthaler gekauft hatte, wozu aber ihre Ehegelder des Betrages vom 5000 Gulden mit verwandt waren.

Das Verhältniß wegen des Gutes Zibühl gestaltete sich nun folgendermaßen. Nach der eidlichen Aussage des Johann Reimar v. Vieregge, Landmarschalls des Stifts Schwerin, hatte dessen Schwiegervater Dietrich Maltzan auf Trechow das Gut Zibühl von Jürgen Magnus von Bülow gekauft und schon über 4000 Gulden darauf ausgezahlt. Gleich darauf hatte der Herzog Ulrich den Marschall von Vieregge zu sich kommen lassen, um ihn zu ersuchen, daß er seinen Schwiegervater bereden möge, ihm das Gut zu überlassen, da er es "seiner Kätchen zu Gute für einen Todesfall" kaufen wolle; die übrigen v. Bülow würden dem Dietrich Maltzan das Gut nicht lassen, ihm, dem Herzoge, sollten sie es aber wohl lassen. Der ehemalige schwerinsche Stiftscanzler Dr. Heinrich Stalmeister sagte auch dasselbe eidlich aus, mit dem Hinzufügen, daß der Herzog Ulrich das Gut Zibühl im J. 1621 von Jürgen Magnus v. Bülow gekauft und 1622 bezahlt habe. - Ueber die Zeit der Vermählung sagen diese Acten nichts.

Ueber die Vermählung mit dem Herzoge Ulrich sagt Katharine Hahn selbst in ihrer Klage vom 16. Decbr. 1628 vor dem Hof= und Land=Gerichte wörtlich folgendes:

"E. F. G. bericht in aller demueth ich gehorsambst, waßmaßen weilandt Herren Ulrichen, Erbe zu Norwegen, Herzogk zu Schleßwigk unnd Holstein, fürstliche Gnade Christmilder gedechtnus mir bey unserm Ehegelubd 30,000 Reichsthaler, nach seinem tödtlichen Hintritt Erblich zu behalten, mit ratification der Königl. Maytt. zue Dennemarck, Ihres Herren Brudern, verschrieben, auch hernacher mich mit einem adelichen von einem Bulowen im Stifft Schwerin vmb 17,000 Reichsthaler (wotzue den meine ehegelder als 5000 fl. zugleich

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angewandt) erkaufften guete Ziebuehl genannt erblich begabet, vnd aber nach erfolgeten todtlichen abgange hochgedachte I. F. G. meines Hochgeliebten Herren Sehl. mir so weinig die verschriebene 30,000 Reichsthaler von der fraw Mutter, der alten Königin, vngeachtet Ihr. Königl. Maytt. selbsten deßwegen bei deroselben fur mich intercedirett, gefolgett werden wolen, alß man mich in besitz des mir vermachten Guetes Ziebühl, woran ich dan auch ratione illatae dotis ein ansenliches interesse, gelaßen, sondern deßen zue aller vngebuer endtsetzett vnnd solches mir biß dato fürenthalten worden".

Aber nicht allein Katharine Hahn erklärte sich öffentlich für die Ehefrau des Herzogs Ulrich, sondern auch das Hof= und Land=Gericht, ohne Zweifel wohl und sicher unterrichtet, erkannte sie als solche an. In den Frage=Artikeln, welche dieses höchste Gericht den Zeugen stellte, heißt es:

"3. Ob nicht ein gemeiner beruff dero Zeit, wie hernach, gewesen vnnd annoch bei den Mehren, die sich so weit erinnern, ist vnnd plaibett, das geregtes Guet für I. F. G. dahmaln Ehegemahlinen Fraw Catharinen geborn von Hahuen von Hochgedachte I. F. G. zum besten erkaufft vnnd von I. F. G. dieselben eigenthumlichen zugeeigenet worden".

So bekannte auch der herzoglich=güstrowsche Leibarzt Dr. Joh. Krull zu Güstrow, welcher dem Herzoge auch auf seinem Sterbebette beistand, daß der

"Hertzogk Ulrich das Guet Ziebuhl darvmb an sich gekauft, selbiges seiner Fraweu, also er sie zu nennen pflach, Catharinen Hahnen anstaedt der Ihr sonsten auf S. f. g. Todesfall zugeeigneten dreißigk tausendt Reichsthaler zu vermachen".

Endlich ist es keinem Zweifel unterworfen, daß dieWitthumsverschreibung für Katharine Hahn von dem Könige von Dänemark anerkannt worden sei. Der Dr. Heinrich Stalmeister, ehemaliger Canzler des Stifts und des Herzogs, also ein ganz sicherer Zeuge, sagt aus:

"Das I. F. G. frawen Catharinen Hahnen dreißigk Tausendt Reichsthaler mit Consens Ihrer Königl. Maytt. zu Dennemarcken vermacht vnnd Ihr darvbor ein versiegelter brieff gegeben worden",

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"das er das gemeltes originall in seinen handen gehabtt vnd gesehen, das es von Ihrer Maytt. zu Dennemarcken mit Dero Königlichen handt wehre unterschrieben unnd confirmirett geweßen".

Auch Katharinens Mutter sagte aus,

"daß ihre Tochter ihr den Brief auf die 30,000 "Reichsthaler, wie er vollzogen gewesen, gezeiget und daß sie denselben in Händen gehabt habe".

Auch der Dr. juris Thomas Lindeman zu Rostock sagte aus, "das er eß sowol von den Furstl. Mecklenb. Landt= unnd Hoffrähten, alß auch Hr. Cantzlern Doctore Stallmeistern vielmalß gehoret, das sichs interrogirtermaßen verhalten sollte".

Es leidet also keinen Zweifel, daß Katharine Hahn die angetrauete Ehefrau des Herzogs Ulrich gewesen sei. Jedoch führte sie nicht den Titel einer Herzogin, sondern wird beständig nur " Frau Katharine Hahn" genannt; sie führte also ihren Familiennamen mit dem Titel Frau.

Im J. 1621 kaufte der Herzog das Gut Zibühl zum Geschenke für sein "Kätchen" und bestimmte es zum Wittwensitze derselben als Allodialgut. Es war jedoch keine Urkunde des Herzogs darüber vorhanden, aber durch die Umgebung des Herzogs und das allgemeine Gerücht bezeugt, daß der Herzog ihr das Gut geschenkt habe. Sogleich darauf, nachdem das Gut gekauft war, ward es auch für Kaharine Hahn gebessert und gebauet und nach ihrem Wunsche eingerichtet, und Katharine Hahn nahm Besitz von dem Gute. Der Stiftsmarschall v. Vieregge bezeugte, daß Herzog oft und auch über Tafel gesagt habe, er habe das Gut für Frau Katharine Hahn gekauft und wolle seines Bruders des Königs von Dänemark Consens darüber auch schaffen. Derselbe sagte auch aus, daß er "von Frau Katherinen Hahnen selber gehört habe, daß sie bei Ihres Gottseligen Herrn Leben zu demselben gesagt, daß das Gut Zibühl ihre wäre, wogegen derselbe nichts gesagt habe". Der Herzog selbst führte den Stiefvater der Frau Katharine Hahn, den Landmarschall v. Lützow, in dem Hause zu Zibühl umher und zeigte ihm, wie die Gemächer eingerichtet werden sollten, und sagte ihm dabei, "daß sie nach seinem Tode alda eine bleibende Gelegenheit haben solle".

Nachdem die Einrichtung des Gutes vollendet war, ließen sowohl der Herzog, als Katharine Hahn viele ihrer Sachen und auch ihre großen holsteinschen Kühe, die sie zu Rühn stehen hatte, und Gänse aus Rügen dahin bringen und allerlei

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Vieh und Fahrniß und andere zur Haushaltung dienliche Sachen dem Gute zum Besten ankaufen. Ihre Aeltern schenkten ihr dahin allerhand Hausgeräth zur Einrichtung an Betten und Bettengewand, Bettstätten, Kisten und Kasten, Silbergeschirr und Hausgeräth. Die Hofleute wurden von Katharine angesprochen, ihr in ihre Wohnung zu Zibühl Gemälde und andere Sachen zu schenken und zu verehren.

In den Fenstern ihres Wohngemaches zu Zibühl waren nicht allein ihrer Verwandten, sondern auch des Herzogs und ihr Wappen ("Schenkscheiben") neben einander angebracht. Zum öffentlichen Zeichen der rechtmäßigen Ehe und des rechtmäßigen Besitzes der Katharine Hahn waren auch

"I. F. G. (des Herzogs) und Frawen Catharinen Hahnen wapen an zweien Schornsteinen gemahlet, weil I. F. G. selbst solches geordnet und befohlen".

Auch war

"an andern Oertern auch, dar I. F. G. wapen gestanden, gemeiniglichen Fraw Catharinen Hanen Wapen darbei gesetzet",

wie zu Zibühl sonst

"ein Hahn angemachet gewesen sei".

Der Landmarschall Henneke v. Lützow sagte aus,

"es hatten I. F. G. ihm selbst berichtet, daß deswegen die wapen am Schornstein unnd in den Fenstern dahin gesetzet, daß Fraw Catharina Hahnen nach I. F. G. Tode solchs guett haben sollte.".

Im Verlaufe des Gerichtsverfahrens wird die Schenkung von Zibühl eine Schenkung zwischen Lebenden während der Ehe genannt ("donatio inter vivos stante matrimonio").

Als sich im J. 1623 Katharinens Schwester Dorothea mit Friedrich v. Dewitz auf Cölpin vermählte, ließ der Herzog Ulrich die Hochzeit auf seine Kosten zu Bützow ausrichten.

Kaum aber war die Wohnung in Zibüuhl eingerichtet, als der Herzog am 27. März 1624 an seinem Hoflager zu Rühn in seinen besten Lebensjahren starb. Er hatte seiner Frau keine Schenkungsurkunde über das Gut hinterlassen und es war nicht bestimmt, ob der Werth des Gutes auf das verschriebene Witthumsgeld von 30,000 Thaler angerechnet werden solle. Als nun nach des Herzogs Tode der dänische Hof ziemlich weit greifende Ansprüche an den Nachlaß des Herzogs machte, ward, bei der Einnahme des Stiftes für den neuen Administrator Ulrich III, eines Sohnes des Königs Christian IV. von Dänemark, Katharina Hahn "mit großem Unfug ohne

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"rechtmaßige Ursache und Erkenntniß des Gutes destituirt und entsetzt und ihr Geräthe, Zeug und Mobilien von dem Gute weggeschafft, solcher Macht sie dero Zeit nicht widerstreben können, sondern mit Patienz und Geduld alles ertragen müssen".

Der Herzog ward in Gegenwart der Königin Mutter und vieler anderer hoher Personen in der Kirche zu Bützow, wo er sich selbst 12 Jahre vorher seine Ruhestätte erwählt hatte, begraben. In der auf ihn von dem bützowschen Prediger Andreas Cracovius gehaltenen "Ehrenpredigt", welcher des Herzogs Lebensbeschreibung eingefügt ist, ist aber weder von einer Ehe des Herzogs, noch von Katharine Hahn die Rede; auch nicht einmal eine Anspielung findet sich darin.

Einige Jahre nach des Herzogs Tode verheirathete sich "Frau Katharine Hahn" wieder mit Nicolaus Hermann von Nidrum, römisch=kaiserlicher Majestät bei dem Altringerschen Regimente bestallten Hauptmann, über den und dessen Familie keine Nachricht hat gewonnen werden können.

Als nun Wallenstein in den Besitz von Meklenburg gekommen war, glaubten beide Ehegatten in den Besitz des Gutes gelangen zu können und am 16. Dec. 1628 erhob Katharine Hahn bei dem Herzoge Albrecht von Friedland und Sagan eine Klage auf Wiedereinsetzung in den Besitz des Gutes, und am 6. Jan. 1629 bat v. Nidrumb den Herzog, ihn in das Gut einweisen zu lassen. Wallenstein erließ am 29. Aprit 1629 die Verordnung, daß die "Forderung vor dem Land= und Hofgerichte in gebührliche Cognition gezogen werden solle".

Der von Katharine Hahn erhobene Proceß schleppte sich eine Zeit lang ohne Erfolg fort und Dänemark behauptete sich die nächsten Jahre hindurch im Besitze des Gutes Zibühl; Katharine Hahn ließ sich während der wallensteinschen Regierung wegen der von ihr in das Gut Zibühl eingeschossenen 5000 fl. auf ihr eigenes Anhalten abfinden, woraus man schloß, daß sie selbst sich ihrer vermeinten Ansprüche begeben habe, und führte endlich ihre Klage nach den Grundsätzen des Processes nicht aus, weshalb sie auch kein rechtliches Urtheil erlangen konnte. Es handelte sich nach dem Sturze Wallensteins nur darum, ob Dänemark oder Meklenburg das Gut haben solle, bis die nächsten gewaltigen Stürme des dreißigjährigen Krieges alle früheren Zustände so gründlich vernichteten, daß nach einem Jahrzehend niemand mehr an diese Sache dachte.

Von Katharine Hahn und dem Hauptmann v. Nidrum ist nach der wallensteinschen Zeit keine Spur zu finden.

Vignette
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V.

Ueber

die norddeutschen Familien von Platen

und

die Familie von Bevernest

von

G. C. F. Lisch.


E ine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Staats= und Bildungsgeschichte der Länder Norddeutschlands ist die Herkunft mehrerer altadeliger Familien verschiedenen Namens von Einem Stammvater oder die Stammesverwandtschaft verschiedener adeliger Familien mit demselben Wappen. Die Veranlassung ist ohne Zweifel die, daß zur Zeit der Germanisirung mehrere Söhne eines wendischen Vaters sich verschiedene Namen gaben, theils nach dem neu erworbenen Ritterlehn, theils nach Familien=Geschichten und Traditionen, oder persönlichen Eigenschaften, und dadurch verschiedene Familien stifteten, welche zwar verschiedene Namen, aber immer ein und dasselbe Wappen führten. Die Sache ist sehr klar und ohne Zweifel richtig; die urkundlichen Beweise gehören aber zu den größten Seltenheiten in der Geschichtsforschung. Ich habe diese Ansicht zuerst in meiner Geschichte des Geschlechts Hahn, 1844, Bd. I, S. 5 und 41 flgd. zur Ueberzeugung gebracht, indem ich durch eine Original=Urkunde bewiesen habe, daß der erste Hahn und der erste von Dechow, deren Nachkommen immer ein und dasselbe Wappen führten, Brüder und wahrscheinlich auch mit den von Bibow und Hardenack, welche ebenfalls dasselbe Wappen hatten, stammverwandt waren. Zu gleicher Zeit und selbstständig hat auch v. Ledebur dieselbe Idee verfolgt und darauf in den Märkischen Forschungen, Bd. III, S. 96 flgd.,

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1847 und Bd. IV, "den Adel der Mark Brandenburg nach Wappenbildern gruppirt und auf Stammes=Gemeinschaft zurückgeführt".

Ich bin jetzt im Stande, ein zweites, sehr merkwürdiges Beispiel anzuführen und alle Verhältnissee klar und umständlich darzulegen.

Die von mir entdeckte Geschichte dreht sich zunächst und vorzüglich um eine Familie, die ich mit einem allgemeinen Namen von Plate benennen will. Um aber diese in deutlicher Gestalt vorführen zu können, wird es nothwendig sein, erst die verschiedenen Familien dieses Namens zu beleuchten. Es gab mehrere ganz verschiebene Familien dieses Namens, deren Namen in den älteren Zeiten von Plote hieß (vgl. Lisch Gesch. des Geschlechts Hahn II, S. 161 flgd.).

Die verschiedenen Familien von Platen.

1) Die Edlen Herren von Plotho hatten ihr Stammhaus in dem an der rechten Seite der Elbe liegenden Theile der Altmark in Alten=Platow und hatten auch in der Prignitz große Besitzungen mit landesherrlichen Rechten, z. B. auch die Städte Kyritz und Wusterhausen, schon seit dem 13. Jahrh., welche von ihnen gestiftet sind, da beide Städte noch die plothosche Lilie im Siegel führen (vgl, Riedel Cod. Dipl. Brand. I, 4, p. 385). Sie führten ihren Namen ohne Zweifel von der Burg Plote (jetzt Alt=Platow) und nannten sich im Mittelalter auch von Plote; vgl. Riedels Mark Brandenb. I, S. 225 flgd. Sie führten eine Lilie im Wappen und bildeten sicher eine alte Dynasten= oder edle Familie, was theils aus ihrer ganzen Stellung, theils aus ihrem Siegel zu schließen ist, da sie, wie auch die ihnen an Range gleich stehenden Edlen Hans zu Putlitz, größere Siegel führten, als die rittermäßigen Geschlechter zu führen pflegten. Noch im J. 1314 führte Johannes von Plothe ein großes, 2 1/2 Hamburger Zoll im Durchmesser haltendes, rundes Siegel, ohne Schild, mit einer Lilie. Von diesen Edlen Herren von Plote stammen die jetzt noch in Preußen blühenden, in der Gegend von Alten=Platow, vornämlich auf Parey ansässigen Freiherren von Plotho, Erbkämmerer des Herzogthums Magdeburg, ab, welche im 1. und 4. Felde des quadrirten Wappens eine Lilie, im 2. und 3. Felde einen gekrönten Mohrenrumpf führen. (Vgl. auch v. Raumer in v. Ledebur's Archiv IX, S. 289.)

2) Die rittermäßige Fautilie von Plato im Lüneburgischen, seit Alters zu Plate, Gralbow und Lüchow und

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auch in der Altmark gesessen, führt im silbernen Schiöde zwei rothe Spitzen; vgl. Grote Hannov. Wappenbuch, 1843, Ch. Tab. 47, und v. Ledebur Märkische Forschungen III, S. 118. Ueber diese Familie sagt v. d. Knesebeck im Historischen Taschenbuch des Adels im Königreich Hannover, 1840, S. 227: "von Plato. Uradel. Die Familie gehört zu dem landsässigen Adel und besitzt drei Güter in Grabow und zwei Güter in Lüchow. Sie erscheint schon 1472 in Urkunden". Diese Familie v. Plat en besaß bis auf die neueste Zeit auch viele "zerstreute" Güter in der Prignitz.

3) Die rittermäßige Familie von Plate im Bremischen führt eine Seemuschel im Schilde. Ueber diese Familie sagt v. d. Knesebeck im Taschenbuch a. a. O: "von Plate. Uradel. Die Familie gehört zu dem landsässigen Adel und besitzt die Güter Bruchhof, Höven, Altenwisch, Stellenfleth und Wechtern im Bremischen. Sie erscheint schon 1300 flgd. in Urkunden".

4) Die rittermäßige Familie von Platen auf Rügen stammt ohne Zweifel von dieser Insel. Diese Familie führt ihren Namen von der plate (thorax), d. i. Brustharnisch oder Küraß, im Gegensatze zu dem Ringpanzer; vgl. Lisch Jahrb. VI, S. 183 flgd. Der muthmaßliche Stammvater dieses Geschlechts hieß Marquardus cum plata oder cum thorace und seine Nachkommen werden häufig mit der platen genannt. Die Familie, welche vorherschend eine rügische blieb und nie in Meklenburg angesessen gewesen ist, führt, nach der neuern Heraldik, "zwei Meerkatzenköpfe, jeder unten in einen Adlerflügel auslaufend", im Schilde, Vgl. Bagmihl pommersches Wappenbuch, III, S. 134 flgd. Auf allen neuern, selbst auf ältern Siegeln sind zwei Köpfe mit Hälsen, welche in eine Figur, wie einen Flügel, auslaufen, klar zu erkennen. Ich glaube aber, daß in den ältesten Zeiten der Schild zwei Flügel enthalten hat, deren Gelenke oben verziert sind, entweder mit einer Rosette oder auch mit einem Kopfe. Aehnliche Wappenzeichen kommen nicht selten vor; die Flügel sind aber, meiner Ansicht nach, immer die Hauptsache.

5) Die rittermäßige Familie von Plate gehört, so lange sie blühet, dem Lande Stargard an. Die Glieder dieser Familie nannten sich beständig von Plote und führten einen Querbalken im Schilde. Sie waren ohne Zweifel mit den von Peccatel stammverwandt, welche dasselbe Schildzeichen hatten und oft in der Nähe der von Plote und mit ihnen vorkommen, Vielleicht stammen beide Familien ursprünglich aus der Grafschaft Schwerin, indem südlich nicht weit von Schwerin

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die beiden Dörfer Plate und Peccatel neben einander liegen; vielleicht waren beide Familien mit den von Zülow stammverwandt, da diese ebenfalls einen Queerbalken im Schilde führen und das Dorf Zülow nicht weit von Plate und Peccatel liegt. Schon früh mögen die beiden Geschlechter von Plate und von Peccatel, wie so viele andere adlige Geschlechter von Westen gegen Osten vorgerückt sein; beide erscheinen in der Geschichte in der Folge nur als zu den bedeutendsten Geschlechtern des Landes Stargard gehörend; jedoch war diese Familie von Plate außerdem noch spät mit alten Gütern in der Gegend von Brüel im Lande Meklenburg angesessen, An der Grenze des Landes Stargard, an das bekannte stargardische Gut Prillwitz grenzend, südlich von Penzlin und westlich von Stargard, liegt das Gut Peccatel; östlich von Stargard bei Woldeck liegt das Gut Plath früher Plote genannt, nicht weit von Peccatel: von diesen beiden Gütern werden die beiden Geschlechter ihre Namen erhalten haben, wenn sie dieselben nicht von den gräflich=schwerinschen Dörfern gleiches Namens trugen und den stargardischen Dörfern von ihren Personennamen die Namen gaben. - Die von Peccatel, die mächtigste Adelsfamilie des Landes Stargard, deren Hauptburg das bekannte Städtchen Prillwitz mit den angrenzenden Gütern Hohen=Zieritz, Peccatel etc. und vielen andern Dörfern war, sind in nämlicher Linie mit Gotthard Carl Friedrich auf Peccatel im J. 1773 (oder 1775), in weiblicher Linie in dem gegenwärtigen Jahrhundert ausgestorben: im J. 1824 starb 72 Jahre alt zu Berlin die letzte von Peccatel, Wittwe des August Dietrich v. Oertzen auf Blumenow. - Die von Plote waren nicht minder angesehen und reich. Schon im J. 1317 erwarben sie die Burg, Stadt und Vogtei Wesenberg und um dieselbe Zeit die Städte Freienstein und Meienburg als Pfandgüter, ferner im J. 1378 den Pfandbesitz der Städte Waren und Penzlin; darauf erwarben sie noch den Besitz des Schlosses und Städtchens Arensberg, vieler anderer Güter und Dörfer nicht zu gedenken. In dem letzten Viertheil des 14. Jahrhunderts ward die auf Wesenberg ansässige Linie der von Plate mit dem Erbmarschallamte des Landes Stargard belehnt. Diese reiche Linie, welche im Besitze des Schlosses Wesenberg und des Erblandmarschallamts war, starb im J. 1464 mit Joachim von Plate aus und die Güter und Würden derselben fielen heim. Die altere Linie der von Platen auf Jarchow bei Brüel starb erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. aus. Man vg. Lisch Geschichte des Geschlechts Hahn II, S. 161 flgd, und Boll Geschichte des

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landes Stargard, i, S: 167 flgd: Boll irrt jedoch, wenn er diese Familie von der Familie der Edlen von Plote auf Kyritz etc. herleitet und die im Anfange des 16. Jahrh. aus der Prignitz in das Land Stargard eingewanderte Familie von Plate aus dem Haufe Quitzow mit dieser im J. 1464 ausgestorbenen stargardtschen Familie von Plate verwechselt, indem er dieselbe noch 1506 als auf Tornow wohnend aufführt. - Nicht unwahrscheinlich ist, daß die bekannte Familie Manteuffel, welche wahrscheinlich aus dem Lande Stargard stammt, mit den alten stargardischen Familien v. Peccatel und v. Plate stammverwandt ist, da sie dasselbe Wappen, einen Oueerbalken im Schilde, führt.

6) Eine andere rittermäßige Familie von Platen, früher auch von Plote, gehört in frühern Zeiten ganz der Prignitz an und war hier auf Quitzow und Mesendorf gesessen. Sie führte einen schräge oder queer liegenden, oben und unten abgehauenen Baumstamm mit drei Blättern im Schilde und ist mit den übrigen Familien gleiches Namens eben so wenig verwandt, als diese unter sich. Diese Familie ist vielfach mit den übrigen Familien gleiches Namens verwechselt, namentlich mit der stargardischen Familie, und daher ziemlich unbekannt geblieben. Diese prignitzer Familie v. Platen besaß in alter Zeit auch Schloß und Städtchen Kumlosen; ihre alten Güter lagen nicht weit davon. Die Ploten auf Cumlosen werden im 15. Jahrh. oft genannt (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. II, 4, S. 52, 49, 75, 81) und dieses Schloß scheint ein Hauptsitz der Familie gewesen zu sein. Um das J. 1400 verkauften die v. Plote zu Kumlosen die Fährgerechtigkeit über die Löcknitz an die Stadt Lenzen; der Elbzoll zu Kumlosen gehörte ihnen auch und ist erst im vorigen Jahrh. durch Verkauf an die v. Möllendorf übergegangen. Mehrere Ortschaften, die sonst zum Ländchen Kumlosen gehörten, wie Modtrich und Bentwisch, waren noch bis zur Ablösung in neuern Zeiten den von Platen auf Kuhwinkel und Mesendorf dienstpflichtig. Die alten Stammgüter Quitzow, Mesendorf und Demerthin sind von der Familie nach und nach verkauft; die jetzigen Besitzungen sind: Kuhwinkel, Platenhof, Wutike, Gantikow, Mechow und Köritz in der Prignitz und Pätzig in der Neumark.

Eine Periode aus der Geschichte dieser Familie soll hier eigentlich der Gegenstand der Untersuchung sein.

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Die Familie von Platen auf Quitzow in der Prignitz.

Nach zahlreichen Urkunden, welche mehrere Jahrhunderte hindurch reichen, war in der Prignitz ein rittermäßiges Geschlecht von Plote einheimisch, welches das Gut Quitzow bei Perleberg als Stammgut und außerdem noch Mesendorf bei Pritzwalk und andere Güter in der Prignitz besaß. Diese Familie ist, wenn nicht Urkunden mit Siegeln vorliegen und sie sich sonst nicht historisch verfolgen läßt, sehr schwer von der in denselben Gegenden angesessenen Familie der Edlen von Plote zu unterscheiden, mit der sie aber gar nicht verwandt ist. Diese rittermäßige Familie von Platen nannte sich früher von Plote und ward oft auch von Plato genannt. Sie läßt sich schon im Mittelalter erkennen. Im J. 1386 erscheint der Knappe "Hans Plote to Quitzow" als Bürge, eben so im J. 1395: "Hans Plote wonaftich tu Quitzow" (Vgl. Riedel Cod. dipl. Braud. I, 1, p. 164 und 169); im J. 1454 erscheint wieder ein "Hans Plate wohnhaftig tho Mesendorp" (vgl. Riedel a. a. O. p. 379); im J. 1438 verkauft Otto Gans, Herr zu Putlitz, den "knapen Hans, Clawes und Victor brudern heten de Platen" einige Hebungen in dem Dorfe Pirow (vgl. Riedel a. a. O. p. 310); außerdem werden diese von Platen noch öfter genannt. Im J. 1445 übten, nach einer Original=Urkunde im schweriner Archive, die Brüder Hans und Vicke von Platen auf Mesendorf und Quitzow ("Hans et Vicko fratres condicti Platen moram trahentes in Mesendorp et villa Quitzow") das Präsentationsrecht zur Besetzung der Vicarei am Altare Mariä Magdalenen in der S. Georgen=Kirche zu Parchim. Diese Familie von Platen, welche noch jetzt blühet, hatte einen abgehauenen Baumstamm mit drei Blättern im Schilde; jedoch kommt sehr häufig auch ein Stamm mit fünf Blättern vor, drei oberwärts und zwei unterwärts. In v. Zedlitz Preuß. Adels=Lexcon Bd. V, S. 76, heißt es: "Eine Familie von Platen ist eine märkische. Das der Sage nach älteste Stammgut Quitzow bei Perleberg ist nicht mehr im Besitze der Familie. Auch sind mehrere andere Güter z. B. Mesendorf bei Pritzwalk u.s.w. verloren gegangen. Die Familie besitzt jedoch noch unter sich in männlicher Linie erbliche Lehen z. B. Kuhwinkel bei Perleberg, Wutike, Gantikow und Mechow bei Kyritz. Wappen: im silbernen Schilde ein fünfblätteriger Ast eines Hülfebusches "(Stechpalme)", also mit länglichen, gezackten Blättern".

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Im 16. und 17. Jahrhundert, z. B. J. 1553, kommen Siegel der v. Platen auf Quitzow mit einem abgehauenen Baumstamme vor.

Ein Zweig dieser Familie von Plate zog ungefähr 35 Jahre nach dem Aussterben der alten stargardischen Familie gleiches Namens in das Land Stargard und ist daher mit der letzten durchaus nicht zu verwechseln, was bis jetzt gewöhnlich geschehen ist. Im Anfange des 16. Jahrh. nämlich gelangte Hans von Platen in den Besitz des im Lande Stargard gelegenen Gutes Tornow c. p., welches ihm ein halbes Jahrhundert lang gehörte.

Das Gut Tornow mit andern Gütern waren alte Güter der Familie v. Restorf; die Familie v. Restorf war in alten Zeiten in den südlichen Gegenden der jetzigen Großherzogthümer Meklenburg=Schwerin und Strelitz, und auch in der angrenzenden Prignitz vielfach angesessen. Die Familie, welche Tornow besaß, starb im Anfange des 16. Jahrh. aus. Ob diese mit der in Meklenburg noch blühenden alten adeligen Familie v. Restorf gleichen Ursprunges und nur ein Zweig derselben, oder ob sie eine mit dieser nicht verwandte, eigene Familie gewesen sei, läßt sich noch nicht bestimmen, da bis jetzt noch keine Siegel der stargardischen Familie v. Restorf aufgefunden sind. Man muß sich also einstweilen mit sichern Thatsachen begnügen, so viel ist aber sicher, daß die auch in der Prignitz bei Wittenberge auf Weisen und Breesen ansässig gewesene Familie v. Retzdorf mit der meklenburgischen Familie gleiches Namens dasselbe Wappen (ein Einhorn) geführt hat. Die Familie v. Restorf im Lande Stargard besaß die Güter Tornow, Ringesleben, Pripert und Strasem. Am Ende des 15. Jahrh. lebten noch zwei Brüder: Brüning und Kersten v. Restorf. Kersten hatte bei seinem Tode einen Sohn Hans v. Restorf und eine Tochter Anna hinterlassen, welche an Hans v. Hotstendorf verheirathet war. Im Anfange des 16. Jahrh., vor dem J. 1502, starb Brüning v. Restorf und hinterließ drei Töchter, von denen die älteste Anna späterhin an Hans von Platen verheirathet ward. Brüning hatte wenig Vermögen hinterlassen. Die Vormundschaft für dessen drei Töchter sollte nach altem Rechtsgebrauch Hans v. Restorf, der letzte seines Geschlechts, führen; dieser war aber auch so arm, daß er die Wittwe und Töchter seines Oheims Brüning nicht standesgemäß unterhalten, abfinden und aussteuern konnte. Daher übernahmen am 16. Julii 1502 die Herzoge die Vormundschaft und Unterhaltung, wogegen ihnen die dem Heimfall nahe stehenden Güter Pripert und

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Strasem abgetreten wurden 1 ); die Herzoge setzten sich zugleich mit Hans v. Restorf auseinander, gaben diesem zur vollen Befriedigung für seinen Erbantheil das altväterliche, gemeinsame Gut Tornow zum alleinigen Besitze und belehnten ihn mit demselben. Aber auch Hans v. Restorf starb bald darauf, vor dem J. 1507, und mit ihm erlosch das Geschlecht der v. Restorf im Lande Stargard. Es ist ein im J. 1535 aufgenommenes Zeugniß des Pfarrers von Tornow vorhanden, nach welchem Hans v. Restorf bei seinem Sterben keinen Lehnserben kannte; es wurden ihm daher Siegel, Schild und Helm ins Grab nachgeworfen 2 ). Mit dem Tode des Hans v. Restorf fielen die Güter der v. Restorfschen Familie an die Lehnsherren zurück. Von diesen Gütern gaben die Herzoge am 12. Januar 1507 dem Hans von Platen das Gut Tornow mit der wüsten Feldmark Ringesleven zu einem Gnadenlehn, jedoch unter der Bedingung, daß er Brünings v. Restorf Tochter Anna heirathen und seinen Wohnsitz in Meklenburg nehmen sollte 3 ). Wahrscheinlich hatte Hans v. Platen Gelder in dem Gute stehen und schon früher einen Expectanzbrief darauf erhalten. Denn schon im J. 1506 wird in dem Register des Aufgebots zum lübeker Kriege aufgeführt, daß "Hans Plate von Tornow mit 4 Pferden gedient" habe. Es waren aber noch Erbjungfern am Leben, nämlich die drei Töchter des Brüning v. Restorf, deren Unterhaltung und Aussteuer die Herzoge übernommen und von denen sie die älteste an Hans v. Platen verlobt hatten, und des Hans v. Restorf Schwester, welche an Hans v. Holstendorf verheirathet war. Dieser fühlte sich für seine Frau beschwert, als Hans v. Platen,mit Tornow belehnt ward und sich in den Besitz des Gutes setzte, und wandte sich um Fürsprache an die Markgrafen von Brandenburg 4 ), welche denn auch ein Vorschreiben an die Herzoge von Meklenburg erließen. In Folge dieser Verhandlungen verglichen die Herzoge die streitenden Partheien dahin, daß Hans v. Platen am 28. Aug. 1509 die Frau des Hans v. Holstendorf mit 800 Gulden 5 ) und darauf deren Mutter, Kerstens v., Restorf Wittwe, auskaufte 6 ). Und so ward Hans v. Platen am 28. Aug. 1509 schließlich mit allen Anrechten an Tornow belehnt.


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Urkunden=Sammlung.
4) Vgl. Urkunden=Sammlung.
5) Vgl. Urkunden=Sammlung.
6) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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Der Stammbaum der v. Restorf und v. Platen gestaltet sich folgendermaßen:

Stammbaum

Dieser Hans v. Platen, welcher ein neues Haus im Lande Stargard gründete 1 ), stammt aus dem märkischen Geschlechte der von Platen auf Quitzow und ist mit der alten meklenburgischen Familie, welche im Lande Stargard längst ausgestorben war, durchaus nicht verwandt.

Aber auch dieses märkische Haus der v. Platen auf Tornow hatte nicht lange Bestand, obgleich Hans v. Platen lange lebte und fast funfzig Jahre im Besitze des Gutes Tornow war. Ungefähr im J. 1553 starb Hans v. Platen ohne Hinterlassung männlicher Leibeslehnserben; er hintertieß nur vier Töchter, welche an Otto v. Redern, Claus v. d. Gröben, Liborius v. d. Gröben und Achim v. Arnim verheirathet waren und welche als Erbjungfern Anspruch auf den lebenslänglichen Genuß der hinterlassenen Güter ihres Vaters machten, auch zu diesem Zwecke den Markgrafen Joachim v. Brandenburg zu einem Vorschreiben veranlassten.

Am 28. Dec. 1554 belehnte der Herzog Johann Albrecht den Hans von Buch um seiner getreuen Dienste willen mit dem heimgefallenen Gute Tornow, "nachdem Hans Plato kurzverschiener Zeit ohne Leibeslehnserben verstorben", und belehnte zugleich damit dessen Bruder Valentin. Haus von Buch, der sich selbst auch "von Boeck der ältere" nennt, hatte seit dem J. 1551 das meklenburgische Amt Gorlosen auf 5 Jahre zu Pfande und erhielt im J. 1555 von dem


1) Zu derselben Zeit, namentlich 1520-21, war Jürgen von Platow des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg "Diener", welcher viel zwischen dem Kurfürsten und dem Herzoge Albrecht von Meklenburg als Gesandter auf Reisen war, zu der Zeit, als sich der Herzog mit des Kurfürsten Tochter Anna verlobte und vermählte.
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Herzoge Ulrich die stargardischen Aemter Wesenberg und Feldberg verpfändet. Auf diese Weise kam die noch jetzt in Meklenburg blühende Familie v. Buch, deren Stammvater Hans v. Buch ward, ins Land und wohnte lange Zeit auf Tornow. Die Linie von Valentin v. Buch starb bald aus.

Die Famile von Bevernest auf Gülitz in der Prignitz.

