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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

aus

den Arbeiten des Vereins

herausgegeben

von

Dr. G. C. Friedrich Lisch,

großherzoglich meklenburgischem Archiv=Rath,
Conservator der Kunstdenkmäler des Landes, Regierungs=Bibliothekar,
Director der großherzoglichen Alterthümer= und Münzen=Sammlungen zu Schwerin,
Commandeur des königl. dänischen Dannebrog= und des königl. preußischen Kronen=Ordens, Ritter des Rothen=Adler, des Nordstern=, und des Oldenburg. Verdienst=Ordens 3. Cl., Inhaber der großherzogl. meklenburgischen goldenen Verdienst=Medaille und der königl. hannoverschen goldenen Ehren=Medaille für Wissenschaft und Kunst am Bande, der kaiserlich österreichischen und der großen kaiserlich russischen goldenen Verdienst=Medaille für Wissenschaft,
wirklichem Mitgliede der königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde zu Kopenhagen und der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm, correspondirendem Mitgliede der königlichenAkademie der Wissenschaften zu Göttingen, der kaiserl. archäologischen Gesellschaft zu St. Petersburg, der antiquar. Gesellschaft zu Abbeville und der Oberlausitz. Gesellschaft der Wissensch. zu Görlitz,
wirklichem Mitgliede der archäologischen Gesellschaft zu Moskau,
Ehrenmitgliede
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Dresden, Mainz, Hohenleuben, Meiningen, Würzburg, Königsberg, Lüneburg, Emden, Luxemburg, Christiania, Zürich und Greifswald,
correspondirendem Mitgliede
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Lübeck, Hamburg, Kiel, Stettin, Hannover, Leipzig, Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau, Cassel, Regensburg, Kopenhagen, Gratz, Reval, Riga, Leyden, Antwerpen und Stockholm,
als
erstem Secretair des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.


Sechsunddreißigster Jahrgang.


Mit 13 Holzschnitten.
Mit angehängten Quartalberichten.
Auf Kosten des Vereins.
Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung.

Schwerin, 1871.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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Inhaltsanzeige.


A. Jahrbücher für Geschichte.

Seite
I. Ueber Wallensteins Regierungsform in Meklenburg, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch zu Schwerin 3
II. Wallensteins letzte Kammer= und Hof=Verordnung bei seinem Abzuge aus Meklenburg, von demselben 49
III. Die Händel Herrn Peter Langejohanns, Bürgermeisters zu Wismar, von dem Dr. Crull zu Wismar 55
IV. Ueber die wahrscheinliche Lage des von Karl dem Großen genannten Handelsortes Schezla, von dem Staatsminister Freiherrn v. Hammerstein zu Neu=Strelitz 107
V. Ueber die Bedeutungdes Wortes Obotriten, von demselben 111
VI. Spuren Wendischen Götzendienstes in den Benennungen des Festbrotes, von demselben 113
VII. Ueber Doberan und Neu-Doberan (Pelplin), Nachtrag zu den Jahrbüchern XXXIV, S. 20, von dem Geheimen Regierungsrath v. Quast auf Radensleben 116
VIII. Eikhof und Warnow, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch 121
IX. Ueber Wallensteins Ankunft in Meklenburg, von dem Archiv=Rath a. D. Freiherrn v. Medem zu Wetzlar 128

B. Jahrbücher für Alterthumskunde.

I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne.
1) Vorchristliche Zeit.
a. Steinzeit 131
b. Bronzezeit 134
Bronzeschalen von Basedow, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch 135
Mit 1 Holzschnitt.
Krone von Sylt, von demselben 138
Mit 2 Holzschnitten.
c. Eisenzeit 142
II. Zur Baukunde. 147
Christliches Mittelalter.   Kirchliche Bauwerke.
Der Dom zu Schwerin, von demselben 147
Mit 1 Holzschnitt.
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Seite
III. Zur Münzkunde 204
1) Münzen der vorchristlichen Zeit 204
2) Münzen des christlichen Mittelalters 209
Münze des Herrn Richard v. Frisack, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch 209
Mit 4 Holzschnitten.
Der Münzfund von Roggentin, von demselben,
mit Erläuterungen von dem Archiv=Rath Masch zu Demern
214
Wittenpfennig von Teterow, von demselben 220
IV. Zur Siegel= und Wappenkunde 222
Wappen der von Stralendorf, von demselben 222
Mit 3 Holzschnitten.
Der Kaland zu Zurow und das Siegel der Kirchen=Juraten daselbst, von dem Dr. Crull zu Wismar 224
Mit 1 Holzschnitt.
Wappen der von Levetzow 227
Mit 1 Holzschnitt.

 

 

 

  Die Abhandlung S. 209: "Ueber eine Münze des edlen Herrn von Frisack" ist auch in der General=Versammlung des Vereins am 11. Julii 1871 zum Gedächtniß der 25=jährigen Amtsführung des zweiten Vereins=Secretairs, Archiv=Raths Dr. Beyer in einem Separat=Abdruck ausgegeben worden.
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A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Ueber

Wallensteins Regierungsform

in Meklenburg.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


" W ie Wallenstein Meklenburg regiert" habe, ist eine Frage, welche oft aufgeworfen und deren Beantwortung viel begehrt ist. Zwar sind mitunter einzelne Andeutungen und Berichte gegeben, daß er eigenthümlich regierte; aber diese Nachrichten sind theils zu dürftig 1 ), theils oft politisch und kirchlich gefärbt und daher sehr häufig unsicher. So viel Schien bis jetzt aber klar geworden zu sein, daß seine Regierungsweise eine bis dahin ungewöhnliche war. Richtig wird daher wohl Fr. Förster 2 ) urtheilen, wenn er nach der Schilderung


1) Die Jenaer Literatur=Zeitung 1835, Nr. 32, S 249, also ungefähr im Anfange der neuern Geschichtsforschung, sagt: "Regierender Herzog war Wallenstein zwar nur in Meklenburg und bisher hat noch kein dortiger Archivar uns viel von dem enthüllt, was er dort vollbrachte, außer seinem Canal= und Admiralproject an der Ostsee, nichts von der daselbst angestellten Beamtung, von Wallensteins kirchlicher Toleranz und Schlauheit von den neuen Unterthanen die Kriegslasten möglichst abzuwälzen." - Auch die neueren Meklenburgischen Historiker v. Lützow und Boll haben keine Uebersicht über Wallensteins Verwaltung in Meklenburg gegeben, obwohl sie schon mehr Namen Wallensteinscher Oberbeamten aufführen, als ihr Vorgänger.
2) Vgl. "Wallenstein, Herzog zu Mecklenburg, Friedland und Sagan, als Feldherr und Landesfürst in seinem öffentlichen und Privat=Leben. Eine Biographie, von Dr. Friedrich Förster, Potsdam, 1834," S. 332.
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der Regierung im Herzogthume Friedland sagt: "Wenn den Leser die rastlose Tätigkeit und unermüdliche Sorgfalt, mit welcher der fast immer im auswärtigen Feldlager beschäftigte Generalissimus an der Regierung und Verwaltung Friedlands Antheil nimmt, in Erstaunen setzen wird, so dürfte sich dies noch mehr steigern, wenn wir bedenken, daß dieselbe Sorgfalt noch in drei andern, ebenfalls von ihm erworbenen Herzogthümern: Sagan, Großglogau und Meklenburg, in Anspruch genommen wurde". Er sagt aber 1 ) in Beziehung auf Meklenburg nichts weiter, als daß Wallenstein "bis Ende Julii 1629 2 ) in seiner Residenz Güstrow verweilt habe und mit Einrichtungen in dem Herzogthum Meklenburg beschäftigt" gewesen sei.

Ich will hier versuchen, nach vieljährigen Beobachtungen und sicheren Quellen eine Uebersicht über die Regierungform Wallensteins in Meklenburg zu geben. Eine eingehende Beantwortung der ganzen großen Frage oder einzelner Theile würde zu viel Raum und Kraft in Anspruch nehmen und bleibt daher besser andern Bestrebungen überlassen. Jedoch mag die nachfolgende Schilderung immer als Leitfaden dienen können.

Um aber Wallensteins Wirken richtig beurtheilen zu können, ist eine Schilderung der Zustände vor seiner Zeit sowohl in Deutschland, als besonders in Meklenburg unerläßlich.

Der oberste Handhaber der ganzen Regierung, sowohl in der Verwaltung, als im Rechtswegen war nach früheren Begriffen der Landesfürst selbst, in dessen Namen immer alle Verordnungen ergingen. Der alleinige oberste Diener war der "Canzler" (Minister), welcher in allen Verhandlungen präsidirte und für einige Hauptfächer einige wenige Räthe und Subalternen als Arbeiter unter sich stehen hatte. Das ganze Regierungsgeschäft stand allein unter dem Canzler, welcher in früheren Zeiten (z. B. Caspar von Schöneich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts) sogar alle Erlasse im Concept eigenhändig abfaßte. Das Finanz= und Kammerwesen ward von einem "Rentmeister" unter dem Landesherrn und dem Canzler besorgt. Selbst in der obersten Rechtspflege hatte auf den vierteljährlichen Rechtstagen der Canzler


1) Vgl. Fr. Förster a. a. O., S. 136.
2) Vgl. Jahrbücher XXXV, S. 45 flgd.
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das "Directorium". Zwar bestand in dieser Form seit alter Zeit als höchstes Gericht das "Hofgericht" und seit dem Anfange des 17. Jahrhunderts waren "Canzleien" (jetzt "Justiz=Canzleien") als Obergerichte eingerichtet. Aber von diesen wurden in der Regel die Acten zur Einholung eines Urtheils an Juristen=Facultäten "verschickt" und in letzter Instanz blieb die Appellation an das Reichskammergericht frei, welches bekanntlich sehr häufig angerufen ward, um die "Processe unsterblich zu machen". Der Canzler also war und blieb immer die Seele der ganzen Landesregierung in Verwaltung und Rechtsprechen. Viel ließ sich an diesen Zuständen nicht leicht bessern, denn die Ritterschaft hielt sehr eifersüchtig auf die Erhaltung dieser Zustände, die sie wohl ihre "Privilegien" zu nennen pflegte.

So waren die Zustände im Allgemeinen, wie sich weiter unten noch klarer herausstellen wird. Die Ausführung im Einzelnen würde hier aber viel zu weit führen.

Jedoch läßt sich ein vollgültiger Beweis beibringen. In Meklenburg regierten zu Wallensteins Zeit zwei herzogliche Brüder: Adolph Friedrich I. zu Schwerin und Johann Albrecht II. zu Güstrow. Der jüngere Herzog Johann Albrecht war in seinem Charakter und Leben schwach und schwankend. Der Herzog Adolph Friedrich aber war ein einsichtsvoller, sorgender, starker, zuweilen harter und unbeugsamer Herr, der die schwerste Zeit, welche Meklenburg je gehabt hat, ein halbes Jahrhundert lang, mit Standhaftigkeit und Segen regierte (1608-1658) und dem Friedländer nicht ganz unähnlich 1 ) war. Dieser Fürst durchschauete klar die Mängel der bestehenden Regierung und hatte den redlichsten Willen, an den Zuständen nach Kraft und Gelegenheit zu bessern. In seinem 30. Lebensjahre schrieb er (1618) eigenhändig ein werthvolles und merkwürdiges Buch, "Ueber den damaligen Zustand Meklenburgs" (69 Folioseiten), welches ungefähr 60 Jahre nach seinem Tode (1719) unter verworfenen Papieren im Archive entdeckt ward: "Discours de present l'éstat de Mechelbourg, des desordres en c'este estat et des remedimens." Aus dieser Schrift folgt hier zur bessern Erkenntniß der Lage ein Auszug, so weit die Schilderung die gegenwärtige Frage, berührt.


1) Auch die Leibesgestalt beider Männer ist einigermaßen ähnlich und die Bilder Adolph Friedrichs sind früher, ehe man sie recht kannte, oft für Bilder Wallensteins gehalten.
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"Gottes Furcht ist das Einige
Fundament vnd die grundueste
darauff ein wahrhafftig
Regiment bestehett.

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Anrührende nun das Justicienwesen, so viele alse zu weldtlichen hendeln, zu dijudiciren gehörig, in diesem Lande, das es soltte recht vnparteiisch sein, kan bey mir nitt ermessen, wolte solches woll außfürlich beweisen, do meine gelegenheitt den gerichten persönlich Stetds bey zu wohnen were, will nur allein, so viele ich auß der Kürtze der zeit, so dabey gewest, vormerkett, was das Justitien wergk dieß ortts sey, vnd dauon deudtsch vnd nitt Juristisch schreiben, dan man mihr solche bucher in der Jugendt nit vorgelegett hatt, so begehre sie auch itzo, do Elter, nit zu lesen, weill nichtes alß gezencke vnd kein rechter Sluß darin, vnd immer Einer dieser meinung, der Ander einer Andern. Es ist Deutschlandt diß recht von Gott zur straffe gesandt, das nach Italienschen Rechte leben mußen und sitzen in Deudtschlandt vnd haben also viele Deutschen durch diß Welsche recht ihre Deudtsche auffrichtigkeitt verloren, das man ein ander nitt recht, wie vor zeitten, vnter Augen gehatt, würde sonst des viele rechtens nit bedürffen; itzo ist es eine Spitzfindigkeitt, wan einer dem andern das seine kan abetreiben."

"Nun zum Fundament zu schreitten, so haben wir Erstlich inn diesem Lande zwo Fürstliche Canceleyen, also zu Schwerin eine vnd die ander zu Güstrow. In diesen Canceleyen haben ides Ortes die Canceler das directorium, wie in allen gerichten, vnd weill sie vber diß nach so vile fürstliche negotia haben, Item sich in Legationibus vnd allen andern händeln, so fürsten mit Stätten oder sonst haben, gebrauchen laßen, so bin ich der Opinion, diß directorium nit recht gehen kan, sondern auf einen andern Schlag gehen müste, - - - so ist ebenmeßig zu ermeßen, - - - das es wohl slecht oft mit den vorbescheiden hergehett, Item das die acta wohl allezeitt nicht recht erwogen vnd durchgelesen werden. - - - - - - - - - Diese Cantzeleyen kosten nun mihr vnd meinem Bruder nicht ein geringes vnd die meisten sachen, so darinne, seindt disputationes von hand vnd Siegel, do man zuuor nicht von gewust, oder dergleichen offenbahren sachen mehr. So sprechen auch die Rähte wunderselten vrtel; wo ein wenig

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was wichtiges verlaufft, muß es, wie von allen gerichten, nach der facultet Rostoch oder eine andere gesandt vnd das vrteil geholett werden. - - - - - - - - Sehe ich nun kunftig, wo doch diß Mechelburgische Regiment Endtlich hinauß will vnd wie weitt man der Cantzeleyen vonnöthen, so will, wils Gott, baldt sehen, wie diesem punct auch recht schaffe, alß das Leutte dazu ordene, so bestendig do bey pleiben vnd einen Rechten directorem dorin setze.

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Auf das Hoffgerichte nun zu kommende, do ein Ander douon redete, dem sollen die Leutte dieses Landes vermeinen, den Kopff zu nemende, auß vrsachen, das deßen bestallung im Assecuration-reuers erwenett wirdt vnd es ohne das so gutt zu sein, den Leutten eingebildett, das kein beßeres in der Weldt, den Doctor Cotman giebt vor in seinem Consilio, so meinem Bruder geben wegen der total-diuision, vnd vnter dem Adel spargiret, das wan diß hoffgerichte etwa solle mutiret werden, hette der Adel alle Ihre priuilegia verlohren, ia diß hoffgerichte soll machen, das Ich mit meinem Brudern nit theillen soll. - - - - Der Assecuration-reuers ist von herren vnd Knegten auf einem Landtage beliebett; das Hoffgerichte ist do aber nit beliebet, sondern nur confirmiret worden, dan meine vorfahren groß her vatter vnd hertzog Vlrich die hoffgerichtsordnung schon Ao. 1570 außgehen lassen, - - - vnd diese reformation hatt nur 12 Jhar gewehrett, so ist darauf eine andere Hoffgerichts=Ordnung erfordert. Worumb soll ich nit dieselbe macht haben vnd worumb soll der assecuration-reuers mich hindern, mit meinen vnterthanen ein Ander regiment zu machen; es sein ia die zehen gebott nit, die wir zwar nit Endern.

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- - Auß diesem pleibet der assecuration-reuers bey seinen wurden vnd vnwurden, wie oben erwehnett, begere ihm auch so weitt zu halten, alse er mich bindet, vnd nit weitter. -

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An diesem hoffgericht mißfeldt mir nun erst die wechslungen der orter, dan es ia eine vnbequeme Sache, die acten alle Jhar so 4 mahl das land auf vnd nider zu sleppen, vnd das kein gewisser ordt des hoffgerichts vnd dobey alle acten vnd ein gewißer registrator, sondern das die acta müßen eben zu Rostogk sein, ist bey mir nit ohne

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verdacht. - - - Zum Andern mißfeldt mir dieses an den Assessoren, das auß 4 gelarten Rehten 2 Cantzlers worden sein, - - - vnd faßen auch die vrtell, aber selten, sondern es muß in die Juristen-facultett zu Rostoch gesand werden, u. s. w. - - - - Stehett zu meiner vnd meiner Landschafft gemeinen Beliebung, vns darumb zu vergleichen vnd vereinigen, wie es am besten zu bestellen ist oder sey. Meine meinung vnd vorschlag soll dieses sein, das man Ein bestendiges Hoffgerichte an einem Ordt habe, so continue geben soll, wie das Cammergericht zu Speier. Daßelbe soll erhalten werden auß dem gemeinen Landkasten. Kunte ich es an den Ordt bringen, do mein hoffstadt kunftig haben muchte, were mir vmb so viele deste lieber vmb Aufacht willen vnd sonsten das verstendige Leute an der handt, so was Sleunigs vorfihle. Were auch meine Opinion, es ein Landgerichte, wie die Alten, Solte tituliret werden, vnd nicht Hoffgericht, dan ja das Land mehr daran interessirt, also der Hoffstadt. (Randbemerkung: Zu bedencken, ob das consistorium nit zum Landgericht zu slagen, das es zu gewißen zeitten gehalten würde, mit zuzihung etzlicher Theologen.)

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Gott Allein sey Lob, Ehr vnd Danck
von nun an biß ihn Ewigkeitt. Amen. Amen.
Dieses vollendett alhie zu Newstadt am 4 May
Montags nach Cantate im Jhar 1618."

Man wird durch den weitern Verlauf der Begebenheiten erkennen, daß Adolph Friedrich dasselbe erstrebte, was Wallenstein 10 Jahre später vollbrachte. Jedoch wollte es Adolph Friedrich nicht gelingen, seine Wünsche zur Ausführung zu bringen, namentlich da zu gleicher Zeit der dreißigjährige Krieg ausbrach.

Endlich kam es so weit, daß Wallenstein die Herzoge von Meklenburg widerrechtlich 1 ) von ihrem Erbe und von Land und Leuten vertrieb und sich unter dem Schutze des Kaisers als Herzog auf den meklenburgischen Thron setzte.


1) Vgl. die vortreffliche Abhandlung: "Die Absetzung der Herzoge von Meklenburg und die Einsetzung Wallensteins zum Fürsten des Landes, ein Beitrag zur Politik des Hauses Habsburg im dreißigjährigen Kriege, von Johann Paul Hassel," in "Friedr. v. Raumer's Historischem Taschenbuch für 1867, 4. Folge, 8. Jahrgang.
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Am 17. Julii 1628 zog Wallenstein in seine neue Herrschaft Meklenburg ein, indem er seine Residenz zu Güstrow nahm, und blieb hier ein Jahr lang bis zum 22. Julii 1629. 1 )

Bald nach seiner persönlichen Besitznahme des Landes begann Wallenstein mit der ihm eigenen rastlosen Thätigkeit, an der Reform der gesammten Landesverwaltung in Meklenburg zu arbeiten, und ganz neue Zustände zu schaffen. Die Gründe zur Vornahme dieser Arbeiten waren theils die Verbesserung des Landeswohls, das ja auch sein eigenes war, theils die Hebung seiner Macht und seines Ansehens. Das Ziel bei diesen Arbeiten aber war die vollständige Aufhebung der früheren Verwaltungsweise, oder nach neueren Anschauungen zu reden, die "Trennung der Administration von der Justiz". Er verlangte durchaus, wie sich aus zahlreichen Äußerungen erkennen läßt, eine strenge, geregelte Landesverwaltung und "prompte Justiz". Und alles dies hat er mit seinem eisernen Willen auch in kurzer Zeit erreicht.

Schon vorher hatte Wallenstein in seinen böhmischen Herrschaften Aehnliches eingerichtet. Förster sagt 2 ) hierüber: "Eine schwierige Aufgabe für den neuen Herrscher war es, eine wohlgeordnete Verwaltung der Einkünfte und der Rechtspflege einzurichten und durch eine ständische Verfassung 3 ) den bisher sich einander fremden Einsassen das Bewußtsein zu geben, einem Gemeindewesen anzugehören. Zur Verwaltung der Steuern und Einkünfte aus seinen großen Besitzthümern bestellte der Herzog zu Gitschin eine herzogliche Kammer, bei welcher unter einem Kammer=Präsidenten mehrere Räthe "collegialisch" arbeiteten. Für die Rechtspflege wurde eine Canzelei ebenfalls zu Gitschin errichtet, in welcher ein Canzler den Vorsitz führte, dem verschiedene Doctores juris beigegeben waren. Mit der Einrichtung dieser Institute beauftragte er seinen Landeshauptmann, den Obersten Freiherrn von Taxis; allein er selbst kümmerte sich dabei um jede einzelne Anstellung genau".

Bald nach seinem Einzuge begann Wallenstein nach und nach Reformen in der Staatsverwaltung vorzunehmen. Sein Hauptstreben war aber auf eine bessere Neugestaltung


1) Vgl. Jahrbücher XXXV, S. 45 flgd.
2) Vgl. Fr. Förster a. a. O. S. 335.
3) In Meklenburg fand Wallenstein eine uralte, geordnete ständische Verfassung vor, die noch heute besteht, welche er in ihrer Organisation und Wirksamkeit bestehen ließ, wenn er sie auch scharf beaufsichtigte.
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des Gerichtswesens gerichtet, nicht allein um dadurch Gutes zu erwirken, sondern auch und vorzüglich um durch eine gewisse Anordnung die fast unbeschränkte Gewalt im Lande zu gewinnen. Die Berathungen und Verhandlungen darüber begannen schon im November 1628. Die Ritter= und Landschaft (Landstände) besaß die Vergünstigung, in der letzten Instanz an das Reichskammergericht appelliren zu können (beneficium appellandi), und hielt möglichst fest an diesem Rechte. Den Landesherren war aber diese Vergünstigung oft sehr lästig, indem dadurch die "fürstlichen Mandate jederzeit eludirt und protrahirt werden konnten". Die Fürsten strebten daher den Landständen gegenüber immer dahin, von dem Kaiser ein Privilegium zu gewinnen, daß die Landeseingesessenen nicht an die kaiserlichen Gerichte appelliren konnten (privilegium de non appellando). Jedoch gelang dies den kleineren deutschen Fürsten nie in vollem Umfange, sondern das Privilegium ward immer auf eine gewisse Summe des Streitgegenstandes festgesetzt, so daß "niemand von in Meklenburg gesprochenen Urtheilen in Sachen, da die Klage und Hauptsumma unter einer gewissen Geldsumme werth wäre, an das Reichskammergericht sollte appelliren können". Die Herzoge von Meklenburg erhielten ein solches kaiserliches Privilegium am 26. Februar 1569 bis zu 300 Gulden, am 9. Julii 1621 bis zu 600 Gulden, am 23. October 1623 bis zu 1000 Gulden. Damit war aber Wallenstein nicht zufrieden, vielmehr suchte er mit allen Mitteln das Privilegium zu gewinnen, daß von den von seinen Gerichten gesprochenen Endurtheilen gar keine Appellation an die Reichsgerichte gestattet sein sollten: "privilegium de plane non appellando." Dies war aber eine große, ungewöhnliche Vergünstigung, welche "als ein hohes kurfürstliches Regale" betrachtet ward 1 ).

Und wirklich erreichte Wallenstein hierin sein Ziel, wenn es ihm auch schwer geworden sein wird, da er es erst spät gewann. Am 14. August 1629 verlieh der Kaiser Ferdinand II. ihm, als er Meklenburg schon verlassen hatte, dieses privilegium de plane non appellando 2 ). Jedoch ward darin die Bedingung gestellt, daß im Herzogthum Meklenburg 3 ) "Tribunale auf drei Instanzen bestellt" und gehörig besetzt


1) Vgl. auch Wetzell System des ordentlichen Civilprocesses. Zweite Auflage, 1865, S. 336.
2) Vgl. Beilage Nr. 3.
3) Auch für das "Herzogthum Sagan" gewann Wallenstein ein ähnliches Privilegium. Vgl. Fr. Förster a. a. O., S. 338.
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würden. Die Einrichtung der drei Instanzen verzögerte sich aber noch eine Zeit lang. Erst am 20. März 1630, zu Gitschin, befahl Wallenstein seinem Statthalter Wingersky, die drei Instanzen anzuordnen 1 ), und am 9. April 1630 ward das Privilegium im Hofgerichte zu Güstrow publicirt 2 ).

Damit war die Trennung der Verwaltung von der Rechtspflege hergestellt. Die Besetzung der neuen Obergerichte ward sofort nach der Veröffentlichung des Privilegiums vorgenommen.

Die neue Ordnung der Verwaltungsbehörde war schon seit Wallensteins Ankunft in Meklenburg vorgenommen, ward jedoch nach Einsetzung der Gerichte vervollständigt.

Die drei Instanzen 3 ) in der Rechtspflege waren aber folgende 4 ):

Erste Instanz das Hofgericht, welches jetzt in Güstrow "permanent" und wozu Otto v. Preens Haus angekauft ward.

Zweite Instanz das Appellationsgericht, welches ganz neu eingerichtet ward.

Dritte Instanz der Geheime Rath, "als das vornehmste Collegium", welches zugleich auch oberstes Regierungs=Collegium war, als letzte Revisions=Instanz.

Die "Canzlei", welche früher unter dem Vorsitze des Canzlers Regierung und Justiz 5 ) "in Confusion" betrieben und dieselbe "Tendenz" mit dem Hofgericht gehabt hatte, ließ Wallenstein unter diesem Namen bestehen 6 ), sollte aber "eigentlich nicht auf Justizsachen bestellet sein und nicht darin erkennen, es wäre denn, daß die Partheien zur gütlichen Hinlegung darauf compromittirten", sondern sie sollte , "vornämlich auf andere die landesfürstliche Hoheit, Lehen, Grenzen, Confirmationen, Consense und Begnadigungen betreffende Sachen (unter Vorsitz eines Canzlers) Achtung haben". Die Canzlei ward also eine besondere obere Regierungsbehörde.


1) Vgl. Beilage Nr. 4.
2) Vgl. Beilage Nr. 3.
3) Vgl. Beilage Nr. 4.
4) Diese Gerichtsordnung hat auch v. Lützow, Gesch. v. Mecklenb. III, S. 235, gekannt, welcher offenbar die alten Archiv=Acten benutzt hat.
5) Von dieser alten Bezeichnung führen noch heute die Obergerichte zweiter Instanz den Namen "Justiz=Canzlei".
6) Zum Sitz der Canzlei ward 28. Februar 1629 das Haus am Domplatze gekauft, welches 1583 von dem Hofmarschall Joachim v. d. Lühe auf Püttelkow erbauet und später an Dietrich v. Hobe auf Wastow übergegangen war. Vgl. Jahrb. XXIV, S. 50, und XXXV, S. 94. Später ward das Haus Sitz des Hof= und Landgerichts, dann der Justiz=Canzlei, jetzt einer Schule. Das Haus steht im Aeußern noch unverändert.
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Zugleich befahl Wallenstein 1 ) die "förderlichste" Einrichtung der drei Instanzen, damit "die Justiz an keiner "Parthei protrahirt werde. Häufig aber forderte er unbedingte prompte Justiz" 2 ).

Diese ganze Einrichtung blieb aber nicht lange von Bestand. Nachdem die rechtmäßigen Herzoge von Meklenburg im Julii 1631 wieder in ihre Lande zurückgekehrt waren, hörte der neu geschaffene Rechtsgang ganz auf und kam wieder in die alten Bahnen. Am 1. October 1633 baten die Hofgerichts= Subalternen um Zahlung ihres "rückständigen Gehalts, nachdem sie bei fast dreijährig niedergelegenem Gericht "das Ihrige zugesetzt". Die Ritterschaft war der Wallensteinschen Anordnung abgeneigt und suchte auf jede Weise das Privilegium de plane non appellando wieder zu beseitigen. Die Verhandlungen und Bedenken gingen vielfach hin und her. Der königlich schwedische Rath und "Legat", Resident Johann Salvius, welcher mit dem Herzoge Adolph Friedrich rathend in lebhaftem Verkehr stand, räth dem Herzoge aus Bremervörde am 25. Junii 1632:

"Es müste auch der Ritter= und Landschaft das Privilegium oder beneficium appellandi an das Kayserliche Cammergericht nicht wiederumb eingeräumet werden, angesehen durch Vergünstigung der Appellation Ihrer FF. GG. mandata jederzeit eludiret und protrahiret werden könnten, hierzu wehren II. FF. GG. vmb so viel mehr befugt, weil sie es in ihrem Lande also gefunden, vnd wen sie stricto iure procediren wolten, wehren sie berechtiget, es mit der Landschaft nicht anders zu halten, als der Wallenstein gethan, doch thäten II. FF. GG. hierin rühmlich, daß Sie als boni pastores die Clementz vnd gütigkeit der scherffe vorziehen. Das beneficium de non appellando wehre ein hohes Churfürstliches Regale, damit nur Chur=Pfalz, Chur=Sachsen vnd Brandenburg dignitirt wehren. Weil nun II. FF. GG. einmahl in dessen possession gerathen, so würden sie sich auch billig dabei manuteniren."


1) Vgl. Beilage Nr. 4.
2) Die "prompte" Rechtspflege unter Wallenstein ergiebt sich auch durch die That. Als ich vor vielen Jahren die alten Acten des ehemaligen Hof= und Landgerichts zu Güstrow revidirte, um die dort nicht mehr brauchbaren Acten ins Staats=Archiv zu versetzen, konnte ich sehr leicht die Beobachtung machen, daß die Actenbündel aus keiner Zeit so dünn waren, als aus der Wallensteinschen Zeit. Sehr häufig kam es vor, daß die Eingaben eines Gesuches und die Decretur darauf von demselben Tage datirt waren. - G. C. F. Lisch.
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Bei der im Jahre 1633 wieder erfolgten Huldigung kam aber das Wallensteinsche Privilegium de non appellando gar nicht in Antrag. Vielmehr heißt es in der Huldigungs=Proposition, daß da der wider S. F. G. angestellete modus procedendi wider alle Rechte vnd pilligkeit geführet, vnd daher alles, was darbey vorgangen, widerrechtlich vnd pillig wieder abzuschaffen , in vorigen rechtmeßigen standt wieder zu reponiren vnd zu stellen gewesen, dahero den auch das Gesuch der Güstrowschen Ritterschaft bey der am 6. Decbr. 1633 zu Güstrow geleisteten Huldigung wegen Wiederbestellung des Land= und Hofgerichts in der derselben ertheilten Resolution gnädigst bewilliget worden.

Schließlich erließen die Herzoge am 18. December 1634 an die Hofgerichtsräthe den Bescheid 1 ), daß die an das "gewesene Friedländische Appellations=Gericht gerathenen Sachen an unverdächtige Juristen=Facultäten zur Einholung eines Urtheils zu verschicken seien und es dabei sein endliches Verbleiben haben solle, ohne eine fernere Appellation." Damit war das Appellationsgericht, der dreifache Instanzenzug und das Privilegium de plane non appellando beseitigt. Die Herzoge mochten den Schritt aber doch wohl bereuen, denn schon am 28. October 1651 erwarben die Herzoge Adolph Friedrich von Schwerin und Gustav Adolph von Güstrow ein neues kaiserliches Privilegium de non appellando für Processe bis zu einer Summe von 2000 Gulden Streitgegenstand. Dabei verblieb es denn bis in das gegenwärtige Jahrhundert nach Auflösung des deutschen Reiches, bis im Jahre 1818 das meklenburgische Ober=Appellationsgericht errichtet ward.

Aehnlich wie die Rechtspflege ordnete Wallenstein auch die allgemeine Landesregierung, indem er die Landesregierung von der Domainenverwaltung schied und zu letzterm Zwecke eine "Kammer" errichtete. Außerdem umgab er sich mit einem Geheimen Rath, welcher das höchste Collegium im Lande war.

Für diese Behörden, welche allein für Meklenburg bestimmt waren, bestellte er ausreisend zahlreiche Oberbeamte und Subalternen.

Als große Klugheit muß man dem gewaltigen Manne anrechnen, daß er alle Stellen in den für Meklenburg bestimmten Oberbehörden nur mit meklenburgische n Landeskindern besetzte und höchstens nur einige mit Meklenburg und Norddeutschland bekannte Juristen hinzu nahm. Es


1) Vgl. Beilage Nr. 6.
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ließen sich alle Ausersehenen, zum Theil aus den vornehmsten adeligen Familien des Landes, namentlich aus den Familien v. Moltke und v. d. Lühe, willig finden, die hohen Stellen anzunehmen, da sie einsahen, daß durch ihre Dienste dem Lande mehr genützt werde, als durch die Dienste Fremder. Es mochte ihnen wohl ein Opfer sein, das sie dem Vaterlande brachten, aber sie brachten es gerne in Berücksichtigung der schlimmen Lage in schwerer Zeit und der dringlichen Nothwendigkeit, da sie dem Lande mehr nützen konnten, als herbeigerufene Fremde, welche leicht Blutsauger hätten werden können. Freilich ward dies nicht erkannt und anerkannt, sondern alle adeligen Beamten Wallensteins mußten ihr Benehmen in der nach seinem Sturze folgenden Reaction schwer büßen.

Außer diesen Landesbeamten hatte Wallenstein für Meklenburg noch einige höhere Beamte um sich, welche seine Person und seine Herrscher= und Haus=Interessen vertraten, welche gewissermaßen das Cabinet bildeten. Diese Beamten waren: der Statthalter, der Canzler, der Regent und der Cabinets=Secretair. Diese 4 Personen, welche allerdings hohe und einflußreiche Stellen einnahmen, waren alle dem Friedländer bekannte und vertraute Fremde im Lande, wie es in so bewegten Zeiten auch wohl nicht anders sein konnte.

Die obersten "Hofchargen" waren ebenfalls meklenburgische Edelleute.

Die landständische Landesverfassung Meklenburgs ließ Wallenstein unangetastet, theils aus Klugheit, um sich die besitzenden und repräsentirenden Personen geneigt zu machen, theils aus Ueberzeugung, indem er auch in seinen böhmischen Staaten landständische Verfassungen einführte. Die Landräthe waren: Gebhard v. Moltke, Gregorius v. Bevernest, Henning v. Lützow, Johann v. Plessen, Heinrich v. Levetzow, Joachim Voß und Joachim v. Warburg auf Schönfeld im Lande Stargard. Die Landmarschälle waren: Claus Hahn auf Basedow, Henning v. Lützow auf Eikhof und Vicke v. Maltzan auf Grubenhagen 1 ).

Die obern Behörden und Beamten Wallensteins für Meklenburg waren also folgende:

I. Cabinet.
1)    Statthalter.
2) Canzler.
3)  Regent.
4) Cabinetssecretair.

1) Vgl. Jahrb. XXXV, S. 87.
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II. Regierung.
1)    Geheimer=Rath.
2) Regierungs=Canzlei.
3) Kammer.
III. Justiz.
(1)    Geheimer=Rath.)
2) Appellationsgericht.
3) Hofgericht..
IV. Räthe von Haus aus.
V. Hofdiener.

Der Hauptzweck der gegenwärtigen Abhandlung ist die Mittheilung der unten abgedruckten Personen=Etats der Wallensteinschen Oberverwaltung in Meklenburg, aus denen jeder Theilnehmende sich leicht ein Bild der ganzen Organisation schaffen kann. Zum bessern Verständniß werden hier einige Vorbemerkungen voraufgeschickt, welche zur genauern Erkenntniß nöthig zu sein scheinen.

Die Oberbehörden Wallensteins waren also folgende:

I. Cabinet.

1) Der Statthalter.

Zum Stellvertreter seiner landesherrlichen Person, also zum obersten, nur durch den Willen seines Herrn beschränkten Beamten für Meklenburg verordnete Wallenstein einen Statthalter.

Zuerst war der Oberst "Freiherr v. St. Julian" 1 ) gevollmächtigter "Statthalter" in Meklenburg. Nach der Erwerbung des Landes sandte Wallenstein mit einer Vollmacht vom 9. Februar 1628 den Obristen St. Julian und die Räthe Justus Lüders und Heinrich Niemann, der Rechte Doctoren, ab, um von der Regierung des Landes Besitz zu nehmen und bis zu seinem eigenen Erscheinen fortzuführen.


1) "Henry de Guyard et St. Julien", aus einer alten Adelsfamilie in der Provence, trat 1598 in kaiserliche Dienste, zeichnete sich aus als Soldat und Diplomat und ward nach und nach Obrist und Inhaber eines Regiments, Hofkriegsrath und General=Commissar der K. Armee. Da er zu Wallensteins eigenem Regimente gehörte, so wird er zu demselben in nähern Beziehungen gestanden haben; Wallenstein belehnte ihn schon 1625 mit Besitzungen in Böhmen. Kaiser Ferdinand erhob ihn 1628 in den Freiherrnstand und 1638 in den Reichsgrafenstand als "Graf von und zu Walsee", nach einer Herrschaft in Nieder=Oesterreich, welche er 1630 gekauft hatte. Seine Nachkommenschaft blühet noch in mehreren Linien in Oesterreich.
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Oberst St. Julian war Friedländischer Lehnmann von dem Gute Bielehard, nach der Lehntafel des Herzogthums Friedland vom 20. März 1634 1 ).

Als Wallenstein selbst am 17. Julii 1629 in Güstrow eingezogen war, folgte ihm alsbald als erster Rath und späterer Statthalter der Obrist Albrecht Christoph oder nur Albrecht v. Wingersky 2 ) oder Wingiersky. Wingersky stammte aus einem polnischen, nach Schlesien übergesiedelten Adelsgeschlechte und war Besitzer von "Niemkow" (Nimkau in Preußisch Schlesien bei Neumark im Reg.=Bez. Breslau) und "Ratzkow" (Ratkau in Oesterreichisch Schlesien bei Wigstadl im Bezirk Troppau). Er erwarb die Güter 1624 durch Heirath 3 ).

Nicht lange vor seinem Abzuge aus Meklenburg hatte Wallenstein am 11. Junii 1629 (zu Güstrow) den Albrecht Wingersky zu einem Obersten über die 5 Compagnien, die er in Preußen geschickt, bestellt, mit der Vollmacht, daß falls er nicht sollte "abkommen können", er einen Andern an seine Stelle deputiren solle, er selbst aber den 5 Compagnien als wirklicher Obrist angezeigt werden 4 ).

Bei dem Abzuge Wallensteins aus Meklenburg (22. Julii 1629) ernannte dieser ihn zum regierenden Statthalter für die Zeiten seiner Abwesenheit. Da Wallenstein nie wieder nach Meklenburg zurückkehrte, so blieb Wingersky Statthalter von Meklenburg bis zum Ende des "Friedländischen Regiments", und kommt hier in zahlreichen Verordnungen und Unterschriften in Regierungssachen sehr häufig vor.

"Die Männer, mit denen Wallenstein in der Zeit seiner Zurückgezogenheit (1630-1631) im regen Briefwechsel blieb, waren vorzüglich: Kaiser Ferdinand II., sein Meklenburgischer Statthalter Wingersky, der kaiserliche Kriegsrath v. Questenberg und General Tilly 5 )." Wingersky war für Wallenstein und überhaupt ein sehr wichtiger Mann. Am


1) Vgl. Fr. Förster a. a. O. S. 330.
2) Zu unterscheiden von seinem gleichzeitigen Sohne dem Obersten Christoph v. Wingersky.
3) Die Familie ward 1656 in den Freiherrnstand und 1714 in den Grafenstand mit dem Beinamen von Ungarschütz erhoben und blühet noch jetzt in Ober=Schlesien. Die jetzige Form des Namens ist Wengersky.
4) Albrecht's v. Wallenstein Briefe, herausgegeben von Fr. Förster, Th. 2, 1829, S. 49.
5) Vgl. Waldstein, von seiner Enthebung bis zur abermaligen Uebernahme des Armeeoberkommando, dargestellt von Dr. B. Dudik, Wien, 1858, S. 20.
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7. April 1631 schreibt Wingersky an Tilly, daß sein "gnedigster Fürst und Herr anbefohlen, sich unsäumlich zu Deroselben in Böhmen zu verfügen, auch inmittels Dero Vettern Herrn Graf Berthold v. Waldstein im Herzogthum Meklenburg das Statthalter=Amt zu verwalten abgeordnet 1 )." Graf Berthold v. Waldstein erscheint denn hierauf eine Zeit lang auch öfter als Wallensteinscher Statthalter in Meklenburg, bis er am 16. October 1631 aus Rostock, wohin er sich mit dem Rest der Wallensteinschen Macht geflüchtet hatte, abzog 2 ).

Bei dem Vorrücken der Schweden in Meklenburg im Anfange des Frühlings 1631 verließen die fremden Wallensteinschen Beamten flüchtig das Land Meklenburg; Wingersky entkam glücklich. Wingersky ging nach Schlesien zurück und hielt sich einige Jahre in Breslau auf, wo er auch Landeshauptmann geworden sein soll. Er stand in hohem Ansehen und ward vom Kaiser dessen "Kriegsrath, Kämmerer, bestellter Obrist und des Reichs lieber Getreuer", und auch von dem Könige von Polen dessen Obrister und Kämmerer genannt ("praefectus militum" und "colonellus et cubicularius"). Am 30. December 1635 wird gemeldet, daß der Obrist "Wingersky von der Kaiserlichen Majestät zum Obristen und Kriegsrath von neuem wirklich bestellt sei und sich zu Wien befinde, wo er in großem Credit und Ansehen stehe". In dieser Lage läßt er sich noch bis in das Jahr 1648 verfolgen.

2) Der Canzler.

Als Wallenstein sich in Güstrow mit der Ordnung der Regierung seines Landes beschäftigte und sowohl die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung, als auch die Arbeitstheilung in der Regierung in verschiedene Collegien beschlossene Sache war, bestellte er, wahrscheinlich schon im Anfange des Jahres 1629, auch wieder einen Canzler. Dieser Wallensteinsche Canzler war ein ganz anderer Beamter, als der frühere Meklenburgische Canzler, welcher als alleiniger Minister den Vorsitz nicht nur in der ganzen Verwaltung, sondern auch in der Rechtspflege führte. Wallenstein bestimmte später ausdrücklich, daß "die Canzlei nicht auf Justiz=Sachen bestellt sein, sondern vornämlich auf andere, die landesfürstliche Hoheit (oder Regalien) betreffende Sachen Achtung haben solle". Der Canzler war also ungefähr das, was man jetzt einen Minister der Innern Angelegenheiten nennt.


1) Vgl. Dudik a. a. O., S. 37.
2) Vgl. Beilage Nr. 5.
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Wahrscheinlich im Anfange des Jahres 1629 bestellte Wallenstein zum Canzler und Geheimen Rath den Johann Eberhard Sohn zu Eltz, welcher gewöhnlich kurzweg v. Eltz genannt wird. Die bisher bekannt gewordene älteste vollständige Unterschrift ist vom 6. Mai 1629: "Johan Eberhard! Sohn zu Eltz Cantzlar". Er gehörte nach seinem Siegel zu der aus Kur=Trier stammenden Familie v. Elz, deren männliche Glieder sich "Sohn zu Elz" nannten, so lange der Vater noch am Leben war, und war mit Wallenstein ins Land gekommen 1 ). Aus seinem Diensteid 2 ), dessen Concept ohne Datum noch im Meklenburgischen Staatsarchive aufbewahrt wird, ist der Umfang seiner Geschäfte klar ersichtlich. Er sollte vorzüglich auf die landesherrlichen Regalien, die Reichs=, Kreis= und Landsachen, die Reichskammergerichts=Sachen, die Geschäfte auf den Reichs= und Kreistagen fleißiges Aufsehen haben, Legationen übernehmen, die Beförderung der heilsamen Justiz überwachen, auch die Registraturen beaufsichtigen; dabei führte er, wenn er wollte, den Vorsitz in der Canzlei, d. i. Regierungs=Collegium. Uebrigens war der Wallensteinsche Canzler mehr ein repräsentirender, als ein arbeitender Rath; namentlich war es der Ritterschaft gegenüber sein Geschäft, die Lehneide abzunehmen. Er erhielt außer freier Station für 18 Personen und 30 Pferde 100 Gulden Monatsgehalt.

Als Wallenstein in der Mitte des Jahres 1630 seine Macht von allen Seiten bedrohet sah, entfernte er mehr und mehr auch sein Regiment aus Meklenburg. "Schon am 20. April 1630 gab er von Prag aus dem Kanzler v. Eltz den Auftrag, sich mit dem Reste des herzoglichen Hofstaates zum Aufbruche von Halberstadt nach Memmingen, wo er später, erweislich seit dem 15. Junii, sich aufhielt, gefaßt zu halten; ein zweiter Befehl erging am 24. Mai von Karlsbad aus" 3 ). Auch noch später sehen wir v. Eltz bei Wallenstein. "Das Centrale der Wallensteinschen seit Dec. 1631 eingeleiteten Kriegsverwaltung war die ""Friedländ'sche Generalkanzlei"". Ihr beigeordnet erscheint sein Hauptquartier. Der Chef derselben war während der Monate Januar Februar und März 1632 des Herzogs Obersthofmeister Paul Graf zu Liechtenstein, neben ihm der Friedländ'sche Kanzler H. v. Elz. 4 )


1) Johann Eberhard v. Eltz, von der Familie Rodendorf, war seiner Zeit auch Statthalter im Eichsfeld. Die Familie, seit 1733 reichsgräflich, blühet noch in den Rheinlanden und in Oesterreich.
2) Vgl. Beilage Nr. 1.
3) Vgl. Dudik a. a. O., S. 3.
4) Vgl. Dudik a. a. O., S. 185.
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Eltz soll nach andern Nachrichten "tief in seines Herrn Fall verwickelt und einer der Directoren aller Schelmereien gewesen sein". Nach Wallensteins Ermordung 1634 ward er gefangen nach Wien gebracht. Mehr ist uns von ihm nicht bekannt geworden.

3) Der Regent.

Außer einer Kammer zur Verwaltung der Einkünfte für die böhmischen Herrschaften zu Gitschin hielt Wallenstein sich auch einen "Regenten" oder "Kammer=Regenten" zur Oberaufsicht (nach heutiger Anschauung einen Finanzminister). Eine Zeit lang war Hieronymus Buckowsky Regent zu Gitschin gewesen. Die Buckowsky waren böhmische Vasallen auf Gütern, welche Wallenstein seit 1621 erworben hatte; in dem Güterverzeichnisse von 1621 werden 3 andere Buckowsky auf Gütern im Königgrätzer Kreise aufgeführt. Als Hieronymus Buckowsky gestorben war, bestellte Wallenstein am 18. (28.) Julii 1629 von Schwerin aus, also einige Tage vor seinem Abzuge aus Meklenburg, den "Heinrich Custoß (Kustosz, jetzt Kustosch) von der Lipka" 1 ), aus einem alten böhmischen Geschlechte, welcher gewöhnlich kurz nur "Kustosz" genannt wird, zum Regenten 1 ), welcher außer des verstorbenen Regenten Besoldung auch noch etwas "a parte" haben sollte, "sintemalen er nicht allein zu Gitschin und Sagan, sondern auch in dem Land zu Mecklenburg sein Aufsehen in den Cameralibus haben werde" 2 ); er sollte auch die "untüchtig befundenen Hauptleute in den Herrschaften abfertigen und andere taugliche aufnehmen" können. In Folge dieser Bestallung begab sich Kustosz bald darauf auch nach Meklenburg, wohin auch seine Brüder "Georg und Hans Kustosz" zum Besuche kamen und bis zum Ende der Wallensteinschen Herrschaft blieben. Sein Bruder Hans Kustosz ward, ohne Zweifel durch seinen Einfluß, zuerst Hauptmann des Amtes Neustadt, dann bis zuletzt Hauptmann des Amtes Stargard.


1) Die Kustosz oder "Kustosch von Zubrzy und der Lipka", nach den Stammgütern so beigenannt, sind ein altes böhmisches Geschlecht, welches 1630 in den Freiherrnstand und 1725 in den Grafenstand erhoben ward und noch jetzt in Böhmen blüht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Brüder Heinrich, Georg und Hans mit dem Friedländer verwandt waren, da in der Genealogie der Kustosz von der Lipka auch Frauen aus dem Wallensteinschen Geschlechte vorkommen.
1) Die Kustosz oder "Kustosch von Zubrzy und der Lipka", nach den Stammgütern so beigenannt, sind ein altes böhmisches Geschlecht, welches 1630 in den Freiherrnstand und 1725 in den Grafenstand erhoben ward und noch jetzt in Böhmen blüht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Brüder Heinrich, Georg und Hans mit dem Friedländer verwandt waren, da in der Genealogie der Kustosz von der Lipka auch Frauen aus dem Wallensteinschen Geschlechte vorkommen.
2) Vgl. Fr. Förster a. a. O., S. 339.
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Gleich nach der Landung und bei dem Vorrücken der Schweden wollte der Regent mit seinem Bruder Hans fliehen, ward aber schon im Julii 1630 gefangen und lange Zeit sicher in harter Gefangenschaft gehalten, bis er im Jahre 1632 gegen großes Lösegeld frei kam. Vgl. das Nähere im Folgenden. Ueber sein ferneres Schicksal läßt sich nichts berichten.


Wingersky, Kustosz, Eltz.

Wie der Herzog Adolph Friedrich sagt, hatten des "Friedländers ministri und Considenten in Meklenburg ihren Waizen weidlich und dermaßen geschnitten, daß sie sich von des Landes Intraden und Einkommen und der erschöpften Unterthanen saurem Schweiß und Blut auf viele Tausende bereichert und nach Hamburg und andern Orten geschickt". Nachdem der König Gustav Adolph von Schweden am 4. Julii 1630 in Pommern gelandet war, eilten die fremden Wallensteinschen Oberbeamten, das Ihrige in Sicherheit zu bringen. Der Statthalter Wingersky hatte z. B. am 23. Julii 1630 unter Vermittelung des Regenten Kustosz durch die Besorgung des friedländischen Kammerraths Simon Daniel (v. Semanina) 1 ) 4000 Rthlr. bei dem Rath der Stadt Hamburg belegen lassen und darauf eine Schuldverschreibung erhalten. Der Regent Kustosz sollte ebenfalls 2000 Rthlr. bei der Stadt Hamburg ausstehen haben; aber der Hamburger Rath sagte, daß nicht der Regent Heinrich Kustosz, sondern dessen Brüder Herr Georg und Hans Kustosz" die Gelder belegt hätten. Der Regent hatte außerdem im Lande 257 Rthlr. 44 ßl. stehen, "neben dem, was er bei den Wirthen im Lande verzehrt". Auch der Canzler v. Eltz hatte, wie er vorgab "seiner Hausfrauen halber", bei Lüdeke Hahn (auf Arensberg), Hauptmann zu Ivenack, und dessen Bruder eine ansehnliche Summe Geldes ausstehen.

Von diesen Personen und Geldern sind noch Nachrichten über die Sache des Statthalters Wingersky und des Regenten Kustosz vorhanden.

