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VIII.

Ueber

den lübecker Martensmann,

von

G. C. F. Lisch


D ie Stadt Lübeck war früher bekanntlich verpflichtet, alljährlich am "Martini Tage", am 10. November, nachmittags nach 1 Uhr, eine Tonne oder ein Ohm rheinischen Most durch einen Rathsdiener unter vielen Ceremonien an das herzoglich meklenburgische Hoflager im Schlosse zu Schwerin zu liefern, woher der Ueberbringer auch der "Martensmann" genannt ward. Die ganze Geschichte, welche viele noch jetzt lebende Leute noch erlebt haben, ist in allen sonderbaren Einzelnheiten, welche im Laufe kleinlicher Zeiten und bei mangelndem Bewußtsein des Ursprunges der Abgabe ohne Zweifel vielfach ins Kleinliche ausgebildet waren, im ganzen Lande bekannt genug, und es ist viel darüber geschrieben und gedruckt Köpken schrieb eine Abhandlung über den Martensmann ("Solennia Martinalia Sverinensia"), welche v. Westphalen in Mon. Ined., 1740, II, p. 2393 flgd. hat drucken lassen, worauf v. Westphalen selbst in Mon. ined., 1742, IV, Praef. P. 1 flgd. die Sache behandelt hat. Der Geheime Rath J. P. Schmidt hat die wichtigsten Nachrichten in Abschriften gesammelt und die Disposition zu einer Abhandlung ("Sciagraphia dissertationis historicae etc.") entworfen, handschriftlich in der Regierungs=Bibliothek. Eine ausführliche gedruckte Schrift ist: "Mark's Geschichte vom Martini=Abend und Martins=Mann, Hamburg und Güstrow, 1772". Nicht lange darauf, um das Jahr 1783, erschien eine "Ausführliche Geschichte des Lübecker Martensmannes", ohne Angabe des Verfassers, des Druckortes und Jahres. In den neuesten Zeiten hat v. Lützow Mecklenb. Geschichte II, S. 463 - 464 eine Uebersicht gegeben.

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Die Sache wäre jetzt vielleicht nicht mehr der Rede werth, wenn sie nicht in den allerneuesten Zeiten wieder aufgefrischt worden wäre. In den beiden zu Schwerin erscheinenden Zeitungen (dem "Norddeutscheu Correspondenten" und der "Mecklenburgischen Zeitung") ist am 10. November 1857 die Sache wieder ins Gedächtniß gerufen und behauptet, die Abgabe am 10. November sei zu Ehren des Reformators Dr. Martin Luther geschehen, Nach einer von mir am Abend des 10. Novbr. 1857 im engern Kreise des Schweriner Künstlervereins gehaltenen heitern geschichtlichen Tischrede, in welcher ich den Irrthum dieser Annahme nachzuweisen mich bemühte, ist meine Ansicht in dem "Norddeutschen Correspondenten" vom 12. November verworfen und es ist daselbst wiederholt gesagt: "daß man nicht Veranlassung gehabt habe, bei der Erinnerung an eine in einer lutherischen Stadt celebrirte, auf den 10. Nov, fallende Volksfestlichkeit, in Betreff welcher weder urkundliche Kunde (?), noch Tradition (? ?), sondern höchstens (?) eine unbestimmte Analogie (?) auf den heiligen Martin von Tours "zurückweise, sich auf den Boden (?) der katholischen Kirche zu "stellen und deren Heiligenkalender für uns maßgebend (?) zu machen. Das alte Schwerin der lutherischen Zeit habe die Festivität des Martensmannes gewiß nicht (??) als an den Vigilien des Festes eines katholischen Heiligen gefeiert, sondern der Tag weise auf Doctor Martin Luther".

Nicht um einen nutzlosen Streit anzufangen, sondern um den Stand der Forschung festzustellen und zur Kritik der früheren Forschungen die Sache in die geschichtlichen Rechtsalterthümer einzuführen, wähle ich die Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte, um hier meine bis jetzt unbekannten Forschungen niederzulegen.