Die märkische Familie von Bevernest war ebenfalls seit alter Zeit in der Prignitz als ein altes rittermäßiges Geschlecht einheimisch und ohne allen Zweifel mit der Familie von Platen auf Quitzow stammverwandt. Das Haupt= und Stammgut der Bevernest war Gülitz bei Putlitz, nach Perleberg hin. Das Gut Gülitz, zwischen Putlitz und Perleberg, gehörte zu dem großen Besitze der Edlen Herren Hans zu Putlitz (vgl. Riedel Cod. dipl I, 3, p. 506). Die v. Bevernest mögen es früher als ein Alterlehn besessen haben 1 ): in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. werden in Proceß=Acten die Edlen Herren zu Putlitz "Lehnsherren" von Gülitz genannt 1 ). Die v. Bevernest führten mit den v. Platen dasselbe Wappen, nämlich einen abgehauenen Baumstamm mit drei Blättern, oft auch, selbst in alten Darstellungen, mit fünf Blättern. In der Kirche zu Lübz ist ein auf Glas gemaltes Wappen des Gregorius v. Bevernest: im silbernen Schilde ein abgehauener Baumstamm mit drei grünen Blättern. - In hohem Grade merkwürdig ist ein im Staats=Archive zu Schwerin aufbewahrtes Siegel des Werneke Bevernest auf Gülitz vom J. 1412. An einer Original=Urkunde vom S. Agathen=Tage 1412, durch welche der Knappe Hans Bösel auf Goldbeck sich mit dem Kloster Eldena über die Streitigkeiten über die von dem Kloster erkauften 7 lüb. Mark Hebungen aus den Dörfern Ziegendorf und Wulffahl vergleicht, hängt auch das Siegel des "Werneke Bevernest wonaftich tů Ghůltze", als Mitunterhändlers. Dieses Siegel hat einen Schild mit einem aufrecht stehenden Baume, welcher drei Wurzeln und an jederseite drei


1) Im vorigen Jahrhundert und im ersten Viertheil des gegenwärtigen Jahrhunderts besaßen die v. Kaphengst in 5 Generationen des Gut Gülitz als putlitzsches Lehn; diese erst erwarben den Consens zur Lehnsablösung und verkauften dann das Gut. Mehrere der oben stehenden Nachrichten verdanke ich der freundlichen Mittheilung des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz, correspondirenden Mitgliees unsers Vereins.
1) Im vorigen Jahrhundert und im ersten Viertheil des gegenwärtigen Jahrhunderts besaßen die v. Kaphengst in 5 Generationen des Gut Gülitz als putlitzsches Lehn; diese erst erwarben den Consens zur Lehnsablösung und verkauften dann das Gut. Mehrere der oben stehenden Nachrichten verdanke ich der freundlichen Mittheilung des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz, correspondirenden Mitgliees unsers Vereins.
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Blätter, wie Eichenblätter, hat; die Umschrift dieses Siegels lautet:

Umschrift

Man sieht hieraus, daß die Bevernest in alten Zeiten eigentlich auch den Namen von Plote führten und daß der Name Bevernest wahrscheinlich nur ein Beiname war, der später der Zuname einer Linie des Geschlechts ward. Die Bevernest sollen nach alten Ueberlieferungen früher auch den Namen v. Platen geführt haben, nämlich v. Platen genannt Bevernest, obgleich dies bis jetzt in keiner Urkunde beobachtet ist. Auch mag man in dem Schildzeichen noch das alte, ursprüngliche Wappen des Geschlechts erkennen, das wohl eigentlich in den ältesten Zeiten, wie ich glaube, ein Baum war; wie aber im Laufe der Zeiten im Wappenwesen, namentlich seit der Zeit der Renaissance im 16. Jahrh., wo man die Schilde häufig schräge lehnte, so viel verunstaltet, entstellt und verkrüppelt ist, so auch im platenschen Schilde, das man für einen Baum nicht groß genug halten mochte, und deshalb den Baum zum Stamme oder Aste verstümmelte. Die Wappen der v. Bevernest und v. Platen zeigen auch eine fast gleiche Helmzierde; beide nämlich führen auf dem Helme zwei schwarze Adlerflügel: bei den v. Bevernest zeigt sich zwischen denselben eine in die Höhe stehende goldene Kette; bei den v. Platen sind die Adlerflügel oben durch eine goldene Kette, von welcher zwischen den Flügeln ein goldener Ring herabhängt, rings verbunden. Die Einführung des Nebenwerkes scheint aus neuern Zeiten zu stammen; ein altes v. Bevernestsches Wappen zeigt nur die Flügel ohne Kette.

Die v. Bevernest kamen kurz vor den v. Platen, am Ende des 15. Jahrh., nach Meklenburg, wo das Geschlecht fast zwei Jahrhunderte fortgeblühet hat, während es in der Mark Brandenburg ausgestorben zu sein scheint. Eine sehr bedeutsame und merkwürdige Erscheinung ist das häufige Aussterben vieler alter Geschlechter am Ende des 15. und im Anfange des 16. Jahrh. So wurden auch die Bevernest durch Verleihung vieler eröffneter Lehen in Meklenburg wieder wohlhabend und kräftigh.

Zuerst erscheint WernekeB, auf Lambrechtshagen erbgesessen, am Mittwoch nach divis. Apost. 1492 im Besitze der Güter Lambrechtshagen, Lichtenhagen und Blisekow bei Doberan, welche dem nicht lange vorher ausgestorbenen Geschlechte der von Gummern gehört hatten. Vielleicht kam er durch den JohanniterComthur Nicolaus Bevernest zu Kraak, welcher 1504 starb, ins Land (vgl. Jahrb. I,

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S. 23). Werneke Bevernest starb nicht lange darauf, wie es scheint, ohne Leibeslehnserben. Am 20. Sept. 1500 nahmen nach seinem Tode die Herzoge die gummernschen Güter wieder an sich und fanden sich mit der Wittwe Bevernest ab 1 ).

Zu derselben Zeit und bald darauf erscheinen in Meklenburg 5 Brüder: Claus, Hans, Dietrich, Curd und Jürgen Bevernest, welche wohl nicht des Werneke Söhne sind, weil sie sonst im Besitze von Lambrechtshagen gefolgt sein würden.

Von diesen erscheint zuerst Hans Bevernest im Lande Stargard. Am 27. Sept. 1489 gaben die Herzoge Magnus und Balthasar dem Haus Bevernest zur Belohnung der treuen Dienste, welche er von seiner Jugend an den Herzogen und schon deren Vater gethan, die Eventualbelehnung mit den Gütern des Geschlechts der v. Holtebütel, dessen Aussterben mit dem Tode des Hermann Holtebütel zu erwarten stand 2 ). Das Geschlecht der Holtebütel starb bald darauf aus und dadurch gelangte Hans Bevernest in den Besitz des Gutes Golm im Lande Stargard. Am 30. Nov. 1500 fand er die Erbtochter Anna, des wail. Bifpraw Holtebütel Tochter, welche an Hermann Glineke verheirathet war, wegen ihrer Ansprüche ab 3 ) und kaufte im J. 1508 einen Hof mit 6 freien Hufen in Golm, welchen früher das ausgestorbene Geschlecht der v. Lubbin und darauf die Manteuffel besessen hatten. So gelangte Hans Bevernest in den vollen Besitz von Golm. Im J. 1519 war Hans Bevernest todt und hatte eine Wittwe Magdalene und eine Tochter Anna hinterlassen, welche verheirathet werden sollte und zu deren Brautschmuck die Mutter 200 Gulden, mit Bewilligung der Herzoge, auf ihr Leibgedinge auflieh; damals waren die Herzoge mit den Brüdern Dietrich und Curd, welche nicht auf Golm mitbelehnt waren, wegen deren etwaniger Erbansprüche noch nicht einig.

In gleichem Verhältnisse stand Curd Bevernest. Am 25. März 1500 belehnten die Herzoge Magnus und Balthasar, unter Zustimmung des jungen Herzogs Heinrich, ihren Diener Curd Bevernest zur Belohnung seiner treuen und willigen Dienste, die er ihnen lange Zeit gethan, mit den im Lande Röbel gelegenen Gütern des ausgestorbenen Geschlechts der Wulf 4 ) und gestatteten ihm die Besitzergreifung, sobald eine Frau, die letzte des Geschlechts, ge=


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Urkunden=Sammlung.
4) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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storben sein würde. Die Güter der Wulfe waren Bolewick und Zierzow im Lande Röbel und einige kleinere Besitzungen und Hebungen in derselben Gegend. In den meklenburgischen Landen scheint es kein einheimisches adeliges Geschlecht Namens Wulf gegeben zu haben, so viele Geschlechter dieses Namens es in der angrenzenden Ländern gab. Allein in der Mark Brandenburg gab es vier verschiedene Geschlechter dieses Namens, welche nicht unter einander verwandt waren (vgl. v. Ledebur in den Märk. Forschungen, Bd. III, S. 105). Leider ist kein Siegel der Wulfe im Lande Röbel bekannt; vielleicht waren sie auch aus der Mark Brandenburg und gehörten zu dem ausgestorbenen Geschlechte, welches mit den v. Holstendorf gleiches Wappen hatte; jedoch ist es auch möglich, daß sie ein eigenes Geschlecht bildeten. - Außerdem hatte Curd Bevernest im J. 1506 das im Stifte Schwerin belegene Gut Büschow im Besitze.

Claus Bevernest begteitete im J. 1496 den jungen Herzog Heinrich in den Dienst bei dem Kaiser Maximilian (vgl. Lisch Urk. des Geschlechts Maltzan IV, S. 315).

Der wichtigste unter den Bevernest jener Zeit war aber Dietrich Bevernest. Dietrich Bevernest erhielt von den Herzogen von Meklenburg die Güter des ausgestorbenen Geschlechts v. Tulendorf, welches nach 1485 und vor 1489 ausstarb, nämlich die Güter Tulendorf, Lüsewitz, Petschow und Wolfsberg, in deren Besitz er schon 1492 war. Jm Jahr 1496 gaben die Herzoge ihm die Belehnung mit dem Gute Niendorf im Amte Ribnitz, welches dem rostocker Patriciergeschlechte der Wilden gehört hatte, das kurz vorher auch ausgestorben war. Daneben war Dietrich Bevernest Inhaber des Schlosses und der Vogtei Wredenhagen, vielleicht zugleich Pfandbesitzer des Amtes, in welchem sein Bruder Curd seine Besitzungen hatte; im J. 1505 übergaben die Herzoge Batthasar und Heinrich ihm wieder Schloß und Vogtei Wredenhagen, wie die Herzoge Magnus und Balthasar ihm dieselben zuvor übergeben, auf fernere 10 Jahre. Bei einem so umfänglichen Besitze war Dietrich Bevernest schon früh, sicher schon um das J. 1510, Rath der Herzoge Heinrich und Albrecht. Vermählt war er mit Anna Regendank.

Dieser Dietrich Bevernest ward der Stammhalter des Geschlechts in Meklenburg, welches seinen Hauptsitz auf Lüsewitz hatte und anderthalb hundert Jahre dem Lande mehrere Männer von Bedeutung gab. Sein Enlel war Dietrich Bevernest, welcher 1589-1608 meklenburgischer

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Landrath war, Während des dreißigjährigen Krieges war der Geheime= und Landrath Gregorius v. Bevernest auf Lüsewitz Pfandbesitzer des Amtes Plau (vgl. Jahrb. XVII, S. 197 und 209). Mit dessem Sohne Joachim Friedrich starb das Geschlecht im J. 1665 aus (vgl. Jahrb. XI, S. 432, und XVII, S. 209).

Wann die Bevernest in der Prignitz ausgestorben sind, ist nicht gewiß. In der ersten Hälfte des 17. Jahrh. besaßen sie uoch Gülitz; es ist aber nicht klar, ob diese Linie die meklenburgische oder eine andere war. So viel ist gewiß, daß die Familie v. Bevernest auch in der Mark Brandenburg ausgestorben ist. Dies wird nicht lange vor dem J. 1668 geschehen sein, da "im J. 1668 Herrn Adam Georgen Gans Herr Sohn Herr Hans Albrecht ein durch den Abgang derer Bevernesten ausgestorbenes und ihm wieder heimgefallenes Lehngut zu Gülitz wiederum an die v. Kaphengsten geliehen". Es ist also wahrscheinlich, daß die Bevernest in Meklenburg die letzten ihres Geschlechtes waren und mit ihnen die ganze Familie ausstarb. In den Kirchenbüchern von Gülitz finden sich keine Nachrichten über die Bevernest mehr.

Der Stammbaum der v. Bevernest in Meklenburg gestaltet sich nach Latomus "Vom Adelsstande" also:

Stammbaum
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Die Familien von Grävenitz und von Rathenow.

Die Familien v. Grävenitz und v. Rathenow in der Prignitz waren vielleicht mit der v. Platen=Bevernestschen Familie stammverwandt, wenn sich dies auch nicht beweisen läßt.

Die v. Grävenitz, in der Mark auf Schilde angesessen, führen ebenfalls im silbernen Schilde einen abgehauenen Baumstamm mit drei Blättern. Auch diese Familie kam im 16. Jahrh. nach Meklenburg.

Die in Meklenburg in einzelnen Personen vorkommenden v. Rathenow scheinen ebenfalls dieser Familiengruppe anzugehören, wenn ich dies auch nicht ausführen kann. Jedoch führt ein Jürgen Rathenow im J. 1542 im Siegel einen queer liegenden, abgehauenen Stamm mit drei Blättern. Diese Familie war jedoch nicht mit Landgütern in Meklenburg angesessen, und daher haben die meklenburgischen Archive auch keine Nachricht über dieselbe. In jüngern Zeiten führt diese Familie im Schilde einen schrägen, abgehauenen Baumstamm, der jedoch mit einer grünen Weinranke mit Blättern umwunden ist, und auch auf dem Helme eine Weinranke.

Die urkundlich beglaubigte Stammesverwandschaft der von Platen und Bevernest.

Wenn auch aus der vorhergehenden Darstellung die Herkunft der Familien v. Platen und Bevernest von einem Stammvater mehr als wahrscheinlich sein wird, so hat diese Erscheinung doch die seltene geschichtliche Merkwürdigkeit, daß sich, was nur selten möglich ist, die Stammesverwandtschaft noch in sehr jungen Zeiten durch wiederholt verliehene Urkunden sicher beweisen läßt.

Als Hans von Platen auf Tornow um das J, 1553 gestorben war 1 ), hatten dessen nächste Lehnsvettern die von ihm hinterlassenen Antheile der im Brandenburgischen liegenden altväterlichen Lehngüter zu muthen versäumt, und der Kurfürst hatte dieselben als eröffnete Lehen seinen Hofdienern Curd Flans und Henning Pasenow verschrieben, Auf Bitten der nächsten Agnaten, Vicke, Melchior und Joachim v. Platen, ward aber diese Einziehung gegen eine Geldentschädigung an die Belehnten auf gütlichem Wege wieder rückgängig gemacht und den genannten von Platen das Lehn, das sie mit Hans von Platen zu gesammter Hand besessen hatten, wieder zugewandt. Am 27. November 1555 belehnte darauf der Kur=


1) Vgl. oben S. 49.
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fürst Joachim II. nicht allein die Brüder und Vettern Vicke, Melchior und Joachim von Platen mit des Hans von Platen hinterlassenen Lehngütern, sondern verlieh auch den übrigen v. Platen auf Quitzow und Mesendorf und desgleichen den Bevernesten, damals Joachim und Dietrich, wail. Gregorius Sohn, "die gesammte Hand, wie sie von Alters her versammelt gewesen" 1 ) waren. Nach des Kurfürsten Joachim II. Tode bestätigte der Kurfürst Johann Georg am 24. Sept, 1571 allen v. Platen auf Quitzow und Mesendorf und den Vettern Joachim und Dietrich Bevernest nicht nur alle ihre Lehngüter, sondern auch "die gesammte Hand, wie ihre Vorfahren die von Alters her besessen" 2 ). Dasselbe bestätigte beiden Familien nach der Urkunde vom 20. März 1645 auch der folgende Kurfürst Joachim Friedrich, wenn auch die Urkunde nicht erhalten oder bis jetzt nicht aufgefunden ist. Am 20. März 1645 versicherte aber der große Kurfürst Friedrich Wilhelm, nach dem Tode des Kurfürsten Georg Wilhelm, dem Joachim Friedrich Bevernest, dem Sohne des wail. Geheimen und Landraths Gregorius Bevernest, "die gesammte Hand an allen der v. Platen auf Quitzow und Mesendorf Lehngütern im Kurfürstenthume, so wie umgekehrt den v. Platen an allen Gütern, welche Joachim Friedrich Bevernest oder seine Erben im Kurfürstenthum kaufen oder mit der Zeit überkommen werde, da die von Platen mit den Bevernest Eines Stammes, Schildes und Helmes " seien 3 ). Diese klare, bestimmte und in ihrer Art seltene Bestätigung bedurfte jedoch der Erneuerung nicht, da Joachim Friedrich Bevernest als der letzte seiner Familie im J. 1665 ohne Hinterlassung von Leibeslehnserben mit Tode abging 4 ).

So ist die Stammesverwandtschaft der v. Platen und der Bevernest nicht allein durch Siegel, ja durch Namen, durch Tradition und Familienanerkennung, sondern auch durch lehnsherrliche Bestätigungen ununterbrochen und bis auf die neuern Zeiten anerkannt und außer Zweifel gesetzt.

Vignette

1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Urkunden=Sammlung.
4) Vgl. oben S. 54.
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VI.

Genealogische und chronologische Forschungen

zur

Geschichte der meklenburgischen
Fürstenhäuser

Von

G. C. F. Lisch


A. Zur Geschichte des Hauses Meklenburg=Schwerin

1.
Fürst Hermann,

des Fürsten Johann I. von Meklenburg Sohn.

H ermann, der dritte 1 ) Sohn des meklenburgischen Fürsten Johann I. des Theologen, ist noch sehr wenig bekannt. Es wird im Allgemeinen gesagt, er sei geistlichen Standes und Domherr zu Lübeck und zu Schwerin gewesen (vgl. v. Rudloff M. G. II, S. 47 und 48, und v. Lützow M. G. II, S. 25). Die Quellen dieser Nachrichten sind zwei Chroniken, welche ungefähr zu einer und derselben Zeit geschrieben sind. Die doberaner und parchimsche Genealogie (Jahrb. XI, S. 18-19) sagt:

"Hermannus fuit canonicus Zwerinensis et Lubicensis".

Ernst v. Kirchberg sagt in seiner Reimchronik:

"Her Herman kunde canonike syn
zu Lubike vnde zu Zweryn",


1) E. v. Kirchberg nennt ihn den "dritten" Sohn Johanns I.: "der dridde hiez her Herman".
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Merkwürdig ist es nun, daß er weder in den Urkunden der Stadt Lübeck, noch in den Urkunden des Bisthums Lübeck, welche bis in das 14. Jahrh. jetzt gedruckt vor uns liegen, genannt wird und auch in den Schweriner Urkunden nicht beobachtet ist. Um so mehr ist jede Urkunde von ihm ein Gewinn für die Landesgeschichte. Kurz vor dem Tode seines Vaters war Hermann in Pommern. Als der Herzog Wartislav von Pommern=Demmin am 17. Mai 1264 der Stadt Greifswald die Aufführung einer Stadtmauer erlaubte und die Errichtung jeder fremden Burg auf dem Stadtgebiete verbot, auch der Stadt Einen Markt und Ein Recht gab 1 ), war der Fürst Hermann von Meklenburg bei ihm in der Nähe der Stadt Greifswald zu Darsin, jetzt Ludwigsburg bei Greifswald, und wahrscheinlich auch in der Stadt Greifswald. Die Vergleichung der Original=Urkunde 2 ) läßt keinen Zweifel über die richtige Lesart des Namens Hermann übrig. Am 27. Mai 1264 war auch der Fürst Heinrich von Meklenburg, sein Bruder, bei dem Herzoge Barnim von Pommern zu Greifswald. Am 17. Mai 1264 lag der Herzog Wartislav krank ("in nostra infirmitate") zu Darsin und machte hier sein Testament ("in nostro testamento nuncupativo, quod Darsim fecimus": vgl. v. Dreger Codex Pomer., Nr. 366, p. 475); an demselben Tage stellte er noch mehrere Urkunden aus, z. B. die hier mitgetheilte und die in v. Dreger Codex Pomer., Nr, 366, p. 475 gedruckte. Er starb noch in demselben Jahre, sicher vor dem Monate September.

In demselben Jahre, am 1. Aug. 1264, starb auch der Vater der meklenburgischen Fürsten, Johann I. der Theologe (vgl. Jahrb. XIX, S. 358). - Eine etwas spätere Urkunde Hermanns ist gedruckt in Rudloffs Urk. Lief. Nr. XIX. In diesen Urkunden wird Hermann noch nicht als Geistlicher bezeichnet.


1) Um dieselbe Zeit erhielt auch die Stadt Rostol ähnliche Zusicherungen: im J. 1265 wurden die Märkte und Gerichte auch in Rostock vereinigt und im J. 1266 mußte der Fürst eine Burg in der Stadt wieder abtragen.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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2.
Ueber den Herzog Albrecht VI.

und
dessen Gemahlin Katharina

Ueber den Herzog Albrecht VI, den ältesten Sohn des Herzogs Heinrich des Dicken, und dessen Gemahlin Katharina sind die hauptsächlichsten Lebensumstände und Zeitbestimmungen noch alle sehr unzuverlässig und größtentheils unrichtig.

Rudloff II, 2, S. 836, sagt, daß Herzog Albrecht zuerst, im J. 1471, mit des Grafen Eberhard von Würtemberg Schwester Elisaabeth versprochen gewesen, die Heirath jedoch nicht zu Stande gekommen, die Braut dagegen zuerst mit dem Grafen Johann von Nassau und nach dessen Tode mit dem Grafen Heinrich von Stolberg vermählt worden sei. Albrecht habe dagegen im J. 1472 des Grafen Wichmann von Lindow Tochter Katharina geheirathet. Diese Angaben sind zum größten Theil unrichtig und fließen aus sehr trüben Quellen. Es ist im schweriner Archive ein Entwurf einer Eheberedung zwischen dem Herzoge Albrecht und der Gräfin Elisabeth von Würtemberg vorhanden, deren Datum aber vollständig verblichen und vermodert oder vielmehr wahrscheinlich noch gar nicht ausgeschrieben gewesen ist. Der herzogliche Secretair und Archivar Samuel Fabricius hat im 16. Jahrh. auf die Rückseite dieses Actenstückes geschrieben, daß daß Herzog Albrecht "Anno 1471" die Gräfin Katharina von Lindow zur Ehe genommen habe. Chemnitz giebt in seinem Chronicon einen weitläuftigen Auszug aus dieser Urkunde und fügt die Jahreszahl 1471 als Datum derselben hinzu, - und Rudloff nimmt alles dieses aus Chem nitz unbedingt auf! Die Sache verhält sich aber ganz anders.

"Unter des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg Vermittelung" war allerdings eine Ehe zwischen dem Herzoge Albrecht von Meklenburg und der Gräfin Elisabeth von Würtemberg beabsichtigt und es war schon der Entwurf zu den Ehepacten festgestellt, welcher jedoch nicht datirt ist. Dies geschah aber im Anfange des Jahres 1466. Es sind nämlich noch Schreiben des Grafen Eberhard von Würtemberg vom 9. April 1466 und des Markgrafen Albrecht von Brandenburg vom 27. April 1466 vorhanden, welche diese beabsichtigte Heirath besprechen; es geht aus diesen Schreiben hervor, daß schon beim Entwurfe der Ehepacten Mißhelligkeiten über das Heirathsgut entstanden. Die Ehepacten kamen nicht zum Abschluß. - Das Jahr 1471 kann schon aus dem

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Grunde nicht richtig sein, weil Elisabeth von Würtemberg schon im J. 1470 an den Grafen Johann von Nassau verheirathet ward, welcher schon im J. 1472 starb.

Vorzüglich aber können die bisherigen Zeitangaben deshalb nicht richtig sein, weil schon im Herbste des J. 1466 über die Vermählung des Herzogs Albrecht mit der Gräfin Katharina von Lindow verhandelt ward.

Sehr bald nach dem Abbruche der Verhandlungen mit dem Grafen von Würtemberg wurden Verhandlungen mit den Grafen von Lindow, Herren von Ruppin und Möckern, über eine Vermählung des Herzogs Albrecht mit der Gräfin Katharina von Lindow angeknüpft. Am 9. Oct. 1466 schrieben 1 ) die Grafen Johann und Jacob von Lindow an den Herzog Heinrich von Meklenburg, den Vater des Herzogs Albrecht, daß sie die Verhandlungen über eine Vermählung ihrer Schwester Katharina mit dem Herzoge Albrecht gerne empfangen und in Ueberlegung genommen hätten, und schlugen einen Tag zur Verhandlung am 15. Oct. zu Wittstock vor, um die vorbereiteten Verhandlungen zu einem guten Ende zu führen. Es leidet also keinen Zweifel, daß die Ehe des Herzogs Albrecht mit der Gräfin Katharina von Lindow, wenigstens durch die Ehepacten, im Jahre 1466 geschlossen ist.

Um Ostern 1468 unterzeichnet Katharina schon einen Brief als Herzogin von Meklenburg.

Rudloff a. a. O. sagt, die Gräfin Katharina sei eine Tochter des Grafen Wichmann von Lindow gewesen. Auch dies ist nicht völlig richtig. Katharina war eine Schwester der Grafen Johann und Jacob von Lindow, also eine Tochter des Grafen Albrecht III, welcher drei Male, und zwar das erste Mal mit Katharina, Herzogin von Schlesien, vermählt war; vgl. Riedel Cod. dipl. Brandenb. I, 4, S. 12 und 17. Nach den Vornamen zu schließen, war Katharina eine Tochter erster Ehe des Grafen Albrecht. Riedel kennt die Gräfin Katharina aber gar nicht. Der Graf Wichmann, mit welchem 1524 das Geschlecht der Grafen von Lindow ausstarb, ward erst im J. 1520 für mündig erklärt.

Es wurden zur Vermählung sicher nur allgemeine Ehepacten vollzogen, Die einzelnen Verschreibungen wurden erst später ausgefertigt. Im J. 1472 waren die Grafen Johann und Jacob von Lindow noch Gelder auf den Brautschatz ihrer Schwester Katharina schuldig. Da diese Verhandlungen die


1) Vgl. Anlage Nr. 1.
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ältesten, früher bekannten Actenstücke über die Vermählung sind, so hat man hieraus geschlossen, daß die Vermählung erst im J. 1472 oder im J. 1471 vollzogen sei. Der Herzog AIbrecht verschrieb erst am Johannistage 1482, also nicht lange vor seinem Tode, seiner Gemahlin das Leibgedinge.

Der Herzog Albrecht starb schon im Anfange des J. 1483. Rudloff sagt in der Stammtafel, er sei "1483 vor April 27" gestorben. Nach einer alten Aufzeichnung aus dem Anfange des 16. Jahrh. im schweriner Archive starb der Herzog am 16. Februar 1483:

"Im Jar des hern MIIII C LXXXIII des Sondages Invocauit starff h. Albert".

Am Pfingstabend, d. i. 17. Mai 1483, verschrieben sich die Herzoge Magnus und Balthasar für des Herzogs Albrecht Wittwe Katharina auf 4000 Gulden als den Nachstand ihrer Leibzucht, "nach dode des hochgebornen fursten hern Albrechts zeliger in godt vorstoruen" und am 1. NoV, 1483 wurden die Verhandlungen darüber weiter geführt.

Ueber den Tod der Herzogin Katharina herrscht noch völliges Dunkel Rudloff sagt nur, daß sie noch 1483 Nov. 1 gelebt habe, und es sind von ihr noch Briefe aus dem Herbste des Jahres 1483 vorhanden. Es wird sich aber das Sterbejahr der Herzogin nach neuern Entdeckungen genauer angeben lassen. Am 10. Sept 1485 schrieben 1 ) die Brüder Waldemar und Sigismund von Anhalt an die Herzoge von Meklenburg, daß, da nach einem Landgerüchte die Herzogin Katharina vor kurzem gestorben sei, die Herzoge ihnen hierüber sichere Nachricht geben möchten, damit sie ihre leibliche Schwester Fräulein Anna, welche sich bisher bei der Herzogin Katharina aufgehalten habe, zurückholen lassen könnten. Da eine Schwester der Grafen Johann und Jacob von Lindow, also auch der Herzogin Katharina, Namens Anna, mit dem Fürsten Georg I. von Anhalt=Dessau, dem Vater der Fürsten Waldemar und Sigismund, in dritter Ehe vermählt war, so war die Herzogin Katharina eine Tante der jungen Fürstin Anna und der beiden Fürsten von Anhalt. Die anhaltischen Fürsten nennen daher die Herzogin Katharina ihre "Schwester", ein Ausdruck, der bei Verschwägerungen sehr häufig vorkommt, namentlich wenn die Lebensjahre der Verschwägerten nicht sehr weit aus einander stehen.


1) Vgl. Anlage Nr. 2.
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Die Herzogin Katharina wird also im Spätsommer des J. 1485 gestorben sein, nach dem Inhalte des Schreibens der anhaltischen Fürsten gewiß nicht früher.

Nach dem Tode der Herzogin Katharina dauerten die Verhandlungen über die Rückzahlung ihres Heirathsgeldes noch lange fort Das erste noch erhaltene Schreiben 1 ) in dieser Angelegenheit ist vom 12. Januar 1489, das zweite 2 ) vom 26. März 1491, welchem noch einige bis gegen das Ende des J. 1491 folgen. Es ist also sicher, daß die Herzogin vor dem J. 1489 starb, also sicher zwischen 1485 und 1488, wenn man dem "Landgerüchte" keinen Glauben Schenken wollte.

 

Anlagen.

Nr. 1.

D. d. Ruppin, 1466. Oct. 9.

Vnnsen fruntliken dinst vnde was wy liues vnde gudes vormogen. Hochgebarnne Furste, liue ohme. So gy uns gefcreuen hebben van der vorhandelinge, de geschyn is tuschen deme hochgebarnnen fursten unde heren hertoge Albrechte, juweme fane, vnnsem liuen ohm, vnde vnnser suster, alle sulke vorhandelinge vnde gewerue, de dar tuschen geschin synt, hebben wy alle to gudermathen gut liken in andacht vpgenamen vnde mit den vnsen vnde andern, dar wy billick muchten mede spreken, fordan vorhandelt vnde nach den besten auerwagen, sunder so gy vns nu de tyt vnde stede als nomeliken amme sondage negest kamende nach Dionisii to Witstogk to kamende vorscreuen hebben, so sint wy alße gystern gantz spade van deme dage to Tempelin gekamen, dat vns de tyt gantz kort ist vnde de vnnsen vnde de anderen, de wy gerne dar by hadden, nicht kanen vppe deme sondage dar bringen vnde juwen knecht ok nicht so drade hebben kanen van vns forderen: bidden wy juwer leue in funderken flite, gy des nicht vor vnwillen nemen, sunder amme dingestdage negestkamende nach dissen suluen sunte Dionisius dage to Witstogk vppe den auent so meynen wy gewissze dar to kamende, vnbe des middewekes voert vnfe dedinge mit juw des haluen gerne fordan, so de vormals begrepen


1) Vgl. Anlage. Nr. 3.
2) Vgl. Anlage Nr. 4.
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vnde vorgenhamen fint, thome guden ende mit juw to bringende vnde vns gutliken mit juw to slitende, vnde juwe liue gewisse dar kame, dar wy vns gentzliken to deme dage vorlaten, vnde wes wy juwer liue kanen to dinste vnde to willen werden, don wy ganz mit alle vnseme vormoge gerne. Datum Ruppin, amme donresdage amme dage dionisii, vnder vnnseme ingesegele, anno domini etc. . LXVI to

Johannes vnde Jacob gebrodere von gots gnaden grauen vom Lyndow vnde heren to Ruppin.

Deme hochgebarnnen Fursten vnde hern heren Hinrick herthogen to Melnborch, to Wenden vnde grauen to Swerin, vnnseme liuen ohme.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. Meklenburg. Geh= und K. Archive zu Schwerin. - Im J. 1466 fiel der S. Dionysius=Tag, der 9. Oct. auf einen Donnerstag.

Nr. 2.

D. d. Dessau. 1485. Sept 10.

Vnszer fruntliche vnde willige dinste zuuoren. Hochgeborne, fruntlichen, lieben omheme. Wir haben vß fremder irfarunge in eyneme lantgeruchte, daz die hochgeborne furstinne frauwe Katherine von Mecklenborg, vnszir liebe swester, in ghot kortez vorschehden fy, vnde so ir liebe in gantcz ghutlicher fruntschafft vnde wolmeynunge das hochgeborne freuwechin Annen, vnfze libliche liebe swester, by sich enthelt, nicht gewyssens haben, wie eß dar vmb ist, vnde so daz geruchte wdr were, weren wir deß sere vorschrocken vnde bekummert vmbe vnßir swester, der wegen ist vnszer fruntliche bethe, uwer lieben wollen vns deß eyn gewisszen geben by desszeme kegenwertigen vnszerm bothen, wollen wir vnszir swester vorgenant lasszen holen. Daz vordinen wir alle zeyt mith fruntlichen vnde willigen dinsten gerne. Geben zu Dessow, amme Sonnabende nach Natiuitatis Marie, Anno domini etc. . LXXXV to

Waldemar vnde Sigemundt gebroder von gotis gnaden fursten zu Anhalt, Graffen von Asschanien etc. ., heren zu Bernborgk etc. .

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Denn hochgebornen fursten vnde heren heren Magnuszen vnde heren Balthesararen, gebruderen, Hertzogen zcu Mecklenborgh, fursten zcu Wenden, Graffen zcu Swerin, der Lande Rostogk vnde Stargerde etc. heren, vnßern fruntlichen lieben heren vnde omhem.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. Meklenburg. Geh. und K. Archive zu Schwerin.

Nr. 3.

D. d. Cölln a. d. Spree, 1489. Jan. 12.

Vnnser frunttich dinst mit vermogen alles gutten zuuoren, Hochgebornen fursten, lieben ohmen. Vnns haben die wolgebornen vnnd edelen vnnser rete vnd lieben getrewenn Johanns vnnd Jacob, grauen von Lindow, herrn zu Ruppin vnnd Mokern, zu erkennen gebenn, das in nach abganck frawen N, etwan des hochgebornen fursten, hern Albrechts, hertzogen zu Mekelmburg, ewrs lieben bruders, inn got seligen, gemahel, yrer lieben swester, von dem widerfall irs hehrats ir mitgeben nach laut der hey ratsbriue, nemlich newntausend gulden heimgefallen, der fy by euch forderung getan vnnd doch bisher auff yr gutlich vnnd fruntlich ersuchen nichts haben bekomen mogen, demnach vnnd wir durch fy ytzundt mit vleis ersucht sind, fy deßhalben gen euch freuntlich zu uerschriben, bitten wir mit fruntlichem vleis, ewr lieb wolle den genanten grauen Johansen vnnd Jacob von Ruppin solchs gelts genugsamlich entrichten vnnd betzalung thun nach laut der verschribung obenberurt, wo yr aber inn vermeynug seyt, einrede zu haben, sein wir der genanten grauen als vnnser lantsessen vnnd verwanten zugleich vnnd aller billickeit mechtig, bitten auch van deßwegen ewr lieb der gebrech zu uerhorung vnnd handelung vor vnns auch nicht vßzuschIagen, als wir vnns deß vß fruntlichem wesen zu ewr liebe wol versehen thun werden, sein wir geneigts willens vmb ewr lieben fruntlich zu uerdienen vnnd bitten deß ewr lieben fruntlich antwort. Datnm Coln an der Sprew, am mantag nach Trium Regum, anno domini im LXXXIX ten .

Johanns von gots gnaden marggraue zu Brandemburg, des heiligen romischen richs erßcamerer vnnd curfursten, zu Stettin Pommern etc. ., hertzog, burggraue zu Nuremberg vnnd fursten zu Rugen.

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Den hochgebornen fursten vnnsen lieben ohmen herrn Magnus vnnd herrn Baltzer, gebrudern hertzogen zu Mekelmburg, fursten zu Wenden, grauen zn Swerynn, Rotstock vnnd Stargart der lannde herren,

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. Meklenb. Geh. u. K. Archive zu Schwerin

Nr. 4.

D. d. Schwerin. 1491. März 26.

Vnsze frunthlicke dinste touornn. Wollgebornne, fruntlike liue oheme. Allso denne Jwe liue vns itzund gefcreuen hebbenn der sakenn halbenn, szo jwe liue samptlikenn mit jwer liue bruder graue Jacob van jwer vnde vnszer liuen sußter wegen zeliger in godt vorstoruen vermeynen to vns to hebbenn, vnde vns wider vermanen, wo jwer liuen bruder imme latesten to Stettin dorch den gestrengen vnde duchtigen unszen Radt vnde liuen getruwen er Nic. Hanen Ritter darumme besandt hebbenn, wo de meyninge des briues wider sundet, hebbenn wy vernamen, Twiuelen wy des nicht, jwe liue hebbe alle vorscriffte dorch vns vnde jwe liuen vnderlangs ergangen noch woll in dechtnissze, Jdoch wanner vnsze fruntlike liue ohem vnde Bruder margreue Hans etc. ., nach synen liuen vorscriffte vnde affschede vns jegen syner liuen to kamen vp bequemelike dage vnde legelike stede vorscrifft scheffte halbenn van beiden delen vns berurende, willenn wy jegen syner liuen komen vnde vnszen vorscrifftenn an jwer liuen erlanget genuch don. Wusten wy susz jwer liuen dinste vnde fruntschop to donde, des weren wy gewilliget. Datum Zwerin amme pallmeauendt, Anno etc. . XCI°,

Magnus vnde Balltzar.     

An

Grauen Johannszen to Ruppin,

Nach dem Concept im großherzogl. Meklenburg. Geh. u. K. Archive zu Schwerin. Am 18. März 1491 schreibt der Graf Johann von Lindow von seiner "Borch Oldenruppin" an die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg, daß sein Bruder den Herzog Magnus, als dieser zu Stettin gewesen sei, wegen der Angelegenheit ihrer verstorbenen Schwester durch "Clawes Hanen Ritter" beschickt und der Herzog Magnus durch diesen habe erklären lassen, daß er die Angelegenheit dem Markgrafen Johann von Brandenburg und den meklenburgischen Räthen zur Entscheidung verstellen wolle; der Graf Johann bittet nun um genauere Erklärung, um die Sache vorbereiten zu können.

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3.

Ueber den Sterbetag der Herzogin Sophie,
Gemahlin des Herzogs Magnus II.