Als die Schweden im Frühling 1631 in Meklenburg vorrückten, machten sich die Wallensteinschen Beamten auf die


1) Simon Daniel ist ohne Zweifel v. Semanina. Am 13. October 1629 Werden Hans Heinrich v. d. Lühe, Justus Lüder und "Simon Daniel v. Semanina Fürstl. Meklb., Friedl. und Sagan. Kammerpräsidenten und Räthe" genannt und alle drei unterschreiben als solche. Semanina war wohl sicher friedländischer Rath.
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Flucht. Wingersky und Eltz mit ihren Familien entkamen glücklich. Aber der Regent Herr Heinrich Kustosz mit seinem Bruder Hans und der friedländische Kammerrath "Herr Simon Daniel" wurden "auf einer Reise von streifenden schwedischen Reitern auf dem freien Elbstrom oberhalb Hamburg gefangen genommen und gefänglich nach Stralsund geführt worden". Der Fang war gut, denn man fand bei Heinrich Kustosz außer anderen Papieren auch die Hamburgische Schuldverschreibung auf 4000 Rthlr. für Wingersky, welche von den Schweden den im Julii 1631 in ihre Lande zurückkehrenden Herzogen "billig" ausgeliefert ward. Wingersky forderte nun, da die Obligation angeblich verloren" sei, gegen seine Quittung das Geld von der Stadt Hamburg, indem er sagte, er habe "das Geld wegen einer Erbschaft aus Polen in Meklenburg gut gemacht und den Herzogen und deren Frau Mutter, so wie der ganzen Landschaft für sich selbst die Zeit seines Lebens nichts zuwider gethan, sondern so viel seines Herrn Dienst zugelassen, denselben allerseits gerne gedient". Die Hamburger aber weigerten sich, da sie wußten, daß sich die Obligation in den Händen der Herzoge von Meklenburg befinde. Die Herzoge verweigerten aber die Auslieferung der Obligation, indem sie bei dem Rath von Hamburg gegen die Auszahlung der Gelder an die Ausleiher protestirten und dieselben für sich in Anspruch nahmen, indem "die Gelder von ihren Landes=Intraden genommen und Wingersky, nebst andern Friedländischen Officianten, aus ihrem Lande sich bereichert vnd das ganze Land und alle Einkünfte desselben feindlich und gewaltsamlich habe vorenthalten helfen, daher sie an ihm und anderen dergleichen Verursachern, auch ihren Gütern, an Ort und Enden, wo sie anzutreffen, sich ihres Schadens nach Kriegs= und aller Völker Recht zu erholen befugt" seien. Die Stadt Hamburg aber forderte Quittung und Obligation von Wingersky selbst. Nach vielen Verhandlungen zahlte der Rath der Stadt Hamburg am 20. Novbr. 1632 an die Herzoge gegen Auslieferung der Obligation und einer Schadlosverschreibung die Summe aus. Nun verklagte Wingersky die Stadt beim Kaiser am Reichshofrath und rief den König von Polen um Intercession an. Beide suchten auch durch Bitten, Drohungen und Befehle an den Rath den Obersten zu schützen, aber ohne Erfolg. Und so ward zwischen allen Partheien bis in das Jahr 1648 hin und her geschrieben, ohne daß ein Erfolg erzielt wäre, so daß hier plötzlich der Faden abreißt.

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Der "gewesene Friedländische Canzler Johann Eltz" hatte "seiner Hausfrauen halber" bei dem Lüdeke Hahn 1 ) (auf Arensberg und Solzow), Hauptmann zu Ivenack, und dessen Bruder eine "ansehnliche Summe Geldes auf Zinsen "ausstehen". Eltz hatte die Hahn wegen Schuld beim Hofgericht verklagt und in beiden Instanzen gesiegt. Am 9. März 1633 befahl nun der Herzog Adolph Friedrich die Einsendung der Acten, worauf aber erwiedert ward, daß sie von des Herzogs Bruder zur Kammer eingefordert seien. Am 10. März 1633 befahl der Herzog zugleich den Hahn, die "Summe mit Zinsen an die Herzoge zu entrichten, weil Eltz ihrem Feinde gedient und von ihren Landes=Intraden und ihrer Unterthanen Schweiß und Blut kostbarlich unterhalten worden, daher die Herzoge sich solches erlittenen Schadens an ihm und seinen Gütern zu erholen befugt" seien. -Aber Lüdeke Hahn starb schon am 29. Septbr. 1633, seine verschuldeten Güter kamen in Concurs und seine drei Töchter starben in der allgemeinen Zerrüttung des Landes in den folgenden schrecklichen Kriegsjahren an der Pest. Und so ist keine weitere Nachricht über die Forderung zu finden gewesen.

Ueber den Wallensteinschen Regenten Heinrich Kustosz sind auch noch umfangreiche, wenn auch unerquickliche Papiere entdeckt worden. Nachdem die Schweden Anfang Julii 1630 in Pommern gelandet waren und anfingen umher zu schwärmen, wollte auch Heinrich Kustosz für den Statthalter Wingersky und sich selbst Gelder in Hamburg belegen und sich mit seinen Gefährten und Papieren in Sicherheit flüchten. Heinrich Kustosz ward aber mit seinem Bruder Hans und dem Friedländischen Kammerrath "Simon Daniel" von Semanina von "streifenden schwedischen Reitern auf dem freien Elbstrom oberhalb Hamburg gefangen genommen", nach Pommern gebracht und lange Zeit in harter Gefangenschaft gehalten. Dies wird schon am Ende des Monats Julii 1630 geschehen sein, da Kustosz die Wingerskyschen Gelder am 23. Julii 1630 in Hamburg belegte und am 19. August 1631 sagt, daß er "schon über ein Jahr gefangen gesessen". Die einfangenden Schweden werden die "Partei" genannt, d. h. jetzt ungefähr: auf Beute streifendes Detachement. Die "Partei" bestand aus 20 Personen, d. h. Officieren, welche nach damaliger Anschauung die Gefangenen als Beute betrachteten und möglichst großen Vortheil daraus zu ziehen suchten. Die Gefangenen wurden


1) Vgl. Lisch Geschichte des Geschlechts Hahn, II, S. 327 flgd.
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zuerst nach Stettin gebracht, aber bald nach Stralsund geführt. Man hatte die Absicht gehabt, sie nach Kalmar in Schweden überzuführen, stand jedoch davon ab, ließ sie aber in Stralsund strenge bewachen. Die Brüder Kustosz wurden, von einander getrennt, im Stockhause gefangen gehalten, wo sie schlecht versorgt und die Fenster in ihren Gemächern mit Brettern vernagelt wurden; dazu lagen in dem Stockhause Kranke und "die Pest riß in Stralsund ziemlich ein", wodurch sie an ihrer Gesundheit Schaden litten. Die Herzoge von Meklenburg, welche sich noch in Lübeck aufhielten, machten bedeutende Ansprüche an den Regenten und seine Genossen, da "er sich höchsten Fleißes bemühet habe, ihre armen Unterthanen bis auf den äußersten Grad aussaugen zu helfen". Wohl mochten die Wallensteinschen Oberbeamten sich ihre Stellung zu Nutzen gemacht haben; der Regent sagte später selbst aus, daß dem Obersten St. Julian 2000 Rthlr., dem Obersten Wingersky 4000 Rthlr., dem Canzler v. Elsz 5 bis 600 Rthlr. zu einer "Kette", dem Dr. Lüders etliche 100 Rthlr. "verehrt" worden seien. Der König Gustav Adolph von Schweden hatte daher die drei Gefangenen den Herzogen von Meklenburg "geschenkt" (vor 24. März 1631). Nun begann ein langer Streit zwischen den Herzogen und der "Partei" über den Besitz der Gefangenen, welche bitterlich klagten. Heinrich Kustosz hatte eine Frau, 2 kleine Kinder, einen armen 70 jährigen Vater und 4 unverheirathete Schwestern, "welche vor 2 Jahren wegen der Religion aus "Böhmen nach Ungarn gewichen waren, zu alimentiren". Heinrich Kustosz sollte aber reich sein. Die "Partei" hatte ihm "Anschaffzettel" auf 100,000 Rthlr. abgepreßt, da berichtet war, daß er allein wohl so viel zu geben und dennoch zu leben habe; auch sollte er 20,000 Rthlr. in Hamburg stehen haben. Zur möglichen Beendigung der Sache schlossen der Obrist=Lieutenant Lüder v. Stralendorf und Ulrich v. Pentz in Vollmacht der "Partei" am 31. Jan. 1631 zu Stralsund einen Vertrag, daß gegen Erlegung einer Summe von 13,000 Rthlr. Ranzionsgelder Heinrich Kustosz nebst seinem Bruder Hans, von welchem sonst keine Ranzion begehrt werde, des Gefängnisses entlassen werden sollten, wenn die Summe durch seinen Bevollmächtigten bei dem Kaufmann Hermann von Elswig in Lübeck hinterlegt werden würde, und Heinrich Kustosz stellte hierauf auch einen schriftlichen Revers aus. Der Kammerrath "Simon Daniel" 1 )


1) Simon Daniel von Semanina unterschreibt sich fast immer nur "Simon Daniel"; der Zusatz "von Semanina" kommt sehr selten vor.
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deponirte denn auch bald bei v. Elswig in Lübeck 12,400 Rthlr. und zahlte "der Partei auf Persuasion" abschläglich die Summe von 600 Rthlr.; von der Summe waren 12,000 Rthlr. des Kustosz "eigene und seines Weibes eigene, 1000 Rthlr. aber von Andern geliehene Gelder". Aber die Gefangenen kamen dennoch nicht frei; die Partei nahm Ranzionsgeld für sich in Anspruch und die Herzoge von Meklenburg wollten in die Loslassung nicht willigen, da sie von Kustosz große Entschädigung verlangten. Während der Zeit hatte der schwedische Major Christoph Georg von Dannenberg, nach seinem Siegel von der alten Hannoverschen Familie v. Dannenberg, mit der "Partei" einen Geldhandel abgeschlossen, nach welchem er von der "Partei", welche 20 Personen umfaßte, jeder Person 300 Rthlr., im Ganzen also 6000 Rthlr. zu zahlen versprach und zahlte hierauf auch 1600 Rthlr. aus; die übrigen 4400 Rthlr. sollte Ulrich v. Pentz, früher Wallensteinscher Hauptmann, zu Bützow, herschießen. Es waren mit diesem Contract jedoch 3 Rittmeister, 1 Lieutenant und 2 andere Cavaliere, welche 1775 Rthlr. und Erstattung mehrerer Nebenkosten forderten, nicht zufrieden, und Ulrich v. Pentz mußte versprechen, auch diese zu befriedigen. Hiefür wollte Dannenberg die bei dem Kaufmann v. Elswig deponirten 12,400 Rthlr. erheben; auch sollte er nach dem Gerüchte noch eine Obligation auf 22,000 Rthlr. (?) in Händen haben, welche die Kustosz in Hamburg stehen haben sollten. Die Herzoge wollten aber die Gefangenen nicht freigeben und forderten die Gelder für sich. Am 13. Junii 1631 protestirte Dannenberg für die "Partei" gegen die Auszahlung der bei Elswig deponirten Gelder an die Herzoge. Die Herzoge protestirten aber auch gegen die Auszahlung an Dannenberg und ließen den Heinrich Kustosz am 22. Junii 1631 in Stralsund in Beisein von Ambrosius Emmen und Joachim v. Nessen, welche zu Schiffe von Lübeck nach Stralsund gegangen waren, über die Art und Weise der Wallensteinschen Verwaltung verhören, um möglicher Weise eine rechtliche Grundlage für ihre Ansprüche zu gewinnen. Der Streit ging ununterbrochen fort, während H. Kustosz stark leiden mußte. Am 19. Aug. 1631 hatte er schon über ein Jahr lang gefangen gesessen und war scharf gehalten. Am 23. Aug. 1631 rieth auch die Herzogin Mutter Sophie, den Kustosz aus dem Gefängniß zu lassen, da sie fürchte, daß er sterben werde und dann die Herzoge kein Geld kriegen würden. Selbst der König Gustav Adolph von Schweden bat am 24. Octbr. 1631 die Herzoge, nach

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"geschehener Erklärung" des "Generals Wallenstein", den Commissarius Kustosz loszulassen gegen die Entledigung des schwedischen "General=Commissarius Erich Anderson". Als nach dem siegreichen Vorrücken der Schweden das Wallensteinsche Regiment in Meklenburg zu Ende ging, zog am 16. Octbr. 1631 der Wallensteinsche Statthalter Graf Berthold von "Waldstein" von Rostock ab, nachdem die Herzoge ihm "mit Handgebung" zugesagt hatten, die Kustosz binnen Kurzem auf freien Fuß zu stellen 1 ). Während der Zeit waren gegen den ehemaligen Kammer=Präsidenten Hans v. d. Lühe und den Hauptmann Ulrich v. Pentz, welcher viel in Wallensteinschen Kammer=Angelegenheiten beschäftigt gewesen war, Untersuchungs=Processe angestrengt. Die Gefangenen wurden nun sogleich nach Rostock gebracht und hier am 21. Octbr. 1631 auf dem Rathhause inquirirt und mit v. d. Lühe und v. Pentz confrontirt. Aber freigelassen wurden die Gefangenen fürs erste doch noch nicht. Zuerst ward der Friedländische Kammerrath Simon Daniel von Semanina der Haft gegen einen Revers entlassen. Von Rostock wurden die Brüder Kustosz nach Güstrow gebracht und hier etwas milder behandelt. Am 3. Jan. 1632 war Heinrich Kustosz noch in Güstrow und wollte sich gegen die ihm vorgeworfenen "Calumnien" vertheidigen, konnte aber keinen Advocaten finden, bis ihm die Herzoge den Dr. Nicolaus Wasmund bestellten. Hans Kustosz war aber freigelassen und am 16. Febr. 1632 in Hamburg, wohin er in Winterzeit zu Fuß hatte gehen müssen. Er hatte sich "durch das zu Fuß von Güstrow im großen Koth und Wasser "Gehen die Füße sehr verdorben" und lag bei seinem seit längerer Zeit kranken Bruder Georg krank in Hamburg; noch am 5. April 1632 waren beide bettlägerig krank. Der Regent Heinrich Kustosz kam aber noch nicht frei, da man ihn zu Verhören in dem Proceß gegen den Kammer=Präsidenten Hans Heinrich v. d. Lühe gebrauchen wollte. Am 7. Junii 1632 war er noch in Güstrow. Später wird er nicht mehr genannt. Nach den Wingerskyschen Acten ward er seiner Gefangenschaft entlassen, der Zeitpunkt ist aber nicht angegeben. Er war also ungefähr 2 Jahre lang gefangen gehalten. Weiter ist von ihm nichts bekannt.

Die Verwickelungen über die Ranzions=Gelder zogen sich noch lange hin. Auf nachhaltiges Andrängen der Herzoge von Meklenburg hatte der Kaufmann Hermann v. Elswig


1) Vgl. Beilage Nr. 5.
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zu Lübeck am 25. Mai 1632 die bei ihm deponirten Ranzions=Gelder des Betrages von 12,400 Rthlr. an die Herzoge verabfolgen lassen, wogegen diese ihm eine Schadloshaltungsverschreibung ausstellten. Hiemit und mit der Freilassung des Regenten Kustosz scheint im Sommer 1632 die verwickelte und unangenehme Sache abgethan gewesen zu sein. Aber im Hintergrunde stand noch der Major v. Dannenberg, welcher das Geldgeschäft von wegen der "Partei" auf seine Kappe genommen und diese befriedigt hatte, vielleicht in der Hoffnung, die ganze Ranzionssumme dafür einnehmen zu können. Die "Partei" hatte sich endlich auch erklärt, "Alles zu der Herzoge Nutz" herzugeben, wenn dem Dannenberg Versicherung gegeben werde und sie sich mit ihm vergleichen könne. Aber die Sache zog sich noch lange hin. Zuerst forderte Dannenberg nur die ausgelegten 6000 Rthlr. Am 17. März 1641 meldete Dannenberg zu Celle ("Zeel") sich bei dem bekannten herzoglichen Secretair Simon Gabriel zur Nedden mit dem Wunsche, daß, "da ihm wie bewußt von den Herzogen von Meklenburg wegen des gefangenen Wallensteinschen Regenten Heinrich Kustosz noch in die 6000 Rthlr. restirten, diese Sache einmal in Richtigkeit und zu Ende gebracht werden möge, obwohl wegen des betrübten Zustandes des Herzogthums Meklenburg es übel anstehen würde, auf die Bezahlung zu drängen". Da Dannenberg aber nicht befriedigt ward, so mahnte er am 4. Decbr. 1643 und stellte ganz andere Forderungen, nämlich 1500 Rthlr. für die Unterhaltung der Gefangenen für die "Partei" während eines halben Jahres an verschiedenen Orten, 14,000 Rthlr. (!) Ranzionsgelder, welche in Lübeck deponirt gewesen seien und der Partei zukämen und 600 Rthlr. restirendes Gehalt für seinen Dienst als Kreis= und Kriegsrath bei der "Armade".

Hiemit hört jede Nachricht über die Sache und die Personen auf und scheint die Angelegenheit hiemit ein Ende erreicht zu haben 1 ).


4) Der Cabinets=Secretair

Wallensteins, welcher diesen immer begleitete, war der bekannte kaiserliche Rittmeister Neumann, welcher seinem


1) Zahlreiche Zwischenfälle in dieser Sache von geringerer Bedeutung können hier unmöglich erörtert werden.
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Herrn genau bekannt und vertraut war und mit diesem am 25. Febr. 1634 zu Eger ermordet ward.


II. Regierung.

1) Der Geheime Rath.

Das Geheime=Raths=Collegium war die höchste Behörde zur Berathung des Herzogs in Landesangelegenheiten. Den Vorsitz führte selbstverständlich nach Belieben der Herzog oder dessen Statthalter WingerSky, welcher daher mitunter auch "Geheime=Raths=Präsident" genannt wird. Bestellt waren 3 Räthe, welche aus den adeligen Gutsbesitzern Meklenburgs gewählt waren. Das Directorium führte Gebhard v. Moltke, welcher früher Kammer=Director und Forstmeister gewesen war. Bei der Einrichtung der 3 Gerichtsinstanzen ward dem Geheimen Rath auch die dritte oder höchste Instanz übertragen (vgl. oben S. 11 und weiter unten). Außerdem Waren bei diesem Collegium 1 Secretair, 1 Ingrossist oder Registrator und Thürsteher angestellt.

2) Die (Regierungs=)Canzlei.

Früher war die Canzlei ein Ober=Collegium zur Regierung des Landes und zugleich zur Verwaltung der Rechtspflege. Seitdem Wallenstein die Administration von der Justiz getrennt und der Canzlei die Rechtspflege abgenommen hatte, ward die "Canzlei" die oberste Verwaltungsbehörde oder das was man jetzt Regierung nennt; fie trug den Namen daher, daß der "C anzier" in dem ihm durch seine Bestallung genau bezeichneten Gebiete den Vorfitz führte. Daher werden die Räthe oft auch "Regierungs= und "Canzlei=Räthe" genannt. Das Collegium war sehr stark besetzt: es hatte l präfidenten (den Canzler), l Director, 4 bis 5 Räthe, l Archivar, 3 Secretaire, l protonotar, l Boten= meister, 3 Registratoren, l Thürsteher. Der präfident war der Canzler v. Eltz. Der Director war der Dr. Johann Oberberg, welcher als Rath schon 1620 in des Herzogs Adolph Friedrich Diensten stand, sicher ein sehr tüchtiger und thätiger Mann, da er in Regierungsangelegenheiten sehr häufig auftritt. Von den Räthen waren zwei, v. Halberstadt und o. Stralendorf, meklenburgische Vasallen von Adel und drei gelehrte Doctoren der Rechte. Henning v. Halberstadt auf Campz und Dr. Nicolaus Eggebrecht waren am 26. April

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1628 von Wallenstein zu "Hofräthen" berufen. Das Collegium war also so reich an Kräften, wie verhältnißmäßig nur je in Meklenburg in folgenden Zeiten.

3) Die Kammer

als Oberbehörde für die Verwaltung der Domainen und der landesherrlichen Einkünfte ist in Meklenburg wohl eine Schöpfung Wallensteins. Früher stand diese Verwaltung unter dem Landesherrn selbst und auch unter dem Canzler, welchem wohl ein oder der andere Rath, mehr dem Titel nach 1 ), und der Rentmeister untergeordnet waren. Wallenstein schuf ein eigenes Verwaltungs=Collegium: die Kammer 2 ). Noch zu Wallensteins Zeiten erachteten Gebhard v. Moltke, Hans Heinrich v. d. Lühe und Justus Lüders: "Es habe viel Mühe gekostet, die Wirthschaften aus voriger Confusion zu bringen; nunmehr könnten aber die Oeconomica durch einen Buchhalter, einen Rentmeister und Schreiber absonderlich wohl verwaltet werden". Dies wird aber Wallenstein nicht genug gewesen sein, und es ist anzunehmen, daß er die Kammer aus eigener Bewegung eingesetzt hat. An die Spitze der Kammer stellte er den "Kammer=Präsidenten", eine bisher im Lande unbekannte Würde, den meklenburgischen Vasallen Hans Heinrich v. d. Lühe, einen sehr tüchtigen, wichtigen und einflußreichen Mann 3 ).

Dem Präsidenten stand ein gelehrter Vice=Präsident Justus Lüders und ein adeliger Rath Bugislav v. Platen 4 ) zur Seite; bis in den Anfang des Jahres 1629 war auch Gebhard v. Moltke Rath als "Kammer=Director"; er ward jedoch darauf Geheimeraths=Director. Im Jahre 1630 erscheint auch Ulrich v. Pentz, Beamter zu Bützow und Rühn, in der Kammer. Als Subalternen waren bei der Kammer angestellt: 2 Secretaire und 4 Registratoren. Dazu kam der Rentmeister mit seinen Schreibern. - Wallenstein hielt


1) Hans Heinrich v. d. Lühe war schon Kammerrath des Herzogs Adolph Friedrich gewesen.
2) Im Jahre 1630 sollte Gebhard's v. Moltken Stiefsohns Haus zu Güstrow für 2000 Thlr. gekauft und zur Cammer aptirt werden.
3) Vgl. Jahrb. XXXV, S. 75. - Die Herzogin Anna Maria schreibt 3. Septbr. 1628 an ihre Schwiegermutter Herzogin Sophie: "Was anlanget Hans Heinrich, ich weiß nicht. Wie ich es verstehen soll, daß er so bald gut Wallensteinisch geworden ist".
4) Bugislav v. Platen ward 26. April 1629 von Wallenstein zum Kammerrath bestellt.
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sehr viel auf "Registraturen" und Ordnung in den Behörden, wie man in vielen Verhandlungen und Erlassen durchschimmern sehen kann. Einen Beweis hiezu liefert noch eine Verordnung vom 13. (23.) Mai 1629 über die Form der Kammer=Erlasse 1 ).

III. Justiz.

1) Geheimer Rath.

Nachdem Wallenstein die Justiz von der Administration getrennt und er mit dem Privilegium de non appellando vom Kaiser die Weisung erhalten hatte, drei Gerichts=Instanzen einzurichten, verordnete er "nachgehends in weiterer Betrachtung der Sachen", daß der Geheime=Rath, "als das vornehmste Collegium", zugleich die höchste und dritte Gerichtsinstanz bilden solle, dem "billig letztlich die revisio actorum überlassen" bleibe. "Der Geheime=Rath, der Appellations=Präsident und der Rath Dr. Lindemann äußerten zwar ihre Bedenken wegen Einrichtung des neuen Revisionsraths, daß das kaiserliche Privilegium drei und zwar "ordentliche Instantien" requirire, die Revisio aber eigentlich für keine Instanz, sondern pro extraordinario remedio geachtet werden könne". Jedoch wird es ohne Zweifel bei Wallensteins Bestimmung geblieben sein, da in den Etats bis in das Jahr 1631 keine andere höchste Gerichts=Instanz als der Geheime=Rath vorkommt.

2) Appellationsgericht.

Das Appellationsgericht als zweite Instanz mußte aber neu gebildet werden, daher Wallenstein es am 20. März 1630 den "jetzt angehenden Appellationsrath" nennt. Die Besetzung und Einrichtung war erst nach Michaelis fertig. Das Gericht erhielt einen Präsidenten, Paschen v. d. Lühe, welcher sicher schon im Jahre 1623 Vice=Präsident des Hofgerichts gewesen war, und 4 Räthe, von den 2 vom meklenburgischen Adel und 2 gelehrte Juristen waren, ferner 1 Secretair und 2 Registratoren. Von den bürgerlichen Räthen war Dr. Thomas Lindemann der bedeutendste. Er war seit 1605 Professor der Rechte zu Rostock und ward ein sehr ge=


1) Vgl. Beilage Nr. 2.
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lehrter, berühmter, fleißiger, unerschrockener und redlicher Mann († 1632); Wallenstein erwählte ihn schon 20. Jan. 1629 zum Rath von Haus aus. Da das Appellationsgericht mit dem Sturze des Wallensteinschen Regiments aufhörte, so hat es keine lange Lebensdauer gehabt, ist vielleicht gar nicht recht zum Leben gekommen.

3) Hofgericht.

Das Hofgericht war ein altes Obergericht, welches in frühern Zeiten alle Quartale tagte. Schon am 12. Novbr. 1622 ward es in Sternberg als festes, permanentes Ober=Gericht bestellt und mit einem Landrichter, einem Vice=Landrichter, beide vom Adel, 3 gelehrten "Assessoren", 1 Fiscal, 2 Secretairen, 1 Protonotar und 1 Registrator und Protonotar besetzt. Beim Einrücken der Kaiserlichen flüchtete dieses Obergericht, Wallenstein rief es aber im August 1628 zurück und wies ihm Güstrow als festen Sitz an, wo es "zuerst in Otto v. Preen's und endlich in Daniel Troyen's Hause seine Sitzungen hielt". Zur neuen Bildung der Behörde rief er alle alten Beamten, welche noch dienstfähig waren, zurück. Bei der Bildung der drei Instanzen im Jahre 1630 bestimmte Wallenstein das Hofgericht zur ersten Instanz und besetzte es mit einem Präsidenten und 2 adeligen und 2 bürgerlichen Räthen, 1 Fiscal, 2 Protonotaren und 2 Secretairen. Dieses Obergericht ist nach Abschaffung des Wallensteinschen Appellationsgerichts bis auf die neuern Zeiten, die Einsetzung des jetzigen Ober=Appellationsgerichts, als oberste Gerichtsbehörde von Bestand gewesen.

IV. Räthe von Haus aus.

Außer allen diesen Beamten bestellte und bestätigte Wallenstein auch noch Räthe "von Haus aus" zur Ausführung besonderer Aufträge. So werden Heinrich Husan und Capitain Oberberg als solche Räthe aufgeführt. Am 1. Januar 1629 ward Albrecht Dietrich v. Plessen bestellt. Andere wurden zuerst zu Räthen von Haus aus berufen und später in die obern Collegien versetzt, z. B. Henning v. Halberstadt auf Campz und der Dr. Nicolaus Eggebrecht, welche am 26. Aug. 1628 berufen und später zu Regierungs=Canzlei=Räthen bestellt wurden, der Professor Dr. Thomas Lindemann, welcher später Appellationsrath ward, und Andere.

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V. Hofdiener.

Auch einige obere Hofdiener oder Hofchargen ("Hofofficierer"), so weit sie die Landesverwaltung berührten, nahm Wallenstein aus dem Meklenburgischen Adel, so z. B. Joachim v. Winterfeld, Oberjägermeister, Joachim v. Lützow, Jägermeister und Forstmeister, Gebhard v. Moltke, Forstmeister, später Geheimer Rath. Ueber die unmittelbaren höhern Hofdiener, wie Hofmeister, Stallmeister, sowie über die Hoflivreedienerschaft in Meklenburg fehlt es fast ganz an Nachrichten.


Von Werth für Wallensteins Geschichte in Meklenburg sind die im Staats=Archive zu Schwerin entdeckten Personenstände seiner Oberbehörden, deren Mittheilung, wie gesagt, ein Hauptgegenstand der gegenwärtigen Abhandlung ist. Es folgen hier in den Anlagen Nr. 1, 2, 3 drei Verzeichnisse, aus denen sich sowohl die allmählige Entwickelung, als der schließliche Stand klar erkennen läßt. Es würde von Wichtigkeit sein, möglichst vollständige Biographien der hier auftretenden Personen, welche sich auch auf ihr Leben vor und nach der Wallensteinschen Zeit erstrecken müßten, zu besitzen. Für den gegenwärtigen Zweck würde aber die Arbeit und der Umfang zu groß werden.

Die hier mitgetheilten Verzeichnisse sind:

Anlage Nr. 1 ein Etat vom 10. Decbr. 1628 und

Anlage Nr. 2 ein Etat vom 19. April 1629, so wie beide Wallenstein und seiner Obersten Regierung zum Gebrauche vorgelegt sind,

Anlage Nr. 3 ein vollständiges Personen=Verzeichniß von Trinitatis 1630 bis Februar 1631, Auszug aus der letzten Wallensteinschen Landes=Renterei=Rechnung, mit einem Zwischenabschnitt Michaelis 1630. Der letzte Abschnitt von Michaelis 1630 bis Februar 1631 zeigt also die vollständige Ausbildung der Verfassung.


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Anlage Nr. 1.      

Verzeichnuß
der Fr. Friedland. Diener Besoldung.
R. 10. X bris 1628.

Geheimbe Räthe.

Rthlr.
D. Petrus Waßmund 800.
Henning Halberstadt 800.
Moyses Hermans Secretar 240.
----------
Sa. 1840.

Cammer=Räthe
und dazu gehörige Diener.

Rthlr.
Hr. Gebhard Moltke, Cammer=Director 800.
Hr. Hanß Heinrich von der Lühe 700.
Hr. Justus Lüders 600.
1 Cammer=Secret. Joachimus Carstens 150.
1 Cam. Secr. Matthias Wolter 150.
1 Camm. Cancellist Peter 65.
1 Cammer=Cancell. Johan Heße 65.
1 Rentmeister 250.
1 Sub=Rentmeister 160.
2 Cammer=Botten, jedem 15 Rthlr. ist 30.
----------
Sa. 2970.

Das Hoffgerichte.

Gülden.
Hr. Paschen von der Lühe, Land=Richter 1500.
Hr. Bugißlaff Behr, Vice=Land=Richter 1200.
D. Christ. v. Hagen, Assess. 1000.
Demselben wegen einer Nebenbestallung 500.
Hermannus Meyer, Assessor 1000.
Noch werden von der Ritter= vnnd Landschafft zweene Assessores, als:
D. Henricus Schuckman,
     vnd
D. Justus Zinzerling
gehalten, denen aus dem Land=Casten iedem 1000 fl. gereichet werden.
D. Nicolaus Waßmund, Fiscal 400.
Friderich Munderich, Protonot. et Registr. 400.
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Gülden.
Ludov. Wolter, Protonot. et Secret., 400.
2 Secretar., Jedem 400, ist 800.
3 Canzlisten, Jedem 160 fl. thuet 480.
Dem Canzlei=Diener vnd Calefactori 60.
Eins für alles vnd haben an Accidentien dabei nichts
Sa. 7740.
----------
Rthlr. 3870.
Zu obgesetzten Hoffgerichts=Räthen, welche stets beim Gericht sein, erscheinen auff den Quartal=Gerichtstagen 4 Land=Räthe vnd 4 Assessores, darunter 1 wegen der Universität, 1 vom Rath zu Rostogk, 1 Bürgermeister auß Wißmar vnd 1 Bürgermeister aus Güstrow. Diese wohnen den Rechtstägen, abfaßung der Vrtheil vnd andern vorfallenden Consultationibus bei, vnd haben keine Besoldung.  

Canzley.

Rthlr.
D. Oberberg, Director 600.
H. Balzar Moltke 450.
D. Henricus Nieman 500.
D. Nicolaus Eggebrecht 400.
Petrus Graß, Lehn= Secret. vnd Archivarius Güstrowischen theils, 200.
Johannes Oberberg, Lehn=Secret. vnd Archivar. Schwerinschen theils, 150.
Martinus Bökel, Canzlei=Secretarii 150.
Nicolaus Rachel, Canzlei=Secretarii 125.
Achatius Salveldt, Canzlei=Secretarii 150.
Brandanus Eggebrecht, Canzlei=Secretarii 60.
Simon Lepold, Stifts=Secretarius 100.
Andreas Wedel, Visitations=Notarius 83.
Joachimus Sandow, Registrat. Gstr. theils, 100.
Ertman Ruch, Regist. Schwerin, theils, 100.
Melchior Rötling, Bottmeister 102.
Bartholomaeus Schwarzkopff, Protocollist 50.
Jacobus Matthias, Canzellisten 60.
Bartoldus Schnökel, Canzellisten 60.
Jochimus Nettelbeck, Canzellisten 60.
Heinrich Dahl, Canzellisten 60.
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Rthlr.
Johan Sehehase, Pedell 60.
1 Canzlei=Botte 10.
----------
Sa. Rthlr. 4030.

Jäger.

Rthlr.
Jochim Lützow, Jägermeister Güstr. theils, 350.
1 Reitend Jäger 70.
1 Tucherknecht 70.
1 Jäger=Junge 60.
2 Schüzen, jedem 70 Rth., thuen 140.
1 Vogelfenger 70.
Godhard Gohr, Jägerm. Schw. theils, 350.
1 Reitend Jäger 70.
1 Tucherknecht 70.
1 Jäger=Junge 60.
3 Schüzen, jedem 70 Rthlr. 210.
----------
Sa. Rthlr. 1520.
Summa aller dieser vorspecificirten besoldung thuet in allem 14230 Rthlr.
worunter einem Jedwedem eins für alles die Kleidung vnd Kostgelt mit eingerechnett.

Anlage Nr. 2.      

Verzeichnuß
der zun fürstlichen expeditionen verordneten Räthe
und Diener besoldung.

R. 19. April 1629.

Geheimber Rath.

1200 Rt. Gebhard von Moltken.
1200 Rt. Gregorius Beuernest.
1200 Rt. Volrath von der Lühe.
230 Rt. Geheimben Raths Secretario Achatio Salveldt.
160 Rt. beiden Cancellisten, jedem 80 Rt.
50 Rt. dem Thürhüter.
Summa 4040 Rthlr.
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Im Hoffgericht.

1000 Rt. dem Landrichter.
800 Rt. dem Vice=Landrichter.
1500 Rt. dreien Assessoribus, jedem 500 Rt.
200 dem Fiscali.
400 zweien protonotariis, jedem 200 Rt.
400 zweien secretariis, jedem 200 Rt.
240 dreien Ingroßisten, jedem 80 Rt.
40 dem Calefactori.
72 dem Gerichtsdiener.
Summa 4654 Rthlr.

In der Cammer.

1000 Rt. dem Cammer praesidenten.
800 dem Vice=Praesidenten Justo Lüders.
700 Bugißlaff von Platen.
230 Secretario Joachime Carstens.
170 Secret. Matthiae Woltern.
240 dreien Ingroßisten, jedem 80 Rt.
50 dem Thürhüter.
Summa 3190 Rthlr.

Cantzley.

1000 Rt. dem Canzler.
600 D. Oberbergk.
600 Balzar Moltken.
600 Henning Halberstadt.
500 Heinrich Nieman.
400 Nicolao Eggebrecht D.
      alle Räthe.
200 Petro Graß, Lehn=Secretario, hat vber daß sein deputat, Kostgelt, freie Wonung vnnd Holzgelt.
100 Joachime Sandowen, Archivario Schwerinischen Theilß.
175 Martino Bökel, Canzlei=Secretarius.
150 Nicolao Rachel, Canzlei=Secretarius.
150 Brandano Eggebrecht, Canzlei=Secretarius.
100 dem protonotario Bartholomaeo Schwarzkopff.
102 dem Bottemeister Melchiori Rötling.
240 den 4 Ingrossisten, jedem 60 Rt.
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50 Rt. dem Thürhüter.
10 dem Calefactori.
Summa Cantzlei=besoldung 4977 Rthlr.
Summarum Summa 16861.         

 


Anlage Nr. 3.      

Die Oberbeamten Wallensteins
in Meklenburg.

Auszug aus den Meklenburgischen Renterei=Rechnungen 1 ) von Trin. bis Mich. 1630 und von Mich. 1630 bis 6. Febr. 1631.

I. Cabinet

  1. ║ Statthalter: Albrecht v. Wingersky. ║
  2. ║ Canzler: Johann Eberhard v. Eltz. ║
  3. ║ Regent: Heinrich Custosz. ║
  4. ║ Cabinets=Secretair: Neumann. ║

II. Regierung.

1. Den H. Geheimbten Rähten
          sambt dero Bedienten:

║ Hr. Albrecht v. Wingersky, Statthalter. ║
Hr. Gebhart von Moltken.
Hr. Gregorio Bevernesten.
Hr. Volrath von der Lühe.
Achatio Sahlfelden, Secretario.
Petro Tücksen, Ingrossisten.
(Bernhart Knutsen, Ingrossisten.)
Dem Thürsteher Wolff Schmitt.

2. Den H. Cantzelei=Räthen
          sambt dero Bedienten:

Dem H. Cancellario (v. Eltz).
D. Johanni Oberbergen, Directori.
Hr. Henning Halberstadt, Raht.
Hr. Joachim Diederich Stralendorff, Raht.


1) ║ ║ nicht aus den Landescassen besoldet und daher nicht in den Renterei=Rechnungen verzeichnet.
( ) kommen nur bis Michaelis 1630 vor.
[ ] kommen erst seit Michaelis 1630 vor.
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D. Cracio, Rahtt.
[D. Heinrico Niemann.]
D. Nicolao Eggebrecht.
Petro Graszen, Archivario.
Martino Bökeln, Secretario.
Brandano Eggebrechten, Secretario.
Nicolao Racheln, Secretario.
Bartholomaee SchWartzkopfen, Protonotario.
Johann Melchior Rötlin, Botenmeister.
Jacobo Matthiae, Ingrosfisten.
(Joachime Nettelbecken, Ingrossisten.)
Hans Heinrich Krebs, Ingrossisten.
[Heinrico Dahlen, Ingrossisten.]
(Dem Cantzeley=Jungen.)
Dem Thürsteher Hans Hinzepeter.

3. Den H. Cammer=Rähten
          sambt dero Bedienten:

║ Hr. Hans Heinrich von der Lühe, Präsidenten. ║
Hr. Justo Lüdersen, Vice=Präsidenten.
[Hr. Bugiszlao Platen, Raht.]
Dem Rentmeister (hieß: Johannes Kühl oder Kuhle)
sambt seinen Schreibern.
(Matthias Woltern, Secretario.)
Simon Leopolt, Secretario.
Paule Bermohlen, Secretario.
Johanni Hessen, Ingrossisten.
[Paul Segern, Ingrossisten.]
Calixto Badingk, Ingrossisten.
(Jeremiae Wölfflin, Ingrossisten.)
Erasmo Friedrich Hakelbusch, Ingrossisten.
Dem Thürsteher Heinrich Ruden.
[Dem Einheizer.]

III. Justitz.

1. Den H. Geheimbten Rähten
          sambt dero Bedienten

siehe oben II, 1.

2. Den H. Appellation=Rähten
          sambt dero Bedienten:

Hr. Paschen von der Lühe, Präsidenten.
Hr. Baltzer von Moltken, Raht.
Hr. Georg Linstowen, Raht.
[D. Thomae Lindemanno.]

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[Mons. Hermanno Meyern.]
Johanni Oberbergen, Secretario.
[Arnoldo Meinhart, Ingrossisten.]
[Mathiae Ruuock, Ingrossisten.]

3. Den H. Hofgerichts=Rähten
          sambt dero Bedienten:

(Hr. Bugislao Behren, Präsidenten.)
(Hr. Georg Linstow,)
(später Appellations=Rath.)
Hr. Joachim Lützow, Raht.
[Hr. Augustin von der Lühen, Raht.]
D. Petro Waßmuth, Raht.
(Mons. Hermanno Meyern,)
(später Appellations=Rath.)
D. Nicolao Waßmuth, Fischali.
Friderico Mundrich, Protonotario.
Ludowico Woltern, Protonotario.
Johanni Nietzen, Secretario.
Winholdo Dünckgrauio, Secretario.
Dem Thürsteher Heinrich Klop.

IV. Den H. Räthen von Haus aus.

(Hinrico Husano.)
(Albrecht Diederich von Plessen.)
(Henning Halberstadt,)
(später Canzlei=Rath.)
(D. Nicolao Eggebrecht,)
(später Canzlei=Rath.)
(D. Thomas Lindemann,)
(später Appellations=Rath.)
Capitain Oberberg, Raht.

V. Den Hoffofficierern
und andern Bedienten.

Hr. Joachim von Winterfeld, [Ober=] Jegermeistern.
Hr. Joachim Lutzowen (Jegermeister), [Vorstmeistern].
Gothart Gohr, Vorstmeistern.
Gebhart von Moltken, gewesenen Vorstmeistern.
Matthias Lachern, General=Gertnern.
Engelhart Helmricht dem Gertner auff dem Werder (Schöninsel).
Adam Hollay, Phasanmeister.

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Hans Kühle, Phasanwerter.
Christian Schmidt, Phasanwerter.
Marten Hartich, Phasanwerter.
Dem Phasanmeister in Schwerin.

Akademie.

Dem Gubernatori Academiae Kostgeld 5. April bis
     16. Sept. = 1489 Rthlr. 18 ßl.

Dem Gubernatori Academiae
     Besoldung, monatlich 100 Rthlr.

Jochimo Schebelio, Preceptori Academiae,
     Besoldung, monatlich 14 Rthlr. 8 ßl.

Dem Sprachmeister in der Academy
     Besoldung, monatlich 13 Rthlr. 16 ßl.

Dem Tantzmeister.
Dem Fechtmeister
     Besoldung, monatlich 33 Rthlr. 16 ßl.

Dem Voltisier=Meister
     Besoldung, 3 Monat = 65 Rthlr.

Dem Roßbereiter in der Academi
     Besoldung, Quartal 37 Rthlr. 24 ßl.

Der Wescherin zu Bützow.

Dem Balbierer zu Bützow Michel Deleman, so die junge Hern balbiret vnnd sonsten curiret.

Dem Apoteker zu Bützow fur die junge Herren.

Dem Hern Patrono, so er auff etliche Handtwercker vorschossen.


Nachtrag.

Wallensteinscher Etat

für die Zeit

25. Mai/4. Junii 1630 bis Ende Decbr. 1630

von Heinrich Custosz.

Auff die Expeditiones.

Besoldung

den Geheimbden Räthen
   vnd dero Bedienten 2745 Rthlr.
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den Appellation=Räthen 1124 Rthlr.
den Hoffgerichts=Räthen 2519 "
den Cantzeley=Räthen 2411 "
den Cammer=Räthen 1522 "
den Räthen von Hauß auß 1150 "
den Hoff=Officiren "
   vnd dero Bedienten 2791 "
---------------------
(14362 Rthlr.)
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Beilagen.


Nr. 1.

Des Wallensteinschen Canzlers von Eltz Diensteid.

D. d. (1629, Anfang).

Ich N. N. gelob vnd schwöre zu Gott dein Allmechtigen vnd in meine sehele einen leiblichen Eidt, Nachdem der durchleuchtiger, hochgeborner Fürst vnd her her Albrecht Hertzogk zu Fridelande vnd Sagan, Rom. Kay. Maytt. General Oberster Felttheuptman, wie auch des Oceanischen vnd Baltischen Meers General, mein gnediger Fürst vnd her, mich zu dero Cantzler bestellet vnd angenommen, das hochermelter I. f. g. ich in allem wolle getrew, gehorsam vnd aufwertig seien, I. f. g. nutz vnd frommen bestem meinem verständtnus vnd vermugen nach befodern, bedencken, wißen vnd schaffen, Dargegen schaden, vnheil vnd nachteil vermeiden, zuforderst mich bei I. f. g. hofstaht wesentlich aufhalten vnd finden laßen, auf die Landesfürstliche regalia vnd iura geburliche acht haben, in fürfallenden Reichs=, Craiß=, Grentz= vnd Landtsachen, das darin nichts werde verabseumet, fleißigst aufmercken vnd dahin sehen, das zu rechter Zeit in den Speirschen Cammersachen die notturfft gehandeltt werde, zu furfallenden Reichs=, probation- vnd Craißtagen, auch in legationen vnd verschickungen mich willig laßen gebrauchen vnd sonderlich dahin sehen, das ohne vnderscheidt der Persohnen die heilsame iustitz werde befodertt, die expeditiones vnd relationes richtig zugehen, die Registraturen wol in acht genommen, alle vnnotige geltspildende Proceß, so viele sichs thuen laßen wil, eingestellet vnd nach der fürstlichen Cantzlei=Ordnung procedirt vnd verfharen werde, vnd bei dem allem so wol auf hochermelten I. f. g. hochfürstlichs increment, als wie auch der gantze status regiminis vnd das bonum publicum wiederumb muge

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gefaßet vnd zum besten angerichtet werden, allen fleiß furwenden vnd in allem mich nach fernerm einhalt meiner bestallunge bezeigen, Wie dieß einem getrewen Cantzler vnd fürstlichen Rhat anstehet, eigenet vnd gebueret, Waß mir auch hirbei in I. f. g. sachen anvertrawett vnd ich in geheim werde erfharen, zu I. f. g. nachteil niemandt offenbaren, sondern verschwiegen bis in meine sterbgrube bei mir behaltten, So wahr mir Gott helffe vnd sein heiliges Euangelium.

Nach dem Concept im großherzogl. meklenburgischen Staats=Archive zu Schwerin. Auf der Rückseite steht die gleichzeitige Registratur:

Cantzlers Eltzen itt.

Die Bestallung fällt wahrscheinlich in den Anfang des Jahres 1629, zu Güstrow, nach Wallensteins Meklenburgischen Titel jedenfalls vor Julii 1629.


Nr. 2.

Wallensteins Befehl über die Form der Kammer=Erlasse.

D. d. Güstrow. 1629. Mai 23.

Von wegen und im Nahmen I. F. G. wirdet dero Cammer=Präsidenten vnd Rähten hiemit anbefohlen, hinfüro vnter I. F. G. Siegel gantz nichts abgehen zu laßen, es sey dan, das es allemahl von dem anwesenden Haupt vnd einem der Secretarien vnterschrieben werde. Wornach sie sich zu richten.

Datum Gustrow, den 13/23 May ao. 1629.

Ad mandatum suae Cels nis proprium.

Albrecht Wingierßky.

Achatius Salveldt,     
Secret. mppria.       

(Regierungs = Siegel.)

I. F. G. Cammer=Praesidenten
     vnd Rähten zuzustellen.


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Nr. 3.

Das Kaiserliche privilegium de non appellando für das Herzogthum Mecklenburg.

D. d. Wien, 14. AugUsti, Anno 1629.

Publicirt im Furstl. Hoffgerichte zu Güstrow den 9. Aprilis Anno 1630.

Wir Ferdinand der ander etc. . Bekennen etc. ., - -

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obwol nun zwar vnsere hochgeehrte vorfahren Römische Kayser die vorige hertzogen zu Meckelnburg neben andern Kayserl. Freyheiten auch mit dem privilegio de non Appellando auf eine gewiße Summa begabet, wie auch dieselben erst im verwichenen 1623 Jahre den 23. Octob. dergestalt gnedigst erstrecket vnd extendiret, das hinfuro in Ewige zeit niemand, in waß würden, Stand oder wesens der sey, von keinen Bey= oder End=Vrteil, erkandnußen oder decreten, so in Ihrer der hertzogen zu Meckelnburg vnd deßen einverleibten Landen außgesprochen vnd eröffnet würden, in Sachen, da die Klage vnd heubtsumma nicht vber 1000 Fl. Rheinisch in Müntze heubtsumma, sondern dieselbe Summa oder darunter wehrt were, deßgleichen auch in allen vnd ieden Schultsachen, alda das debitum bekandlich oder sonst scheinbahr liquidum vnd richtig, obgleichwoll solche schult ein mehres, als die angeregte privilegyrte Summa der 1000 Fl. Rheinisch in Muntze, vnd dan in den iniury handelungen, in welchen der Verleumbdungen, frevel, Schmahe, scheltwortt halben civiliter - - - ad aestimationem geklagt würde vnd die billige aestimation die obbestimbte 1000 Fl. Rheinische Müntze nicht vbertreffe, weder an Vnser oder Vnsere Nachkommen am Reiche Kayserl. oder Königliche Cammergerichte im heil. Rom. Reiche appelliren oder deduciren solle,

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So hat der hochgeborne Albrecht etc. . als ietziger belehnter hertzog zu Meckelnburg, Friedland vnd Sagan, Fürst zu Wenden, Graff zu Schwerin, Herr der Lande Rostock vnd Stargarden, vnser lieber Oheimb, Furst, Obrister General-

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Felthaubtman vnd des Oceanischen vnd Baltischen Meers General, gehorsamblich zu erkennen geben, waßmaßem in fleißiger nachschlagung deren von vorigen hertzogen zu Meckelnburg noch hinterlaßenen Registraturen in Justitz-Sachen sich befunden, daß deßen Einwohnere vnd vnterthanen insgemein vnterschiedliche Rechtfertigungen vnd processen ohne einige Rechtmeßige Vrsachen vnd mehrenteils aus Verbitterung vnd gefasten wiederwillen, als einiger rechtmeßigen befugnus jegen vnd wieder einander geführet vnd noch führen, vnd - - - - - an Vnser Kayserl. Cammergerichte zu Speyr nicht auß Vrsachen einiger beschwerten zu abwendung deßen daß beneficium appellationis in den rechten einig angesehen, sondern die sache nur daselbst vnsterblich zu machen, (!)

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Derentwegen Vns dan vnd neben vorbringung anderer erheblicher motiven vnd Vrsachen ermelter Hertzog Albrecht zu Meckelnburg, Friedlandt vnd Sagan gantz vnterthenig angeruffen vnd gebeten, Wir deroselben angeregtes vber das Herzogthumb Meckelnburg habendes Privilegium noch ferner zu extendiren vnd von dergleichen Appellationen gentzlich zu eximiren gnedigst geruheten, - - -sonderlich damit menniglich zu schleunigen Rechten geholffen vnd mit auffzueglichen Appellationen nicht zu verderben gesetzt werde, So haben Wir - - - obberührten Vnsern lieben Oheimb, Fürsten vnd General-Veldthaubtman Hertzog Albrechts zu Meckelnburg, Friedland vnd Sagan etc. . Ld. vnd deroselben Ehelichen Mänlichen Leibes= vnd Lehns=Erben, oder denjenigen, so S. Ld. in diesem herzogthumb Meckelnburg nach einhalts des darüber erteilten Lehenbriefes succediren werden, wie auch deren Erben für vnd für zu Ewigen tagen obangeregte Gerechtigkeit des nicht=Appellirens vnter oder bey außgesetzten Summen von vrteilen, decreten, erkandnußen vnd abscheiden nicht allein als itzt regierender Römischer Kayser gnediglich confirmiret vnd bestellet, sondern auch also hernach geschrieben stehet, dahin erkleret, extendiret vnd erweitert, also vnd dergestalt daß hinfüro von keinem Bey= oder End=Vrteil, erkandnuß, Decret, Abscheiden, so in vorberurten S. Ld. herzogthumb Meckelnburg vnd dero Erben vnd Nachkommen, wie obgemelt, Regierenden Hertzogen zu Meckelnburg Land= vnd Hoffgerichte oder dem letzten vnd Instantz deßelben herzogthumbs außgesprochen vnd eröffnet werden, in Sachen außer, wie hernach stehet, durch niemandts waß wurden, Standes oder wesens die sein, weder an Vnß, Vnsere Nachkommen am Reich oder

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daß Kayserl. Cammergerichte oder Jemandt anders appelliret, suppliciret, noch reduciret werden solle noch müge in keine weise, - - - - - - Doch sollen hingegen mehrgemeltes hertzog Albrecht zu Meckelnburg, Friedlandt vnd Sagan Ld. schuldig vnd daran sein, daß deroselben Tribunalia in ermeltem herzogthumb Meckelnburg vff [drei] ordentliche instantias gericht vnd bestelt vnd solche mit Assessoren, so zum teil vom Adel, darzu die Land=Saßen, wan Sie hierzu qualificiret, vor andern zu gebrauchen, vnd zum teil gelehret sein sollen, besetzt, dieselben auch Ihrem stande nach, welches S. Ld. ohne das zu thun geneigt sein vnd sich anerbotten, gebührlich besoldet werden, Vnd dan daß auch die causae denegatae et protractae iustitiae, nullitatis, fractae pacis et contributionis imperii bei diesem vnserm Kayserl. privilegio de non appellando außgeschloßen sein, benebens aber auch S. Ld. zu vnterhaltung Vnsers Kayserl. Cammergerichts, wie von vorigen hertzogen zu Meckelnburg geschehen, contribuiren - - solle.

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Mit Vhrkundt dieses brieffes besiegelt mit Vnserm Kayserl. anhangenden Insiegel. Geben in Vnser Statt Wien 14. Augusti Anno 1629.