Es giebt ietzt im Kalender drei Martins=Tage, welche im Monate November unmittelbar auf einander folgen: der 10. November der Geburtstag des Dr. Martin Luther, der 11. November der Tag des Heil. Martin des Bischofs, der 12. Novbr. der Tag des Heil. Martin des Papstes. Von diesen drei Tagen ist der Tag des Heil. Martin des Bischofs (seit dem 4. Jahrhundert), am 11. Novbr., des Wohlthäters der Armen, der älteste und wichtigste und erlangte im Geschäftsleben schon früh weit und breit eine große Berühmtheit. S. Martins Symbol war die Gans; daneben war er Patron der Trinker. Da nun sein Tag in die Zeit fiel, wo schon hinreichend Korn gedroschen war, und die Gänse fett wurden, so ward der Tag "Martini" schon früh der Tag der Ablieferung von Naturalabgaben, namentlich an

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die Geistlichkeit: es wurden die fetten Gänfe und die ausgewachsenen Hühner, die Kornabgaben u. s. w. geliefert und der Tag Martini überhaupt ein landesüblicher Lieferungs= und Zahlungstermin. Zahllose mittelalterliche Urkunden beweisen, daß der Tag Martini ein weit verbreiteter Zahlungstermin oder "Umschlag" war. Noch heute ist an vielen Orten Martini der Tag für die Leistung von Abgaben oder für die Werthbestimmuug derselben und überhaupt noch ein Termin für bestimmte Geschäfte. Da nun so viele günstige Umstände zusammentrafen, so konnte es nicht fehlen, daß seit alter Zeit der Tag Martini 1 ) und der Abend vorher durch Trinkgelage und Schmausereien, wobei die fette "Martinsgans" eine Hauptrolle spielte, gefeiert ward.

Es ist aus allen diesen Gründen, deren Darlegung hier unnöthig ist, unmöglich, anzunehmen, daß der Geburtstag des Dr. Martin Luther die Veranlassung zu diesen uralten Gebräuchen geworden sei; die protestantische Kirche und das protestantische Volk würden sich auch entschieden geweigert haben, das Fest ihres Reformators auf diese Weise zu begehen. Und doch, wird man sagen, muß es auffallend sein, daß die Stadt Lübeck am 10. Nov., also am Tage Martin Luthers, den rheinischen Most in Schwerin zu liefern verpflichtet war.

Znr Lüftung des Schleiers, welcher über dieser Sache ruhet, wird es nothwendig sein, zuvor unsere bewährtesten Geschichtsforscher zu befragen. Die gesammelten Acten des schweriner Archivs über den Martensmann gehen nur bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück und enthalten über den Ursprung der lübecker Abgabe nichts. Der Geheime Rath J. P. Schmidt, ein bewährter Forscher, welcher die Archiv=Acten studirt hat, sagt: "Die ältesten Nachrichten von dieser Feyerlichkeit gehen nur bis in das Jahr 1567"; Rudloff kommt in seiner Meklenb. Geschichte III, 1, S. 343, nur bis zum J. 1550 zurück (vgl. III, 2, S. 240); v. Lützow sagt in seiner Meklenb. Geschichte II, S. 464, daß es "darüber keine historische Gewißheit giebt - - und Grund und Entstehungszeit schon im 16. Jahrhundert nicht bekannt waren". Es hilft also nicht, die bisherigen Angaben und Vermuthungen kritisch zu prüfen.


1) Noch im J. 1772 sagt Mark: "Der sogenannte Martini=Abend, welcher an sehr vielen Orten und besonders namentlich in meiner Vaterstadt Schwerin nicht nur dem Hefen des Pöbels, sondern selbst den Pallästen der Großen sogar feyerlich ist, verdient billig einige Aufmerksamkeit". J. P. Schmidt schreibt: "Rostochii blasen die "Stadt=Musicanten hoc die vor allen Häusern den Martin aus".
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Es ist die Frage, ob es keine ältere Nachrichten giebt, als die bisher bekannten. Und hier kann ich eine sichere Nachricht mittheilen, welche wenigstens den Tag der Lieferung in das richtige Licht stellt und den Dr. Martin Luther aus dem Spiele bringt.

Bei der Landestheilung zwischen den Herzogen Heinriich und Albrecht im Jahre 1520 wird in dem Auseinandersetzungsverzeichnisse gesagt:

Landestheilungsprotocoll vom Jahre 1520.

"Item so ist noch bis Nachgeschrieben vber vorgeschriebenne Summa von einem kuchemeister zu Swerin jerlich auszugebenn, auch jdern fursten die helfte zu entrichten vnnd die vorerung geteylt zu entphangenn zugeschlagen:
I marck vnnd ein wilt Swein oder feisten wiltpredes dene, die den wein von Lubeck brenngenn vff Sant Martens Abent ."