Der Sterbetag der Herzogin Sophie, des braven Herzogs Magnus II. Gemahlin, in deren hohes Lob alle Schriftsteller übereinstimmen, ist bisher noch nicht ganz sicher gestellt, obgleich der Sterbetag mehrfach von Interesse ist, wäre es auch nur wegen ihres seltenen Grabdenkmals. Die Herzogin ward vor dem Hochaltare des Dominikaner= oder Schwarzen=Mönchsklosters zu Wismar begraben und ihr Grab mit einer kunstreichen Messingplatte geschmückt, auf welcher ihr erhaben gegossenes, statuarisches, liegendes Bild aus Messing, von ihren Wappen und der Grabinschrift umgeben, dargestellt ist, dem einzigen Werke dieser Art, welches noch in Meklenburg vorhanden ist, leider aber nicht sehr geschützt zu sein scheint, da die Kirche nicht mehr als Gotteshaus benutzt wird.

Den sichersten Anhaltspunkt giebt wohl ohne Zweifel die Inschrift auf der Grabplatte. Diese lautet nach dem Originale:

Inschrift

Vgl. Schröder Pap. Mekl. II, S. 2721.

Hiernach starb die Herzogin im J. 1504 am Freitage nach Misericordia domini. Dies war im J. 1504 der 26. April.

Hiemit stimmt auch der lübische Chronist Reimar Kock, ein wohl unterrichteter Wismaraner, überein, wenn er in seiner handschriftlichen Chronik schreibt:

1504. Des fridaghes na sunte Marcus iß frauwe Sophia, de nagelatene wedewe hartig Magni, ene Moder Hinrici und Alberti van Mekelnborg und thor Wißmar tho den schwarten Monnecken begraven.

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Der S. Marcus=Tag, der 25. April, fiel im J. 1504 auf einen Donnerstag, also war der Freitag nach S. Marcus der 26. April. Beide Angaben werden durch die officielle Todesanzeige bestätigt; diese ist zwar nicht selbst, jedoch sind noch einige Antworten darauf vorhanden. In dem Beileidsschreiben des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg an die Herzoge Balthasar und Heinrich von Meklenburg wird Bezug genommen auf das herzogliche

"Schreybenn, das etwen dy hochgeborne furstin fraw Szophia gebornne zu Stettin Hertzogin zu Mecklnburg etc. . am freytag vorganngen, doch mit verwarung aller Sacramenten, als ein cristliche furstin von disem jamertall todtlichen abgeschiden".

Das kurfürstliche Schreiben ist von Cöln an der Spree "am tag walpurgis" datirt. Der Tag Walpurgis ward zwar gewöhnlich am 27. Febr. gefeiert, aber auch am 1. Mai. Die Feier am 1. Mai muß hier nothwendig angenommen werden; dann war der nächst vorher vergangene Freitag der 26. April. Das Beileidsschreiben des Kurfürsten Friedrich von Sachsen ist zu Torgau am Sonnabend nach Inventionis crucis, also am 4. Mai, das des Landgrafen Wilhelm von Hessen zu Cassel am Freitage nach Ascensionis domini, also am 17. Mai, datirt.

Anders redet Slagghert in seiner Chronik des Klosters Ribnitz, in welcher die Stelle nach dem plattdeutschen Originale nach einer Abschrift also lautet:

Anno M. D. IV. An deme dage Marci Froychen (?) Sophia, Hertich Magnus tho Meckelenborch naghelaten Vorstynne vnd des hochgebaren gnedigen Heren Hertich Eriche tho Pamern Dochter und Hertich Buglasses Suster und froychen Dorothea der Abdissen tho Ribbenitz er Moder, ys in Got den Herrn gestoruen vnde begrauen tho der Wysmer by den Broderen sunte Dominicus Orden vor deme hogen Altar in einem vorhauen Graue, dar up licht eyn gaten Missinges Sten myt enem groten, schonen Bilde, na er gebildet, mit eren Wapen. Desse [Vorstynne] hest gegeuen desseme Closter tho Ribbenitz in erem Testamente de alderbeste casele myt Golde dorchgeslagen vnd enem schonen Parlen Cruce vp deme Rueggen, myt ener schonen Amitten 1 ) van Parlen und Golde vnd eddelen Stenen.


1) Amita, gewöhnlich Amictus, der erste Theil des Priestergewandes, ein weißes Tuch, das Hals und Brust bedeckt.
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Slagghert setzt also den Sterbetag der Fürstin auf den Tag des Evangelisten Marcus. Dies ist der 25. April.

Eben so berichtet die lateinische Uebersetzung des Slagghert in Westphalen Mon. Ined. IV, p. 878: "Ao. 1504 in die Marci evangeliste illustrissima Sophia etc. obiit"; wohl zu merken ist, daß diese Uebersetzung die ganze Stelle von dem Grabe der Herzogin ausläßt.

Eben so lautet auch eine Aufzeichnung in einem im Archive zu Schwerin aufbewahrten Verzeichnisse fürstlicher Sterbetage aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts:

"M C IIII. am dage marci evangeliste starff Sophia, gemaell h. magni".

Da alle amtlichen urid unmittetbaren fürstlichen Quellen für den 26. April reden, so ist dieser Tag auch unbedenklich als der Sterbetag der Fürstin anzunehmen.

Albert Krantz am Schlusse seiner Bandalia, XIV, 35, giebt den Todestag der Herzogin nicht an.


B. Zur Geschichte des Hauses Meklenburg=Stargard.

4.

Ueber die Gemahlinnen des Herzogs Johann I.
von Meklenburg=Stargard.

Es sind bis jetzt zwei Gemahlinnen des Herzogs Johann I. von Meklenburg=Stargard, des Bruders des ersten Herzogs Albrecht von Meklenburg=Schwerin, bekannt: Anna, geborne Gräfin von Holstein, und Agnes, geborne Gräfin von Ruppin, verwittwete Fürstin von Werle; vgl. Rudloff. M. G. II, S. 526 (vgl. S. 457) und F. Boll Gesch. des Landes Stargard, II, S. 52 (wo unrichtig nur Rudloff, II, S. 456 citirt ist). Aus einer Stelle in einer Kriegsschadenberechnung des Ritters Otto von Dewitz vom J. 1358, die ich Boll zu seiner stargardischen Geschichte a. a. O. mitgetheilt habe:

"quum frater domini Magnopolensis duxit suan dominam"

geht hervor, daß der Herzog Johann sich im J. 1358 wieder vermählte. Die Gemahlin, mit der er sich im J. 1358 verband, wird aber nicht die zweite, sondern die dritte gewesen sein.

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Nach Rudloff starb die erste Gemahlin Anna vor dem J. 1356.

Nun habe ich eine Urkunde entdeckt, nach welcher der Herzog Johann vor dem 13. Januar 1358 eine zweiteGemahlin Rixe durch den Tod verloren hatte. Am 13. Jan. 1358 stiftete 1 ) nämlich der Herzog Johann einen Altar in der Kirche des Klosters Himmelpfort zu Messen für das Seelenheil seiner Lieben, seiner Vorfahren und seiner Nachkommen, namentlich aber der Frau Riye, welche hiebevor seine liebe Ehegenossin gewesen war ("vru Ryccien, die hierbevorne uuse lêue echtghenote 2 ) was"), endlich seines Bruders Albrecht, seiner Gemahlin und ihrer Erben. Es geht hieraus hervor, daß Herzog Johann nicht lange nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Anna († vor 1356) die Rixe wieder geheirathet, diese aber bald nach der Vermählung (vor dem 13. Jan. 1358) durch den Tod wieder verloren habe, wahrscheinlich nicht lange vor dem 13. Jan. 1358, da der Altar, wie in solchen Fällen häufig zu geschehen pflegt, wohl bei oder bald nach dem Begräbnisse gestiftet ward. Woher diese Rixe stammt, habe ich noch nicht ermitteln können; vielleicht stammte sie aus dem Hause Werle oder aus einem nordischen Hause, wo der Name Rixe gebräuchlich war.

Hierauf nahm Herzog Johann, nach der oben mitgetheilten Stelle in der Rechnung des Ritters Otto v. Dewitz noch im J. 1358, zur dritten Gemahlin die geborne Gräfin Agnes von Lindow, verwittwete Fürstin von Werle.

Der Herzog Johann I. von Meklenburg=Stargard hatte also folgende drei Gemahlinnen:

1) Anna, Gräfin von Holstein, † vor 1356.
2) Rixe (Fürstin von Werle?), 1356 † 1357.
3) Agnes, Gräfin von Lindow. 1358.

5.

Ueber das Sterbejahr des Herzogs Johann II.
von Meklenburg=Stargard.

Das Sterbejahr des Herzogs Johann II. von Meklenburg=Stargard ist bisher noch nicht bestimmt gewesen. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 570 thut dar, daß er vor dem 19. März 1417 gestorben sei; F. Boll in seiner Geschichte des Landes Stargard, II, S. 109 sagt, daß er "aller Wahr=


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
2) Auch im Holländischen heißt echtgenoot - Ehegemahl.
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"scheinlichkeit nach in dem Jahre 1416, wenigstens in den ersten Monaten des folgenden Jahres gestorben" sei. Daß er nach dem 7. Mai 1416 gestorben sei, beweiset Boll a. a. O. Es wird sich aber nachweisen lassen, daß er imJahre 1416 vor dem 9. October, also zwischen 7. Mai und 9. October 1416 gestorben ist. Am 9. Oct. 1416 schenkte 1 ) nämlich der Herzog Johann von Meklenburg=Stargard dem Kloster Himmelpfort "die Walkmühle, welche sein lieber Vater seliger Gedächtniß auf dem Stadtgraben zu Lichen bei dem fürstenbergischen Thore hatte bauen lassen und wie er und sein Vater die Mühle besessen hatten", wofür er dem Kloster die Pflicht auferlegte, für sein und seiner Vorfahren und Nachkommen Seelenheil ewig Gedächtnißfeiern zu halten. Aus dem Umstande, daß der Schenker seines Vaters mit besonders zärtlichen Worten gedenkt und eine Gedächtnißfeier für das Seelenheil der Glieder seines Hauses stiftet, glaube ich mit Sicherheit schließen zu können, daß der Schenker der Herzog Johann III. ist und der Sohn des Herzogs Johann II, der nach dem Ton der Urkunde erst vor kurzem gestorben war. Auch würden, wenn unter dem verstorbenen Vater der Herzog Johann I. hätte verstanden werden sollen, die beiden Brüder Johann II. und UIrich I. die Schenkung gemacht haben. Es wird also der Herzog Johann II. im dritten Viertheil des Jahres 1416 gestorben sein.

6.

Das Sterbejahr des Herzogs Rudolph
von Meklenburg=Stargard, Bischofs von Schwerin.

Das Sterbejahr des Schweriner Bischofs Herzogs Rudolph ist für die Genealogie sowohl der Herzoge von Meklenburg, als der Bischöfe von Schwerin von, mehrfacher Bedeutung, nicht minder das Sterbejahr seiner beiden Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle Schwerins, Namens Heinrich, Rudloff sagt in seiner Mekl. Gesch. II, S. 560, daß Rudolph im J. 1415, nach Julii 25 gestorben sei, und ich habe in den Jahrbüchern VIII, 1843, auch das Jahr 1415 als sein Sterbejahr, auf urkundliche Beweise getützt, angegeben. Dennoch sagt Boll in seiner Geschichte des Landes Stargard, II, 1847, S. 109, daß Rudolph im J. 1416 gestorben sei. Die Be=


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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weisführung für das richtige Jahr ist sehr schwierig, da aus der letzten Zeit des Bischofs Rudolph und aus der ersten Zeit seines Nachfolgers Heinrich von Nauen nur sehr wenige Urkunden vorhanden sind. Jedoch wird sich der Beweis führen lassen.

Der Bischof Rudolph läßt sich im J. 1415 durch folgende Urkunden als lebend nachweisen.

1) 1415. Febr. 5.

"Henning Reventlow verkaufft dem Capitel zu Zwerin seinen Hoff zu Wendischen Rambow, den Hinrich von Loo sein Stiefvater und Grete seine mutter besitzet, mit den darzu ligenden hufen vnd allem, waß sein Vater Gottschalck Reventlow da gehabt vnd ihm geerbet, mit richte, dienste, vor 100 Mk, lüb. Datum Zwerin 1414, im Sontage Marteti Magdalenen tage (Julii 22). Vnd ist Bischoffs Rodolphi Consens hieran gehefftet sub dato Butzow 1415 in die Agathae (Febr. 5)."

Nach Daniel Clandrians Verzeichniß der Urkunden des Stifts Schwerin; das Original der Urkunde ist nicht mehr vorhanden.

2) 1415. Febr. 22.

Lübbert Witgerver, Scholasticus des Bisthums Schwerin, stiftet eine ewige Vikarei in der Kirche zu Schwerin mit 26 Mk. Lüb. Hebungen aus dem Dorfe Driefpet, die er von dem Bischofe Rudolph gekauft hat. Datum mensis Januarii die XII, pontificatus domini Johannis papae XXIII anno quinto (v. i. 12. Jan. 1415). Diese Stiftung wird von dem Bischofe Rudolph zu Bützow am 22. Febr. 1415 und von dem schweriner Dom=Capitel am 5. April 1415 bestätigt.

Diese Urkunde ist im Auszuge gedruckt in Schröder's Pap. Meckl. II, S. 1773.

3) 1415. April 3.

Der Bischof Rudolph von Schwerin verkauft dem Kloster Doberan das Eigenthumsrecht an dem Dorfe Retschow, unter Bewilligung des Dom=Capitels zu Schwerin. "Gheuen vnde screuen tu Zwerin 1415, des mydwekens in deme paschen."

An dieser Urkunde, welche im Originale bei den Urkunden des Klosters Doberan im Schweriner Archive vorhanden ist, hängt noch des Bischofs Rudolph großes Siegel ("grote ynghzeghel") und das große Siegel des Dom=Capitels.

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Damals lebte also der Bischof Rudolph sicher noch.

4) 1415. Juli 28.

Die Herzoge Otto und Casimir von Pommern verbünden sich mit "hern Rodeloue bysscope to Zwerin" und seinen Brüdern Johann und Ulrich, Herzogen von Meklenburg=Stargard, und mit den Herzogen Johann und Albrecht von Meklenburg=Schwerin gegen die "wendeschen heren", 1415, des negesten sondages na s. Jacobes dage apostoli.

Rudolph lebte also noch am 28. Julii 1415; er konnte höchstens einige Tage oder Wochen vorher gestorben sein, wenn bei der Ausstellung dieser Urkunde die Nachricht von seinem Tode noch nicht zu den pommerschen Herzogen gelangt sein sollte. Jedenfalls kann man aber annehmen, daß er noch im Julii 1415 lebte.

Im December 1415 war Rudolph aber schon todt, "Johan vnd Albrecht Hertzogen zu Mekelnburgk stifften vnd machen eine ewige Prouenn in der Kirchen zu Zwerin, die genannt ist eine Middel=Prouen, deren verlehnung sie vnd ihren erben sich furbehalten, vnd geben darzu 24 Mk. sundischer pfenninge iarlicher gulde in den Muhlen zu Wotreutze vnd zum Brule vnd 9 Mk. lub. Bede im dorffe Jordenßhagen von den gemeinen Bauren deß dorffes. Item 2 Mk. lub. in der Bede im dorffe Meytin vff dem Buge vffzuboren alle Jar vff Michaelis. Datum Zwerin 1416 in S. Johannis Evangelisten tage in den Weinachten (d. i. 1415. Dec, 27).

und

"Lubbertus Witgherwer, scholasticus ecclesiae Zuerinensis, amministrator etc. vacante sede episcopali confirmiret vorberurte von H. Johan vnd Albrechte zu Mekelnburgk gestifftete Prouene, vnd ist Ihrer F. G. vor registrirter Fundation=brieff dieser Confirmation inserirt. Datum et actum Zwerin 1416 mensis Decembris die 27 (d. i. 1415. Dec. 27).

Diese Urkunden des Bisthums Schwerin sind nicht mehr im Originale vorhanden, aber aus den sichern Regesten Daniel Clandrian's,bekannt. Beide Urkunden sind vom 27. Dec. des Jahres 1416 datirt, d. h. nach jetziger Zeitrechnung im Jahr 1415, indem damals das Jahr mit Weihnacht begann.

Am 27. Decbr. 1415 war also der Bischof Rudolph schon todt und der Schweriner Dom=Scholasticus Lübbert Wit=

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gerwer war bei der Sedisvacanz ("vacante sede episcopali") Administrator des Bisthums Schwerin; Rudolphs Nachfolger war also noch nicht gewählt.

Lübbert Witgerwer war damals ein bekannter, thätiger Mann. Am 22. Febr. 1415 stiftete er eine Vicarei im Dome zu Schwerin, wie oben angeführt ist. Am 3. April 1415 war er Dom=Scholasticus, der älteste Domherr und Stellvertreter des abwesenden Domdechanten; der Bischof Rudolph nennt ihn in der oben angeführten doberaner Urkunde:

"Lubbert Witgherwer, oldeste dumhere, an des dekens stede, de in dem houe tu Rome ys".

(Am 22. Febr. 1415 wird "Jacobus Oem senior" genannt). Am 27. Dec. 1415 war er während der Sedisvacanz Administrator des Bisthums. Am 10. Jan. 1416 gab er, "Lubbertus Wytgherwer, scholasticus, als Testamentarius fel. Johannis Hunnendorf, zu der Vicarien präbendenbrote und zum Jungfrauenkloster Rehna 4 Mk. jahrlicher Hebungen aus dem Dorfe Steinfeld", nach Dan. Clandrian's Regesten. Ob damals schon der neue Bischof gewählt worden war, läßt sich kaum bestimmen, da Witgerwer hier nur als Testamentsvollstrecker handelte. Jedoch ist es wahrscheinlich, daß Heinrich von Nauen schon am 10. Januar 1416 zum Bischofe von Schwerin gewählt war, da sich im entgegengesetzten Falle Lübbert Witgerwer wohl noch Administrator genannt haben würde.

Am 17. Julii 1416 war aber Heinrich von Nauen sicher schon Bischof von Schwerin. An diesem Tage ("anno millesimo quadringentesimo decimo sexto") bestätigte er ("Hinricus dei et apostolice sedis gratia episcopus Zwerinensis") die Stiftung einer Vicarei in der Kirche zu Dreweskirchen durch den Priester Marquard Roberstorf. Die Ur kunde 1 ), welche im Originale vorhanden ist und ein bisher noch unbekannt gewesenes Siegel des Bischofs führt, läßt keinen Zweifel übrig.

Zu gleicher Zeit bestätigt diese Urkunde die Richtigkeit der Annahme, daß die oben angeführte Urkunde des Dom=Scholasticus Lübbert Witgerwer als Administrators vom 27. Dec 1416 in das Jahr 1415 nach unserer Zeitrechnung gesetzt werden müsse, da am 27. Dec. 1416 keine Sedisvacanz mehr sein konnte, wenn der nachfolgende Bischof Heinrich schon am 17. Julii 1416 vom päbstlichen Stuhle bestätigt war.


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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Es ist also urkundlich erwiesen, daß der Bischof und Herzog Rudolph in der zweiten Hälfte des Jahres 1415 starb.


Die Regierungszeit seiner beiden Nachfolger gleichen Namens, Heinrich II. und III, läßt sich hiernach und nach andern Bestimmungen auch ziemlich genau festsetzen.

Da am 27. Dec. 1415 noch Sedisvacanz war, so wird Heinrich II. von Nauen wohl nicht mehr in diesem Jahre gewählt sein. Man kann also wohl mit Sicherheit annehmen, daß Heinrich II. erst im J. 1416 auf den bischöflichen Stuhl gelangte. Er lebte noch am 8. September 1418 (vgl. Jahrb. VIII, S. 23, Note), und am 27. Oct. 1418, als die Herzoge von Meklenburg und die Fürsten von Werle eine Aussöhnung 1 ) schlossen; in dieser heißt es:

"An desse endracht, vrede, stukke vnde artikel vorgescreuen thee wy hern vorbenomt an beyden siden den erwerdigen an got vadere hern Hinrike van godes gnaden biscop to Zwerin, vnsen gestliken vader, alle syne nakomelinghe vad syn stichte, like vns sulven".

Im Anfange des Jahres 1419 am 8. Jan. war jedoch wieder Sedisvacanz. Lübbert Witgerwer war nach einer Original Urkunde wieder Administrator, zugleich mit Johann Lunow während derselben (vgl. Jahrb. XXI, S. 177). Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß Heinrich II. noch im J. 1418 starb. - Der Bischof Heinrich III. v. Wangelin tritt im J. 1419 öfter auf.

Man kann daher die Zeit der Regierung, oder doch wenigstens die der eigentlichen Wirksamkeit des Bischofs Heinrich II. von Nauen mit ziemlicher Sicherheit in die Zeit 1416 - 1418 setzen. Sollte der wirklich früher gewählt oder später gestorben sein, so kann der Unterschied sicher nur einige Tage ausmachen.

7.

Die Söhne des Herzogs Ulrich I.
von Meklenburg=Stargard.

Die drei älteren, im J. 1414 noch lebenden Söhne des Herzogs Johann I. von Meklenburg=Stargard: Johann II, Ulrich I. und Rudolph starben bald nach einander: Rudolph


1) Vgl. Rudloff M. G. II, S. 577, und Urkunden=Sammlung.
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gegen Ende des J. 1415 1 ), Johann in der zweiten Hälfte des J. 1416 2 ) und Ulrich am 1. April 1417. Der Herzog Johann II. hinterließ einen Sohn Johann III. und zwei Töchter Hedwig und Agnes 3 ). Der Herzog Ulrich I. hinterließ "Söhne" und eine Tochter Anna. Der Herzog nennt in seinem Testamente 4 ) vom 19. März 1417 seine Tochter Anna ("generosa domina Anna filia sua") namentlich und setzt die Herzoge von Meklenburg=Schwerin und seine Gemahlin Margarethe zu Vormündern "seiner Söhne" und seiner Töchter ("filiorum suorum et filie sue") ein. In der doberaner Genealogie 5 ) wird auch gesagt, daß Herzog Ulrich "Söhne" und Töchter (filios et filjas") gehabt habe.Auch in Staats=Urkunden aus den Jahren 1417 und 1418 werden die "Kinder", also die Söhne, des Herzogs Ulrich erwähnt. In dem Vertrage der meklenburgischen Herzoge mit den werleschen Fürsten 6 ) vom 16. Oct 1417 uber die Befreiung des Fürsten Christoph von Werle verhandeln die Herzoge Johann und Albrecht von Meklenburg=Schwerin in ihrem und "ihrer: jungen Vettern, Herzogs Johann, und Herzogs Ulrich Kinder, von Meklenburg=Stargard," Namen ("van eer iunghen vedderen weghene hertogen Johan vnde hertigen Vlrikes kynderen heren van Mekelenborch van Stargarde"). Ebenso handeln in rostocker Aussöhnung zwischen den meklenburgischen und den werleschen Fürsten vom 27. Oct. 1418: Johan vnd Albrecht (von Meklenburg=Schwerin), iunghe Johan van Stargarde vnd hertoch Vlrikes kindere, vedderen, alle ghehetten hertogen to Meklenborch", und der Rath der Stadt Schwerin sagt in der am 21. Mai 1426 vollzogenen Beglaubigung dieser Urkunde, daß sie besiegelt gewesen sei, auch "mit den ingesegelen - - van hertoge Olrikes kindere" 7 ).

Der eine (jüngere) Sohn des Herzogs Ulrich, Herzog Heinrich, erscheint in der Folge lange Zeit als regierender Herzog. Der ältere Sohn Ulrichs ist aber bisher dem Namen nach nicht bekannt gewesen.


1) Vgl. S. 72 flgd.
2) Vgl. S. 70.
3) Vgl. Jahrb. XI, S. 22.
4) Vgl. Boll Geschichte des Landes Stargard II, S. 368.
5) Vgl. Jahrb. XI, S. 22.
6) Vgl. Urkunden=Sammlung.
7) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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Rudloff sagt M. G. II, S. 570: "daß Herzog Ulrich mehrere Söhne hinterlassen habe, ist aus seinem Testamente unwidersprechlich: wie sie aber hießen, bekommt man nicht zu wissen, sondern in der Folge succedirte ihm nur sein Sohn Heinrich". Ferner sagt Rudloff a. a. O. S. 577: "daß unter "Hertoch Vlricke's Kindern" nur die im Testamente nicht nahmhaft gemachten minderjährigen Söhne verstanden werden müssen, versteht sich von selbst; deren Namen aber bleiben auch jetzt noch ein Geheimnis". In dem fürstlich=meklenburgischen Stammbaum zu der Meklenburgischen Geschichte hat Rudloff den ältern Sohn Ulrichs unter dem muthmaßlichen Namen Johann in die Genealogie eingeführt: "(Johann etc. .) einer oder mehrere Söhne, † † vor 1423", und der herzoglich meklenburgische Stammbaum zum meklenburg=schwerinschen Staatskalender hat denselben unter dem bestimmten Namen "Johann † vor 1423" aufgenommen,

Dem Vorgange Rudloff's folgt F. B. in seiner Geschichte des Landes Stargard II, S. 112, indem ersagt: "Der andere Sohn Ulrichs muß schon früher verstorben sein, ohne daß sein Name uns erhalten wäre. Indessen ist wahrscheinlich, daß er auch nach seinem Großvater Johann hieß".

Diese Vermuthung ist nun nicht begründet. Es läßt sich urkundlich nachweisen, daß Herzog Ulrich I. von Meklenburg=Stargard zwei Söhne hinterließ, welche Albrecht und Heinrich hießen. Am 22. Junii 1417 erhob nämlich zu Costnitz vor dem Reichshofgerichte der Fürst Balthasar von Werle Klage 1 ) auf den Landestheil, welchen

"die hochgebornen fursten vnd herren her Albrecht vnd her Heinrich, gebrudere, hertzogen zu Meckelnburg von Stargarden"

inne hatten. Diese sind ohne Zweifel die Söhne Herzogs Ulrich I.


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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C. Zur Geschichte des Hauses Werle.

8.

Ueber den Fürsten Barnim von Werle.

Die traurige Begebenheit des werleschen Vatermordes (1291) ist bekannt genug. Weniger bekannt ist das Schicksal der Söhne, die ihrem Vater Heinrich das Leben nahmen, und ihrer Familien. Rudloff sagt (II, S. 199) von den Vatermördern:

"Nicolaus von Werle ließ zuvörderst die Burg und Stadt Penzlin einnehmen und Heinrich II, der sich bisher noch daselbst behauptet hatte, ward nun gänzlich von Land und Leuten vertrieben. Von Gewissensbissen gefoltert, folgte er, aller Vermuthung nach, in das Vaterland seiner Gemahlin (Mechtild), H. Barnims II. zu Stettin († 1295) Tochter, und beschlos da sein Leben frühe und unvermerkt. Sein einziger Sohn Barnim wagte es nicht, die Schande, die seinen Vater bedeckte, wieder auszulöschen, sondern beweinte den Fluch seiner Familie in den einsamen Zellen des Klosters Kolbatz".

Diese Darstellung, wohl eingegeben durch die Theilnahme, welche eine solche Geschichte erweckt, scheint aber aus einzelnen Andeutungen erfunden zu sein, so wahrscheintich sie auch klingt. Der Fürst Barnim war alterdings Geistlicher, und mag auch zuerst im Kloster Colbatz gelebt haben; aber gegen das Ende seines Lebens sehen wir ihn in hohen kirchlichen Würden und in einer Thätigkeit, welche nicht gewöhnliche Krafte in Anspruch nahm. Barnim war, sicher 1330 - 1332, Propst des Dom=Capitels zu Camin und Inhaber (? "patronus") der Pfarre zu Gützkow. Sein Vorgänger war 1321 - 1322 Reimar von Wacholt. Darauf folgt "Barnim von Werle" 1330 - 1332. Bei dem Mangel an gedruckten Urkunden läßt sich die Lücke von 1322 - 1330 bis jetzt nicht füllen. In der Zeit 1330 - 1332 wird aber Barnim von Werle wenigstens fünf Male als Dompropst zu Camin aufgeführt. Nach der letzten Urkunde vom J. 1332 wird er bald gestorben sein, da 1334 - 1336 der Propst Conrad genannt wird, dem 1336 Bernhard Behr in der Regierung der Propstei folgte (sicher bis 1343).

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Es leidet keinen Zweifel, daß der "Propst Barnim von Werle" der Fürst sei. Am 25. Oct. 1331 wird er von dem Bischofe Friedrich von Camin der "edle Herr von Werle" genannt:

"nobilis et honorabilis dominus Barnym de Werle, ecclesiae nostrae praepositus ac patronus ecclesiae Gutzekowensis" 1 )

und damit gar kein Zweifel obwalten könne, nennen die Herzoge Otto und Barnim und die Herzogin Elisabeth von Pommern am 13. Dec. 1330 den caminer Dompropst Barnim von Werle ihren "lieben Oheim"

"mit anseme leven ome Barnym van Werle dem pravest" 2 ).

 

Vignette

1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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VII.

Des Herzogs Johann Albrecht I.

eigenhändiges Verzeichniß

der Landesschulden

im Jahre 1553.


No. 15 + 53 ahm

Verzeichnus.

2000 Thaler die Magdeburger
3000 Thaler Luneburger.
4000 fl. Ma.
2700 goldtf. Steffen Loitze.
          17277 Thaler facit die Summa
27880 Thaler. Nachstendiger turckenschatz, vorratt geldt, Baugeldt in Vngern, Camergerichts vnderhaltung, man wil auch fodern das hussgeldt, so andere wider die von Magdeburgk erleget, die summen alle das Camergericht botreffendt will ich achten von vnfer aller 3 wegen meines H. vattern vnd vettern H. Hinriches seligen vnd meinent wegen
500000 floren muntz
3000 Thaler, Den Hamburgern von Hertzog Hmrich seligen wegen vff dissen vmbschlag zu entrichten
3000 Thaler, Meines brudern Hertzog Jürgen seligen schulde, so ehr im niderlande vfgelehenet vnd alhie im Lande zu thun schuldigk worden, zum winzigsten.
13632 Thaler, Bastian Wadnitz hatt 170 Pf., 14 wagen, 3 Rotmeister, 3 schmide, 1 furirer. Der Ritmeister hat seinen gulden. Facit vff 5 monde vnd einen fur abzugk
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1000 Thafer vff die muntz verleget, welche ausgabe der muntzmeister zu berechnen weyß.
98425 fl. Vff den heussern verpfandet vnd versetzet.
40000 fl. Schuldt so man aus der Camer verrenten mus.
70000 fl. Gemeine schuldt laut brissen vnd fygelen denen kaufleuten vnd andern.
90000 fl. kreygeskosten vnd vffgangk.

Disser Zedel soll zu meiner ankunfft widerumb rein abgeschriben werden.


Nach der eigenhändigen Aufzeichnung des Herzogs Johann Albrecht I. im großherzoglich meklenburgischen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin. Es giebt über die fürstlichen Schulden im 16. Jahrh. Zwar sehr viele Acten. Das vorstehende Actenstück ist aber sehr wichtig, da es ungefähr ein Jahr nach dem Regierungsantritte des Herzogs Johann Albrecht I. und nach Vollendung des oberländischen Krieges geschrieben ist, also den besten Anhaltspunkt zur Beurtheilung dieser wichtigen Angelegenheit giebt.

G. C. F. Lisch.     

 

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VIII.

Ueber

den lübecker Martensmann,

von

G. C. F. Lisch


D ie Stadt Lübeck war früher bekanntlich verpflichtet, alljährlich am "Martini Tage", am 10. November, nachmittags nach 1 Uhr, eine Tonne oder ein Ohm rheinischen Most durch einen Rathsdiener unter vielen Ceremonien an das herzoglich meklenburgische Hoflager im Schlosse zu Schwerin zu liefern, woher der Ueberbringer auch der "Martensmann" genannt ward. Die ganze Geschichte, welche viele noch jetzt lebende Leute noch erlebt haben, ist in allen sonderbaren Einzelnheiten, welche im Laufe kleinlicher Zeiten und bei mangelndem Bewußtsein des Ursprunges der Abgabe ohne Zweifel vielfach ins Kleinliche ausgebildet waren, im ganzen Lande bekannt genug, und es ist viel darüber geschrieben und gedruckt Köpken schrieb eine Abhandlung über den Martensmann ("Solennia Martinalia Sverinensia"), welche v. Westphalen in Mon. Ined., 1740, II, p. 2393 flgd. hat drucken lassen, worauf v. Westphalen selbst in Mon. ined., 1742, IV, Praef. P. 1 flgd. die Sache behandelt hat. Der Geheime Rath J. P. Schmidt hat die wichtigsten Nachrichten in Abschriften gesammelt und die Disposition zu einer Abhandlung ("Sciagraphia dissertationis historicae etc.") entworfen, handschriftlich in der Regierungs=Bibliothek. Eine ausführliche gedruckte Schrift ist: "Mark's Geschichte vom Martini=Abend und Martins=Mann, Hamburg und Güstrow, 1772". Nicht lange darauf, um das Jahr 1783, erschien eine "Ausführliche Geschichte des Lübecker Martensmannes", ohne Angabe des Verfassers, des Druckortes und Jahres. In den neuesten Zeiten hat v. Lützow Mecklenb. Geschichte II, S. 463 - 464 eine Uebersicht gegeben.

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Die Sache wäre jetzt vielleicht nicht mehr der Rede werth, wenn sie nicht in den allerneuesten Zeiten wieder aufgefrischt worden wäre. In den beiden zu Schwerin erscheinenden Zeitungen (dem "Norddeutscheu Correspondenten" und der "Mecklenburgischen Zeitung") ist am 10. November 1857 die Sache wieder ins Gedächtniß gerufen und behauptet, die Abgabe am 10. November sei zu Ehren des Reformators Dr. Martin Luther geschehen, Nach einer von mir am Abend des 10. Novbr. 1857 im engern Kreise des Schweriner Künstlervereins gehaltenen heitern geschichtlichen Tischrede, in welcher ich den Irrthum dieser Annahme nachzuweisen mich bemühte, ist meine Ansicht in dem "Norddeutschen Correspondenten" vom 12. November verworfen und es ist daselbst wiederholt gesagt: "daß man nicht Veranlassung gehabt habe, bei der Erinnerung an eine in einer lutherischen Stadt celebrirte, auf den 10. Nov, fallende Volksfestlichkeit, in Betreff welcher weder urkundliche Kunde (?), noch Tradition (? ?), sondern höchstens (?) eine unbestimmte Analogie (?) auf den heiligen Martin von Tours "zurückweise, sich auf den Boden (?) der katholischen Kirche zu "stellen und deren Heiligenkalender für uns maßgebend (?) zu machen. Das alte Schwerin der lutherischen Zeit habe die Festivität des Martensmannes gewiß nicht (??) als an den Vigilien des Festes eines katholischen Heiligen gefeiert, sondern der Tag weise auf Doctor Martin Luther".

Nicht um einen nutzlosen Streit anzufangen, sondern um den Stand der Forschung festzustellen und zur Kritik der früheren Forschungen die Sache in die geschichtlichen Rechtsalterthümer einzuführen, wähle ich die Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte, um hier meine bis jetzt unbekannten Forschungen niederzulegen.

Es giebt ietzt im Kalender drei Martins=Tage, welche im Monate November unmittelbar auf einander folgen: der 10. November der Geburtstag des Dr. Martin Luther, der 11. November der Tag des Heil. Martin des Bischofs, der 12. Novbr. der Tag des Heil. Martin des Papstes. Von diesen drei Tagen ist der Tag des Heil. Martin des Bischofs (seit dem 4. Jahrhundert), am 11. Novbr., des Wohlthäters der Armen, der älteste und wichtigste und erlangte im Geschäftsleben schon früh weit und breit eine große Berühmtheit. S. Martins Symbol war die Gans; daneben war er Patron der Trinker. Da nun sein Tag in die Zeit fiel, wo schon hinreichend Korn gedroschen war, und die Gänse fett wurden, so ward der Tag "Martini" schon früh der Tag der Ablieferung von Naturalabgaben, namentlich an

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die Geistlichkeit: es wurden die fetten Gänfe und die ausgewachsenen Hühner, die Kornabgaben u. s. w. geliefert und der Tag Martini überhaupt ein landesüblicher Lieferungs= und Zahlungstermin. Zahllose mittelalterliche Urkunden beweisen, daß der Tag Martini ein weit verbreiteter Zahlungstermin oder "Umschlag" war. Noch heute ist an vielen Orten Martini der Tag für die Leistung von Abgaben oder für die Werthbestimmuug derselben und überhaupt noch ein Termin für bestimmte Geschäfte. Da nun so viele günstige Umstände zusammentrafen, so konnte es nicht fehlen, daß seit alter Zeit der Tag Martini 1 ) und der Abend vorher durch Trinkgelage und Schmausereien, wobei die fette "Martinsgans" eine Hauptrolle spielte, gefeiert ward.

Es ist aus allen diesen Gründen, deren Darlegung hier unnöthig ist, unmöglich, anzunehmen, daß der Geburtstag des Dr. Martin Luther die Veranlassung zu diesen uralten Gebräuchen geworden sei; die protestantische Kirche und das protestantische Volk würden sich auch entschieden geweigert haben, das Fest ihres Reformators auf diese Weise zu begehen. Und doch, wird man sagen, muß es auffallend sein, daß die Stadt Lübeck am 10. Nov., also am Tage Martin Luthers, den rheinischen Most in Schwerin zu liefern verpflichtet war.

Znr Lüftung des Schleiers, welcher über dieser Sache ruhet, wird es nothwendig sein, zuvor unsere bewährtesten Geschichtsforscher zu befragen. Die gesammelten Acten des schweriner Archivs über den Martensmann gehen nur bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück und enthalten über den Ursprung der lübecker Abgabe nichts. Der Geheime Rath J. P. Schmidt, ein bewährter Forscher, welcher die Archiv=Acten studirt hat, sagt: "Die ältesten Nachrichten von dieser Feyerlichkeit gehen nur bis in das Jahr 1567"; Rudloff kommt in seiner Meklenb. Geschichte III, 1, S. 343, nur bis zum J. 1550 zurück (vgl. III, 2, S. 240); v. Lützow sagt in seiner Meklenb. Geschichte II, S. 464, daß es "darüber keine historische Gewißheit giebt - - und Grund und Entstehungszeit schon im 16. Jahrhundert nicht bekannt waren". Es hilft also nicht, die bisherigen Angaben und Vermuthungen kritisch zu prüfen.