Ferdinandt etc. .

Peter Heinrich von Stralendorff.
Ad mandatum Sacae. Caesae.
Maiestatis proprium.

Arnolde von Clarstein.          

Nach zwei gleichzeitigen Abschriften von einer beglaubigten Abschrift, welche zu Gitzschin den 17. März 1630 von Georg Graff von Ehrenfeldt, Notar, publ. Caes., Fürstlich Friedländischem Secretarius, ausgefertigt ist. - Das Original lag 1630 mit den übrigen Privilegien für Wallenstein auf dem Schlosse Skal in Böhmen; vgl. das Verzeichniß in Friedr. Forster: Wallenstein als Feldherr und Landesfürst, S. 338:

"43, Kays. Priv. de non appellando ad Cameram Spirensem über das Herzogthum Mecklenburg.
44, Priv. de non nisi ad Ill m Ducem appellando über das Herzogthum Sagan."


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Nr. 4.

Wallensteins Verordnung über die Einführung von drei Obergerichts=Instanzen.

D. d. Gitschin. 1630. März 20.

Albrecht von Gottes gnaden Hertzog zue Mechelburgk, Friedland vndt Sagan, Fürst zu Wenden, Graff zu Schwerin, der Lande Rostockh vndt Stargard Herr, Röm. Kay. M[ay.] General Obrister Velthaubtman, wie auch deß Ocean= vnd Balthischen Meers General.

Gestrenger, Lieber getrewer. Demnach von Ihr. [Kay]serl. May. Wir das privilegium de non Appellando, deßen vidimirte Copey Ihr hiebey zu empfangen, vnlengst in vnserm Herzogthumb Me[ckeln]burgk erlanget, vndt vermöge deßen nohtwendig gleich anderen Chur= vndt Fürsten, die solches privilegii fich gebrauchen, drey Instantias zu ventilirung Gerichtlicher sachen anordnen vndt halten müßen, Dero Behuef Wir dan schon zu Halberstadt auch ein Neues Collegium von Fünf Persohnen, alß einem Praesidenten nebenst noch zweyen anderen Adelichen, wie auch zweien Gelerten Rethen, zur revsion anzuordnen anbefohlen,

Wan aber Wir nachgehents in weiterer der sachen Betrachtung befunden, daß die Revisio Actorum pillig in den Geheimen Raht, alß dem vornembsten Collegio, geschehen vndt das iezt angehendes der Appellation Rahtt genennet werden muße, vndt also hinfuhre alle sachen Erster Instantz im Hoffgerichte, Anderer im iezt angehenden Appellation Rahtt vndt dan lezlich in puncto Revisionis im Geheimen Rahtt getrieben werden sollen. - Die Canzeley betreffent soll dieselb eigentlich nicht auff Justitiensachen bestellet sein, auch darin nicht cognosciren, es wehre dan das die Partheyen zu güetlicher hinlegung ihrer streitigkeiten dahin für sich compromittirten, besondern vornemblich auf andere die Landesfürstliche Hochheit, Lehen, Grenz, Confirmation, Consens vndt begnadigung betreffende sachen achtung haben.

Alß befehlen Wir Euch hiermit gnedig, das Ihr, wie obstehet, die drey Instantias anordnet vndt was an bestellung des newen Appellation Rahts vndt dazu benötigten qualificirten Persohnen annoch ermangelt, förderlichst zu wercke richtet, damit die Justitia dadurch an kheinem

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den Partheyen protrahiret werde. Welches Wir dan also zu geschehen Vns zu Euch genzlich versehen. Geben in Vnser Stadt Gütschin, den 20. Martij Anno 1630.

A. H. z. F. etc. .

Dem Gestrengen Vnserm Lieben ge=
trewen Albrechten Wingerßky, Röm. Kay.
May. besteltem Obristen vnd Vnserm
Stathaltern im Lande zu Mechelburgk.
                         Güstrow.

(L. S.)

Nach dem Original im Staats=Archive zu Schwerin, besiegelt mit dem großen Siegel Wallensteins.


Nr. 5.

Schreiben des Wallensteinschen Statthalters Grafen Berthold von Wallenstein an den Meklenburg=Friedläudischen Kammer=Regenten Heinrich Custosz.

D. d. Grentz. 1631. Octbr. 17.

Edler, Gestrenger, sonders geliepter Herr Custosz. Thue dem Herrn zu wißen, das wir gestern miet guetem accordo von Rostogg außgezogen vnd bei dem abzug bei Ihrer Fürstl. Gn. beeden herrn hertzogen von Mekhelnburg so weit erbeten, das sie mier die genad gethan vnd miet handgebung zugesagt, in kurtzen den herrn vffen freyen fues stellen vnnd sampt einen Paß miet zugebung vorspann vnnd Confoi den Herrn siecher mier nachzuschicken. Ich hette es gerne gesehen, das der herr stracks ietzund miett mier hette können abziehen, aber es hatt nichtt sein konnen, weilen Ihr F. G. den herrn miett etlichen confrondiren vnnd etzliche sachen erfragen. Der herr solle auch wegen der ranzion gelter weiter niecht aufgehalten werden, dan ich Ihr F. G. zugesagt, so bald der herr würde bei mier sein, so wolte ich deroselben miett dem Riettmeister Ihlefeld (welcher vns confoirt), so er wieder zuruckh margiren wird, den brief wegen der gelter Ihr F. G. zuschicken. Es haben mier auch Ihr F. G. erlaubt, das ich den herrn destwegen solle auisiren. Also hofe ich, ehe das wier recht werden

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vber der Elb, wird der Herr auch bei vns sein, vnd hiemiett verbleibe

des Herrn

dienstwielliger               
Pertold von Waldstein Ob. mpp.

Dathum Grentz den 7/17 8ber 1631.

Dem WohlEdlen, Gestrengen herrn
Heinrich Custosch von Zubrzi, Fürstl. Me.
Fridl. Cammer Regenten, meinen geliepten
herrn.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im Staats=Archive zu Schwerin.


Nr. 6.

Der Herzoge von Meklenburg Verordnung über die Verschickung der Gerichtsacten in Appellationssachen.

D. d. Sternberg. 1634. Dec. 18.

Adolph Friedrich und Hans Albrecht etc. .

V. g. g. z. Veste, Ehrenfeste vnd Hochgelahrte, liebe getrewe. Waß ihr wegen derjenigen Sachen, so per appellationem an daß gewesene Friedlandische Appellation-Gericht gerathen, an Vns vnterthenig gelangen lassen, Solches haben wir enpfangen vnd verlesen, vnd ist darauf Vnser gnediger Befehl, daß ihr alle die Sachen, so in erwentem Judicio appellationis rechthengig, praevia rotulatione an vnverdächtige Juristen=Facultäten vmb einholung rechtmeßiger Vrtheil, dabey es auch sein endliches Verbleiben ohn jenige fernere appellation oder reduction haben soll, auf der Parte Vnkosten verschicken vnd publiciren sollet. Daran etc. . Vnd wir sein etc. . Datum Sternberg den 18 Decembr. 1634.

        An
die Hofgerichts
       Räthe.

Nach dem Concept im Staats=Archive zu Schwerin.


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II.

Wallensteins letzte Kammer und Hof=Verordnung bei seinem Abzuge aus Meklenburg für den Kammer=Regenten Heinrich Kustosz.

Schwerin. 1629. Julii 20.

Volgende Puncta

seind (mir Heinrichen Kustosz) von I. F. G. Hertzogen zu Meckelnburg, Friedland vnd Sagan, Meinem gnedigsten Fürsten vnd Heren, dero Meckelnburgischen Cammerräthen vorzubringen, Mit ernstem befehl, daß dieselbe högsten fleißes vnfeilbarlich von Ihnen observiret vnd gehalten werden sollen, Mir zu Schwerin den 30/20 July Anno 1629 gnedigst committiret.

Erstlich sol der Cammer alle Einnahme dieses Fürstenthumbs I. F. G. gehörige gelder, Sie rühren woher sie wollen, vermuege I. F. G. mir zugestelleten vnd nunmehr in die Cammer insinuirten Decreti durch den Rentmeister entfangen vnd damit folgender ordinantz nach disponiren.

Dem Walter de Hertoge zu Hamburg wegen des Hanß de Witte von Praag gegen gebuerliche Quittung bezahlen vnd die benante terminos justo vnfeilbarlich halten,

Reichsthaler.
Nemblichen vff negstkunfftigen 1/10 Augusti Ao. 1629 zehen laufend Reichsthaler 10,000,
Ferner zwischen hier vnd negstkommenden S. Martini zum weinigsten funfftzig tausend Reichsthlr. id est 50,000,
Endlich von Martini biß vff new Jahr Anno 1630 Siebentzig tausend Reichsthaler 70,000.
Vnd wann ein= oder ander terminus bezahlt, Sol die Cammer alßbalt mir eine Abschrifft der Quitung mit Anwesenden Cammer=Räthen Vnterschrifft nach Gitzschin übersenden.
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Reichsthaler.
Item zum außgang des Monats Augusti sollen zu Lübeck die vff J. Kayss. Maytt. Herrn Commissarien bey wehrender Friedenshandlung ergangene Vncosten gegen eine sichere Quittung bezahlen vnd richtig machen, alß zwölff tausend Rthlr. 12,000.

Summarum betregt die angeordente Zahlung Einhundert vnd zwey vnd viertzig tausend Reichsthaler.

Welcher gestalt die Cammer zu der Benambten Summa gelangen soll, wird sie hiemit vorwiesenn:

Reichsthaler.
Auss der Monatlichen Contribution ist zu erheben ein rest furm Monat Julie laut specification des Einnehmers 7,390.
Item für die übrigen fünff Monat, biß zum außgang deß Jahrß, gefellet Monatlich zu Sechßzehen tausend Reichsthaler 80,000.
Item die Accise wird zwo Quartal, alß Michaelis vnd Weihnachten, geben 30,000.
Item das Holzgeld für zwey termin, alß Augusti und Martini, gibtt 20,000.
Item die Licenten biß vff Weinachten tragen 6,000.
Item die stehende Geldhebungen vnd Pechte von den Embtern 10,000.
Item von den Fürstlichen vnd Geistlichen Embtern fur zwey Monat Contribution Ist einzuheben 4,000.
Summarum beläufft so der Cammer Verwiesen
157,390 Reichsthaler.
Wann nun die vorn angeordente Zahlung alß 142,000 Reichsthaler entrichtet, bleibt noch Vberschuß
15,390 Reichsthaler.

Von welchem Vberschuß werden vornemblich die Baw= vnd Schanzkosten, Auch Academia vnd andere nothwendige Außgaben vnterhalten, Sonderlich aber, daß Capitain Florian bey dem Schloßgebäw, Auch der Capitain Alexander Borrey an der fortification der Wallfischschantz, im weinigsten nicht gesäumt oder vorhindert werde, Soll die Cammer Ihnen beyderseits auf alle einfallende begebenheit würcklich assistiren.

Was sonsten andere Ambts=Einnahmen, Pensionarien-Restanten, Zoll, Mastunggelder, Auch Straffgefelle, zwischen hier vnd Weinachten einkommen möchten, dauon sollen die Expedition es, vnd wo etwas mangeln möchte, von der Contribution im Januario Anno 1630 bezahlt werden.

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Nachdem Auch I. F. G. dero Fürstliche Gemahlin vnd Frawen, frawen Isabellen, Hertzogin zu Meckelnburg, Friedland vnd Sagan etc. ., das Ambt Schwan von Trinitatis an berechnen zu laßen, die Beambte vnd Ambtsdiener in dero pflicht zu nehmen, Auch die Einnahmen vnd Hebungen gegen Quitung zu rechter Zeit abzufolgen, in gnaden befohlen, Alß ist der Cammer, so balt daßelbe zu wercke zu richten angedeutet, Deme auch also gebuerlich wird gelebt werden.

Allen Häuptleuten wirdt in genere auferlegt, Vff die Küchmeistere ein wachendes auge zu haben, daß sie den Ambtsordnungen in allen Puncten stricte leben, Vnd welche sie nicht sufficient befinden, so balt zu cassiren vnd andere wider anzunehmen, Auch, damit die Häuptleute neben den Kuchelmeistern nicht selbst in Verantworttung gerathen, Vnd außer schaden bleiben können, dieselbe, wannß von nöthen, caviren zu laßen, Wie dann sie selbst für deren Administration gehalten Vnd Ihnen deßwegen inßkunftig alle entschuldigung benommen sein, wie Sie auch nicht sollen ohn befehll oder erläubnuß der Furstlichen Cammer nirgendes von den Emblem reisen, vnd die Küchmeister allein regieren laßen, Wofern aber der eine oder der ander Häuptmann nicht würde der Cammer befehlen Obediiren, soll er alßbalt abgeschafft, oder nach gelegenheit des Vorbrechens, an seiner besoldung gestrafft werden.

Die Ambts=Rechnungen sollen alle Jahr von nun an nach Trinitatis in Vier wochen frist, ohne einige weitere dilation, von den Kuchmeistern abgelegt vnd justificiret werden, Vnd welcher in termino dem Rentmeister nicht richtige Rechnung wird einbringen, solchen sol der Rentmeister der Cammer anzeigen, vnd darauf alßbalt würcklich gestrafft werden.

Kein Korn von I. F. G. Embtern ohn fernere ordinantz soll die Cammer nicht verkäuffen laßen, sondern was daß Korn gelten wird, mir alle Monat avisiren.

In den Städten sol die Cammer Verordnung thuen, die Verwueste Häuser in acht zu nehmen, dieselben nicht einreisen, weiniger eingehen, sondern ehist mit Leuten besezen vnd bewohnen laßen.

Dessgleichen auch auf den Fürstlichen Embtern in Dörffern soll obacht gehalten werden.

Das Bier sol vor die Academia zu Bützow von künftigen 1 Septembris biß vff weitere Ordinantz gebrawet werden, Vnd wird dem Academie-Meister Jährlich vff sein Deputat Einhundert vnd funfftzig thonnen Bier gefolget

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werden, Waß er aber darüber begehren wird, soll Ihme an seiner bestallung gekurzt werden.

Zu Wredenhagen sol mann daß Brawen von künftigen Monat Sptembr. auch gewiße vortsezen, Vnd daß Bier so teur, wie es in alda vmbliegenden Städten gegeben wird, verkäuffen, Auch alle zugehörige Krüge mit solchem Bier vorsehen.

Die Güstrowschen Beambten sollen bey guter Zeit einen guten Vorath an Brenholz an die Furstliche Hoffstadt schaffen.

Belangend die Licenten, sol die Cammer in allen Städten ehest die Visitation anstellen vnd erfahren, Ob der Licenten-Ordnung in allem gebuerlich gelebet wird, Auch wo es von nöthen, solche Visitation durch die Cammer=Räthe selbst geschehe, damit Ihnen deßfals keine Schuld beygemeßen werde.

Mann sol auch Vnsäumblich an den Strom die Stekenitz Licenten nach der Cammer gudachten an bequembsten orth bestellen, Vnd den Strom also vorsichern, das die vff= vnd abschiffende ohne entrichtung der Licenten nicht verführen können.

Wass dann vff beschehene anstellung die Licenten Monatlich tragen müchten, mich ehist avisiren.

Soll auch die Cammer bey dem Jägermeister vnd den Forstmeistern die beschaffung thuen, das die Wildtbahnen verschonet vnd weder groß noch klein, Hoch= oder Nieder=Wildt gehezet oder gefangen, geschoßen, Wie auch die Raphüener vnd ander Feder=Wildt geschonet vnd geheget werden.

Wass aber die Grentz=, Vor= vnd Gemeine Jagten belanget, also bestellen laßen, daß I. f. g. Jura vnd gerechtigkeiten conseruiret bleiben, selbige Jagten kan mann zur notturfft des Herrn Stadthalters, Academiae vnd andere verantworttliche occasion verbrauchen.

Der Fasahnen halber sol nach högstem Fleiß anstellung geschehn, daß der Jägermeister selbst vnd die Jennigen, die darauf bestellet sein, aufsicht haben, das dieselben gebuerlich gewarttet, vnd fur Raub=Vögeln vnd ändern schädtlichen Thieren vorsichert pleiben, Vnd sonsten in allem Ihnen die Fasahnen befohlen sein laßen, alß lieb Ihnen ist, Furstliche Vngnad zu uormeiden.

Wann dann vff den Winter ein gewiß anzahl Fasahnen, so aus Böhmen kommen, in die Fasan=Cammer versperret werden, da soll der Jägermeister högstes

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fleißes Vorsehung thuen, das die Cammer also verwahre werde, daß kein Marder, Ilich, Wilde= oder Zahme Katzen, Wiesel oder andere schädliche Thiere Ihnen nicht beykommen können.

Soll auch ein von den Fasahnwarttern allezeit dabey sein, des tages offt zu Ihnen sehen vnd des Nachts neben der Cammer schlaffen, wann etwann wider verhoffen solche schädtliche Thiere vnter sie kehmen vnd Ihnen schaden wolten, solchs alßbalt verhüten könte.

An allen I. f. g. zugehörigen großen vnd kleinen Seen nicht laßen fischen, Auch die teiche mit Karpfen vnd Karrutzen sahmen besezen, Damit wann I. f. g. widerumb inß Land kommen, ein guter Vorath gesamblet wird.

Wegen der Archiven wird sich die Cammer nach vorigen I. f. g. befehl wißen zu verhalten.

Der Caspar Roßbereiter wird mit etlichen I. F. G. zugehörigen Jungen Roßen von Gizschin nach Güstrow kommen, sollen alle die iennige Roße Monsieur de lasur Academiae Magister Veberantworttet werden.

Eß wird auch der Herr Cammer=Praesient dem Caspar Roßbereiter eine schrifftliche ordinantz neben dem Paß von I. f. g. insinuiren, Imgleichen wird mann von der Cammer bemelten Roßbereiter Zweyhundert Reichsthaler Zehrgeld, vor Ihm, seine Leute vnd die sechzehn Stuten sowol auch einem TürckiSchen Roß, welche er von Schwerin nach GizSchin widerumb führen muS, außzehlen laßen.

Wann Jochim Winterfeld der Jägermeister vor I. f. g. ezliche Stutten vnd Roß von dem Graffen von Oldenburg bringen wird, was dieselbe kosten werden, Soll die Cammer bezahlen, Vnd die Stutten vnd Roß bey gewißen PerSohen nach GitzSchin Schicken.

Weil auch I. f. g. nach numehr erlangeter investitur wegen dero Herzogthumb Meckelnburg auch die Müntzstöcke geendert Vnd daß geprege nach dero vormehrten Furstlichen wapen vff der Münze wißen wollen, Alß ist auch gleichsfals der Cammer anbefohlen, Solchs gehorsamblich zu uorrichten, Wie sie dann in deme, Auch in andern wol zu thuen wißen. Datum Güstrow am 3. Augusti/24. Julii Ao. 1629.

( Heinrich CustoSz von vnd aufm Liepka mpp.     

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NB. Wegen der Stetienischen Obligation auf die 18000 R. sambt interesse.

Item wegen der Soldaten=Quittung soll mier die Cammer bei erster Post, wan der Herr Stadtthalter wierdt wiederumb allhier sein, umbstendliche Bericht nach Gitzin zuschicken.

Aufschrift.

Des Herrn Regenten Instruction wegen abführung ezlicher Geld=Posten vnd anderer Puncta, wornach die F. Meckelnburgische Cammer sich zu richten.

Registratur=Bemerkung.

Gehoret in die Wallensteinsche Registratur in die schwarze, breide Kaste vfm Rathause. )

Die vorstehende Verordnung bis zum Datum am Ende: "Datum Güstrow am 3.Augusti/24. Julii 1629", ist hier nach dem Original in einem Copial= und Memorial=Buche des Wallensteinschen Cammer=Regenten Heinrich Kustosz im Staats=Archive zu Schwerin mitgetheilt. Die Verordnung ist von einer saubern Canzleihand geschrieben; nur im Eingange sind die Worte: "mir Heinrichen Custoss" von dessen eigener Hand hinzugefügt und übergeschrieben. Diese merkwürdige Verordnung ist nach der Überschrift dem Regenten von Wallenstein am Tage vor seinem Abzuge aus Schwerin und Meklenburg am 20. Julii 1629 zu Schwerin ohne Zweifel mündlich gegeben (vgl. Jahrb. XXXV, S. 56 flgd.) und nach dem Datum am Schlusse von Kustosz nach dessen Rückkehr in Güstrow am 3. August, als Wallenstein nicht mehr in Meklenburg war, niedergeschrieben.

Das Archiv bewahrt auch noch das der Cammer übermittelte originalisirte, gleichlautende Exemplar, welches die hier am Schlusse in ( ) mitgetheilten, von des Regenten Kustosz eigener Hand geschriebenen Zeilen mehr hat und dessen Unterschrift trägt, wogegen die Worte "mir Heinrichen Custoss" im Eingang fehlen.

G. C. F. Lisch.     

 

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III.

Die

Händel Herrn Peter Langejohanns,

Bürgermeisters zu Wismar.

Von

Dr. Crull zu Wismar.


E s war bekanntlich keine schöne Zeit für Meklenburg das fünfzehnte Jahrhundert. Landesherr im heutigen Schwerinschen war seit 1442 Herzog Heinrich, der Dicke zubenannt, allein. Seine Lust an Streit und Krieg ist landkundig, aber er wird auch beschuldigt, in verdächtiger Weise seiner guten Mannen geschont zu haben, wenn sie Frachtwagen geplündert, Vieh weggetrieben und sonstige Annexionen fremden Eigenthums auf kecker Streiferei ausgeführt hatten. Dergleichen Ueberfälle führten zu Wiedervergeltung oder zu in der Regel weitläufigen, meist unfruchtbaren Ausgleichs=Verhandlungen: kurz Unsicherheit und Unordnung regierten aller Orten und kosteten Bürger und Bauer nicht allein Habe und Gut, sondern oft genug auch Haut und Haar obenein, während doch die Anstifter solchen Unfugs ihren Gewinn eben so schnell wieder verloren, wie sie ihn eingezogen hatten.

In welcher Weise es jener Tage im Lande herging, kann man aus folgendem Vorfalle entnehmen, der sich im Jahre 1455 zutrug. Die Kirche U. L. Frauen zu Wismar hatte von den v. Plessen zu Barnekow Renten in Gressow und Weitendorf gekauft. Da die Bauern fünf Wochen nach Martini, wo jene fällig waren, nicht gezahlt hatten, so wurden am 19. December drei reitende Diener ausgeschickt, um zu pfänden, wie es derzeit in den Kaufbriefen für solchen

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Fall ausbedungen zu werden pflegte. Die Junker von Barnekow aber, als sie von der Pfändung Kunde erhielten, ritten zwölf Mann hoch den Dienern nach, ereilten sie bei Vorder=Wendorf und jagten ihnen das Vieh, welches sie mitgenommen, wieder ab, wobei es nicht ohne scharfe Hiebe herging. Als die Diener nun zerschlagen und blutig von ihrer Expedition in die Stadt zurückkamen und klagten, wie ihnen begegnet sei, beschlossen die Wismarschen auf der Stelle, sofortige Genugthuung für die Gewaltthat sich zu verschaffen; angeblich 600 zu Fuß und 100 zu Pferde stark rückten sie mit Geschütz und mit Böten zum Uebersetzen über den Graben versehen noch in derselben Nacht vor Barnekow und erstürmten beim Anbruche des Morgens das feste Haus, welches nur durch Vermittelung Hinrichs v. Bülow von Plüschow vor gänzlicher Demolirung bewahrt blieb. Der Abzug wurde dadurch erlangt, daß die v. Plessen sich verpflichteten zu leisten, was der Landesherr für recht oder billig erklären würde 1 ). Sie konnten nichts Besseres thun, denn selbiger hat offenbar das Vorgehen der Stadt äußerst übel aufgenommen und so übel, daß solches nicht allein zu Verhandlungen in dem großen Style jener Tage führte, an denen sich einerseits Herzog Adolf zu Schleswig und Herzog Bernd zu Lauenburg und andererseits Lübek und Hamburg, ohne Erfolg freilich, betheiligten, sondern daß auch diese Angelegenheit in einer langen Reihe von Beschwerden, welche der Herzog anscheinend im Jahre 1462 gegen seine Stadt vorbrachte, allen übrigen vorangeht. Denn damals erst fand die Sache einen Abschluß, nachdem im Sommer desselben Jahres der Fürst von dem ältesten Bürgermeister zu Wismar, Herrn Peter Langejohann, persönlicher Beschwerde wegen, deren Erledigung kaum minder lange Zeit dauerte, zufrieden gestellt worden war.

Peter Langejohann, auch hin und wieder blos Lange genannt, gehörte keinem namhaften Wismarschen Geschlechte an. Früher, 1394 und 1396, kommt ein Bürger desselben Namens in gleichgültigen Verhältnissen vor, der sein Vater gewesen sein mag, und er selbst hat sich in den Documententrümmern Wismars auch nur ein einiges Mal gefunden, ehe er, 1437, in den Rathsstuhl gewählt wurde, zu welchem ihm, wie unten zu erzählende Vorgänge schließen lassen, vermuthlich die Heirath mit einer Tochter des 1420 oder 1421 verstorbenen Bürgermeisters Hermen Meiger den Weg bahnte.


1) Schröders P. M. S. 2096.
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Mit sammt Hinrich Spek wurde er dann 1451 zu dem alten Hinrich Dargetzow als Bürgermeister erwählt, zu denen weiter, um die Zahl voll zu machen, 1453 Berthold Knorreke kam. Als Herr Dargetzow im Jahre darauf gestorben war, wurde der vierte Platz, freilich nicht sofort, sondern erst 1458, mit Bernd Pegel besetzt. Herr Peter Langejohann erreichte also sehr bald die Würde des ältesten Bürgermeisters, und da bei diesem in jener Zeit die Leitung der Geschäfte, "das Wort", beständig geblieben zu sein scheint, so war er von hervorragendem und entscheidendem Einflusse, der ihm aber freilich auch schon vermöge seiner Persönlichkeit allem Ansehen nach zugefallen ist. Nahe liegt es daher, in ihm denjenigen zu erblicken, welcher den oben erzählten Sturm auf Barnekow ins Werk richtete, und solches wird auch wohl die Meinung Herzog Heinrichs gewesen sein, der, da ihm ohnehin Verschiedenes von jenem hinterbracht war, wodurch er sich in seinen Ehren und Rechten verletzt fühlte, in seinem Streben deswegen Genugthuung zu erlangen, zu Mitteln vorschritt, welche ungewöhnlich genug waren.

Zunächst trat der Herzog am 4. November 1458 in Person und von einigen seiner Räthe begleitet, vor den sitzenden Rath und ließ Klageartikel wider den Bürgermeister verlesen. Dieser erbat sich Abschrift und Frist zur Beantwortung, welche ihm gewährt wurden, während man den Herzog ersuchte anzuzeigen, wann es ihm genehm sei, die Vertheidigung des Angeklagten zu hören. So ein regelmäßiger Rechtsgang scheint aber nicht den Absichten des Herzogs entsprochen zu haben, die vielmehr auf ein summarisches Verfahren gerichtet gewesen sein werden. In Unwillen ist er von dannen gegangen und hat auf Wege gesonnen, dem Bürgermeister beizukommen. Von einem Processe wollte er eben nichts wissen, Vermittelungen der nächsten Nachbaren mochten weitläufig und ungeeignet erscheinen, aber der Niftelmann der Herzogin, der König Christiern von Dänemark, der konnte ihm wirksamen Beistand leisten, und an diesen wendete er sich, um solchen zu erlangen. Derselbe wurde ihm denn auch zugesagt und es ist demgemäß Anfangs Juli 1459 ein königlicher Bote in Wismar erschienen, welcher eine Aufforderung, den Landesherrn zufrieden zu stellen, überbracht haben wird. Der Rath hat darauf den Sachverhalt auseinandergesetzt und seine Bereitwilligkeit, dem Herzoge zu Recht wider den Bürgermeister zu verhelfen, zugesichert. An solcher Genugthuung war jenem ja aber nicht gelegen und ohne Zweifel ist es auf sein Andringen geschehen, daß der

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König unter dem 20. August von Stockholm aus neue Briefe abfertigte mit dem Verlangen, der Rath möge Herrn Peter anhalten, den Landesherrn wegen der ihm zugefügten Schmach und üblen Nachrede zufrieden zu stellen, und der Drohung, wo dem nicht so geschehe, den Wismarschen den Verkehr in seinen Reichen und insonderheit auf Schonen zu legen; ein gleichlautendes Schreiben war an "die Gilden, Aelterleute und erbgesessenen Bürger" gerichtet. Dem gegenüber konnte der Rath aber nichts weiter thun, als daß er auf frühere Beantwortung desselben Ansinnens sich beziehend, unter erneuerter Darlegung des Sachverhältnisses sein voriges Erbieten wiederholte. Das schien gewirkt zu haben, denn die Stadt hatte den folgenden Winter Ruhe vor solchen Zumuthungen, aber es war der Winter gewesen, der ihr diese verschaffte, denn Ende März oder Anfangs April 1460 überbrachte ein gewisser Tile eine dritte Aufforderung des Königs aus Ripen, man möge Herzog Heinrich bis Pfingsten Genugthuung verschaffen oder gewärtig sein, daß er, der König, die Wismarschen in seinen Landen nicht ferner dulde. Der Rath sah nunmehr ein, daß die schriftlichen Auseinandersetzungen seinerseits nicht beachtet wurden und die Betheuerung seiner Bereitwilligkeit zur Rechtshülfe am Dänischen Hofe keinen Glauben finden wollte, und fertigte daher den Stadtschreiber M. Jürgen Below über Lübek, wo man ihm den dortigen Protonotarius M. Wunstorp zum Beistande mitgab, an den damals in Holstein weilenden König ab, welchen die Boten am 1. Mai zu Segeberg trafen. Hier wurde denn nun ausgemacht, der Rath solle Herrn Peter dazu bestimmen, daß er seine Einwilligung zur Entscheidung der Sache durch den König und die Ehrbaren von Lübek gebe, und solche Einwilligung gab Herr Peter auch, jedoch unter der Bedingung, daß der Herzog bei diesen Schiedsrichtern bleibe und ihm und den Seinen eine gelegene Stätte mit genügendem Geleite zur Verantwortung gewiesen werde. Der Rath benachrichtigte König Christiern von dieser Erklärung und bat zugleich, der ausgesprochenen Drohung in Betreff der Schonreise keine Folge zu geben. Daran mag der König damals auch wohl nicht viel gedacht haben; ihm, der eben Holstein unter sich gebracht, wird diese Sache nicht gelegen gewesen sein und sendete er daher einen seiner Räthe, Vollert v. Bokwold, an Herzog Heinrich, um diesen zu bestimmen, daß er die Angelegenheit bis zum nächsten Jahre ruhen lasse. Als aber der Herzog dem entgegen mündlich und schriftlich sich dahin erklärte, daß er durchaus diesen Handel aus der

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Welt geschafft haben wolle, so ließ der König ihn wissen, er werde mit den Räthen des Dänischen Reiches, welche sich kommenden Pfingsten in Kopenhagen versammelten, die Sache in Erwägung nehmen und dann eine Botschaft nach Wismar senden, um dieselbe in Güte beizulegen; der Herzog möge dann auch seinerseits Bevollmächtigte dorthin abordnen. Die Wismarschen wurden hiervon durch den Bischof Arnd von Eutin unterrichtet, der, wie es scheint, auf ihre Bitte und um seines "guten Freundes", des Bürgermeisters, willen Erkundigungen am königlichen Hofe eingezogen hatte, und ersuchten demzufolge die Lübischen, wenn der König seine Abgeordneten senden würde, auch aus ihrer Mitte solche zu schicken. Aus diesem Tage ist aber damals, und zwar vermuthlich aus dem Grunde Nichts geworden, weil in jener Zeit die Holsteinschen Angelegenheiten den König vollständig in Anspruch nahmen, so daß der Herzog sich gedulden mußte bis zum nächsten Jahre, 1461, wo Rostock, und zwar mit Unterstützung König Christierns, den Versuch gemacht zu haben scheint, den Handel beizulegen, denn Anfangs Juli jenes Jahres sind außer Rostocker Sendeboten auch zwei Dänische Ritter in Wismar gewesen, welche sich eine volle Woche aufgehalten haben. Eine Vermittelung war jetzt aber schwieriger dadurch geworden, daß die Beschwerden des Herzogs gegen die Stadt, welche sich mehr und mehr gehäuft hatten, mit zur Sprache kamen und jener auch mit den Lübischen aus unbekannten Gründen auf gespanntem Fuße stand. In der Sache mit Lübek nahm der Herzog die ihm durch seinen Rath Hinrich Benzin angetragene Mediation der Rostocker an und sagte eine Zusammenkunft am 25. Juli in Rehna zu; mit denen von der Wismar aber, erklärte er, die sich wider ihn und seine Mannen gegen ihre der Landesherrschaft geschworenen Eide mit fremden Städten ohne Noth verbündet, wie er und seine Vorfahren es um die Stadt nicht verdient hätten, könne er nicht verhandeln oder müsse er wenigstens doch mit den früher bereits in Anspruch genommenen Mittelspersonen und den durch die Stadt Beschädigten zuvor Rücksprache nehmen. Nichtsdestoweniger hofften die Rostocker, daß auch die Wismarsche Sache auf dem angesetzten Tage sich zur Verhandlung werde bringen lassen, eine Hoffnung, welche sich jedoch als eitel erwies, insofern, wenn man den Tag überhaupt abgehalten hat, auch der weniger schwierige Handel mit Lübek damals nicht beigelegt worden ist.

Natürlich mußte den Wismarschen aber daran liegen, die Beziehungen zu dem Landesherrn wieder auf einen

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leidlichen und besonders einen sicheren Fuß gebracht zu sehen, und ihr Sendebote, nämlich Herr Peter Langejohann, wird wahrscheinlich auf dem Tage, welchen die Städte um Trinitatis des folgenden Jahres 1462 - Juli 13 - mit König Christiern in Kopenhagen abhielten, die Angelegenheit bei letzterem wieder in Erinnerung gebracht haben. Dieser Tag wurde am 25. desselben Monats in Lübek weiter geführt und hier nahmen nun die Dänischen Legaten, Bischof Arnd von Lübek, Bischof Knud von Wiborg, die Ritter Klaus Rönnow und Eggert Frille und der Kanzler Daniel Kepken von Nuland im Vereine mit den Sendeboten Hamburgs, welches in diesen Sachen schon 1456 thätig gewesen war, nämlich dem Bürgermeister Hinrich Loppow und dem Rathmanne Albert Schilling, dieselben vor, ohne jedoch etwas darin ausrichten zu können, da die Vertreter des Herzogs, Eggert v. Quitzow und Hinrich v. Bülow, Herr Hinrich Benzin und Johann Rades sammt Nicolaus v. Lübek und Radeloff Toyte, Bürgermeister und Rathmann von Rostock, gegen die Theilnahme Lübeks an dem schiedsrichterlichen Amte, welche Wismar forderte, da der Bischof von Eutin des Königs Rath und auch die Hamburger die Seinen wären, Verwahrung einlegten, weil ihr Herr die von Lübek als Partei betrachte. Fortgang dagegen nahm Herrn Peter Langejohanns eigene Angelegenheit, da dieser sich nicht auf frühere Zusagen steifte und damit einverstanden war, daß statt der Lübischen die Hamburger als Schiedsrichter fungirten. Der Ausspruch wurde am 3. August auf dem Rathhause zu Lübek auf Grund eingebrachter Schriften verkündigt und setzte Folgendes fest:

1) Wenn der Herzog Herrn Peter Langejohann bezichtigt, daß derselbe beim Rathe zu Lübek seinen, des Herzogs, Schaden gesucht und sich des hernach im Wismarschen berühmt habe, so soll Herr Peter vor letzterem in Gegenwart des Herzogs oder dessen Bevollmächtigten solches abschwören und zwei Mitglieder des Raths veranlassen, einen Glaubenseid darauf zu leisten, daß Herr Peter recht geschworen. Zur Eidesableistung wird der 13. September bestimmt.

2) Bekennt der Rath zu Wismar, daß er und nicht Herr Peter den Hans Tanke und Andere auf den Thurm und in die Büttelei habe setzen lassen, so soll jener dem Herzoge deswegen Rede stehen, wo nicht, so soll Herr Peter sich an dem gedachten Tage verantworten. Gleichergestalt soll es auch anlangend die der Stadt Verwiesenen gehalten werden.

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3) Herr Peter soll sich von der Beschuldigung, daß er Fürschreiben des Herzogs und seiner Gemahlin für die gedachten Gefangenen an den Rath unterschlagen habe, gleichfalls durch einen Eid reinigen.

4) In Betreff der Anschuldigung, daß Herr Peter von zwei losen Buben ein Schandlied auf den Herzog habe dichten und bei einem Gelage absingen lassen und dessen selber gegen drei fürstliche Räthe geständig gewesen sei, soll Herr Peter dem Herzoge Genugthuung geben, wenn letzterer dies mit Zeugen an dem obgenannten Termine darthun wird.

5) Herr Peter soll zur selbigen Zeit schwören, daß er zu Wismar keinen Auflauf habe machen wollen.

6) Wenn Herr Peter beschuldigt wird, daß er mit einigen wenigen Mitgliedern des Raths eine Satzung gemacht, wornach nur gegen eine erhebliche Abgabe Lebensmittel aus der Stadt ausgeführt werden sollten, so hat derselbe ein Zeugniß des Raths zu erwirken, daß dieser in seiner Gesammtheit jene Auflage zum Besten der Stadt gemacht habe. Auch soll Herr Peter dazu antworten, wenn jemand ihn anklagen würde, überhaupt unrechtmäßig Abgiften gefordert zu haben.

7) Herr Peter soll es beeidigen, daß er einen Mordbrenner zu Wismar nicht beschirmt habe.

Selbigen ihm gestellten Forderungen, ist es dem Bürgermeister möglich gewesen, gerecht zu werden und eine Aussöhnung mit dem Landesherrn zuwege zu bringen, wenn letzterer freilich auch, wie sich unten zeigen wird, trotz der über den Ausgleich gegebenen Versicherung einen Zahn auf jenen behalten hat. Nachdem aber diese Sache aus der Welt geschafft worden war, vereinigten sich der König und der Herzog, um auch die wichtigere Angelegenheit, das Zerwürfniß des letzteren mit der Stadt selbst, welche, wie wir gehört, in Lübek nicht zur Verhandlung gebracht werden konnte, zu Ende zu führen, und trafen zu dem Behufe gemeinschaftliche Maaßregeln, um den Wismarschen Handelsverkehr lahm zu legen. König Christiern wies um Bartholomäi von Segeberg aus, wo Sendeboten des Raths umsonst ihm Vorstellungen machten, seine Beamten auf Schonen an, den Bürgern und Einwohnern Wismars, welche sich dort befanden, das ihnen am 7. März dieses Jahres ertheilte Geleite aufzurufen und ihnen anzukündigen, daß sie binnen acht Tagen das Land zu räumen hätten, während Herzog Heinrich, wie er in eigenen Schreiben seinen Räthen von Prälaten, Mannen und Städten anzeigte, durch seine

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Vögte allen Verkehr mit Wismar hemmen ließ. Diese Absperrung währte von Michaelis bis zum Abend des heiligen Christfestes 2 ), wo der Streit dadurch ausgeglichen wurde, daß die Stadt dem Herzoge - statt geforderter 4000 Mark - 1000 Gulden zahlte, wogegen dieser ihr alle alten Privilegien und Freiheiten bestätigte und sie bei demselben zu schützen versprach.

Sieht man die dem Herzoge gezahlte Summe an, die ihm übrigens als ein freundliches Geschenk übergeben wurde, so scheinen die Wismarschen sich leidlich gut aus der Angelegenheit herausgezogen zu haben, aber es sind jenen tausend Gulden nicht allein die Kosten hinzuzurechnen, welche ihnen aus den wider sie verhängten Maaßregeln unmittelbar erwuchsen, sondern auch die Verluste, die durch den plötzlichen Abzug von Schonen und die Hemmung des Verkehrs mit dem Binnenlande für sie sich ergaben. Mag immerhin, wie berichtet wird, letztere wegen der offenen Verbindung seewärts sich weniger empfindlich fühlbar gemacht haben, so wird sie doch zum mindesten unbequem gewesen sein, während die Interessen derjenigen, welche die "Schonreise versucht" hatten, durch den unvermutheten Aufbruch bedeutend geschädigt wurden. Das waren aber für die Städte überaus wichtige Interessen. Nach Schonen gingen alljährlich um Jacobi aus den Wendischen Städten Fischer, die dem Heringsfange oblagen, Böttcher, welche die Tonnen besorgten, in die man den Hering schlug, Gewandschneider, Krämer und Handwerker allerlei Art, um ihre Waaren zu vertreiben und Nordische dagegen einzuhandeln in so ansehnlicher Zahl, daß jede Stadt für ihre Angehörigen einen eigenen Vogt, in der Regel einen Rathmann, als Richter für entstehende Händel und Bevollmächtigten zum Verkehre mit den Landesbehörden dorthin sendete, kurz, daß eine Unterbrechung dieses Commercium viel mehr bedeutete als heutzutage der plötzliche Schluß einer Messe oder eine unvorhergesehene Blokade. Der Verdruß über die so erlittenen Verluste hat sich nun freilich in Wismar, wie es scheint, unmittelbar allerdings nicht bemerklich gemacht, aber da die Rathmannen ver=


2) So nach einer Wismarschen Aufzeichnung in Schröders ausführlicher Beschreibung d. St. und H. W. Der Lübische Chronist, Grautoffs Chron. II., S. 254, sagt: des Donnerdages na deme hilgen Kerstedage, = December 30, da aber auch das Herzogliche Privileg vom 23. December gewesen zu sein scheint - Lisch's v. Oertzen II., 2, S. 193 - und dies gleichfalls ein Donnerstag war, so wird der Chronist na statt vor gesetzt haben.
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muthlich zum größten Theile selbst bei dem Schonenschen Geschäfte betheiligt waren, da Peter Langejohann als wortführender Bürgermeister in seinem tapferen Sinne den Widerstand gegen die herzoglichen Zumuthungen wohl besonders geleitet und gefördert hatte, da noch dazu sein Zerwürfniß mit dem Landesherrn in so enger Verbindung stand mit demjenigen der Stadt und er seine dominirende Stellung vielleicht in nicht allzu rücksichtsvoller Weise zur Geltung gebracht haben mag, so konnte es leicht kommen, daß aus diesen Vorgängen her ein ihm schon widerwilliger Theil des Raths sich dieselben zu Nutzen machte und angeregt wurde, um weiter gegen den Bürgermeister vorzugehen. Man gab ihm wirklich bald gradezu Schuld, den Verlust in Schonen herbeigeführt zu haben, man zieh ihn eigenmächtiger, die Stadt verpflichtender Maaßnahmen und schließlich kam es so weit, daß man ihn vor versammelter Gemeinde laut anklagte, einen falschen Zuversichtsbrief ausgestellt zu haben. Die Herrn Peter sonst wvhlgewogene 3 ) Bürgerschaft verhielt sich bei diesem unerhörten Vorgange stille, wie es scheint, ein Versuch sich zu rechtfertigen, wurde ihm abgeschnitten und so blieb ihm nichts übrig, wenn er nicht hinter Schloß und Riegel gehen und sich dem zweifelhaften Ausgange eines peinlichen Procefses aussetzen wollte, als dem Rathsstuhle zu entsagen. Er erklärte daher vor dem Rathe in Gegenwart von Notar und Zeugen Abends am 14. December 1463 auf dem Rathhause, wo er mit dem Rathmanne Hans Krevet, seiner Tochter Metke Mann, seinen Söhnen, dem Domherrn M. Johann 4 ), dem Kleriker Jakob, Peter und Hinrich, sowie Hinrich Warendorp d. ä. und d. j., Hermen Bigade und Hermen Wittenborg vortrat, daß er wegen Alters und in seinem Amte erduldeter Strapazen sich zu schwach fühle, diesem länger vorzustehen und bat ihn von selbigem zu entlassen. Der Rath sprach durch den Bürgermeister Spek seine Einwilligung in dies Verlangen aus und ließ alsdann durch den Stadtschreiber drei Zettel verlesen. Auf den Laut des ersten verpflichteten sich Peter Langejohann mit Eidam und Söhnen, wegen eines unter des Raths Siegel - dem Secrete - nach Assensen auf Fünen abgesendeten Zuversichtsbriefes Rath und Gemeinde schadlos zu halten. Auf den Laut des anderen bekannte Peter Langejohann, daß er auf


3) S. Beilagen I und II.
4) M. Johann wird 1456 noch als bloßer Kleriker bezeichnet. Schröders P. M. S. 2098. Domherrn nennt ihn Cranz, Vand. XII, 29.
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sein eigenes Ansuchen aus dem Rathsstuhle entlassen sei, und verpflichtete sich, daß er diese Entlassung nicht weiter zur Sprache bringen, sondern das Beste des Rathes wissen, kein Verbündniß wider denselben machen und, wo das durch die Seinen geschehen würde, ihn mit seinen Gütern schadlos halten wolle. Auf den dritten Zettel endlich verbürgten sich die Angehörigen dem Rathe und der Gemeinde wegen alles entstehenden Schadens, falls ihr Vater und Freund sein Gelübde brechen sollte. Der Rath dagegen versprach seinerseits, Peter Langejohann als Bürger zu schützen und ihn friedlich bei dem Seinigen zu lassen. Damit sei die Sache abgethan, mögen beide Theile, der Rath sowohl wie der abgetretene Bürgermeister, gedacht haben und zufrieden gewesen sein, daß sie nicht zu Ereignissen führte, welche aus ähnlichem Anlasse dreißig und einige Jahre früher in Wismar sich zugetragen hatten.

Peter Langejohann war aber bei der Bürgerschaft nicht unbeliebt, er stand mit einem Theile des Klerus in gutem Einvernehmen und, wenn er selbst auch schwieg, so werden seine Angehörigen und Freunde ihre Klagen über ihm widerfahrenes Unrecht schwerlich zurückgehalten haben. Der Rath erkannte, daß der widerwärtige ehemalige Bürgermeister am Ende auch als ein sehr unbequemer Bürger sich erweisen werde, daß derselbe kaum ohne Rachegedanken sein könne, und die gehässigen Gesinnungen der Einzelnen gegen ihn fanden sich durch die bloße Hinausmaaßregelung Herrn Peters nicht vollständig befriedigt. Man glaubte doch mit einem Processe gegen ihn vorgehen, ihn unschädlich machen zu müssen, und ordnete daher nach deshalb mit einigen ihm abgeneigten Bürgern genommener Rücksprache alsbald seine Verhaftung an. Peter Langejohann war aber zufällig nicht zu Hause, wurde gewarnt und entfloh auf einem Boote nach Lübek 5 ), wo er sehr bekannt war und jetzt mit der größten Theilnahme empfangen wurde.

Den Rath brachte dies Entweichen in die allergrößte Unruhe, denn man mußte sich ja sagen, daß Peter Langejohann durch die nach der Handlung vom 14. December gegen ihn angestellte neue Procedur sich seinerseits auch der gemachten Zusagen für entbunden ansehen und nunmehr alle Mittel in Bewegung setzen werde, um seine Ehren und Würden, um die man ihn gebracht, wieder zu gewinnen.


5) So scheint nach den Dokumenten der Vorgang gewesen zu sein; der lübische Chronist, a. a. O. S. 272, berichtet ihn etwas anders.
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Man suchte dieser Gefahr zunächst dadurch zu begegnen, daß man jenen in aller Form wegen Verraths und Meineides anklagte und aufforderte, sich dem Gerichte zu stellen. Dann setzte man am 17. Januar 1464 durch eine außerordentliche Küre von vier Personen, unter denen sich der bisherige Stadtschreiber M. Jürgen Below und der von Herrn Langejohann namentlich als sein Feind bezeichnete Odbrecht Gantzkow befanden, den Rathsstuhl so voll, wie es nach Lübischem Rechte sein sollte, und endlich, als der Entflohene den Stichrechtstag sich nicht gestellt hatte, ließ man denselben durch den Frohnen an allen Ecken in der ganzen schimpflichen Weise des Verfahrens als einen Verfesteten und friedlos gelegten beschreien. So glaubte man sich gegen das Wiedereindringen des vormaligen Bürgermeisters gesichert und wird in Betreff der Landesherrschaft ohne Sorgen gewesen sein und gemeint haben, daß die von dieser seitens des Flüchtlings früher wirklich oder vermeintlich erlittenen Unbilden in zu frischem Gedächtnisse stünden, als daß ernsthafte und nicht zu hintertreibende Anstalten zu dessen Restitution dorther zu befürchten wären. Sehr wahrscheinlich hat über Beistand von Herzog Heinrich Peter Langejohann sich ziemlich ähnliche Gedanken gemacht, denn wenn er sich schon bei jenem alsbald um freies Geleite und seine Protection bewarb, welche ihm auch zugesagt worden sind, so wollte er zunächst doch eine solche Hülfe nicht in Anspruch nehmen und erklärte sich vielmehr bereit, vor der ganzen Gemeinde zu Wismar sich zu verantworten oder, wolle man das nicht, vor dem Rathe zu Lübek; erst als dritten Weg schlug er Entscheidung durch den Landesherrn vor. Der Rath wollte aber überhaupt von einem neuen Spruche nichts hören und eine herzogliche Einmischung sagte Peter Langejohann nicht zu; somit wendete dieser sich an die Herren von Lübek mit der Bitte, die von der Wismar aufzufordern, daß sie ein paar Rathsmitglieder hinübersendeten, damit der Streit zwischen ihnen, ihm und dem Wismarschen Rathe, beigelegt werden möge, indem er nebenbei, freilich vergebens, auf eine Bewegung in der Stadt zu seinen Gunsten hoffte. Die Wismarschen lehnten aber dies vom 9. März datirte Ansinnen wegen der näheren Umstände der Sache und der Schwere des Falles durchaus ab, während sie doch gleichzeitig aus eigener Bewegung anzeigten, daß sie behufs einer lange geplanten Sendung nach Preußen Unterredung zu pflegen bald einige ihres Mittels abordnen würden. Als man diesen in Lübek vorschlug, die Langejohannsche Angelegenheit einer gemeinsamen Ver=

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mittelung oder Entscheidung der Städte Lübek, Hamburg, Rostock und Stralsund anheimzugeben, verstanden sie sich nur dazu, diese Proposition zu Hause zu berichten, doch erfolgte weder eine Erklärung nach Lübek, noch an das freundnachbarlich bemühte Rostock. Peter Langejohann bat daher den Lübischen Rath um eine neue Anmahnung, indem er hinzufügte, daß, wo die Wismarschen die Städte nicht hören wollten, er, wenn auch ungerne, weiter klagen müsse, wo es "sich gebühre"; doch blieben alle und wiederholte Aufforderungen, sowohl Lübeks wie der übrigen Städte, ohne jegliche Erwiderung und erst Mitte Juni ließ der Rath sich herbei zu einer Entschuldigung: einer der Bürgermeister und mehrere Rathmannen seien abwesend, doch wolle man gleich nach deren Heimkehr eine Erklärung bereden. Aus solcher Erklärung ist aber nichts geworden, sei es, daß man überall keine ablassen wollte, sei es, daß man selbige über die Schrecken der Pest, welche Ende Mai bis zur Seekante vorgedrungen war und in Wismar die Bürgermeister Spek und Knorreke sammt fünf Rathmannen wegraffte, wirklich vergaß.