In dem diesem Landestheilungs=Register angehängten alten Landbuche des Amtes Schwerin heißt es:

"Stadt Lubbeke gifft alle jar
I T. Rinischen must vpp Martini, dar sich de fursten woll werden vmme vordragen".

Dieses Landbuch ist ohne Zweifel das von Rudloff M. G. I, 1, S. 343, Note 4 erwähnte "Schwerinsche Amts=Buch von 1550", welches in verschiedenen jüngeren Abschriften, z. B. von 1550, 1560 u.s.w., vorkommt, in den Archiv=Acten und bei der Landestheilung von 1520 aber unter der Bezeichnung des "alten Landbuches" erwähnt wird und jedenfalls älter ist, als 1520, vielmehr nach manchen Andeutungen aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts stammt.

Aus dieser Nachricht geht unzweifelhaft hervor, daß bei dem Lieferungstermine nur an den Tag des Heiligen Martin des Bischofs gedacht werden kann, um so mehr, da ausdrücklich "Sant Marten" genannt ist. Es kann keinem Menschen einfallen, daß dabei an den jungen Martin Luther gedacht werden könne, da Luther im Jahre 1520 noch keine bedeutende Autorität, viel weniger "heilig" gesprochen war. In frühern Zeiten ist es auch immer angenommen, daß der Martens=Mann von dem Heil. Martin dem Bischofe seinen Namen habe, und nicht von Martin Luther, z. B. Mark a. a. O. S. 5 nimmt im J. 1772 den Dr. Martin Luther sehr bestimmt gegen alle diejenigen in Schutz, welche von seinem Namen die Benennung Martensmann herleiten wollen, was allerdings in den letzten Jahrhunderten oft geschehen ist.

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Zugleich geht aber auch aus der alten Nachricht von 1520 klar hervor, warum die Weinlieferung am 10. Novbr., und nicht am Tage des H. Martin 11. Novbr. geschehen mußte. Es wird ausdrücklich gesagt, daß der Wein

"vff Sant Martens Abent"

geliefert werden müsse. Dies ist auch zu allen Zeiten immer festgehalten. So z. B. sprechen Burgemeister und Rath der Stadt Lubeck im J. 1592 von

"einer Ohme Reinischen Mostes, die sie jarlichen auf das Hauß Schwerin den Abendt Martini solten zu schickenn schuldig und pflichtig sein",

und das Landestheilungs=Inventarium vom J. 1610 berichtet:

"Alhie wirtt auch pillig erwehnett, daß einen Hochweisen Rahtt vonn Lübeck iherlich auf Martini=Abendt zwischen zwolff vnnd Einn Uhr nach Mittage altem herkommen nach durch dero Diener vnnd Rotrock Eine Ohme Neuwen Weinmost aufs furstliche Hauß Schwerin liefern laßenn",

und so weiter unzählige Male.

Der "Abend" ist aber zur katholischen Zeit immer der Abend vor einem Tage, die vigilia, der Abend des kirchlichen und gerichtlichen Tages, welcher von 12 Uhr Mittags ging wie noch heute der Sonna6end (d. i. Sonntagsabend): der Abend vor dem Sonntage, der heilige Abend: der Abend vor dem Weihnachtstage ist, u.s.w.; keinesweges aber darf man je den Abend des Sonnentages darunter verstehen. Daher war der Abend Martini: der Nachmittag des 10. Novembers. Aus diesem Grunde erklärt es sich auch, daß der Lübecker Martensmann den Most nicht vor 12 Uhr Mittags des 10. Novbr., sondern am Nachmittage des 10. Novbr., wie es in alten Acten heißt zwischen 1 und 3 Uhr, am Abend Martini, abliefern mußte. Es wurden auch sehr viele Lieferungen schon am Abend Martini, d. h. vor S. Martinstag, geleistet, und die Festfreude ward vorzüglich am Abend vor dem Tage gefeiert, wie denn überhaupt der Abend vor dem Feste oder die Vigilie mehrzu weltlichen Festlichkeiten benutzt ward und wird, als der Festtag selbst, der um 12 Uhr Mittags aufhört, wie denn z. B. auch die Juden ihren Sabbath=Abend am Freitag=Abend feiern.

Es ist also ein reiner Zufall, daß der Geburtstag Dr. Martin Luthers auf den 10. November und mit der Vigilie des Tages des Heiligen Martin zusammenfiel. Der Martensmann aber hat mit dem Dr. Martin Luther nichts zu schaffen.

