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Die Kirche zu Marlow

ist für die Kunst= und Landesgeschichte ein sehr merkwürdiger Bau 1 ), welcher noch dem Rundbogen= oder romanischen Baustyle zugezählt werden muß. Die Kirche ist ganz aus


1) Ich verdanke die Entdeckung dieser Kirche der freundlichen Beförderung des Herrn von Behr=Negendanck auf Semlow im Interesse des Vereins.     G. C. F. Lisch.
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Ziegeln gebauet und besteht jetzt aus einem quadratischen Chore mit grader Altarwand und einem etwas breitern Schiffe von zwei Gewölben Länge. Daran schließt sich ein Thurmgebäude aus etwas jüngerer Zeit. Der Chor hat an jeder Seitenwand drei Fenster, das Schiff unter jedem Gewölbe an jeder Seite je zwei Fenster, welche alle mit glatter Laibung schräge eingehen. An den Ecken der beiden Haupttheile der Kirche stehen Lisenen und um die ganze Kirche läuft ein Rundbogenfries von einfachen Halbkreisbogen. Wenn auch die Kirche in ihrer jetzigen Gestalt noch am Ende des romanischen Baustyls vollendet ist, so hat doch das Schiff noch Elemente eines älteren Baues. Das Schiff ist nämlich auf ein höheres Seitenschiff und zwei niedrigere Seitenschiffe angelegt. Die Gurtbogen zwischen dem Mittelschiffe und den Seitenschiffen sind im reinen Rundbogen gewölbt und ruhen auf viereckigen Pfeilern mit einfachen Deckplatten; diese Pfeiler und Gurtbogen sind sehr niedrig. Dieser beabsichtigte Bau ist jedoch nicht zur Ausführung gekommen, sondern die Bogen vom Mittelschiffe zu den beabsichtigten Seitenschiffen sind nach der Vollendung des Mittelschiffes interimistisch zugemauert, wie man an der Außenseite der Seitenwände der jetzigen Kirche klar sehen kann. Die Kirche gleicht daher in der Anlage und Gestalt ganz der Kirche zu Neuburg (vgl. Jahrbücher XVIII, S. 287). Die nördlichen Fenster des Schiffes sind noch im Rundbogen gewölbt; dagegen erscheinen die Fenster in der südlichen Seitenwand schon etwas zugespitzt, vielleicht aus einer jüngern Bauperiode oder einer Restauration. Die Chorfenster sind dagegen, wenn auch wie die Schifffenster construirt, doch schon im Uebergangsstyle leise gespitzt.

Es scheint daher, daß in den untern Theilen des Schiffes ein alter romanischer Bau einer dreischiffigen Kirche steckt, die ganze Kirche aber in den ersten Zeiten des Uebergangsstyls in ihrer jetzigen Gestalt hergestellt ward, wobet aber die Seitenschiffe nicht erneuert wurden, vielleicht weil sie für die neue Kirche zu niedrig angelegt waren.

Den Beweis für einen etwas jüngern Ausbau und Umbau der Kirche liefert auch das Innere derselben. Die Hauptgurtbogen, die Gewölbeansätze und die Gewölbe sind alle im gespitzten Bogen des Uebergangsstyles construirt. Die hohen Gurtbogen sind in den edelsten Verhältnissen des Uebergangsstyles aufgeführt und machen einen wohlthuenden Eindruck, wie man ihn sehr selten wahrnimmt. Die Gewölbe haben einen kreisförmigen Schluß, und die Gewölberippen

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haben einen quadratischen Durchschnitt. Der Chor hat acht Gewölberippen; das östliche Gewölbe des Schiffes hat fünf Rippen, indem sich in der Mittellinie der Kirche durch die westliche Kappe die fünfte Rippe legt; das westliche Gewölbe hat vier Rippen. Das achtrippige Gewölbe des Chores hat eine Verzierung, welche ich sonst nirgends bemerkt habe: um den kreisförmigen Gewölbeschluß stehen nämlich in zwei concentrischen Kreisen viereckige Ziegel in angemessenen Entfernungen von einander aus dem Gewölbe hervor, gleichsam frei stehende, von den Gewölben hangende, kleine kubische Zahnschnitte, welche das Gewölbe nicht unschön beleben.

Das Thurmgebäude ist ein jüngerer Bau.

Westlich nahe bei der Kirche steht an der Stadt der alte Burgwall, welcher eine bedeutende Höhe und Ausdehnung hat. Er hängt nach der Seite der Kirche hin mit dem festen Lande zusammen, ist aber an den übrigen Seiten jetzt von schmalen Wiesen und Niederungen umgeben, welche an der längeren Seite noch jetzt von Wald begrenzt werden. Die Lage und Anlage hat daher sehr viel Aehnlichkeit mit dem Burgwalle und der Kirche von Gadebusch, von wo auch Marlow gegründet sein mag. Ohne Zweifel ist dieser Burgwall eine wendische Anlage, welche in der christlichen Zeit benutzt ward.

Die Geschichte von Marlow giebt vielleicht genügende Aufklärung über den Bau der Kirche. Schon im J. 1179 verlieh der Fürst Borwin von Meklenburg dem Heinrich von Bützow die Hälfte der Burg Marlow mit 9 dazu gelegenen Dörfern, um die Gegend von Marlow zu cultiviren. Aus der Geschichte der Dänenzüge in die Wendenländer läßt sich aber schließen, daß es damals mit der Cultivirung in diesen Gegenden sehr schwer hielt; sie wird also wohl einstweilen unterblieben sein. Im J. 1210 wiederholte der Fürst diese Belehnung, welche er erst im J. 1215 besiegelte. Um diese Zeit wird denn auch wohl die Kirche vollendet sein, wozu auch der Styl genau stimmt. Da Heinrich von Bützow ein Bruder des Herrn Thetlev von Gadebusch war, so läßt sich vermuthen, daß der Bau der Ziegelkirche von Baumeistern aus dem westlichen Meklenburg ausgeführt ward, während die übrigen alten Kirchen im nordöstlichen Meklenburg Feldsteinkirchen sind. Ueber die älteste Geschichte von Marlow vgl. Jahrb. XIV, S. 88 - 94 und 289 flgd.

G. C. F. Lisch.