Unter dem 24. August fragten aber Rostock und Stralsund auf Herrn Peters Anhalten von Neuem an, Hamburg unter dem 7. September, wie es mit der Sache stehe, während Lübek, vielleicht verletzt durch das abweisende Verhalten des Raths gegen die angebotene Vermittelung, sich weiteren Zuredens enthalten zu haben scheint. Aber grade das mag dann letzteren, der sich zu isoliren fürchten mochte, endlich bewogen haben, sich zu erklären, und zwar dahin, daß er die an ihn gerichteten Klagen und Zumuthungen durchaus zurückweisen müsse, Peter Langejohann sei vor den Stapel geladen, weil er seiner Missethaten wegen aus der Stadt gewichen, und, da er ausgeblieben, verfestet, so daß man glaube, ihm keinesweges noch etwas schuldig zu sein. Um aber übeler Nachrede zu entgehen, erbiete man sich zu einer Zusammenkunft in Grevesmühlen, wo den Städten der Sachverhalt eingehend auseinander gesetzt werden solle; dieselben möchten nur einen Tag bestimmen. So beschied man Hamburg am 13. September, die übrigen Städte gleichmäßig und beeilte sich, weiteren Drängens gewärtig, die Zahl der Rathsmitglieder durch eine am 28. September angestellte Wahl von sieben Personen wieder auf den normalen Bestand von 24 zu bringen; insonderheit wurde auch ein neuer Bürgermeister in Meinert Amesford gekoren. Dazu erhielt der Rath auch noch ihm bereits am 13. April zugesicherten Succurs von außen. Aus Meklenburg vom

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21. October datirt, ging nämlich ein Schreiben des Landesherrn ein, worin dieser sagte, wie er erfahren, daß Peter Langejohann, welcher ihn früherhin in seiner Sache wider den Rath angesprochen habe und dem er, sei ihm auch hernach glaubwürdig berichtet, daß jener nicht vergewaltigt, sondern wegen seiner Missethaten ausgetreten sei, gerne Rechtes beholfen haben würde, ungehöriger Weise bei fremden Städten Klage führe und theils Wismarschen Bürgern, die in Lübek zu thun hätten, sich als mißhandelt darzustellen suche theils in Wismar selbst von den Seinen gleiche Reden führen lasse, um etwa auf solche Weise wieder in die Stadt zu gelangen. Dadurch würde aber nur Zwietracht erregt und, was diese für die bürgerliche Nahrung bedeute, sei bekannt genug. Er fordere daher Rath und Gemeinde auf, die Stadt gut zu bewahren und den Hetzereien zu steuern und werde, wofern jemand Aufläufe oder Tumult errege, ihnen mit aller Macht in deren Unterdrückung zu Hülfe kommen. Uebrigens war dieser Brief nicht allein an Bürgermeister und Rathmannen, sondern auch an die Bürger, Aelterleute und Aemter der Stadt gerichtet, wie es nur bei ganz außerordentlichen Gelegenheiten und hier natürlich aus dem Grunde geschah, um der Gemeinde ihr Interesse bei dieser Sache als identisch mit dem des Rathes darzustellen. Es gab aber besagte Zuschrift den ersten Anlaß zu einer weiteren und folgenreichen Verwickelung, denn, als man dieselbe in einer öffentlichen Versammlung der Gemeinde mittheilte, erhub sich M. Johann der Sohn des Verfesteten, und rief mit lauter Stimme: "Lieben Bürger und liebe ehrliche Aemter, diesen Brief haben sie sich mit großer Mühe und um schweres Geld zuwege gebracht und laßt Euch doch, lieben Bürger und liebe ehrliche Aemter, auch diejenigen Briefe lesen, welche die ehrlichen Städte Lübek und Hamburg geschrieben haben." Es ist nicht überliefert, welche Wirkung diese Apostrophe unmittelbar hervorbrachte, doch läßt sich annehmen, daß sie eine große Verwirrung zur Folge hatte, aber es passirte damals dem kühnen Kleriker nichts weiter, als daß der Bischof auf die Beschwerde des Raths ihn zur Ruhe verwies 6 ) und, als jener trotzdem sich nicht stille


6) S. Beilage V. Es liegt ein Brief Bischof Ludolfs an M. Johann Langejohann vor, datirt s. a. Sabbato ante Elisabeth. Da der Bischof am 2. Januar 1466 starb, so ist entweder 1464, Novbr. 14, oder 1465, Novbr. 16, gemeint. In demselben wird dem Adressaten sein Auftreten wider den Rath verwiesen, ihm eine abermalige Captur fnpage und Entziehung seiner Beneficien seitens des Letzteren in Aussicht gestellt und empfohlen, nach Schönberg zu kommen. Datirt der Brief, wie mir glaublich ist, von 1464, so fällt die erste Captur in den Anfang des Jahres oder noch in das Jahr 1463, da in dem Briefe Lübeks vom 8. März 1464 von einem Streite des Raths mit Peter Langejohann's Sohne - dort irrthümlich M. Bernd genannt - die Rede ist, welcher, wie Wismar in seiner Erwiderung sagt, durch den Legaten Hieronymus, Erzbischof von Kreta, beigelegt wurde, der im Februar 1464 in Wismar war. Der Anlaß zu diesem Streite ist nicht zu ermitteln.
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verhielt, ihn im December nach Schönberg forderte. Von den Briefen der Städte hat M. Johann natürlich durch seinen Vater gewußt, daß aber der Rath den herzoglichen auf Bestellung erhalten, verrieth sich deutlich genug, wie es sich auch schon von selbst verstand, daß derselbe nicht umsonst abgelassen war, so daß nicht etwa an geheime Verbindungen der Langejohanns mit Rathsmitgliedern, z. B. Hans Krevet, der sich solches nicht hat zu Schulden kommen lassen, zu denken ist, wenn auch einzelne Mittheilungen, etwa von Dienern oder dergleichen Personen, allerdings der Familie heimlich zugingen 7 ).

Wie oben erzählt, erklärten sich also die Wismarschen bereit, mit Sendeboten der Städte in Grevesmühlen zusammenzutreten. Das faßten diese, wie Peter Langejohann, wenn nicht als einen ersten einlenkenden Schritt, so doch als eine Gelegenheit auf, die nicht vorbeizulassen, woferne es zu einer Verständigung kommen sollte, und jener bat Erstere daher noch einmal inständig, wenn ein Tag von Lübek ausgeschrieben würde, solchen doch nicht zu verabsäumen, während die Städte sich über Ort und Zeit in Correspondenz setzten. Rostock und Stralsund wünschten in Wismar zusammenzutreten und dazu waren auch die Hamburger bereit, falls gehöriges Geleite besorgt würde, indem ihnen vom Herzoge und dessen Söhnen "etliche Warnung geschehen sei", obschon sie lieber den Tag in Lübek abgehalten haben wollten. Einig aber war man durchaus, daß Grevesmühlen sich nicht als Versammlungsort eigene, und Lübek schlug daher den Wismarschen vor, daß, wenn sie sich doch mit den Städten einlassen wollten, man den Tag in Wismar selbst abhalten möge. Solches erklärte man aber Wismarscher Seits für weder gelegen noch zweckmäßig, während die Städte auf abermalige Empfehlung


7) S. Beilage IV. Die Mittheilung dieses Briefes schien sich aus dem Grunde zu empfehlen, weil derlei Documente, welche einen Einblick in den privaten Verkehr der Menschen jener Tage gestatten, nicht allzu häufig sind. Ob derselbe übrigens wirklich aus dem Jahre 1464 ist, steht dahin, da in diesem Jahre Michaelis auf einen Sonnabend fiel.
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Grevesmühlens gewiß mit vollem Rechte diesen Ort entschieden verwarfen und nunmehr Lübek für die Conferenz proponirten. Damit aber scheinen die Bemühungen der Nachbaren vor der Hand ihre Endschaft erreicht zu haben. Die Wismarschen haben entweder gar nicht geantwortet oder gesagt, daß ihre Bereitwilligkeit durch das Erbieten zu einer Zusammenkunft in Grevesmühlcn hinreichend documentirt sei 8 ); offenbar verließen sie sich auf die ihnen vom Landesherrn zugesagte Unterstützung.

Sicherheit gegen eine Wiedereinführung Herrn Peters in die Stadt durch Gewalt und wider Willen des Raths gab das Einverständniß mit Herzog Heinrich allem Ansehen nach wohl, doch aber schützte es den Rath dagegen nicht, daß er bald von dieser, bald von jener Seite im Laufe des folgenden 1465 Jahres in mehr als lästiger Weise daran erinnert wurde, daß Peter Langejohanns Sache nicht aufgegeben sei. Zunächst war es M. Johann, der mutige Anwalt seines Vaters, welcher nimmer abließ für diesen zu agitiren, wodurch der Rath schließlich sich veranlaßt sah, da die Mahnungen des Bischofs, sich ruhig zu verhalten, bei dem Kleriker kein Gehör fanden, in Schönberg zu beantragen, daß die Renten von M. Johanns Lehnen, sowie dessen sonstige Güter und Einkünfte mit Beschlag belegt werden möchten. Von dieser Maaßregel rieth aber der Bischof entschieden ab, weil M. Johann sich dann alsbald mit einer Klage wider den Rath, sowohl wie gegen ihn selbst an die höhere Instanz wenden würde, was dann noch mehr Noth machen dürfte, und empfahl vielmehr ihn zuvörderst wegen Bruch des Compromisses zu verklagen, welches der Erzbischof von Kreta zwischen ihnen vermittelt habe. Gleichzeitig scheint auch von einer Ausweisung die Rede gewesen zu sein, und das Kapitel M. Johann nach Ratzeburg gefordert zu haben 9 ), doch ist es zu ernsteren Auftritten dermalen nicht gekommen. Auch der jüngere geistliche Bruder, Jacob Langejohann, hat offenbar nicht stille gesessen und wurde schwerlich aus einem anderen Grunde am 12. Juli nach Schönberg geladen. Auswärts war Hinrich Langejohann thätig; gab dieser doch Anlaß, daß selbst ein Dänischer Ritter, Jurian Lauwerensson von Bohus


8) Auf die Rückseite des letzten Lübischen Schreibens vom 21. Decbr. hat man in der Wismarschen Kanzlei notirt: Hec fatentur nos consensisse in dietm in Gnewesmolen.
9) Der in Beilage V abgedruckte Brief, der aus demselben Grunde wie Beilage IV der Mittheilung werth erscheint, kann eben wohl nur in dieses Jahr fallen.
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an den Rath schrieb, man möge doch die Städte als Vermittler oder als Schiedsrichter annehmen.

Von persönlichen Bemühungen Herrn Peters für seine Sache findet sich in der ersten größeren Hälfte des Jahres 1465 keine Spur. Dies läßt sich etwa dadurch erklären, daß man ihm in Lübek gerathen hat, nachdem die Städte mit ihren Vermittelungsversuchen bei den Wismarschen gescheitert, auf eine zu solchen geeignetere Zeit zu warten. Möglich ist aber auch, und diese Erklärung scheint doch vorzuziehen, daß der ehemalige Bürgermeister Bedenken trug sich dorthin zu wenden, wo er eindringlichere Mahnungen, kräftigeren Beistand finden mochte. Landesfürstliche Hülfe war diejenige, welche Peter Langejohann nachzusuchen jetzt noch übrig schien, aber es wird ihm nicht zweifelhaft gewesen sein, wie die frühere Aussöhnung mit dem Herzoge doch keine aufrichtige gewesen; deutlich genug sprach der Brief desselben an den Rath. So meldete er sich denn, gewiß mit Widerstreben und geringem Vertrauen, am 10. August beim Herzoge Heinrich mit der Bitte, den Rath zu Wismar anzuhalten, daß derselbe ihm vor dem Herzoge und den Städten, die sich vergeblich bemüht hätten die Sache beizulegen, zu Rechte stehe, doch erhielt er erst auf ein zweites Ansuchen Ende des Monats die Antwort, der Herzog wolle ihm die Erklärung der Wismarschen mittheilen. Derartiges war eben vorauszusehen, doch mußte Herr Peter sich in Geduld fassen und that denn auch zunächst keine weiteren Schritte, als daß er sich am 18. October zu Segeberg ein Fürschreiben vom Dänischen Könige auswirkte, welches dem Rathe empfahl, jenem doch vor den Städten Rechtes zu pflegen. So ein Empfehlungsschreiben hatte nun nicht allzuviel zu bedeuten; der Rath wußte, daß die Sache beim Herzoge in guten Händen sei und wird den kommenden Dingen getrost entgegen gesehen haben.

Aus solcher Zuversicht störte den Rath aber wieder der unermüdliche M. Johann auf. Dieser hartnäckige Ankläger war vergebens, stille zu schweigen, ermahnt und aufgefordert, die Stadt zu meiden und brachte schließlich den Rath dahin, daß derselbe ihn, als er mit einer Anzahl verdächtiger Persönlichkeiten eingeritten kam, Gewaltthätigkeiten besorgend, durch den Official in Haft nehmen ließ. Das muß sich in der ersten Hälfte des Novembers zugetragen haben, denn am 17. bat der Bischof, man möge doch die Entlassung des Gefangenen gegen Bürgschaft gestatten, sonst solle, falls das nicht annehmlich erscheine, der Official ihn so lange bewahren, bis man sich mündlich verständigt haben werde. Zu diesem

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Behufe fertigte der Rath den Protonotarius M. Gottfried Perseval nach Schönberg ab, wo man dahin übereinkam, daß der Bischof Herrn Dethlev Hoyer senden solle, um die Sache in Wismar zu ordnen, wo derselbe auch am 10. Decbr. eintraf, ohne doch etwas, ausrichten zu können, weil der Inhaftirte inzwischen den Rath durch Vorbereitungen zu einem Processe bei der Curie noch mehr gegen sich aufgebracht hatte. Man hatte den Propst von Lübek in Verdacht, daß er ihn hiebei unterstützt habe, doch leugnete derselbe auf die vom Rathe veranlaßte Beschwerde des Herzogs beim dortigen Kapitel jegliche Betheiligung auf das Bestimmteste ab und ebenso verneinte des Propstes Notar, Marcus Mehlmann, welcher zwei Mal bei zufälliger Anwesenheit in Wismar M. Johann, den er seit lange von Rom her kannte, im Gefängnisse besucht hatte, wie das auch die Geschwister und andere Personen thaten, eine Bestellung von Procuratoren oder sonstige Schriftstücke für den Gefangenen ausgefertigt zu haben 10 ). Dieser blieb nun aber fortan in Haft.

Den ersten Theil des Jahres 1466 geschah nichts von Seiten der Langejohanns. Die Incarceration M. Johanns machte Verständigungen mit ihm schwierig und, da seine Angelegenheit so enge mit der des Vaters verflochten war, so wird dieser um so bedenklicher gewesen sein, weitere Schritte zu thun, als jenes Rath, wie nicht zu bezweifeln, von entscheidender Geltung bei den Seinigen war. Endlich im März rührte Herr Peter sich wieder und erkundigte sich beim Herzoge, wie es wohl mit der im August des abgewichenen Jahres versprochenen Erklärung stehen möge. Erst als nach einem Vierteljahre noch keine Antwort eingelaufen war, meldete er sich nochmals und jetzt dringlicher, denn bisher, indem er bat, daß, wenn der Rath keine Erklärung von sich geben würde, der Herzog, wie er ihm zugelobt und besiegelt habe, ihm helfen wolle, und hinzufügte, der Herzog möge doch jenem keine Briefe oder andere Documente wider ihn und die Seinen an irgend Herren


10) Mehlmann schrieb, er habe D. Antonius Schönfeld, der zu Rom vor Armuth nahezu umgekommemn sei, geholfen, ohne denselben vorher gekannt zu haben, blos, weil er gehört, daß jener ein Meklenburger sei (derselbe starb auf der Reise zum H. Grabe), und sei ebendort auch mit dem herzoglichen Secretär M. Thomas Rode, mit M. Gottfried Perseval, Johann Pickardes zu Rostock, und Jasper Wilde und Marquardus Tanke (von denen hernach dieser Pfarrherr zu S. Nicolai in Wismar, jener zu S. Jürgen geworden ist) sehr bekannt gewesen; sie alle würden ihm das beste Zeugniß geben.
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und Fürsten und sonderlich nicht an den König von Dänemark geben, es ihm auch nicht verargen, wenn er, wo die Wismarschen nicht auf ihn, den Herzog, hören wollten, Gott und Fürsten und Herren und alle rechtlichen Leute in seiner Bedrängniß um Hülfe anspräche. Zugleich hielt er um ein Fürschreiben an das Kapitel zu Ratzeburg als Richter seines gefangenen Sohnes an, vor welchem sich derselbe zu Rechte erboten habe. Aber auch da ist Herr Peter ohne Antwort geblieben und zwar wohl nicht wider Vermuthen; er war ohne Zweifel darauf vorbereitet und hat überall keine Hülfe vom Herzoge erwartet, sich aber trotzdem an ihn gewendet, um nichts unversucht zu lassen, ehe er sich anderweitig nach Beistand umthat. Von Rechts wegen würde er freilich, wie die Angehörigen des enthaupteten Bürgermeisters Bantzkow, diesen nunmehr bei Kaiser und Reich haben suchen müssen, aber der Kaiser war fern, machtlos, das Reich in Verwirrung; vielmehr war die dominirende Macht in diesen Gegenden bei der Krone von Dänemark. Hier war Vermögen zu helfen, so wie Bereitwilligkeit mit dieser Hülfe hervorzutreten, und es fehlte dem Vertriebenen aus früherer Zeit her nicht an Verbindungen am Dänischen Hofe und Freunden, die sein Anliegen um Beistand und Hülfe wirksam zu unterstützen vermochten 11 ).

Die Bemühungen Peter Langejohanns beim Könige waren denn auch seinen Hoffnungen gemäß von Erfolg gekrönt. Derselbe forderte unter dem 28. Juni von Kopenhagen aus Lübek und Rostock auf, es ins Werk zu richten, daß Herrn Peters Angelegenheit vor ihnen, Hamburg und Lüneburg (!) geschlichtet würde, dann aber, als diese vermuthlich ihre vergeblichen Schritte berichtet, eindringlich vierzehn Tage später die erbgesessenen Bürger und die Aelterleute der Aemter zu Wismar, sie möchten, nachdem er beim Rathe wiederholt darum angehalten, man solle doch Herrn Langejohann wieder einnehmen und, wenn man Zusprache zu demselben zu haben vermeine, solche in rechtliche Erkenntniß von Lübek, Hamburg und Rostock stellen, jetzt ihrerseits dazu thun, daß der Rath sich dem nicht länger entziehe, wo nicht, so werde er Peter Langejohann nicht im Stiche lassen und den Wismarschen den Verkehr in seinen Reichen hemmen. Dieses energische Auftreten des Königs kam völlig unerwartet und die Folgen der angedrohten


11) S. Beilage II und vgl. u. a. Knudsen, Dipl. Christierni I, ed. C. F. Wegener, Kiöbenh. 1856, p. 109, 144.
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Maaßregel waren in Wismar in zu frischer Erinnerung, als daß nicht Rath und Bürgerschaft in die größte Aufregung hätten kommen sollen. statt aber den vom Könige gewiesenen Weg einzuschlagen, welcher zugleich derjenige war, auf dem der Rath seine Ehre und der Stadt Ansehen und Freiheit am Besten wahrte, verleitete die feindselige Gesinnung gegen König Christierns Schützling den Rath, daß er mit Hülfe Herzogs Heinrich jenen von letzterem abzuziehen versuchte. Sofort hat man dem Landesherrn Nachricht gegeben und seine Intercession angerufen. Selbiger, gleichfalls überrascht und aufgebracht dazu, schrieb alsbald an den König und hielt diesem, seines zu Gnaden angenommenen Bittstellers nicht zum Besten gedenkend, vor, daß er, der Herzog, seiner Unterthanen zu Ehren und Recht mächtig sei und diesen nicht gebühre, vor Lübek und Hamburg Rechtes zu pflegen, so wie auch, daß der König ja durch seine Vermittelung den Wismarschen auf fünf oder sechs Jahre sicher Geleite für die Schonreise und in seinen Landen überhaupt zugesagt habe. Die Drohung werde in der Hast ausgesprochen sein und hoffe er, daß der König seine Zusicherung, wie bisher, beobachten werde. Von Seiten des Raths aber entschloß man sich, durch Sendeboten unmittelbar bei diesem Vorstellungen zu erheben. Solche gingen zunächst nach Lübek, erbaten sich dort Begleiter und zogen mit ihnen nach Heiligenhafen, wo sich der König grade aufhielt. Die Abgesandten wurden jedoch von diesem sehr kühl aufgenommen und versuchten umsonst, denselben umzustimmen. Schließlich mußten sie sich bequemen, am 25. Juli Punctationen folgenden Inhalts zu genehmigen.

1) Nachdem Herr Peter Langejohann sich dem Ausspruche des Herzogs zu Meklenburg und der Rathmannen von Lübek, Hamburg, Rostock und Stralsund oder von dreien dieser Städte unterwirft, so soll der Rath zu Wismar dieselben gleichfalls als Schiedsrichter annehmen und ist so zu verfahren, daß die Sache bis drei Wochen nach Michaelis zu Ende gebracht sei.

2) Mittlerweile soll Herr Peter im Lande Meklenburg sicher vor den Wismarschen geleitet sein - in die Stadt darf er aber nicht - und ebenso sammt den Seinen zu und von dem Tage. Auch soll der Rath den Arrest auf seine Güter aufheben.

3) Sobald die Sendeboten nach Hause kommen, soll Herrn Peters Sohn, der auf dem Thurme sitzt, gegen ausreichende Bürgschaft bis zum Tage des Schiedsspruches der

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Haft entlassen werden, wenn er damit einverstanden ist. Will er dann seine Sache auch vor die Schiedsrichter bringen, so steht ihm solches frei; will er das aber nicht, weil er geistlich ist, so sollen ihn seine Bürgen wieder stellen und mögen dann die Dinge ihren ferneren Lauf haben.

4) Die Sendeboten sollen veranlassen, daß der Rath sich über diese Punkte binnen vierzehn Tagen gegen den Bischof von Lübek erkläre. Nimmt der Rath dieselben an, so wird der Bischof ihm einen königlichen Brief auf die Schonreise und sonstigen Privilegien aushändigen, anderen Falls dürfen die Wismarschen sich in gegenwärtigem Jahre nicht in Schonen finden lassen.

Mit dieser Abmachung zogen die Sendeboten, vermuthlich nicht in der besten Stimmung, wieder heim und nahmen außer derselben noch einen Brief des Königs an den Herzog mit, der für diesen eben auch nicht erbaulich war. Es sei des Königs Gewohnheit nicht, wurde in demselben Herzog Heinrich bedeutet, in Hast Schreiben auszufertigen, vielmehr pflege er das nur nach reiflicher Ueberlegung zu thun. Wirklich stehe auch sein, des Königs, früherer Brief, dessen Copie der Herzog ihm unfreundlich genug überschickt habe, seiner Meinung nach nicht im Widerspruche mit dem, was er Wismar gedroht. Ueberdies habe Peter Langejohann, der mit dem dortigen Rathe ja nicht aus der Stelle kommen könne, ihm die Urkunde des Herzogs gezeigt, laut welcher er mit ihm vertragen sei und ihm nicht widerwillig sich zu erzeigen versichert habe, auch ihn jedermann angelegentlich empfehle. So werde der Herzog wohl damit einverstanden sein, daß es zu dem Recesse gekommen, auf welchen er, der König, jedenfalls halten werde. Diese Zurechtweisung war gewiß ebenso verdient wie unangenehm, wenn sie auch leichter ertragen sein wird, - sie wurde dem Wismarschen Rathe im Originale mitgetheilt -, als von diesem der Receß, mit dem die Ueberbringer kaum besonderen Dank erworben haben dürften, um so weniger, als man noch immer, wenn auch nur schwache Hoffnung gehegt hatte, daß das drohende Gewitter sich verziehen möge. Diese Hoffnung mußte jetzt aufgegeben werden, denn der Ernst des Königs war nicht zu bezweifeln und mit dem, was man ihm bieten konnte, war dieser nicht umzustimmen. Schlimm genug ließen sich die Sachen auch weiter darin an, daß M. Johann Langejohann erklärte, er wolle keine Bürgen stellen und seine Sache nicht vor die Schiedsrichter bringen, wie dem Officiale bekannt sei. Das bedeutete den längst befürchteten Proceß im geistlichen Rechte und Plackereien und Kosten ohne Ende.

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In der That hatte der Gefangene seine Angelegenheit bereits bei der Curie anhängig gemacht. So berichtete der Herzog dem Könige auf dessen Kündigung nach dem Stande der getroffenen Maaßnahmen und bat zugleich die Wismarschen dieser unverschuldeten Verzögerung wegen nicht mit Hemmung in seinen Landen zu beschweren; M. Johann habe es nur darauf abgesehen, ihnen möglichst große Belästigung und so viele Kosten zu machen, wie er nur könne. Damit aber gab König Christiern sich nicht zufrieden und fertigte am 16. August von Flensburg aus seinen Secretär Johann v. Embeke ab, um sich darnach umzusehen, in wiefern man dem Recesse nachgekommen sei und, wenn er übelen Willen fände, entschiedener noch denn zuvor dem Rathe des Königs festen Entschluß zum Einschreiten kund zu thun. Ein dringend warnender Brief vom Bischofe Albert von Lübek traf noch vor dem Secretär ein. Letzterer fand nun allerdings M. Langejohann noch im Gefängnisse, doch hatte man mit ihm verhandelt und war nach Angabe des Raths so weit eins geworden, daß er in seiner Schwester Melke Krevet Haus gehen solle und beide Theile sechs Schiedsrichter zusammen wählen wollten. Da aber der Rath außerdem noch Bürgschaft verlangte, daß M. Johann dem Spruche dieser Schiedsrichter genugthun wolle, so widersprach der Secretär, da solches dem Recesse nicht gemäß sei, und gab nicht allein dadurch, sondern auch durch die Offenheit, mit welcher er auf freiem Markte erzählte, wie er Vollmacht habe, nöthigen Falls das Schonensche Geleite aufzurufen, und durch sein angeblich barsches Benehmen dem Rathe Anlaß, daß dieser sich bei dem Könige in einem allerdings sehr demüthigen Schreiben über seinen Abgeordneten beklagte, und bat, er möge doch ihnen, den Schuldlosen gewogen bleiben und der Stadt das Geleite nicht entziehen. Zu aller Sicherheit beschloß man außerdem noch an den Rathmann Gerd Loste zu schreiben, der als Vogt nach Schonen war, und ihn aufzufordern mit den dort befindlichen Bürgern schleunigst zurückzukehren. Es kam aber derzeit nicht zur Aufrufung des Geleites, weil der nächste Anlaß, dieselbe auszusprechen, dadurch wegfiel, daß es M. Johann um Michaelis gelang, durch ein kleines Fenster seiner Haft zu entrinnen 12 ).


12) Johann Wartberg, der Prior, und das Kapitel zu ratzeburg, denen berichtet war, wie der Gefangene überaus schlecht gehalten werde, erkundigten sich deswegen und baten betreffenden Falls um Änderung, doch wird das Gerücht falsch gewesen sein, denn es reimt sich nicht damit, daß er den Besuch von Verwandten und Freunden empfing, auch der Bischof nach bewerkstelligter Flucht sich die Betten und Bücher M. Johanns ausbat.
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Er begab sich nach Lübek, wo er bis Weihnachten blieb, und zog dann gen Rom, um seinen Proceß dort weiter zu betreiben 13 ).

Vermuthlich in der ersten Freude über die gelungene Flucht und ihre durch dieselbe bewirkte Wiedervereinigung, ließen die Langejohanns den Rath eine Weile in Frieden, obschon es ihnen natürlich nicht in den Sinn kam, ihre Sache stecken zu lassen. Das bewies auch dem Rathe nur zu deutlich eine Mittheilung der Herren von Lübek, welche zwischen Weihnachten und Neujahr nach Wismar gelangt sein wird. Sie meldeten, daß der König ihnen geschrieben, die Wismarschen leisteten dem Recesse von Heiligenhafen durchaus keine Folge und hätten zudem seinen Secretär, den er guter Meinung und zum allseitigen Besten an sie abgesandt, hochfahrend und unangemessen behandelt. Davon wolle er nun zwar nichts machen, doch habe er sich entschlossen, die Wismarschen und ihr Gut in seinem Gebiete fortan nicht zu dulden und so lange feindlich zu behandeln, bis sie sich dazu verstehen würden, das zu thun, was sie unter ihrem Siegel zugesagt hätten. Er warne daher, Lübisches Gut in Wismarsche Fahrzeuge zu verladen oder mit Wismarschen Matschopie zu machen, und fordere sie auf, den Rath zu bestimmen, daß derselbe sich gegen ihn und Peter Langejohann so erweise, wie es recht und gebührlich sei. Ebenso hat der König an Rostock geschrieben.

Das war also dies Mal ein betrübter Neujahrsabend für den Rath, welcher jetzt König Christiern als erklärten Feind sich gegenüber sah und der Herzog wird die schlimme Nachricht, die man ihm mittheilte, auch mit nicht geringem Verdrusse aufgenommen haben. Er drückte Lübek seine Ueberraschung aus über die unvermuthete Kriegserklärung, welche nur etwa durch ein Mißverstehen des Recesses von Seiten des Raths veranlaßt sein könne, da dieser demselben bisher nachgekommen zu sein glaube und auch weiter nachzukommen Willens sei. Der Rath habe aber von Peter Langejohann so wenig bezügliche Anträge erhalten, wie er selbst eine Anzeige vom Könige, oder Bittgesuche die Sache in die Hand zu nehmen von jenem. Dem entgegen versicherte Herr Peter aber den Herren zu Lübek, daß er allerdings eine unterthänige Bitte um Uebernahme des Schiedsrichteramtes dem Herzoge zu Bantzkow durch einen eigenen Boten habe behändigen lassen, wie er denn auch gleiche Gesuche an die sämmtlichen Städte gerichtet hatte, welche jedoch ihm gegenüber nicht eher sich gewierig


13) Grautoff a. a. O. S. 295.
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erklären wollten, als bis auch von seinem Widerparte ein derartiger Wunsch ihnen zu erkennen gegeben sei; das war aber bis dahin noch nicht geschehen. Solcher Mittheilung nach richtete nunmehr Wismar am 3. Februar 1467 die Bitte an die im Recesse benannten Städte, ihre Sendeboten zu dem vom Herzoge auf den Sonntag Reminiscere, Februar 22, angesetzten Tage zu Mittag nach Grevesmühlen abfertigen zu wollen, doch ist allda aus einer Zusammenkunft nichts geworden, und es liegt der Verdacht nahe, daß man durch den Vorschlag jenes Ortes zum Stelldichein, von welchem man wußte, daß die Städte ihn dafür nicht geeignet hielten, nur Frist hat gewinnen wollen, um inzwischen neue Wege zu suchen, den König umzustimmen und ihn zu bewegen, seine Hand von dem Flüchtlinge abzuziehen. Einen neuen Weg schlug man in der Weise ein, daß der Herzog am 12. Februar von Güstrow aus durch einen reitenden Boten ein Schreiben an den Markgrafen Friedrich von Brandenburg, den Bruder der Herzogin und Oheim von König Christierns Gemahlin, abfertigte, in welchem er diesem seinem Schwager eine ausführliche Darstellung der Sachlage gab und ihn ersuchte den König zu bewegen, daß er den Handel vor ihn als Landesherrn weise, der sich so haben wolle, wie sich von Rechts wegen gebühre, oder daß er doch wenigstens die Hemmung der Wismarschen auf ein Jahr wieder aufhöbe, wo er, der Herzog, denn inzwischen dem Könige mündlich darzuthun gedenke, wie die gegen Wismar angeordnete Maaßregel unverschuldet sei. Das Schreiben stellt aber mehrfach die Dinge schief dar und enthält dazu Unrichtigkeiten, welche sich kaum dadurch erklären lassen, daß derselbe nicht am Sitze der Kanzlei ausgestellt ist, wie z. B. die Behauptung, daß Peter Langejohann weder bei dem Herzoge noch bei den Städten um Uebernahme des Schiedsrichteramtes angehalten habe, oder die Andeutung, als wären die Städte dem Rathe feindlich gesinnt. Er, der Herzog, war Peter Langejohann feindlich gesinnt, das leidet keinen Zweifel; unterzog er sich doch persönlich der Mühe den Entwurf zu jener Depesche durchzubessern und verschwor sich schließlich, er werde nun und nimmermehr in die Restitution des ehemaligen Bürgermeisters willigen oder gar sich darum bekümmern, nicht um den Preis von hunderttausend Gulden. Man versprach sich viel von diesem Briefe, doch ist, mag auch immer der Markgraf der Zumuthung gewillfahrt haben, Herr Peter so wenig vor jenen würdigen Richter verwiesen, wie die Hemmung der Wismarschen aufgehoben, und der Rath mußte sich entschließen, weitere Schritte in der vom

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Könige verlangten Richtung zu thun, um die Bürgerschaft nicht noch mehr aufzuregen, als es ohnehin zweifellos der Fall gewesen ist. Die Herren vereinbarten daher mit denen von Lübek, daß eine Zusammenkunft zu Schlutup stattfinden solle, womit der Herzog sich einverstanden erklärte und wozu er den 27. April ansetzte. Der Rath theilte den Lübischen dies alsbald mit und bat außer um Beschickung des Tages zugleich um eine Fürbitte beim Könige, den Arrest auf die Wismarschen Güter, unter denen namentlich drei mit Bier nach Flandern bestimmte Schiffe hervorgehoben werden 14 ), nunmehr, wo sie doch gewiß sich willig zeigten, in seinen Reichen aufzuheben. Dies Anliegen erfüllte man in Lübek und fertigte mit dem Schreiben einen eigenen Boten auf dem kürzesten Wege, nämlich über Warnemünde und Gester, an den König ab. Jetzt aber sein Verbot schon aufzuheben, schien diesem doch zu früh, was einen für den Gang der Verhandlungen freilich wohl vortheilhaften, dem Rathe aber keineswegs angenehmen Einfluß hatte, welchem so sehr um Beendigung des Kriegszustandes zu thun war, daß er schon zwei Tage nach seinem ersten Schreiben wiederum anmahnte, man möge doch ja den Brief an den König ablassen.

Bei so bewandten Umständen wurde denn auch der festgesetzte Tag in Schlutup pünktlich inne gehalten, auf welchem außer den Parteien Herzog Heinrich und die Sendeboten von Lübek, Hamburg und Rostock erschienen, aber man entschloß sich bald, wenn nicht sofort, lieber die Sache in Lübek selbst vor die Hand zu nehmen. Hier sprachen die erkorenen Schiedsrichter ihre Bereitwilligkeit aus zur Uebernahme der Mühwaltung und die Parteien ihre Unterwerfung unter die Bestimmungen in Betreff der Art und Weise des Verfahrens sowohl, wie unter den Ausspruch, den jene thun würden. Der Wismarsche Rath documentirte, daß er die gewählten Schiedsrichter anerkenne. Peter Langejohann solle binnen vierzehn Tagen seine Klage dem Rathe zu Lübek behändigen, welcher dieselbe in acht Tagen nach Wismar einsenden und die Beantwortung wiederum innerhalb vierzehn Tagen erhalten, auch die Copien beider Schriftstücke den anderen Schiedsrichtern zufertigen solle. Dann sei nach mündlicher Verhandlung, wenn solche nöthig, in vier Wochen der Schiedsspruch zu Schlutup oder in Lübek zu verkündigen, dem sie sich unter=


14) Grautoff a. a. O. S. 300.
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würfen, sie möchten erscheinen oder nicht. Die Schiedsrichter sollten Macht haben, die Fristen zu verlängern, und bei Stimmengleichheit solle als Oberrichter der Rath vom Stralsunde sprechen. Den Bestimmungen solle Folge geleistet werden bei einer Pön von 3000 Gulden Rheinisch, halb dem Kaiser und halb dem gehorsamen Parte. Gleichzeitig erklärte der Rath sich bereit, die Sache mit M. Johann Langejohann, wenn diejenige mit dem Vater beigelegt sei, von denselben Schiedsrichtern mit Zuziehung des Propstes von Lübek zur Entscheidung bringen zu lassen 15 ). Conform dieser Versicherung wird auch Peter Langejohann eine ausgestellt haben. Der Herzoge welcher mehrere Tage in Lübek blieb und in der herrlichen Stadt mit seinem Schwager, dem Markgrafen, dessen Schwiegersöhne, Herzog Johann von Lauenburg, den Grafen von Ruppin, Mansfeld und anderen Herren, welche am 2. Mai dort eintrafen, sich gewiß trefflich wohl befand und jetzt die angenehme Seite seines Richteramtes, welches er nach dem Erzählten mit nicht geringem Widerwillen übernommen haben muß, genossen hat, verpflichtete sich am 5. desselben Monats im Burgkloster zur Uebernahme des schiedsrichterlichen Amtes, beziehentlich bei Behinderung durch Krankheit zur Abordnung von Bevollmächtigten, und anberahmte Termin zur Handlung auf den 1. Juni, und zwar in Wismar, wie man inzwischen übereingekommen war. Als die Sache so weit gediehen, ersuchten die Wismarschen Sendeboten die Städte, beim Könige gemeinschaftlich die Aufhebung der Feindseligkeiten zu befürworten, welches auch geschah, während Herr Peter, an den ein gleiches Ansinnen gerichtet wurde, solches vorsichtig ablehnte, obwohl er sich bereit erklärte, nach Beendigung des Handels mit Briefen und Botschaften in aller Weise zu dienen, wie man sie von ihm begehren würde. Bis zu diesem Zeitpunkte vertröstete denn auch der König die Städte mit der Zurücknahme der gegen die Wismarschen angeordneten Maaßregeln.

Am 21. Mai schickte Lübek Herrn Langejohanns Klage nach Wismar und forderte zugleich auf, die nöthigen Geleitsbriefe vom Herzoge zu besorgen. Von diesem aber drohten


15) Am 8. Mai sendete Lübek die vom Rathe unter dem 30. April zu Lübek versiegelte Urkunde zurück, da sich in derselben zwei Löcher gefunden und einige Worte ausgelassen seien, und forderte zur Ausstellung eines neuen Exemplares auf, welches auf gutes, festes Pergament zu schreiben und mit dem Datum des 10. oder 11. Mai zu versehen sei. Die Gründe dafür sollten mündlich mitgetheilt werden.
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Zögerungen zu erwachsen, wenn auch nicht beabsichtigte; er ersuchte die Lübischen Herren den Kläger zu bestimmen, daß er in eine Aussetzung des Termins zur Handlung bis zum 14. oder 15. Juni willige, da um die verabredete Zeit eine Tagefahrt wegen seiner Fehde mit Herzog Ulrich von Stargard gleichfalls stattfinden solle; sei das aber nicht zu erreichen, so werde er rechtzeitig zur Stelle sein. Es war natürlich leicht darzuthun, welche Nachtheile Wismar von einem solchen Hinausschieben habe und wie viel größer sich diese noch in der Folge gestalten könnten. Als aber der Wismarsche Rath selbst, der inzwischen von Lübek wieder an die Geleitsbriefe erinnert wurde, kurz vor dem angesetzten Tage bat, wegen Behinderung des Herzogs den Tag auf den 22. Juni hinauszusetzen, erklärten auch die Lübischen, nachdem Herr Peter seine Zustimmung ausgesprochen, sich mit der Prorogation einverstanden, versäumten aber wiederum nicht bei dieser Gelegenheit wegen der noch nicht erhaltenen Geleitsbriefe Anmahnung zu thun, welche man auch dem Atteste über den Empfang der am 4. Juni in Lübek eingetroffenen Wismarschen Verantwortung sorglich beifügte.

Sonntags, den 21. Juni, trafen nun die Schiedsrichter von allen Seiten in Wismar ein. Der Landesherr kam mit seinem Sohne Herzog Magnus und seinen Secretären Hermen Widenbrügge, Hinrich Benzin und Thomas Rode. Ihm folgten sein Rath Bischof Werner von Bützow mit seinem Kanzler Arnold Mese, so wie von der Mannschaft der Ritter Johann Vieregge, Joachim v. Pentz, Eggert v. Quitzow, Hinrich v. Bülow, Sivert v. Oertzen und Bernd v. Plessen. Rostock sendete den Bürgermeister Gottschalk Buk, den Rathmann Radeloff Toyte und den Protonotar Johann Pickardes. Von Abend aber kamen mit einander die Sendeboten Lübeks und Hamburgs; dorther erschienen die Bürgermeister Hinrich Kastorp und Hinrich v. Stiten, der Syndikus D. Johann Osthusen, der Rathmann Hinrich v. Hacheden sammt dem Rathsschreiber Hans Arendes, von Hamburg der Bürgermeister Hinrich Mürmester und der Rathmann Gödeke Tode, und mit ihnen unter ihrem Schutze kam bis vor die Stadt Herr Peter Langejohann. Zugleich stellte sich auch wegen der etwa vorzunehmenden Sache M. Johann Langejohanns der Dompropst von Lübek D. Diderich v. Kalven ein 16 ). Dieser


16) Nach dem Wismarschen Weinregister ad ann. p. 95 seq. (Jahrb. XXXIII, S. 80) war auch der Prior von Ratzeburg in Wismar, doch tritt derselbe in den Documenten nicht auf. Eine Verwechselung mit dem Lübischen Dompropste ist nicht anzunehmen, denn dessen fnpage Wein ist offenbar in den Ansätzen für die Lübischen mit enthalten. Sollte der Prior etwa der Rechtsbeistand des Wismarschen Raths gewesen sein?
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großen und ansehnlichen Versammlung präsidirte der Herzog, den Ausspruch derselben hat der Lübische Syndicus concipirt.

Klage und Antwort sind uns erhalten. Jene war kurz gefaßt. Es sei bekannt, hatte Herr Peter geschrieben, daß er bis zum 14. December 1463 in Ehren, Ruhe und rechtmäßig ältester Bürgermeister zu Wismar gewesen sei und Haus und Hof alldort in Frieden besessen habe. An dem gedachten Tage aber sei er von der Gesammtheit des Rathes wider Gebühr aus dem Rathsstuhle gedrängt worden und durch Drohungen gezwungen, wider Willen zu resigniren und eidlich und mit Bürgen zu versichern, daß er nimmer deswegen klagbar werden wolle. Dazu habe man ihn im Februar des folgenden Jahres unverschuldet in schmählicher Weise verfestet. Er bitte, daß die Schiedsrichter Resignation, Eide und Bürgschaften machtlos erkennen und ihn wiederum nicht allein in den ruhigen Besitz seines Eigenthums, sondern auch in den Bürgermeisterstuhl einführen möchten, indem er ihnen zugleich die Genugtuung für die erlittene Schmach und den Ersatz seines Schadens anheim gebe.

Allem Ansehen nach ist das Schriftstück von Peter Langejohann selbst abgefaßt, die Antwort des Rathes dagegen, ebenso durch ihre Länge in die Augen fallend, wie die Klage durch ihre Kürze, von einem Römisch=rechtlich gebildeten Manne. Möglicherweise könnte der Rathmann Marquard Langediderik, welcher Baccalaureus beider Rechte war, oder auch der Stadtschreiber M. Gottfridus Perseval - denn bis Mitte des 16. Jahrhunderts fungirten die Stadtschreiber zugleich als Syndici - sie verfertigt haben, wo man sich nicht eines fremden Rechtsgelehrten bedient hat, was am Ende wahrscheinlicher ist. Uebrigens hatte man nicht versäumt Material zu sammeln, um sich gegen Peter Langejohann zu wehren.

Daß Peter Langejohann, entgegnete der Rath, behauptet, er sei in Ehren bis zum gedachten 14. December Bürgermeister gewesen, an diesem Tage aber wider Gebühr aus dem Rathsstuhle gestoßen, ist nicht wahr, und wenn er weiter sagt, er sei durch Drohungen zum Resigniren gezwungen worden, so widerspricht diese Behauptung der vorigen. In der That verhält sich die Sache anders. Erstlich nämlich ist es 1463 um den 17. Juni geschehen, daß Peter Langejohann

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nach Kopenhagen abgeordnet war, um dort die Bestätigung der städtischen Privilegien und Geleite in des Königs Landen, besonders aber für Schonen, bei diesem zu suchen. Nach seiner Rückkehr hat er dann nach gewöhnlichem Brauche vor der ganzen Gemeinde auf dem Rathhause Relation gethan und gesagt, daß die Wismarschen von dem Könige geleitet seien und gleich denen aus den anderen Städten die Schonreise antreten könnten, während doch die Bürgermeister von Lübek ihm schriftlich mitgetheilt hatten, der König wolle uns kein Geleite geben, wie auch Wismar in dem für die Städte ausgestellten Briefe nicht genannt sei. Somit hat er es verschuldet, daß die Bürger und Einwohner von Wismar mit unverwindlichem Schaden von Schonen wieder abziehen mußten, zur größten Schmach für Rath und Stadt, und hat ehrlos und treulos gehandelt. Um aber diese Treulosigkeit zu bemänteln, hat er die Gemeinde auf das Rathhaus gefordert und vor derselben im Rathsstuhle sitzend gesagt, die in Kopenhagen anwesenden Lübischen Bürgermeister, Herr Hinrich Kastorp und Herr Hinrich Lipperade, hätten Geleite vom Könige für Wismar ihm zugesichert; wenn der König ihm keinen Glauben halten wolle, was solle er dabei thun? Ferner: der älteste Bürgermeister hat bei uns auf seinen Rathseid der Stadt Insiegel und Secret, womit er jedoch ohne Bewilligung des Rathes nichts versiegeln darf. So auch Peter Langejohann, der aber seinen Eid aus den Augen gesetzt und in seinem und seiner Freunde Interesse einen von ihm selbst gestellten Brief wegen Schiff und Gut, von Herrn Olafs (Axelssons?) Freunden beim Schagen genommen, ohne Wissen des Rathes versiegelt und an Lübek gesendet hat. Endlich: Peter Langejohann hat im Jahre 1460 unter dem 22. December einen offenen Brief an den Rath zu Assensen aufstellen lassen, besagend, daß Hinrich Warendorp d. ä. und Tidke Malchin, unsere Bürger, eidlich versichert hätten, daß Meienborg, Peter Langejohanns Hausfrau, nächste Erbnahme sei zu dem Nachlasse des in Assensen verstorbenen Hermen Meiger und daß dieselbe Hermen Witterock zur Erhebung der Erbschaft die nöthige Vollmacht gegolten habe; der Rath bitte um dessen Förderung und stehe dafür, daß die Ausantwortung des Nachlasses keinen Schaden bringen solle. Hernach ist aber der leibliche Bruder des Erblassern, Hans Meiger, nach Assensen gekommen und hat seine Ansprüche auf die Erbschaft geltend gemacht, die ihm hat zuerkannt werden müssen, während der mit dem Secrete unserer Stadt versehene Brief zu

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Schanden wurde und es dahin kam, daß man Wismarsche Schiffe zu Assensen mit Beschlag belegte. Am 7. December 1463 präsentirte darauf ein Bürger von dort Namens Hans Sniddeker, Hermen Meigers Nachfolger in der Ehe, einen offenen Brief, welcher sich als Transsumpt des durch Witterock nach Assensen überbrachten Zuversichtsbriefes auswies. Als man den Ueberbringer, welcher während des Lesens abtreten mußte, wieder hereingerufen, erhub sich Peter Langejohann, ging bei jenem stehen und fragte ihn, ob er sich mit ihm in Lübisch Recht geben wolle. Sniddeker erwiderte, er müsse zuvor noch eine Frage thun und wolle wissen, ob der Rath den gelesenen Brief bei Macht theile oder nicht. Darauf gestand Peter Langejohann, daß er allerdings Witterock mit einem Zuversichtsbriefe nach Assensen abgefertigt und Hermen Meigers Erbgut habe fordern lassen, wenn es auch des Briefes nicht bedurft hätte, da es ja bekannt, daß seine Hausfrau Nächsterbe gewesen, und daß er geglaubt habe, Hans Meiger sei längst todt. Diesen habe er, wie das Zeugebuch ausweise 18 ), abgefunden. Zwei Puncte in dem Briefe seien schon abgethan, nämlich das Zeugnis und die Gewährschaft: jenes wie diese seien verjährt 19 ). Als der Rath dann beide Theile auf den 9. Decbr. wieder vorbeschied, bat Sniddeker, daß man auch die Nächstzeugen vorfordere, wogegen Peter Langejohann einredete, es sei keine Weise, wenn ein Zeuge geschworen, daß man ihn hernach noch ein Mal ausforschen wolle 20 ). Inzwischen hat Peter Langejohann vor dem angesetzten Termine, nämlich früh am 9. December, unter Vermittelung der dazu deputirten Rathmannen Meinert Amesford und Johann Krevet sich dahin mit sniddeker vertragen, daß er diesem 500 Gulden in Rheinischem Golde geben solle, nämlich 100 Gulden sofort und den Rest, für den Herr Meinert und Peter Langejohann d. j. Bürgschaft leisteten, wenn Sniddeker ihm das Original des Zuversichtsbriefes und sämmtliche sonst noch existirende Transsumpte ausgeliefert haben würde, wie es denn auch geschehen ist 21 ). Zu den ersten 100 Gulden hat Hans Sniddeker noch ein graues Pferd obenein erhalten. Hinrich Warendorp d. ä. und Tidke Malchin aber haben, wie durch


18) Die Schrift ist vom 15. Juli 1463. Zeugeb. ad ann. p. 101.
19) Dat twe articule in deme breue al doet weren, alse de tuchnisse vnde dat touorsicht, wente dat were ouerlangk gescheen.
20) Zeugenaussage d. d. 1464 (d. i. 1463), Decbr. 30.
21) Zeugenaussage d. d. 1464, Jan. 4.
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ihre in Gegenwart einer Rathsdeputation vor Notar und Zeugen am 30. December 1463 und hernach vor dem sitzenden Rathe gemachten Aussagen festgestellt ist, niemals das Nächstzeugniß abgelegt, die Hausfrau Peter Langejohanns hat zu keiner Zeit Hermen Witterock als Bevollmächtigten bestellt, der Rath hat weder die Erbschaft verbürgt, noch seine Einwilligung gegeben, jenen Brief zu versiegeln. Alles Vorgebrachte läßt sich auf Erfordern mit Briefen, Instrumenten und Zeugen erweisen, wenn auch das, was offenkundig, landrüchtig, was nicht zu verhehlen und was zugestanden ist, keines Beweises bedarf. Wenn Peter Langejohann behauptet, er sei im Februar 1464 unverschuldet auf schmähliche Weise verfestet, so ist das vielmehr mit allem Fug und Recht geschehen seines Ausweichens wegen, um daß er die Bürger auf Schonen verrieth, der Stadt Siegel seinem Eide entgegen auf unbewilligte Schriftstücke setzte und falsche Briefe machte. Wir bitten, so schließt der Rath, daß wir von allen Ansprüchen Peter Langejohanns frei erkannt und wegen seiner Verrätherei, Fälscherei und Eidbrüchigkeit nicht etwa genöthigt werden, ihn auf der Stadt Freiheit, bei Haus und Gut oder gar im Rathsstuhle wieder aufzunehmen, daß man ihn in die Kosten verurtheile und zum Schadensersatze an Rath und Bürgerschaft und ihm endlich ein ewiges Stillschweigen auflege.

Nunmehr begann die mündliche Verhandlung auf Grund dieser Schriftstücke. Aus der Schwere der Beschuldigungen, aus der Größe der Forderungen, aus dem Ungemache, Verdrusse und Schaden, die beide Theile alle die Zeit über ausgestanden hatten, kann man schließen, wie sehr die Parteien erregt sein mußten und welche Mühe es gekostet haben mag, zu Ende zu kommen. Wirklich konnte auch erst am 26. Juni, also nach viertägigem Tractiren der Schiedsspruch verkündigt werden. Derselbe setzte Folgendes fest:

1) Der Rath zu Wismar soll alle wider Peter Langejohann erlassenen Urtheile kassiren. Sind Eide geleistet und Bürgschaften, durch welche diese freundliche Schlichtung zwischen beiden Theilen verhindert werden könnte, so sollen dieselben machtlos sein.

2) Der Rath soll Peter Langejohann wieder in den Bürgermeisterstuhl einnehmen und wie vordem für den ältesten Bürgermeister erkennen, unbeschadet des neuerlich gemachten Statuts, daß das Wort alle halbe Jahr wechseln solle, so daß Peter Langejohann dasselbe nächsten Michaelis erhalten würde.

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3) Peter Langejohann soll sich mit allem Fleiße bemühen, selbst persönlich, falls es nöthig sein würde, daß die Befehdung Wismars, welche der König seinetwegen erhoben, gänzlich niedergelegt werde.

4) Wegen Schaden und Kosten wird der Beschluß zu freundlicher Verhandlung ausgesetzt.

5) Hiemit sollen alle Klagen und Widerklagen, aller Hader und Unwille zwischen den Parteien abgethan sein, so daß keine von beiden, selbst oder durch dritte Personen, die andere bei der im Compromisse festgesetzten Pön kränken und anfallen darf. Peter Langejohann soll der Sache gegen den Rath und dessen Diener nicht weiter gedenken, der Rath nicht gegen Peter Langejohann, dessen Kinder, Freunde und Anhänger. Ueberhaupt verbietet der Herzog männiglich in Wismar bei dem Bürgereide dieser Angelegenheit wegen Jemand mit Wort oder That zu nahe zu treten und will mit dem Rathe diejenigen, welche Auflauf oder Tumult in der Stadt anstiften würden, an ihrem freien Höchsten richten.