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Was aber die Mostlieferung zu bedeuten habe, darüber findet sich seine bestimmte Nachricht; es wird in frühen Zeiten nur wiederholt gesagt, daß die Lieferung ein "alter" Gebrauch sei, und es ist gewiß, daß die "Entstehungszeit schon im 16. Jahrhundert nicht mehr bekannt" war. Ich glaube mit Andern, daß die Lieferung ein Zeichen der Anerkennung, eine Recognition für irgend eine Oberherrlichkeit war. Dergleichen Recognitionen waren sehr häufig und gewöhnlich, als symbolische Zeichen nur von geringem Werthe und sehr häufig nicht durch Urkunden verbürgt. Auch v. Lützow M. G. II, S. 464, ist dieser Ansicht und führt mehrere Leistungen dieser Art auf; z. B. der Erzbischof von Cölln mußte seit dem J. 1223 den Grafen von Schwerin und Danneberg jährlich 15 Fässer Wein am Martini=Tage für geleistete Dienste liefern; das Kloster Reinfelden hatte den Herzogen von Meklenburg jährlich zu "Fastelabend" zwei fette Ochsen "nach alter gewohnter Weise" in die Hofküche zu liefern u.s.w. Diese Leistungen sind durch Urkunden verbürgt.

Ich füge noch folgende merkwürdige Leistungen hinzu, welche größtentheils nur aus gelegentlichen Aeußerungen zu erkennen sind.

Das Kloster Dargun hatte die pommerschen Burgen Demmin und Cummerow mit Fischen, Brot, Käse und Schuhen zu recognosciren, nach einem Zeugenverhör aus dem 16. Jahrhundert:

"Wahr das daher angeregtes Kloster Dargun vor alters vber 10. 20. 30. 40. 50. 60. 70. 80, iha hundert und mehr Jhar nicht allein das hauß vor Demmin, sondern auch daß hauß Cummerow, welche beide fürstliche Pommersche heuser gewesen, mit Rotschar, Weigelbrot, Khese, Schuhen recognosciren mussen vnd noch auf diesen heutigen tagck recognosciret".

Das Kloster Doberan mußte als Recognition für den in der Stadt Rostock gelegenen Doberaner Hof

"dem ganzen Rathe der Stadt Rostock jährlich einen feisten Bären verehren"

(vgl. Neue Rostocker Wöchentl. Nachr. 1840, Nr. 47, S. 227, aus den Rathsverhandlungen von 1558 - 1599). Unter einem "Bären" ist wohl ein Eber zu verstehen, da der Ausdruck "Behre" für Eber früher, auch in der Schriftsprache, in Meklenburg ganz allgemein war und noch heute in der Volkssprache gilt.

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Das Dom=Capitel zu Ratzeburg hatte den Grafen von Schwerin

"jährlich 16 Ellen Tuch und ein Paar Socken" für die Beschirmung des Landes Wittenburg zu liefern, welche Lieferung schon im J. 1398 den Herzogen von Meklenburg für 100 Mark abgelöset ward (nach einer Urkunde).

Die Stadt Wismar mußte den Herzogen von Meklenburg jährlich am ersten Adent=Abend (oder: um "Martini") eine Tonne Schonischen Hering und den Schloßbeamten hölzerne Becher und ein Weißbrot darbringen; die Ueberbringung von hölzernen Bechern und Weißbrot an die Schloßbeamten geschah auch am Donnerstag vor Fastnacht. Das alte schweriner Landbuch aus dem Anfange des 16. Jahrh. sagt:

(Stadt) "Wißmar" (gifft alle jar): "I T. Schonschen Hering gegen den aduent, krigen de fursten famptlich"

und das Landestheilungsregister von 1520 führt als Ausgabe auf:

"VIII ß, den Hausdienern von der Wysmar, die eine Tune Schonischen Hering brengen".

Ferner sagt das alte Landbuch:

"Item de Wißmarschen geuen ock gegen Martini etzliche witte beker vnd krudebrodt" 1 )

und das Landestheilungsregister von 1520:

"II mark den reytenden dienern von der Wysmar, die das Weissebroth vnd holtzenbecher 2 ) brengen".