1) Noch im J. 1772 sagt Mark: "Der sogenannte Martini=Abend, welcher an sehr vielen Orten und besonders namentlich in meiner Vaterstadt Schwerin nicht nur dem Hefen des Pöbels, sondern selbst den Pallästen der Großen sogar feyerlich ist, verdient billig einige Aufmerksamkeit". J. P. Schmidt schreibt: "Rostochii blasen die "Stadt=Musicanten hoc die vor allen Häusern den Martin aus".
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Es ist die Frage, ob es keine ältere Nachrichten giebt, als die bisher bekannten. Und hier kann ich eine sichere Nachricht mittheilen, welche wenigstens den Tag der Lieferung in das richtige Licht stellt und den Dr. Martin Luther aus dem Spiele bringt.

Bei der Landestheilung zwischen den Herzogen Heinriich und Albrecht im Jahre 1520 wird in dem Auseinandersetzungsverzeichnisse gesagt:

Landestheilungsprotocoll vom Jahre 1520.

"Item so ist noch bis Nachgeschrieben vber vorgeschriebenne Summa von einem kuchemeister zu Swerin jerlich auszugebenn, auch jdern fursten die helfte zu entrichten vnnd die vorerung geteylt zu entphangenn zugeschlagen:
I marck vnnd ein wilt Swein oder feisten wiltpredes dene, die den wein von Lubeck brenngenn vff Sant Martens Abent ."

In dem diesem Landestheilungs=Register angehängten alten Landbuche des Amtes Schwerin heißt es:

"Stadt Lubbeke gifft alle jar
I T. Rinischen must vpp Martini, dar sich de fursten woll werden vmme vordragen".

Dieses Landbuch ist ohne Zweifel das von Rudloff M. G. I, 1, S. 343, Note 4 erwähnte "Schwerinsche Amts=Buch von 1550", welches in verschiedenen jüngeren Abschriften, z. B. von 1550, 1560 u.s.w., vorkommt, in den Archiv=Acten und bei der Landestheilung von 1520 aber unter der Bezeichnung des "alten Landbuches" erwähnt wird und jedenfalls älter ist, als 1520, vielmehr nach manchen Andeutungen aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts stammt.

Aus dieser Nachricht geht unzweifelhaft hervor, daß bei dem Lieferungstermine nur an den Tag des Heiligen Martin des Bischofs gedacht werden kann, um so mehr, da ausdrücklich "Sant Marten" genannt ist. Es kann keinem Menschen einfallen, daß dabei an den jungen Martin Luther gedacht werden könne, da Luther im Jahre 1520 noch keine bedeutende Autorität, viel weniger "heilig" gesprochen war. In frühern Zeiten ist es auch immer angenommen, daß der Martens=Mann von dem Heil. Martin dem Bischofe seinen Namen habe, und nicht von Martin Luther, z. B. Mark a. a. O. S. 5 nimmt im J. 1772 den Dr. Martin Luther sehr bestimmt gegen alle diejenigen in Schutz, welche von seinem Namen die Benennung Martensmann herleiten wollen, was allerdings in den letzten Jahrhunderten oft geschehen ist.

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Zugleich geht aber auch aus der alten Nachricht von 1520 klar hervor, warum die Weinlieferung am 10. Novbr., und nicht am Tage des H. Martin 11. Novbr. geschehen mußte. Es wird ausdrücklich gesagt, daß der Wein

"vff Sant Martens Abent"

geliefert werden müsse. Dies ist auch zu allen Zeiten immer festgehalten. So z. B. sprechen Burgemeister und Rath der Stadt Lubeck im J. 1592 von

"einer Ohme Reinischen Mostes, die sie jarlichen auf das Hauß Schwerin den Abendt Martini solten zu schickenn schuldig und pflichtig sein",

und das Landestheilungs=Inventarium vom J. 1610 berichtet:

"Alhie wirtt auch pillig erwehnett, daß einen Hochweisen Rahtt vonn Lübeck iherlich auf Martini=Abendt zwischen zwolff vnnd Einn Uhr nach Mittage altem herkommen nach durch dero Diener vnnd Rotrock Eine Ohme Neuwen Weinmost aufs furstliche Hauß Schwerin liefern laßenn",

und so weiter unzählige Male.

Der "Abend" ist aber zur katholischen Zeit immer der Abend vor einem Tage, die vigilia, der Abend des kirchlichen und gerichtlichen Tages, welcher von 12 Uhr Mittags ging wie noch heute der Sonna6end (d. i. Sonntagsabend): der Abend vor dem Sonntage, der heilige Abend: der Abend vor dem Weihnachtstage ist, u.s.w.; keinesweges aber darf man je den Abend des Sonnentages darunter verstehen. Daher war der Abend Martini: der Nachmittag des 10. Novembers. Aus diesem Grunde erklärt es sich auch, daß der Lübecker Martensmann den Most nicht vor 12 Uhr Mittags des 10. Novbr., sondern am Nachmittage des 10. Novbr., wie es in alten Acten heißt zwischen 1 und 3 Uhr, am Abend Martini, abliefern mußte. Es wurden auch sehr viele Lieferungen schon am Abend Martini, d. h. vor S. Martinstag, geleistet, und die Festfreude ward vorzüglich am Abend vor dem Tage gefeiert, wie denn überhaupt der Abend vor dem Feste oder die Vigilie mehrzu weltlichen Festlichkeiten benutzt ward und wird, als der Festtag selbst, der um 12 Uhr Mittags aufhört, wie denn z. B. auch die Juden ihren Sabbath=Abend am Freitag=Abend feiern.

Es ist also ein reiner Zufall, daß der Geburtstag Dr. Martin Luthers auf den 10. November und mit der Vigilie des Tages des Heiligen Martin zusammenfiel. Der Martensmann aber hat mit dem Dr. Martin Luther nichts zu schaffen.

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Was aber die Mostlieferung zu bedeuten habe, darüber findet sich seine bestimmte Nachricht; es wird in frühen Zeiten nur wiederholt gesagt, daß die Lieferung ein "alter" Gebrauch sei, und es ist gewiß, daß die "Entstehungszeit schon im 16. Jahrhundert nicht mehr bekannt" war. Ich glaube mit Andern, daß die Lieferung ein Zeichen der Anerkennung, eine Recognition für irgend eine Oberherrlichkeit war. Dergleichen Recognitionen waren sehr häufig und gewöhnlich, als symbolische Zeichen nur von geringem Werthe und sehr häufig nicht durch Urkunden verbürgt. Auch v. Lützow M. G. II, S. 464, ist dieser Ansicht und führt mehrere Leistungen dieser Art auf; z. B. der Erzbischof von Cölln mußte seit dem J. 1223 den Grafen von Schwerin und Danneberg jährlich 15 Fässer Wein am Martini=Tage für geleistete Dienste liefern; das Kloster Reinfelden hatte den Herzogen von Meklenburg jährlich zu "Fastelabend" zwei fette Ochsen "nach alter gewohnter Weise" in die Hofküche zu liefern u.s.w. Diese Leistungen sind durch Urkunden verbürgt.

Ich füge noch folgende merkwürdige Leistungen hinzu, welche größtentheils nur aus gelegentlichen Aeußerungen zu erkennen sind.

Das Kloster Dargun hatte die pommerschen Burgen Demmin und Cummerow mit Fischen, Brot, Käse und Schuhen zu recognosciren, nach einem Zeugenverhör aus dem 16. Jahrhundert:

"Wahr das daher angeregtes Kloster Dargun vor alters vber 10. 20. 30. 40. 50. 60. 70. 80, iha hundert und mehr Jhar nicht allein das hauß vor Demmin, sondern auch daß hauß Cummerow, welche beide fürstliche Pommersche heuser gewesen, mit Rotschar, Weigelbrot, Khese, Schuhen recognosciren mussen vnd noch auf diesen heutigen tagck recognosciret".

Das Kloster Doberan mußte als Recognition für den in der Stadt Rostock gelegenen Doberaner Hof

"dem ganzen Rathe der Stadt Rostock jährlich einen feisten Bären verehren"

(vgl. Neue Rostocker Wöchentl. Nachr. 1840, Nr. 47, S. 227, aus den Rathsverhandlungen von 1558 - 1599). Unter einem "Bären" ist wohl ein Eber zu verstehen, da der Ausdruck "Behre" für Eber früher, auch in der Schriftsprache, in Meklenburg ganz allgemein war und noch heute in der Volkssprache gilt.

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Das Dom=Capitel zu Ratzeburg hatte den Grafen von Schwerin

"jährlich 16 Ellen Tuch und ein Paar Socken" für die Beschirmung des Landes Wittenburg zu liefern, welche Lieferung schon im J. 1398 den Herzogen von Meklenburg für 100 Mark abgelöset ward (nach einer Urkunde).

Die Stadt Wismar mußte den Herzogen von Meklenburg jährlich am ersten Adent=Abend (oder: um "Martini") eine Tonne Schonischen Hering und den Schloßbeamten hölzerne Becher und ein Weißbrot darbringen; die Ueberbringung von hölzernen Bechern und Weißbrot an die Schloßbeamten geschah auch am Donnerstag vor Fastnacht. Das alte schweriner Landbuch aus dem Anfange des 16. Jahrh. sagt:

(Stadt) "Wißmar" (gifft alle jar): "I T. Schonschen Hering gegen den aduent, krigen de fursten famptlich"

und das Landestheilungsregister von 1520 führt als Ausgabe auf:

"VIII ß, den Hausdienern von der Wysmar, die eine Tune Schonischen Hering brengen".

Ferner sagt das alte Landbuch:

"Item de Wißmarschen geuen ock gegen Martini etzliche witte beker vnd krudebrodt" 1 )

und das Landestheilungsregister von 1520:

"II mark den reytenden dienern von der Wysmar, die das Weissebroth vnd holtzenbecher 2 ) brengen".

Im Landestheilungs=Inventarium vom J. 1610 heißt es:

                      "Die Wißmarischen.
Von dem Rathe zur Wißmer wirtt jerlich vffen "Aduent=Abent dem f. Hause Schwerin eine Thonne heringk vnd den f. beampten, als dem


1) Krudebrodt ist wohl - Weißbrot mit Gewürzen, Rosinen etc. ., also - Kuchen. Das plattdeutsche Wort Krüde, wohl gleich mit Kraut, Kräutern, bezeichnet jetzt vorzüglich einen Fruchtbrei oder Obstbrei. In früheren Zeiten, als man noch mehr einheimische, als ausländische Kräuter gebrauchte, bezeichnete man mit dem Worte Kraut: die Gewürze oder Specereien. Daher heißt heute wohl noch ein "Materialienhändler" - "Krutkramer" und ein Gewürzladen hieß: "Krutkram". Vielleicht kommt daher das Adjectiv krüdsch, das von einem Menschen gebraucht wird, der nicht gewöhnliche Speisen mag, sondern in den Speisen wählerisch ist.
2) Hölzerne Becher waren noch im 16. Jahrh. gebräuchlich. Es giebt aus dieser Zeit noch sehr zierlich und fest gearbeitete hölzerne Becher, welche sogar sauber mit Silber eingefaßt sind. Auch waren hölzerne Teller und Löffel sehr verbreitet.
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"heubtman 2 Krudebroth vnd 2 holzerne Becher, dem kuchmeister, dem Schreiber, dem Haußvogtt, dem Schlueter vnd dem Koch auch 2 Krudebroth vnd 2 holtzerne becher gebracht"

und:

"Vff Fastnacht wirtt nur schlichter dinge von den Wißemarischen deme heubtman, dem Kuchmeister, dem schreiber, dem haußvogte vnd dem Koche das Krudebroth vnd die holtzerne becher dargebracht".

Diese Lieferung hörte mit dem Uebergange der Stadt Wismar an die Krone Schwedens 1648 auf. In dem Amtsbuche des Amtes Schwerin vom J. 1654 heißt es:

"Die Stadt Wißmar hat vor diesem den ersten Advent jehrlich eine Thonne Schonischen heringk vnd den Ambtleuten Krudebrodt vnd etliche weiße holtzerne becher mit hubelspohnen gefüllet gegeben;
diese Stadt hat auch den Donnerstag vor Fastnacht den Ambtleuten Krudebrodt vnd weiße holtzerne Becher mit hubelspohnen gebracht;
welches alles aber auff Advent 1649 vnd Faßnacht ao. 1650 die Stadt Wißmar daher, daß sie unter der Schwedischen gewalt kommen, letztmahls vnd nicht weiters gegeben hat".

In Schröders Geschichte der Stadt und Herrschaft Wismar, 1743, S. 137, erscheint diese Sache schon als dunkle Sage.

Aus diesen Beispielen wird sich schließen lassen, daß solche kleine Leistungen nur Recognitionen zur Anerkennung von Hoheits= oder Schirmrechten waren.

Wofür nun Lübeck den Rheinmost geliefert habe, ist wohl eben so wenig zu ermitteln, als sich der Ursprung der meisten Abgaben dieser Art ergründen läßt; sie verlieren sich gewöhnlich in eine so ferne Zeit, daß Urkunden darüber selten erhalten oder ausgestellt sind. Es sind sehr viele Erklärungen der lübecker Verpflichtung ersonnen; es läßt sich aber keine einzige erweisen, und manche von den Erklärungen sind auch zuverlässig falsch, da der Ursprung oft in zu jungen Zeiten gesucht wird. Die meisten Erklärungen gehen dahin, daß die Mostlieferung mit der Beschirmung der Stadt Lübeck durch die Herzoge von Meklenburg zusammenhange. Lübeck ward in den letzten wendischen Zeiten bis zur Erhebung zu einer Reichsstadt zu Meklenburg gerechnet und die Stadt stand späterhin bis auf die neuesten Zeiten immer in dem innigsten Verkehr mit Meklenburg, so daß sich endlich eine Schirmherr

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schaft der meklenburgischen Fürsten daraus entwickelte. Die ältesten und älteren Urkunden der Stadt Lübeck liegen jetzt gedruckt vor und man kann wenigstens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts den Gang einigermaßen verfolgen. Nachdem im 13. Jahrh. öfter über die Schirmvogtei verhandelt war, übernahm am 29. Sept. 1291 der Fürst Heinrich II. von Meklenburg die Beschirmung der Stadt (vgl. Lübeker Urk. Buch I, Nr. 583). Darauf erscheint aber der Graf Gerhard II. von Holstein am 1. Jul. 1304 als Schirmherr der Stadt (vgl. II, Nr. 176). Im Jahre 1306 hatten die Herzoge Erich I. und Albrecht II. von Sachsen=Lauenburg die Schirmvogtei auf 5 Jahre übernommen (vgl. II, Nr. 259, und Nr. 228, 258 und 259). Darauf erscheint der König Erich Menved von Dänemark als Schirmherr (vgl. Nr. 250, 325, 328, 330, 331, 334, 337, 341, 347 und 360). Vom Jahre 1321 erscheinen die Fürsten von Meklenburg wieder als Schirmherren; am 9. Junii 1321 quittirt der Fürst Erich von Meklenburg zuerst wieder über das Schirmgeld von 300 Mart halbjahrlich (vgl. Nr. 417) und erscheint in den nächsten Jahren als Schirmherr (vgl. Nr. 424, 430 und 434). Am 28. Junii 1336 übernahm der junge Fürst Albrecht von Meklenburg die Schirmvogtei auf 2 Jahre für 750 Mark jährlich (vgl. Nr. 633). Der junge Fürst war so eben volljährig geworden und mit seiner jungen Gemahlin auf der Seefahrt nach Schweden zu der Krönung seines Schwagers 1 ) begriffen. Am 23. Junii 1336 erscheint er vor der Reise zuletzt im Hafen von Warnemünde. Die Uebernahme der lübecker Schirmvogtei durch den Jüngling ist um so wichtiger, als er diese am 28. Junii 1336 übernahm und am 29. Junii zu Lübeck über das Schirmgeld quittirte (vgl. II, Nr. 634); er scheint also vorher noch in Lübeck gewesen zu sein. Am 17. Junii und 30. Nov. 1337 quittirte er über das Schirmgeld (vgl., Nr. 651 und 663). Am 11. Aug. 1342 übernahmen die Fürsten Albrecht und Johann von Meklenburg wiederum die Schirmvogtei Lübecks auf 3 Jahre für 200 Mk. reinen Silbers jährlich und quittirten am 5. Jan. 1344 und 27. Februar 1345 über das Schirmgeld (vgl. Nr. 788 und 824). Da die Urkunden noch nicht weiter gedruckt sind, so läßt sich der Fortgang noch nicht weiter verfolgen. Die Stadt Lübeck blieb aber, wie es scheint, von jetzt an ununterbrochen unter der Beschirmung der Herzoge von Meklenburg, bis die


1) Vgl. Jahrbücher VII, S. 22 und 31 flgd.
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Zahlung des Schirmgeldes im J. 1528 aufhörte (vgl. Rudloff I, 1, S., 55 und 342).

Es läßt sich zwar durch nichts beweisen, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß der lübecker Martensmann mit der Schirmvogtei zusammenhing.

Ungefähr so ist auch die Ansicht des Geheimen Raths J. P. Schmidt, welcher meint, daß die Weinlieferung zwar einer Lehns=Recognition gleiche, aber wahrscheinlich ein Aequivalent für die Reichssteller sei, welche die Kaiser oft anderen Fürsten cedirten. ("Ego crederem, quod haec praestatio sit stura civitatis Lubeck, Imperatori olim debita", - Sed Imperatores ejusmodi praestationes saepius ad alios transtulerunt"). Diese Cedirung der Reichssteuer hat nach den vorliegenden gedruckten Urkunden zwar allerdings ihre Richtigkeit: man vgl. Lübecker Urkunden=Buch I, Nr. 432 und 433, und vgl. Nr. 439. Ich möchte aber der Ansicht sein, daß die Reichssteuer nicht gegen eine so geringfügige Recognition aufgehoben ward.

Die Sendung des Martensmanns ward im Jahre 1817 aufgehoben. Am 6./11. Februar 1817 schlossen der Großherzog Friedrich Franz und die Stadt Lübeck einen Vertrag, nach welchem der Großherzog auf die jährlich am "Martini=Tage" zu leistende Weinlieferung verzichtete, die Stadt Lübeck dagegen die von der schwedischen Regierung ihr überlassenen Rechte an dem "Postritt" (seit 1724) und an der "Postfahrt" (seit 1683) von Lübeck nach Wismar aufgab.

 

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IX.

Tagebuch

über

den Reichstag zu Regensburg 1532,

mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch


Nigedtidinge ßo to Regensborch vorgelopen

I tem am 15 in Julio fynth hyr dorch getagen III fenlin knechte, quemen vthe dem lande tho Wirtenberch.

Item diffuluygen dages voren ock II fenlin knechte de Dunow dael vor der stadt auer.

Item noch III fenlin knechte vthe dem badenße togen dar dorch.

Item Ke. Mtt. hefft XX M Spanniolin vnde Italianer tho vote vnde II M to perde, diefuluigen lude dorch des artzebiscuppes von Saltzborch, biscup van Passow, hertogen van Beygerenn lande passirnn zu lathenn, hefft Ke. Mtt. an difuluigen heyn gheschreuen.

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Item am 20 in Julio frech ick egentliche kuntschaft, dat Ke. vnde Koninglike Mtt. by eyn ander worden, hebbenn III mael hundert dußent, XXIIII dußent mhan.

Item am 22 in Julio is die Romische koniug myth der koninginnen vnde ehren Junckfruwen to dem kaißer in dath bath gereden, vm affchet vnde vorloff tho nemende. Alße sie widerumme van dar togenn, is Ke. Mtt. myth ohn to Regensborch geredenn vnde de koninginne vor dat pallaß gebrachtvnde widerumme nha dem bade geredenn.

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Item am 26. Julii synth an Keye. vnde Koniglichlike Mtt. Wissze tidinge ghekamen, wo des Turcken beyde auerste houetlude alße Inbrahim Bassa vnde Machumet Bech myth IIł M schepe tho Ouen ingekamen vnde dat floeth van dem houethman myth ohrer gwarden ingenamen.

Item deffuluigen dages is Ke. Mtt. die Dunow dael tho Regensborch ingekamen.

Don suluest quemen hyr tydinge, wo des feyßers vnde koninges sold in Hungeren denn Turckenn bauen IIII M mhan affgeslagen vnde ohn den Turckenn vele dußend houedt quekes grodt vnde fleyn genamen.

Item die Turcke ligt vp gunne fyth Quen.

Item am 27 in Julio hefft Marckgraue Jurgenn van Norenberg syne knechte hyr durch geschycketh. Dessuluigen bages synth hyr vele knechte by I, II C , LXX, LXXX dorch gegan, wo fast alle dage schuth.

Item vppe den auenth tho IIII slegenn hefft Ke. Mtt. alle Stende vppe dath Rathus (welches ganß tapper myth gulden stuckenn vnde andern schonen tapeten vth staffirct, eyn vor den keißer, eyn vor den koning,) boschedenn. Vm feygers V synth vor dem kaißer vnde Romischen koninge her getagenn alle spanniotischen hern ganz prengisch vnde staetlich, dar nha die beyden Sceptern oder sulen, her Hans van Planitze, des Churfursten gheschickede van Sasszenn forde dat swert, alle tho perde. Alße ohre Mtt. vppe dath Radthus quemen, gyngen sie strax sittenn, wo ock Churfursten vnde fursten Rethe eyn jeder in syner Session. Dar nha hefft Doctor Mathias eyne kleine Rede gedann, alße dath Ke. Mtt. Churfursten, fursten vnde derselbigen gesantten gnedige dancksagunge gedan, dath sich dieselbigen sich alße ghehorsamelich ertoget vnde vff dem Ridsdach erschenen vnde neuenst ohre Mtt. flitigestes Inßenth ghehath, das alle dynck to eynem guden beflute gekamen vnde vullentagen. Dewyle nhu derselbige affschit gefertiget vnde versegelt, waren ohre Mtt. denselbigen offintlich leßen tho latende bedacht etc. . Dar nha ns van einem virkanten betapeten disck, dar by Doctor Casparus Wischausen, Mensische Cantzeler, Doctor Valentinus Tetline (?) vnde Doctor Laurens gesetenn, Doctor Wishausen vp gestanden vnde eyne Copie ader affcryfft in fyuen henden gehath vnde Doctor Laurens dath original vorsegelt vnde den asschith offentlich daruth geleßen, welker wol yn de drudde stunde ghewaret. Alße nhu desuluige asschidt geleßenn, hefft ouermals Doctor Mathias vth beuel Ke. Mtt. III puncte den stenden offentlich vorgedragen. Erstlich wo sich todragende worde, dath ohre Mtt. nha dem Tur=

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ckentoge widerumme in Hispanien fick geuende worbe, dath alße denne Churfursten, fursten vnde gemeyne Stende dem erwelten gekronten Romischen koninge ohrem fken. leuen broder alße Stadthalter gehorßam leisten etc. . Tom andern wolden ohre Mtt. sich vorßen, dat Churfursten, fursten vnde Stenbe ben affschit alßo wo beslaten, vorsegelt vnde bewilliget vastichlich holden worden vnde in alten bewilligten fick ghehorsamlich ertogenn vnde by ohren hern Churfursten vnbe fursten verschaffen, dat de Turckenhulffe vppe dath iligiste synen vortganck muge ghewynnen. Tom brudden diewhle ber prosandtmeister halnen noch nichtes egentlichsks beslaten vnbe dasselbige ohre Mtt. togestellet, ßo hadde ohre Mtt. myth dem biscup van Passow ghehandelt, ock handeln lasszenn, in touorsicht, datsuluyge tho beholdende, wo auerst nycht, dath alße denne Churfursten, fursten vnde Stende dar tho neuenst syne Mtt. muchten gedencken, datsuluige ohren Churfursten vnde fursten antogen vnde widerumme Ke. Mtt. eyn scrifftlich anthwerth tostellen, damyt sich Churfursten, furften bodescup vnterredet vnde nach vnderredinghe dorch den Mensischen Cantzeler Caspar Wißhaußen anthwerth geuen lathcn vnde die article in scryfft tostellende gebedenn, alße denne wolden Churfursten, fursten bodescup desuluigen ohren Chur= vnde fken. gnaden tostellen. Dar nha synth ohre Mtt. beide wedder vp gestanden vnde nha dem pallassz geredenn, [ouerst de artickel synt nycht in scyfft gestellet worden] 1 ).Item des anderen dages alße Sondages am 28 in Julio hefft Ke. Mtt. eyn statlike processie im dome thorichten lathenn myth allen geystlichen, ßo in der Stabs tho Regenßborch, vnde dath koer myt schonen gulden stucken vnde andern tapeten behengen taten, ock dath lectrum. Vm sygers VIII is Ke. Mtt. myth synem broder dem Romischen koninge vnde bem jungen prynß tho Dennemarken vthe dem pallaß gereden in statlyler ordeninge, alle spanniolische heren vor her, dar nha die beyden Columnen odder sceptra (ouerst dat swerth worth nycht gheuoret, indeme her Hans van Planitze euangelisch vnde de her van Papenheym nycht tor stede, sunder myt krankheyt beladen); dar nha toch de junge prynß van Dennemarcken, dar nha keyßer vnbe koning, dar nha warth Campegius gedragen, dar nha orator pontificis Pimpinellus myt dem archiepiscopo Barensi vth Hispanien, dar nha episcopus Cameracensis myt vilen andern spanniolischen Biscuppen vnde Magnaten. Alße nhu


1) [ ] späterer Nachtrag, mit anderer Dinte geschrieben.
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ohre Mtt. in den Dom quemen, gyngen ohre Mtt. vorth vppe dat lectrum. In dem stich vppe dem predickstoel eyn swart monnick prediker ordens, eyn vast wol gheschickede mhan, sede erstlich dat Euangelium myt eyner korten vtlegginge, dar nha worumme Ke. Mtt. dat hilike ampt vnde processie angestellet, alße dewyle vnßer alle Erbsigendt stark myt aller macht vp, Hungern vnde gantz dusche nation auertotende vnde dat Cristen bloeth to uordelgende, were syn Mtt. sampt Romische Ke. Mtt. synem broder, Churfursten, furften vnde gantze Rathe demselbigen Erbsigendt widertostreuende bedacht, welkes ohre Mtt. nycht vth ohrer macht ader ghewaldt to donde moglich hedden, verhaluen ßodane ampte vnde processie angestellet, den almechtigen vm fyne gnade to gunde antoropende, daryn fick eyn jeder Schulde beflitigen. Na dem ßermone synth alle ampte bynnen Regensborch myth ohren bomen, lichten, sanen vorher vth der kerken gegan; dar nha folgeden die Augustiner, dar nha die Minores, praedicatores, Benedictiner, dar nha de heren van sunte Emernn, dar nha volgeden Scholer vnde alle prester vnde domherenn, dar nha des keysers senger, dar nha alle spanniolischen, hungerschen, bemischen heren, eyn jeder myth eyner torße, dar na Elemosinarii, Lefiten und Episcopi, Archiepiscopi, dar nha de beyden Columnen ader sceptra. Vppe der fiden der processien gyngen alle k. vnde ko. Mtt. Drabanten. De borgermeister vnde Radspersonen drogen die pawlun ader den himel; dar by her gyngen borgermeisters, radtlude, myt sundergen stocken versuluert. Cristophorus Welßer, domprawest tho Regensborch, droch dat Sacramenth; dar by gyngen duck de Alua, eyn spanniol, vnde prynß van salern vth Neapolis. Dar nha volgeden Ke. vnde Konyncklyk Mtt. blotes houedes myt witten tortzen. Dar nha gynck de junge prynß van Dennemarken, ock myth einer witten tortzen. Dar na de anderen groten huße vnde gesanten. Bthe dem Dome wente to sunte Emeran, ns eyne schone abdie, darynne vele reliquien, dar hildt mhen die statie wol eyne halue stunde. De gantze statie auer seten ohre Mtt. myth volden henden vor dem sacramenth. Alße de statie vthe waß, gyngen ße in den dom, dar warth die homisse angehauen, dar musten alle religioßen vnde werlick prestere celebriren (?) vnde bliuen, ßo lange die misse vth waß, wente tho eyns nha der Maltidt.

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Item des mandages leth Ke. Mtt. einen ouerlenber dat houet affslan, de grep den prester an vppe der gaffsen,

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alße he gynck myth dem sacramente to den franken, vnde sede:

Wo dreghet du dinen godt ßo laster(lich)? De spanniolen, ßo dem sacramente nauolgeden, flogen ehm erstlich wol by dem prester.

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Item am lesten Julii ys de graue van Villa franka van hyr gereden vnde ys geworden viceroy in Neapolis.

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Item am ersten Augusti quemen tydinge hyr, wo tho wine vnde in Hungern in etlyken ordenn vele scholen fencklich sitten, die de Turcke vthgeschycketh, vm tho bernende steder vnde dorpore antostickende, wo in etlyken orden gheschen ys vnde gedan hebben.

Item quemen ock tidinge, wo des Churfursten von brandenborch houethman, ßo syn Chruf. g. auer syne voetknechte ahnnhem tho Regensborch, Fabian Hyrth genomet, myt synem lutelant sulff VIIII schole gegrepen syn, wente wolde den Turcken togetagen syn, vnde seggen hyr, dath men densuluigen hyr bryngende werth vnde syn recht don.

Item dessuluigen dages sede my doctor Mathias vicecancellarius, wo die lutterschenn stede Kr. Mtt. merklyk hulpe, stur vnde trost don myt busßen, krude, prophande, ruthere, knechte, gelde.

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Item dessuluigen dages (am drudden augusti) ys Ke. Mtt. wedderumme vthe dem bade to Regensborch ingetagen, in meninge, dar ßo lange tho bliuende, wente dath ohre Mtt. vp synde werde in Hungeren.

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Item am 6. Augusti morgens vm seygers VII is to Regensborch ingereden Marckgraue Fridrich van Norenberg myt LXX perde vnde XII drabanten, des anderen dages vorth na wine tho.

Item dessuluigen morgens vm seygers IX byn ick myth groten henßen (?) in eyn hemelich orth gheweßen vnde hebbe gheßen des kaißers banner im talle V myt XII klenen senlin, daryn dubbelde adeler [zuverlick adeler ßo breth alße eyne verkante schyuen] 1 ).


1) Am Rande mit hellerer Dinte.
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3Iem de houetbanner hefft in syck eynen groten adeler ganß swarth, nen schylt in der borst, ys likuth ßo hoch, alße ick lanck byn, vp beyden syden. Dar negest ist eyn bilde alße sunte Jurgen, hefft dat swert bauen syn houeth vnde den draken vnder dem perde; de drake hefft dorch syn lyff dat Burgundisch Cruce; dar nha die beyden columnen myt des keißers rym plus oultre, dar nha sunte andreas, dar na dat Burgundische Cruce, dar hefft sumte andreas de hanth vp. Vppe der anderen syde na dem arn ys ock eyn bilde, wo vppe der anderen syde, alße sunte Jurgen hefft vnder dem perde liggen eynen Turcken, dem ys dat houeth aff, vnde eyn fenlin licht by ehm, dar ys yn eyn halue mhan; dar na de beyden Columnen myt des keyßers rym, dar nha sunte Jacob, dar nha dat burgundische Cruce.

Item dat ander fenlin hefft den almechtigen goedth ym ringe hangende ganß verguldet; dar vore knidt Ke. Mtt. dar na eynen dubbelden arn myth ehnem schitde in der borst, bauen dem wapen des keyßers kron, vp beyden syden de beyden columnen edder sulen myt des keyßers rym plus oultre, dar na dat burgundisch Cruce. Vppe der anderen syden ock ßo.

Item ym drudden fenlin vppe der eynen syden vnßer leuen fruwen bilde; dar nha eyn drake vorhauen in dat burgundisch Cruce jegen dat Marien bilde, myt fulen ader columnen vnde fuit istic (?). Alle fenlin myt klynen klammen dorch vnde dorch vppe dat weste. Vppe der anderen syde funte anne sulffdrudde vnde myth drake vnde Cruce, wo de eyne fide.

Item in dem virden fenlin steyt vppe dei eynen syden sunte cristoffer, vppe der anderen syden sunte barbare myth dem burgundischen Cruce, des keyßers krone twischen bem Cruce vnde des keyßers rym lenges der sulen ganß vthgeschreuen myt groten bockstauen vergoldet.

Item im viften schlichtes eyn dubbelt adeler myt beiden sulen, rime fuit istic (?) vnde burgundisch Cruce.

De grunth aller fenlin gell.

Item dessuluigen dages schyckeden tho Regensborch die van Alm bauen Ił C perde.

Item die van Alm schyckeden vth anerfloth nach I tapper fenlin knechte.

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Item aw VIII augusti jegen den auenth vm feygers VI is Ke. Mtt. wedderumme vth Regensborch in dath bath

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getagen, nycht krankheyd haluen, sunder dat de lucht syn Mtt. nycht lyden kan to Regensborch, ys alle tydt vngeschycketh vnbe sunder row. Darsuluest to Abach ist schone luft vnd jacht; de herberge ader dat huß, dar syn Mtt. inne licht, ys hartt an der Dunow gelegen.

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Item am 10. Augusti synth hyr tidinge kamen, wo syck die Turcke van der Dunow gegeuen vnde thuth na der Stiermark tho vnde wurde atße huten ader morgen kamen tor neuweu stadt vnde dat belegerenn.

Item hyr is eyn groth tothut van Ruthere vnde knechte, wes (?) den dorch ander orde tuth. Ick hedde nummer gelouet, dath Ke. Mtt. so grote obedientie vnde gehorsam im ryke vnde in sunderheyt dusche nation schulde gehath hebben.

Item die legath, die betther by Ke. Mtt. gheweßen, Laurentius Campegius werth widerumme na wallanth tende, ßo balde de ander legate kumpt Hipolitus de Medicis, mhan is syner dachlyks vorwachtende, warth kamende myt IIIIC perde.

Item dath men betteher ßo harde vnde faste gheholden, dath men Ferdinanden vor nenen Romischen koninge hebben wolde, ys sachter geworden vnde dat banner ys dael geslagen, dat fur ys genslich vthgeloschet.

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Item am 11. Augusti des morgens vm seygers VII starff de iunge prynß van dennemarken. Des namiddages vm seygers eyn was ick in dem ghemake, sach ohm vpsniden; dath ingeweyde was gantz sunth, vnde em warth eyn ganß suelueren schottel groth vul herrns ader bregens vth synem houede ghenamen vnde dar na gebalßamert; werth vppe die Capelle gestellet in Kr. Mtt. pallaß, dar schal he sthan, wente tom XXV in Augusto, alße den scholen schen de vigilien, dar na des anderen dages die selmisßen, vnde wenner dath ghyschen, schal mhen eyn yen aff voren to der moder to ginth (?).

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Item am 12. Augustt vm seygers II vppe den namiddach ys de nige legate Hipolitus de Medicis (welkern Ferdinandus Romische Konigl. Mtt. myth der gantzen gwarde inhalde vnde vor die herberge vorde, dar de Churfurste van Brandenborch lach,) ingetagen.

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Item am 14 in Augusto synth beydelegaten Campegius vnde Hipolitus de Medicis to dem keyßer tho Abach in dat badth getagen.

Item des dages synth hyr tidinge ghekamen, wo Antoni de Dorio bauen 40 dußent starck myt groten schepen vnde geleyde in de ße gan schal.

Item van dem dage ahn alße de junge prynß gestoruen, is he alle dage in allen lerken beluth worden.

Item am 15 in augusto hebben de Spaniuolen, Itatianer, Neapolitaner, Franzoßen vnde andere eyn statlyke processie vthe dem dome in der Stadth myth allen gystliken vnde religioßen gheholden, gyngen alle nemendes vthgenamen myth bernenden waß lichtein.

Item des dages synth hyr tidinge ghekamen, wo de Turcke von der nuwen Stadth vnde der donow na der Stiermarke in dat gebirge getagen, vm syck tho vill . . . . n vnde wider inth Italiam to tende.

Item od tidinge, wo de konink van Frankryken synen gheschyckeden by dem Turcken hebben schal tho Ouen, desuluige schal od dem waide eyne grote stuer vnde hulpe myt geldt gedan hebben, schal eyn spanniol syn vude ys yn vngnaden des keyßers gefallen vnde hefft syck to dem franzoßen gegeuen.

Item dessuluigen dages ys paltzgraue Frederick myt synen rutern van Regensborch die Dunow dael getagen.

Item am 16 in augusto synth hyr wysse tidinge ghekamen, Romische koninglike Mtt. hefft II poste nach eyn ander gelregen, wo des keyßers vnde koninges solcker in Wine onde Neuwestadt dem Turcken, alße ehr na der Stiermarke getagen, affgeslagen bnde gegrepen scholen hebben VM mhan vnde scholen auer die VIC leuendige turkische perde gekregen hebben vnde etlyk dapper turcken genangen, in sunderheit Inbrahim bassa synen ouerften kemerlinck, dar by sie treffliche Clenode scholen gevunden hebben.

Item am 17 in augusto jegen den auenth is hyr tho Regensborch ingekamen Antoni de Leyua myt XVIII edder XX partesaner syue knechte vnde ruther, synth getagen van Isbruck na Osterrich; alle die Spanniolen halden ohne statlich in; lith syn Rosbon vor gan; dar nha drogen ohne (dewyle in henden vnde voten vnnutte) IIII hellebarderer vppe eyn dynck dar he syck up lende; mhen sach ehm nycht mer alße syn angesicht vnde eyne hanth; dat angesicht was hubsch, ouerst die hanth stund eyn krum.