6) Endlich bestimmen die Schiedsrichter und zwar mit Zuziehung des Propstes von Lübek, daß, nachdem auch M. Johann Langejohanns Sache in dessen Vollmacht von seinem Vater vor sie gebracht ist, dieser den Sohn bewegen soll, von seiner Klage gegen den Rath gänzlich abzustehen und daß deswegen in Zukunft keine Verfolgung des Bischofs und des Kapitels von Ratzeburg oder des Rathes angestellt werden darf. Dagegen soll dann der Rath den M. Johann mit Beneficien bis zum jährlichen Betrage von 50 Mark versehen.

7) Die Schiedsrichter behalten sich nach Laut des Compromisses vor, entstehende Zweifel bezüglich der Deutung des Ausspruches endgültig zu entscheiden.

Der Rath zu Lübek, welchem man den Ausspruch sofort zur Kenntnißnahme mittheilte, erklärte sich mit demselben vollkommen einverstanden und sendete umgehend ein Schreiben an den König mit der Nachricht von glücklicher Beendigung der Sache zurück, mit welchem zugleich Herr Peter eins abschicken sollte. Der Schiedsspruch wurde durch ein Document der drei Städte, welche an dessen Abfassung betheiligt waren, beurkundet, denn von einer Versiegelung durch den Herzog sah man ab, als der Secretär Thomas Rode die unverschämte Forderung von 50 Gulden für dieselbe stellte und bei Verhandlung deswegen nicht mehr als 10 Gulden ablassen wollte, obschon er bei dem Ausspruche Nichts gethan hatte. Auf des Herzogs unwillige Erkundigung in Lübek nach dem Grunde

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für seine vermeintliche Hintansetzung und sein Verlangen, die Städte sollten nicht vor ihm versiegeln, theilte man ihm den Sachverhalt mit und fügte hinzu, daß, wenn sein Secretär mit 10 oder 12 Gulden zufrieden sein wolle, die Wismarschen diese wohl daran wenden möchten; man könne ja dann ein Exemplar mit dem Siegel des Herzogs und denen der Städte versehen 22 ).

Der König antwortete von Sylvesborg in Schonen auf die Nachricht von Beilegung der Sache und die Bitten um nunmehrige Wiederaufhebung der Hemmung der Wismarschen. Es freue ihn, so schrieb er, daß man Peter Langejohann, den braven Mann, der so unrechtfertig gegen Gott und alles Recht gekränkt und gequält worden sei, in Wismar wieder eingenommen habe. Wenn er, der König, auch bei manchen Leuten daselbst viel übele Nachrede und Widerwillen erfahre wegen seines Einschreitens, so habe er doch nur um Gottes und des Rechtes willen der Sache sich angenommen. Den geschehenen Fürbitten gemäß sollten jetzt alle Maaßregeln gegen die Wismarschen aufgehoben sein und deren vorige Rechte und Privilegien wieder in Kraft treten, vorausgesetzt daß sie den Schiedsspruch genau beobachteten. Seine persönlichen Ansprüche an dieselben sollten bis weiter auf sich beruhen bleiben und könnten gelegentlich durch seine Räthe und Lübek festgestellt werden. Diese Nachricht gab Lübek am 22. Juli; es war die höchste Zeit, denn S. Jacobi Tag, die Schonreise, war vor der Thüre.

Es ist oben bereits hervorgehoben worden, von wie eminenter Bedeutung der Verkehr auf Schonen für die Wendischen Städte war und daß auf ihm zu einem großen Theile der Wohlstand demselben beruhte. Da dieser aber wiederum die Macht der Städte bedingte, so hatten sie alle mit einander das größte Interesse, die Quellen der Prosperität Wismars im Flusse zu erhalten und darauf hinzuarbeiten, daß die Leistungsfähigkeit dieses Bundesgliedes nicht in Abnahme gerathe, was außer durch längeren Ausschluß vom Nordischen Geschäfte auch durch innere Unruhen zuwege gebracht werden konnte, die aus Anlaß des nahrungslosen Zustandes gewiß mit Recht befürchtet werden durften. Um also möglichst bald die Wismarschen aus ihrer übelen Lage


22) Thomas Rode (welcher zwanzig Jahre später als Probst zu s. Jacob in Rostock ein gewaltsames Ende nahm) schickte ein versiegeltes Exemplar ein und erklärte sich mit allem zufrieden, wenn es nur mehr sei, als die gebotene Summe. Im Wismarschen Archive findet sich dasselbe nicht mehr.
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zu befreien, haben die Städte ohne Zweifel darauf bestanden, daß nur Klage und Antwort in Schriften verfaßt, hernach aber durch mündliche Verhandlung die Sache zu Ende geführt werden sollte, weil eben eine solche dieses am schnellsten zu bewirken geeignet war. Auch der Herzog wird damit einverstanden gewesen sein, daß derjenige Weg eingeschlagen wurde, welcher der kürzeste zu sein versprach, da ihm aus diesen Dingen Verdruß und Aerger hinreichend erwachsen waren, als daß er eine längere und, wie er wohl sah, fruchtlose Beschäftigung mit denselben hätte für wünschenswerth halten sollen 23 ). Der Kläger hat zweifelsohne bereitwilligst in das beliebte Verfahren eingewilligt, schon deshalb, weil ein solches seiner gewiß nahezu unerträglichen Lage am frühesten ein Ende scherte. Der Rath aber wird sich vermuthlich gesträubt haben, ehe er sich zur Zustimmung bequemte, denn wenn er auch nicht geringe Verlangen tragen mochte, daß die Mühe und Noth, die Arbeit und die Kosten, welche diese Geschichte mit sich gebracht hatte, ein Ende nähmen, und so sehr er auch wünschte, daß die Wismarsche Flagge wieder freie Fahrt hätte, und seinen Bürgern der Nordische Markt nicht länger verschlossen bliebe, so wird man sich doch gesagt haben, daß im Falle des Unterliegens der Widerpart um so früher wieder eingenommen werden müsse, je kürzer die Procedur sei. Konnte man einem solchen Ausgange derselben entgegensehen?

Wenn sich nicht verkennen läßt, daß das Verfahren, wie man es zu Lübek beliebte, im Allgemeinen den Interessen der Betheiligten allseitig entsprach, so können wir Nachkommen, denen es um Erforschung der Wahrheit zu thun ist, doch nur beklagen, daß man nicht durchweg mittelst Schriften verhandelt hat, oder daß nicht wenigstens ein Protokoll über die Verhandlungen zu Wismar erhalten ist, durch welches uns die Möglichkeit gewährt würde, zu einein sicheren Urtheile über das Verhältniß des Thatbestandes zu dem abgelassenen Ausspruche zu gelangen, und aus diesem Grunde, wenn


23) Der Lübische Chronist, Grautoff a. a. O. S. 305, berichtet: Ok was deme hertoge gelovet ene summen geldes, wen de borgermester wedder inqueme, de moste me eme geven altohant, er he uthe der stad schedede. Wäre das richtig, so stünde die Förderung des schleunigen Verfahrens durch den Herzog außer Zweifel, aber daß der Rath dies versprochen, ist doch nicht möglich und von Peter Langejohann mehr als unwahrscheinlich. Glaublich ist aber allerdings, daß der Herzog eine Entschädigung für seine Bemühungen überhaupt gefordert und erhalten hat.
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überall die Meinung der Nachwelt von Werth ist, entspricht die Art und Weise, wie man verfuhr, so wenig dem Interesse der Parteien wie dem der Richter. Wenn der Rath angab, daß der älteste Bürgermeister die Versiegelung von Urkunden, also auch der Zuversichtsbriefe, nur nach vorheriger Autorisation des gesammten Rathes habe anordnen dürfen, so verdient diese an sich schon glaubliche Behauptung volles Vertrauen um so mehr, als seit 1370 die Bürgschaften für Zuversichtsbriefe regelmäßig in das Zeugebuch eingetragen sind. Daß Herr Peter Langejohann aber keine Ermächtigung für seinen Brief nachgesucht hat und diesen nicht hat verbürgen lassen, ergiebt das Fehlen einer bezüglichen Inscription am gedachten Orte, und daß er einen falschen Zuversichtsbrief nach Assensen geschickt, kann doch nach dem Atteste der dortigen Rathmannen und der Aussage der angeblichen Nächstzeugen wohl kaum in Zweifel gezogen werden. Bezüglich des Schreibens wegen eines genommenen Schiffes liegt Näheres nicht vor, und was das Geleite für Schonen anlangt, steht dem Wismarschen Rathe wenigstens der gute Glaube zur Seite, da ein Hauptzeuge, der mit als Schiedsrichter fungirende Bürgermeister Kastorp von Lübek, noch am Leben war. Der gute Glaube des Rathes kann überhaupt schwerlich verdächtig sein. Herr Peter sagt selbst, daß die Gesammtheit des Rathes wider ihn gewesen, und unter diescr befand sich auch sein eigener Schwiegersohn, der, wäre er nicht gleichmäßig von der Unrechtfertigkeit des Bürgermeisters überzeugt gewesen, doch jedenfalls wohl dem Rathsstuhle entsagt haben würde. Immerhin verträgt sich mit der Annahme, daß die Rathmannen Herrn Langejohann für schuldig hielten, die eifrige Bewillkommnung des Anlasses sich seiner zu entledigen von Seiten derjenigen unter ihnen, welche jenem vorzugsweise gram waren und durch Zwischenträgerei schon früher das Zerwürfniß zwischen dem Landesherrn und ihm herbeigeführt hatten, während es solcher feindseligen Gesinnung wiederum nicht zuzuschreiben ist, wenn man dem Angeklagten die Rechtfertigung vor der Bürgerschaft abschlug, da der Stapel oder das Gericht der Ort war, wo die Sache von Rechtswegen zum Austrage hätte kommen müssen. Trifft also bis hieher den Rath allem Ansehen nach in keiner Weise ein Vorwurf, so hat derselbe allerdings dadurch dem Rechte zu nahe gethan, daß er noch ein peinliches Verfahren gegen Herrn Peter anstrengte, nachdem dieser bereits resignirt hatte, denn ohne Zweifel hat gegen seinen Verzicht der Rath ihm Schutz und Schirm als Bürger zugelobt, wenn wir

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auch kein anderes Zeugniß dafür besitzen, als dasjenige Herrn Peter Langejohanns selbst. Der Rath hat das freilich wohl nicht erkannt, denn anders würde er sich kaum geweigert haben, die freundlich angebotene Vermittelung der Lübischen oder der Städte insgesammt anzunehmen, und es ist mehr als glaublich, daß seine in ihren Folgen so verderbliche Weigerung sich darauf einzulassen der Verblendung entsprang, wie sie leidenschaftlicher Widerwille gebiert. Erscheint mithin dasjenige, was vorliegt, zu dem Schlusse berechtigend, daß die Anklagen gegen Herrn Peter thatsächlich begründet waren und daß demselben vom Rathe nur formell Unrecht zugefügt worden ist, so ist es schwer zu verstehen, wie die Schiedsrichter einen Auspruch thun konnten, welcher die Forderungen des klagenden Partes von Anfang bis zu Ende befriedigte. Der Wunsch, die Sache beizulegen, um Unruhen in Wismar vorzubeugen oder den Handel der Stadt wieder frei zu machen oder die Rücksicht auf die Protection, welche Herr Langejohann beim Könige gefunden, scheinen doch kaum zur Erklärung des Widerspruches zu genügen. Ersterer konnte nicht so groß sein, um darum den einen und, wie es doch scheint, wesentlich unschuldigen Theil mit höchster Gefährdung seines Ansehens in der Stadt und nach Außen gradezu niederfällig zu erklären, und den königlichen Schutz anlangend, so waren, heiligte damals auch schon in der Politik die Mittel der Zweck, Macht und Freiheitssinn der Hansischen Republiken in jenen Tagen doch noch nicht so weit heruntergekommen, daß sie schweifwedelnd vor der Gewalt um des Geschäftes willen gekrochen wären. Es bleibt daher kaum etwas übrig als anzunehmen, daß Herr Peter bezüglich der ihm zur Last gelegten Vergehen solche Erklärungen zu geben vermochte und derartige Entschuldigungen vorzubringen im Stande war, welche mit Berücksichtigung des ungehörig gegen ihn verhängten peinlichen Verfahrens eine völlige Wiedereinsetzung in seine vorigen Ehren gestatteten, ohne das Rechtsgefühl der Bürger zu kränken, ohne Beeinträchtigung der Autorität des Rathes, ohne Gefahr für das künftige Verhältniß zwischen dem Bürgermeister und den ihm bisher feindlich gegenüberstehenden Rathmannen, endlich ohne Schaden für die Ehre der Schiedsrichter selbst. Man wird sich um so mehr dazu verstehen können, auf solche Weise die anscheinende Schuld und die völlige Restitution mit einander in Einklang zu bringen, wenn man sich erinnert, daß der Bürgermeister zunächst vor der Gemeinde und hernach vor den Lübischen Herren oder den Städten sich zu rechtfertigen

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bereit war, denen doch das Iteresse des gesammten Rathes näher lag, als das eines einzelnen seiner Mitglieder, wenn man seinen guten Ruf nicht bezweifeln darf, der ihm so wohlwollende Aufnahme in Lübek und freundschaftlichen Antheil nah und fern verschaffte, und endlich das Urtheil des Lübischen Chronisten, des Zeitgenossen, berücksichtigt, welcher gradezu sagt, Herr Peter sei mit Unrecht vertrieben und habe nachgewiesen, daß er ohne Schuld sei 24 ). Die Dänische Unterstützung und die gute Meinung von Herrn Langejohann, welche König Christiern in seinem Schreiben an den Tag gelegt hat, durch welches er die Aufhebung der Feindseligkeiten gegen Wismar notificirte, können freilich kaum für den Angeklagten in Bezug genommen werden, denn wenn jener selbst auch den Schutz, welchen er diesem hat angedeihen lassen, als Pflicht eines christlichen Königs erklärt, und der vorhin gedachte zeitgenössische Chronist Christiern als einen sanftmüthigen, milden, gnädigen Herrn rühmt 25 ), so dürfte doch wohl das Bestreben, die Dänische Macht im weitesten Umkreise zur Geltung zu bringen, Hauptmotiv für ihn gewesen sein, als er sich des vertriebenen Bürgermeisters annahm, was eine persönliche Theilnahme an demselben übrigens ja nicht ausschließt.

Nach erlassenem Schiedsspruche ist Herr Langejohann wahrscheinlich alsofort wieder auf seinen alten Platz im Rathsstuhle geführt worden, nachdem er drei und ein halbes Jahr mit zäher Ausdauer um die ihm genommenen Ehren gelitten und gerungen hatte. Von seinen einmaligen Genossen im Bürgermeisterstuhle lebte nur noch Bernd Pegel, während Olrik Malchow, Diderik Wilde und Meinert Amesford hinzugekommen waren, so daß es jetzt fünf Proconsuln gab. Von den Rathmannen hatte er mit sieben noch zusammen gesessen, während zehn andere nach seiner Resignation hinzugewählt waren. Wenn wir zu dem Resultate gelangt sind, daß Herr Peter die gegen ihn erhobenen Anklagen mehr oder minder hat entkräften können, so wird diese Zusammensetzung des Rathes fördernd eingewirkt haben, daß sich sein Verhältniß zu den Amtsgenossen wiederum freundlich gestaltete und Vertrauen zurückkehrte, zumal wenn etwa diejenigen fehlten, welche sein Exil herbeigeführt hatten.

So ganz glatt sind aber die letzten Jahre Herrn Peter Langejohanns auch nicht verlaufen. Er war anrathig und


24) Grautoff a. a. O. S. 304.
25) Ebd. S. 429.
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fast wäre es noch einmal dazu gekommen, daß der Dänische König seinetwegen Zwangsmaaßregeln gegen Wismar angeordnet hätte. Wie wir gesehen haben, wurde nicht allein die Sache des Bürgermeisters vor den Schiedsrichtern beigelegt, sondern auch diejenige M. Johanns und dabei dessen Zuspruch zu Bischof und Kapitel von Ratzeburg für todt erkannt. Solche Entscheidung scheint jenem aber, der 1468, Juni 29, vom Wismarschen Rathe als "nunmehr Propst zu Ratzeburg" bezeichnet wird, nicht befriedigt zu haben und er hat demgemäß fortdauernd Ansprüche gegen das Kapitel geltend zu machen gesucht, so daß sich in dessen Interesse Herzog Johann zu Lauenburg wiederholt und namentlich noch im Mai 1469 an den Rath mit der Zumuthung wendete, derselbe möge doch Herrn Peter nöthigen, daß er seinen Sohn zum Verzichte auf seine Forderungen dem Kapitel gegenüber veranlasse. Das wird vom Rathe aber ohne Zweifel abgelehnt sein, und hat der Streit nicht allein überhaupt, sondern auch mit Betheiligung des Bürgermeisters weiter angedauert. Am 21. September 1472 schrieb Herzog Heinrich von Lübek aus, Herr Peter Langejohann habe Johann Wartberg, den Ratzeburger Propst, von wegen seines Sohnes "überfallen und ungewöhnliche Execution" wider denselben verhängt; die Sache beruhe auf purem Hasse und möge doch der Rath dafür sorgen, daß sie den Propst in Ruhe ließen. Der Rath konnte unmöglich mit Erfolg etwas dabei thun, aber doch stellte auch König Christiern im folgenden Jahre im April an ihn wie an die Bürgerschaft ein gleiches Ansinnen. Seit lange, schrieb er, sei Krieg um die Propstei zwischen Johann Wartberg, der sich im Besitze befinde und M. Langejohann. Jener habe sich durch Vermittelung der Herzoge zu Lauenburg und zu Meklenburg oftmals zu einem Vergleiche erboten, werde aber trotzdem von seinem Widersacher fortwährend mit päpstlichen Breven und mit Bann beschwert, obschon letzterer außerhalb Klosters sei und schwerlich gedenke, den Habit anzulegen, während jener in der Klausur lebe und die Wahl des Kapitels für sich habe. Ihm scheine billig, daß M. Johann einen Vergleich eingehe, und möge man den Bürgermeister anhalten, daß er seinen Sohn zur Annahme eines solchen bestimme, sonst habe die Stadt zu gewärtigen, daß ihr selbst Uebeles erwachse, was freilich ihm, der aber auf die gedachten Fürsten Rücksicht nehmen müsse, sehr leid thun würde. Herr Langejohann hat dazu geantwortet, daß er wohl sein Bestes versuchen wolle, daß aber ein Mißlingen seiner Bemühungen doch ihm nicht

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zur Last gelegt werden könne, da er ja seinem Sohne nicht zu gebieten habe. Dem Könige kann das Triftige dieser Entschuldigung nicht entgangen sein und hat er ohne Zweifel seine Drohung nicht zur Ausführung gebracht; Spuren neuer Hemmung der Wismarschen haben sich wenigstens bis dahin nicht gefunden. Höchst wahrscheinlich ist ein Vergleich doch zwischen 1473 und 1478 zu Stande gekommen, denn am 30. Juli 1473 dankt Johann Wartberg dem Wismarschen Rathe für Bemühungen in seinem Interesse, spricht aber noch von einer in Verhandlung begriffenen Sache, in Betreff deren er einen Boten aus Rom erwartet, im Jahre 1478 aber wird M. Johann als Dekan zu Schwerin genannt 26 ), lebte noch 1502 und starb vor 1505, da in diesem Jahre ein anderer Dekan erscheint 27 ).

Herr Peter Langejohann selbst verschied 1475 am 31. August. Von seinen beiden verheiratheten Söhnen scheint Peter ohne Erben früh gestorben zu sein, Hinrich aber hinterließ einen Sohn Namens Peter und zwei Töchter Dorothea und Gesche, für welche der Vaterbruder, der Vicar Jacob 1488 als Vormund auftritt; sie verkauften 1496 an den Rathmann Brand Smidt die Mühle zu Steffin, eine Windmühle vor dem Meklenburger Thore und 15 Morgen ebenda neben dem Acker des Klosters Doberan. Ueber Gesche ist Nichts weiter aufbewahrt, Dorothea aber verheirathete sich mit Hans v. Eixen, dem sie zwei Söhne gebar, Hinrich, den späteren Rathmann, und Hans, und zum zweiten Male im Jahre 1503 mit Merten Kran, Bruder des Tempziner Präceptors Johann Kran, welcher 1524 als Bürgermeister starb. Ihr Sohn aus dieser zweiten Ehe, Hans Kran, ließ sich in Hamburg nieder. Sie selbst starb 1544. Ihr Bruder Peter Langejohann, der in keiner Weise hervortritt, lebte noch 1538. Dieser beschloß das Geschlecht, welches bei den Grauen Brüdern seine Grabstätte hatte, über der man noch im Jahre 1603 dessen Helm und Schild aufgehängt sah. Letzterer, gespalten, hatte vorne ein halbes Kammrad an der Theilung, hinten eine halbe Lilie ebenso (auch umgekehrt), und auf dem Helme wuchs über der oberen Hälfte eines Kammrades eine Lilie empor. Ein Grabstein mit diesem Wappen findet sich noch heute, vielleicht aus der demolirten Kirche des Grauen Klosters dorthin versetzt, zu S. Nicolai, doch beziehen die Inschriften desselben sich nicht auf die Familie des Herrn Peter Langejohann.


26) Schröders P. M. S. 2291.
27) Ebd. S 2761.
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Beilagen.


I.

Peter Langejohann an den Prior zu Wismar.

(Lübek), 1464, Februar 20.

Deme ersamen heren priggere tor Wismer to den swarten broderen vruntliken geschreuen.

Vruntliken grote to vorn, oft ik wes gudes vormochte, also ik nv tor tit leider nicht en kan, wo doch, so wil ik myne hopene selten to dem alweldegen gade, deme nin dink vnmogelik is, wente he alle horte wol kent vnde alle vorborgen dink sint em apenbar, darvmme he wol wet, wo my desse dinghe byvieghen sin, vnde wil dat setten to siner alweldicheit, dat ik nyweride wene hebbe vorraden. Got geue, dat se it jo beruwen in dessen hilgen tiden. Aldus, leue her priger, so wetet, dat ik van gades weghen sunt vnde wol to reke bun, vnde, wen ik dat van iw des gehken to wetende krighe, dat ik my des sunderghen vrouwe, wente gi jo alle weghe myn gude vrunt geweset hebben, vnde begere des vruntliken vort an, wente in noden is de vruntschop altit best bekant, dar ik ok nicht ane twiuele, wente it is nv de tit, dat me wol vele dinghes in den besten vortsetten kan vormiddelst guder vnderwisinghe der lůde van iw vnde van den rennen, dede iuweme clostere dar mogen tu v denen, de ik hape myne guden vrunt to wesende, vnde beger van iw de vruntliken to grůtende van myner weghen etc. Item, leue her priger, so kan ik dat nicht laten, ik mut iw vurder myne not claghen, wente gi al dink wol gehort hebben, wo ik my vorbot vor den borgeren vnde amten. It hadde wol biddelik(!) gewesen, hadde em(!) do vp my wes geschelt, dat se it do geclaget hadden, men do de menheit wege

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was, der ik doch nummer to vullen danken kan, moste ik afbidden ofte in de slote gan. Do it anders nicht werden en konde, do moste ik vnder twen argen dat beste vtkesen. Des ik wol to vreden stan hadde, men den groten louen, den se my do seden vor mynen kinderen vnde vrunden, se wolden my to like vnde rechte vordegedinghen vor eren borger, vnde seden my vůrder, ik scheide vredesam bliuen by den mynen. de[s] anderen dages leten se vorbaden in my[nem] afwesende vp dat hus de jennen, de em(!) bequeme weren, also Ganskouwen vnde sin gelike, vnde seden my do auer, wes se wolden. Se scholden my dar tů vorbadet hebben vnde hebben my dar enjegen hort myn antwerde. Dat hadde sik wol behort. Dar en bauen leten so my suken to hus vnde haue myt kulon vnde speten, also dat ik gewarnet wart, dat ik van den mynon moste wiken. Dat was de loue, den so my tu socht hadden. Dar en bauen loten so my esschen in dat recht vor einen vorrodor vndo velschener vnde vor enen mennedor, dat so doch alle wol weten, de in deme rade sin, dat it nicht war en is, wente wen ik sodane en man wolde weset hebben, ik wolde dat vmme der stat willen nicht geleden hebben, dat ik gedan hebbe. Ik hebbe lif vnde gut gewaget vmme der stat willen, vp dat se by eren vnde by reddelicheit mochte bliuon vnde by eren rechticheiden, dat al man wol wet. Darvmmo moget se sik wol schemen, wen it kumpt vor ander lude. Worvmme kamet se hir nicht to Lubeke? Hir is ok jo Lubesch recht. Ik wil hir eneme jewelken to rechte stan vnde bun hir vngeleidet. Got vergeldet hir den vramen luden, se weten nicht, wat se my to vruntschop doen willen. Se latet sik hir des nicht dunken, dat ik en vorreder bun van godes gnaden. De menheit kent my ok wol tor Wismer, darvmme scholt se deme sproke genuch doen, also me secht, he spigget nicht verne, de vp sinen egen bart spigget. Leue her prigger, nemet dyt to nyme vnwillen vnde weset myn vrunt, also vorschreuen steit. Got spare iw lange to syme denste. Geschreuen des ersten mandages in der vasten int jar LXIIII.

Pe. La. Jo.

Auf einem halben Bogen Papier im Wismarschen Raths=Archive. Das Siegel ist weggebröckelt.


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II.

Peter Langejohann an den Ritter Eggert Frille.

Lübek, (1464), April 8.

Deme erwerdeghen gestrenghen ritdere her Eggert Vrillen vruntliken geschreuen.

Vruntliken grote to vorn. Leue her Eggert Vrille, besunderghe gude vrunt. Ik du iuwer leue gutliken weten, dat en tu my quam vmme sunte Mertens dach vten vnde brochte my enen bref, den iuwe erwerdicheit hadde vt gesant van Hans Snidkers weghen, wente Hans Sniddeker haddene eneme anderen dan, de ene my doen scholde. Do ik den bref gelesen hadde, do vragede ik deme, dene my dede, wer he kortliken wedder wech wolde. Do sede he my, des anderen daghes. De sulue want ok jo to Assense, also my berichtet is. Des schref ik iuwer leue darvp vnde sende em. den breff des suluen auendes in sine herberge, dar se beide to hus weren. Aldus is my in kort to wetende worden, dat he den bref heft vndertagen, dar he wol wes vmme wert were. Deit he iw dat, so dort ik my des nicht tuten, wes he my gedan heft. Dar gi dat wusten vor war, wo he hir gelt van my krech vnde wo he hir sede, wat he iw al geuen vnde gelauet hedde vnde iuwer husvruwen, des en loue gi nummer mer. Myt siner schalkheit, dat to lank to schriuende were, heft he gemaket, dat ik van den mynen wiken moste van walt weghen, wente he sik vluch by dejennen, dede my den vnwillen makeden in vortiden myt vnseme gnedegen heren van Mekelenborch, dat iw en dels wol witlik is, vnde sint myne egene kumpen des rades. Ik wolde dar wene tu iw sent hebben, de iw al dinck scholde berichtet hebben, des ik iw altomale nicht schriuen en kan. He heft my so ouele handelt myt siner schalkheit, dar vmme, leue her Eggert, latet em jo nicht beholden. Ik en mach nicht euer em clagen, ok clage ik nicht, men dat ik it iw witlik du also eneme guden vrunde, wente he heft my also gedan myt den anderen schelken, dat ik nv heren vnde stede to neten mut, schal ik wedder kamen by dat myne. Ik hebbe my vorbaden vor vnseme gnedegen heren vnde vor den sieden to lik vnde rechte. Ik bun vnderwilen by myme gnedeghen [heren] van Mekelenborch [ghe-

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wesen], de heft my myt mynen sons vnde vnsen guderen veleget vnde leidet, so verne sin gebede is, vnde sine gnade wil my vordegedinghen to lik vnde rechte, vnde ok de stede. Myt der menheit tor Wismer bun ik van gades gnaden wol ens, den schelt nicht vp my, men in deme rade etlike, de it my doen van oldeme quaden hate, des iuwe leue noch wol tor warde kamen schal, oft got wil. Leue her Eggert, aldus heb ik iw en clene schreue(n) van den beddermanne Snideker. Nv wil ik iw en clene schriuen van Hans Meygere, wo de by my dede vnde dan heft. In den tiden also Hans Meyger wedder to lande quam, do quam he tu my in myn hus tor Wismer. Do sede ik em, dat sin broder in got vorstoruen were, vnde vragede em, wer he [so] lange weset hadde, wente it were en mene ruchte weset in den riken, dat he vorstoruen were. Ok was Hermen Meiger seieger dechtnisse hir tor Wismer vnde sede it vor war, dat he enkede tidinghe dar van hadde, dat he dot were. Aldus sede ik do Hanse, dat ik maninghe dan hadde sines vorstoruen broders wife, wo he it dar vmme holden wolde. Do sede he my, wes ik darby gedan hadde, dat wolde he so mechtich holden, oft he it suluen dan hedde, vnde stunt alles dinges wol to vreden vnde dankede my vruntliken. Do gaf ik em sin gelt vnde siet ene vruntliken van my. Do dat gesehen was, do gink he myt my vor de borgermester vnde vorlet sines broder wif vnde eren eruen aller maninghe vnde tusprake quit, leddich vnde los van des erfgudes weghen vnde wolde dar nicht mer vp saken vnde vorlet my des geliken vnde vordroch my des ok gensliken in jegenwerdicheit der borgermester. Dat leten do de borgermester schriuen in der stat buk in jegenwardicheit Hans Meygers, dat wil ik noch bewisen myt der stat buk, vnde myt den borgermestern. Dar mede slete wy vns vruntliken. So hebbe ik sodde[r] vorvaren, dat em Hans Sniddeker breue sende vnde let ene tu sik esschen vnde hebben myt vorsate vnde schalkheit alsulke vpsate gemaket tegen my. It hadde sik wol gebort, do Hans Meiger Hans Sniddeker dar anlangede, dat he bodeschop by my hat hadde, ik wolde ene wol van schaden holden hebben. Aldus, leue her Eggert, so hebbet se erer schalkheit beyde gebruket, vnde bidde iw vruntliken, dat vmme reddelicheit vnde ere willen, dat gi em jo nicht en laten den beiden schelken. Se weren wert, dat me se to der stupe sluge. Se hebben my ouel handelt. Sit gade al-

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mechtich beualen. Got spare iw lange sunt. Geschreuen to Lubeke VIII dage na Paschen.

Peter Langejohan, iuwe denre.          

Nach einer vom Originale im K. Archive zu Kopenhagen genommenen und vom Herrn Dr. Wegener, Conferenzrath und Geh. Archivar, beglaubigten und mitgetheilten Abschrift.


III.

Herzog Heinrich versichert Bürgermeister und Rathmannen zu Wismar seinen und seiner Söhne Beistand gegen Peter Langejohann.

Wismar, 1464, April 13.

Wii Hinrik, van godes gnaden Hertoghe to Mekelenborch, Furste to Wenden, Greue to Zwerin, der Lande Stargarde vnde Rostzke here, bekennen opembare befugende vor vns, vnse Sones Hertogen Alberte, Johanne, Magnusse vnde Baltasare vnde vor alszweme, Woll dat wii in vorledenen tiden Peter Langejohanne, hiir vorma e ls Borgermestere vnser Stad Wismer, in synen rechtuerdigen zaken, efft he welke hadde, nicht afftholiggende jegen de vnsen van der Wismer gelouet vnde etlike vorsekeringe gedan hadden, also hebben vns nv woll zodder den tiden de Ersamen vnde Wiisen vnse leuen getruwen Borgermestere vnde Radmanne der obgenanten vnser Stad Wismer opembaret vnde to irkennende geuen, wo de sulue Peter Langejohan etlike zware mysdade gedan hebbe, Dar vmme he vort vth der suluen vnser Stad sii geweken vnde sy vort vmme zodane zine mysdade na vnser Stad rechte vnde gesette nach wonliken achten vnde rechtdagen vor Gerichte geeschet vnde sy doch nicht vorgekomen, also recht is, men in sodanen synen mysdaden na Lubeschen rechte vnuorantwordet gebleuen, vnde sy vort na Lubeschem vnde vnser Stad wonlikeme rechte voruolget, vnde na rechtes vthsproke vredelos gelecht vnde voruestet etc. Dar vth wii denne dessuluen Peters vorbringinge vnvast vnde vnwarafftich hebben irkent to wesende. Also hebben ze vns vorder odmodigen angefallen vnde gebeden, wii en in sodanen eren zaken ere recht, dar ze van vnsen zelgen

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vorelderen vnde vns mede bewedemet vnde priuilegieret zint, to beschermende vnde se mechtich to beholdende, Ok mede to betrachtende, efft de sulue Peter Langejohan myt welker wyse zik weder in vnse Stad drengen wolde, dar grot vorderff vnde vornichtinge vnser Stad Borgere vnde Inwonere van entstan vnde komen mochte, van zulker weldiger indrenginge wegene bystendich wesen willen, vnde en alsodaner weldigher indrenginge vnde inkomynge wedertostande myt werken vnde scriifften behulpen vnde gudwillich wesen willen etc. Hebben wy myt vnsen Rederen dyt alle woll ouerwegen vnde vns des rypes rades gebruket vnde entliken vortastet, bespraken vnde beslaten, Also dat wy nach sodaner vnderwiisinghe vnde naturlikeme rechte de vnsen nicht mogen effte en willen vorlaten, men wy myt vnsen sones vorbenomet allewege en in dessen eren rechtuerdigen saken, so furstlick vnde naturlik ys, bistendich vnde behulpen zyn vnde en ere recht, rechticheide, priuilegia, Stad willekore vnde wonheide beschermen vnde in macht beholden willen helpen, vnde en steit vns nicht to donde Peter Langejohanne vorbenomet in sodanen saken bytoliggende, men wy myd vnsen sones vorbenomet moten vnde willen den vnsen vorbenomet in dessen eren saken bystendich zin vnde nicht Peter Langejohanne vorbenomet to zulker weldiger indrenginge vnde inkomynge staden, men en dat helpen keren vnde weren na all vnseme vormoge. Vnde wert, dat se van dessuluen Peters Langejohans wegene van Fursten, Heren edder Steden to dagen gedrungen edder esschet worden, so willen wii suluen edder vnse sones myt en to legelker stede to deme dage ryden edder vnse Redere dar to schicken vnde ouer ereme rechte vnde degedingen stan edder vor ze schryuen, wenner ze dat van vns esschen, wo en dat best vnde beqwemest dunkel wiesen, vnde ze vnde ere nakomelinge in dessen vorschreuen stukken vnde zaken nenerleye wiis vorlaten edder ouergheuen. Alle desse vorbenomeden stukke vnde artikele desses breues vnde en islik by sick louen wii Hinrik, Hertoghe vorbenomet, vor vns, vor vnse sones, Hertogen Alberte, Johanne, Magnusse vnde Balthasare vorbenomet, vnde vor alszweme den Ersamen vnsen leuen getruwen Borgermesteren vnde Radmannen vnser Stad Wismer vorbenomet vnde eren nakomelingen an guden truwen stede vnde vaste to holdene sunder irhande geuerde edder argelist. In groter tuchnisse aller vorscreuen dinge hebben wii Hinrik, Hertoge

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vorbenomet, vnse Ingesegel mit gantzer wisschop hengen heten an dessen breff. Ok hebben hiirmede an vnde ouer wesen de Erbaren vnde duchtigen vnse leuen getruwen Radgheuere Bertold Berthe, knape, wonachtich to Rambowe, Her Hinrik Bentzin vnde Thomas Rode. Gegeuen vnde schreuen tor Wismer na der bord vnses heren Jhesu Cristi Dusent veerhundert dar na in deme veer vnde sestigesten Jare amme Frygdage negest na deme Sondage, also men in der hilligen korken singet Quasimodogeniti.

Nach dem Originale auf Pergament im Wismarschen Archive. An einem Pergamentenen Bande hängt das (schlecht ausgedrückte) Siegel des Herzogs mit einem Helme über dem Meklenburgischen, Rostocker und Schwerinschen Schilde und mit zwei Schildhaltern.


IV.

Metke, des Rathmanns Hans Krevet zu Wismar Hausfrau, an Bürgermeister Peter Langejohann in Lübek.

(Wismar, 1464), September 22.

Deme ersamen her Peter Langejohan to Lubeke.

Weten schole gy, leue vader, dat ik w breef vol vornamen hebben van . . . . enschen. Item, so wetet, dat vnse heren dallyge in samende to II to hu v s qweme vnde hedden to heren weset, men, also ik vul vorfare, se hebben jo nen goden troste kregen. se helden it so hemelik, do se qwemen. Item, so hebben se Tanken hir wedder in namen. Item, de persone is hir ok leydet, dar gy den bref af kregen, de komt hir ok. Item, ik sprak Bygaden, de sede my also, he konde alle tyt nen gelt don, dar he vp mede toge vnde hyr weidder. do Herrmanns vp ret, do hedde he ewen den vader beden, dat he Wynterpale volde so fele gewen, he volde eme syn lewedage nycht mer bydden, he volde vol so lange van hir blyuen, he volde vol vat svluen in de hant krygen. ok wyl he em hir t au v er wynter nycht holden, kort af, wyl he nycht vp ten, so schal he segelen vnde vordenen vat. he kan nycht arm werden vmme synen wyllen. he sy en alte man, he kan nycht vordenen. Ok heff he nen gelt. Item, so konde ik de parsonen nycht to vorden krygen, de mede to heren was, men ik wyl it w scryuen by Merten, vat

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ik vorfare. Nycht mer men wele goder nacht. Segget Taleken gude nacht. Gescreuen des Sonandes vor sunte Mychgel. Seggen allen vnsen gvden vrunden gvde nacht.

Metke K[reuet].          

Auf einem Octavblatte Papier im Wismarschen Archive.


V.

Bischof Ludolf von Ratzeburg an M. Johann Langejohann.
(1464), November 17.

Ludolfus etc. Post salutem etc. Dilecte magister Johannes. Rumor quidam insonuit auribus nostris, qui nobis valde displicet. Dicimini enim iterum ad priora facta relabi reclamando videlicet et dicendo contra consulatum Wismariensem in presentia tocius quasi communitatis ibidem ea, que vos non decent, vnde pertimescimus capturam vestram iterato posse sequi et priuationem beneficiorum similiter, quod esset satis lamentabile. Et formidandum est, quod hec in personam vestram ita fient, nisi desistatis ab inceptis. Et forte, si hec contingerent, quod deus auertat, timemus vos duriora pati posse et ita faciliter non deliberandum sicut antea Quare vobis ex corde condolentes, volentes eciam consulere saluti vestre, hortamur intimo ex affectu, quatenus ex ciuitate Wismariensi declinetis ad tempus saltem, donec videatur, qualem exitum res ipsa apud personam vestram sortiri possit, nam et in aliis terris vtique panis est ad vescendum, et summopere consulimus, vt ad statim ad nos vsque Sconenberge vos transferatis. Declarabimus vobis clarius verbo, quod facto opus sit in premissis, quam scriptis explicare valemus, nam casus iste perlixus est. Hec pro auisamentis vobis scribimus optantes, deus scit, non alias nisi salutem vestram. Ideo premissa non postergatis, ne deteriora vobis contingant etc. Responsum etc. Sabato ante Elisabeth.

Nach einer Copie, wie es scheint, auf einem Octavblatte Papier im Wismarschen Archive.


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VI.

Bürgermeister und Rathmannen der Städte Lübek, Hamburg und Rostock beurkunden den vom Herzoge Heinrich von Meklenburg und ihren Sendboten gethanen Ausspruch zwischen dem Rathe zu Wismar und dem Bürgermeister Peter Langejohann daselbst.

(Wismar), 1467, Junii 26.

Wy Borgermestere vnde Radmanne der Stede Lubeke. Hamborg vnde Rostock Bekennen vnde betughen Opembare In vnde mit desseme breue Vore alle den ghennen, den desse vnnse breff getoged vnde vorbracht werd. So also de Irluchtige Hochgeborenn furste vnde Here Here Hinrik, Hertoghe to Mekelnborgh, furste to Wenden, Greue to Zwerin, Der lande Rostock vnde Stargarde Here etc., Vnde wii der twiistigen sake twisschen deme Ersamenn Rade tor Wiszmere vppe de enen Vnde Peter LangeJohanne vppe de anderen ziiden willekorde Schedesrichtere sint In fruntschoppen offte Rechte na Inneholde der Compromisse, van beyden delen vorscreuen darvpp bewillet, angenamed vnde vorsegeld, Dat desulue Here Hertoge Hinrik vnde vnse Radessendeboden, van vns dar to gevoged vnde gesand, beyden vorscreuen parthien In macht der erbenomede compromisse bynnen der Stad Wismer vppe datum desses breues enen fruntliken vthsproke hebben vthgesproken vnde afgesecht, so nabescreuen steit. In godes namen. Amen. Allen vnde iszliken, de desse opene schrifft Sehen, Horen, Lesen Offte sust anderleie wiisz desses jegenwardigen breues Irkentnisse werden hebbene, sy witlik, kunt vnde Opembare. Nach deme in allen legeringen mynschelikes rechtuerdiges willen, so dat in dageliker ouinge waraftichlik vor oghen irschinet, neen dingh so legerlick, so anname offte so nutbar, heilsam, beqweme vnde so van noden isz, also vrede vnses vorlosers Cristi Jhesu dorch de engelschen gheiste den mynschen gudeswillen vorkundiget, vnde ok dorch sick suluest In deme afgange van desser werlde vpstigende to syneme vader, der sammelinge syner hilgen Apostele vnde eren nafolghers vns allen to troste vnde salicheid gelaten, Vnde nu doch In desseme dale der bedrofnisse Besunderliken in vorledenen tyden so denne vrede vormyddelst argeliist des

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vredevigendes twiischen den Ersamenn Borgermesteren vnde Radmannen der Stad Wiszmer An ene Vnde Peter Langejohanne An de anderen ziiden merckliken is to broken vnde vorstoret, Dat Wii Hinrik, van godes gnaden Hertoge to Mekelnborch, furste to Wenden, vnde Greue to Zwerin, Der Lande Rostock vnde Stargarde Here etc., In krafft vnde medewerkinge des geuers des vredes dorch biwesend vnses leuen Sones Hertogen Magnus Vnde ok vnses truwen Rades Des Erwerdigen In gode Vaders vnde Heren Werners, Bisschoppes to Zwerin, Des gestrengen Her Johan Veereggen, Ritters, Der Duchtigen Jachim van Pentze, Eggerd van Qwitzowe, Hinrik van Bulouw, Syuerd van Ortzen Vnde Bernd van Plesse, knapen, Her Arnd Mese, Cantzeler des Heren Bisschoppes to Zwerin vorbenomet. Her Hermen Widenbrugge, to vnser leuen vrouwen, Her Hinrik Bentzin, to Sunte Jacobe bynnen vnser Stad Rostock kercheren, vnde Thomas Roden, Secretarii, Vnde mede beweringhe vnde to daet der Ersamen Hinrikes Kastorpp, Hinrikes van Stiten, Borgermesteren, Des Werdigen Mester Johan Oesthusen, In beiden Rechten Doctoris vnde Sindici, Hinrikes van Hacheden, Radmannes, vnde Johannes Arndes, Secretarii, des Rades to Lubeke, Hinrikes Murmestere, Borgermesters, Godeken Toden, Radmans, des Rades to Hamborch, Gosschalkes Buk, Borgermesters, Radeleues Toyt, Radmans, vnde Johannes Pickardi, Prothonotarii, vnser Stad Rozstock Sendeboden, Also schedesherenn, myt wolbedachteme mode vnde rnpeme Rade In macht sodannes Compromissi dorch de Borgermestere vnde Radmanne vnser Stad Wiszmer vnde Peter Langejohanne bevulbordet, beleuet vnde vorsegelt allen vnde iszliken vnfrede, myshegelicheid, twidracht vnde vnwille aller vnde Iszliker sake twiisschen den ergerorden Parthen wesende gantz bigelecht, daleslaghen vnde gevlegen hebben In forme vnde wyse nagescreuen. Interste, dat de Borgermestere vnde Radmanne tor Wiszmere Scholen deger vnde gantz afdon alle voruestinghe vnde ordele, de ze wedder vnde ouer Peter Langejohanne, Borgermestere darsulues, gedan vnde gesproken hebben, vnde sodane voruestinge vnde ordele, wor ze de hebben laten scriuen, deger vnde gantz scholen lathen vthdelgen. Vnde Isset sake, dat Peter Langejohan, syne zones vnde frunde deme Rade tor Wiszmere In sodannen saken etlike eede vnde loffte gedan offte borgen gesatt hebben, dar dorch desse fruntlike schedinghe mochte gehindert werden, der schall de genante

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Rad en vordregen vnde scholen gentzliken machtlosz wesen nu vnde to ewigen tiiden. Item. de vorscreuen Borgermestere vnde Radmanne tor Wiszmere scholen den vorgenanten Peter Langejohan wedderumme to sick In den Borgermesters vnde Radesstoel laten komen, vnde en de tiid synes leuendes In aller mathe mit allen eren vnde redelicheiden, so he vormaels gewesen is, vor den oldesten Borghermestere der Stad Wiszmer holden, dar ane nicht hinderen schal de ordinancie des vorwordes to holdende nyeliken dorch den Rad tor Wiszmere Ingesatt, Beschedeliken, dat eyn Jewelik Borghermester darsulues eyn halff Jare In allen saken des Rades dat vorword schal holden, sunder dat sulke ordinancie, so ze gemaket Is, bestendich blyue, By also, dat Peter Langejohan to desseme negest komenden Sunte Michaelis dage vnde darna negest ouer eyn halff Jare vnde so vertan eneme Jeweliken Borgermestere nach syneme oldere dat vorword geborlik sy to holdende. Item. dat Peter Langejohan schal sick by den Dorchluchtigesten Hochgeboren fursten vnde Heren Heren Cristierne, Der Riike Denemarken, Sweden vnde Norwegen etc. koninghe, nach alle syner vormogelicheid vnde mit alleme vlyte bearbeiten vnde, Isset van noden, sick sulues personlik by syne gnade voghen vmme alle veyde vnde vnwillen, de zine gnade wedder vnde Jegen de Stad tor Wiszmere vmme zinen willen gedan hofft, gentzliken aftodonde vnde bitoleggende, so dat de van der Wismere deshaluen vortmeer to nyneme schaden komen. Item. wat In sodannen twiistigen saken twiisschen den ergesechten Parthien schaden, kost, vnde theringe is gedan vnde gemaket, beholden wy vns vth to sprekende vnde In nakomenden tiiden fruntliken to irkennende. Hir mede scholen alle vnde islike desser vorscreuen parthien klage, to sprake, forderinghe, Insprake, wedderrede vnde excepcien, ok desgeliken alle twidracht, vnwille, Anxst, vare vnde vnloue, de twiisschen densuluen parthen vnde eren frunden beth an dessen dagh gewesen zint, gentzliken, degher vnde all vorsonet, gescheden, to ende gesleten vnde so hen gelecht wesen, dat nemand den anderen, samptliken offte besunderen, Dorch sick suluest offte andere personen, Hemelick offte opembare forder darumme haten, ergeren edder hinderen scholen by Penen vnde böte In deme vorberorden Compromisse begrepen. Vnde vppe dat alle vorscreuen stucke samptliken vnde besunderen In truwen vnde gudeme gelouen vnde vnuorbroken geholden

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werden vnde nemand sick bevaren dorue, Beden vnde willen wy Hertoge Hinrik vorbenomed, Dat vnse Rad tor Wiszmer den Borgeren vnde meenheid darsuluest seggen schall by den eeden, de ze vns vnde desser Stad gedan hebben, dat se vmme desser schelinghe vnde twidracht willen In tokomenden tiiden nynerleie wrake don offte vnnutte seggend hebben scholen. Weret ok, dat Jenich Borgermestere, Radman, Borgher offte Jemand anders dessen vorscreuen vrede vnde louen breke, den Schall vnse Rad tor Wismere Richten An syn Hogeste, vnde qweme he wech edder entworde he en, so schall sick de Rad holden an zin gud, wat vnde wer dat were, vnde de helfte des gudes scholde vallen an de Herschopp vnde de andere Helfte an de Stad Wismere, vnde wer men ene In vnsen Landen vnde den Hense steden an kumpt, dar mach men ene Richten vor enen meeneeder. Vortmer Beden vnde willen wy, Dat de genante vnse Rad vnde Peter Langejohan desser vorscreuen Schicht vnde vnwillen Nicht meer scholen gedencken, men de gantz vnde deger nedderslan, Ok deshaluen nenerleie wrake don edder dencken, Vnde Peter Langejohan vorscreuen schal den Deneren vnser Stad vorscreuen, Namliken Scriueren, gerichtescriuer, wachtscriuer, anderen ridenden vnde ganden deneren, vnde desgelikes de Rad vorscreuen Peter Langejohanne, synen sones, ffrunden vnde medehelpers hir ane nichtes witen edder vorkeren, Men an beyden syden scholen erer eyn deme anderen gudlik, forderlick vnde ghunstich sin, geliik offte desse vnwille vnde vnvrede ny entsta e n edder Irresen were. Ok schall nemand van en de ene teghen den anderen In qwader vorsathe wes forderen offte forderen laten mit worden offte werken, hemeliken edder opembar. Jenigen vplop to makende offte wat wyse dat yd scheen mochte, vnde schege hir wes van Jemande entegen, Dat willen wy mit vnseme Rade tor Wismere Richten an e e r hogeste. Vortmeer. So also beth heer to etlike twiistige sake twiischen den vorgescreuen Borgermesteren vnde Radmannen vnser Stad Wismer an ene Vnde Mester Johan Langejohan, des vorgesechten Peters sone, an der anderen syden van der wegene, dat he in der genanten Borghermestere vnde Radmanne beheltnisse gewesen is, sint vpgestan vnde irresen, Don wy vorgenanten Schedesheren witlick kunt vnde opembare, Dat wy mit bywesende vnde Rade des werdigen Heren Theo derici van Caluen, gheistlikes Rechten Doctoris vnde der kerken to Lubeke Domprouestes, Na lude vnde

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Innoholde des bouenberorden Compromissi sodanner sake, dorch den genanten Peter Langejohan an vns vnde den genanten Heren Prouest van synes vorscreuon sones wegene gesettet vnde gentzliken gestalt, hebben fruntliken pronunctiert vnde vthgesproken, pronunctieren vnde vthspreken vormiddelst desseme vnseme vthsproke, Dat de vorgenante Peter Langejohan so vorfogen vnde schicken schall, Dat Mester Johan, zin sone vorscreuen, sodane sake ziner gefengknisse deger vnde all gentzliken affdo, bisette vnde dalesla, der nummer meer to denckende offte vp to theende In Jeniger wyse, so dat de Rad tor Wiszmere, de gemeenheid, Borghere offte Inwoners darsuluest deshaluen nynerleye wiisz to Jenigeme schaden offte vorfolginge komen. Dar to schal ok de vorgerorde Peter Langejohan schicken vnde also vorfogen, Dat sodaner sake haluen de Erwerdige In god vader vnde Here Here Johan, Bisschop, dat Capittele des Stichtes Razeborch vnde de Rad tor Wiszmer genszliken scholen blyuen ane alle vorfolginge, tosprake offte Tribulacien van wegene des vorscreuen Mester Johanne Vnde ok des Pewestliken Houes fiscal vnde aller Richtere offte erer Stedeholdere, geistlik offte werlik. Ok so scholen de vorgenanten Borgermestere vnde Radmanne tor Wismer den vorgesechten Mester Johan, so se erst vnde schyrst mögen ofte konen, Myt eneme offte mereren geistliken lenen besorgen vnde ene dar to presenteren, welkere lene In eren Jarliken Renthen scholen inbringen veftich Mark Lubesch mit aller bestellinge der Missen vnde anderer erer vplegginge, vnde alle de wile, dat se eme sodane geistlike lene nicht bestellen, so scholen se eme alle Jare na Paschen schiirst komende ouer eyn Jare vthrichten vnde betalen to syner genüge verlich Lubesche Mark beth so lange, dat he sodanne lene, so vorgerord isz, van en hofft entfangen. Vnde offt he to etliken lenen van deme Rade vorgescreuen gepresentert wurde vnde to dersuluen lene Rechte possessie offte besittinge qweme, Vnde de Renthe dersuluen lene sick vppe de Summe der Vertich Margk nicht streckeden, denne allike woll, wat vnde so vele iarliken van sulken lenen na vorscreuener wiise werd gefallen, dat schal afgeslagen werden van den Vertich Marken, de de Rad vorscreuen schall vthgeuen, Vnde wen Mester Johan vorgenant also vele In geistliken lenen van deme Rade vorgenant Nach bouenscreuen wiise hefft erworuen, dan so scholon de Borghermestere vnde Radmanne vorbenomet der vertich

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Margk Jarliken vthtogeuende gentzliken vnde all sin vordregen Vnde vortmeer darumme vngemanet blyuen. Hir mede scholen beyde parthie vorscreuen to vrede vnde enicheid sin gesettet by Penen vnde boten In deme vorbenomeden Compromisse begrepen. Vnde wy Schedesheren vorscreuen alle beholden vns de macht desse beyden vnse vthsproke, beiden vnde allen Parthen vorgescreuen vormyddelst vns gedan, Nach lude beyder Compromisse de to dudende, to Interpreterende, wo vakene vnde wanner des behoff vnde van noden sinde werd. Vnde dat sulk fruntlick vthsproke in aller mathe vnde wiise, so bouenscreuen steit, isz bescheen, Des hebben wy to merer sekerheid vnde vorwaringe vnser Stede Ingesegele witliken gehenget an dessen breff, Gheuen Na der bord Cristi vnses Heren Dusend veerhundert Jare Dar na In deme Souen vnde sostige(ste)n, Amme Vridaghe neghest na Sunte Johannis Baptisten daghe syner gebord.