Im Landestheilungs=Inventarium vom J. 1610 heißt es:

                      "Die Wißmarischen.
Von dem Rathe zur Wißmer wirtt jerlich vffen "Aduent=Abent dem f. Hause Schwerin eine Thonne heringk vnd den f. beampten, als dem


1) Krudebrodt ist wohl - Weißbrot mit Gewürzen, Rosinen etc. ., also - Kuchen. Das plattdeutsche Wort Krüde, wohl gleich mit Kraut, Kräutern, bezeichnet jetzt vorzüglich einen Fruchtbrei oder Obstbrei. In früheren Zeiten, als man noch mehr einheimische, als ausländische Kräuter gebrauchte, bezeichnete man mit dem Worte Kraut: die Gewürze oder Specereien. Daher heißt heute wohl noch ein "Materialienhändler" - "Krutkramer" und ein Gewürzladen hieß: "Krutkram". Vielleicht kommt daher das Adjectiv krüdsch, das von einem Menschen gebraucht wird, der nicht gewöhnliche Speisen mag, sondern in den Speisen wählerisch ist.
2) Hölzerne Becher waren noch im 16. Jahrh. gebräuchlich. Es giebt aus dieser Zeit noch sehr zierlich und fest gearbeitete hölzerne Becher, welche sogar sauber mit Silber eingefaßt sind. Auch waren hölzerne Teller und Löffel sehr verbreitet.
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"heubtman 2 Krudebroth vnd 2 holzerne Becher, dem kuchmeister, dem Schreiber, dem Haußvogtt, dem Schlueter vnd dem Koch auch 2 Krudebroth vnd 2 holtzerne becher gebracht"

und:

"Vff Fastnacht wirtt nur schlichter dinge von den Wißemarischen deme heubtman, dem Kuchmeister, dem schreiber, dem haußvogte vnd dem Koche das Krudebroth vnd die holtzerne becher dargebracht".

Diese Lieferung hörte mit dem Uebergange der Stadt Wismar an die Krone Schwedens 1648 auf. In dem Amtsbuche des Amtes Schwerin vom J. 1654 heißt es:

"Die Stadt Wißmar hat vor diesem den ersten Advent jehrlich eine Thonne Schonischen heringk vnd den Ambtleuten Krudebrodt vnd etliche weiße holtzerne becher mit hubelspohnen gefüllet gegeben;
diese Stadt hat auch den Donnerstag vor Fastnacht den Ambtleuten Krudebrodt vnd weiße holtzerne Becher mit hubelspohnen gebracht;
welches alles aber auff Advent 1649 vnd Faßnacht ao. 1650 die Stadt Wißmar daher, daß sie unter der Schwedischen gewalt kommen, letztmahls vnd nicht weiters gegeben hat".

In Schröders Geschichte der Stadt und Herrschaft Wismar, 1743, S. 137, erscheint diese Sache schon als dunkle Sage.

Aus diesen Beispielen wird sich schließen lassen, daß solche kleine Leistungen nur Recognitionen zur Anerkennung von Hoheits= oder Schirmrechten waren.

Wofür nun Lübeck den Rheinmost geliefert habe, ist wohl eben so wenig zu ermitteln, als sich der Ursprung der meisten Abgaben dieser Art ergründen läßt; sie verlieren sich gewöhnlich in eine so ferne Zeit, daß Urkunden darüber selten erhalten oder ausgestellt sind. Es sind sehr viele Erklärungen der lübecker Verpflichtung ersonnen; es läßt sich aber keine einzige erweisen, und manche von den Erklärungen sind auch zuverlässig falsch, da der Ursprung oft in zu jungen Zeiten gesucht wird. Die meisten Erklärungen gehen dahin, daß die Mostlieferung mit der Beschirmung der Stadt Lübeck durch die Herzoge von Meklenburg zusammenhange. Lübeck ward in den letzten wendischen Zeiten bis zur Erhebung zu einer Reichsstadt zu Meklenburg gerechnet und die Stadt stand späterhin bis auf die neuesten Zeiten immer in dem innigsten Verkehr mit Meklenburg, so daß sich endlich eine Schirmherr