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Item am 18 in Augusto is Antoni de Leua, wo he des dages thouoren vor synem intoge by Kr. Mtt. to Abach in dath bath gheweßen, to Romische koninglik Mtt. gheweßen, vnde ohren Mtten. beyde gesecht, worumme ohre Mtten, beide ßo groten merckliken hupen folcks by eynander kamen lethe; wanner he eyn mal hundert dußent mhan hadde, he wolde den Turcken soken vnde ßo vnderrichten, he scholde syck bedencken, wanner he wedderumme in Hungerrn tho lende 1 ).

Item am 19. Augusti is vth Wine tho Regenßborch Inbrahim bassa, syn ouerste kemerlinck, dar van bauen, senklich ingeschycketh worden vnde yn koninglike Mtt. pallaß, dar nha hinder des Biscoppes van Trenth herberge geuoret, desuluige warth nicht verhoret; men secht ock, wo tho Regensborch noch X grote huße kamen scholen van des Turcken solcke, die ße ock sendlich genamen.

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Item am 20 in Augusto synt hyr tidinge gekamen, wo des Churfursten houethman van Brandenborch Fabian Hyrth III myle vp genner syth win myt synem lutelant schole gherichtet vnde enthowdet syn, darumme gebeden ys worden.

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Item am XXI in Augusto synth hyr tidinge gekamen, wo by VIII dußent vmme wine her Turckenn getagen vnde gereden, alle lude groth vnde kleyn vermordert vnde ade dat ve, ßo ße auerkamen, hebben ße dot gheslagen vnde liggen lathenn, vnde die Turcke gysst syck wedderumme tho rugge vth.

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Item am 22. Augusti is Cardinalis Campegius van Regensborch wedderumme na Rome gereyßet.

Item am 23. Augusti synth tidinge tho Regensborch gekamen, wo der Turcke vor Guntz IX mile bauen wine III storm vnde eyn treflich solck vorlarenn. Ke. Mtt. ruther scholen darsuluest etlike dappere Turcken geuangen hebben, welke mith pynlike verhoringe bekanth, wo de ock to Regensborch gedan, de dar sith, das die Turcke vpsinth ys vor wine tho rucken, vnde ßo he wine myth hulpe synes godes nomet, wyl he strax na welsche lanth vnde Rome rucken, den pawest strassen.


1) Statt "ville", welches durchgestrichen ist.
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Item van deu geuangen Turcken synth am XXIIII augusti, alße de lude uppe den namiddach vm Regensborch gynck, IIII Turcken, myth keden vm de helße ghespunnen, ingeuoret vnde in des Cardinalis van Trentis herberge gebracht worden.


Dieses Tagebuch, oder Zeitung ("Nigetidinge"), welches ich im großhrzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufgefunden habe, isst ohne Zweifel eine Aufzeichnung aus eigener Anschauung über den Reichstag zu Regensburg vom 15. Julii bis zum 23. August 1532. Wenn nicht schon alle Begebenheiten und Personen dafür sprächen, so redet dafür z. B. ganz bestimmt der unterm 11. August angeführte Tod des jungen Prinzen (Johannes) von Dänemark, welcher im J. 1532 zu Regensburg während des Reichstages starb. - ferner das Erscheinen der Türken vor Günz, u.s.w. Der Verfasser ist offenbar ein geborner Niederdeutscher, wahrscheinlich ein Meklenburger, welcher diesen werthvollen Bericht zu Hofe nach Meklenburg schickte. Die Handschrift ist klein und ungewöhnlich undeutlich, an manchen Stellen kaum lesbar und hat nur mit der größten Anstrengung während langer und fortgesetzter Bemühungen entziffert werden können. Mitgetheilt ist hier alles, was einigermaßen Werth haben kann, fortgelassen sind kleinere unbedeutende Begebenheiten, z. B. der fortwährende Durchzug weniger Krieger durch Regensbrug, welche immer aufgeführt sind.

 

Vignette
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X.

Die

meklenburgischen Formschneider

des

sechszehnten Jahrhunderts.

Von

Wiechmann=Kadow


D ie Drucke der Michaelis=Brüder zu Rostock sind sehr arm an Holzschnitten Außer den Buchdruckerzeichen sind nur bekannt die Titeleinfassung der Schweriner Agende von 1521, den Bogen eines Portals darstellend 1 ), und ein Formschnitt in dem stralsundischen Missale, welches Mohnike in Jahrb. V, S. 184 flgd. ausführlich beschrieben hat Auf diesem Blatte, das zu dem eigentlichen Meßcanon gehört, sieht man den Heiland am Kreuze, zu dessen Seiten Maria und Johannes stehen, während mehrere Engel das Blut aus den Wunden des Erlösers in Kelche auffangen 2 ). Dann findet sich in der vor 1500 gedruckten Auslegung der zehn Gebote 3 ) eine Folge von zwanzig Holzschnitten, so daß zu jedem Gebote zwei gehören, von denen der erste die Uebertretung des Gebotes, der zweite dagegen die Strafe für die Sünde darstellt; H. 2 Z. 11 L. Br. 2 Z. 7 - 8 L. 4 ) Diese Formschnitte können nur roh genannt werden. Viel höher an Kunstwerth steht das große Buchdruckerzeichen der Brüder: der heil. Michael, den Lindwurm tödtend, H. 4 Z. 6 L., Br. 2 Z. 5 L. Das Signet, von dem in Jahrb. IV, Taf. 1, Nr. 5 ein Facsimile gegeben ist, wird von einem Meister der niederrheinischen Schule her


1) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 55.
2) Vielleicht nach Martin Schongawer's Kupferstich, Bartsch Nr. 25.
3) Vgl. Jahrb. XXII, S. 226.
4) Das angegebene Maaß ist das altfranzösische.
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rühren 1 ). Ein kleineres Zeichen, von Kosegarten in Jahrb. VI, S. 194 erwähnt, findet sich in der Mitte eines schön verzierten Holzschnitt=Initials V .

Nicht weniger arm an Formschnitten sind die Drucke aus der Officin von Hermann Barckhusen. Neben einigen unbedeutenden Vignetten sind die Holzschnitte der bambergischen Halsgerichts=Ordnung (1510) 2 ) zu berücksichtigen, welche als gegenseitige Copien der Abbildungen in den hochdeutschen Ausgaben von Hans Pfeyll zu Bamberg und Johann Schöffer zu Mainz (1507 und 1508) betrachtet werden können. Sie sind in 4°, der Titelholzschnitt: das Weltgericht, in Fol., ebenso eine sich mehrmals wiederholende Darstellung verschiedener Hinrichtungs= und Strafwerkzeuge, in welcher das Fähnchen auf dem Dache des Prangers (Kaak) mit dem Buchstaben r (auf Rostock deutend) versehen ist.

Mit den großartigen typographischen Unternehmungen der beiden Männer Nicolaus Marschalk und Ludwig Dietz beginnt um das Jahr 1515 die glänzende Periode für die Formschneidekunst in Meklenburg, und bietet sich uns von jener Zeit eine, wenn auch nur kleine Reihe von Künstlern dar, welche vortreffliche Werke hinterlassen haben und fast alle der sächsischen Schule angehören.

Es sind bis dahin folgende Meister bekannt, die den Formschnitt in Meklenburg ausgeübt haben:

Melchior Schwarzenberg,
Monogrammist P. B.,
Erhard Altdorffer,
Jacob Lucius,
Monogrammist D.


Melchior Schwarzenberg.

Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß Melchior Schwarzenberg durch den herzoglichen Rath Nicolaus Marschalk nach Meklenburg gekommen ist; wahrscheinlich brachte ihn dieser selbst mit aus Sachsen und beschäftigte ihn als Formschneider


1) Das Gesicht des Engels ist rundlich, die Nase kurz und stumpf. Man vgl., was Nagler im Künstlerlexicon, Bd. 15, S. 430 über die niederrheinische Schule sagt.
2) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 84 flgd.
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(vielleicht auch als Factor) für seine Buchdruckerei zu Rostock. Als Gehülfe Marschalks wird Schwarzenberg in den herzogl. Rechnungen erwähnt; leider nennt man ihn nach der Sitte der damaligen Zeit nur mit dem Vornamen, z. B.:

1516. II gulden Melcher, docter Marschalgks knechte, von eynem tittel zu schniten obber meiner g. hernn wappen am dienstage nach Lucie. Herz. Heinrich 1 ).

Im Jahre 1516 tritt der Künstler auch als Formschneider für die Officin des Ludw. Dietz auf, für den er mehrere Holzschnitte fertigte, die alle das Gepräge der altsächsischen Schule tragen. Es scheint aber, als ob Schwarzenberg nicht lange in Rostock verweilte, denn unter den vielen Formschnitten, welche die dietzischen Drucke nach 1520 zieren, wüßten wir nicht einen, der diesem Meister zugeschrieben werden könnte. Schon im Jahre 1532 findet man ihn an der Holzschnittfolge beschäftigt, welche zuerst in der 1534 von Hans Lufft zu Wittenberg gedruckten Bibel vorkommt und später in andere Bibel=Ausgaben übergegangen ist. Diese Holzschnitte sind nun freilich von bedeutend größerem Kunstwerthe, als diejenigen, welche Schwarzenberg in Rostock ausführte; aber warum dürfte man nicht annehmen, daß der Meister sich allmählig zu einer höheren Stufe hinaufgeschwungen habe, zumal da gerade damals in Sachsen die Schule Cranach's zu blühen begann? 2 ) Besonders schön ist in jener Bibel das Kinder=Alphabet von Schwarzenberg und dem Monogrammisten P. S., das durchaus in Cranach's Manier gehalten ist 3 ). Auch in Luther's Hauspostill, so wie in dessen Kirchenpostill, Nürnberg 1545, finden sich Blätter von ihm, theilweise nach Hans Brosamer, und endlich soll er nach Malpé's Angabe für Sigismund Feyrabend zu Frankfurt a. M. Titeleinfassungen und Vignetten geschnitten haben.


1) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 108.
2) Panzer (Gesch. der Bibelübersetzung Luther's, 1791, S. 306), der das Monogramm M S auf den bereits 1488 verstorbenen Martin Schön deutet, macht darauf aufmerksam, daß Christoph Walther, der Corrector Lufft's in seinem Berichte Von unterscheid der deutschen Biblten, Wittenberg 1563, ausdrücklich bemerkt, Luther habe für die Holzschnitte der Bibel von 1534 selbst angegeben, wie man sie hat sollen reissen oder malen.
3) Vgl. Rud. Weigel's altdeutsches Holzschnitt=Alphabet in Naumann's Archiv für zeichnende Künste, Jahrg. II, S. 217, wo der Initial P copirt ist.
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Schwarzenberg's Monogramm besteht aus den verschlungenen oder neben einander stehenden Buchstaben M S;

Schwarzenbergs Monogramm 1 )

Ueber Schwarzenberg vergleiche man Malpé et Bavarel, Notices sur les graveurs, qui nous ont laissé des estampes marquées, 1808, 11, p. 216; Heller, Geschichte der Holzschneidekunst, S. 132 2 ); Brulliot. Dictionnaire des monogrammes, II, No. 1943 und 2049; Nagler's Künstlerlexicon, Bd. 16, S. 128.

1. Das meklenburgische Wappen.

Der gekrönte Stierkopf mit Nasenring und heraußhangender Zunge in einem Schilde. Ueber dem Schilde die in Holz geschnittene Inschrift: Meckelnburgk. H. 7 Z. 4 L.; Br. 6 Z. 6 L. (ohne Ueberschrift.)

Dieser Formschnitt, von dem ein Exemplar im Großherzogl. Archive zu Schwerin vorhanden, ist ohne Zweifel derselbe, welcher in der oben mitgetheilten Stelle aus den fürstl. Rechnungen vom J. 1516 erwähnt wird (Jahrb. IV, S. 118).

Ein ähnliches Wappen (H. 2 Z. 8 L.; Br. 2 Z. 1 L.) findet sich in Marschalk's Institut. Reipubl. militar., 1515.

2. Titelholzschnitt zu: Der sele rychtestych Rostock, L. Dietz, 1515.

Kl. 4°. Christus am Kreuze, rechts von demselben Maria mit einem Schwerte in der Brust, links Johannes mit einem Buche. Am Fuße des Kreuzes das erste Monogramm.

In demselben Buche kommen noch zwei kleinere Holzschnitte in 8° vor, nämlich:

(Bl. 35 b.) der Schmerzensmann, im Grabe stehend, und
(Bl. 59 b.) die heil. Elisabeth (Anna?) und Maria mit dem Christkinde.


1) Das erste Zeichen findet sich in Jahrb. IV, Taf. IV, Nr. 2, das zweite in Naumann's Archiv II, S. 217, das dritte bei Heller und Brulliot, Nr. 2049, das vierte bei Brulliot nr. 2409. Bei den beiden letzten Monogrammen kommen die Jahreszahlen 1532 und 1534 vor.
2) Heller bemerkt: "Er lebte zu Wittenberg und soll auch für Feyerabend gearbeitet haben". Nagler bestimmt die Thätigkeit des Künstlers auf die Zeit von 1530 - 50 und erwähnt, daß seine Formschnitte in späteren Werken copirt sind.
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Auch die Holzschnitt=Initiale dieses Druckes müssen erwähnt werden, z. B. der Buchstabe V, in dessen Mitte ein von einem Pfeile durchbohrtes Herz steht (Jahrb. IV, S. 143 flgd.).

3. Die Jungfrau Maria mit dem Rosenkranze.

Maria, das Jesuskind tragend, steht in eiuer Glorie auf der Mondsichel. Sie ist von einem Rosenkranze umgeben, in welchem auf größeren Blumen ein durchbohrtes Herz, so wie zwei durchbohrte Hände und Füße liegen. In den Ecken vier Medaillons mit den geflügelten Attributen der Evangelisten. H. 7 Z. 3 L., Br. 4 Z. 6 L.

Der gut gelungene Holzschnitt steht auf der Rückseite einer von L. Dietz gedruckten Aufforderung des Dominikaner=Ordens zum Eintritt in die Brüderschaft des Rosenkranzes 1 ) (Jahrb. IV, S. 173).

4. Die heilige Familie

In der Mitte des Blattes sitzt die heil. Anna auf einem verzierten Throne, in einem Buche lesend; vor ihr sitzt Maria mit dem Kinde, welches letztere einen Apfel in den Händen hält. Rechts vom Throne steht der heil. Jofeph mit einem Maaßstabe, links der heil. Joachim mit einem Rosenkranze. H. 7 Z. 5 L., Br. 5 Z. 4 L.

Dies Blatt. das ebenso wie die vorige Nr. unverkennbar von Schwarzenberg herrührt, findet sich in einigen Exemplaren des Ordinarius ecclesie Swerinensis, 1519, und scheint erst während des Druckes vollendet zu sein, da es Exemplare giebt, in welchen die betreffende Seite leer geblieben ist.

5. Folge von 45 Heiligenbildern.

Die kleinen Holzschnitte sind ursprünglich für den eben genannten Ordinarius bestimmt gewesen, wurden aber später für andere Drucke benutzt. Sie stellen außer der Geburt und der Auferstehung Christi, der Anbetung der drei Könige und der heil. Dreieinigkeit jeder einen Heiligen mit seinem Attribute dar. H. 1 Z. 7 - 8 L., Br. 1 Z. 2 L.


1) Diese Aufforderung halte ich jetzt für einen der ältesten Drucke aus der dietzischen Officin; die trefflichen großen Holzschnitt=Initiale, von denen sich auch hier einer findet, wandte Dietz nur in der ersten Zeit an.
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6. Das große Buchdruckerzeichen des Nicolaus Marschalk.

Ein Knappe mit Federbaret halt vor sich einen quer getheilten Wappenschild mit einer zweigeschwänzten gekrönten Sirene. H. 5 Z. 3 L., 3 Z. 9 L. 1 )

Wahrscheinlich ist das Signet von Schwarzenberg, wenngleich die unverhältnißmäßig großen Hände und Füße auf einen später zu erwähnenden Gehülfen Altdorffer's hindeuten.

Auch mehrere Formschnitte in marschalkschen Büchern werden Schwarzenberg angehören, z. B. könnte er an den Folgen der Institut. reipubl militar., 1515, und der Historia aquatilium, 1517 und 1520, Theil haben. Die erstgenannten Holzschnitte (je sechs auf einer Folioseite) habe ich bereits in Naumann's Archiv für zeichnende Künste, Jahrg. II, S. 129 erwähnt und bemerkt, daß sie als verkleinerte Copien der Abbildungen in der erfurter Ausgabe des deutschen Vegetius (1511) zu betrachten sind; sie sind alle sehr leichtfertig behandelt.

Ferner mag unser Xylograph einige Blätter nach Altdorffer's und anderer Meister Zeichnungen geschnitten haben. Zu solchen rechne ich das Schlußbild 2 ) der Institutiones, einen geharnischten Ritter auf seinem Turnierrosse darstellend; H. 9 Z., Br. 6 Z. Beachtenswerth und gewiß nicht ohne Bedeutung sind bei diesem Holzschnitte die Brille und das Ohr einer Schellenkappe, welche neben oder über einander auf dem Boden liegen 3 ). Vielleicht wäre dieser Formschnitt nach jener Zeichnung ausgeführt, von welcher Hermann Barckhusen


1) Ein Facsimile in Jahrb. IV, Taf. III, Nr. 3.
In Jahrb. IV. wird die Sirene nur als ein Buchdruckerzeichen, nicht als das Wappen Marschalk's betrachtet. Ohne dieser Ansicht entgegentreten zu wollen, bemerke ich, daß in meinem Exemplar der Institut. militar., in welchem die Holzschnitte alt colorirt sind, der quer getheilte Schild gespalten ist und oben ein schwarzes, unten ein gelbes Feld erhalten hat.
2) Auch das Schlußbild der kleinen marschalkschen Chronik: Ein aufzßog │ der Meckelnbur │ gischen Chro │ nicken - o. O. u. I. Fol. Jahrb. IV, S. 131.
3) In Naumann's Archiv, Jg. II, S. 180 ist das Blatt zu dem Werke Altdorffer's gezählt.
Der Zeit nach könnte das von Lisch in Jahrb. IV, S. 150 beschriebene Crucifix für die Carthäuser zu Marienehe ein Holzschnitt Schwarzenberg's sein. Es ist mir nicht gelungen, ein Exemplar aufzufinden.
Die späteren Holzschnitte, welche der Meister in Sachsen fertigte, durften hier nicht weiter berücksichtigt werden.
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in seinem bekannten Briefe an den Herzog Heinrich den Friedfertigen von Meklenburg vom J. 1510 sagt:

hebbe ok darupp alrede eynen forsten in einem harnsche offte Coritzen upp eynem Hinxte sittende dorch Henriche Juwer g. maler upp dat eerste blad mit anderen Juwer g. wapen etc. . entwerpen laten: u. f. w.

Ueber den Maler Heinrich fehlt jede weitere Kenntniß.


Der Monogrammist P. B.

Wichtiger als Schwarzenberg ist uns dieser, dem Namen nach noch unbekannte Künstler, der nur für LDietz zu Rostock thätig gewesen zu sein scheint. Die Monogramme 1 ), mit denen er seineWerke bezeichnete, sind aus den beiden Buchstaben P und B zusammengesetzt.

Monogramm

Einmal, und zwar auf einer Titeleinfassung, die dem Meister durchaus nicht abzusprechen ist, findet sich folgendes Zeichen

Monogramm

in welchem man die Buchstaben Lrebp erkennt.

Durch diese Monogramme sind mehrere Kunstkenner zu der Vermuthung gelangt, daß der Formschneider P. B. und der Maler Peter Bökel aus Antwerpen eine und dieselbe Person sein könnten 2 ). Es ist indessen zu erwägen, daß Bökel, der 1563 beim Schloßbau zu Schwerin als Maler beschäftigt war, noch im J. 1582 für den Herzog Ulrich (zu Wismar) Bildnisse meklenburgischer Herzoge fertigte, also schwerlich schon um 1520 in Meklenburg war, da er dann 1582 ein achtzigjähriger Greis gewesen sein müßte. Auch berichtet Lisch (Jahrb. V, S. 54), daß Bökel im J. 1563 drei "gemalte Bilder" für die herzogliche Capelle aus den Niederlanden mitbrachte und also erst in diesem Jahre nach Meklenburg kam 3 ).


1) Der von dem Herrn Archiv=Registrator Glöckler in Jahresber. XXII, S. 46 erwähnte Holzschneider P. G. kann nur unser Monogrammist P. B. sein.
2) Auf Bökel's Siegel stehen die Buchstaben P. B. V. A.
3) Vgl. Jahrb. V, S. 54 flgd., IX, S. 203 und Jahresber. XXII, S. 37.
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Was des Meisters Kunstweise anbetrifft, so sind seine Arbeiten größtentheils wohlgelungene Nachahmungen der schönen Metallschnitte, welche wir in den französischen Heures (Gebetbücher) aus dem Ende des 15. und dem Anfange des 16. Jahrhunderts bewundern; sie haben wie jene gewöhnlich einen schwarzen Grund mit weißen Punkten (punktirter Grund, manière criblée) 1 ) und sind gleichfalls Metallschnitte. Wenn auch die Zeichnung mitunter etwas schwach ausfällt und die Schwierigkeiten, welche das Schneiden in Metall bietet, nicht immer so glücklich überwunden sind, wie dies der Schule Holbein's gelang, so gehören dennoch die vielen Blättchen unsers Künstlers zu den besten Leistungen in jener Manier. Besonders gelungen sind die Randleisten aus dem J. 1522, bei denen nicht allein der reichen Phantasie des Meisters freier Lauf gelassen ist, sondern auch die saubere, minutiöse Ausführung so viel Geschmack und Eleganz zeigt, daß der verstorbene Mohnike nicht zu weit geht, wenn er diese Zierleisten zu den schönsten jener Zeit zählt 2 ).

1. Folge von zwölf Vignetten zum Kalender.

Zu jedem Monate gehört ein Blatt, das in drei Felder getheilt ist. Das eine Feld stellt die landwirthschaftliche oder häusliche Verrichtung des Monats, das andere das Bild des Thierkreises dar; das mittlere enthält eine Arabeske, einmal (für den Junius) auch das Wappen des Ludw. Dietz an einer Weinranke hangend. Das zweite Monogramm ist zweimal, das dritte und vierte einmal vorhanden. Br. 2 Z. 4 L., H. 1 Z. Diese niedlichen Blättchen kommen in den Kalendern bes Breviarium Hamburgense, 1522, und der dietzischen Gebetbücher von 1526 und 1530 vor 3 ).

Sehr gute Copien (in Hozschnitt) findet man in dem von Hans Walther zu Magdeburg gedruckten Gebetbuche (v. J. 1534?) 4 ).


1) Man nennt diese Kunstweise auch: Manière de Bernard Milnet, Style of the Mazarine Crucifixion und älteste geschrotene Arbeit mit weißen Punkten und Strichlagen. Vgl. den Artikel Bernard Milnet in Naglers Künstlerlexicon, Bd. 9, S. 299.
2) Vgl. Jahrb. V, S. 173.
3) Vgl. Lappenberg, Gesch. der Buchdruckerkunst in Hamburg, 1840, S. 121, Jahrb. XXII, S. 244, Wackernagel, Bibliographie des deutschen Kirchenliedes, Nr. 227, und Jahrb. XXII, S. 247 und 250.
4) Vgl. Scheller's Bücherkunde der niederdeutschen Sprache, Nr. 872.
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2. Zierleisten aus dem J. 1522.

Die Randleisten, welche zuerst in dem Gebetbuche des Ludw. Dietz von 1522 1 ) vorkommen, dann aber vielfach angewendet wurden und mit den dietzischen Lettern an Stephan Möllmann übergingen, wechseln neunmal. Für beide Seiten H. 4 Z. 5 L., Br. 5 L.; unten Br. 2 Z. 5 L.; H. g L.; oben Br. 2 Z. 2 L., H. bis 4 L. Nur einige der unteren Leisten sind mit einer Randlinie eingefaßt. Diese Zierleisten zeigen ein phantastisches Gemenge von Figuren, Thiergestalten, architektonischen Verzierungen und Arabesken: Indianer, die einen Vogel in die Höhe halten, auf langen Hörnern blasende Engel, einen Mann und eine Frau, beide ein menschliches Haupt auf einem Schwerte tragend, Bogenschützen, Sphinxe, Eidexen, Hunde mit Schneckenhäusern, eine Hasenjagd, Säulen von Männern getragen und mit Laubgewinden und Mascarons geziert u. s. w. Die Bordure mit der Frau, die ein menschliches Haupt trägt, hat das erste Zeichen 2 ); die Jahreszahl 1522 findet sich mehrmals. Ferner sind noch die in den unteren Leisten vorhandenen Devisen zu erwähnen, namlich:

DORHEIT. MACHT. ARBEIT.
AMOR. OMNIA. VINCIT.
ALLE. VOGEL. NEIDEN. VNS.

Der letzte Spruch steht zwischen drei Eulen 3 ).

3. Zierleisten.

a. Zierleiste mit zwei Hunden, die um einen Knochen streiten. Br. 2 Z. 10 L., H. 7 L. Dieselbe Darstellung findet sich auch auf einer der unter 1. besprochenen Leisten. In: Datnye schip van Narragonien, 1519, und: Eyne


1) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 164.
2) Eine ganz ähnliche Leiste sieht man in den Heures des Thielmann Kerver zu Paris.
Copien der Randleisten sind in Drucken von Joh. Balhorn zu Lübeck und auf dem Titel der niedersächsischen Ausgabe von Luther's Betbüchlein, o. O. 1525 (Scheller a. a. O. Nr. 673) bemerkt worden.
3) Man begegnet nicht selten Holzschnitt=Vignetten aus dem 16. Jahrh., auf welchen Eulen von anderen Vögeln geneckt dargestellt sind, z. B. in einer von Martin Landsberg zu Leipzig benutzten Einlassung, wo ein Band mit den Buchstaben M. H. A. V., d. h. Mich Hassen Alle Vögel, beigefügt ist. Diesen Holzschnitt beschreiben Strobel in den neuen Beyträgen z. Litteratur, Bd. 2, St. 1, S. 110 und Wackernagel in seiner Bibliographie des deutschen Kirchenliedes, Nr. 138 und 140.
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prophetie vā dem nyen erwelten Römischē köninge, 1519 1 ).

b. Rankende Pflanzen mit Blumen, zwischen diesen ein Vogel. H. 4 Z. 9 L., Br. 11 L. Diese schöne Arabeske kommt in dem Ordinarius Swerinensis, 1519, vor.

c. Zwischen Blumen und Blätterwerk sitzt ein Mann, dessen Kopfbedeckung in eine Blume ausläuft, und hält einen gebogenen Speer in den Rachen eines Lindwurms; weiter unten ein Löwe mit menschlichem Gesichte. H. 5 Z. 6 L., Br. 5 L. Die Leiste wurde in dem Fragmente eines dietzischen Druckes gefunden.

d. Ein Stab, um den sich Laubwerk windet. H. 5 Z. 5 L., Br. 7 L. In der unter a. zuletzt genannten Schrift, welche auch kleinere Zierleisten mit Blumen enthält.

4. Titeleinfassung zu dem Gebetbuche des Ludwig Dietz vom Jahre 1560, 12°.

Die aus vier schmalen Leisten zusammengesetzte Einfassung zeigt zu beiden Seiten verzierte Säulen mit mehreren kleinen Figuren, darunter ein Narr mit der Schellenkappe, ein Affe und eine Schnecke. Unten befindet sich das dietzische Wappen zwischen Diestelpflanzen; oben runde Bogen mit anderen Verzierungen. Die Leiste auf der rechten Seite ist mit jenem Monogramme versehen, das aus den verschlungenen Buchstaben L r e b p besteht. Die ganze Einfassung ist 3 Z. 6 L. hoch und 2 Z. 4 L. breit; sie wird schon früher benutzt sein.

5. Ein Stammbaum mit den Graden der geistlichen Verwandtschaft, welche die Ehe hindern (Arbor casibus cognationis spiritualis) in dem Ordinarius Swerinensis, 1519 2 ).

Ein mit Blättern und Blumen verzierter Baum trägt zu beiden Seiten mehrere Tafeln, auf denen die Grade der Verwandtschaft (mit Lettern) gedruckt sind. Um die Wurzeln schlingt sich ein Band mit den Worten:

Stammbaum Arbor cognatiōis spūalis.

Mit wagerecht schattirtem Grunde. H. 7 Z. 4 L., Br. 4 Z. 11 L.


1) Vgl. Jahrb. IV, S. 155, u. XXII, S. 213.
2) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 159.
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Wenngleich unten in der linken Ecke ein sehr undeutliches Monogramm steht, in welchem man den Buchstaben S zu erkennen meint, so glaube ich dennoch, diesen Formschnitt dem Künstler P. B. zuschreiben zu müssen, da namentlich die Blätter und Blumen durchaus seine Kunstweise zeigen. Vielleicht rührt die Zeichnung von einem anderen Meister (Schwarzenberg?) her.

6. Das sogenannte Wappen Jesu Christi mit der Inschrift: REDEMPTORIS. MUNDI. ARMA.

Der Wappenschild enthält in der Mitte ein Kreuz mit der Dornenkrone und den Buchstaben I. N. R. I. Zur Linken des Kreuzes ein Hammer, ein Speer, das Gewand des Herrn und drei Würfel; rechts eine Zange, das Rohr mit dem Schwamme, das Haupt des Judas mit zwei Rollen Geld und einem Geldbeutel, eine Laterne und ein Schwert. Das Kreuz steht in einem Grabe. Ueber dem Schilde befindet sich ein Helm mit einer Säule, an welcher Ruthen, Peitschen und Stricke angebracht sind; oben auf der Säule ein Hahn. Oben in der Ecke links das erste Zeichen, mit wagerecht schattirtem Grunde. H. 3 Z. 1 L., Br. 2 Z. 3 L. In Slüter's Gesangbuch, 1531 1 ), und Stüblinger, Eyn kleyn nödich stücke vam Predigampt, 1553 2 ).

7. Buchdruckerzeichen des Ludwig Dietz.

a. Buchdruckerzeichen mit einem getheilten Kreise, in welchem die Buchstaben L D stehen. Aus dem Kreise geht eine Stange in die Höhe, deren Spitze in einem sechsstrahligen Stern endet. In den Winkeln R│O│S│T│O│K│. Um die Stange fliegt ein Band mit den Worten: τελος id est FINIS. H. 2 Z. 9 L., Br. 1 Z. 5 L. Ein Facsimile in Jahrb. IV, Taf. IV, Nr. 1 b. . 3 ).

b. An einem Weunstamme hängt ein Schild mit der getheilten Kugel, aus welcher eine Stange mit dem Andreaskreuze geht. Diesen Schild halten zwei aufrecht stehende Löwen. Am Fuße des Baumes, auf einem Bande, der Name L. DIETZ . H. 2 Z. 9 L., Br. 2 Z. 4 ).


1) Vgl. Jahrb. XXII, S. 27.
2) Vgl. Scheller a. a. O. Nr. 972.
3) Dasselbe Buchdruckerzeichen von derselben Größe kommt auch ohne die Inschrift des Bandes vor. Ein kleineres Zeichen mit derselben Darstellung (H. 1 Z. 8 L., Br. 1 Z.) ist ebenfalls in Jahrb. IV, Taf. IV, Nr. 4 abgebildet.
4) Vgl. Jahrb. V, S. 199.
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c. Ein sitzender Greif hält mit den vier Pranken einen Schild mit dem bei a. und b. beschriebenen dietzischen Wappen. Oben ein Band mit der Inschrift: DORHEIT. MAKET. ARBEIT; unten ein zweites mit: LVDOVICVS DIETZ. Zu beiden Seiten Blumen. Mit wagerecht schattirtem Grunde. H. 1 Z. 11 L., Br. 1 Z. 6 L. 1 ).

8. Das kleinere Buchdruckerzeichen des Nicolaus Marschalk.

Die zweigeschwänzte gekrönte Sirene in einem quer getheilten Wappenschilde, der mit Laubwerk und Troddeln verziert ist. Mit schwarzem Grunde. H. 2 Z. 4 L., Br. 1 Z. 11 L. Ein Facsimile findet sich in Jahrb. IV, Taf. III, Nr. 5.

Dies Signet wird von einem anderen Künstler gezeichnet sein 2 ).

9. Verzierte Initiale.

Die trefflichen Initiale, von denen der Meister eine große Menge geschnitten hat, gehören zu seinen besten Arbeiten. Sie sind fast alle Nachahmungen der gemalten Initiale in alten Handschriften, enthalten phantastische Blumen, Früchte, Arabesken, selten Thiere, und haben alle punctirten Grund. Die größten und wahrhaft prachtvollen Buchstaben kommen in dem Donat von 1518, in Brunswyck's Wundenartzstedye, 1518 und einzeln in anderen Drucken aus Dietzens erster Periode vor. H. 2 Z., Br. 1 Z. 11 L. 2 Z. Das zweite Alphabet (im Ordinarius Swerinensis, 1519) mißt 11 Linien im Durchmesser; dann folgen andere Buchstaben von 7 und 6 L. im Durchmesser, die in den meisten Büchern aus der dietzischen Officin benutzt sind. Auch der in Jahrb. IV, S. 152 beschriebene Initial T mit einem Crucifix, so daß der Buchstabe das Kreuz bildet, verdient besonders genannt zu werden.


Es soll hier noch ein Holzschnitt mit folgendem Zeichen erwähnt werden:

Verzierte Initiale

Derselbe (kl. 4°) ziert den Titel der von Jacob Lucius zu Rostock gedruckten meklenburg. Schäfer=Ordnung von 1578,


1) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 183.
2) Es war mir zweifelhaft, ob dieses Buchdruckerzeichen zu dem Werke des Meisters P. B. gezählt werden könne; einige Kunstkenner, welche mich bei meiner Arbeit unterstützten, erklärten sich entschieden dafür.
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4°, und stellt einen Schäfer dar, der neben seiner Heerde den den Dudelsack bläst 1 ). Diesen Holzschnitt, welcher schon früher vorkommen soll, hat der ältere Meister P. B. nicht geschnitten, wie früher als wahrscheinlich angegeben wurde, vielmehr könnte er von dem oben besprochenen Maler Peter Bökel 2 ) herrühren; auch mag der Schnitt des Blattes Jacob Lucius beizumessen sein.


Erhard Altdorffer

Wie es mitunter vorkommt, daß zwei Forscher zu gleicher Zeit einen und denselben Gegenstand verfolgen, dabei aber von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen, so geschah es kürzlich in Bezug auf Erhard Altdorffer, dessen Name und Wirksamkeit als Maler am Schweriner Hofe von meinem verehrten Freunde, dem Archivrath Lisch im XXI. Bande der Jahrbücher 3 ) gerade zu der Zeit besprochen ward, als ich in Naumann's Archiv für zeichnende Künste die erste Mittheilung über die Holzschnitte des meklenburgischen Formschneiders E. A. machte. Auf jene Nachrichten in Jahrb. XXI. verweisend, bemerke ich hier nur, daß Altdorffer Hofmaler des Herzogs Heinrich des Friedfertigen war, bei diesem in großer Gunst gestanden zu haben scheint, ihn auf die Reise zur Vermählung der Prinzessin Katharine (des Herzogs Schwester) mit dem Herzoge Heinrich von Sachsen=Freiberg begleitete, bei dieser Gelegenheit in Wittenberg verweilte und um 1550 den Titel eines Baumeisters führte. Die herzoglichen Rechnungen nennen ihn in der Zeit von 1512 bis 1550; von seinen Gemälden ist nichts erhalten, und eins seiner Hauptwerke, der Altar in der heil. Bluts=Kapelle zu Sternberg 4 ) (1516), wurde 1741 durch eine Feuersbrunst zerstört.


1) Vgl. Jahresber. XXII, S. 37.
2) Vgl. Naumann's Archiv, Bd. II, S. 252. Das zwischen den beiden Buchstaben stehende Zeichen könnte des Künstlers Hausmarke sein.
3) Vgl. Jahrb. XXI, S. 298. Man vgl. ferner Jahrb. V, S. 22, und XII, S. 222 und 268.
4) Der Contract über das Gemälde, welches die Hostienmißhandlung durch die Sternberger Juden und das Leiden Christi darstellte und auf Goldgrund ausgeführt war, ist in Jahrb. XII, S. 268 mitgetheilt. Die Herzoge Heinrich und Albrecht schenkten den Altarschrein, den Altdorffer für 150 Goldgulden in fünfviertel Jahren vollenden wollte.
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Für die Annahme, daß der Formschneider E. A. identisch mit Erhard Altdorffer sei, werden folgende Gründe angeführt.

  1. Das aus den Buchstaben E und A bestehende Monogramm, also gestaltet 1 ):
Monogramm
  1. Die große Zahl der Holzschnitte, welche der Meister für die rostocker Buchdruckereien von Nicolaus Marschalk und Ludwig Dietz fertigte
  2. Das Costum, welches besonders bei den Frauen auf dem unter Nr. 1 beschriebenen Blatte: das Turnier, das der Hansestädte Lübeck und Rostock ist.
  3. Die Benutzung des marschalkschen Buchdruckerzeichens, der zweigeschwänzten Meerjungfer, als Helmzierde.
  4. Die sehr naturgetrelle Auffassung der Weide, jenes Baumes, dessen eigentliches Vaterland Meklenburg und Vorpommern ist 2 ).

Die Holzschnitte aus der ersten Zeit des Künstlers weisen ihn der altsächsischen Schule zu, während die späteren Arbeiten den Einfluß Cranach's deutlich zeigen. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß Altdorffer sich längere Zeit in Wittenberg aufhielt und in Cranach einen Lehrer fand. In der Behandlung des Architektonischen kommt er häufig dem Erhard Schön nahe. Auch muß noch auf ein eigenthümliches Verfahren aufmerksam gemacht werden, welches sowohl unser Meister, als besonders Gottfried Leigel, ein Schüler Cranach's, bei Bäumen anwandte, indem sie die Zweige von Gewächsen, namentlich im Hintergrunde, durch neben einander gelegte Linien bezeichnen, wodurch der Baum häufig die Gestalt einer Trauerweide erhält.