Nach dem Originale auf Pergament in langem Querfolio im Wismarschen Archive, buchstabengetreu. Die Siegel von Lübek und Hamburg sind ausgerissen. Das große Siegel von Rostock von ungeläutertem Wachs hängt an einem Pergamentbande.

Im Großherzogl. Archive zu Schwerin befindet sich eine Abschrift, welche den Eingang dieser Urkunde nicht hat und beginnt: In godes namen. Amen. Ahen vnde iszliken u. s. w. Ebenso reicht sie bis zum Schlusse: Vnde dat sulk fruntlick vthsproke in aller mathe u. s. w., welcher fehlt und für den sie folgenden Ausgang hat:

Desse vnse fruntlike uthsprake bauenscreuen sint gedaen, gelesen vnd ghescheen vormyddelst vns hertogen Hinricke vorgenant mit sampt der erscreuenen radessendebaden der stede Lubeck, Hamborgh vnd Rostock bouenscreuen alse in desser sake schedesheren vnde richtere, den de ersamen beiden parte vorbenomet hebben angenamet, beleuet vnd approberet wol to holdende, so see des handuestinge vor eneme notario hebben an beiden siden gedaen, vppe deme radhuse tor Wiszmer obgenant na der bort Cristi vnses heren verteigen hundert vnd amme souen vnd sostigesten jare amme Frigdage na sunte .lohans baptisten dage to myddensamere in der stunde, alse men de none singhet. Vnd wii hertoge Hinrick vorgenant hebben desses to orkund vnd merer vastheit vnd warheit vnse groteste ingesegel henghen heten an desse vnse uthsprake vnd breff.

 

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IV.

Wahrscheinliche Lage

des von Karl dem Großen genannten

Handelsort Schezla,

von

W. Freiherrn von Hammerstein,
großherzogl. Meklenb. Strelitzschem Staatsminister.


D er Herr Archivar Dr. Wigger spricht in seinem Aufsatze über den Bischof Berno von Schwerin, in den Jahrbüchern XXVIII, S. 28, Note 1, die Vermuthung aus, daß der in dem Capitular des Kaisers Karl bei Pertz Legg. I, 133, erwähnte Handelsort Schezla, in welchem der Franke Madalgaudus den Handel der Sachsen mit den Wenden beausfichtigen sollte, an dem Cateminer Bach zwischen Dalenburg und Hitzacker, also Neuhaus gegenüber, gelegen haben könne, da es in Grimms Weisthümern III, 229 heißt: "van dem beke by Chatemyn genamet de Schetzell". Es scheint, daß der Dr. Wigger damit einen sehr interessanten Fund gemacht hat, der sich in aller Weise als wohlbegründet bestätigt.

Zuvörderst ist der Handelsort Schezia zwischen Bardowiek und Magdeburg zu suchen, zwischen denen, als gleichen Handelsorten, es genannt wird. ("De negotiatoribus, qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt, quousque procedere cum suis negotiis debeant, id est partibus Saxoniae usque ad Bardaenowic, ubi praevideat Hredi, et ad Schezla, ubi Madalgaudus praevideat, et ad Magadoburg praevi-

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deat Aito. - Et ut arma et brunias non ducant ad venundandum 1 ). Quod si inventi fuerint portantes, ut omnis substantia eorum auteratur ab eis, dimidia quidem pars partibus palatii, alia vero dimidietas inter missum et inventorem dividatur.") Der Cateminer Bach, "de Schetzell", liegt aber zwischen Bardowiek und Magdeburg.

Die drei Handelsorte waren jedenfalls Grenzorte zwischen den Sachsen und den Wenden; die Stelle des Cateminer Baches, und namentlich wo derselbe in der Nähe von Catemin in die Elbe ausfließt, ist aber auch ein Grenzpunkt zwischen dem Sachsen= und dem Wendenlande, dem Bardengau einerseits und den Wendischen Landen Drawen und Dartzink; der Bach hieß eben Sächsischerseits "de Schetzell", was aus Schêdesdâl comprimirt ist (fast sämmtliche Bäche jener Gegend endigen in - dâl), weil er ein Bach war, der die Grenze, schêde, bezeichnete. (Siehe des Verf. Bardengau S. 43.)

Was aber die Mündung des Cateminer Baches mit größter Wahrscheinlichkeit als den Karolingischen Handelsort erscheinen läßt, das sind zwei Umstände.

Zunächst war diese Stelle aus der ältesten Zeit her ein Hauptübergang über die Elbe in der ganzen Strecke, in welcher der Bardengau die Elbe berührt, neben Hoopte, Amts Winsen, und neben Artlenburg der einzige, wo eine Wagenfähre zur Vermittelung des Verkehrs der beiderseitigen Völkerschaften selbst bis auf die neueste Zeit her bestand. Diese Fähre, noch jetzt die "Darchauer Fähre" genannt, lag in einer der großen Heerstraßen, welche von Bardowiek und Lüneburg aus durch das ganze Mittelalter hindurch die Waaren Hamburgs nach dem Süden und Osten Deutschlands führten. Unter diesen sind namentlich genannt: "die Torgauer Heerstrasse von Lüneburg bis an den Barskamper Wald an den Beck", und "Torgau" war der der Mündung des Baches Schetzell gegenüber liegende Ort Darchau, welcher auch Gründe am linken Elbufer neben dem Schetzell=Bache hatte, wo jetzt der Ort Neu=Darchau liegt.


1) Das Verbot des Kaisers Karl, Waffen und Panzer ("arma et brunias") zu verfahren, scheint noch bis in die spätesten Zeiten in den Weisthümern der benachbarten Gohen des Bardengaues wieder zu erscheinen, wo noch im 16. Jahrhundert verboten wird, Blei und Stahl auf den Heerstraßen zu führen, und die Buße dafür von dem Hause Winsen, d. h. für den Herzog, gehoben wird. (Siehe des Verf. Bardengau, S. 269 und 284.)
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Frequente Fähren waren bekanntlich im frühesten Mittelalter naturgemäß die gegebenen Entwickelungspunkte für den Handel, und namentlich dann, wenn sie den Uebergang zwischen geschiedenen Völkerschaften bildeten. Wie mancher Handelsort ist durch eine Fähre entstanden! An der Elbe scheint die Stadt Dömitz mit ihrer Fähre, welche früher bei dem ganz nahen Orte Brod, das auf Wendisch: Fähre, Furth heißt, bestanden haben muß, dafür das Zeugniß zu liefern; in Pommern gab es zwei Broda, beide mit Fähre und Forum (Marktgerechtigkeit) versehen.

Im vorliegenden Falle tritt aber, daß die Darchauer Fähre, die Fähre beim Schetzell wirklich den Handelspunkt zwischen Sachsen und Wenden bildete, um so klarer ins Licht, als der Name des Ortes Darchau, im Mittelalter Torgow, Zeigt, daß dieser Ort wirklich ein Marktort war. Das Wendische Wort Torh ist bekanntlich: Handel, Torhosciko, Torgow, Targow: Markt, Marktplatz. So werden die Wenden den Handelspunkt hier Torgow genannt haben; die Sachsen und Franken nannten ihn nach dem Punkt, wo am Sächsisch=Bardischen Ufer die Fähre lag, nach "de Schetzell".

Es scheint, daß damit das Karolingische Schezla gefunden ist, und man braucht es jetzt nicht mehr nach den gewiß nicht in limite Saxonico liegenden Orten Schleswig, Scheessel bei Rotenburg und Celle zu verweisen.

Damit ist aber auch für Auffindung der Marktplätze der Wendenzeit ein Fingerzeig gegeben; das spätere Kloster Dargun, in ältester Form Dargon, zeigt sich nun als Marktplatz, und die spätere Bedeutung in der ersten christlichen Zeit ist damit nicht mehr auffallend, auch, da niemals forum ohne fanum, vielmehr das forum regelmäßig erst aus dem fanum hervorging, nun das Entstehen des Klosters aus einem Wendischen Heiligthum, welches Lisch schon fast sicher nachgewiesen hat, noch immer gewisser. Aber man darf auch annehmen, daß Torgelow bei Waren und die Schlösser Torgelow in der Mittelmark und Ukermark gleichen Ursprung hatten.

Neueste Nachgrabungen in der Nähe von Darchau haben ergeben, daß die Elbdünen in der Umgegend des Ortes vielfach mit Urnen besetzt sind, vielleicht auch Ueberbleibsel der einstigen Handelsbedeutung des Ortes. Ob der Name des nächst Darchau belegenen Ortes Haar auch Beziehung zum Marktort hat, bleibt dahin gestellt; das Wendische Hari heißt: Lärm, Getöse, ausgelassene Freude; zu beachten ist aber auch, daß Harowit (siehe Hanusch, die Wissenschaft des

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Slavischen Mythus, S. 171 u. folg.) bei den Wenden der Friedens= und Kriegsgott war, dessen fanum an einem solchen Grenzorte eine ganz geeignete Stelle fand, wie denn derselbe Gott bekanntlich in dem nicht gar fernen Havelberg verehrt wurde. Ob sonstige Spuren bei Darchau und am linken Elbufer gegenüber noch vorhanden sind, ist noch zu untersuchen.

Nachtrag.

Bischof Boguphal (siehe v. Ledebur in Mark. Forschungen Bd. 2, S. 121) nennt unter den castris der Drewanischen Wenden, zu denen bekanntlich auch die Lüneburgischen gehören, wo der Drawehn bis an den Cateminer Bach noch jetzt reicht:

"Blesink castrum ducale et civitas Czesznyma." Ledebur weiset auf Kloster Zeven und auf Blexen hin. Viel richtiger scheint für Czesznyma: Schezla bei Catemin, ja es kann gar das Wort Czesznyma sich in Catemin umgewandelt haben (im Mittelalter freilich hieß es Gotemyn); jedenfalls lag Schezla an vollem Wendlande und in gemischtem Wendlande, wie die Namen und die Einwohner der Umgegend beweisen, und es trifft auch zu, das Czesznyma als civitas im Gegensatz zu castrum bezeichnet wird, indem das Schezla nur Handelsort, niemals Burg gewesen sein wird. Blesink dagegen ist wahrscheinlich Blekede an der Elbe nicht fern von Schezla; Blexen an der Unterweser, auf welches Ledebur hindeutet, war, so viel ich weiß, nie castrum ducale, und lag fern von wendischer Gegend, wie denn auch Breme nur wegen der Verbindung Hamburgs mit Bremen durch das Erzbisthum den Bischof als zu Hamburg gehörig und mit ihm in gleichem Verhältniß stehend vorgekommen und damit als Wendisch irrthümlich bezeichnet sein wird. Blekede dagegen war schon früh castrum ducale und erschien gerade im Anfange des 13. Jahrhunderts, wo Boguphal schrieb, als solches. Herzog Wilhelm, Heinrichs des Löwen Sohn, gab ihm im Jahre 1209 Stadtrecht, und 1224 lagerten in castris apud Blekede der Kaiser mit den Fürsten, um die Sache wegen Gefangennehmung des Königs Waldemar zu vermitteln; dieser Vorgang konnte wohl Boguphal veranlassen, den wichtigen Ort zu nennen. Auch Blekede theilte sich in ein Wendisch=Blekede und ein Deutsch=Blekede, und die nächste Umgegend hatte Wendische Orte, als Radegast, Garze u. s. w.

 

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V.

Ueber

die Bedeutung des Wortes Obotriten,

von

W. Freiherrn von Hammerstein,
großherzogl. Meklenb. Strelitzscher Staatsminister.


K aum ist über eine Volksbenennung mehr phantasirt als über die der Obotriten. Shafarik leitet den Namen von dem Celtischen ambro her. Neuerlich hat Quandt (in den Baltischen Studien, Jahrgang 22, S. 283) sie auf obdre: Abgerissene, zurückführen wollen. Für die richtige Ableitung scheint Jacob Grimm, wenngleich er selbst dieselbe nicht gefunden hat, den Grund in seiner Etymologie für Avaren und Hunnen gelegt zu haben. Er sagt in seiner Deutschen Mythologie S. 493 Folgendes:

Das slovakische ober, böhmische obr, altpolnische obrzym, polnische olbrzym ist den Südslaven fremd und scheint nichts als Avarus, Abarus. Nestor nennt die Avaren: Obri (ed. Schlözer 2, 112, 117). Der graecus Avar in der Sage von Zisa ist wieder ein Riese. Da nun die Avari im Mittelalter = Chuni find, so entspringt die Benennung hûn genau wie obor aus dem Volksnamen Hun imd Avar.

Nun vergleiche man. In Kaiser Karls in Theodonis villa (dem so eben in anderer Weise capitulirt habenden Thionville oder Diedenhofen) im J. 805/6 erlassenen Capitulare heißt es: "de negotiatoribus, qui partibus Sclavorum "et Avarorum pergunt, quousque procedere cum suis negotiis debeant, id est partibus Saxoniae etc. Im

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weitern Verlauf werden Bardaenowic, Schezla und Magadoburg als die Orte genannt, bis wohin die negotiatores partibus Saxoniae vorgehen dürfen. Hiernach, insbesondere da es sich um Nachbarschaft der Sachsen, also keinenfalls um die erst viel später erscheinenden Avaren aus Ungarn handelt, unterliegt es keinem Zweifel, daß mit den Sclavis et Avaris die am rechten Ufer der Elbe wohnenden Wenden und Obotriten gemeint sind, und daß mit den Avaris dieselbe Völkerschaft bezeichnet wird, welche während der Carolingerzeit sonst in der Regel Abodriti, Abotriti, Abotridae, bei Aelfred aber Afdrede, in den Annal. Sangallens. Abatareni, bei Widukind Abdriti und in den Annal. Fuld., so wie bei Adam und Helmold Obodriti oder Obotriti genannt wird.

Aus der von Jacob Grimm gefundenen gleichen Bedeutung von Hun und Avar und der darnach zweifellosen Identität von Hunnen und Avaren erklärt es sich aber auch, wie dieselben Leute, welche Avaren, Afdrede, Abodriten den Sachsen und Franken hießen, auch von den Sachsen regelmäßig mit dem Namen Hunnen bezeichnet wurden; darum in den Gegenden des linken Elbufers, wo Sachsen und Wenden (Obotriten) sich mischten, die häufigen Benennungen von Feldorten: Hunnenwinkel, Hunnenfeld etc. ., darum die bekannte Absage Herzogs Bernhard Billung gegenüber dem um seine Tochter werbenden obotritischen Häuptling: er gebe seine Tochter keinem Hunde, wobei die Lautähnlichkeit der Sächsischen Worte Hüne (Riese) und Hund mitspielt; darum auch in Angelsächsischen und Dänischen Quellen, selbst bei Saxo Grammaticus, öfter die Bezeichnung der Wenden als Huni.

Die Abstammung des Wortes Abotriten und Obotriten von Avar und Obr mit der Bedeutung: Riese, möchte danach einem Zweifel kaum noch weiter unterliegen; ob aber in den Avaren (Hunnen), welche lange nach der Zeit Karls des Großen von Ungarn her Deutschland bedrohten, und in den Obotriten Meklenburgs, die andern Völker ebenfalls Hunnen hießen, auch noch eine nähere Volksverwandtschaft bestand, was an sich bei dem Ursprung der Namen nicht gegeben erscheint, das muß unsern bedeutenderen Forschern in Slavischen Dingen zu ermitteln überlassen bleiben.

 

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VI.

Spuren Wendischen Götzendienstes

in den

Bennenungen des Festbrotes,

vom

W. Freiherrn von Hammerstein,
großherzogl. Meklenb. Strelitzschem Staatsminister.


W er in die Tiefen grauen Alterthums zurücksehen will, muß sich nicht scheuen, die Gegenstände des alltäglichen Lebens mit besonders aufmerksamen Augen zu betrachten; sie werfen oft einen erhellenden Spiegel in die Tiefe hinab, den man in der von jenen fernen Zeiten so weit abliegenden Gegenwart kaum vermuthen sollte.

Schon Jacob Grimm hat darauf hingewiesen, daß es sich verlohne, Form und Benennungen der üblichen Festbrote einer Gegend zu beachten; sie würden gar oft eine Beziehung zur Mythologie des vor Einführung des Christenthums daselbst gesessenen Volksstammes ergeben.

Diesem Rathe folgend, habe ich die in Meklenburg üblichen Formen und Benennungen des Weißbrotes, welches ursprünglich hier sicher Festbrot war, erforscht. Ich bin dabei auf ein interessantes Ueberbleibsel aus Wendischer Zeit gestoßen. Es ist dies das kleine ovale, oben und unten etwas abgestumpfte und damit die Gestalt einer Puppe oder eines Menschen im Talar annehmende Weißbrot, welches in vielen Meklenburgischen Städten - bekannt ist es mir unter Andern in den Städten Neustrelitz, Malchin und Sternberg - unter der Benennung: Mike, in Gebrauch ist. Es ist dieses Brötchen anscheinend nur eine durch nun fast tausend

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Jahre christlichen Wesens hindurch gegangene Fortsetzung eines Wendischen Opfergebrauchs.

Helmold, im 12. Jahrhundert lebend, erzählt nämlich in seiner so viel Licht über das Wendenthum in Meklenburg und Holstein gewährenden Chronica Slavorum: bei den Polaben, den in Holstein, Lauenburg und dem Striche Meklenburgs zwischen Schwerin und der Elbe wohnenden Wendenstamme, sei der Gott Prove - der im linkselbischen Wendlande Perun genannte Donnergott - verehrt, und sein Priester habe die Benennung Mike geführt. Die Wenden brachten ihren Götzen, natürlich speciell zum Gebrauch und zum Unterhalt der bei den Götzen den Dienst verrichtenden Priester, Lebensmittel und vorzugsweise Brote dar. Es ist darüber nach Ausweis verschiedener sicherer Quellen gar kein Zweifel, und es ist sogar sicher, daß der noch jetzt allgemeine Name: Semmel, für das kleine Weißbrot sich aus diesen Opfern herschreibt. Semmelopfer brachten insbesondere die in Pommern wohnenden Wenden; eine Urkunde des Herzogs Mestwin von Pommern von 1294 befreiet gewisse Orte: ab omni jure slavico seu Pomeranico, scilicet - a Simila. Es kann nicht fehlen, daß in Pommern wie in Meklenburg die Lieferung von Semmeln an die Priester bei Einführung des Christenthums vielfach beibehalten wurde; die christliche Geistlichkeit ließ sich deren Uebertragung auf sie nur allzu gerne gefallen, und sah in Rücksicht auf die Annehmlichkeit der Sache auch gerne darüber hinweg, daß die Fortdauer des Wendischen Namens, mochte es nun eine Simila (Semmel) oder eine Mike sein, einen etwas starken Beigeschmack vom Heidenthum gab. So finden wir denn unter Andern in Meklenburg in Vietlübbe, Amts Plau, noch 1591 unter den Accidenzien des Pfarrers: vor Auffbieten eine Flasche Bier und einen Stutten (Semmel oder Waizenbrot), vgl. Jahrbücher V., B., S. 144; und wenn wir nicht bezweifeln können, daß der Name des Orts Vietlübbe auf ein Fanum des Wendischen Gottes Swantewit oder Gerowit schließen läßt, zumal auch die Endung -lübbe oder -lubbe eine Götterverehrung bekanntlich anzeigt, so möchte gerade in diesem Falle der Aufbietungs=Stuten oder =Semmel von dem hier betriebenen Wendischen Götzendienst sich herschreiben.

Auf diesem Wege wird sich das ursprünglich nur den Priestern gewordene Brot in Meklenburg so verallgemeinert haben, daß es unter dem Namen Mike fast in jeder Stadt zu Hause sein wird. Ja, selbst die Hof= und Reise=Ordnung

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der Herzoge Adolph Friedrich und Hans Albrecht vom 10. Juni 1609 constatirt den derzeitigen Gebrauch dieses Gebäcks durch die Anordnung, daß das Hofgesinde zur Mittagsmahlzeit unter Andern "drei Mieke Brodt" und Abends wieder "drei Mieke Brodts" empfangen soll. Für die Mythologie der Wenden in Meklenburg hat aber das Vorkommen der Miken in Sternberg, Malchin und Strelitz noch die interessante Bedeutung, daß der Wendische Gott Prove, dessen Verehrung zwar bei den Polaben - also westlich von Schwerin - gewiß war, nun auch mit ziemlicher Sicherheit als bei den Warnern, den Redariern und Tolensern verehrt anzunehmen ist.

Vielleicht führen auch die Benennungen noch anderer ursprünglicher Festbrote auf weitere Spuren für die Wendische Mythologie. So ist es schon jetzt von Interesse, daß in dem Lüneburgischen Wendlande es einen Semmel gab und noch giebt, den die Wendischen Einwohner Pageleitz oder Pogeleetz nennen; der Name führt sich hier wohl, da im Serbischen das g des Lüneburgischen Wendlandes stets kh ist, auf das Serbische Pokhlebetwo, Brotdienst, Schmeichelbrot, zurück und findet die Wurzel in Khleb, Brod, Khlebica: Laib Brot. Auch ist zu beachten, daß noch heute die Lausitzischen Wenden bozi Khleb, Gottesbrot, sagen, welchen das pogeleetz der Lüneburgischen Wenden sehr wohl entsprechen kann.

In den Strelitzischen Städten giebt es ein Brot in Form eines platten Fladens, welches man Pamel oder Pomel 1 ) nennt; der Ursprung ist noch nicht klar; Mjeln ist Mehl, Melk, grobes Mehl, Wumelk, ausgemahlenes Mehl, Pomjelu, Nachmehl, letztgewonnenes Mehl; hierin möchte die Quelle zu finden sein; es ist aber auffallend, daß ein schon im Mittelalter wüst gewordenes Dorf bei Wesenberg Pomel hieß und daß auf diesem Platze ein jetzt in der großherzoglichen Sammlung zu Strelitz befindliches schönes bronzenes Opfergefäß gefunden ist, welches auf ein an dieser Stelle vorhanden gewesenes Fanum hinweiset. - Mögen Andere weiter

 

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1) Zu beachten bleibt, daß im Slavischen Paglavitz: Zwerg ist (Grimm, Deutsche Mythologie, S. 443, Note) und daß bei Strelitz das Schilf, welches sonst Bullenpesel genannt wird, bei den Bauern den Namen Pummeldutschen, Pameldutschen führt, während es bei Mirow Donnerkeil heißt.
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VII.

Nachtrag zu Dr. Strehlke

über

Doberan und Neu=Doberan (Pelplin).

Vom

Geheimen Regierungsrath von Quast,
königlich Preußischem Conservator der Kunstdenkmaler.


D er im vier und dreißigsten Jahrgange dieser Zeitschrift, s. 20 flgd., enthaltene Aufsatz des Dr. Strehlke über Kloster Pelplin mußte in vielfacher Hinsicht vorzugsweise mich mehr berühren, da der Verfasser viele Jahre lang in engster Verbindung mit mir bei der Herausgabe des von Schulz hinterlassenen Werkes: "Denkmäler der Kunst des Mittelalters in Unter=Italien" thätig gewesen ist, ich daher, weil er oft lange Zeit unter meinen Augen und in meinem Hause arbeitete, seine auf urkundliches Quellenstudium fußende Gründlichkeit kennen zu lernen genugsam Gelegenheit hatte. Sodann war mir Pelplin seit 25 Jahren genau bekannt und hatte ich auch Doberan bereits seit 20 Jahren durch eigene Anschauung würdigen und schätzen gelernt. Endlich erneuerte sich dabei der Schmerz über den Verlust einer so bedeutenden literarischen Kraft wie die des verewigten Dr. Strehlke, der gewissermaßen erst am Anfange seiner so viel versprechenden literarischen Laufbahn uns schon wieder ent=

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rissen ward. Freilich mußte ich dankbar es doch immer als ein Glück anerkennen, daß ihm noch so viele Jahre zu so vielen gründlichen Forschungen und Veröffentlichungen gegönnt worden sind, nachdem sein Gesundheitszustand im Frühling 1856, als er behufs Herausgabe des Schulzschen Werkes zuerst mein Haus betrat, bereits so angegriffen war, daß man wohl Ursache zum Zweifel hatte, ob er auch nur die Vollendung dieses Werkes erleben würde. Er hat es noch fast 10 Jahre überlebt, und während dessen aufs Thätigste weiter gearbeitet und geschaffen.

Mit besonderer Vorliebe widmete sich Dr. Strehlke namentlich denjenigen historischen Untersuchungen, welche zur Aufklärung der Kunstgeschichte von Wichtigkeit sind. Bei der Bedeutsamkeit der beiderseitigen Klosterkirchen zu Alt= und Neu=Doberan wäre es daher von Wichtigkeit gewesen, wenn der gründliche Forscher über die Baugeschichte beider sich ausführlicher ausgelassen hätte. Auf die Baugeschichte Alt=Doberans läßt er sich, da dies nicht zu seinem eigentlichen Zwecke gehört, begreiflicher Weise so gut wie gar nicht ein. Wenn er auch für die Geschichte der Pelpliner Kirche nur weniges giebt, so mochte er dies wohl als außerhalb seines eigentlichen Zweckes liegend betrachten; auch erschienen die Nachrichten ihm vielleicht zu unbedeutend für eine ausführlichere Baugeschichte, und er erwähnt daher nur wenig darauf bezügliche Data, namentlich das Datum der Einweihung der Kirche im Jahre 1472. Allerdings giebt es noch einige andere Notizen über bauliche Veränderungen der Kirche und des Klosters, welche der um 1630 schreibende, schon a. a. O., S. 39, schreibende Kloster=Annalist mittheilt, und die zur richtigen Erkennung der Erbauungszeiten und zur Ergänzung der Strehlke'schen Zusammenstellung immer nicht unwichtig sind. Ich stelle sie hier nach den mir s. Z. vom Herrn Professor Dr. Hirsch gütigst zugestellten Auszügen zusammen, wobei auch die von Dr. Strehlke bereits mitgetheilten Notizen, des Zusammenhanges wegen, wieder mit aufgenommen sind.

1258. Erste Gründung des Klosters zu Pogutken; es hatte hier eine hölzerne Kirche.

1274. Verlegung des Klosters nach Pelplin. Die neue Abtei sollte gewidmet sein der h. Jungfrau, St. Benedictus, St. Bernardus und St. Stanislaus; aber, bemerkt der Chronist, von St. Stanislaus ist keine Spur zu finden. Zur Ehre der 3 anderen summum altare 198 annis post (d. i. 1472) est consecratum, fortasse etiam ipsum templum.

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1323. In die Valentini, heißt es in einem sehr alten Graduale, das, wie der Chronist meint, wahrscheinlich aus Doberan schon mitgekommen, daß in der Klosterkirche campanile concussum, tectum direptum, una ex maximis columnarum in minutas partes contrita et per totam ecclesiam dispersa, fenestrae vitreae fere omnes comminutae sunt. Der Chronist bezweifelt, ob das in Pelplin habe sein können.

1399. In vigilia S. Bernardi. In chartula quadam reperi: testudo Ecclesiae nostrae cecidit.

1400. 40tägige Indulgenz des (Diöcesan=) Bischofs von Leslau für jeden, der lectionem in Refectorio anhört.

1417, 29. Nov. 100tägige Indulgenz von 6 Cardinälen für die, welche Ecclesiam majorem vel Capellam ante portam besuchen, item qui manus adjutrices ad dictae Ecclesiae et Capellae fabricas etc.

1417. 1.Decbr. Für dieselben Zwecke Indulgenz des Erzbischofs Nicolaus von Gnesen, ebenso 2. Decbr. von 2 anderen Cardinälen.

1418. Desgleichen noch von mehreren Anderen.

1418. Pridie Non. Septembr. consecrata est Capella ante portam Monasterii in honorem Corporis Christi. In der Kapelle selbst, der jetzigen Pfarrkirche, heißt es in einer Inschrift: 1418 consecrata est praesens Ecclesia etc.

1433 wird das Kloster von den Böhmischen Rittern im polnischen Heere geplündert und verbrannt.

1447 schildert der Visitator das Kloster als durch die Hussiten in omnibus aedificiis concrematum, die Mönche aber im Begriffe, alles wieder zu instauriren. Er fragt an, ob nicht die Frauen tempere consecrationis Ecclesiae in das Oratorium eintreten dürften. Ex his literis, setzt der Chronist hinzu, inter alia apparet, Ecclesiam eo tempore nondum fuisse consecratam, de qua postea plura. Nisi forte opinari velimus per proximas desolutiones eam sic violatam, ut de novo consecrari indiguerit.

1473, 8. März. Altare majus Ecclesiae majoris consecratum est. Templum eodem simul tempore consecratum esse, id nobis argumento est, quod in proxima visitatione domini Morimund. ante annos 25 supplicatum fuerat visitatori, ut tempore consecrationis liceret feminis Ecclesiam ingredi, isque declaraverat, quod alias iam ex definitionibus ordinis id liberum esset. Quod autem a principio fundationis ad hoc usque tempus (200 annos) non fuerit consecrata, nec ad perfectionem suam deducta, ex probabilibus habemus conjecturis. Moles enim magna

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et ingeus structura est, proventus fuere exigui, fundatoribus cum universa progenie et posteritate sua citissime exstinctis, benefactores pauci, frequens dominiorum temporalium mutatio, bella frequentia . . . . et aliae difficultates multae, quae sine dubio operas frequenter interrumpi fecerunt. Ex traditiombus habemus (Anf. des 17. Jahrh.) semorum nostrorum, qui similiter a senioribus suis id receperunt, officia ante consecrationem Ecclesiae solita fuisse in domo Capitulari absolut. Altare etiam usque hodie visitur in ea, quamvis ablatione sacrarum reliquiarum violatum. Potuerunt etiam in domo infirmorum divina celebrari, ut alii itidem ex traditione majorum affirmant. Nam et ibi sacrarium satis commodum cum altari consecrato fuit et perfectam parvi claustri formam habet cum quadruplici claustri regularis ambitu.

Wenn Dr. Strehlke zum Schlusse seiner Abhandlung mit Recht den mächtigen, im Mittelschiffe 80 Fuß hohen Bau der Klosterkirche hervorhebt und dann wörtlich sagt: "Einen Bezug der Architektur der Pelpliner Kathedrale zu der Doberaner Kirche kann man im Einzelnen nicht nachweisen", so kann ich diesem doch nicht durchaus beipflichten. Daß beide Kirchen durch ein langgestrecktes Schiff, durch einen, dem Mittelschiffe gleich hohen Kreuzbau sich auszeichnen, ist ein den Cisterzienser=Kirchen gemeinsamer Charakter, kann also nicht als specieller Einfluß der Mutter= auf die Tochterkirche hervorgehoben werden. Wenn der Chorschluß in Doberan, im engsten Anschlusse an die großen Kirchen der benachbarten Hansestädte, die hierin wohl unmittelbar den Niederländischen folgten, den schönen polygonen Chorschluß der französischen Cathedralen mit Kapellenkranz umher zeigte und namentlich auch der Cathedrale des eignen Bischofs zu Schwerin folgt, auch auf ein anderes Tochterkloster, zu Dargun, in dieser Hinsicht seinen Einfluß zeigt, so sehen wir in Pelplin den Chor nur als einfache Verlängerung des Langhauses aufgefaßt, doch so, daß hier nur vier Joche anstatt der fünfe des Schiffes sich vorfinden: eine Anlage, die, zusammen mit dem graden Chorschlusse, allerdings den einfacheren und mehr nüchternen Vorschriften des Ordens entspricht und daher häufiger vorkommt, z. B. in dem Mutter=Kloster von Doberan zu Amelungsborn. Aber schon daß in Pelplin das Mittelschiff höher als die Seitenschiffe hinaufsteigt und durch Fenster im Obergadem erleuchtet wird, dürfte, da in Preußen sonst die Hallen=Kirchen vorherrschen, als ein günstiger Einfluß des Mutter=Klosters anzuerkennen sein, so

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Wie überhaupt die ganze, der Doberaner in der Anlage verwandte Ziegel=Architektur, obschon überall, anstatt der in Verhältnissen und Ausbildung der Architektur=Formen so zierlichen älteren Kirche, dies alles in Pelplin, wenn auch in den Hauptanlagen großartig, doch im Einzelnen sehr roh und unansehnlich ist, wieder den allgemeinen Stylverhältnissen der Provinz am Ende des 14. und 15. Jahrhunderts entsprechen, wo der Pelpliner Bau entstanden ist.

Bedeutender ist die Verwandtschaft beider Kirchen aber schon dadurch, daß das Langhaus in beiden durch fünf Gewölbejoche mit vier Pfeilerpaaren ziemlich in demselben Abmessungen gebildet wird. Vor allem zeigt sich die Aehnlichkeit beider Kirchen aber darin, daß die Kreuzarme in beiden nicht, wie es sonst, und auch in Cisterzienser=Kirchen, überall Sitte ist, durch einen einzelnen Bogen vom Kreuzesmittel abgesondert werden, sondern durch zwei Bogen über einen Mittelpfeiler, so daß die hohen Gewölbe des höheren Langhauses ohne Unterbrechung vom Schiff bis zum Chor durchlaufen, während die quadratischen Kreuzarme in vier gleichfalls quadratische Gewölbe sich zerlegen, die auf einem schlanken achteckigen Mittelpfeiler ruhen. Wenn in Doberan auch hier eine bei weitem reichere Ausbildung stattfindet, nicht nur in den so schön und originell mit Farben geschmückten schlanken Mittelpfeilern, sondern auch durch Hinzufügung von niederen Doppel=Kapellen gegen Osten und Westen, während in Pelplin dieser vielfache Schmuck fehlt, und überall dieselbe Nüchternheit der Verzierung herrscht wie im ganzen Innern, so ist dennoch die ganze Anlage, welche außer diesen beiden Kirchen auch noch zu Dargun, der modernen Tochter von Doberan (wo aber die schlanken Säulen der Kreuzarme fehlen), innerhalb des Cisterzienser=Ordens vorkommt, als ein directer Einfluß der Architektur des Mutter=Klosters auf die der Tochter anzuerkennen.

Radensleben, den 6. April 1870.

v. Quast.     

 

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VIII.

Eikhof und Warnow.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


E ine der merkwürdigsten Stellen des Landes Meklenburg für die Natur= und Staatsgeschichte bildet der Punkt, auf welchem jetzt der Hof Eikhof steht.

Der Warnow=Fluß beschreibt in seinem obern Laufe im oft engen Thale mit hohen Ufern, z. B. bei Richenberg neben Kleefeld, einen großen Bogen mit vielen Krümmungen, bis er bei Groß=Görnow, unterhalb Sternberg, die letzte romantische Hügelkette durchbricht und unterhalb der Eisenbahnbrücke bei Eikhof den mittlern Lauf beginnt, welcher von hier durch ein sehr weites Wiesenthal bis an das Petri=Thor der Stadt Rostock geht, von wo der Fluß bis vor Warnemünde die Gestalt eines lang gestreckten Seebeckens annimmt.

Dieses mittlere Wiesenthal beginnt genau bei Eikhof, wo im Wiesenthale noch einige Horste Festland liegen, welche aber auch schon von Wiesen umgeben sind. Von Groß=Görnow bis Eikhof nimmt die Warnow, wahrscheinlich durch die Hügel Eikhofs gezwungen, eine nördliche Richtung an, bis sie sich dicht unter Warnow wieder gegen Osten und Nord=Osten wendet. Hier ist der Anfang des weiten Wiesenthales der mittlern Warnow. Hier umgeben ziemlich bedeutende Höhen, welche früher wohl bewaldet waren und auf denen großartige Kegelgräber der Vorzeit prangen, in einem weiten Bogen den Anfang des Wiesenthals. Innerhalb dieses Bogens steht auf Horsten mit festem Boden, jedoch rings umgeben von Wiesen, der Hof, die frühere Burg Eikhof.

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Sehr merkwürdig ist auf dieser gegen Norden gerichteten Strecke der Lauf der Warnow. Dicht unterhalb der Eisenbahnbrücke über die Warnow und oberhalb des Hofes Eikhof 1 ) theilt sich nämlich der Fluß in zwei Hauptarme, welche unterhalb Eikhof wieder zusammen fließen. Ob einer von ihnen durch Menschenhände gegraben ist, läßt sich wohl schwer entscheiden. Der eine Arm liegt westlich und ist wahrscheinlich der nach Norden gerichtete Hauptarm, der sich unterhalb Eikhof wieder gegen Osten wendet. Der andere Arm fließt östlich in einem großen Bogen, bis er sich unterhalb Eikhof wieder mit dem westlichen Arme verbindet. Innerhalb dieser Flußumarmungen, welche mit hellem, frischem Wasser strömen, liegen die alten Burgwälle. Im Anfange der Theilung im Winkel zwischen den beiden Flußarmen steht an dem westlichen Hauptarme ein ziemlich ausgedehnter, hoher, alter Burgwall von länglich viereckiger Gestalt, wie die alten wendischen Burgwälle, welcher jetzt als Acker= und Gartenland benutzt wird; an dieser Höhe führt links die alte Dorfstraße am linken Warnowufer von Rühn und Baumgarten her zur mittelalterlichen Burg hinauf. Dieser Burgwall ist von der Eisenbahnbrücke leicht an einem auf der Höhe stehenden einzelnen Birnbaum zu erkennen. In der Krümmung des östlichen Nebenarmes an demselben steht ein mächtiger mittelalterlicher Burgwall, auf welchem der jetzige Hof steht. Von diesem östlichen Warnowarme zweigt sich ein dritter Nebenarm des Flusses ab, welcher bei der Mühle beginnt, den mittelalterlichen Burgwall im Westen umfließt und unterhalb des Gartens wieder in den östlichen Arm mündet. Dieser Arm, welcher der kleinere ist, scheint künstlich gegraben zu sein und als Burggraben gedient zu haben, so daß die mittelalterliche Burg ganz von Wasser umflossen ist. Außerhalb dieses Burggrabens liegen im Halbkreise umher nach dem westlichen Arme hin neben dem alten Burgwalle noch mächtige Burg= oder Festungswälle, welche jetzt zu einem Park umgeschaffen sind. Von diesem mittelalterlichen Burgwalle führt die Hofstraße am rechten Warnow=Ufer nach dem Dorfe Warnow und der Stadt Bützow.

Es ist jetzt nicht meine Absicht, eine vollständige Geschichte der mittelalterlichen Burg Eikhof, welche außerordentlich merkwürdig und reichhaltig ist, zu schreiben. Es liegt eine ungewöhnlich reiche Urkundenmenge vor und daher würde


1) Leider reichen Kräfte und Mittel nicht hin, eine genaue Karte von dem Hofe und der Feldmark Eikhof zu geben, so wünschenswerth eine solche auch sein dürfte.
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jetzt eine vollständige geschichtliche Untersuchung zu weit führen. Es ist augenblicklich nur mein Zweck, einige Beobachtungen zu Papier zu bringen, da sie mir sehr weit zurückzugreifen scheinen und vielleicht zu anderen wichtigen Forschungen Veranlassung geben können, welche auch Andere unternehmen können. Ich will hier nur einen Anstoß geben, da ich nicht möchte, daß meine Beobachtung und Arbeiten ganz verloren gingen. Zur genaueren Ansicht und Untersuchung war ich am 2. Julii 1870 in Eikhof, wo mir der Herr Pächter Seeler mit seinen vieljährigen Erfahrungen freundlichst zur Hand ging.

Die mittelalterliche Burg Eikhof war um das Jahr 1284 von dem mit vielen Gütern in der Gegend ansässigen Ritter Johann von Zernin, einem Vasallen des Bischofs von Schwerin und der Fürsten von Meklenburg (1280 - 1302, † vor 1318), gegründet. Aber schon am 25. April 1285 mußte ein Streit zwischen den Fürsten von Meklenburg und dem Bischofe von Schwerin über die Erbauung der "neuen Burg" ("super edificationem noui castri in Ekhuoue") also geschlichtet werden, daß der Ritter von Zernin sich verpflichten mußte, die aufgeführte Feste abzubrechen ("propugnaculum ibi constructum destruat") und mit der Schleifung nicht eher aufzuhören, bis auch der ganze Graben der Erde gleich gemacht sei ("nisi prius totum fossatum humo fuerit adequatum") (Vgl. Meklb. Urk.=Buch, III., Nr. 1794). Dieser Graben ist höchst wahrscheinlich der noch fließende oben so genannte Burggraben und Mühlgraben, welcher sich von dem östlichen Warnowarme abzweigt.

Zu der Schleifung der Burg wird es aber nicht gekommen sein, da das ganze 14. Jahrhundert die Burg als ein mächtiges Schloß und der Sitz einer Vogtei vorkommt, um das sich zahlreiche wichtige Verhandlungen drehen, welche tief in das Staatsleben eingreifen.

Der Grund der langen Streitigkeiten zwischen den Fürsten und den Bischöfen war, daß nach einem Zeugenverhöre vom J. 1355 die Burg Eikhof auf der Grenze des Fürstenthums Meklenburg und des Bisthums Schwerin erbauet war und daß ein Theil des Grundes und Bodens den Fürsten von Meklenburg, der andere den Bischöfen von Schwerin gehörte, daß also der jedesmalige Inhaber der Burg Vasall zugleich dieser beiden Herren war:

"castrum dictum Echof in confinibus terrarum dominii Hinrici (domini Magnopolensis) et episcopi Zwerinensis in quodam fundo pro parte in do-

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minio (domini Hinrici) et pro parte in dominio episcopi Zwerinensis sito."

Zu diesem getheilten Grund und Boden rechne ich den ganzen Raum zwischen den beiden Hauptarmen der Warnow, den alten und den neuen Burgwall. Die Grenze zwischen dem Fürstenthum Meklenburg und dem Bisthum Schwerin (von wegen des Landes Bützow) ging also mitten durch den jetzigen Ort Eikhof.

Es würde zu weit führen, alle die zahlreichen Streitigkeiten, Verhandlungen, Verkäufe, Verpfändungen u. f. w. aufzuführen, welche sich das ganze 14. Jahrhundert um die Burg Eikhof drehen.

Nur das will ich noch bemerken, daß noch im J. 1373 die Wichtigkeit der Burg Eikhof zur ernsten Verhandlung kam.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg verlangte nämlich von dem Schweriner Bischofe Friedrich v. Bülow, das große Haus auf dem Schlosse Eikhof, welches der Fürst 1342 von dem Bischofe gekauft und zu Lehn genommen hatte, abzubrechen, um das Schloß besser befestigen zu können, jedoch den Thurm mit dem Moshause (Saalgebäude zum Speisen, Speisehaus) und den Thoren stehen zu lassen.

Dieses Schloß, welches auf des Bischofs Grund und Boden stand, ist also ohne Zweifel die mittelalterliche Burg, der jetzige Hof. Schon nach der Erbauung 1285 erhielt es der Ritter Johann v. Zernin von dem Bischofe zu Lehn.

Das Hauptgebäude dieses Schlosses stand ohne Zweifel auf der Stelle des jetzigen Herrenhauses, welches die höchste Stelle auf dem umflossenen Burgraum einnimmt. Die jetzige Vorderseite nach dem Hofe hin ist viel höher, als die Hinterseite, so daß man über eine hohe Freitreppe zur Hausthür hinaufsteigen muß. Darunter steht noch das alte Erdgeschoß mit den Küchen und Kellern, feste Gewölbe mit dicken Mauern und Pfeilern aus großen Backsteinen, von denen einige Gefängnisse zu sein scheinen, da nach der Versicherung des Herrn Pächters Seeler noch eiserne Ringe mit Ketten in den Wänden sitzen. Höchst wahrscheinlich stammt dieses Erdgeschoß noch aus der Zeit des ersten Baues.

Die Hinterseite des Herrenhauses erscheint jetzt nicht so hoch. Man tritt zunächst auf ebener Erde in den Garten, welcher sich in mehreren Terrassen zu dem tiefen Burggraben hinabsenkt. Nach der Versicherung des Herrn Seeler stecken diese Terrassen noch ganz voll Mauerwerk und Schutt, so viel auch nach und nach herausgenommen ist. Jenseit des Burggrabens ziehen sich die hohen Wälle umher.

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Wegen der Wichtigkeit der Burg sind noch heute die von Lützow auf Eikhof Erblandmarschälle des Herzogthums Meklenburg=Schwerin.

Wenn nun die Stelle dieses mittelalterlichen Burgwalles dem Bischofe von Schwerin gehörte, so ist die Frage, was von der Burg Eigenthum der Fürsten von Meklenburg war. Und hier kommen wir auf den eigentlichen Kern der gegenwärtigen Untersuchung. Der Besitz der Fürsten von Meklenburg war der oben geschilderte, jetzt zu Gartenland benutzte alte Burgwall in dem Winkel zwischen den beiden Hauptarmen der Warnow, welcher durch den Burggraben von der mittelalterlichen Burg getrennt und auch von Wasser und Wiesen umgeben ist.

Um das Hauptergebniß meiner Forschungen kurz vorweg zu nehmen, muß ich es aussprechen, daß ich diesen alten Burgwall neben der mittelalterlichen Burg für den viel gesuchten wendischen Burgwall Warnow des Landes Warnow halte.

Das wendische Land Warnow, in der Mitte des Landes, erstreckte sich von Parchim nördlich hinauf über Sternberg bis an die Warnow, bis zu dem Zusammenfluß der Warnow und der Mildenitz, so daß die nördliche Spitze zwischen den nachmaligen bischöflich=Schwerinschen Ländern Bützow und Warin lag. Die Grenze zwischen Land Parchim, d. i. Warnow, später Meklenburg, und Bisthum Schwerin, lag nach einer Grenzbestimmung vom Jahre 1261 auf der nördlichsten Spitze zwischen den Dörfern Klein=Raden (fürstlich) und Warnow (bischöflich) 1 ), also bei Eikhof. Früher wird die Grenze noch ein wenig weiter nach Osten gelegen und noch das Dorf Warnow eingeschlossen haben. Der Bischof von Schwerin war seit 1185 im Besitze eines viel gesuchten Dorfes im Lande Warnow ("una villa in Warnowe"). Für dieses "Dorf im Lande Warnow" halte ich das jetzige Dorf Warnow bei Eikhof. Dadurch kam die Grenze des Bisthums Schwerin oder vielmehr des Landes Bützow bis nach Eikhof hinein.

Eikhof aber ist die ehemalige wendische Burg Warnow an dem Flusse Warnow bei dem Dorfe Warnow. Nachdem der wendische Burgwall über ein Jahrhundert verlassen war, bauete 1284 der Ritter Johann von Zernin, welcher wohl von dem nahen Dorfe Zernin (bei Warnow) seinen Namen trug, neben dem wendischen Burgwall, welcher nicht geräumig


1) Vgl. Wigger Meklb. Annalen, I. S. 108 flgd. und 125.
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genug war, eine deutsche Ritterburg, welcher er den deutschen Namen Eikhof gab, und ließ das Dorf Warnow stehen.

Ebenso verbesserte er 1287 die Pfarre in dem Dorfe Eikelberg, welches ihm auch gehörte und durch ihn auch wohl den deutschen Namen erhalten hatte. Das Dorf Warnow, welches nur eine Viertelstunde von der Burg Eikhof entfernt liegt, war aber immer eng mit Eikhof verbunden. So z. B. hatte Heinrich von Bülow, welcher damals im Pfandbesitze von Eikhof war, vor dem Jahre 1346 4 Hufen von Warnow gekauft und zu Eikhof gelegt, welches als bloße Burg wohl keine große Feldmark hatte.

In unmittelbarer Nähe des Dorfes Warnow kann aber weder eine wendische, noch eine mittelalterliche Ritterburg gestanden haben, da das Feld und das Dorf auf hohem, trockenem Boden liegen.

Ich halte nun dafür und bin fest überzeugt, daß der alte Burgwall neben dem Schlosse Eikhof der viel gesuchte wendische Burgwall Warnow des Landes Warnow ist.

1) Der alte Burgwall, etwa 30 Fuß hoch und höher, hat ganz den Bau, die Gestalt und die Lage aller andern wendischen Landes= und Gauburg=Wälle. Ich habe freilich noch keine Topfscherben oder andere Alterthümer auf demselben gefunden, da die Oberfläche mit Feldfrüchten bestanden war, bin aber überzeugt, daß sich alte Ueberreste finden werden. Gebrannte Ziegel und Ziegelschutt habe ich auf der Oberfläche nicht bemerkt.

2) Dieser alte Burgwall lag sicher noch im Lande Warnow.

3) Dieser alte Burgwall liegt in sehr fester Gegend an dem Flusse Warnow, und

4) in nächster Nähe des Dorfes Warnow, welches immer eng mit der Stelle von Eikhof verbunden war.

5) Wenn dieser alte Burgwall auch auf der äußersten Nordspitze und Grenze des ehemaligen Landes Warnow liegt, so kann dies doch die Annahme nicht schwächen, da bekanntlich viele wendische Gauburgen an den Grenzen der "Länder" oder Gaue lagen und zugleich Grenzburgen waren.

6) Der alte Burgwall zu Eikhof hat hier seine rechte Stelle, da er in der Mitte mehrerer Völkerschaften und des Landes, an der Grenze mehrerer Länder und in einer äußerst wichtigen und festen Gegend liegt.

Der "alte Burgwall" zu Eikhof ist also der wendische Burgwall Warnow, welcher zur Zeit der Erbauung in der christlichen Zeit einen deutschen Namen erhalten hat.

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So war Warnow (Eikhof) ein wichtiges Glied in der Kette der großen Landesburgen, welche das Land in fast grader Linie mitten durchzieht: Ratzeburg, Gadebusch, Meklenburg, Dobin, Warnow (Eikhof), Bützow, Güstrow (und Bisdede), Werle, Kessin, Rostock, welche jetzt alle entdeckt und festgestellt sind.

Es sollte mich freuen, wenn durch weitere Forschungen meine Vermuthung bestätigt oder etwas Besseres an die Stelle meiner Ansichten gesetzt werden könnte.

 

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IX.

Wallenstein meldet dem Grafen Philipp von Mansfeld seine Abreise nach Meklenburg und entbietet denselben dahin zu sich.

D. d. Friedland, 1628, Junii 6.

Vnsern freundlichen grus, vnd was wir mehr Liebes vnd Guetes vermögenn zuuor. Hoch vnd wolgeborner Graff, besonders lieber Herr vnd Freundt.

Wir berichtenn den herrn, das wir albereit nach denn Nieder=Sächsischenn Craiß inn fortzueg sein, Vnnß aber nit wießent, ob wir inn Pommern oder in Landt zue Mechelburg anlangen werden, mit den Herrn vnß aber nothwendig zue unterreden: Alß wolle Er sich alß balden von dannen aufmachen, nacher Güstraw verfügen, alda Er erfragen wirdt können, wo Wir anzutreten, Alßdann weiters zue vns begeben, damit wir vnnß wegenn der Schieff Armazon mit Ine vnderreden können. Vnd verbleiben den Herrn zue angenehmer erweisung willig. Gegeben zue Friedlandt, denn Sechsten Tag Juny, Anno 1628.