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schaft der meklenburgischen Fürsten daraus entwickelte. Die ältesten und älteren Urkunden der Stadt Lübeck liegen jetzt gedruckt vor und man kann wenigstens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts den Gang einigermaßen verfolgen. Nachdem im 13. Jahrh. öfter über die Schirmvogtei verhandelt war, übernahm am 29. Sept. 1291 der Fürst Heinrich II. von Meklenburg die Beschirmung der Stadt (vgl. Lübeker Urk. Buch I, Nr. 583). Darauf erscheint aber der Graf Gerhard II. von Holstein am 1. Jul. 1304 als Schirmherr der Stadt (vgl. II, Nr. 176). Im Jahre 1306 hatten die Herzoge Erich I. und Albrecht II. von Sachsen=Lauenburg die Schirmvogtei auf 5 Jahre übernommen (vgl. II, Nr. 259, und Nr. 228, 258 und 259). Darauf erscheint der König Erich Menved von Dänemark als Schirmherr (vgl. Nr. 250, 325, 328, 330, 331, 334, 337, 341, 347 und 360). Vom Jahre 1321 erscheinen die Fürsten von Meklenburg wieder als Schirmherren; am 9. Junii 1321 quittirt der Fürst Erich von Meklenburg zuerst wieder über das Schirmgeld von 300 Mart halbjahrlich (vgl. Nr. 417) und erscheint in den nächsten Jahren als Schirmherr (vgl. Nr. 424, 430 und 434). Am 28. Junii 1336 übernahm der junge Fürst Albrecht von Meklenburg die Schirmvogtei auf 2 Jahre für 750 Mark jährlich (vgl. Nr. 633). Der junge Fürst war so eben volljährig geworden und mit seiner jungen Gemahlin auf der Seefahrt nach Schweden zu der Krönung seines Schwagers 1 ) begriffen. Am 23. Junii 1336 erscheint er vor der Reise zuletzt im Hafen von Warnemünde. Die Uebernahme der lübecker Schirmvogtei durch den Jüngling ist um so wichtiger, als er diese am 28. Junii 1336 übernahm und am 29. Junii zu Lübeck über das Schirmgeld quittirte (vgl. II, Nr. 634); er scheint also vorher noch in Lübeck gewesen zu sein. Am 17. Junii und 30. Nov. 1337 quittirte er über das Schirmgeld (vgl., Nr. 651 und 663). Am 11. Aug. 1342 übernahmen die Fürsten Albrecht und Johann von Meklenburg wiederum die Schirmvogtei Lübecks auf 3 Jahre für 200 Mk. reinen Silbers jährlich und quittirten am 5. Jan. 1344 und 27. Februar 1345 über das Schirmgeld (vgl. Nr. 788 und 824). Da die Urkunden noch nicht weiter gedruckt sind, so läßt sich der Fortgang noch nicht weiter verfolgen. Die Stadt Lübeck blieb aber, wie es scheint, von jetzt an ununterbrochen unter der Beschirmung der Herzoge von Meklenburg, bis die


1) Vgl. Jahrbücher VII, S. 22 und 31 flgd.
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Zahlung des Schirmgeldes im J. 1528 aufhörte (vgl. Rudloff I, 1, S., 55 und 342).

Es läßt sich zwar durch nichts beweisen, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß der lübecker Martensmann mit der Schirmvogtei zusammenhing.

Ungefähr so ist auch die Ansicht des Geheimen Raths J. P. Schmidt, welcher meint, daß die Weinlieferung zwar einer Lehns=Recognition gleiche, aber wahrscheinlich ein Aequivalent für die Reichssteller sei, welche die Kaiser oft anderen Fürsten cedirten. ("Ego crederem, quod haec praestatio sit stura civitatis Lubeck, Imperatori olim debita", - Sed Imperatores ejusmodi praestationes saepius ad alios transtulerunt"). Diese Cedirung der Reichssteuer hat nach den vorliegenden gedruckten Urkunden zwar allerdings ihre Richtigkeit: man vgl. Lübecker Urkunden=Buch I, Nr. 432 und 433, und vgl. Nr. 439. Ich möchte aber der Ansicht sein, daß die Reichssteuer nicht gegen eine so geringfügige Recognition aufgehoben ward.

Die Sendung des Martensmanns ward im Jahre 1817 aufgehoben. Am 6./11. Februar 1817 schlossen der Großherzog Friedrich Franz und die Stadt Lübeck einen Vertrag, nach welchem der Großherzog auf die jährlich am "Martini=Tage" zu leistende Weinlieferung verzichtete, die Stadt Lübeck dagegen die von der schwedischen Regierung ihr überlassenen Rechte an dem "Postritt" (seit 1724) und an der "Postfahrt" (seit 1683) von Lübeck nach Wismar aufgab.

 

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