Ein Theil von Altdorffer's HolzschnittWerk ist bereits in Naumann's Archiv, Jahrg. II, S. 132 - 134 und 179 - 181 beschrieben, der Vollständigkeit wegen werden jene Blätter noch einmal in das folgende Verzeichniß aufgenommen.


1) Bartsch (Peintre Graveur, VIII, p. 67. No. 71) beschreibt bei dem Werke Albert Altdoffer's eine radirte Landschaft mit einem Zeichen, das dem ersten Monogramme des Erhard Altdorffer fast gleichkommt. Nagler (die Monogrammisten Bd. 1, Nr. 46) hat das Zeichen abgebildet und bemerkt, daß diese Landschaft im Style an Albert Altdorffer erinnert. Sollte unser Erhard nicht ein Bruder oder Verwandter Albert's sein?
2) Vortrefflich gelungen ist die geborstene Weide auf dem Holzschnitte zu S. Jacob's Epistel in der lübecker Bibel.
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1. Das Turnier, 1513.

Der aus drei einzelnen Blättern bestehende schöne Formschnitt stellt ein großes Turnier dar. Auf den beiden äußeren Blättern sieht man zwei Gruppen Ritter mit der Lanze und dem Schwerte kämpfen, während das mittlere Blatt ein großes Haus zeigt, aus dessen mit Teppichen geschmückten Fenstern Damen zuschauen, wie zwei Ritter die Lanzen brechen. Merkwürdig sind die Helmzierden, z. B. ein Storch mit Hut und geschultertem Rechen, eine Storchfamilie auf dem Neste, ein hockender Affe, der in einen Spiegel sieht, eine Kanne mit einem Spieß voll Bratwürste, die zweigeschwänzte Sirene u. s. w. Der Kampfplatz ist durch eine Schranke begrenzt, vor welcher sich eine Bande Musikanten, Knappen, Bürger, Frauen und Kinder befinden; auch auf das Dach eines Erkers am Hause sind Schaulustige gestiegen. In der Mitte steht das erste Monogramm auf einer kleinen Tafel, auf dem äußeren Blatte rechts die Jahreszahl, 1513. Jedes Blatt ist 11 Z. 3 L. breit und 8 Z. 5 L. hoch 1 ).

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser Holzschnitt als Andenken an ein bestimmtes Turnier gedient hat. So macht auch Lisch darauf aufmerksam, daß der Herzog Heinrich den Altdorffer zu dem großen Turnier am 23. - 28. Februar 1512 in Ruppin mitnahm.

2. Titeleinfassung zu Marschalk's Institut. reipubl. militar., 1515, und Annales Herulorum, 1521.

Oben eine Frau mit einem Kinde auf einem geflügelten Rosse, ihr gegenüber ein Teufel, auf einem Ungeheuer mit Elephantenkopf reitend; zu beiden Seiten Säulen, Waffen und Arabesken; unten zwei nackte Kinder, mit Ungeheuern kämpfend. H. 10 Z., Br. 6 Z. 5 L. (N. A., S. 180.)

3. Ein Krieger mit Schwert und Hellebarde.

Dies Blatt, das nach Altdorffer's Zeichnung geschnitten sein wird, kommt in dem unter Nr. 2 zuerst genannten Buche vor und stellt einen Landsknecht dar, der sich auf seine Hellebarde stützt. Er trägt ein Baret, und der mit vielen Federn gezierte Hut ist auf den Rücken hinabgesunken. H. 5 Z. 3 L., Br. 3 Z. 7 L. (N. A., S. 180.)


1) In Naumann's Archiv, S. 132 ist das Maaß nach einem zusammengefügten und etwas beschädigten Exemplare nicht ganz richtig angegeben.
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4. Holzschnitt zur Ankündigung des rostocker Glückshafens, Pfingsten 1518 1 ).

Der Holzschnitt in Querfolio ist in mehrere Felder abgetheilt, von denen das oberste (4 Z. 6 L. hoch) die Ziehung des Glückshafens darstellt. In der Mitte sitzt ein Jüngling, welcher aus zwei neben ihm stehenden Urnen die Loose nimmt; diesem zur Seite befinden sich die Geschwornen und ein Schreiber, der das Ergebniß der Ziehung in ein Buch einträgt; auf der anderen Seite stehen Spielleute, um das Treffen eines Gewinnes dem Volke durch Musik kund zu geben. Dann folgen drei Leisten mit Abbildungen der 24 Gewinne, aus silbernen Bechern und Schalen, Pelzwerk, Tuch und Damast bestehend. Das treffliche Blatt gleicht in der Kunstweise dem Turnier. Das einzig bekannte Exemplar befindet sich in der Universitäts=Bibliothek zu Rostock (N. A., S. 179).

5. Ein geharnischter Ritter.

Der geharnischte Ritter mit aufgeschlagenem Visir ist als Kniestück dargestellt. Mit der Linken hält er ein Schwert, mit der Rechten einen Wappenschild, worauf ein Kreuz befindlich. H. 2 Z. 11 L., Br. 2 Z. 7 L. Zweimal in:

Eyne prophecie va dem nyen erwelten Römesche köninge, Rostock, L. Dietz, 1519.

6. Schlußbild der Annales Herulorum von Marschalk, 1521.

Ueber einem verzierten Portale steht ein tartarischer Chan in ganzer Figur. Fol. Lisch bemerkt (Jahrb. IV, S. 128), daß diese Figur nach den im 16. Jahrh. gemalten Bildern zu Doberan und Neustadt das Bild des meklenburgischen Fürsten Niclot sein soll.

7. Titeleinfassung zu Marschalk's hochdeutscher Chronik v. J. und zu Mons Stellarum, 1522 2 ).

In einer dichten Verschlingung von Zweigen, Blättern und Blumen hängt links ein Helm mit Federn, rechts mehrere Waffen, Köcher, Schwert und Schild; unten sitzt in einer größeren BIume ein geflügelter Engel. Fol.


1) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 149 und von Auffeß, Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1856, Sp. 233 flgd.
2) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 130 und 161.
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8. Die Holzschnitte der lübecker Bibel von 1533/34.

Die Holzschnitte der lübecker Prachtbibel bilden das Hauptwerk Altdorffer's, durch welches sein Talent als Zeichner und Formschneider glänzend beurkundet wird, so daß ihm wahrlich kein geringer Rang unter den altdeutschen Xylographen anzuweisen ist. Des Künstlers beide Zeichen kommen jedes einmal vor, und ist nicht zu bezweifeln, daß er einen Theil des schon im J. 1530 begonnenen Werkes eigenhändig geschnitten hat; die Holzschnitte selbst sprechen dafür. Doch werden auch andere Künstler dabei Hülfe geleistet haben. So hat man die Buchstaben D. K. N. 1 ), welche sich von der JahreszahI 1530 begleitet auf der Bl. VIII b. dargestellten Arche Noah finden, für das Monogramm eines Formschneiders angesehen, was leicht möglich ist 2 ). In dem vorliegenden Exemplare hat eine gleichzeitige Hand die genannten Buchstaben in De Kasten Noä umgewandelt. Die Stöcke waren Dietzens Eigenthum, und er benutzte sie nicht allein für die lübecker Bibel, sondern auch für das Neue Testament von 1539 - 1540 und die dänische Bibel von 1550.

a. Der Titelholzschnitt zum ersten und sechsten Theil. - Der schöne Formschnitt, welcher das Wesen des alten und neuen Bundes versinnlicht, ist durch einen Baum in zwei Hälften getheilt. Dieser Baum trägt an einem Zweige die Tafel mit dem Titel und hat auf der rechten Seite dürre, auf der linken belaubte Aeste. Rechts oben empfängt Moses die Gesetztafeln, darunter der Sündenfall und weiter unten ein Grabmal, auf dem ein Gerippe liegt; im Hintergrunde das jüdische Lager mit der ehernen Schlange. Links die Verkündigung Mariä, dann Christus am Kreuze, daneben ein Lamm mit der Siegesfahne, darunter der aus dem Grabe auferstehende Erlöser, welcher mit dem Stabe der Oriflamme den auf der Erde liegenden Tod vernichtet; im Hintergrunde verkündet ein Engel den Hirten die Geburt Christi. In der Mitte des Blattes sitzt am Fuße des Baumes ein nackter Mensch mit verzweiflungsvoller Miene und ängstlichen Geberden; neben diesem stehen ein orientalisch gekleideter Mann (nach Goeze ein jüdischer Gesetzlehrer) und Johannes der Täufer, welche beide auf den am Kreuze hangenden Erlöser


1) Die auf einem Holzschnitte in Luther's Betbüchlein, Wittenberg 1545, fl. 8°, Bl. 228b., dargestellte Arche hat die Aufschrift: DER KASTE NOE.
2) Vgl. Rud. Weigel's Kunst=Catalog, Nr. 8517.
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hinweisen. H. 10 Z. 3 L., Br. 7 Z. 4 L. Dieser Holzschnitt ist sehr viel und mit verschiedenen Abänderungen copirt worden.

b. Holzschnitt auf dem Titel des zweiten Theils. - Josua in Harnisch, in der Rechten ein großes Schwert, in der Linken den Helm haltend, sitzt auf einem Felsen. Zur Seite stehen der Schild und die Streitaxt; im Hintergrunde eine bergige Landschaft Br. 7 Z. 1 L., H. 6 Z. 9 L. Dies Blatt erinnert an Lucas Cranach den Aelteren, von dem ein ähnlicher Holzschnitt bekannt ist 1 ).

c. Die Titel des dritten und vierten Theils sind gleichfalls in Holz geschnitten, bestehen jedoch nur aus großen, zum Theil reich verzierten und mit Fracturzügen ausgestatteten gothischen Buchstaben; der vierte Titel enthält in dem verschlungenen Zuge am Ende das erste Monogramm 2 ). Es kommen in der Bibel auch einige schöne Initiale vor, z. B. die Buchstaben L D (Ludwig Dietz) im Anfange des Propheten Jesaias.

d. Das Paradies 3 ). - Adam sitzt unter dem Baume des Lebens und hält die vor ihm knieende Eva bei der Hand. Diese weis't nach dem Baume, in dessen Zweigen zwei Affen einander Früchte zureichen, und scheint Adam die Begierde des lüsternen Weibes abzuwehren. Rechts befinden sich verschiedene Thiere, dem Vordergrunde zu ein schöner Damhirsch; links hinter dem ersten Menschenpaare fließt ein Strom, an dessen Ufer Störche gehen. Oben Gott Vater aus einer Wolke, darüber die Sonne; links in der Ecke die Mondsichel mit Sternen. H. 10 Z. 4 L., Br. 7 Z. 4 L. (N. A., S. 134) 4 ).

e. Die Holzschnitte im alten Testament sind von verschiedener Größe. Br. 5 Z. 7 bis 9 L., H. 4 Z. 8 L. bis 5 Z. 4 L. Andere Blätter sind 5 Z. 8 L. hoch und


1) Vgl. Schuchardt, Leben und Werke Lucas Cranach's des Aelteren, 1851, Bd. II, S. 193, Nr. 3.
2) Vgl. Göze, Historie der niedersächsischen Bibeln, 1775, S. 212, und Jahrb. XXII, S. 254.
3) Der Holzschnitt bildet entweder das zweite oder das sechste Blatt des ersten Theiles.
4) Göze sagt über dies Blatt (a. a. O. S. 210): "Dieser Holzschnitt ist ein Meisterstück in seiner Art. Die Zeichnung, die Ausarbeitung, die Stellungen der Menschen und der Thiere sind so schön, so natürlich, so vortrefflich ausgedrückt, daß ich mich wenigstens nicht satt an denselben sehen kann, und den Meister desselben bewundern muß, aber auch zugleich wünsche, daß er uns ein Merkmal möchte hinterlassen haben, aus welchem man ihn bestimmen könnte".
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4 Z. 10 L. breit. Der Formschnitt auf Bl. XXXVII b., die Bundeslade im Tempel, trägt das zweite Zeichen. (N. A. S. 133).

Die Holzschnitte des neuen Testaments sind 5 Z. hoch und 4 Z. 4 L. breit.

9. Titelholzschnitt zu dem Neuen Testamente, Rostock, L. Dietz, 1539/40, 8°.

Der Titel steht in einer Säulenhalle, an deren Basen und Kapitälern sich die Symbole der Evangelisten befinden; unten Christus am Kreuze zwischen den beiden Schächern; im Hintergrunde die Auferstehung. H. 5 Z. 8 L., Br. 3 Z. 10 L. Sehr schöner Holzschnitt (N. A., S. 180) 1 ).

10. Bildniß des Herzogs Heinrich des Friedfertigen von Meklenburg.

Dieses Bildniß in Folie, das in jeder Hinsicht ausgezeichnet sein soll, erwähnt Lisch in Jahrb. XXI, S. 299.

11. Buchdruckerzeichen des Ludwig Dietz.

Das runde Druckerzeichen stellt einen sitzenden Greif mit ausgebreiteten Flügeln und vier Adlerklauen dar; er hält vor sich einen Wappenschild mit dem öfter beschriebenen Zeichen. Im Rande die Inschrift: CANIS LAPIDEM SEQVITVR OMISSO JACTORE. Durchmesser 2 Z. 3 L. (Jahrb. IV, S. 183).

12. Folge zu Reineke Fuchs.

Die Folge, aus 36 Holzschnitten 2 ) und einer Titeleinfassung bestehend, kommt in den rostocker Ausgaben des Reineke Fuchs von 1539 - 1592 vor und ist nach Altdorffer's Zeichnungen ausgeführt 3 ). Br. 3 Z. 9 L., H. 3 Z. 2 L. Die Titeleinfassung stellt die Bude eines Narren dar, der Fuchsschwänze und spitze Mützen feil bietet; der Titel selbst, über welchem ein Fuchs liegt, steht zwischen zwei Säulen mit


1) Vgl. Jahrb. V, S. 200.
2) Mehrere Blätter wiederholen sich, so daß die Ausgaben 44 Abbildungen enthalten.
3) Die Holzschnitte der rostocker Ausgabe von 1517 sind von geringerem Werthe. Nach einer Mittheilung des Herrn Geh. Medicinalraths Choulant zu Dresden ist der auf dem Titel befindliche Formschnitt nicht nur besser gezeichnet, sondern auch sorgfältiger geschnitten, als die übrigen.
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nackten Figuren. Der Holzschnitt ist wahrscheinlich nur theilweise von Altdorffer, denn die obere Hälfte fällt weit roher aus, als die untere. H. 6 Z. 7 L., Br. 4 Z. 10 L. Die Folge, von welcher es gegenseitige Copien giebt 1 ), darf den Vergleich mit den fast gleichzeitigen Holzschnittwerken von Jobst Amman 2 ) und Virgilius Solis 3 ) nicht scheuen; auch macht Frenzel darauf aufmerksam, daß Aldert von Everdingen Altdorffer's Holzschnitte für seine herrlichen Radirungen zur Fabel des Reineke Fuchs benutzt hat 4 ).

13. Titeleinfassung zu Georg Schmaltzing's Psalter, Rostock 1543, 8°.

Dieser Titelholzschnitt wird von Altdorffer gezeichnet sein und stellt Scenen aus dem Leben des Moses dar: der Zug durch das rothe Meer, der Mannaregen, der Empfang der Gesetztafeln, die Anbetung des goldenen Kalbes, die Aufrichtung der ehernen Schlange u. s. w. H 4 Z. 6 L., Br. 3 Z.


Die nicht unbedeutende Zahl der Holzschnitte Alttdorffer's, so wie die verschiedenartige technische Behandlung derselben beweisen hinlänglich, daß der Meister solche nicht alle eigenhändig geschnitten hat; er hatte mehrere Gehülfen zur Hand, über welche nichts Näheres zu bestimmen ist. Jedoch ist einer dieser Gehülfen, den man einen Schüler des Meisters Erhard nennen möchte, durch die unverhältnißmäßige Größe der Hände und Füße seiner Figuren leicht zu erkennen. Vergleicht man das erste Bild des Schapherderf Kalender, Rostock, 1523 (eine der besten Xylographien des Künstlers) 5 ) mit Holzschnitten von Altdorffer, so wird die zwischen beiden herrschende Aehnlichkeit der Technik leicht ins Auge fallen. Die übrigen Blätter des genannten Buches, freie Copien nach dem 1519 bei Hans Arndes zu Lübeck gedruckten nygen kalender, haben die erwähnten Zeichnungsfehler häufig in hohem Grade; man beachte nur den Fuß der Venus auf Bl. 34 a . Auch in anderen dietzischen Drucken finden sich Formschnitte dieses


1) In den frankfurter Folio= und Quart=Ausgaben des Reineke. Vgl. Grimm, Reinhart Fuchs, 1834, S. CLXXIX.
2) Vgl. Becker, J. Amman, Zeichner und Formschneider u. s. w., 1854, S. 43, Nr. 5.
3) Vgl. R. Weigel's Kunst=Catalog, Nr. 18396 und 20810.
4) Vgl. Naumann's Archiv. Jahrg. I, S. 116
5) Ein orientalischer Gelehrter, auf der Weltkugel messend. Br. 4 Z. 1 L., H. 3 Z. 4 L.
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Meisters, z. B. in der niedersächsischen Uebertragung des Narrenschiffes, 1519, und in Brunswyck's Wundenartzstedye, 1518. Ferner ist der Titelholzschnitt des Donat aus dem J. 1518 1 ), die Darstellung einer Schule, von ihm.


Jacob Lucius.

Jacob Lucius (Siebenbürger, Sövenbörger, Transylvanus), gebürtig aus Kronstadt in Siebenbürgen, war nicht allein einer der thätigsten Formschneider aus der sächsischen Schule Cranach's, sondern auch ein unternehmender Buchdruder, der nach einander eine Officin zu Wittenberg, Rostock und Helmstedt besaß. Nach Rostock zog er im J. 1564 und übernahm dort die neu errichtete Universitäts=Buchdruckerei, wie es scheint, mit sehr geringen Mitteln, indem der bekannte herzogliche Secretair Simon Leupold die Papierlieferung für ihn besorgte und den Verlag seiner Drucke erhielt 2 ). Später druckte Lucius für eigene Rechnung; sein Hauptwerk ist die niedersächsischeBibel vom J. 1580.

Auf den Formschnitten des Jacob Lucius finden sich verschiedene, größtentheils aus den Buchstaben J. L. C. und J. L. C. T. (Jacob Lucius Corona Transylvanus) bestehende Monogramme, welche im 1. und 2. Bande von Brulliot's Dictionnaire des Monogrammes zusammengetragen sind. Es ist jedoch mehrfach bemerkt worden, daß nicht alle jene Zeichen diesem Künstler, sondern theilweise auch dem sächsischen Meister Johann Thüfel angehören; dagegen wird das bei Brulliot I., Nr. 3195 besprochene Monogramm Lucius zuzuschreiben sein, wenn man nicht annehmen will, daß es einem Formschneider gehöre, der ihn stets begleitete.

Es sollen hier nur die wichtigsten von den Holzschnitten beschrieben werden, welche Lucius während seines Aufenthaltes in Rostock fertigte, und verweise ich seiner ferneren Leistungen wegen auf die Kunstschriftsteller, als Brulliot I, Nr. 1342, 2721, 3197 a ., 3267, und II, Nr. 1570, 1708 b .; Heller, Geschichte der Holzschneidekunst, S. 134; Nagler's Künstlerlex., Bd. 3, S. 117, und Bd. 18, S. 281; Naumann's Archiv, II, S. 251; R. Weigel's Kunst=Catalog, Nr. 8521, 9948, 18335, 20118.


1) Vgl. Lisch in Jahrb. IV, S. 150 - 155.
2) Vgl. Lisch in Jahrb. V, S. 154 flgd.
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1. Der Stammbaum des meklenburgischen Fürstenhauses vom J. 1578.

Dies vortreffliche, nur in wenigen Exemplaren erhaltene Formschnittwerk besteht aus sieben Stöcken und ist 70 Zoll 2 Linien lang und 20 Zoll 4 Linien breit. Die Ueberschrift (in fünf Zeilen) lautet:

Der Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Der Hertzogen zu Meckelnburg, Fürsten zu Wenden, Graffen zu Schwerin, der Lande Rostock vnd Stargard Herrn, GENEALOGIA oder Stamm Register, aus bewerten vrkunden vnd documenten, von ANTHYRIO biß auff den jetzigen Reqierenden Landesfürsten HERTZOG ULRICHEN zu Meckelnburg, zusamen verfasset vnd gezogen.

Die Stammtafel ist von einer etwa zwei Zoll breiten Einfassung umgeben, in welcher Kriegsrüstungen, Trophäen, Symbole, Namenszüge u. dgl. sehr sauber ausgeführt sind; oben in der Randleiste befindet sich das meklenburgische Wappen mit den beiden Greifen als Schildhaltern. Links unten in der Einfassung:

Corneliusi Cromenei pinxit. 1 )

rechts unten:

Jacobus Lucius Tranr. sculpsit,

dann die Unterschrift:

Gedruckt zu Rostock, durch Jacobum Kucium Siebenbürger.

Ein Exemplar ist im großherzogl. Archive zu Schwerin 2 ), ein zweites auf der Regierungs=Bibliothek daselbst.

2. Bildniß des Herzogs Ulrich von Meklenburg vom J. 1582.

Der Holzschnitt, welcher höchst wahrscheinlich von Lucius herrührt, stellt den Herzog mit Hut und Mantel als Brustbild dar und ist vortrefflich gelungen. Als Ueberschrift:


1) Ueber den Hofmaler Cornelius Krommeny, einen Niederländer; vgl. man Lisch in Jahrb. XXI, S. 306, und Naumann's Archiv, Jahrg. II, S. 132.
2) Vgl. Jahresber. XX, S. 47, und Naumann's Archiv, Jahrg. II, S. 131.
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Von Gottes Gnaden Vlrich Hertzog zu Meckelnburgk, Fürst zu Wenden, Graff zu Schwerin, der Lande Rostock vnnd Stargard Herr.

Unten:

15 E. 82. H. G. V. V. G. 1 )

H. 7 Z. 11 L., Br. 6 Z. 5 L. (ohne Ueberschrift).

Exemplare im Großherzogl. Archive zu Schwerin und in der Bibliothek der Ritter= und Landschaft zu Rostock 2 ).

3. Die Wappen der wendischen Städte Lübeck, Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar und Lüneburg.

Die Wappen der genannten sechs Städte stehen zusammen auf der Rückseite des Titels der 1580 von Lucius gedruckten niedersächsischen Bibel. Der saubere Holzschnitt in 4° ist mit dem bei Brulliot I, Nr. 3195 erwähnten Monogramme versehen und hat die Ueberschrift:

INSIGNIA SEX CIVITATUM VANDALICARUM 3 ).

4. Das meklenburgische Wappen.

Das gut geschnittene Wappen kommt häufig in den bei Lucius gedruckten Verordnungen vor. H. 3 Z. 7 L., Br. 3 Z. 4 L.


Der eben erwähnte Formschnitt von Lucius ist eine veränderte Copie des größeren meklenburgischen Wappens, welches zusammen mit einem kleinen Wappen im J. 1552 nach Zeichnung des jüngeren Cranach 4 ) in Wittenberg in Holz geschnitten und zuerst in der meklenburgischen Kirchenordnung desselben Jahres angewendet wurde. Das kleine Wappen, von zwei sitzenden Löwen getragen (H. u. Br. 2 Z. 11 L.), steht unter dem Titel; das größere (H. 5 Z. 6 L., Br. 3 Z. 11 L.) befindet sich auf der zweiten Seite. Das letztere hat in der


1) Des Herzogs Wahlspruch:
Herr Gott verleih vns Gnade.
2) Vgl. Jahresber. XX, S. 47, und Naumann's Archiv, Jahrg. II, S.132.
3) Vgl. Göze, Historie der niedersächsischen Bibeln, 1775, S. 364.
4) In Naumann's Archiv, Jahrg. II, S. 130 sind die beiden Wappen irrthümlich dem älteren Cranach zugeschrieben. Dieser hielt sich aber im J. 1552 bei dem gefangenen Churfürsten Johann Friedrich von Sachsen in Augsburg auf.
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linken Ecke unten das Zeichen der geflügelten Schlange. Die Berechnung der Ausgaben für die Zeichnung und den Schnitt ist in Jahrb. V, S. 228 mitgetheilt.

Eine nur rohe Copie des großen meklenburgischen Wappens findet sich in der 1572 von Johann Stöckelman und Andreas Gutterwitz zu Rostock gedruckten kurländischen Kirchenordnung.


Der Monogrammist D.

Von diesem unbekannten Künstler, dem Gehülfen des Jacob Lucius, kennt man bis dahin nur eine aus 51 Holzschnitten bestehende Folge in dem Buche: Imaginum et Meditationum sacrarum Libri III. Nathan Chytraeus. Rostochii per lacobum Lucium. Anno M. D. LXXIII. Die Holzschnitte enthalten Darstellungen aus dem alten und neuen Testamente, beginnen mit der Schöpfung und endigen mit dem Weltgericht. H. 3 Z. 9 L., Br. 2 Z. 7 L. Das Monogramm D findet sich auf Bl. 29: Christus wäscht den Jüngern die Füße.

Auch Lucius wird an dieser Folge Theil haben.

 

Vignette
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XI.

Der

im sechszehnten Jahrhundert

in Meklenburg gebräuchliche
Cisiojanus.

Mitgetheilt

von

Wiechmann=Kadow


M it dem Namen Cisiojanus bezeichnet man bekanntlich eine gewöhnlich gereimte Zusammenstellung der Namen von Heiligen oder einzelner Sylben dieser Namen zu dem Zwecke, um durch solche Reimsprüche die Fest= und Heiligentage jedes Monats dem Gedächtnisse leichter einzuprägen. Das Wort Cisiojanus (seltener Cisianus) bildet den Anfang der aus zwei Hexametern auf den Monat Januar bestehenden lateinischen Zusammenstellung, nämlich:

Cisio, Janus, Epi, sibi vendicat, Oc, feli, Mar, An, Prisca, Fab, Hang, Vincenti, Paulus, nobile, Lumen,

und ist aus dem eigenthümlich abgekürzten Worte Circumcisio (Beschneidung Christi, früher der 1. Januar) und aus dem Namen des Januar, Janus, entstanden. (Man vgl. noch des Schulraths Grotefend Abhandlung über den Cisiojanus in Ersch und Gruber Encyklopädie, Bd. XVII, S. 295 flgd., und Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrg. 1855, S. 184.) Der erwähnte lateinische Cisiojanus war auch bei der meklenburgischen Geistlichkeit gebräuchlich und findet sich z. B. in den Kalendern des Ordinarius Swerinensis 1519 und des Breuiarium diocesis Tzwerinensis 1529.

Der älteste deutsche Cisiojanus, den man bis dahin kennt, ist der im 14. Jahrhundert von Hermann, dem Mönch von Salzburg, verfaßte, dem andere von Oswald von Wolkenstein

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(gest. 1445), Konrad von Dankratsheim (1435) und verschiedene von unbekannten Dichtern folgen; Franz Pfeiffer hat solche im Serapeum 1853, S. 145 flgd. zusammengestellt. Gedruckt wurde der Cisiojanus zuerst im J. 1470 von Günther Zainer zu Augsburg (vgl. Panzer's Annal. I, S. 59). Ich theile hier einen Cisiojanus in niedersächsischer Sprache mit, welcher in dem 1523 von Ludwig Dietz zu Rostock gedruckten schapherders Kalender vorkommt und lasse zugleich unten die abweichenden Lesarten eines wahrscheinlich zu Lübeck gedruckten Bedebock von 1548 folgen 1 ).

Januar.

Nyyars dach darna Dre konyng qwemen myt der vart, Felix merton 2 ) prisca fab ang vyncent ok Pawel do he bekert wart.

Februar.

Den Lycht Blasus ag Dorothe Ap Scho wart bekanth, Valent darna so vyrest du Petrum Mathyam tho hant.

März.

Ruwe bichte vasthe vor dyne funde 3 ) Gregorges pawes Gerdrud, yuncfrow Benedictus Maria hylgeystes brud.

April.

Ey paschen Ambrosy du hoch ghelerde biscop Tyburci, vnde strenge rydder Jurgen march byddet vor my 4 ).

Mai.

Philyp crutze god Johannes ewangelyst, bringhet vns des meyes lust, dama eyn grot frunt Vrban, den famer begunt.

Juni.

Dat wy goth eren altydt, des help vns 5 ) Barnabas myt Byt, efke to hulpe de rydder Johan jo dor lycht Pe Pau 6 ).


1) Dem benutzten Exemplare des Bedebock (De Bogen in 8°) fehlt das Schlußblatt und die Angabe des Druckortes.
2) mit Thon.
3) Vaste Gade bichte em dyne sünde.
4) synt hir ock by.
5) so dar doth.
6) Dyt willen de hilgen ridder Johan Johan licht Pe Pau.
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Juli.

Ach Maria vynde 7 ) Wyl Kylyan, help dat 8 ) Margret Apostel vns by styan 9 ), myt Magdalen Jac Anna Pan Mar abdon.

August.

Petrus Steffanus gy vns schaffen Laurentz dat wy, Marien eren ock den heren Bartolmeum aug Johannes.

September.

Nu lath vns denken so vort Marien gheborth des Crutzes leer, Lambert noch mer Mat Mauris vorsten wys Cos dam 1 )) Mich ier

October.

Remigi Franciscus darto Dyonysyus Calix Galle, Lucas de Eluen Seffrin 1 )) Crispyn help 1 )) Simon iude.

November.

Al zelen vorget nicht an dyn ghebet 1 )) Marthn mylde man, hochgebarn ylßbe Marya Clemens Katheryna vort An.

December.

O hylge Barbar Nicla Maria vnde Lucia, myt frowden bring vns Thomas dat fest Crist Steff Jo Kynder dach fyl 1 ).


Schließlich bemerke ich, daß im Munde des meklenburgischen Volkes bis auf den heutigen Tag einzelne Sprüche zum leichteren Behalten verschiedener Folgen von Sonntagen fortleben, z. B.:

Quad Min Jung Kann Roeben Eten,

für die Sonntage zwischen Ostern und Pfingsten:

Quasimodogeniti Misericordia Jubilate Cantate Rogate Exaudi.

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7) vnde.
8) dar tho.
9) wilt na gaen.
1) den.
1) fest ryn.
1) ock.
1) Al Selen nu ock vortgan O hilge.
1) Die Commata sind nach dem Bedebock hinzugefügt.
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XII.

Niederdeutsche Andachtsbücher.

A.

Zwei Fragmente niedersächsischer Andachtsbücher

von

C. D. W.

E s ist wunderbar, wie wenig sich alte Manuscripte in Meklenburg erhalten haben. Gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts nahm man ein Inventarium der in der Kirche der Dominicaner und der Marienkirche zu Wismar befindlichen Bücher auf, anscheinend aber nur, um sie desto gewisser dem Untergange zu übergeben. Dort hat sich auch unter den Actenmänteln, wozu man die Pergament=Manuscripte vorzugsweise benutzte, fast nichts von Interesse erhalten, als viele Fragmente von der schon früher in diesen Jahrbüchern von Dr. Lisch veröffentlichten niederländischen Handschrift (vgl. Jahrb. VIII, S. 214), ein Bogen aus einer lateinischen Papst= und Kaiserchronik und die nachstehenden beiden Fragmente aus niedersächsischen Andachtsbüchern, deren Veröffentlichung die Seltenheit vaterländischer Sprachdenkmäler dieser Art aus früherer Zeit rechtfertigen mag.

1. Fragment eines Gebetbuches.

Dasselbe besteht aus einem in Sedez gebrochenen Blatt Pergament, 4 Zoll breit und 4 3/4 Zoll hoch. Die Seite enthält 15 Zeilen. Die Ueberschriften find roth, die Anfangsbuchstaben der Gebete abwechselnd blau und roth. Außer den Gebeten enthielt das Manuscript noch "die sieben Freuden U. L. Frauen", wie der Schluß besagt.

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A. Noch neen tuaghe mach vtspreken. Eya, here, hilghe gheist, de du dat reyne lif diner leuen moder marien heft ghehilghet vnde dar to formeredest, dat se vntfeng godes sone an dyner kraft, so troste my huden, here, hilghe gheist, myt dyner gnade, dat ik den hilghen licham vses heren ihesu cristi myt reyner samitticheit mote vntfan vnde myt vlite ene an myner sele bewaren, dat ik en del mote heb
b. ben myt den hilghen, de an deme hemmelrike synt. amen.
Dith beth sprek, wan du heft godes licham vntfangen.
H elp my, here, hemmelsche god, De spise de ik an myne munt ghenamen hebbe, dat ik se also beholden mote myt ynnicheit mynes herten vnde myt enen reinen wulenkamen leuende, dat ik dar van ghereyneghet werde binnen vnde buten van allen vlecken, de an my schedelik synt. amen.
B. M ilde got, ihesu crist. wes my armen sunderinnen gnedich, wente ik hute dinen hilghen licham vntfanghen hebbe vnde dyn hilghe blot. So vorbarme dy auer my vnde danke dy, dat du my ghespiset vnde lauet heft myt dime hilghen vlesche vnde myt dime duren blode nicht van myner werdicheit men van dyner ouerblodighen (sic!) milden barmherticheit, so bidde ik dy vnde mane dy, dat du
b. di willest vorbarmen auer my armen vnwerdighen mynschen, dat ik mit desser kreftighen spise erwerdighen mote van vntfan aflat van alle mynen sunden vnde enen vullenkamen ende. AmeN
Vser leuen vrouwen vij vroude sint hir vte, dar to gude bede van deme hilghen lichame. amen.

2.

Dies Fragment ist ein Pergamentbogen von 10 Zoll hoch und 15 Zoll breit, der einmal in der Mitte gebrochen ist. Jede Seite enthält zwei Columnen, jede Columne 30 Zeilen. Die Anfangsbuchstaben der Abschnitte sind abwechsetnd roth und blau. Die Schrift ist eine schöne gothische Minuskel, die

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Anfangsbuchstaben der Sätze sind roth durchstrichen. Nach manchen Formen dürfte der Verfasser kein Meklenburger gewesen sein.