Albrecht v. G. G. Hertzog zu Friedlandt vnd Sagan, Röm. Kay. Mtt. General Obrister Veldhaubtman, wie auch des Oceanischen vnd Baltischen Meers General
     des herrn dienstwilliger
               A. H. z. F.

Dem Hoch=Wohlgebornen Herrn Philipsen
Grauen von Mannßfeldt, Edlen Herrn
zue Heldrungen, Röm. Kayserl. auch
Königl. Mtt. zu Hispanien Kriegs=
rath, Cämmerer vnd bestaltem Obristen,
Vnsenn besonders lieben Herrn vnd
freundt.
               Lübeck.

Nach dem Original im fürstlich Anhaltischen Archive zu Ballenstädt, mitgetheilt von dem Archivrath a. D. Baron v. Medem zu Wetzlar.

 

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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Hünengrab von Mestlin.

Vgl. Jahrb. XXVII, S. 165 flgd.

Nach einem Berichte des Herrn Dr. Wiechmann zu Kadow wurden in einem Grabe der Steinzeit im "Mestliner Holze", bei Goldberg und Dobbertin, folgende Geräthe gefunden:

1 ganz geschliffener Keil aus Diorit, 14 Centim. lang und an der Schneide 6 1/2 Centim. breit;

1 ganz geschliffener Keil aus hellgrauem Feuerstein, 15 Centim. lang und an der Schneide 6 1/2 Centim. breit;

1 ganz geschliffener Schmalmeißel aus hellgrauem Feuerstein, 13 1/2 Centim. lang und an der Schneide 1 1/2 Centim. breit;

1 Schleuder st ein aus Granit, trichterförmig durchbohrt, oval, im größten Durchmesser 5 Centim., größte Dicke 3 1/2 Centim.;

1 Spindelstein(?) aus schwarzem Gestein, 4 1/2 Centim. im Durchmesser.

Die Alterthümer sind in den Besitz des Herrn Dr. Wiechmann gekommen, nach dessen Mittheilungen der vorstehende Bericht abgefaßt ist.

G. C. F. Lisch.     

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Hünengrab von Schwansee.

Nach glaubwürdigen genauen Mittheilungen ist vor mehreren Jahren zu Schwansee an der Ostsee bei Dassow ein "Hünengrab" abgetragen, in dem sich eine "ausgehöhlte Eiche" fand, in welcher ein "menschliches Gerippe" lag; neben dem Gerippe lag ein "geschliffener Keil", ein "nicht geschliffener Keil" und eine "durchbohrte Streitaxt". Leider ist nicht mehr zu erlangen gewesen als diese Nachricht.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Alt=Farpen.

Beim Bau einer Brücke zu Alt=Farpen bei Wismar auf dem Wege nach Robertsdorf ward eine Streitaxt von Diorit gefunden und von dem Herrn Pächter Baumann durch den wailand Herrn Gutsbesitzer Fischer auf Wendelstorf geschenkt. Die Axt, 4 1/2 Zoll lang, ist von alter Form, am Bahnende abgestumpft, und von beiden Seiten her ziemlich roh kegelförmig angebohrt, so daß das Schaftloch noch nicht vollendet und nicht ausgeschliffen ist.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Zippendorf.

Im Jahre 1869 ward in dem Holze zu Zippendorf bei Schwerin eine Streitaxt aus Diorit gefunden, welche außerordentlich selten und merkwürdig ist. Das Stück ward dem Herrn Advocaten Rennecke zu Schwerin gebracht, der dasselbe noch besitzt, jedoch die Freundlichkeit gehabt hat, die Untersuchung und wissenschaftliche Benutzung zu gestatten. Die Streitaxt, welche nur klein, etwa 4 Zoll lang ist, ist noch nicht fertig. Es ist ein paßlicher Stein dazu gewählt, welcher auf den Oberflächen durch Schlagen und Reiben ungefähr zu der beabsichtigten Form gebracht, jedoch noch nicht vollständig geformt und noch nicht geschliffen ist. Es ist der Anfang gemacht, das Bahnende abzuspitzen, ungefähr wie die Abbildung in Jahrb. XXX, S. 38, Nr. 2 zeigt. Die Axt hat also die Grundform ungefähr wie Friderico-Francisceum Taf. XXVIII, Fig. 4 und 6, wird daher nach der Gestalt wohl einer jüngeren Zeit, wahrscheinlich

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schon der Bronzezeit angehören, da die Aexte der Steinzeit eine mehr plumpe Gestalt und eine breite Bahn haben. Aber auch das Schaftloch ist noch nicht fertig. Es bestätigt sich hier wieder die Wahrnehmung, daß, nachdem die Form einigermaßen zugerichtet war, zuerst das Schaftloch gebohrt und die Oberfläche erst nach dessen Vollendung geschliffen ward. Das Merkwürdige an dieser Streitaxt ist nun die Art der Bohrung des Schaftloches. Die Schaftlöcher der Aexte der Steinzeit sind ohne Zweifel durch einen Pflock mit Sand gerieben; alle noch nicht fertigen, und es giebt viele halbvollendete, haben ein kegelförmiges Loch, gewöhnlich an beiden Seiten, welches nach und nach zu der beabsichtigten Größe gebracht ward. Die Streitaxt von Zippendorf ist aber mit einem Ring= oder Centrum=Bohrer gebohrt, indem an einer Seite in dem erst ungefähr 1 Zoll tiefen Loche ein eben so großer, regelmäßiger, etwa 1/8 Zoll dicker, glatter Dorn oder Stift stehen geblieben ist. Das Loch oder die Höhlung, in welchem dieser Stift steht, ist überall gleich weit, überall glatt und am Boden, auf dem der Stift steht, halbkugelig ausgeschliffen, ungefähr wie das Innere eines Fingerhutes. Die Bohrung kann also nur mit einem metallenen Centrum=Bohrer gemacht sein, also wenigstens zur Bronzezeit. Dieses Stück giebt also wieder den Beweis, daß gewisse Geräthe aus Stein auch in die jüngeren Perioden der Vorzeit hineinragen, namentlich Streitäxte aus Diorit und Pfeilspitzen aus Feuerstein, während die schneidenden Geräthe, wie Schwerter, Dolche, Messer in der Bronzezeit immer aus Bronze bestehen. (Aber umgekehrt kommen diese schneidenden Geräthe aus Bronze nicht in der Steinzeit vor, sondern dieselben sind immer aus Feuerstein.)

Solche Stücke, wie diese Streitaxt von Zippendorf, sind außerordentlich selten: es war in Meklenburg bisher nur ein einziges gleiches, ebenfalls noch nicht fertiges Exemplar bekannt geworden, welches in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin aufbewahrt wird.

G. C. F. Lisch.     

 


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b. Bronzezeit.


Kegelgrab von Basedow.

Auf der jetzigen Feldmark des Gutes Basedow bei Malchin, und zwar auf dem Felde des untergegangenen Dorfes Wargentin, hundert Schritte von den Ueberresten des ehemaligen Wargentiner Kirchhofs und ungefähr fünfhundert Schritte von dem Malchiner See entfernt, stand ein kegelförmiger Hügel, welcher von einem Kreise von größern Feldsteinen eingefaßt war. Dieser Kreis hatte einen Durchmesser von 30 Schritten. Der Hügel, welcher einige Fuß hoch war, war von weißem Sande, vielleicht vom Malchiner See, aufgeführt, während der Boden weit umher strenger Lehm ist. In der Mitte des Hügels lag auf dem Urboden ein größerer Stein. Als die Steine zum Bau ausgebrochen wurden und der Hügel geöffnet ward, wurden mehrere bronzene Geräthe gefunden, welche alle zerbrochen und zum Theil vom Feuer verbogen und alle stark gerostet waren. Beim Aufgraben wurden die Sachen noch mehr zerbrochen. Der Hügel war also ein sogenanntes Kegelgrab gewesen.

Die bronzenen Geräthe sind folgende:

ein schmales Bronzeschwert mit Griffzunge, welche zum großen Theil abgebrochen ist, 18 Zoll in der Klinge lang, mit einigen gerosteten Bruchflächen;

eine Bronzeaxt, mit Schaftloch, mit 4 erhabenen Reifen zur Verzierung auf jeder Seite, ganz wie die in Worsaae Afbildninger Taf. 23, No. 81, oder Nordiske Oldsager Tat. 27, No. 110, abgebildete Bronzeaxt, nur am Bahnende scharf auslaufend, 16 Loth Zollvereinsgewicht schwer, leider im Schaftloche quer durchbrochen, ein sehr seltenes Stück;

Bruchstücke von einer verbogenen und zerbrochenen sogenannten Handberge, deren Armring mit Querlinien und Strichelchen verziert ist.

Außerdem fanden sich Bruchstücke von einer kleinen Sandsteinplatte von jungem Gestein, von denen das eine als Schleifstein oder Polierstein benutzt gewesen zu sein scheint.

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Der Herr Candidat Pumplün hat diese Gegenstände dem Vereine überreicht.

Im Jahre 1846 wurden zu Wiek bei Schwaan, nicht weit von dem Hofe und dem Burgwalle Werle, in einer "Sandscholle" einige Fuß tief, mehrere Bronzealterthümer mit demselben tiefen Rost gefunden, unter denen sich auch eine bronzene Axt befand, welche der Basedower ganz gleich ist (vgl. Jahrb. XII, S. 415).

Ungefähr hundert Schritte von diesem Basedower Grabe lag ein zweites, ähnliches, kleineres Grab, welches ebenfalls aufgebrochen ist, aber keine Alterthümer geliefert hat.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzeschalen von Basedow.

Im Herbste 1870 wurden zu Schloß Basedow beim Aufräumen eines Moderloches 6 kleine, feine Bronzeschalen gefunden, von denen 4 ziemlich gut erhalten, 2 aber zerbrochen und lückenhaft, alle aber rostfrei sind. Der Herr Graf Hahn auf Schloß Basedow hatte die Güte, den Fund den Sammlungen des Vereins zu überweisen. Die Schalen, durchschnittlich 2 Zoll hoch und 4 bis 5 Zoll weit in der Mündung, sind aus alter Bronze dünne getrieben und mit Reihen von kleinen Buckeln und Punkten verziert, welche von innen herausgetrieben sind; vier haben einen breiten Henkel am Rande, zwei sind ohne Henkel.

Dieser Fund ist nun außerordentlich merkwürdig. Die Schalen gleichen nämlich im Allgemeinen ganz der früher zu Dahmen ebenfalls im Moder gefundenen, in Jahrb. X, S. 283, beschriebenen und dort und hier wieder abgebildeten

Bronzeschale von Basedow
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Bronzeschale, so wie den bei Klein=Luckow im Moor gefundenen und in Jahrb. XIII, S. 376, beschriebenen drei Bronzeschalen. Die Güter Basedow, Dahmen und Klein=Luckow liegen nun ungefähr je 3/4 Meilen weit auseinander, so daß auf eine Strecke von 1 1/2 Meilen drei gleiche Bronzefunde kommen, welche ohne Zweifel einer und derselben Zeit angehören und wahrscheinlich aus einer und derselben Fabrik stammen; diese Schalen scheinen dieser Gegend eigenthümlich gewesen zu sein.

Von den Basedower Schalen gleichen nun drei in jeder Hinsicht ganz der hier abgebildeten Schale von Dahmen und den Schalen von Klein=Luckow, mit der alleinigen Ausnahme, daß auf dem Rande die Reihe von Buckeln fehlt; sie sind also der ersten Schale von Klein=Luckow gleich. Eine vierte Schale hat überhaupt nur eine Reihe von Buckeln, welche größer sind und weiter auseinander stehen als auf den drei ersten Schalen. Eine fünfte Schale ist ganz glatt. Von einer sechsten Schale ist nur der Rand vorhanden.

Die Henkelniete sind ebenfalls von Kupfer, wie die Niete der an den andern Orten gefundenen Schalen.

Merkwürdig ist es, daß genau dieselben Schalen auch in Dänemark auf der Insel Fühnen vorkommen. Madsen in Afbildninger af Danske Oldsager og Mindesmaerker, II, Broncealderen, hat im XV. Hefte 4 gleiche Schalen abgebildet, welche mit ändern Bronzealterthümern in einem Moor bei Kirkendrup, Amt Odensee, gefunden sind: Oegemose ved Kirkendrup, Naesbyhoved Broby Sogn, Odensee Amt. Es ist dabei wohl zu bemerken, daß dieselben Fabrikate, welche Einer Fabrik anzugehören scheinen, eine ziemlich weite Verbreitung übers Meer gefunden haben.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzegeräthe von Waren.

Auf der Feldmark der Stadt Waren liegt neben der Müritz ein kleiner See mit Moorgrund, die Feisneck genannt, welcher der Stadt gehört. In der Mitte dieses Sees liegt eine Insel, welche Burgwall genannt wird, da auf demselben ein regelmäßiger Burgwall steht, auf welchem vor Zeiten ein "fürstliches Schloß gestanden haben soll." Ohne Zweifel ist dieser Burgwall eine Anlage aus wendischer Zeit 1 ).


1) Vgl. L. Fromn's Beschreibung im Meklenb. Archiv für Landeskunde, Jahrg. XIV, 1864, S. 32 flgd.
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Nicht weit vom Ufer des Burgwalles sind vor einigen Jahren im Wasser von den Fischern zwei wichtige Bronzegeräthe gefunden und an den verstorbenen Burgemeister Pries abgeliefert, welcher sie im Jahre 1865 dem Verein übergeben hat.

Das vorzüglichste ist ein bronzenes Henkelgefäß, 3 3/4 Zoll hoch und 4 1/2 Zoll weit im Bauche, mit ausgerundetem Bauche und eingezogenem Halse und einem Henkel; das Ganze ist von sehr schöner Form. Das Gefäß, welches mit dem im Friderico-Francisceum Taf. XII, Fig. 2, abgebildeten von gleichem Styl und gleicher Arbeit, jedoch nur halb so groß ist, besteht aus sehr dünne gehämmerter Bronze. Der ganze Bauchrand, so weit er sich dem Auge in der Seitenansicht zeigt, ist mit Verzierungen bedeckt, welche von innen heraus getrieben sind. Es ist hiebet zu bemerken, daß das ganze Gefäß aus drei Stücken besteht und zusammen getrieben ist, ohne Vernietung und Löthung. Das eigentliche Gefäß besteht aus zwei halbkugelähnlichen Stücken, welche im Bauchende zusammengesetzt sind; die nach außen übergebogene Halsmündung bildet auch ein eigenes Stück. Durch die Verfertigung aus einzelnen Stücken haben diese sich leichter hämmern lassen. Der Henkel ist angenietet. Die Verzierungen sind folgendermaßen zusammengesetzt. Auf dem Bauchrande sind drei erhabene Streifen. An jeder Seite derselben liegt ein Band, welches abwechselnd mit einem halbkugelförmigen Knötchen und vier senkrechten Linien belegt ist. An jeder Seite dieses Bandes liegt ein erhabener Reif und an jeder Seite zum Schlusse eine Reihe halbkugelförmiger Knötchen oder Buckeln. Der Henkel ist an den Rändern mit eingegrabenen Queerlinien verziert.

Dieses Henkelgefäß gleicht also in Arbeitsweise und Verzierungen ganz den Bronzeschalen von Dahmen, Klein=Luckow und Basedow, welche in Jahrb. XIII, S. 376, und in der hier voraufgehenden Nachricht beschrieben und abgebildet sind. Außer den angegebenen Eigenthümlichkeiten ist auch der Fuß auf dieselbe Weise gestaltet. Ferner gleichen Arbeit und Verzierung der Bronzevase des Kesselwagens von Peccatel, welcher in Jahrb. IX, S. 369 flgd. beschrieben und auf der Lithographie dazu und in Jahrb. XXV, S. 219, abgebildet ist. Man darf also kein Bedenken tragen, dieses Henkelgefäß in die Zeit des Kesselwagens von Peccatel (und also der salomonischen Kesselwagen) zu setzen. Die von

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innen heraus getriebenen Buckeln sind auf allen diesen Gefäßen gleich und grade so groß und ebenso gestaltet, wie die Bronzebuckeln, die auf dem Ledergürtel aufgenietet sind, welcher in dem Grabe von Peccatel neben dem Kesselwagen gefunden und auf der Lithographie zu Jahrb. IX, Fig. 8, abgebildet sind. - Das Gefäß hat im Wasser auf der Seite gelegen und ist daher auf der einen Seite ohne Rost, auf der andern Seite mit festem, kalkigem Schlamm bedeckt, wie die Pfahlbaualterthümer von manchen Stellen des Bodensees z. B. von der Mainau.

Hiezu stimmt auch die neben dem Henkelgefäße im See gefundene hohl gegossene, kurze, bronzene Framea (Celt) mit Schaftloch und Oehr, deren Schneide sich sehr stark halbmondförmig schwingt.

Ob diese beiden Alterthümer einzeln im See verloren gegangen sind oder einem Pfahlbau angehören, hat sich noch nicht ermitteln lassen. Jedenfalls werden sie viel älter sein, als der Burgwall, mit dem sie wohl in keiner Verbindung stehen.

G. C. F. Lisch.     

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Die Krone von Sylt.

Vor mehreren Jahren stieß der Herr Hauptmann, jetzige Major a. D. von Preen, jetzt auf Groß=Brütz, während eines Badeaufenthalts auf der schleswigschen Insel Sylt in der Nordsee beim Spaziergange mit dem Fuße in einen fast frei liegenden, großen, grünen Ring, den er sogleich als Bronze erkannte und mit sich nahm. Der Ring lag in den Dünen "am rothen Clyff" in gelbrothem Lehm auf einer mit zerbrannten Knochen gefüllten thönernen Urne, welche im Laufe der Zeiten am obern Rande ganz frei gelegt war, aber beim Aufheben gänzlich zerfiel.

Als der Herr von Preen mir nach längerer Zeit den Fund zeigte, erkannte ich darin sogleich einen jener "Kronenreifen", welche schon vielfach und auch von mir zuletzt in den Jahrbüchern XXIX, S. 142, behandelt sind. Der Ring ist in Größe, Gestalt und Einrichtung durchaus den bisher gefundenen gleich. Er besteht aus Bronze, ist voll gegossen und mit tiefem, hellgrünem, edlem Rost bedeckt. Er hat im Innern einen Durchmesser von 5 1/4 Zoll, im Aeußern

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von 6 Zoll hamb. Maaß; der Ringkörper hat gut 1/2 Zoll im Durchmesser. Die Einrichtung des Ringes ist genau der der eigentlichen Kronen gleich; ein Viertheil des Ringes ist ausgeschnitten, bewegt sich an einer hervorragenden Verzierung um einen Stift und greift noch mit Federkraft, wenn der Ring geschlossen wird, mit einem Zapfen in ein gegenüber stehendes Loch in dem größern Theil des Ringes. Der Reif hat aber keine Kronenzacken, sondern ist rund und glatt, und nur mit Linienornamenten verziert, grade wie die in den Jahrb. a. a. O. und hier abgebildete Krone von

Krone von Sylt

Söhren in Holstein. Der Reif ist auf der ganzen obern und äußern Oberfläche mit feinen, niedrigen Queerbändern von ungefähr 1/8 Zoll Breite und dazwischen mit schmalen Linien verziert, darunter ist ein schmales Band von feinen Queerlinien, unter welchem eine Zickzacklinie liegt. Die untere und innere Hälfte sind ohne alle Verzierung und ganz glatt, also beim Tragen nicht zur Anschauung gekommen. Das Charnier, in welchem sich der ausgeschnittene Viertheilkreis bewegt, bildet, ähnlich wie bei den übrigen Kronen, eine Scheibe oder einen Knopf, welcher 1 1/4 Zoll im Durchmesser und 7/8 Zoll Höhe hat.

Der Kronenreif von Sylt ist also dem von Söhren ziemlich ähnlich. Es fehlt dem Ringe von Sylt jedoch der charakteristische, hervorragende Stift als Schmuck; statt dessen ist ein einfacher, roh gearbeiteter und vernieteter Stift eingetrieben, welcher fast kaum über das Charnier hervorragt,

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In dieser Hinsicht gleicht die Krone von Sylt dem in den Jahrb. a. a. O. und hier abgebildeten Kronenreife von

Kronenreif von Schwerin

Schwerin, welcher jedoch auf der Oberfläche durch niedrige Wulste wellenförmig modellirt ist.

Uebrigens glaube ich nicht, daß sich durch den Mangel der Verzierung die Krone von Sylt grade von den übrigen unterscheidet. Denn nach meiner Ansicht gehört der Stift derselben nicht ursprünglich zu der Krone: er ist roh gearbeitet, handwerksmäßig vernietet und hat gar keinen Rost, während der Ring sehr tiefen, edlen Rost trägt, sondern eine kupferbraune Farbe.

Der Reif von Sylt ist jetzt von dem Herrn Major von Preen den großherzoglichen Sammlungen geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

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Lanzenspitzen von Klein=Warin.

Zuverlässigen Mittheilungen zufolge sind zu Klein=Warin bei Warin 3 bronzene Lanzenspitzen mit Schaftloch gefunden, welche durch das Nagelloch auf einen bronzenen Ring gezogen, also wohl Handelswaare waren. Leider ist es unmöglich gewesen, diese Lanzen, oder auch nur genauere Nachricht über dieselben zu erlangen.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Vogelsang.

Der Herr Gutsbesitzer Rudloff ließ im J. 1869 ein Feld auf seinem Gute Vogelsang bei Teterow (= Lalendorf) drainiren. In einem Haufen Erde, der dabei ausgeworfen und auf den Hof gefahren war, fand sich hier hinterher ein

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halber Armring von Bronze. Bei genauerer Nachforschung ergab sich, daß einer der Arbeiter dabei noch Drath gefunden und diesen heimlich mit nach Hause genommen hatte, um gelegentlich damit zu binden. Dieser Drath erwies sich bei der Auslieferung aber als ein Doppelspiral=Fingering mit geschlossenen Enden von reinem Golde.

G. C. F. Lisch.     

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Wohnplatz von Schwerin.
(Höhlenwohnung.)

Nachtrag.

Der Verein hat 1867 die in den Jahrbüchern XXXI, S. 64, aufgeführten, bei der neuen Leimsiederei vor Schwerin gefundenen Alterthümer von dem Herrn Secretair L. Fromm durch Tausch erworben, nämlich:

2 bronzene Frameen und

1 bronzene Lanzenspitze, wie sie a. a. O. beschrieben sind, ferner:

1 Armring aus Bronze, zur Hälfte vorhanden, sehr dünn und schmal, nur 3/16 Zoll breit, mit demselben hellgrünen, edlen Rost, offenbar derselben Zeit angehörend.

Außerdem sind an derselben Stelle noch gefunden und erworben:

1 Bügel einer Heftel mit Spiralfeder, mit starkem, jedoch unreinlichem und nicht edlem Rost, welcher zwar alt ist, aber ohne Zweifel einer jüngern Zeit, wahrscheinlich der allerersten Zeit der Eisenperiode angehört, und

1 Bruchstück von einer eisernen Platte, wahrscheinlich einer Sichel, derselben Zeit angehörend, für Eisen sehr alt und stark gerostet.

Die Stelle wird also zu verschiedenen Zeiten bewohnt gewesen sein.

Bei diesen Alterthümern sind sicher auch noch mehrere Knochen, außer den in den Jahrb. a. a. O. aufgeführten, gefunden, nämlich nach Rütimeyers Bestimmung:

ein Beinknochen vom Menschen,

ein Beinknochen von einem jungen Rind,

ein Beinknochen von einem jungen Schaf.


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c. Eisenzeit.


Ueber das Grab von Wotenitz
und
die alte Eisenperiode,

von

Dr. G. C. F. Lisch.

Nachtrag zu den Jahrbüchern XXVI, S. 161.

In den Jahrbüchern XXV, 1860, S. 252 flgd., gab ich die erste Nachricht von dem großen Begräbnißplatze aus der Eisenzeit bei Wotenitz, und namentlich über eine ungewöhnlich reich ausgestattete Urne, in welcher neben sehr zahlreichen Alterthümern aus Eisen, Silber, Bronze, Glas u. s. w. auch eine schöne goldene Halskette lag. Im Jahre 1860 hielt ich diesen Begräbnißplatz für einen wendischen, aus der vorgeschrittenen jüngeren Eisenzeit. Diese Urne mit ihrem Inhalt gab mir aber Veranlassung zu tiefern Forschungen und Vergleichungen und ich mußte mich bald überzeugen, daß Alterthümer dieser Art bis in das erste und zweite Jahrhundert nach Christi Geburt zurück reichen. Ich nahm daher diese wichtige Forschung in den Jahrb. XXVI, 1861, S. 161 flgd., wieder auf, und ward durch reiflich überdachte Gründe bestimmt, die Begräbnißplätze mit den kohlschwarzen Urnen, mit aus viereckigen Punkten gebildeten Hammer= und Mäanderverzierungen, in die erste Zeit der christlichen Zeitrechnung zurück zu versetzen, in denen noch keine Wenden in Norddeutschland wohnten.

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In der einen erwähnten Urne fanden sich viele Schmuckgegenstände aus edlem Metall, namentlich eine schöne Halskette aus geflochtenem Golddraht, ein silbernes Armband oder offene Spange mit halbkugelförmigen Verzierungen an den Enden, eine verbogene große silberne Nadel ("Haken"), ein hohler silberner Nadelknopf ("Perle").

Ich habe in Jahrb. XXVI, S. 163 flgd., angeführt, daß diese selbigen Sachen mit römischen Alterthümern zusammen wiederholt in Dänemark gefunden sind und auch aus Ungarn eine solche "aus vierfachem Golddrath geflochtene Kette" stammt (vgl. Jahrb. a. a. O., S. 167).

Darnach ist auch in Oesterreich 1862-1863 zu Wulzeshofen ein Goldfund gemacht, welcher nach den Abbildungen ganz mit den hier angeführten Alterthümern von Wotenitz übereinstimmt. Der Fund ist beschrieben und abgebildet von Kenner: Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde in der Oesterreichischen Monarchie, 1862-1863, im Archiv für Kunde österreichischer Geschichts=Quellen, Wien, 1865, Band 33, S. 29. Diese hier gefundenen Gegenstände sind: Bruchstücke einer Kette aus feinem, "vierfach geflochtenem Golddrath" mit "Schlußstück und Goldblechcylinder"; ein Armband aus Golddrath, dessen Ende ein Knopf bezeichnet, der aus zwei mit Kugeln begrenzten Gliedern besteht; Endstück (Knopf) einer goldenen Nadel, dessen oberes Ende einen Goldblechcylinder trägt, der oben mit kleinen Wulstchen besetzt ist; Klumpen von geschmolzenem Silber und von Bronze u. A.

Alle diese Sachen gleichen an Form und Arbeit völlig den in der Urne zu Wotenitz gefundenen goldenen und silbernen Geschmeiden, und deuten auf einen Verkehr zwischen dem Innern des europäischen Festlandes und den Ostseeküsten oder auf eine Verbindung beider mit einem südlichen Lande. Alle Stücke sind außerordentlich tüchtig und kunstreich gearbeitet, wenn auch eigenthümlich im Styl; aber eine "barbarische Technik" möchte ich, wie Kenner, es nicht nennen. Die Arbeit erinnert an Etrurien. Jedenfalls sind alle diese Gegenstände eigenthümlich und lassen sich mit den sonst im Norden gefundenen Alterthümern nicht in Verbindung bringen.

Auch in Ungarn bei Céke, Zempliner Comitat, sind im Jahre 1856 Goldschmucksachen gefunden, welche an die bei Wulzeshofen gefundenen erinnern; vgl. Oesterreichischen Archiv a. a. O., S. 105.

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Bronzener Armring von Gnoien.

In der Gegend von Gnoien ward ein außerordentlich seltener Armring von Bronze gefunden und von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow auf Boddin erworben und dem Vereine geschenkt. Der Armring, von gewöhnlicher Größe, oval, 2 1/2 und 2 Zoll weit, ist aus dünnem Bronzeblech gearbeitet und sehr leicht, und auf der Außenseite mit Schrägelinien, schrägen Rechtecken und Punkten geschmackvoll verziert und leicht grün gerostet. Der Ring ist weit geöffnet; das eine Ende ist künstlich platt abgestumpft und durch die Blechenden zugebogen; das andere Ende trägt einen doppelt gebogenen Haken von Bronzeblech, welcher sich auf die Außenfläche des Ringes zurückbiegt, also zum Einhaken in das andere stumpfe Ende nicht gedient haben kann. Diese Ringe sind erst seit kurzer Zeit bekannt geworden, und können mit Sicherheit der allerjüngsten Zeit des Heidenthums zugeschrieben werden. Sie wurden zuerst in dem an Silber reichen Funde aus dem Begräbnißplatze von Cörlin in Pommern beobachtet, welcher nach einer dabei gefundenen Münze ungefähr dem Jahre 1200 angehört (vgl. Jahrb. XXIV, S. 283). Darauf sind sie nur noch auf dem großen Begräbnißplatze von Bartelsdorf bei Rostock gefunden, welcher in dieselbe Zeit fallen und von der letzten Heidenzeit in die erste Christenzeit reichen muß (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 305, und XXIX, S. 180).

G. C. F. Lisch.     

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Alterthümer von Caldus.
in Westpreußen.

Der Gymnasiast Kirchner aus Schwerin bemerkte zu Caldus bei Culm in Westpreußen, wo er zum Besuche war, in einem Sandberge, wahrscheinlich einem Begräbnißplatze, Alterthümer, und fand bei fleißigem Suchen eine ganze Menge, welche er dem Verein zum willkommenen Geschenke mitbrachte.

Die Alterthümer sind folgende:

1) Ein offener Armring aus dünnem Bronzedrath, an einem Ende stumpf abgeschnitten, am andern Ende zu einem Haken auf die Außenfläche umgebogen. Dies ist also einer von den ganz charakterischen Ringen, wie sie zu Cörlin

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in Pommern (Jahrb. XXIV, S. 283) und zu Barteisdorf bei Rostock (Jahrb. XXIX, S. 180), jetzt auch bei Gnoien (vgl. S. 144) gefunden und als der letzten heidnischen Zeit in Norddeutschland angehörend nachgewiesen sind.

2) Ein dünner, spiralförmiger Fingerring von breitem Bronzeblech, 1 1/2 Windungen groß.

3) Ein kleiner, offener Ring von Bronzeblech, 1/2 Zoll weit.

4) Ein kleiner, eisernes Messer, in der Klinge 3 1/2 Zoll lang, mit angerosteten Holzresten an der Griffzunge.

5) Eine große Menge ganz kleiner Glasperlen, meist hellgrün und hellgelb, auch blau.

6) Einige größere Glasperlen, dunkelblau und dunkelgrün.

7) Einige größere Mosaik=Glasperlen, z. B. dunkelblau mit eingelegtem weißen Zickzackband. Auch einige der kleineren Perlen haben eingelegte Verzierungen.

8) Einige Stangenperlen von Glas, eine grau und weiß geadert.

9) Das Merkwürdigste ist ein wohl erhaltener Fingerring von hellgrünem Glas , auf der Oberfläche opalisirend, 3/4 Zoll weit, in der Form eines schmalen Siegelringes, auf der breitesten Stelle mit einer kurzen aufstehenden Spitze statt einer Platte.

Diese seltenen Alterthümer gleichen also genau den jungheidnischen Alterthümern aus der letzten Heidenzeit, wie sie bei Cörlin und Rostock gefunden sind.

G. C. F. Lisch.     

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Begräbnißplatz von Kröpelin.

In den Jahrb. XXIX, S. 189, ist eine kurze Zeitungsnachricht über die Entdeckung eines heidnischen Begräbnißplatzes bei der Stadt Kröpelin mitgetheilt. Der Herr Candidat Rönnberg aus Kröpelin theilt hierüber folgende genauern Nachrichten mit.

Um Weihnacht 1863 ward bei Anlegung einer Dunggrube auf der neu gegründeten Hofstelle des Baumanns Mussehl an der neu angelegten Hinterstraße am Wismarschen Thore, südlich an der Stadt, am sogenannten Camp, ein heidnischer Begräbnißplatz entdeckt, in welchem eine große Menge Urnenscherben und auch 3 unversehrte Urnen, welche

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ungefähr 2 Fuß unter der Erdoberfläche standen, zu Tage gefördert. Da die Urnen noch feucht waren, so stellte man sie zum Trocknen im Freien auf, wo sie aber leider von muthwilligen Knaben zertrümmert und auch die Scherben spurlos verschwunden sind. Der Besitzer der Hofstelle sagte aus, daß die nicht sehr großen Urnen ohne alle Steinverpackung in der Erde und mit der Oeffnung nach unten gerichtet gewesen seien. Alterthümer sind bei den Urnen nicht gefunden.

Schon vor dem Jahre 1863 wurden an derselben damals noch unbebaueten Straße, ungefähr 130 Schritte von dem erwähnten Gehöfte, bei Gelegenheit neuer Hausbauten zahlreiche Urnenscherben ausgegraben.

Diese Funde lassen daher auf einen ausgedehnten Begräbnißplatz, also auf eine zahlreiche heidnische Bevölkerung, an der Stelle der jetzigen Stadt Kröpelin schließen.

Auch in neuester Zeit sind noch Urnenscherben gefunden, welche in die Hände des Herrn Candidaten Rönnberg gekommen und von demselben an den Verein eingesandt sind.

Diese Urnenscherben von brauner Farbe sind ohne Verzierungen, nach heidnischer Weise gearbeitet und von einem älteren Charakter, als die Urnen und Töpfe der letzten Heidenzeit; sie scheinen theils fast noch der Bronzezeit, theils aber schon der Eisenzeit anzugehören. Es dürfte also erlaubt sein, nicht allein auf eine zahlreiche, sondern auch auf eine lange, alte Bevölkerung zu schließen.

Schwerin, Januar 1870.

G. C. F. Lisch.     


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II. Zur Baukunde.


Christliches Mittelalter.

Kirchliche Bauwerke.


Der Dom zu Schwerin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Einleitung.

Der Dom zu Schwerin ist eines der wichtigsten und hervorragendsten Gebäude im ganzen Lande und verdient mit Recht eine ununterbrochene Aufmerksamkeit. Es ist daher in den Jahrbüchern häufig davon die Rede gewesen, vorzüglich aber in zwei Abhandlungen: "Geschichte der Heiligen Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin, von G. C. F. Lisch", in Jahrbüchern XIII, S. 143-187, und "Ueber die Bau=Perioden des Domes zu Schwerin, von G. C. F. Lisch", in Jahrbüchern XIX, S. 398-403 1 ).


1) Im "Archiv für Landeskunde" Meklenburgs, XIV, 1864, findet sich S. 268-285 von L. Fromm ein Aufsatz über die "Domkirche und die Kirchenbauten", welcher jedoch über die Geschichte des alten Baues und der alten Einrichtung nichts Neues bringt, sondern sich hauptsächlich mit der neuern Zeit beschäftigt.
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Aus diesen Forschungen 1 ) hat sich ohne Zweifel ergeben, daß dieser gothische Bau im Großen und Ganzen, wie er jetzt noch steht, in der Zeit 1365-1375, zugleich mit der herrlichen Kirche zu Doberan, fertig geworden ist (vgl. Jahrb. XIX, S. 401). Freilich stammt der untere Theil des Thurmgebäudes aus dem Jahre 1248, das Mittelschiff des Chores ungefähr aus dem Jahre 1325, die Wölbung des westlichen Mittelschiffes aus dem Jahre 1416. Aber im Ganzen ist der Plan zu der jetzigen Gestalt 1365-1375 unter dem Bischofe Friedrich II. v. Bülow gefaßt und größtentheils ausgeführt, so daß die Kirche im Allgemeinen den Eindruck eines ziemlich reinen gothischen Baues macht.

Der Dom hat nun seit dem Jahre 1866, da die Ausrüstung, wenn auch nicht baufällig, doch gänzlich styllos und nüchtern war, eine durchgängige Restauration 2 ) und neue Einrichtung erhalten und ist am 7. Novbr. 1869 wieder geweihet. Bei Gelegenheit dieser Restauration, namentlich bei der Abnahme der Kalktünche, ist denn manches zum Vorschein gekommen, was theils für die Geschichte des großen, würdigen Gebäudes von Werth ist und früher nicht bekannt und beachtet war, theils alte Ueberlieferungen bestätigt 3 ). Bis zu dieser Restauration ist aber seit drei Jahrlhunderten dem Dome übel mitgespielt.

Der Dom ist nach dem Grundplane eine große gothische Kreuzkirche mit niedrigem Seitenschiffen und mit einem fünfeckigen Chorumgange, welcher fünf Kapellen enthält. Der alte Bau steht noch ziemlich in seiner alten Reinheit da. Dabei ist vorzüglich hervorzuheben, daß die Seitenwände zur Oeffnung nach Seitenkapellen nicht durchbrochen sind, wie in


1) Wenn der bekannte Professor W. Lübke in seinen "Kunsthistorischen Studien" (vgl. Meklenburg. Anzeigen, 1869, Nr. 94, Beilage) sagt, daß die "Kunsthandbücher" von Meklenburg über Meklenburgische Kunst schweigen, wobei er den Schweriner Dom hoch erhebt, und daß an den Grenzmarken Vorpommerns der Faden der Mittheilung plötzlich abbreche, um erst in Lübeck wieder angeknüpft zu werden, so hat er offenbar die Meklenburgische Literatur nicht gekannt, welche der Lübecker nicht nachsteht und die vorpommersche Literatur bei weitem überragt.
2) Die Restauration des Domes ist von dem damaligen Landbaumeister, jetzigen Baurath Krüger zu gleicher Zeit mit dem Neubau der St. Paulskirche zu Schwerin ausgeführt.
3) Bei dieser Restauration ist aber viel von entdeckten Denkmälern wieder untergegangen, so daß die folgenden gewissenhaften Blätter für die Zukunft die alleinige und Haupt=Quelle für die Geschichte des Domes bilden werden, - außer dem Domgebaude selbst.
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manchen andern Kirchen, z. B. im Dome zu Ratzeburg und im Dome zu Güstrow. Der Dom zu Schwerin hat nur zwei kleine, gleichmäßige Anbauten oder Kapellen, welche gewiß schon früh, sicher wohl spätestens bei dem letzten Bau im 14. Jahrhundert angelegt, vielleicht gar ursprünglich beabsichtigt sind. Diese beiden Kapellen liegen in den östlichen Ecken zwischen den Kreuzarmen und den Seitenschiffen und sind innerhalb der Kirche mit einem untern oder "kleinen Gewölbe" bedeckt und mit zwei Seiten nach den Kreuzarmen und den Seitenschiffen hin geöffnet, so daß sie gewissermaßen Theile der Kreuzarme bilden und mit der alten Grundanlage in gutem Einklange standen. Außerdem ist nur noch neben der südlichen Chorthür ein kleines Archiv, "Capitelhaus" 1 ) genannt (1365-1375), und an der Südseite der Kreuzgang (seit 1392), beide in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angebauet, ohne daß die Wände mehr als zu den nothwendigen Thüren durchbrochen sind.

Der Dom zu Schwerin war eine alte bischöfliche Kirche. Daher war ihre ganze innere Einrichtung so, wie sie in bischöflichen Kirchen gebräuchlich war und noch in manchen alten, großen Kirchen zu sehen ist. Der ganze östliche Arm des Mittelschiffes, der Chor oder "große Chor", war bis zur Grenze des Kreuzschiffes durch Mauern, Holztäfelwerk ("Panelwerk") und Gitter abgeschrankt, und, wie es scheint, in zwei Theile geschieden: in den "hohen Chor" und in den "kleinen Chor". Innerhalb des abgeschrankten "hohen Chors" stand im Osten der Hochaltar für den Bischof und die Domherren, und zu den Seiten das Tabernakel und der Levitenstuhl. Dann folgten zu beiden Seiten die großen eichenen Chorstühle für den Bischof und die Domherren. Vor dem Hochaltare zwischen den Chorstühlen waren die Gräber der Bischöfe, welche in Schwerin begraben waren. Auch der "kleine Chor" hatte zwei Reihen von Chorstühlen, wahrscheinlich für die Vikare und die sonstige niedere Geistlichkeit

Im Westen, an der Grenze des Kreuzschiffes, war der Chor ganz durch Schranken geschlossen. Ueber diesen Schranken erhob sich der schön geschnitzte und verzierte Singe=


1) Dieser nach Archivnachrichten unter dem Bischof Friedrich II. (1365 bis 1375) aufgeführte, zum Archiv bestimmte Anbau wird in den letzten Jahrhunderten bis heute immer sicher das "Capitelhaus" genannt, während der östliche Theil des Kreuzganges, in welchem sich die "Schule" befand, "der große Reventer" genannt wird. Vgl. auch Jahrb. XIII, S. 156 flgd.
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chor oder "Lettner", mit Bildsäulen und Gemälden, auch einer Uhr zur Seite.

Ueber diesem Lettner, also unter dem sogenannten Triumphbogen, stand auf einem Queerbalken ein colossales Crucifix, welches an eisernen Ketten vom Gewölbe hing, und zur Rechten die Mutter Maria und der Evangelist Johannes.

Vor dem Lettner, in der Vierung, also ungefähr in der Mitte der Kirche, stand der Laien= oder Pfarr=Altar (auch "Frühmeß=Altar" genannt) für die Gemeinde der Kirche, welchen der Pfarrer besorgte.

Neben oder über diesem Altare war die Kanzel, welche nach alter Weise wohl nur niedrig stand. Bei der Visitation vom Jahre 1553 wird unter den Altären des Domes auch aufgeführt:

"Das Frumeß= oder Pfar=Altar sub ambone. Da gehort kein beneficium zu. Pastoratus vacat. Das Capittel nimpts ein. Ist nicht in corpore."

Zu beiden Seiten des Lettners waren unter "kleinen Gewölben" die beiden oben erwähnten Kapellen, welche wahrscheinlich Marienkapellen waren, die Kapelle der H. Jungfrau Maria und die Kapelle zur Himmelfahrt der H. Jungfrau, nach den Kreuzarmen und Seitenschiffen hin geöffnet.

Dies war die Ansicht des Chors von dem Schiffe aus gesehen.

Für die Gemeinde blieb also nur der westliche kürzere Theil der Kirche, das Langschiff mit den beiden Seitenschiffen und das Kreuzschiff übrig. Der Haupteingang für die Gemeinde war die Pforte im südlichen Kreuzschiffe "nach dem Markt hin."

In dem Schiffe vereinigte sich also das kirchliche Leben der Gemeinde, welches wohl etwas gedrängt gewesen sein mag, da das Schiff nicht lang ist und der Dom außer dem Hochaltare und dem Pfarraltare nicht weniger als 40 Nebenaltäre, unter diesen viele ungewöhnliche, hatte, welche unten bei den Inventarien aufgeführt werden sollen und an den Pfeilern und Seitenwänden standen. Zur Besorgung dieser Altäre war eine große Menge von Vikaren bestellt, da jeder Altar einen eignen Vikar, mitunter auch zwei hatte. Die Vikare allein besaßen 16 Häuser, einige dazu mit Höfen und Buden, auf der Schelfe und wenigstens 12 Häuser in der Altstadt. Zur Unterhaltung dieser Priester waren nicht allein die Bewidwungen dieser Altäre bestimmt, sondern auch sehr viele vereinzelte "Lehen" aus Schenkungen

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und Vermächtnissen. Als der Herzog Johann Albrecht im Jahre 1553 alle diese Vikareien aufhob, "erstreckten sich die Lehen und bona communia vicariorum. so viel der bisher erkundet, über 1200 Gulden läßlichen Einkommens, und waren noch wohl 22 Lehen, davon noch nicht Bericht" zu erhalten. Diese 1200 Gulden vertheilte der Herzog also, daß verwandt werden sollten: zur Besoldung zweier Capellane 300 Fl., zur Besoldung der Schuldiener 150 Fl. zur Unterhaltung der armen Kranken im Hospital 100 Fl., zu Universitäts=Stipendien für 10 Knaben vom Adel, jedem 50 Gulden, 500 Fl., zu Universitäts=Stipendien für 4 Knaben vom Bürgerstande, jedem 25 Gulden, 100 Fl., zu 2 Stipendien für Prädicanten=Kinder, jedem 25 Gulden, 50 Fl. Schon im Jahre 1542, als manche Vikareien unbesetzt standen, waren 28 Vikareien=Kelche und Patenen gesammelt, welche der Herzog Ulrich mit allen silbernen Bildern und Kleinodien 1552 nach Bützow führen und späterhin einschmelzen ließ.

Von all dieser Herrlichkeit, der zahlreichen und kostbaren Bildwerke und Prachtgewänder nicht zu gedenken, ist so gut wie nichts übrig geblieben. Seit der Vollendung der Reformation änderte sich nach und nach das innere Ansehen der Kirche. Die Nebenaltäre waren verlassen und verfielen. Die Kirche ward nach und nach immer mehr mit festen Stühlen, Klappen und Bänken gefüllt und zwar ziemlich nach Willkühr und eines Jeden Geschmack. Die Sitte der Begrabung der Todten in der Kirche 1 ) nahm überhand. Fast der ganze Boden in den Gängen ward unterwühlt und zu Begräbnissen ausgemauert: dabei konnten die Nebenaltäre sich nicht halten und verschwanden spurlos.

Die erste bedeutende Veränderung war die Erbauung einer neuen Kanzel im Renaissance=Styl an dem mittlern nördlichen Pfeiler des Schiffes, also in der Mitte des Schiffes. Hederich sagt hierüber in seiner Schwerinischen Chronica S. 46: "1570 bauet ein ehrwürdiges Thumb=Capittel den neuen Predigstul in der Thum=Kirche, mit schönen Figuren und außerlesenen Sprüchen der Heiligen Schrift gezieret. Der Baumeister war Johann Baptista Parr 2 ). Die Insignia der Thumbherren sampt des Stifts Wapen


1) Schon im Jahre 1608 "that sich viele Unordnung wegen der Stühle und Begräbnisse hervor. so daß eine eigne Begräbniß=, Stuhl= und Glocken=Ordnung erlassen" werden mußte. Nach Hederich.
2) Johann Baptista Parr war des Herzogs Johann Albrecht I., seit 1572 des Königs von Schweden Baumeister, welcher auch z. B. die Schloßkirche zu Schwerin bauete; vgl. Jahrb. V, S. 24 und 52.
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sind auff der einen Seiten des Pfeiler zu sehen." Diese Wappen stehen noch an derselben Stelle; die Kanzel ist aber längst abgebrochen.

Dieser Kanzel gegenüber zwischen den beiden ersten südlichen Pfeilern des Schiffes ward, nach Hederich S. 47, "1574 der Fürstliche Stuel in der Thumb=Kirche gegen dem Predigstuel über von Hertzog Johans Albrecht gebauet. Der Baumeister war Christoph Parrh, Dabercusii gener, vorgedachts Johan Bapistae Bruder 1 )." Dieser "Stuhl", welcher zuletzt in den neuesten Zeiten noch von dem fürstlichen Hofgefolge benutzt ward, ist bei der jüngsten Restauration im Jahre 1866 abgebrochen. Es war eine oben offene Empore (Chor) auf einem Gewölbe über den Stühlen und war auf den Brüstungen mit Verzierungen aus Kalk und Reliefbildern aus Gyps geschmückt.

Der erste bedeutendere Eingriff in die alte Einrichtung geschah schon im Jahre 1585. Hederich berichtet darüber S. 53 ausführlich Folgendes: "1585. Nachdem in der Thumb=Kirchen der große Chor beinahe das halbe Theil der Kirchen begriffen, auch so dichte vermauert und verschlossen gewesen, daß die im Chor nicht wol vernehmen, was in der Kirchen, viel weniger die in der Kirchen, was im Chor beym Gottesdienst gehandelt werden, sehn oder wissen können, ist aus christlich bewegenden Ursachen, so woll mit gnedigem Raht und Vorwissen des Herrn Administrators im Aprili des 85. Jahres vom Ehrwürdigen Thum=Capitel obernenntes Chor durchbrochen, der mittelst Altar 2 ) außerhalb des Chors höher hinauff versetztt und an dessen Stell Bäncke für die Schüler, die Predigt füglich zu hören und aufzuschreiben, verordnet, imgleichen der ober Chor, weil die Kirche groß und lang, zum Figural=Gesang Anno 96 mit einer Treppen außerhalb dem Chor und andern ornamentis verbessert und zugerichtet worden."

Nach dieser Oeffnung des Chors im Westen, und die Hinaufrückung des Laien=Altars nach Osten hin, hat die Kirche lange so gestanden, wie in dem Vorgetragenen an=


1) Christoph Parr war Steinmetz, später auch Baumeister des Herzogs Johann Albrecht I., auch des Herzogs Ulrich für den Schloßbau zu Güstrow; vgl. Jahrb. V, S. 25. Der Contract über den "Fürstlichen Stuhl" im Dome ist in Jahrb. V, S. 71, Nr. 5, gedruckt.
2) Dies ist der oben erwähnte Laien= oder Pfarr=Altar, welcher vor dem Lettner in der Mitte der Kirche stand.
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gedeutet ist. Den Beweis liefert das genaue Inventarium vom Jahre 1663 flgd., aus dem ein wörtlicher Auszug unten mitgetheilt ist, welcher alles enthält, was für die Erkenntniß der alten Ausrüstung der Kirche von Wichtigkeit erscheinen kann.

Die erste große Unbill geschah der Kirche dadurch, daß sie, wahrscheinlich zuerst im 18. Jahrhundert, ausgeweißt und an Sockeln, Diensten und Rippen schwarz überpinselt ward. Dadurch wurden die wenigen Wandmalereien und die alten Decorationen, welche der Dom als ein rein gothisches Gebäude besaß, vernichtet. Noch im Jahre 1810 ward diese abschreckende schwarze Verzierung, zur Feier des Norddeutschen Musikfestes, durch Kienruß und Branntwein renovirt und dabei manches Denkmal nicht davon verschont; die Heil. Bluts=Kapelle ward braun abgestrichen und schwarz und weiß gesprenkelte

Die Kirche sah zuletzt allerdings wohl sehr wüst aus. Seit dem Jahre 1774 beabsichtigte der Herzog Friedrich eine Restauration und gleichmäßige Einrichtung und Ordnung, und seit dieser Zeit schreiben sich die verschiedenen Restaurationen her, da man doch wieder "eine einheitliche Idee" gefaßt hatte. In Folge dessen ward 1777 der kleine Altar ganz entfernt und dadurch die ganze Kirche bis zum Hochaltar frei gelegt (vgl. Fromm a. a. O. S. 279). Aber der Restaurationsplan kam nicht zur Ausführung.

Erst der Herzog Friedrich Franz nahm die Restauration in die Hand und übertrug dieselbe am 25. Mai 1810 dem Baumeister Barca, und am 23. Februar 1811 ward sie förmlich beantragt. Aber durch den wieder ausbrechenden Krieg ward die Ausführung abermals verzögert. Der Zustand der Kirche muß sehr traurig gewesen sein, da sie, wie manche andere Kirchen des Landes, in den Kiegszeiten 1806 als Lazareth und 1813 als Futtermagazin benutzt worden war. Gleich nach der ersten Beschwichtigung des Kriegsgetümmels ging man aber an die Restauration. Nach Barca's Plan sollten der Altar, die Kanzel, die Domherrenstühle und was sonst aus älterer Zeit vorhanden war, fortgeschafft, und nach Beschaffenheit in den Seitenschiffen zur Aufbewahrung aufgestellt, auch die inneren Schranken des hohen Chores fortgenommen werden. Diese Ausräumung ist den auch sehr gründlich beschafft! Als Hauptzweck ward freilich angegeben die Hebung des Gottesdienstes durch "Verschönerung" der Kirche. Schon im Jahre 1813 wurden Ziegel gebrannt und am 5. December 1814 ward angezeigt, daß der Anfang zur Restauration gemacht sei. Diese Restauration ist im

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Jahre 1815 ausgeführt und die Kirche am 22. October 1815 wieder eingeweihet.