A. A. don wolde. komet en ander vnde hindert dat,
a. 1. de deit also grot sunde, also he it eme vte der hant neme eder stele eder rouede. Kint leue, du scalt neman ten van guden dingen vnde scalt nene gude werk hinderen.
D at was en here, de hadde enen sone, de was nies ridder gheworden, den had he sere lef. de iunge ridder scolde to ener tyd riden to dem torneye vnde quam to eme moneke closter; dar horde he godes denste. dar sach he so grote innicheit vnde hillicheit van den moneken, dat he alles dinghes sic bigaf vnde bleif aldar. dar quam de vader vnde wolde den sone vtem closter hebben vnde louede eme vele vnde bat ene sere. dat en halp nicht he wolde io nicht dar weder vth. Do drowede de here, dat he dat closter bernen wolde. eder he wolde sinen sone weder hebben, do spreken de moneke. Juwe sone mach kesen, welker he don wille. Do sprac de sone to deme vadere. vader, gi willen mi ten van
2. godes denste to der werlde idelcheit vnde louen mi grote dinc. Kunne gi ene wonheit afleggen, de in iuweme lande is, so wil ic don, wat gi willen. Do sprac de vader, wat wonheit is dat. De sone sprac, dat is en wonheit, dat de lude allike steruen, de iungen alse de olden, de rike alse de armen. legget dat af, so wil ic weder to iv komen vnde anders nicht. Do de vader dat horde, do bidachte he sic vnde let dar van, vnde toch den sone nicht mer van godes denste. kint leue, du schalt oc neman ten van godes denste. do suluen wat gudes, wente du kanst nicht weten, wo langhe du leuest.
D e verteynde vromde sunde dat is mort. so we enen minschen mordet mit vnrechte eder wo he dat to weghe bringhet, dat en minsche lif los wert, de is sculdich alle der sunde, de de minsche noch scolde hebben gebetert. he is ok sculdich alle der ghuden werc, de he mochte hebben gedan
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b. 1. ofte he gheleuet hedde, vnde wert de minsche vordomet, des is he oc sculdich vnde heuet dat swarliken to beterende.
D at gheschach, dat en vrowe was, de hadde ene eghene maghet, der brachte se so vele drofnisse to, dat se sic seluen van dem liue dede van groter drofnisse weghen. der sunde was de vrowe delaftich
K int leue, kanstu ienige vromde sunde mer ghedenken, der du en orsake heuest ghewesen vnde en ambegin, dat schaltu alto male bichten vnde beteren na diner macht. vnde der sunde mogen wesen vele, dar du en orsake heuest to ghewesen, der du seluen nicht en weist, de got an di weit, vnde de hemeliken sunde, de en minsche seluen nicht en weit, de doch hemeliken an eme sint, De scaltu aldus bichten, dat se di van alle dime herten leit sin, vnde dat du se wistes, dat du se gherne al sunderliken bichten woldest, vnde schalt gode alle dage bichten dine hemelken sunde vnde dine vrom
2. de sunde, vnde spric mit koning dauite: ab occultis meis munda me, domine, et ab alienis parce seruo tuo. here got, renige mi van minen hemelken sunden, vnde scone mi van vromden sunden. Desser sunde, der en minsche nicht en weit, de sint schadeliker, mer wan he se wol wiste, wente dat vur, dat in miner kisten leghe, vnde ic des nicht en wiste, dat were mi scedeliker, wan ic dat wol wiste. den viant, den ic nicht en kenne, de mach mi vil scedeliker wesen, wan den ic wol bekenne. also is it vmme de sunde, de ic wol weit, de mach ik hir wol beteren in desseme leuende, der sunde, de ic nicht ne weit vnde doch hemelic an mi sint, de en betere ik nicht, de mut ic beteren to ienem leuende.
D at was en wokener, de gaf sunte faronius enen roc, den nam he van dem wokenere vnde wiste des nicht, dat he en wokenere was. Sunte faronius starf. do quemen de engele vnde wolden sine sele hebben. do quemen
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B. en ghut ende.
a. 1. K int leue, nim in din herte vnde bedenke dat dicke, dat na dessem leuende nen tid mer en is to beteringe. dar vmme do wat gudes de wile, dat du leuest vnde gud don machst, er di desse tit vntgeit.
D at was en ensedelinc in eme wolde, de plach kronen to makene, de vorkofte he. dat was sine neringe. To ener tid droch he kronen in de stat vnde wolde se vorkopen, vnde quam to enes riken mannes hus, de lach vnde seletogede. Dar sach he, dat dar quemen riden lude, de gloenden vnde branden also en vur vnde ere perde branden. se leten ere perde stan vor der dore vnde gingen in dat hus. Do dat de rike man sach, dat se quemen to eme, do bigan he to ropen, here got, kvm mi to helpe, ic wil gerne min leuent beteren. Do spreken iene, dat is nv to spade, vnde lepen to vnde togen eme de sele vtem liue vnde vorden se mit sic hen. Kint leue, sine ruwe was nicht van rechter
2. leue to gode. Kint leue, denke an den iamerliken dot der sundere, de mit iamere van henne sceden vnde eres iamers wert numbermer en ende.
E n hillich ensedelinc bat vnsen leuen heren, dat he eme wisede, wo enes sunders sele sceden scolde van deme liue. Do quam en wulf vnde nam ene bi sime clede vnde ledde ene in ene stat. dar sach he stan de lude, de weneden ouer enem doden, vnde sach, dat de viande quemen vnde togen eme de vtem liue mit gloenden krowelen, vnde vorden se in de helle. Kint leue, bedenke gherne dinen dot, so en deistu number ouele, so wert di licht to lidende alle bote vor dine sunde.
D at was en ridder, de hadde vele grote sunde ghedan, vnde quam to eme pawese vnde bichtede, vnde alle de bote, de he eme sette, de was eme io swar. Do dede eme de pawes sin vingerin, dat scolde he vor alle sine sunde dregen in siner hant, vnde also dicke, alse he dat vingeren an sege, so scolde he io den
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b. 1. ken sinen dot, dat he io steruen moste vnde ne wiste nicht weder dalinc eder morne. he nam dat vingeren vnde droch it ene wile vnde dachte, dat he io steruen moste, vnde wiste nicht, welke tid. vnde quam weder to dem pawese vnde sprac, he wolde gerne alle bote vntfan, de he eme setten mochte. Dar vmme, kint leue, bedenke gherne dinen dot vnde wat din licham werden schal na dessem leuende. so vorgheit di aller werlde vroude vnde allerhande giricheit.
D at gescach to ener tid, dat men enes riken mannes graf vp gruf. Do vunden se vor sinem munde enen groten breden worm, de at eme an antlat. do dat sin sone sach, do vortech he al sin ghut vnde gaf dor got vnde wanderde alle de werlt vmme also en arme pelegrime. to lesten quam he to rome to eme cardinale to der bicht vnde seghede eme sin leuent, dat he rike hedde ghewesen vnde to em queme dor gnaden willen also en arme minsche. Do nam
2. en de cardinal in sinen hof vnde gaf eme de almosen vnde wisede eme ene stede vnder ener treppen. dar lach he vnder unde hadde en hillich leuent, dat alle de clocken, de to rome weren, lodden van sic seluen, do he starf.
K int leue, du scalt gerne denken de vnwisheit dines dodes, wente nicht also wis en is also de dot vnde nicht also vnwis also de tid des dodes
D at was en koning m kreken lande, de plach number to lachene, he was iummer drouich. des wunderde al sinen ghesinde. des en dorste eme nen man vragen, welc de sake were. Des ginge sin broder to dem koninge vnde vragede, wat de sake mochte sin, dat he number vro en worde. Do sprac de konning to hus, morgen wil ic di de sake seggen. he ginc to hus. Des auendes sande de koning vor sines broders hof en horn vnde leit dat blasen. dat horn plach men to blasen ouer de lude, de men doden scolde. Do iene dat horn horde, do wart be sere bedro

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B.
Drei Fragmente niederdeutscher Andachtsbücher

aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts,

mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch

In Jahrb. X, S. 375 flgd. ist ein Fragment eines alten Evangelienbuches mitgetheilt. Es folgen hier, in Veranlassung der vorstehenden Mittheilung, einige andere, im großherzoglichen Archive zu Schwerin aufgefundene Fragmente von ähnlichen Büchern, welche nicht viel jünger sind, als jenes, und alle ungefähr aus einer und derselben Zeit, aus der zweiten Hälfte des 14, Jahrh., stammen.

1. Niederdeutsches Erbauungsbuch,

auf Pergament, zwei Blättchen, in Sedez, 5 Zoll hoch und 3 1/2 Zoll breit, 16 und 17 Zeilen auf der Seite, in einer kräftigen Minuskel, mit rothen Ueberschriften und rothen und blauen Anfangsbuchstaben:

A. denken sîne martele vnde sînen dôt. De andere sâke is, dat got môghe belônen vnsen lôuen, vnde is en grôt gûde gôdes; wente got wil vns belônen dâr vmme, dat wy lôuet, des wy nicht en seen. De dorde sâke is, dat got vns môge mâken . . . ghen van vnsen sunden. wente . . . . . . . . . aller . . . . . . nicht . . . . . wardich, so mo . . . seke vorderuen . . . godes lîcham vns dat grôteste heyl vnde arstedie, dat wy . . môghen hebben.

b. U nse here Jhesus Cristus sprekt in deme êwangelio: Sâlich sint de armen des ghêstes, wente dat rîke godes is ere. Dâr up sprek Gregorius: De armôd is des gheistes, vnde nicht in der grôte des lîdendes. Gregorius sprekt: Sâ-
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lich is . . . grepen . . . gûdes . . . . . . desser werlt, men de beg . . . t . . . kende in deme hemmeleschen gûde. Gregorius sprekt: De armen sint nicht to hebbende alse de bederueghen, men se sint an se to bedende alse an . . . .

B. borghenen dink sîner danken, vnde vorvullet de selschop der engele vnde beholt dat êweghe rîke. (Jhesus vorbarme dy ôuer my.)
S âlich sint, de dâr lîden vorvolghinge dor de . . . . . hticheit, wente de hemmel is ere. G . . . . . s .. ighet d . r d . . du . . . . . rer, wen dat . . . te . . e wnder do. G . . . drîer hande wys wer . . . de dogt . . der . uldicheit vnde des . . . gheeruet ener . . de wys lîde wy van gode, ander wys lîde wy van vnseme nêghesten, ander wys lîde wy van deme olden vîende. Van gode lîde wy de tochrôden, van vnseme nêghesten lîtde wi vorvolghinge vnde schâden, vnde vorsmâheit, van deme olden vîende lîde wy vele vnde menegher hande bekôringe. Bernardus. Dat is en sachtmôdiger mynsche, de dâr gh . . . me . . t vnde also vel . . . is wil he num . . . schâden, vnde dat is ên lîdende mynsche, de dâr ghift nicht quat vmme quat, men he mach ôk lîden den schâden; vnde dat is ôk ên vredesâm mynsche, de dâr ghift gût vmme quat, vnde ôk is . . . . . . rômende de

2.
Niederdeutsches Gebetbuch,

auf Pergament, ein Blatt, in Sedez, 5 1/4 Zoll hoch und 3 1/2 Zoll breit, ein Blättchen, 17 Zeilen auf der Seite, in einer etwas stumpfern Minuskel.

A. vorghif vns vnse sunde, dat wy werdichliken vntfân dînen hilghen lîcham vnde dîn blôt mit wâreme lôuen, myt yaster hôpene vnde royt vulle-
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kômener lêue. Ere si deme vâdere, de vns gheschâpen heft, sône, lôsere der werlde, vnde got, de du dik suluen hefft ghebôden to êner spîse aller trûwen vnde du hefft berêt [vôr] myneme ansichte den disch wedder alle, de vns bedrôvet: wes vs gnedich vnde lôse vs van alleme ôuel, de dâgheliken
a. ôuer vs wascet, dat wi dat vntfân mit lû[tere]n danken. Ere si deme sône, de vs ghelôset heft. O hilghe ghêst gotdes; in gode vrouwet des mynschen herte, dat is to hanghe myt gode. vnde enghelt werde myt em: wes vs gnedich. Vnde dô vs nicht na vnsen sunden, sunder mit der vroude dînes aldersôtisten ghêstes. Vorvulle de inwendicheit vnser sêle. Ere si deme hilghen ghêste de vs ghehilghet heft. O hilghe drêualdich

3.
Niederdeutsches Passional,

auf Pergament, in Groß Octav, 9 Zoll hoch und 6 Zoll 6reit, zwei Blätter, 21 Zeilen auf der Seite, in einer breiten Minuskel, mit rothen Anfangsbuchstaben (aus den Ribnitzer Acten):

A. mâken van der iôden walt. Do swêch mîn kynt vnde sprack nicht ein wort. Du Anselme, do nam de koninck de krône van sîme hôuede vnd settede se mîme kynde vp syn bilge hôeuet vnde swôr bi sîner koninckliken êre, dat he ein têken dêde, so wolde he ejn syn konninckrîke mede dêlen alse ême erfkynde. Do swêch myn kint vnde wolde nicht spreken. Dat vorsmâde Herodes also sêre, dat he hête ene van sic bringen vnde sede, myn kint wêre ein dôer, des wîsheit is ein [a]fgrunde alle den to begrîpende, dede konen wîsheit der werlde, vnde bespottede myn kint den âne vnderlâet, de hilgen engellen lâuen vnde singen em: sanctus, sanctus, sanctus, vnde sîne knechte hêlden en vôr einen dôeren, des râet de hemmelsche vâder nam, do he schop alle creatûren; dâr pa lêt de koninck em ein
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wyt kleit an thên to ênem têken, dat he wêre ein dôre, de dat firmament klêdet myt der
a. sonnen vnde myt den sternen vnde mit dem mânen vnde de engellen myt ondôetlicheit, vnde sande myn kind wedder to Pilatus, de allêne de walt heft van synen êwigen vâder, alle creatûren to sendende to der êwigen pîne. Vnde do wart koninck Herodes Pilatus frunt vmme dat, dat he em myn kint hadde gesant. Do myn lêue kint wedder to Pilatus quam, do hadde Pilatus myn kynt gerne gefrîet vamme dôde vnde sprack to den iôden: ghi heren, gi hebbet einen wônheit, dat men iw to desse[r hô]chtît einen minschen scal lôes geuen; nu kêset: wille gi hebben Jesum, an deme ick kêne scult envinde, edder willen gi hebben Barrabam, de syn lyf myt rechter bôseheit vorwrocht heft? Do rêpen se mennichlick, dat me myn lêue kynt hengeden an den galgen vnde crûsegeden ene. Do sede Pilatus: wat heft he gedâen, dâr vmme he steruen scal? ick vinde nêne
B. schult an em, dâr he den dôet mede vordênet hebbe; wille iw dâr an genôgen lâten, dat ick ene tuchtege vnde lâet en lôes? Do rêpen se wedder mit lûder stemmen, dat me ene scolde hengen an ene galgen vnde crûcigen ene. De wîle Pilatus myt mime lêuen kinde aldus beworren was, do sande sîne vrouwe to em vnde bôt em, dat he vnbeworren were mit deme gûden minschen mîme kinde, wente se hadde alle de nacht dor em grôt vngemack geleden, also vele wêren er vôrkâmen an deme slâpe. Do dachte Pilatus, wo he de iôden stillede, dat se ene lêten leuen, vnde lêt myn hartelêue kint binden an êne sûle vnde lêth starke lûde dâr to gâen vnde lêt myn kint slâen mit geiselen vnde mit rôden, dat van sîme hôuede bet an sînen versen nicht gantzes enblêf. Ancelme, dat ick di nu segge, dat is alto iâmerlick. De sûle, dar se myn lêue kint vmme bunden, de was al
b. so dicke, dat se min kint nergen na konde vmme grîpen bi twên spennen lanck. Do nêmen se starke rêpe vnde bunden vmme sîne lêuen hende, mit den he sînes vaders vîande wîsen scal in de
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grunt der hellen, dat se em worden blou, als ein dûc, vnde tôgen se to sâmende mit grôter walt, dat em sîne âderen begunden to knakende. Dâr na nêmen de riddere scarpen dorn vnde wunden êne krône, de was also scharp, dat se nûment mochte antasten, em enschûde wê: de krône slugen se mîme lêuen kinde an sîn hilge hôeuet, de dâr is êne krône, mit der sîn êwige vâder lônet alle hilligen, dat em sîn blût van sîme hôuede an dûsent enden vlôet âuer sîn antlet vnde âuer sîne ôgen, dat he nu syn alderlêueste mûder nicht mochte anseen, doch ick konde ene nich bekennen an sîme antlate, vnde gêuen em ein rôer in de hant tho ênes koninges têkene, dat se sîne walt mede

 

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XIII.

Des

rostocker Professors Nathan Chytraeus

plattdeutsches Wörterbuch. 1582.

Mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch.


B ei den neu erwachenden, eifrigen Bemühungen um die Erforschung und Wiederbelebung der plattdeutschen Sprache und Litteratur ist es von Wichtigkeit, ein Buch wieder hervorzuziehen, welches lange Zeit hindurch viel benutzt und häufig aufgelegt ward: das lateinisch=plattdeutsche Wörterbuch des Professors Nathan Chytraeus, unter dem Titel: Nomenclator latinosaxonicus, ohne Angabe des Verfassers auf dem Titel. Das Buch ist in 138 Abschnitten nach Materien geordnet, in Octav, in gespaltenen Columnen gedruckt und enthält immer die lateinischen, selbst seltenen Ausdrücke, bei welchen immer der Schriftsteller citirt ist, und daneben die plattdeutsche Uebersetzung. Die Uebersetzung ist häufig eine Umschreibung, welche entweder lateinisch oder hochdeutsch gedacht ist, und man kann es überall sehr leicht merken, daß der Verfasser kein geborner Meklenburger 1 ) war; daher ist die plattdeutsche Uebersetzung häufig nicht aus dem Munde des Volkes geholt und oft von untergeordnetem Werthe: immer aber ist das Buch mit seinen vielen Auflagen eine dankenswerthe und merkwürdige Erscheinung.

Da ich Veranlassung gehabt habe, wegen einiger Ausgaben Forschungen anzustellen, so will ich hier das Ergebniß meiner Bemühungen sicher stellen, da es manchem anderen vielleicht schwer fallen möchte, die leitenden Hauptrichtungen zu verfolgen.


1) Nathan Chytraeus giebt gegen das Ende:
Megapolis, Mekelnborch.
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Das Buch hat folgende, oft vermehrte zwölf Auflagen erlebt.

1. 1582. Rostock (wahrscheinlich bei Stephan Myliander. Dies ist die erste Ausgabe.

Die in den spätern Auflagen oft wieder abgedruckte Dedication ist: "Rostochio Cal. April. Anno etc. 1582" und die Vorrede: "Rostochio, Anno MDXXCII idib. Martiis. Natali meo trigesimo nono." von Nathan Chytraeus datirt. Vgl. Bibliotheca Christ. Frid. Schmidii Rectoris Johannei Luneburgensis. Luneb. (1748), p. 609, mit dem Titel: Nath. Chytraei Nomenclator Latino - Saxonicus. Latinisch vnde Pladdütsch Vokabelnbock. Rostock 1582. 8°. Vgl. Kinderling f. Deutsche Spr., Litt. und Cult. etc. . S. 101. Vgl. v. Auffeß Anzeiger, 1833, S. 158, nach einem Exemplare auf der Bibliothek zu Breslau, nach Hoffmann v. F.

2. (1585?) Rostock, bei Stephanus Myliander.

Dies ist die zweite Ausgabe, welche in einem Exemplare auf derUniversitäts=Bibliothek zu Rostock vorhanden ist. Der Titel nennt diese Ausgabe ausdrücklich die zweite. Leider ist in dem Jahre der Herausgabe auf dem Titel ein Druckfehler, so daß nicht mit Sicherheit das Jahr 1585 als das Jahr der zweiten Ausgabe angenommen werden kann. Der Titel lautet vollständig nämlich:

Nomenclator latinosaxonicus. Editio secunda paulo priore locvpletior. Rostochii. Typis Stephani Myliandri. Anno CI Spiegelbild C    I Spiegelbild C     XXV.

Dies heißt 1525; es versteht sich von selbst, daß dieses Jahr nicht richtig sein kann, da N. Chytraeus 1582 erst im 39. Jahre seines Lebens stand. Ich nehme daher an, daß beim Setzen des TitelS ein C ausgefallen ist und daß das Jahr der Herausgabe richtiger hätte lauten sollen:

CI Spiegelbild C    I Spiegelbild C     XXCV d. i. 1585.

Hierauf leitet nicht nur das Verhältniß dieser Ausgabe zu den übrigen Ausgaben, sondern auch ein Widmungsgedicht an Cajus Rantzow, welches: "Rostochio Idib. April. Anno 1585." datirt ist.

3. 1590. Lemgo.

Diese Ausgabe ist nur aufgeführt in dem Auctions=Kataloge der nachgelassenen Bücher des Professors von der Hagen zu Berlin: "F. H. v. d. Hagens Bücherschatz. Berlin

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1857", S. 86, - vorausgesetzt, daß diese Ausgabe nicht mit der Ausgabe won 1596 identisch ist.

4. 1592. Rostock.

Vgl. Feuerlin Wat Plattdütsches, 1752, S. 45; Scheller Sass. Bücherkunde Nr. 1141, mit dem Titel: Nomenclator Latino-Saxonicus denuo editus, Rerum nauticarum nomenclaturis et phrasis paulo plenius insertis.

5. 1594. Hamburg.

Ein Exemplar auf der Rathhaus=Bibliothek zu Leipzig. Vgl. v. Auffeß Anzeiger, 1833, S. 316; Lappenberg Geschichte der Buchdruckerkunst in Hamburg, S. 88 und 123.

6. 1596. Rostock.

Vgl. Kosegarten Wörterbuch der Niederdeutschen Sprache, Vorrede, S. IX.

7. 1596. Lemgo.

Vgl. Scheller Sass. Bücherkunde Nr. 1157, und Kinderling f. Deutsche Sprache, etc. . S. 101.

8. 1597. Lübeck.

Diese Ausgabe des Nomenclator: "denuo editus, rerum nauticarum nomenclaturis et phrasibus paulo plenius insertis, Lubecae Anno 1597", ist angeführt im Rostocker Etwas, 1739, S. 380, und Cat. Bibl. Schmidii, (1748) S. 609.

9. 1604. Rostock, bei Christopher Reusner,

mit einer Zuschrift des Johannes Caselius an Adam Thraciger. Auch diese Ausgabe hat den Zusatz auf dem Titel: rerum naulicarum, nomenclaturis et phrasibus paulo plenius insertis. Diese Ausgabe ist wahrscheinlich auch diejenige, welche im Rostocker Etwas, 1739, S. 319 angeführt ist, welche den Titel nicht, wohl aber die Zuschrift des Johannes Caselius hatte. Aus der Bibliothek des Professors Heyse zu Berlin, jetzt in der großherzoglichen Regierungs=Bibliothek zu Schwerin.

10. 1613. Rostock, gedruckt bei Reusner, im Verlage von Johann Hallerford: "Rostochii, Typis Reusnerianis, sumptibus Johannis Hallerfordii, civis et bibliopolae Rostochiensis". Der übrige Theil des Titels lautet ganz wie der Titel der Ausgabe von 1604. Ein Exemplar befindet sich auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock.

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11. 1625. Rostock.

Vgl. Scheller Sass. Bücherkunde Nr. 1238 A. und Kinderling Geschichte der Niedersächsischen Sprache S. 397.

12. 1659. Lübeck.

Nach v. Seelen Athen. Lub. c. XV, p. 392 ließ der lübecker Rector M. Seb. Meier diesen Nomenclator "1569 in usum scholae Lubecensis" neu auflegen; vgl. Rostocker Etwas, 1739, S. 320.

 

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XIV.

Miscellen und Nachträge.


1.
Ueber eine Heilige des Nordens.

I n dem Augustiner=Chorherrenstifte zu Bordesholm in Holstein, welches mit den Reliquien des H. Vicelin im J. 1332 von Faldera (jetzt Neumünster) nach Bordesholm verlegt und im 16. Jahrh. aufgehoben ward, sammelte im Anfange des 16. Jahrh. ein Glied des Stiftes Johann mit der Nese (Nase) ("Johannes cum naszo") die Lebensbeschreibungen mehrerer norddeutscher und nordischer Heiligen, welche ohne Zweifel in dem Kloster besondere Verehrung genossen, und setzte denselben einen Kalender vor. Die Handschrift, auf Papier, in Quart, hat den Titel:

"Liber sancte Marie virginis in Bardesholm, ordinis canonicorum regularium s. Augustini, Bremensis diocesis, quem ego frater Johannes cum naszo scripsi in diversis annis. Oretis dominum deum pro me unum Ave Maria".

Durch Zufall ist diese Handschrift nach Oesterreich gekommen und wird jetzt unter Nr. XII, D. 21. in der Bibliothek des Cistercienser=Stiftes zur h. Dreieinigkeit in Wiener=Neustadt aufbewahrt.

Im "Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, neueste Folge, Organ des deutschen Museums"; 1854, Nr. 1, S. 5, und Nr. 2, S. 26, ist der Inhalt dieser Handschrift durch den Cooperator Zeibig zu Nußdorf mitgetheilt.

Das Kalendarium im Anfange enthält nur die Namen derjenigen Heiligen, deren Leben in der Handschrift mitgetheilt ist.

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Calendarium Bordesholmense.
Jan. 23. Gregorii Nazianzeni ep.
Febr. 3. Anscharii ep. Brem.
Maj. 5. Godehardus ep. Hildesem.
Jun. 10. Rymbertus ep. Brem.
30. Theobaldi conf.
Jul. 10. Kanuti regis Dacie.
23. Liborius ep.
29. Olawus rex Norwe.
Aug. 26. Habundus ep. et martyr.
Oct. 7. Birgitta ex Svecia.
16. Galli confessor.
24. Severi ep. et conf.
Nov. 9. Willehadi ep. Brem.
Dec. 12. Wicelinus ep. Oldenburgens.
13. odocus heremita.

Interessant sind die beigefügten plattdeutschen Namen der Monate, welche fast alle ihre Namen von Thieren haben.

Januar: kalvermaen, hardemaen.
Februar: fosmaen, hornunch.
März: valenmaen, marstimaen.
April: koltenmaen, ostermaen.
Mai: floymaen, meymaen.
Junius: lustemaen, brachmaen.
Julius: hundemaen, howmaen.
August: vleghenmaen, snustmaen.
Septbr.: vnickemaen (?), harvestmaen.
Octbr.: ossenmaen, wynmaen.
Novbr.: swynemaen, slachtelmaen.
Decbr.: hasenmaen, hardemaen.

Dann folgen die Lebensbeschreibungen der im Kalender aufgeführten Heiligen. Von besonderem Interesse für uns ist der Kalendertag (12. Dec.) und das Leben des H. Vicelin 1 ):

"XXI. Vita beati Wicelini episcopi Oldenburgensis, qui primum altare consecravit in Lubecke et dedicavit ecclesiam sancti Joannis baptistae in Harena, quam comes Adolphus aedificavit"


1) Auch Dr. C. Deecke in seinen "Grundlinien zur Geschichte Lübeck's von 1143 - 1226", 1839, §. 7, S. 6, hebt den 12. Decbr. Als den Sterbetag Vicelin's hervor, nach Helmold I, c. 78, §.2: "Obiit autem (Vicelinus) 2 idus Decembris anno videlicet incarnati verbi 1154".
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"In exordio vitae descriptionis beati patris Wicelini opere pretium videtur aliqua de Slavorum populi historico compendio praelibare" etc.

Angehängt ist noch ein kurzes versificirtes lateinisch=plattdeutsches Glossar.

G. C. F. Lisch.     


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2.
Ueber den Tod des Schweriner Bischofs Melchior, Herzogs von Braunschweig,

berichtet der Pastor Andreas Cracovius in seiner Ehrenpredigt auf den Herzog Ulrich II, Administrator des Stifts Schwerin, † 24. Mai 1624, S. 10:

"Es sein S. F. G. gelegt an denselben Orth (in der Thumbkirche S. Elisabeth zu Bützow"), den sie vor zwölff Jahren schon außgesehen hatten, da viel der Schwerinschen Bischöffe begraben liegen. Unter andern findet man einen Leichstein auf dem Chor allhier, da begraben lieget Fürst Melchior von Braunschweig, der vor 243 Jahren allhier den 4 Junii ist beerdiget worden. Die Wort auf dem Stein lauten also:

"Anno Domini 1381 feria qvinta Trinitatis, quae tunc temporis fuit Crastina Beati Bonifacii Sanctus (?), venerabilis in Christo Pater D. Melchior, illustris Dux Brunsvicensis, Swerinensis Episcopus, hic sepultus est".

Melchior ward also am 6. Junii 1381 in der Kirche zu Bützow begraben. Feria quinta ist der fünfte Wochentag, also der Donnerstag. Der Tag des H. Bonifacius fällt auf den 5. Junii. Es wird daher statt: Trinitatis ohne Zweifel: ante Trinitatis zu lesen sein. Dann stimmt alles zu einander: denn der Donnerstag vor Trinitatis fiel im J. 1381 auf den 6. Junii und dies war der Tag nach Bonifacii.

Schröder Pap. M. I, S. 1523 giebt nur die Uebersetzung nach Hederich:

"Im Jahr des Herren M. CCC. LXXXI. Freytag nach Pfingsten oder des andern Tages nach Bonifacii ist der Ehrwürdige Vater in Christo Herr Melchior Hertzog zu Braunschweig und Bischoff zu Schwerin gestorben und lieget alhie begraben".

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Diese Uebertragung ist nicht unrichtig; denn der Freytag vor Trinitatis ist der Freitag nach nach Pfingsten. Darin irrt Schröder S. 1543, daß er den Tag auf den 7. Junii setzt, indem feria quinta immer der Donnerstag ist.

G. C. F. Lisch.     


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3.
Zur Geschichte der Vitalienbrüder,

von

G. C. F. Lisch.

Nachtrag zu Jahrb. XV, S. 51 flgd.


In den Beiträgen zur Geschichte der Vitalienbrüder habe ich in Jahrb. XV, S. 57 und 61 ausgesprochen und zu beweisen gesucht, daß die Hauptleute der Vitalienbrüder, so lange die Gefangenschaft des Königs Albrecht dauerte, meklenburgische Edelleute waren, welche die Befreiung des Königs zu erreichen strebten, und daß die berüchtigten, eigentlichen Seeräuber erst nach der Befreiung auftraten. Dieser Ausspruch wird in seinem ersten Theile richtig sein, leidet jedoch in seinem zweiten Theile wohl eine Beschränkung. Es ist nämlich nicht zu bezweifeln, daß, so lange die Befreiung des Königs beabsichtigt ward, die meklenburgischen Vitalienbrüder in offener, angesagter Fehde eine rechtlich anerkannte Kaperei trieben; es ist aber auch gewiß, daß manche von ihnen auch nach der Befreiung des Königs die Kaperei nicht aufgaben, sondern, wie die berüchtigten Seeräuber, das Handwerk der Seeräuberei noch lange forttrieben. Dies beweiset eine Stelle in Burmeister's Alterthümern des Wismarschen Stadtrechts, S. 85 flgd., welche ich bei meinen Forschungen übersehen hatte. Es heißt nämlich in dem hanseatischen Recesse vom J. 1422:

Item sanden de stede ichtes welk râdessendebôde to der Wismer, umme de Russen dârsulues uptonemende to Lubeke vôr de gemeyne stede. Unde alse do de Russen vôr de stede quêmen, do vrâgeden de gemeyne stede, aldus se hadden wol vornômen, dat en schâde geschên were unde in der Nu berôved weren, dat were ene trûweliche leyt, unde were eres gûdes wes gekômen in de stede efte anderswôr, dâr de stede macht

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ôver.hadden, dâr wolden se en recht ôver geven na der crûcekussinge. Hyr up antworden de Russen unde beclâgeden sick, dat se berôved und genômen worden in der Nu 1 ), dat hadde gedâen Vicke van Vitzen, Hinricus Tamenitze [Tarneuitze?], Vicke Stralendorp unde Wulff Lembeke unde ere medehulpere unde hadden se gevôred van dâr up ander holme in de zolten see na unser gissinge uppe Mone, unde dâr hadden se dat gûd gedêlet und dêden de drê dêl vaft dem gûde in dat grôte schip unde dat vêrendêl in eyne snicken unde zegelden do mit eren schepen unde gûde in Denemarken, unde wes se dârût nêmen efte nicht, des enwisten de Russen nicht, unde de Russen wurden van dâr wedder gevôred up eyn slot gehêten to den Ekhove int land van Mekelenborch, van der Wismar II mîle gelegen, unde dat grote schip quam to der Wismar, dâer was dat schip ûtgesegeld unde hôrde dâr to hûs. Vortmer vrâgeden de stede de Russen, efte se ôk vorscreuen wol vel gûdes in den schepen were, dat to der Wismar quam, edder wes ere gûd ôk anders wôr gekômen were in de stede gewold, dâr antworden de Russen, alse to: Se worden ûte deme leddighen schepe gesad by Rozstok uppe dat land unde worden van dâer to slote gevôred uppe wâgenen, dârumme enkonden se ny beschêd dâr mete van wêten, ôver dat dat schip tôr Wismer gekômen were, unde dâr were it ûtgemâket; dâr enbôven do deRussen to dep Wismer quêmen, do sêgen se ere rôvere uppe der strâten gân, de ere gerede unde caliten drôgen; ôk hadden se ênen sittende in deme torne, de ze gewundet unde geslâgen hadden, den lêten se ute deme torne unde lêten ene lôs. - - - - Vortmer antworden (de van der Wismar), - - - se hadden mit grôten kosten unde arbeyde unde hulpe erer heren unde vrunde dat so vere ge-


1) "Vor de Russen in dat water, dat dar hetet de Nu." Grautoff Lüb. Chron. I, zu, J. 1395, S. 370.
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bracht, dat se de Russen wedder koften van den rôveren, dâr se, ghevangen sêten unde hadden vôr se gegeven - - wol up dûsend marc lub. - - - Mêr de rôvere, de en dat gûd genômen hadden, de enweren in der stede gewalt nicht, mêr se weren beseten under ander vorsten unde heren, dâr de stede nyne macht ôver haddern.

Hieraus geht bestimmt hervor, daß auch noch nach der Befreiung des Königs Albrecht meklenburgische Edelleute sich mit Seerauberei beschäftigten, wie zu jener Zeit die märkischen Edelleute Landraub trieben. Detmar und Corner erzählen außerdem ausdrücklich, daß die Vitalienbrüder sich nach der Befreiung des Königs noch ein Jahr lang an den östlichen Küsten der Ostsee umhergetrieben hätten. Vgl. Grautoff's Lüb. Chron. I, S. 370 - 371.

Vicke von Vitzen und Vicke Stralendorp gehörten belannten meklenburgischen Geschlechtern an, und Hinricus Tamenitze ist ohne Zweifel ein Tarnewitz aus der bekannten, jetzt ausgestorbenen Familie (vgl. Jahrb. XIII, S. 393 flgd.). Das Schloß Ekhov ist das bekannte Eickhof bei Warin. Wenn auch diese Familien in anderen Ländern Güter haben mochten, wie z. B. die Vietzen öfter in den nordischen Reichen vorkommen, so giebt doch die bekannte Burg Eickhof den sicheren Beweis, daß diese Räuber Meklenburger waren. Wer damals Eickhof, welches im 14. und 15. Jahrh. seine Besitzer häufig wechselte, besaß, hat sich noch nicht ermitteln lassen; die v. Lützow wurden erst am Ende des 15. Jahrh. damit belehnt.

Die meklenburgische Familie von Vietzen war stark in der nordischen Angelegenheit betheiligt. Wir besitzen darüber eine sehr willkommene Nachricht in Detmar's Lüb. Chronik, herausgeg. von Grautoff, I, S. 346:

1389. In demsulven iare degedinghede vrouwe Margarita, koninghinne to Norwegen, mit Clawese van Vitzen umme de slote Kalmeren unde Suluerborch: dit sint twe slote, dar deme koninkrike to Sweden grot macht an licht. Desse twe slote hadde Clawes na sines vader dode alse sine ervesone, wente sin vader her Vicke van Vitze blef dot in deme stride, do de konink van Sweden gevangen wart, also vore schreven steyt. Clawes dêde de slote der koninghinnen na deme, alse dat ghedegedinget wart,

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wente he don moste, alse he mochte na deme, dat eme dat over de hand gheleghen was, unde quam na der tyd wedder hir tho lande, sines vaders erve tho besittende.

Hiernach war einer der Ritter des Königs Albrecht von Schweden der Ritter Vicke von Vietzen. Er fiel 1389 in der Schlacht von Axenwalde, in welcher der König Albrecht gefangen ward. Er hatte von dem Könige als Pfand die beiden Schlösser Kalmar und Silberberg, welche zu den festesten Schlössern Schwedens gehörten. Nach einer urkundlichen Nachricht im schweriner Archive "verglich sich Vicke von Vietzen am Mittwoch vor S. Margarethe 1375 mit dem Herzoge Albrecht von Meklenburg dahin, daß, wenn Boo Jonssen und seine Mitverwandten dem Herzoge 4000 löthige Mark erlegen würden, Vicke von aller Rechenschaft befreiet sein solle, womit er dem Herzoge von wegen des Schlosses und der Vogtei Kalmar, so ihm verpfändet gewesen, verpflichtet sein möchte; wenn aber solche Erlegung unterbleiben würde, solle er Rechnung zu thun schuldig sein". - Die Schlösser Kalmar und Silberberg, welche er jedoch 1389 besaß, gingen auf seinen Sohn Claus von Vietzen über, welcher sie der Königin abtreten mußte. Dieser ging darnach auf seine väterlichen Erbgüter zurück. Höchst wahrscheinlich war dessen Sohn Vicke von Vietzen (ein Bruder eines Ritters Claus), welcher sich noch im J. 1422 mit Seeräuberei beschäftigte. Die Genealogie 1 ) würde also sein:

Genealogie

Von den in Jahrb. XV, S. 56 und 61 unter den Vitalienbrüdern aufgeführten und noch nicht nachgewiesenen meklenburgischen Edelleuten, mögen sich Heine Schutte und Olav Schutte verfolgen lassen, welche vielleicht aus dem im Lande Grevismühlen auf den Gütern Schwansee, Kalkhorst, Nienhagen, Dönkendorf etc. . angesessenen Geschlechte der Schosse, Schotze oder Schutze stammten und den oben genannten v. Tarnewitz nahe wohnten.



1) Ich verdanke diese Nachweisung dem Herrn Crull zu Wismar.
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4.
Antonius Schröder

und

der Türkenzug von 1532.

(Vgl. Oben S. 92.)

Antonius Schröder, Pfarrer an der S. Georgen=Kirche zu Parchim, dessen Leben in Jahrb. XII, S. 238 flgd, kurz gezeichnet ist, war dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen in mancherlei Geschäften dienstbar und verrichtete oft die Geschäfte eines außerordentlichen Secretairs.

Als der Kaiser Carl V. am 24. Junii 1532 eine "eilende Hülfe" der deutschen Reichsstände gegen die Türken ausgeschrieben hatte, sandte der Herzog die ausgeschriebenen 40 zu Roß und 67 zu Fuß auf 2 bis 4 Monate zunächst nach Wien zu Hülfe. Die Reuter waren:

Asche von Cramm, Johanniter=Comthur zu Nemerow, als Hauptmann des Zuzuges, mit 8 gerüsteten Pferden
Liborius v. Bredow, Johanhiter=Comthur zu Mirow, mit 8 - -
Achim v. Halberstadt auf Brütz mit 7 - -
Hans v. Kerberg mit 8 - -
Valentin v. Knesebek mit 6 - -
Jürgen Lehsten mit 2 - -
Heinrich Lode mit 1 - -
-- ------- -------
40 gerüsteten Pferden

Diese begleitete der Pfarrer Antonius Schröder, "Secretair des Herzogs Heinrich", als "verordneter Pfennigmeister".

Der Zug ging am 1. Sept 1532 von Parchim über Perleberg, Havelberg, Brandenburg, Wittenberg, Leipzig, Gera, Schleitz, Hof, Wunsiedel, Weiden, Neunburg, Lengefeld nach Regensburg, wo sie am 22. Sept. ankamen und zu Schiffe gingen. Am 28. gingen sie auf der Donau nach Wien, wo sie am 5. October anlangten.

Von Wien ging Antonius Schröder sogleich am 7. Oct zurück, über Olmütz, Zuckmantel, Neisse, Breslau, woselbst und vorher zu Olmütz er dem Markgrafen Joachim von Brandenburg, als des niedersächsischen Kreises obersten Feldhauptmann, die ihm zukommenden Gelder zahlte, ferner von Breslau am 21. October über Lüben, Crossen, Frankfurt a. O., Gransee und Mirow, wo er am 6. Nov. wieder ankam.

G. C. F. Lisch.     


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5.
Des Herzogs Albrecht des Schönen Reise zum Kaiser Carl V. 1543.

Ueber des Herzogs Albrecht Bemühungen, nach dem verunglückten Zuge nach Dänemark während der sogenannten Grafenfehde die sogenannte "spanische Schuldforderung" einzutreiben, sagt Rudloff Mekl. Gesch. III, 1, S. 110: "Albrecht hatte nun nichts angelegeneres, als die so oft verheißene Entschädigung für seine auf des Kaisers Wink gemachten Aufopferungen zu erhalten. Er ließ keinen Reichstag, noch sonstige Wege unbesucht, auf welchen er den Monarchen anzutreffen und seine Schuldforderung mittelbar oder unmittelbar in Anrege bringen zu können glaubte".

Eine solche Reise zum Kaiser machte er im Sept. 1543 in die Niederlande. Eine von mir im königl. Hauptstaatsarchive zu Dresden aufgefundene geschriebene Zeitung enthält folgende Stelle:

          "Aus Antorff den 26. Septembris [1543].
Die key. Mayt. ist zu Dist vffgebrochen vnd ist hertzog Albrecht von Meckelborg vnterwegs zu Irrer Mayt. komme, sonst weiß ich von keinem andern Teutschen fursten oder fursten Botschaft, die itzo am hoffe were.
Der Oberst feldtheubtman hat die stadt Landerfi, wie man sagt, besichtiget, u. s. w.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Vnd der gantze hauffe von allem kriegsvolck hat vngeferlich gestern vor Landerfi sollen susamen kommen".

Nach einer geschriebenen Zeitung im königl. Sächsischen Haupt=Staats=Archive zu Dresden.
"Landerfi" ist die Stadt Landrecy in Flandern, welche der Kaiser Carl V. im J. 1543 in dem Kriege gegen den König Franz I. von Frankreich vergeblich belagerte. - Diest ist eine Stadt in Süd=Brabant.

G. C. F. Lisch.     


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6.
Die Herzoging Katharine von Meklenburg,

über deren Schönheit in den Jahrb. VIII, S. 196, Nachrichten mitgetheilt sind, ward am 3. Julii 1512 an den Herzog Heinrich von Sachsen=Freiburg vermählt, worüber mehrere Ur=

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kunden in Lisch Maltzan. Urk. IV, S. 411 flgd, gedruckt sind. In dem interessanten Buche von v. Langenn: Züge aus dem Familienleben der Herzogin Sidonie, Dresden, 1852, S. 95 flgd, findet sich eine charakteristische Schilderung der jungen Frau in einem Briefe des Kurfürsten Friedrich des Weisen vom 31. Julii 1512:

          "An Herzog Georgen zu Sachsen.
Hochgeborner furst, fruntlicher liber vetter. Ouf hewt feyn mir II briffe von e. l. zcukomen, welche ich vorleßen. Und der erst Briff, in welchem e. l. mir anzcaigen der Hochczeit halben etc. . ßoge ich e. l. fruntlichen danck der guthen bericht, vnd mir geffoldt nit, dos dye broudt noch das geprenge vnd geberde ayner broudt helldet, dan eß ist nuhe nit meher de tempore, aber bey mir hobe ich den wan olß ain older geßelhe, ßo ich ain ßo lang bey mir gehobt, ich welld syhe, ob got wyl, alßo ffyl wnderwesset hoben, dos syhe dos geprenhe ayner broudt ßolld ains teylls abgestellet hoben, eß feldt aber wol ayner jungen byß weyllen dyße kunst, ich wyl geschwehgen ayner alden. In Summa mir gesseldt dye weyße gor nicht, wye ich den e. l. ßogen wyl, ßo vnß got der almechtig zu ßamhen hyllfft". - - - - - Fost mit eylle, an ßomstog noch sont morthen tog, zcu Weymor, goncz bey nocht vud in dem fynstern geschriben. Ao. XV C XII."
          Frid.

Es ist hier ohne Zweifel von der Herzogin Katherina die Rede, wenn auch v. Langenn (S. 50) die Veranlassung dieses Schreibens nicht kannte.

G. C. F. Lisch.     


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7.
Der Canzler Brandanus von Schöneich,

der Oheim seines bekannten Amtsnachfolgers Caspar von Schöneich, ist bisher noch wenig bekannt. Er wird ein ausgezeichneter Mann gewesen sein, da er nach dem in Zarncke's Geschichte der Universität Leipzig 1 ) mitgetheilten Verzeichnisse der Rectoren dieser Universität für das Winter=Semester


1) Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens, von Friedrich Zarncke, Leipzig, 1857, S. 593.
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1501-1502 Rector der Universität Leipzig war. Es heißt in diesem Verzeichnisse zum J. 1501:

1501. a. Sebastiauus Brandenburgensis M. th. B.
          b. Brandanus de Schoneich M. utr. Iur. B.

Der Buchstabe M. bedeutet die "Nation" der Meißner ("Misnenses"), da die Universität Leipzig in 4 Nationen: Meißner, Sachsen, Baiern und Polen, getheilt war. Er war beider Rechte B(accalaureus).

Er wird im J. 1502 in die meklenburgischen Staatsdienste getreten sein, da er schon am 20. Julii 1502 in einer Original=Urkunde genannt wird ("magister Brandanus de Schoneich, cancellarius ducum Magnopolensium") und die Herzoge ihn, "ihren wohlverdienten Kanzler" ("Brandanum de Schoneich cancellarium nostrum bene meritum", und "clericum" nach einer anderen Urkunde,) am 25. Januar 1503 zu einer güstrowschen Domherrnstelle präsentirten 1 ). Sein Vorgänger Dr. Antonius Gronewolt oder Grunewald kommt seit 1495 bis in das Jahr 1501 vor und starb vor Lätare 1501. Brandanus von Schöneich starb im Anfange (vor dem 4.) des Monats März 1507 2 ).

G. C. F. Lisch.     


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8.
Ueber die Wiedertäufer in Meklenburg.

Von großem Interesse ist ein den "Berichten der Augenzeugen über das münsterische Wiedertäuferreich von Dr. C. A. Cornelius" (Geschichtsquellen des Bisthums Münster, II, 1853, S. 410 - 411,) mitgetheilter Brief des Rathes der Stadt Lübeck an den Rath der Stadt Rostock vom 6. Juni 1537, nach welchem sich der erste Anstifter der Wiedertäuferei in Münster, der "Pfaffe" Bernd Rothman, damals in Rostock aufhielt. Der Brief lautet also:

          Lübeck 1537. Juni 6.
Uns kumpt waraftigen by, wo einer genoemt Berent Roethman, welcher kortzvorschêner tit binnen Munster der wedderdoper und sust alles uprors und nafolgendes qwades ein hovet und stifter gewest, sich in der stat Rostock entholden schole. Wes nu desselvigen mans,


1) Vgl. Jahrb. XII, S. 338 - 340.
2) Vgl. Jahrb. III, S. 84.
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condition, statur, habit und handelinge, ock wor he to vinden ist, solchs alle werden iwe erb. w. uth hir inliggende cedulen, de uns umme vorkuntschoppinge dessulvigen ist vorreket worden, nach notturft wol vornemen.
               Beilage:
Einer genoemt her Bernt Roethman heft thor herbarge in Rostock gewest mit der Smedesken in der Steinstraten gegen den swarten Monniken, heft wandags Hans Ruther gewonet. Ploch tho Munster im regimenle tho hêthen Stuten-Bernt, und is de erst tho Munster de wedderdope und alle rumor anhôf. Is van personen ein drungen, vêrkant man, under ôgenen wit, blêck, brûn strack hâer kort, dricht int gemein eine Spaniske kappen unbosettet. De predicant in Marien kercken, her Henrich, heft siner wol kuntschop. Wonet itzundes by sunte Clawesse vor dem Schwychbagen, so men geit uth dem Molendore. Und let sick nomen doctor in medicin, holt sick gemeinlichen thom adel.

(Orig. im Stadt=Archive zu Rostock. Dem Herausgeber mitgetheilt vom Professor Dr. Waitz.)

Es wäre gewiß von hohem Interesse, wenn sich die Verbindungen und die Wirksamkeit dieses Mannes in Rostock, so wie dessen fernere Schicksale weiter verfolgen ließen.

G. C. F. Lisch.     

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9.
Ueber die Schweißsucht

und den Verlauf dieser Krankheit in Meklenburg, über welche in Jahrb. III, S. 60 flgd. gehandelt ist, sind bisher wenig Entdeckungen gemacht. Jetzt ist es klar, daß die Krankheit um Assumptionis Mariae (15. August) 1529 in Meklenburg einbrach, hier sehr rasch und gelinde verlief und um Nativitatis Mariae (8. September) erloschen war. Die Krankheit ging von Westen gegen Osten. Sie brach auf dem Continent zu Hamburg am 25. Julii 1529 aus, dann in Lübeck am 29. Julii. In Boizenburg und in der Nähe der Stadt in Blücher und Besitz erschien sie am 10. Aug.: in Boizen=

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burg starben in 3 Tagen über 60 Menschen (Jahrb. III, S. 72). In Ribnitz brach sie am 16. Aug. aus (vgl. daselbst S. 73), jedoch starb im Kloster niemand, obgleich 25 Nonnen und mehrere andere Personen davon befallen wurden.

Um Nativitatis Mariae (8. Sept) scheint die Krankheit im Allgemeinen erloschen gewesen zu sein. Dies erhellt aus einer jüngst entdeckten Nachschrift eines eigenhändigen Briefes des Herzogs Heinrich des Friedfertigen an den Canzler Caspar von Schöneich, d. d. Stavenhagen am Montage nach Nativ. Mariae (13. Sept.), in welcher er sagt:

"Herczog Albrecht ist am vergangenen Freitag von strelitze na der Grimenitze myt sampt seyner gemahel und III jungfrawen wit XVIII kleppern gereysset".
"Es sol in Berlin an der krancheyt, so ytzunt vorhanden, ser sterben vnd dar an niderliggen."
"In Nienbrandenburg sein an der krancheit vber III C hindergelegen vnd nicht vber XII gestorben."
"In Parchem, Sternberg, Plawe vnd Waren haben auch ser dar ine nider [gelegen], sie haben aber den merenteill vff bleiben und lebendig, vnd sunderlich die das regiment halten".
["Stefenhagen am montag ua natiuitatis Marie ao. 29. fast yn eill geschriben."]

Es ist bis jetzt nicht bekannt geworden, daß irgend eine bedeutende Person in Meklenburg an der Schweißsucht gestorben sei. Nach neueren Entdeckungen starb jedoch der Dr. Ulrich Malchow, Senior des Dom=Capitels und Mitadministrator des Bisthums Schwerin, am 10. Sept, 1529, also wahrscheinlich an der Schweißsucht.

G. C. F. Lisch.     


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10.
Ueber die Pest von 1589 und 1591

und

das Gesundheitwünschen beim Niesen.

"Anno 1589. 1591 hat die Pestis inguinata, wie es die Medici nennen, in gantz Europa grassieret, das ist eine solche geschwinde erschreckliche Krankheit gewesen, das wenn die Leute nuhr haben ein mahl gepraustet, sind sie

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"alsbald vmbgefallen vnd gestorben. Es sind offt gesunde Leute beinander auff der Gassen gestanden, haben miteinander geredet, vnnd wenn sie nuhr ein mahl gepraustet, sind sie plötzlich niedergestürtzet vnd todt geblieben. Vnd daher ist die gewonheit bey den Christen auffgekomen, das man spricht: Gott helffe dich, wenn ein Mensch praustet, vnd das sie Gott bitten vmb eine selige stunde zu leben vnd zu sterben, wenn sie die Glocken hören schlagen."

Aus M. Conrad Schlüsselburg's Leichenrede auf den Herzog Christoph von Meklenburg. 1592.

Wahrscheinlich starb der Herzog Christoph am 4. März 1592 an derselben Pest. Schlüsselburg sagt nämlich weiter in dieser Leichenrede, nachdem er dargestellt, daß der Herzog am Tage vor seinem Tode wohl gewesen und zu Tempzin zum Fischen auf den See gefahren, jedoch am Abend von Todesgedanken beunruhigt war: "Ihre fürstl. Gnaden ruhet die gantze Nacht gahr sanffte: Auf den Morgen, zwischen 5 und 6 schlegen, praustet der Herr dreymahl hefftig nach einander, das die Hertzoginne dauon erwachet: wie aber der seliger Herr zum dritten mahl praustet, richtet er sich selber in dem Bette auff, siehet in die höhe, faltet seine Hende gahr dichte zusammen, drücket dieselben, das die Finger braun worden vnd spricht gahr laute: "Jefus", leget sein Haupt sanffte wider nieder, thut seine Augen selber zu, das die Hertzoginne nicht anders gemeinet, denn ihr Herr schlieff widervmb ein. Vnd ist also in einem solchen sanfften Schlaff, ohne alle vngeberde, selichlich abgescheiden".

G. C. F. Lisch.     


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11.
Belehnung durch Antastung des Hutes.

Die Belehnung durch den Hut oder die Mütze (auch Barret), welche der Lehnsherr dem Vasallen darreichte und dieser antastete, ist ein alter Lehnsgebrauch, welcher sich bis um das J. 1700 in Norddeutschland verfolgen läßt. J. Grimm hat in seinen Rechtsalterthümern Th. I, S. 148 flgd. diesen Gegenstand behandelt und gefunden, daß "der Gebrauch dieses Symbols sich vorzüglich in Sachsen (Schleswig, Holstein, Lauenburg, Pommern, Hoya, Braunschweig, Hildesheim bis nach Obersachsen hin), nicht in den übrigen Theilen des Reichs zeigt". Aus Meklenburg war bisher noch kein Beispiel dieses Lehnsgebrauches bekannt.

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In den ältesten Zeiten ward in Meklenburg der Vasall durch Ring und Kuß belehnt. Die in Jahrb. VIII, S. 221 mitgetheilte Urkunde vom J. 1276 giebt eine klare Ansicht von der Form dieser Belehnung.

In jüngeren Zeiten ward der Vasall in Meklenburg auch durch Darreichung des Hutes belehnt.

Der Gebrauch der "Antastung des Hutes" bei der Belehnung kommt in den Acten des Lehngutes Wendisch=Lipze, A. Boizenburg, noch sehr spät zwei Male vor.

Am 4. Januar 1604 berichtete der Lehnmann des Erzstiftes Magdeburg, Busse von der Schulenburg zu Angern, an das magdeburger Dom=Capitel,

"daß er von weilandt dem durchlauchtigen hochgebornen Fürsten vnd Herrn Herrn Johann Albrecht Herzogen zu Meckelnburgk etc. . den 3 Martij Ao. 67 laut der copeylichen Beilage mit dem gutt Wendischen Lipze, imgleichen auch von S. F. G. Herrn Brudern Hertzogen Vlrichen christmilder gedechtniß in der Perfohn mit ausgesprochenen wortten, auch darreichung vnnd handtastungk derMutzen beliehen worden".

Am 25. Sept 1674 leistete der Oberst Jacob von Bülow auf Gudow dem Herzoge Gustav Adolph von Güstrow den Lehneid für dasselbe Gut Wendisch=Lipze, worüber folgendes Protocoll niedergeschrieben ward:

"Den 25. 7br. 1674 hat der H. Oberste Bülow in Ihrer Durchl. gemach in gegenwardh Ihro Durchl. des H. Cantzlers, H. Marschalls, Graffen vnd des H. Cammer=Junckern Major Vieregken diesen Lehneid mit aufflegung der finger auff Ihrer Durchl. Hut, den ihm der H. Cammer=Juncker vorgehalten, abgeleget".

Merkwürdig ist, daß diese Hutantastung beide Male an dem güstrowschen Hofe vorkommt.

Diese Beispiele von dieser Form der Belehnung mögen zu den jüngsten gehören. Es steht zur Frage, wie weit sich diese Form rückwärts verfolgen läßt. Es ist bisher nur noch ein Beispiel vorgekommen: als der Herzog Magnus, postulirter Bischof von Schwerin, die Administration des Stiftes selbst antrat, nahm er am 18. Sept. 1532 die Huldigung der Stiftsvasallen entgegen und belehnte sie von neuem mit ihren Lehngütern. Es sind bei dieser Huldigung 1 ) mehrere Acte


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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klar zu erkennen: 1) die Vasallen gelobten dem Lehnherrn Treue durch Ableistung eines Eides mit aufgehobenen Fingern ("erectis duobus versus celum digitis"); 2) der Lehnherr belehnte die Vasallen durch Darreichung des Hutes, welchen die Vasallen berührten ("per ostensionem sive porrectionem pilei domini et tactum pilei ejusdem per ipsos vasallos"); 3) der Lehnherr bewilligte hierauf den Vasallen Lehnbriefe ("litteras decrevit et concessit").

Aus Holstein ist noch ein Beispiel aus älteren Zeiten bekannt. Am 26. Sept. 1438 belehnte der Bischof von Lübeck den Grafen Adolph VIII. mit der Grafschaft Holstein und dem Fürstenthum Stormarn durch Darreichung des Hutes ("gab dem Herzoge den Hut in die Hände"); vgl. P(eter) H(ansen) Nachricht von den Holstein=Plönschen Landen, Plön (1759), S. 21. Vgl. Lackmann dissertatio de symbolica investiendi ratione per pileum p. 17 sq., wo das Notariats=Instrument über diesen Fall eingeschaltet ist.

Auch in dem an Meklenburg grenzenden rügen=pommerschen Landestheile war dieser Gebrauch herrschend. In einem vor dem Reichskammergericht von der Familie v. Behr gegen die Herzoge von Pommern über den Anfall des Gutes Bärenwalde siegreich geführten Processe heißt es im J. 1529: "Seit unvordenklichen Jahren sei es im Lande Baeth Gewohnheit und Gebrauch gewesen, daß, wenn ein Geschlecht von Adel, so der Lehnherr gestorben, von dessen Erben ihre alten Lehne hätten empfangen wollen, alle Personen des Geschlechts erschienen seien und um Belehnung nachgesucht hätten, welche allein mit Angreifung eines Hutes oder Birrets vollzogen sei".

G. C. F. Lisch.     


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12.
Die Fehler der Hansestädte.

De oscitantia et incuria
urbium anseaticaram
olim haec circumferebantur sarcasmata.

De Lübschen kriegen as Kinder,
de Hambörger sehn dorch de Finger,
de Lünebörger willen nich int Feld,
de van der Wißmar hebben ken Geld,
de Rostoder föhren den Staat,
de Sundesken hebben bösen Raht,

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de Danßker werden sick woll besinnen,
de Bremer werden nichts beginnen,
Cölln am Rein will nicht daby fyn,
den se drinken lever rinschen win,
Magdeborg fören den Crantz
und willen nich an den Dantz,
Brunschwick mot et bliven lan,
erer egen Sacken sick nehmen an.

Aus Segnitz handschriftl. Chronik von Rostock (bis 1732) im Archive zu Schwerin, mitgetheilt von G. C. F. Lisch.


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13.
Capitulation des Herzogs Adolph Friederich von Meklenburg über die Administration des Stiftes Schwerin (enthaltend eine Geschichte des Stiftes Schwerin während des dreißigjährigen Krieges).

D. d. Schwerin 1634. Mai 17.

Von Gottes Gnaden Wir Adolph Friedrich, Hertzogk zue Meckelnburg, Furst zue Wenden, Graff zue Schwerin, der Lande Rostogk vnnd Stargardt Herr, Thuen kund vnd bekennen hiemit fur Vnß, vnsere Erben vnd Nachkommen,

Nachdem durch die im Heiligen Römischen Reich entstandene, vnd leider noch anitzo continuirende Krieges Vnruhe es mit dem Stifft Schwerin zu sothanem betruebten, verderblichen Zustande gerahten, das nicht allein derselbe in den negst abgewichenen Jahren von dem Kayserlichen General, dem Hertzogen zue Friedland occupiret vnd eingenommen, vnd so woll der damahls erwehlter Administrator, der weiland Hochwurdiger Hochgeborner Furst, Herr Vlrich, Erbe zu Norwegen, Hertzogk zue Schleswig=Holstein etc. . hochsehligen angedenckens, alß auch ein gantzes Ehrwurdiges Thum=Capittel vnnd deßelben Capitularn Ihrer guter vnd intraden priviret vnd destituiret, Sondern auch nach der zwischen Ihr Kayßl. Maytt. vnd Kön. W. zu Dennemarck beschloßenen friedenshandlung in vorermeltes Kayßerlichen Generaln handen nach wie vor verplieben, Auch furters, als durch Ihre Kön. W. zu Schweden, Vnsers in Gott ruhenden hochgeliebten herrn Vettern, Brudern vnd Gevattern glorwurdigsten angedenckens siegreiche waffen die Kayserliche darauß gesetzet, vnd vertrieben worben, in höchstgedachter Ihr

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Kon. W. vnd Crohn Schweden macht vnb gewaldt vnd ferner dahin gerachten, das davon vnterschiedtliche ansehenliche stucke, vnd endlich der gantze Stifft selbst Vornehmen Krieges=Officirern vnd andern zu einem gnadengeschencke vorliehen, vnd gereichet worden, vnd also deßelben total dissolution, dismembration vnd ruin offentlich fur augen gestanden vnd obhanden gewesen, Wir aber so woll wegen Vnsers ex jure Electionis habenden hohen Interesse, alß auch aus gnediger affecton gegen ein Ehrwurdiges Dohm=Capittel Vns höchlich bemuehet, solche dissolution zu verhuten vnd alles in vorigen stand zu bringen vnd zu setzen, auch endlich vermittelst Göttlicher Hülffe vnd gnedigen verleihung durch viele schreiben, schickung vnd Kostbahre Bemuhung es Bey Ihr Kon. W. vnd Krohn Schweden vnd dero Hern Reichs=Cantzlern vnd Gevollmechtigten General=Legaten in Teutschland, den Hoch=Wollgebornen herrn Axell Ochsenstirn, Freyhern etc. ., so viel erhalten, das Sie aus sonderbahrer respective freuntvetterlichen vnd wollgeneigten affection gegen Vns mehrgemelten Stifft Vns auff gewiße maße abgetretten vnd deßen possession newlicher Zeit tradiret vnd eingereumet, vnd darauff wollermeltes Ehrwurdiges Dohm=Capittel wegen Ihrer vnd Ihrer guter restitution bey Vns zu vnterschiedtlichen mahlen vnderthenige ansuchung gethan, Wir auch, ob Wir zwar Vns noch zur Zeit, weil Vns vielermelter Stifft noch anitzo nicht auf vnfer habendes jus Electionis, Vnserm beschehenen Suchen nach, sondern nur de jure, wie Ihn höchstgedachte Crohn Schweden bishero eingehapt, vnd das alles damit in itzigem stande noch zur Zeit gelaßen werden solle, cediret vnd abgetretten, deme Wir auch in respect Ihr Kon. W. vnd Crohn Schweden billig nachkommen vnd durch diese Vereinigung, bis Vns auff obbesagtes Vnser jus Electionis die Possessio confirmiret werde, nichts zugegen gehandelt haben wollen, sothaner gesuchten restitution pure et simpliciter Vns nicht bemechtigen, noch vnterrnehmen können, dennoch der vngezweiffelten hoffnung geleben, es werde höchstgedachte Ihr. Kön. W. vnd Crohn Schweden vnd hochwolermetter Herr Reichs=Canzler sowoll wegen der respective nahen anverwantnus, alß auch bishero verspurten sonderbahren vnd von Vns jeder Zeit dancknehmig erkanten wollgeneigten affection der Vuß gethanen vertröstung nach Vnß auff Vnser vorangezogenes jus Electionis quaesitum die possession des Stiffts mit dem ehisten gepetenermaßen freundvrttertich vnd wilfehrig confirmiren vnd bestettigen.

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Daß Wir demnach in sothaner vngezweiffelten confitenz vnd Zuversicht eines Ehrwurdigen Dohm=Capittels gethanem vnderthenigen suchen bey itziger deßwegen angesetzten vnd gepflogenen handelung wegen Ihrer restitution in gnaden raum vnd stath gegeben, Thuen auch daßelbe hiemit, vnd crafft dieses wißentlich, also vnd dergestaldt, das Wir nicht allein die verschenckten Capittelsguter Rampe vnd Medewege mit Vnserm gelde von den itzigen Possessoribus, wie Wir Vns deßen mit denselben werden vergleichen können, lösen vnd reluiren vnd auff erfolgete obangedeutete confirmation einem Ehrwürdigen Dohm=Capittel alßbald cum fructibus jam pendentibus, oder da die confirmation ante messem nicht erfolgen solte, vnd Wir die guter interim wurklich einbekehmen, hernach wan Wir die confirmation erlangen werden, cum fructibus perceptis, oder auch da vber alles verhoffen es sich noch lenger mit der confirmation verweilen, Wir auch vber allen angewanten Fleis mit der reluition fur der Erndte nicht fertig werden, vnd also die itzigen Possessores noch dieses Jahrs fructus percipiren solten, alßdan sobald die reluition vnd confirmation von Vns zu wege gebracht worden, sampt Sechs Hundert Rthaler an staeth dieses Jahrs abnutzüng in gnaden restituiren vnd einantwortten, sondern auch die andern beeden Capittelsgüter Warkstorff vnd den Bawhoff bey der Schelff=Kirchen, so Wir anitzo in besitz haben, sampt dieses Jahrs hebung, also wie dieselbe fur sich vnd ohne Vnser Vnderthanen Zuthun vnd Kosten, secundum arbitrium boni viri, können genutzet vnd aestimiret werden, nach erlangter confirmation wieder abtretten, vnd einreumen, jedoch das Vnß wegen befindt= vnd erweislichen melioration gepuhrende vnd pillige erstattung geschehe vnd wiederfahre.

Vnd alß nun dahingegen ein Ehrwurdiges Dohm=Capittel, sowoll zu antzeige Ihrer vnderthenigen Danckbarkeit, das Wir durch so vielfeltige hohe Kostbahre Bemühung den Stifft obangedeutetermaßen a praesenti interitu et dissolutione vindiciret vnnd liberiret, vnd noch daruber durch die versprochene reluition vnd restitution vorgedachter Capittelsguter auß gnediger affection ein Ehrwurdiges Dohm=Capittel so ansehentlich vnd stathlich bedacht vnd begabet, alß auch in ansehung des gantzes Stiffts vnnd Dohm=Capittels vngezweiffelten nutz, besten, gedeien vnd auffnehmen, vnd das Sie hinfuro bestendigen mechtigen schutz vnd schirm bey einem so vornehmen Vhralten hohen Furstlichen hause haben vnd fur allen besor=

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genden dissensionen, so zwischen dem Furstlichen hause Meckelnburgk vnd dem Stiffte, wie es leider die erfahrenheit vor diesem betzeuget hat, zu beederseits Vnderthanen, Landen vnd Leuten Verderb vnd ruin deswegen lichtlich entstehen konten vnd muchten, durch Göttliche verleihung desto beßer gesichert, vnd in gutem friedlichen ruhigen wolstande erhalten werden muchte, im nahmen Gottes auff vorgehapten reiffen vnd zeitigen vnubereileten Rath vnd einhellige beliebung, nach angestelleter vnd etzliche tage hero gepflogener handelunge auff vnfer gnediges ansuchen vnd gesinnen für sich vnd Ihre Successorn am Dohm=Capittel hiemit vnd crafft dieses sich verpflichtet vnd obligiret, hinfuro vnd zu ewigen Zeiten die postulation eines Administratoris oder Episcopi des Stiffts Schwerin auff das Furstliche Haus Meckelnburgk, vnd erstlich auff Vns vnd vnsere Furstliche Posteritet vnd Lini vnd zwar wegen hoher vnd wichtiger von Vnß angefuhreten motiven vnd Vrsachen auff den jeder Zeit Regierenden hern vnd Landes=Fursten, vnd da Vnsere Linie, welches der Allerhöchste gnedig verhueten wolle, gentzlich abgehen vnd nicht mehr sein sollte, alßdan auff den Hochwurdigen Hochgebornen Fursten, Herrn Hans Albrechten, Hertzogen zue Meckelnburg, Coadjutorn des Stiffts Ratzeburgk, Fursten zu Wenden, Graffen zue Schwerin, der Lande Rostogk vnd Stargardt Herrn, Vnsern freundlichcn vielgeliebten Brudern vnd Gevattern, vnd seiner Ld. Posteritet ebener gestaldt auff den Regirenden Landes=Fursten, dofern es vff solchen begebenden Fall also begehret wirt (jedoch da auch S. Ld. Linie vnd Posteritet, vnd also der gantze Meckelnburgische Stam, welches doch der vielgutige Gott väterlich abwenden wolte, abgehen solte, einem Ehrwurdigen Thumb=Capittel die freye wahl vnd postulation einen Episcopum, aus welchem hause Sie wollen, zu postuliren, vnd zu erwehlen, wieder heimbfallen, auch Kein ander Furstliches haus, so dem Furstlichen Meckelnburgischen abgehenden Stam in deßen Fnrstenthumen vnd Landen entweder jure cognaiionis, oder vermuge Kayßerlicher exspectantz, Verträge oder in andere Wege succediren muchte, durch diese restriction einig jus oder Recht auff den Stifft Schwerin nicht zu praetendiren haben solle,) bestendiglich vnd vnverrucket zu richten, vnd zu dirigiren, Auch dem zufolge, woferne wir nemblich fur Vns, vnd vnsere posteritet vorgemeltes Dohm=Capittel in schriften, durch eine sonderliche zwischen Vnß vnd Ihnen auffrichtende capitulation wegen Ihrer habenden freiheiten vnd gerechtigkeiten gnugsahmb assecuriren

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vnd versichern vnd dieselbe vnter Vnserm Furstlichen Insiegel vnd handtzeichen Ihnen vollenzogen zustellen wurden, im nahmen der heiligen Dreyfaltigkeit, Vns als Regierenden hern vnd Landes=Fursten zu Meckelnburgk (Bevorab weil Wir daßelbe aus angezeigten hohen erheblichen Vrsachen also vnd auff Vns zu richten, an ein Ehrwurdiges Dohm=Capittel gnedig begehret und auff Ihre vnderthenige beschehene erinnerung Sie in gnaden versichert, daß Ihnen daßelbe weder Bey Vnserm Sohn, dem Hochgebornen Fursten, Hern Christian, Hertzogen zu Meckelnburgk etc. . wegen der hiebenohr auff deßen Persohn gerichteten postulation, noch sonsten bey jemand anders, weil Wir hierin der itzigen beschaffenheit nach, vnd sonsten nach Vnserm belieben zu disponiren freie macht haben, zn einigem Vorweiß noch vngelegenheit nicht gereichen wurde oder solte,) aus vndertheniger affection zue einem Administratorn des Stiffts Schwerin vnderthenig postuliret vnd erwehlet, Wir auch sothane Postulation gnedig acceptiret vnd angenommen vnd Vns auff erlangte oberwehnte confirmation des Titels zu gebrauchen Vns ercleret, So haben Wir demnach löblichem vnd wollhergebrachtem gebrauche nach vnd damit ein Ehrwurdiges Dohm=Capittel, auch der gantze Stifft vnd Kirche zu Schwerin, sampt allen vnd Jeden deroselben Steuden, Verwanten, vnderthanen vnd Nachkommen, Geistlichen vnd Weltlichen, zu aller gepuhr desto mehr versichert sein mugen, gegenwertige capitulation in Vnserm Nahmen mit wolgedachtem Dohm=Capittel nach folgender gestaldt wissentlich vnd wohlbedechtig auffgertchtet vnd vollentzogen, u. s. w.

(Folgen die einzelnen §§. der Capitulation.)

Behandelt, geschehen vnd gegeben Schwerin den Siebenzehenden May Anno Christi Ein Tausent Sechs hundert vier vnd dreyßig.

AFriedHzM.

Otto von Estorff,      Vlrich Wackerbardt,      Volraht v. Pleß,
prepositus mppa.      Dechand mpp.      Senior mea manu s.
Balthasar v. Bothmer
               mpia.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. K. Archive zu Schwerin.


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14.
Ueber die Caselier in Meklenburg

(vgl. Jahrb. XIX, S. 3 flgd.)

giebt der Herr Archiv=Secretair Dr. Grotefend im Correspondenz=Blatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine, 1855, Juli, Nr. 10, S. 91 folgende Nachträge:

"Dem Referenten mag es vergönnt sein, bei dieser Gelegenheit (der Anzeige der Jahrbücher XIX.) an eine seltene Gelegenheitsschrift des bekannten Pädagogiarchen von Göttingen Justus von Dransfeld zu erinnern; es ist dessen Epistola ad d. Henr. Christoph. Domeierum, dom. Palmarum a. 1705 autoritate electorali - ecclesiasten aedis s. Crucis renunciatum. Gottingae, literis Josquini Woyken. Anno 1705. 4. Der gelehrte Pädagogiarch sagt darin S. 8: Cujus Matthiae Caselii, cujus item Joannis Caselii epistolas bene multas Germanicas et Latinas ad majores nostros (er war ein Verwandter des Pastors Domeier) scriptas, inter alias ad proevum tuum maternum (Herrn Jost von Dransfeld, Patricium Gottingensem), quem in Academia Rostochiensi per triennium contubernalem et discipulum habuit, scriniis meis asservo, und giebt als Probe zwei Briefe des Johannes Caselius an den Jost von Dranßfeld, deren ersterer als ein kleines Supplement zu Lisch's Aufsatz hier einen Platz finden mag:

"Henricopoli scripsi ad te, mecum actum esse de educatione illustrium Filiorum Illustrissimi Ducis Julii et Professione in nova Schola Julia, quae Helmstadii est. Ero vobis propior, si me hinc Illustrissimus meus dimittet: quod faciet, aut dabit, unde hic vivam. Nam profecto interea, dum tu abes, hic ne numum quidem, neque de 2000, neque de stipendio accepi: ut nihil mittam ad Parentes. Vos rogo, ut, si qua re egebunt, eos pro more juvetis. Reddetur bona fide. Statim etiam aliquid mittam, ut puto, mense Majo, quia ad Ducem Julium mittendus est tabellarius brevi. Interea videbo argentum. Etiamsi tibi istic manendum erit propter rem familiarem, tamen quaeso te, sis in literis: lege, scribe, meditare. Sed mallem te vivere, ubi ego ero, annos non plurimos. Novi ingenium et industriam

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"tuam. Parentes optimos saluto. Fratres mei valent. Saluto matrem tuam, fratres, amicos. Vale".

"Rostochio, V Id. April. 1575.     

"Außer den die beiden Hauptpersonen betreffenden Notizen, welche dieser Brief darbietet, lernen wir aus ihm auch, daß die beiden Brüder des Johannes Caselius, Christoph und Daniel, noch 1575 in Rostock lebten, während Herr Lisch von dem letztern nur bis zum J. 1569 Nachrichten gefunden hat. Die sonstigen Nachrichten der Dransfeldischen Schrift stimmen mit dem, was Herr Lisch über Matthias Caselius berichtet, überein und sind auch im Wesentlichen in der Zeit= und Geschichtsbeschreibung der Stadt Göttingen (Hannover und Göttingen, 1734 - 1738, 4.) Bd. I, S. 94 flgd., Bd. III, S. 12 flgd., S. 265 flgd. benutzt worden".


Der Herr Professor Dr. Henke zu Marburg schreibt mir: "In einer Schrift über einen der besten Schüler des Joh. Caselius, Georg Calixtus, (Th. I, Halle 1853) habe ich versucht, die ganze Stellung der Parthei, an deren Spitze Caselius in Helmstädt stand, ihr Verhältniß zur Regierung, wie zu andern kirchlichen und gelehrten Partheien, etwas näher zu charakterisiren, u. a. S. 48 - 53, 70 - 78, 88 - 99, 117, 145 - 147, 159, und hiernach sieht es zur Ehre meines braunschweigischen Vaterlandes doch etwas besser aus, als daß sein Aufenthalt in letzterm bloß durch "Hunger ,und Kummer", woran es zuletzt freilich auch nicht fehlte, charakterisirt wäre. Mein Freund Schmidt, welchen Sie dafür citiren, hat dabei wahrscheinlich auch Stellen der Arbeit im Auge, welche er selbst aus seinen archivalischen Schätzen so wirksam unterstützt hat".

G. C. F. Lisch.     


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15.
Christian Ludwig Liscow.

Ueber Liscow's Jugendbildung ist in den neuern Zeiten manche Vermuthung aufgestellt, da man seine Schicksale gerne mit seiner Jugendbildung in Verbindung zu bringen sucht. In den Jahrb. X, S. 120, ist die Vermuthung aufgestellt, daß er auf der Schule zu Lübeck gebildet sei. Classen in seiner Schrift über C. L. Liscow's Leben und Schriften,

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Lübeck, 1846 (vgl. Jahrb. XI, S. 231), kann dies zwar nicht beweisen, nimmt es aber um so mehr als glaubwürdig an, als Christian Ludwig Liscow's Bruder Joachim Friedrich Liscow wenigstens 1722 - 1724 die Schule zu Lübeck besuchte (vgl. Classen a. a. O., S. 4 und 5, und Jahrb. X, S. 109); eine sichere Beglaubigung dieser Annahme hat sich aber in Lübeck nirgends auffinden lassen. Es hat sich aber jetzt aufgeklärt, warum über Liscow's Schulbildung weder bei der lübecker, noch bei den meklenburgischen Schulen etwas zu finden ist. Christian Ludwig Liscow hat nämlich diese Schulen gar nicht besucht, sondern ist auf der Schule zu Lüneburg zur Universität vorbereitet worden. Der Herr Director Volger zu Lüneburg theilt aus der im J. 1702 angelegten Matrikel des Johanneums zu Lüneburg einen Auszug mit, nach welchem unter den Ostern 1716 in die erste Classe eingetretenen Schülern auch Christian Ludwig Liscow war:

Lüneburger Schul=Matrikel.
Anno 1716.
Christian Ludwig Liscow, Wittenburgo-Megapolitanus.

Hiezu stimmt denn auch, daß Liscow im Sommer 1718 die Universität Rostock bezog.

G. C. F. Lisch.