Diese sogenannte Restauration hat in der Kirche Alles ohne Ausnahme ergriffen, und zwar so gründlich, daß alles Alte aus dem Tempel hinaus geworfen ist. Es sind nicht allein viele sogenannte "Kleinigkeiten, störende Zierrathen aus der papistischen Zeit" und dergleichen vernichtet, sondern es ist auch alles mittelalterliche Gestühl, das ohne Zweifel sehr schön gewesen ist, dem Untergange geweihet, auch der ganze Fußboden, mit Ausnahme des Altarraumes, gleich gelegt. Es ist aus der Zeit vor der Reformation nichts weiter geblieben als der alte Hochaltar, der in der Kirche zurückgesetzt und im Jahre 1869 ins Antiquarium versetzt ist, der Taufkessel, einige Leichensteine und Grabdenkmäler, und einige wenige Marienbilder, die ich noch auf dem Gewölbe gefunden habe. Wo die große Menge schöner Arbeiten geblieben ist, mag der Himmel wissen. Ich erinnere mich noch, in den dreißiger Jahren in dem Hausgarten eines Tischlers Heiligenbilder aus dem Dome als "Puppen" zum Zierrath aufgestellt gesehen zu haben.

Genug, es ist in der Kirche nichts übrig geblieben, und daher Noth, das Wenige, was sich noch finden läßt und erhalten ist, wenigstens zur Erkenntniß zu bringen. Und dazu sollen diese und die folgenden Blätter dienen. Manches Wichtige ist bei der Restauration 1866-67 noch entdeckt worden und wird unten am Schlusse zur Untersuchung gezogen werden.

Zunächst folgen hier alte Inventarien, durch welche die alte Einrichtung des Domes ganz anschaulich werden wird.


Inventarium

so in Anno 1663 über die Schwerinsche Thumbkirche und deren Pertinentien - - - verfertiget und aufgerichtet worden.

Auszug.

Das hohe Chor.

ist mit einem hohen eisernen Gitter abgemachet vnd mit 2 Gitter=Thüren, daran Hespen vnd Riegel=Schlößer.

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Noch uff beiden seiten dieses Chors 2 große dobbelte Thüren mit Hespen und Riegel=Schlößern.

Zur rechten und linken des großen Altars neben den beichtstülen uff einer ecken 2 große eiserne Gitter in höltzern Rahmen.

Kirchthüren.

Nach der Süder=Seite eine große, alte, bemahlte Thür, gegen die Chor=Thür über, mit 2 Flügeln, worin eine kleine Thüre.

Bey dieser Thür inwendig ist die Kirche biß an den Pfeiler des Chors Südenwerts mit einem hölzernen Panelwerk, worin oben ein gitter, abgeschawert, vnd ist darin eine Thür.

Eine dobbelte Flügel Thür nach dem Reventer über der Schulen.

Hinter dieser Thür bey Hertzog Christoffs Begräbnuß ist die Norder=Abseite mit einem hölzernen Panel= und oben ein gitterwerck wieder abgeschawert, darin eine Thür.

Im hohen Chor.

Des Altarß 1 ) Tisch ist gemauert vnd oben auff ein breiter Siein geleget, darüber die Paßion Christi, nebenst begrebnuß vnd hellenfarth, aus Stein sehr wol gehawen. Daran zwene Flügel mit Hespen, worauff die Apostel gehawen, auch vnter dem Schnitzwerck vnd Flügeln, nebenst noch 2 andern Figuren gemahlet vnd zimblich vergüldet.

Hinter dem altar die garbe=Cammer, dafür 3 thüren.

Ein Stuel zur rechten des hohen Altarß, so jetzo von Ern Johann Susemieln Thumbpredigern betreten wirdt und sein Beicht=Stuel ist, woran 2 Thüren.

Ein Stuel zur linken des hohen Altarß, so jetzo von Ern Luca Athoffen, auch Thumbpredigern, betreten wird vnd sein Beicht=Stuel ist, gleichfalß 2 Thüren.

Ein langer Stuel von 9 Ständen, jeder mit einer Klappen, zur rechten des Chors, worin vor diesem die Thumbherrn gestanden vnd jetzo deß Fest= vnd Sontages die Communicanten treten.

Noch ein solcher langer Stuel zur Linken des Chorß.


1) Dieser Altar ist noch vorhanden, war aber in die Kapelle gegen Norden zurückgesetzt, nachdem ein großes Altargemälde von G. Lenthe aufgerichtet ist. Jetzt ist dieser Altar ins Antiquarium versetzt.
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Vnd gehen diese beide Stuele an von den beeden großen Thüren biß anß eiserne Gitter des kleinen Chorß.

Ein Stuel am eisernen Gitter nach dem kleinen Altar oder Chor, so jetzt vom Hern. Superintendenten Ern Henrico Bilderbecken betreten Wirt vnd sein Beichtstuel ist, dafür 2 Thüren.

Das kleine Chor.

ist mit einem niedrigen eisernen gitter abgemachet vnd von dem übrigen der Kirche vnterschieden, daran 2 eiserne gitterne Thüren.

Noch seint 2 eiserne Gitter vor der Herrn Canonicorum Stüele, vnd in einem 2 bischoffs=Stäbe, vnd dabey ein kleiner Meßingscher Arm mit 2 Pfeiffen.

Das kleine Altar, auff dessen steinernen Tische stehet ein Marienbildt 1 ), so gueten teilß vergüldet.

Ein Meßingenes Pulpet 2 ), darauff ein rotes atlaßen mit golde gesticktes Tuch.

Hinter diesem Altar ein großer, hoher Meßingscher leuchter mit 7 Rören 3 ) vnd auff das Sibende in der Mitten ein Marienbildt, so etwas vergüldet.

Hinter dem kleinen Altar:

ein kleiner Stuel zur rechten vnd
ein kleiner Stuel zur linken,


1) Dies war der Laien=Altar, welcher nach Hederichs Bericht (vgl. oben S. 152) aus der Mitte der Kirche in den kleinen Chor "höher hinauf" gerückt ward. Das Marienbild ist wahrscheinlich das große sitzende Marienbild, welches 1866 auf dem Gewölbe gefunden und in die Alterthümersammlung versetzt ist, ein sehr schönes mittelalterliches Kunstwerk. Vielleicht ist dieses Marienbild dasselbe, bei welcher die "Milch der Maria" als Reliquie aufbewahrt und verehrt ward, und wogegen der Schweriner Reformator und Prädicant Egioius Faber in seiner geharnischten Streitschrift: "Von dem falschen Blut Vnd Abgott im Thum zu Schwerin", 1533, also zu Felde zieht: "Also gaukeln sie mit einem andern Vermeinten heilthum, Geben für, es sey auch da zu Schwerin die milch aus den brüsten Mariä, der allerheiligsten Jungfrawen, als were die reinste Jungfraw ein solch vnverschampt mensch gewesen, das sie sich entweder selbst habe gemolken oder sich von andern melken lassen, wie eine andere kue, vnd ir milch für ein Heiligthum in der welt umbtragen vnd anbeten lassen. Phu des grewlichen jamers!"
2) Wahrscheinlich ein aus Bronze gegossenes, schönes Lesepult, wie noch z. B. im Dome zu Halberstadt.
3) Der siebenarmige Leuchter, der sich noch öfters findet.
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vnd in dem einen ein Seßel mit vfklap, darin jetzo die Herrn Prediger treten, wan Jemandt ordiniret wirdt.

Ein langer Stuel von 12 Ständen, jeder mit einer Klappen, zur rechten des Altarß, so jetzo nicht betreten werden.

Ein langer Stuel von 13 Ständen, zur lincken handt des kleinen Altarß, worin jetzo vornehme fürstliche officianten und andere, wan sie communiciren, stehen.

Ein Stuel von 3 Ständen, darin der Hr. Superintendens vnd beede Hrn. Prediger unter der Predigt sitzen, vnd zu ende des kleinen Chorß zwischen beeden Thüren in einem eisern gitterwerck stehet, dafür 2 Thüren, vnd ist über diesem Stuel eine Decke 1 ), so von 2 eisern Stangen gehalten wird, vnd sind uff den Stuel folgende Wordte geschrieben: Subsellia Ministerii Suerinensis.

Das Schüler Chor.

ist in die Höhe. Daran 2 steinerne gemauerte Treppen nebenst den nötigen handtgriffen, vnd auf der lincken seiten des aufganges ist etwas Trallienwerck von holtz gemacht. Vor dieser Treppe eine kleine Thüre. Oben am Chore ein kleines Thürchen.

Dieses Chor ist nach dem Altar halb mit höltzernen Trallien vnd halb mit Brettern abgemachet, wo auff ein höltzerneß Gitter.

Nach der Orgel auch mit Brettern abgemachet, das gitter aber mehrentheilß hinweg. An dieser Bekleidung stehen nach der Orgel die Apostel in Holtz gehawen vnd mehrentheilß vergüldet und mitten in die Jungfraw Maria 2 ) mit dem Christkindelein, auch vergüldet.

An der seiten ein loß brett gelehnet, worauff eine Schiebe, zur Vhren gehörig, gemahlet.

Neben diesem Chor ein Cämmerchen in die Höhe gemacht, darin stehet eine fertige, jedoch alte Vhre, so die gantze Stunde schlägt, alle halbe Stunde auch einen Schlag giebet.


1) Baldachin mit Schnitzwerk.
2) Dieser "Schüler=Chor" ist der alte "Singe=Chor" oder "Lettner", welcher an der Westseite über dem Laien=Altar mit den Bildsäulen der 12 Apostel und der H. Jungfrau Maria verziert war. Dieses Marienbild ist nach der Arbeit und Stellung wahrscheinlich das große, stehende Marienbild, welches 1866 noch auf dem Gewölbe gefunden und in die Alterthümer=Sammlungen versetzt ist.
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Auswendig an diesem Cämmerchen ist auch eine bemahlte Schiebe, und gehet vom Chor dazu ein klein Treppchen hinauf.

Vber dieser Bekleidunge hängt ein großes Crucefix an einer eisernen Ketten hangende, so durchs gewölbe gehet, vnd an beeden Seiten deßelben 2 große Bilder, alß die Mutter Gottes zur rechten vnd St. Johannes zur lincken.

Außerhalb der Chöre in der Kirchen 1 )

Vnter dem Schüler=Chor ein Stuel im ausgange des kleinen Chors zur rechten, des Hr. Superintendenten Stuel, worin er, wen er predigen wil, trit.

3 Stuele in der mitten zwischen beiden thüren des ausganges, davon der erste für den Hr. Rector vnd andere Schuel=Collegen vnd die beeden andern vor die großen Schüler 2 ), worin sie vnter der Predigt treten.

Hiernegst ferner ein Stuel von 3 Ständen mit hängen vnd über den Stuel eine Decke, mit 2 eisernen Stangen befestigt, worin der fürstl. Cantzler vnd HH. Cantzley=Rhäte stehen.

Hiernegst folgen hinten 4 Stüle, worin für diesem die Bischoffliche Rhäte, nach ausweisung der auff 8 Pösten stehenden Buchstaben, also lautend: BISSCHOPELICHE RAETHE, nebst der Jahrzahl 1589, müßen gestanden haben, jetzo aber frawensstüle sein.

Ein langer vndurchgeschurter Stuel, darin 6 Stände mit Klappen, zur Justitien=Cantzler gehörig. Dieser Stuel hat kein Zeichen, nur stehet darauff die Jharzahl 1552.

Der Fürstliche Stuel 3 ), so in die Höhe und gehet zu demselben eine große bekleidete Treppe hinauff, von 18 Stuffen, mit 2 abtritten, dabey ein kleiner Boden zum Kachelofen, da man einheizet. Der fürstl. Stuel an sich selbst, welcher auf einem kleinen Welbe beruhet, vnd vmbher Gibswerk, dafür ist eine grün angestrichene Thür.


1) Hierunter ist der Westliche Theil des Mittelschiffes, von der Vierung bis an den Thurm, zu Verstehen.
2) Dies sind die Stühle, welche 1585, nach Versetzung des Laien=Altars, an der Stelle desselben für die Schüler und Lehrer gebauet wurden. Vgl. oben S. 152.
3) Vgl. oben in der Einleitung S. 152.
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Vnter der Orgel ein erhobener Stuel, der Bischoffs=Stuel 1 ) genandt, vnd gehet dazu eine Windelsteige hinauff.

Hierauff folgen die Stüele Nordenwerts, so frauen=Stüle sein.

Ein Stuel für die Schneider. Noch ein Stuel für die Schneider.

Hinter diesen beeden Schneider=Stülen seindt noch zwey Stüle.

Auff dieser stelle, alwo diese 2 Stüle jetzo stehen, ist vorhin eine Monstrantz gestanden, welche vor Jharen von den Thumbherren naher Wismar verkaufft.

Im großen mittelgange nach der Tauffe 3 lange Lehnbäncken, worauff die zu dieser Kirchen eingepfarrte Pauren sitzen.

Vmb der Taufe seindt 9 Blöcke vnd Klappen, darauf geringe Leute sitzen.

Der Predigstuhl

ist nur von schlechtem gemauer, aber übergypsct vnd die Evangelisten daran gemacht, auch gueten teilß vergüldet. Diesen Predigstuel 2 ) haben Anno 1570 die damalige HH. Canonici bawen vnd verfertigen laßen, vermöge des dabey stehenden Epitaphii, ist aber von den letzten Canonicis, deren Nahmen vnd Wapen oben an der decken gefunden werden, aufs newe ausstaffiret, vermahlet vnd vergüldet, wie Er anjetzo befunden wirdt.

Der Taufstein

ist von Glockenspeise gemachet, mit einer höltzernen vnd oben spitzigen decken. Vmb diesen Stein Schranckwerck, halb mit höltzernen Trallien, vnd halb, alß unten, mit zugemachten füllungen, daran eine Thür mit Hespen vnd Riegel=Schloße.

Die Orgel 3 ).

Deren Structur ist fein gemachet vnd in guetem stande, vnd sowol daß oberste Werck, alß Rückpositiv jedes mit 3


1) Dies kann nicht der Stuhl für die katholischen Bischöfe sein, sondern für die herzoglichen Administratoren seit der Reformation.
2) Vgl. oben in der Einleitung und unten die Beschreibung der Wappen.
3) Dies ist die große, berühmte Orgel, welche der Herzog Johann Albrecht 1560 durch Antonius Morß aus Antwerpen erbauen ließ. Vgl. Jahrb. V, S. 54, und XX, S. 71.
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durchgeschnittenen Türmern vnd mit geschnitzten Bildern gemahlet, auch gueten teilß vergüldet, auch seindt daran etzliche adeliche Wappen.

An dieser Orgel seindt oben, wie auch am Rückpositiv zwee Flügel, alle mit Leinwandt überzogen vnd bemahlet.

Der Dom hatte, wie auch andere große Kirchen, noch eine zweite, kleine Orgel, welche wohl auf dem Gewölbe der kleinen Marien=Kapelle am nördlichen Seitenschiff chorwärts stand. In dem Inventarium von 1553 heißt es: "Capella Assumptionis Maria sub organis minoribus". Vgl. unten.

Kronen und Leuchter.

Im mittelsten Gange der Kirche eine große Meßingsche Krone von 18 armen, alß unten 9 große vnd oben 9 kleine, so der Sehl. H. Dechandt Vlrich Wackerbarth vnd seine Liebste Fr. Margrete Breckdörffen verehret.

Noch eine Meßingsche Krone mit drey regen armen, als oben 10, in der mitten 8 vnd zu oberst 6, welche Sehl. H. Jürgen Emme, weylandt Fürstl. Meckl. Baw=Schreiber, und dessen Liebste Ilsebe Rehmen Ao. 1641 verehret.

Noch eine höltzerne Krone, daran ein gedobbeltes Marienbilde, vnten mit Meßingschen vnd 6 eisern, so vergüldet, vnd oben mit 6 Meßingschen armen.

Die mittel, große Thür nach dem Marckte werts, so auch alt vnd bemahlet, von 4 Flügeln, zwey vnd zwey übern ander, vnd in einem untersten Flügel eine kleine Thüre.

In der Süder seite.

Bey der einen Thür zum hohen Chor ein altes Epitaphium von vngefehr 3 fues lang vnd 2 fues breit, wer solches setzen laßen, kan man, alters halber, nicht mehr sehen.

Vnter der Vhr Christi nakendes Bildnus ein Rohr in der handt haltend.

Vnterm kleinen gewölbe 1 ) über der Behren begräbnus ein gemahltes Marien=Bildt. Worunter ein


1) Dies ist die kleine Kapelle in der östlichen Ecke des südlichen Kreuzarmes, welche noch 1553 als Marien=Kapelle bekannt war ("sacellum beatae Mariae virginis"). Vgl. unten. - Hier war nach der Reformation ein Begräbniß der adeligen Familie Behr eingerichtet, welches in den Inventarien oft zur Bezeichnung gebraucht wird.
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zerbrochener alter Tisch, ohne Fues vndt das halbe bladt hinwegk, wovon den armen Leuten vor diesem Brodt ausgeteilet worden.

Vff dem kleinen Gewölbe über Behren begräbnüß, wovon man uff daß gewölbe überß Capitulß=Haus gehet, hängt ein new Thaw.

Ein Epitaphium an den Pfeiler bey der Behren begräbnuß, so dem Sehl. Rectori Joachime Baniern 1659 nachgesetztt worden.

An der Maur der großen Kirchthüer zu rechten handt ist des großen Christoffers gemählte 1 ).

In der Norden Seite.

An der Norderseite - - die mittelthür nach dem Wriethoffe ist auch alt und bemahlet, von 2 langen Flügeln, darin eine kleine Thüre.

An dem Pfeiler nebst der Wackerbarten Begräbnuß 2 ) ein Epitaphium, wer solches aber setzen laßen, kann man, weil der zunahme schon ausgangen, nicht sehen, die subscription aber fahet sich dergestalt an: Reverendo viro Johan.

Vff beeden seiten dieser 2 Windeltreppen nach den Gewölbern, vnd zwaar an der zur rechten eingangs über sehl. H. D. Wedemans Begräbnuß, an der andern zur Lincken über Wackerbarts Begräbnuß.

Gegen die Thüren zum hohen Chor hänget ein alt Mecklenburgisch Wapen, so von 2 Persohnen gefaßet.

Mitten in der Kirchen.

In dem Pfeiler negst dem Schülerchor zur rechten ein Epitaphium, so Daniel vnd Benjamin, Vater vnd Sohn, die Blocken Anno 1650 zu Gottes ehren der Kirchen geschencket, vnd ist darauff die Historia, da die große


1) Dieses Gemälde ist unten S. 175 beschrieben.
2) Der v. Wackerbart Begräbniß im nördlichen Kreuzschiff ist wahrscheinlich von dem Dompropst Otto Wackerbart am Cnde des 16. Jahrh. gebauet. Es dient oft zur Bezeichnung. - Bei diesem Begräbniß war in der östlichen Ecke des nördlichen Kreuzarmes die zweite Marien=Kapelle, zur Mariä Himmelfahrt oder Krautweih, unter der kleinen Orgel (vgl. unten), wenn die beiden Marien=Kapellen nicht umgekehrt gestanden haben, nämlich zur Mariä Himmelfahrt in der Südecke.
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Sünderin Maria Magdalena zu dem Herrn Christo kombt, gemahlet.

An dem Pfeiler negst der Cantzel Chorwerts H. D. Lutheri Sehl. Bildnuß, lebensgroße.

Vff der andern seiten dieses Pfeilers, nach der Cantzel hin, ein klein Täffelchen, etwa 6 fues hoch vnd 4 fues breit, in der Maur von gibswerck, worin die Historia, da Moses die Schlange erhöhet, vnd oben ein wapen.

An den Pfeiler negst der Cantzel nach der Tauffe Sehl. H. Philippi Melanctonis bildtnuß, lebensgröße.

An dem Pfeiler des Fürstl. Stuelß nach der Tauffe, ein Epitaphium, so Hr. Nicolaus Hoppe Anno 1657 der Kirchen verehret.

Vnter dem Glockenthurmb am kleinen Gewölbe eine runde Scheibe, worin in der mitte ein wapen, wobey die Jharzahl 1543 vnd vmbher geschrieben mit Lateinischen Buchstaben: Her Henrich Banskav Probest h zv Schwerin, Scholaster zv HB 1 ).

Fürstliche Begräbnisse.

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Noch hinter dem Chor 2 Fürstl. Begräbnußen.

Hinterm Altar eine 2 ), darüber ein großes Steinern


1) Ganz dasselbe Wappen mit derselben Inschrift aus demselben Jahre war auch im Dome zu Hamburg.
Der Herr Secretair Fromm zu Schwerin hat dem Vereine eine alte Copie des auf Glas gemalt gewesenen Wappens des Propstes Heinrich Banzkow vom Jahre 1543 aus einem Kirchenfenster zu Hamburg geschenkt. Heinrich Banzkow war z. B. 1522 Dompropst zu Schwerin, Dom=Scholasticus zu Hamburg und Mitadministrator des Stiftes Schwerin. Das Gemälde ist rund, ungefähr 6 Zoll im Durchmesser, und enthält einen queer getheilten Schild: oben im gelben Felde rechts eine halbe weiße Rose und links eine halbe weiße Lilie, beide an einander stoßend, unten im Weisen Felde drei schwarze linke Schrägebalken. Die Umschrift lautet:

HER HINRICH BANSKAW PROBESTH ZV SCHWERIN SCHOLASTER ZV HB. (Hamburg).

2) Dies ist die ehemalige Heil. Bluts=Kapelle, die Mittel=Kapelle im Osten hinter dem Hochaltare, welche im Jahre 1552 nach der Zermalmung des Jaspissteins mit dem sogenannten heiligen Blutstropfen Christi zum fürstlichen Begräbniß eingerichtet ward. Vgl. Hederichs Schwerinsche Chronica, S. 33-34, und Jahrb. XIII, S. 172. Hier standen die fürstlichen Särge seit dem dreißigjährigen Kriege in einem unterirdischen Gewölbe, bis nach dem Tode des fnpage hochseligen Großherzogs Paul Friedrich der jetzt regierende Großherzog Friedrich Franz diese Stelle wieder zur Begräbnisstätte der groherzoglichen Familie erwählte und eine obere, offene Gruft, und darunter eine untere, gewölbte Gruft einrichten ließ, in welcher letzteren die alten Leichen in neuen Särgen genau nach dem Muster der alten stehen blieben. (Vgl. Jahrb. XIII, S. 175 flgd.). Im Jahre 1867 ist, bei Gelegenheit der Restauration des Doms, diese Begräbnisstätte erweitert, indem alle 5 Kapellen hinter dem Altare dazu genommen und auch unterirdische Grüfte dazu gewölbt sind. Die alten Särge sind hierbei in die unterirdische Gruft der westlichsten Kapelle im Süden, an der Chorpforte, eingesenkt und die dazu gehörenden Denkmäler dort angebracht worden. (Vgl. auch Jahrb. XIII, S. 179.)
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Epitaphium 1 ), worauff, in Persohnen größe, 2 Fürstl. Persohnen, auff den Knien sitzen, für sich einen Helm oder Sturmbhaube vnd 2 Handtschuen habende, Vnd ist zwischen denselben in der höhe ein Cruzefix, Vnd an der seiten 8 Persohnen gemahlet 2 ), Vmb derselben ein Gitterwerck, so vnten mit Steinen gemauret, vnd oben Meßing, Dafür 2 Thüren, davon die eine dobbelt, mit Hängen und Schlößern versehen, Vnd lieget für der einen Thür zum eingange des Kellers ein Leichstein, woran 4 eiserne Ringe.

(Hinterm Altar gegen der Fürstl. Begräbnus ein Meßings gegoßenes Epitaphium 3 ), worin in der mitten ein gros


1) Dieses "steinerne Epitaphium" war ohne Zweifel ein flaches Relief, zum Andenken der Herzoge Heinrich des Friedfertigen und Georg, da es em "Epitaphium" genannt wird, im Gegensatz zu dem "Monument" des Herzogs Christoph und Gemahlin mit ganzen Bildsäulen. Vgl. Jahrb. XIII, S. 173. Dieses "Epitaphium" ist längst spurlos verschwunden, ohne daß irgend eine andere Nachricht darüber erhalten wäre. Im Jahre 1794 berichtete (nach Fromm a. a. O.) der Consistorialrath Tode, daß die beiden kostbaren Denkmäler des Herzogs Christoph und des Herzogs Johann Adolph (?) vollkommen einer Ruine gleich seien. Damals war also dieses Denkmal noch vorhanden. Es muß also nach diesen genauen Beschreibungen ein Irrthum sein, wenn Fromm a. a. O. S. 280 meint, das eine Denkmal sei das auf den Herzog Johann Albrecht, welches noch vorhanden ist und nur aus einer Inschrifttafel und einer Vase aus Marmor besteht.
2) Diese 8 Figuren, 6 Grafen von Schwerin, und 2 Herzoge von Meklenburg, entdeckte ich zuerst im Jahre 1839 unter der Kalktünche. Es waren 8 lebensgroße Figuren, auf die beiden Seitenwände gemalt. Sie wurden 1841 restaurirt, aber 1847 bei der Einrichtung der mittlern Kapelle zur Fürstlichen Begräbnißgruft mit dem Kalkputz abgeschlagen. Vgl. Jahrb. XIII, S. 160 und 164. Jedoch wurden zuvor aetreue Copien davon genommen und im Geheimen und Haupt=Archiv niedergelegt.
3) Dies ist das schöne bronzene Epitaphium von dem berühmten Nürnberger Rothgießer Peter Vischer; vgl. Jahrb. XXVII, S. 257, XIII, S. 174). Es ward bei Gelegenheit der Erbauung der Begräbnißgruft für den hochseligen Großherzog Paul Friedrich an den Pfeiler fnpage gegenüber der südwestlichen Chor=Kapelle, in welcher jetzt die alten fürstlichen Särge stehen, versetzt, wo es noch, jetzt an passender Stelle, steht. Zugleich ward ein kleines, ebenwo altes, auf Glas gemaltes pfälzisches Wappen in das gegenüberstehende Fenster versetzt.
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Fürstl. Wapen vnd vmbher 8 kleine, so Frawen Fr. Helenen Pfaltzgräffin beim Rhein, Hertzogin zu Mecklenburgk zu ehren nachgesetzet.)

Die andere an der Norderseite, worüber ein Monument 1 ) aufgerichtet, darauff 2 Fürstl. Persohnen, Menschengröße, auff den Knien, so Hertzog Christoff vnd deßen Gemählin sein sollen, ein Buch vnd Cruzifix für sich habende, sitzen vnd ist solch monumentum etwas schadhafft, Vmbher mit einem eisern Gitter, worin 2 Thüren mit benötigtem eisen, vnd lieget vor solcher begräbnuß ein Leichstein eingangs zum Keller, sonst darin 4 runde Löcher, vmb darin zu leuchten.

Bischöfliche Begräbnisse 2 ).

Im hohen Chor,
alß woselbst der anfang gemacht.

Lit. A.

Für dem hohen Altar eine Bischoffliche Be=


1) Dies ist das große Denkmal in der nordwestlichen Kapelle, welcher noch steht. Vgl. Jahrb. XIII, S. 174.
2) Die meisten Bischöfe von Schwerin sind wohl in dem Dome daselbst begraben, jedoch sind sehr viele Gräber nicht mehr aufzufinden, wenn auch noch Spuren davon vorhanden, sind. Viele Grabplatten sind zersägt und zu neuern Gräbern benutzt und abgetreten. So liegt im Dome noch ein Stein, in welchem die Umrisse eines Bischofes mit einem Kelche in der Hand eingegraben sind und von der Umschrift noch die Buchstaben: Umschrift , welche auf eine sehr frühe Zeit (vor 1350) deuten. Ein anderes Bruchstück enthält die Worte: Umschrift Dieser Stein mag zu dem Grabe des Bischofs Johannes Thun, † 1504, gehören. Die Bischöfe Melchior, † 1381, Heinrich II., † 1429, und Werner, † 1473, sind zu Bützow begraben; aber von Leichensteinen ist sicher keine Spur mehr vorhanden. Nicolaus Böddeker, † 1459, liegt zu Lübek.
Hier soll nur erläutert werden, was zur Erkenntniß des hier mitgetheilten Inventarii und des jetzigen Zustandes dient, da eine Untersuchung über die Gräber der Bischöfe in eine Geschichte der Bischöfe gehört und auch als eine eigene Arbeit von großem Umfange werden würde.
Bis in die Regierungszeit des Großherzogs Paul Friedrich lagen vor dem Altare 5 Grabplatten, welche jedoch bei der Restauration der Kirche im Jahre 1815 mit dem Fußboden gesenkt fnpage und wohl nicht alle wieder an ihre ursprüngliche Stelle gelegt waren. Von diesen 5 Grabplatten waren 2 die bekannten, prachtvollen Messingplatten in " Messingschnitt", auf den Gräbern der 4 Bischöfe aus der Familie v. Bülow, welche von dem bedeutendsten Einflusse auf das Bisthum waren, und 3 Steinplatten. Bei der ersten Einrichtung des fürstlichen Begräbnisses in der Heil. Bluts=Kapelle, nach des Großherzogs Paul Friedrich Tode, wurden die 2 Messingplatten, weil ein Gang vor dem Altare darüber hinweg ging, von ihren Unterlagen gehoben und an die Wände der westlichen Chor=Kapelle im Süden gesetzt, wo 1867 die Gruft der Herzoge aus dem 16. Jahrhundert gebauet ist und die Denkmäler auf den Herzog Johann Albrecht I. stehen. Bei dieser Einrichtung sind im Jahre 1867 diese Messingplatten hier wieder weggenommen und an der Chorwand im Norden aufgerichtet. - Nach dem Bericht des Consistorialraths Tode vom Jahre 1794 (vgl. Fromm a. a. O. S. 280) waren die Vertiefungen der Messingschnittplatten "mit einer weißen Masse ausgefüllt, die einem Kitt sehr ähnlich sah".
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gräbnuß 1 ), worauff ein Leichstein mit Meßing überleget, liget, vnd seindt darin zwo Bischoffsbilder sampt 4 Bülowen Wapen gestochen.

Lit. B.

Noch hiebey eine Bischöffliche Begräbnuß 2 ), darauff ein Leichstein, ein guet Theil größer wie der vorige, auch mit Meßing überleget, vnd seindt gleicher gestalt 2 Bischoffsbilder nebenst 4 Bülowen Wapen darin gestochen.

Lit. C.

Noch eine Bischöffliche Begräbnus mit einem Leichstein, worauff, wie annoch bekandt, vor diesem ein in Meßing gegoßenes Bischoffsbilde 3 ), Menschensgröße, in


1) Dies ist die kleinere Messingplatte, 11 Fuß hoch eine Doppelplatte, auf den Gräbern der Bischöfe Ludolph I. † 1339, und Heinrich I. † 1347, beide aus der Familie v. Bülow, welche bald nach dem Tode Heinrichs gelegt sein muß, da die Inschriften noch in Majuskel=Schrift gehalten sind. Diese Platte ist noch vorhanden.
2) Dies ist die prachtvolle, größere Messingplatte, 15 Fuß hoch, ebenfalls eine Doppelplatte, gelegt auf das Grab des Bischofs Friedrich II. v. Bülow, † 1375, des Vollenders des Domes. Zu gleicher Zeit ist zur Symmetrie mit der kleinen Platte das Gedächtniß des Bischofs Gottfried I. v. Bülow, † 1314, in gleicher Art darauf verherrlicht, obgleich dieser daneben ein eigenes Begräbniß hatte. Die Platte muß bald nach dem Tode Friedrichs gelegt sein, da der Styl einen vollkommen ausgebildeten gothischen Styl zeigt und die Inschriften in der ausgeprägten Minuskel=Schrift jener Zeit gehalten sind. Diese Platte ist noch vorhanden.
3) Daneben ist das Grab des Bischofs Gottfried I. v. Bülow. Nach allen Nachrichten lag auf dem Steine des Bischofs ganze Statue aus Messing, oder, wie Hederich in seiner Bischöflichen Historie sagt, "ein erhabener ganzer Bischof aus Messing gegossen, 1 Fuß hoch, 4 Fuß breit und 9 Fuß lang". Dieses Bild ist früh gehoben und an der Wand neben dem Chor aufgerichtet (wohl dort, fnpage wo jetzt die Messingplatten angebracht sind) und befestigt gewesen. In unserm Inventarium steht, dies sei vor ungefähr 50 Jahren, also ungefähr 1604, geschehen. Aber Hederich († 1605), der um diese Zeit seine Bischöfliche Historie vollendet hat, sagt, "daß die Statue schon damals nach vielen langen Jahren aufgenommen und an die Wand gesetzt" sei; vielleicht mag es 1585 bei der Oeffnung des Chors gewesen sein; daß es bei der Legung der Messingplatte 1375 geschehen sei, ist nicht glaublich. Wenn aber Franck im A. u. N. Meklenburg, Buch V, S. 245, 1754, sagt, daß das Bild damals "an der Wand im Chor noch stehe", so ist diese Behauptung wohl nur aus dem Winde gegriffen; denn wir müssen das Inventarium von 1664, welches das Bild sicher aufgeführt haben würde, wenn es damals noch vorhanden gewesen wäre, durchaus für richtig halten. Der Stein, auf welchem das Bild nach den vertieften Umrissen eingelassen gewesen ist, lag noch auf seiner Stelle vor dem Altare; der Stein ist 10 Fuß 5 Zoll lang und die niedrige Vertiefung für das eingelassen gewesene Bronzebild, dessen Kopf auf einem viereckigen Kissen gelegen hat, 7 Fuß 3 Zoll lang; umher läuft eine Vertiefung für einen breiten Inschriftrand mit runden Scheiben an den 4 Ecken für die Evangelisten=Symbole.
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der mitte gelegen, auch vmbher uff den Stein Meßing gewesen, NB. welches, des Kirchen Maurmeisters Jochim Stolten bericht nach, für vngefehr 50 Jharen, weiln zu der Zeit die Communion fürm großen Altar gehalten werden sollen (dan Sie vorhin fürm kleinen Altar allemahl verrichtet) Vnd daßelbe dazu behinderlich gewesen, hinwegk genommen vnd hinterm Chor zur seiten in der Maur aufgesetzet und befestiget, Nachgehents aber, etwa für 11 Jharen, solches wieder herausgenommen, aufs Schlos geliefert vnd zu Stücken oder geschützen verbraucht worden.

Lit. D.

Noch eine Bischöffliche Begräbnuß 1 ) mit einem Leichstein, darin ein Bischoffsbilde gehawen.

NB. Vorbemelte 4 Bischoffs Begräbnußen liegen negst vor dem Altar in einer Reige, in die breite.

Lit. E.

Hiernegst folget in der mitte dieses hohen Chors noch eine Bischöffliche Begräbnuß 2 ), mit einem Leich=


1) Dies ist das Grab des Bischofs Rudolph II. († 1262), neben den genannten. Der Stein ist jedoch in jüngeren Zeiten des Mittelalters erneuert, da die Inschrift in Minuskel=Schrift gehalten und schlecht gearbeitet ist.
2) Dies ist der Leichenstein des Bischofs Conrad Loste († 1503), welcher 1866 noch vorhanden war. Er lag aber nicht in der "Mitte des Chors", sondern zur Seite der eben genannten und ist hierher wohl im Jahre 1815 gelegt worden.
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stein beleget, Worin auch ein Bischoffs Bilde nebenst dem nahmen Hr. Conradus Lost I. U. D. gehawen.

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Im kleinen Chor.

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Lit. E.

Noch eine Bischöffliche Begräbnus 1 ), worauff ein Leichstein lieget, so in der Zwerg gebrochen, mit einem Meßingschen Bischoffshuet, auch in dem Stein ein Bischoffsbilde vnd Stab gehawen.

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Vorzeichnus

der Altar im Thumb zu Schwerin 2 )

21 Augusti Anno 1553.

  1. Capella cruoris Christi 3 ). In des heiligen Bluts Capelle ist ein Althar.
  2. Altare s. Andreae.
  3. s. Jacobi.
  4. s. Stephani.
  5. ss. Cosmae et Damiani.
  6. s. Annae.
  7. s. Martini.


1) Dies ist der Leichenstein des Bischofs Marquard Beermann († 1376), welcher nach Hederich "unten im Chor" begraben ward. In der Mitte des Mittelganges des Chors neben und zum Theil unter den Stühlen lag noch 1867 ein sehr abgetretener Leichenstein, dessen jetzt fehlende Inschrift mit Messing eingelegt gewesen ist. Der obere Theil war wegen der Stühle nicht zu sehen und wahrscheinlich abgehauen. Aber es waren noch die Umrisse eines Bischofsbildes zu erkennen und zu den Füßen desselben ein Wappenschild mit 2 gekreuzten Schlüsseln, das Wappen der Beermann.
2) Die hier gewählte Reihenfolge hat ihren Grund vielleicht in den Oertlichkeiten des Domes, indem sie mit der bekannten Heiligen=Bluts=Kapelle hinter dem Hochaltare im Osten beginnt und von hier wahrscheinlich an der Südwand fortschreitet und durch Westen nach der Nordseite geht.
3) Diese Kapelle ist die bekannte Heilige=Bluts=Kapelle hinter dem Hochaltare. Unter No. 39 wird noch ein Altar des Blutes Christi ("sanguinis Christi") aufgezählt.
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  8. Decollationis Johannis bapt. (Johannis d. T. Enthauptung) 1 ).
  9. ss. Petri et Pauli.
10. s. Gertrudis.
11. Vicula Petri (petri Kettenfeier).
12. Divisio Apostolorum (Apostel=Theilung)
13. Angelorum (Engel).
14. XXIIII Seniores 2 ) (Die vierundzwanzig Aeltesten um Gottes Thron).
15. s. Trinitatis (Heil. Dreifaltigkeit).
16. s. Matthaei apostoli et evangelistae.
17. s. Bartholomaei.
18. s. Brandani 3 ).
19. s. Gregorii.
     In sinistro latere templi incipiendo ab occasu.
20. XIIII Auxiliatores (Vierzehn Nothhelfer) 4 ).
21. Altare ad sacellum spectans beatae Mariae virginis 5 ).
22. s. Nicolai.
23. Decem Millium Militum martyrum (Zehntausend Ritter) 6 ).
24. s. Ansveri.


1) Die Enthauptung Johannis des Täufers war ein Gegenstand besonderer Verehrung in dem Dome zu Schwerin, da das Haupt Johannis d. T. auf der Schüssel von Engeln empor getragen, auf dem Triumphbogen gemalt stand. Vgl. S. 174 und unten. - Unter No. 26 wird noch ein Altar Johannis d. T. aufgeführt.
2) Die " XXIIII Seniores" sind ohne Zweifel die "Vier und zwanzig Aeltesten, welche auf Stühlen um den Stuhl Gottes im Himmel saßen", nach Offenb. Johannis 4, 2-11; 5, 8 u. 14; 19, 4.
3) Der Heil. Brandanus kommt in Meklenburg selten vor. Er ist nur noch im Dome zu Güstrow und in der Kirche zu Malchin beobachtet.
4) Von den bekannten, sehr häufig einzeln vorkommenden 14 Heil. Nothhelfern hatten im Dome zu Schwerin außerdem nur zwei (Katharina und Erasmus) besondere Altäre; sie wurden also im Dome zusammen verehrt.
5) Diese Marien=Kapelle ist wahrscheinlich die gewölbte Kapelle in der östlichen Ecke am südlichen Kreuzarm. Hier war nach dem Inventarium von 1664 (vgl. S. 160) ein Marien=Bild (auf die Wand) gemalt. Spuren von Wandmalereien, auch ein bischöfliches Weihkreuz, ließen sich noch 1870 wahrnehmen, jedoch nicht genau erkennen. In dieser Kapelle wurden "Marienzeiten" gesungen. Im Inventarium von 1553 heißt es bei diesem Altar: "Von den possessoribus zu erkunden, was zu den horis gehörig. Item von den Lampen. Item von den Officianten." Vielleicht war dies die Kapelle, in welcher die Milch der Maria verehrt ward; vgl. S. 156. Eine andere Marien=Kapelle war an der nördlichen Seite No. 36.
6) Dies ist der Altar des Heil. Achatius (einer der 14 Nothhelfer), des Heerführers der zehntausend Männer, die mit ihm gekreuzigt sein sollen.
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25. Altare Magdalenae "beim Predigstuele".
26. Altare Johannis Baptistae.
27. s. Dorotheae.
28. s. Hieronymi.
29. ss. Philippi et Jacobi.
30. s. Erasmi.
31. Trium Regum (Heil. Drei Könige).
32. s. Catharinae.
33. Das Frumeß= oder pfar=Altar sub ambone.
     Da gehöret kein beneficium zu.
34. s. Apolloniae, beim Cohre.
35. Zum hohen Altar im Cohre gehöret kein beneficium.
36. Capella Assumptionis Mariae sub organis minoribusi 1 ) (Mariä Himmelfahrt oder Krautweihung).
37. Ursulae cum sodalibus suis s. Vndecim Millium Virginum (Elftausend Jungfrauen).
38. s. Laurentii.
39. In sacello clauso Sanguinis Christi 2 ).
40. s. Agnetis.
41. s. Elisabeth.
     Nach einem andern Verzeichnisse und nach Heberegistern kam noch hinzu:
42. s. Margarethae.


Neue Entdeckungen bei der Restauration von 1867.

Man konnte bei der Restauration des Domes seit 1866 wohl auf neue Entdeckungen gespannt sein, da für


1) Diese Marien=Kapelle ist wahrscheinlich die gewölbte Kapelle in der östlichen Ecke am nördlichen Kreuzarm. Diese Kapelle war nach vielen unter der Kalktünche gut erhaltenen Resten ganz und schön bemalt. Nach der hier gegebenen Beschreibung lag sie unter der kleinen Orgel, welche also, wie oft erwähnt, an der Seite auf dem "kleinen Gewölbe" stand.
2) Dieses Heiligthum ("sacellum", vielleicht Schrein) des Blutes Christi ("sanguinis Christi") wird deutlich von der bekannten Heiligen=Bluts=Kapelle No. 1 ("capella cruoris Christi") geschieden. Ohne Zweifel ward hier das heilige Blut Christi verehrt, welches (sanguis Christi) schon im 12. Jahrhundert der Graf Gunzelin I. vor der Stiftung der großen Heil. Bluts=Kapelle, mitbrachte (vgl. Jahrb. XX, S. 234 flgd.). Vielleicht war dieses kleine Heiligthum ein Gegenstand der Verehrung des "Leidens Christi" im Allgemeinen; denn nach dem Inventarium von 1664 war an dem Pfeiler neben dem Lettner unter der Uhr "Christi nackendes Bildniß, ein Rohr in der Hand haltend", mit der Dornenkrone auf dem Haupte, also das "Ecce homo", da Christus blutend dargestellt wird.
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dieselbe die Kalktünche von den innern Wänden abgenommen ward, um eine neue Bemalung in roth mit Erfolg auftragen zu können. Diese Erwartungen sind nicht ganz befriedigt. Es fand sich in dem Dome an Wänden, Pfeilern und Gewölben so wenig malerischer Schmuck, daß dieser Mangel zum weitern Nachdenken führen mußte.

Der Dom ist auf dem Höhenpunkte der gothischen Baukunst, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vollendet worden. Die großen und großartigen Verhältnisse sind vorherrschend; es giebt fast mehr Pfeiler und Fenster als Wandflächen. Dennoch wäre zum malerischen Schmuck wohl immer noch Platz an den Wänden und Gewölben zu finden gewesen; aber er mochte gegen die Architektur zu untergeordnet erscheinen, und deshalb ließ man ihn lieber ganz weg. Man legte den Schmuck mehr in die gewaltigen Fenster, in die Glasmalerei, welche mehr wirken konnte, als untergeordnete Malerei. Freilich ist von der Glasmalerei des Domes nichts übrig geblieben und alles ist schon früh untergegangen. Im Jahre 1664 waren die meisten Glasfenster zerbrochen, ja einige fehlten ganz.

Es ist daher wahrscheinlich, daß man während der Zeit der größten Ausbildung der gothischen Kunst von der Bemalung der Kirchen zurückgekommen war. Während der Zeit des Uebergangsstyls, welcher in Meklenburg sehr ansehnlich vertreten ist, bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, sind die Kirchen vielfach und reich bemalt gewesen, und es finden sich überall im Lande Ueberreste genug unter der Kalktünche, und oft sehr schöne. Aber in den großen Kirchen gothischen Styls aus dem 14. Jahrhundert ist bisher so viel wie nichts entdeckt. So hat sich in der schönen Abtei=Kirche von Doberan nichts und in der geschmackvollen Kirche des Dom=Collegiat=Stifts von Bützow äußerst wenig Malerei, und in beiden nur aus jüngerer Zeit, gefunden; und diese beiden Kirchen sind in ihrer jetzigen Gestalt zu gleicher Zeit mit dem Dome zu Schwerin fertig geworden. Seit dem Ende des 14. und dem Anfange des 15. Jahrhunderts scheint die Wandmalerei bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts wieder mehr beliebt zu werden; aber viele Ueberreste deuten darauf hin, daß der Schmuck dieser Zeit oft mehr Handwerks=Decorations=Malerei, als wirkliche Kunst war.

Die alte Färbung des Doms im Innern.

Nach sorgfältigen Beobachtungen während der Abnahme der Kalktünche standen die von rothen Ziegeln aufgeführten

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Wände und Pfeiler des Domes in alten Zeiten im Rohbau und die Gewölbe im weißen rohen Kalkputz, ohne daß sich eine Spur von einer durchgehenden Decorationsmalerei hätte finden lassen. Es war der Darstellung des Rohbaues in denselben Farben wohl im Einzelnen etwas nachgeholfen. Die Kirche war ganz so gefärbt, wie die zu derselben Zeit fertig gewordene Kirche zu Doberan, und zwar in denselben Farbentönen.

Zum Beweise fanden sich 1867 noch einige Proben der alten Decoration wohl erhalten. Bei dem im Jahre 1574 ausgeführten Bau des fürstlichen Chores, der ehemaligen Kanzel gegenüber, stand die Kirche noch im Rohbau. Bei diesem Chorbau wurden die Dienste an den Pfeilern, an die sich das Gewölbe lehnte, so hoch als die Gewölbeansätze waren, mit eingemauert und kamen daher 1868 beim Abbruche der Gewölbe wohl erhalten wieder zu Tage. Die Pfeilerflächen und die Dienste oder Rundsäulen an den Pfeilern, welche in die Gewölberippen auslaufen, standen im Rohbau, d. h. die Ziegel in ihrer natürlichen, rohen Ziegelfarbe, und die Fugen in der natürlichen Kalkfarbe. Aber alle Hohlkehlen oder Vertiefungen und Zwischenräume zwischen den Diensten, welche in die Gewölbekappen auslaufen, selbst wenn sie verschiedene Profilirungen hatten und nicht grade Hohlkehlen waren, waren mit einem senkrechten weißen Kalkstrich übermalt, welcher viel breiter war als die gewöhnlichen Kalkfugen. Dies war geschehen, um die Dienste klarer abzuheben und die Pfeilerbauten mehr zu beleben. Dies ist Styl des gothischen Ziegelrohbaues. Und so ist es auch in der Kirche zu Doberan und ebenfalls nach alten Resten dort auch von Anfang an so gewesen. (Vgl. Jahrb. XIX, S. 346.)

Die erste Bemalung der Gewölbe=Rippen war grün gewesen. Eine jüngere Uebermalung zeigte verschiedene Farben. Später kam schwarz, dann bei der vorletzten Restauration grau, jetzt roth.

Weihkreuze.

Bei der Ablösung der Kalktünche kamen auch mehrere bischöfliche Weihkreuze zum Vorschein, eines z. B. an der Südwand des südlichen Kreuzschiffes; drei andere standen an den Pfeilern im Chor der Kirche. Die letzteren standen auf der glatten Wand unter den Diensten, mit denen die Pfeiler bei der gothischen Umwandlung der Kirche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bekleidet worden sind. Freilich waren die untern Enden der Dienste, unter denen

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sie standen, von Holz und erst in neuern Zeiten nach unten hin fortgeführt. Es bleibt also nur übrig anzunehmen, entweder daß in alter Zeit die Dienste im Chor wegen der hohen Baldachine der ehemaligen Chorstühle nicht so weit heruntergingen, oder daß die Weihkreuze noch von der ersten Einweihung vom Jahre 1248 stammen und bei der Umwandlung der Kirche von den Diensten bedeckt worden sind; das Letztere ist auch nicht unwahrscheinlich, da eines der Kreuze am mittlern nördlichen Chorpfeiler innerhalb des Chorraums, also wohl aus der Zeit vor der Vollendung des nördlichen Seitenschiffes, nicht in der Mitte des Pfeilers, sondern etwas seitwärts stand, die Stelle des Kreuzes also wohl die ehemalige Mitte des Pfeilers bezeichnete, welcher im 14. Jahrhundert wohl an einer Seite verstärkt ward.

Alte Wandmalereien.

Nach den in den vorstehenden Zeilen geschilderten Eigenthümlichkeiten des gothischen Domes sind denn auch sehr wenig alte Wandmalereien unter der Kalktünche entdeckt worden. Jedoch sind einige von hervorragender Bedeutung.

Malereien im Hauptgebäude.
Bemalung des Triumphbogens.

Die Wand des Mittelschiffes des hohen Chores, welcher niedriger ist, als das Kreuzschiff und das westliche Langschiff, reicht gegen das Kreuzschiff ansehnlich hinab und ist zwischen den beiden westlichen Pfeilern in einem starken Bogen gewölbt, den man den "Triumphbogen" nennen kann. Unter ihm stand einst der Laienaltar vor dem ehemaligen Lettner und über dem Altar das große Crucifix.

Dieser Bogen ist auch architektonisch geschmückt, indem er von 2 menschlichen Halbfiguren, als Consolen, getragen wird, welche bemalt waren.

Die östliche Seite dieser Bogenwand trägt unten unmittelbar mit das Chorgewölbe. Die westliche Seite steht in der Mitte, 7 bis 8 Fuß hoch, frei und verläuft in Zwickeln gegen die Pfeiler hin bis zu den Consolen. Die Gemeinde htte also immer den freien Blick auf diesn Bogen, wenn se nach dem hohen Chor und dem großen Crucifix über dem Laienaltar hinaufsah.

Als im Junii 1867 bei der Restauration die Kalktünche abgenommen ward, fand es sich, daß eine sehr schöne

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Malerei diese Wand dieses Triumphbogens bedeckte und noch gut zu erkennen und ziemlich erhalten war. Die Malerei machte, selbst in einer Höhe von fast 100 Fuß, eine vortreffliche Wirkung. Diese Malerei besteht in folgender Darstellung.

In der Mitte steht ein Heiligenkopf, in dunklem Colorit, mit langem Haar und mit Bart. Um das Haupt legt sich eine Scheibe, wie ein Heiligenschein, jedoch von dunkelrother Farbe; die Scheibe legt sich aber nicht gleichmäßig rund um den Kopf, sondern liegt mit dem untern Rande ungefähr in der Linie der Lippen und ragt hoch über den Scheitel weg, so daß der Kopf nicht in der Mitte der Scheibe liegt, sondern auf dem untern Rande derselben steht.

Zu den Seiten dieses Hauptes sind zwei große fliegende Engel dargestellt, welche mit beiden Händen die Scheibe halten. Die Engel sind sowohl im Ausdruck, als auch in der Bewegung ungewöhnlich schön gehalten; sie sind in hellfarbige Gewänder gekleidet und haben sehr lange Flügel, jeder einen dunkelrothen und einen grünen, deren Umrisse sehr gut zu der Bewegung der fliegenden Gewänder stimmen.

Die Zwickel waren mit schlecht gemalten, natürlich gehaltenen Blumenranken mit hellrothen Blumen gefüllt, in denen die Säume der Engelgewänder verschwanden. Eine genauere Untersuchung hat aber gelehrt, daß diese Blumenranken aus einer jüngern Uebermalung stammen und ohne Werth waren.

Von Bedeutung ist die Lösung der Frage, wen dieser Kopf darstellen soll. Man ist geneigt, denselben für einen Christuskopf zu halten. Aber dafür ist das Colorit des Gesichts zu dunkel und der Ausdruck zu derbe; es fehlt die Dornenkrone, welche sicher nicht fortgeblieben wäre; die Scheibe ist roth und wird, nach sicherer Beobachtung, von den Engeln angefaßt: dies würde aber nicht so gemalt sein, wenn die Scheibe einen Heiligenschein darstellen sollte, denn man findet wohl nie, daß der Heiligenschein von andern Personen getragen wird; das "Schweißtuch", welches die Engel anfassen könnten, ist sicher nicht vorhanden.

Ich bin daher geneigt, den Kopf für das Haupt Johannis des Täufers zu halten und die dunkelrothe Scheibe für eine blutige Schüssel.

Und diese Annahme stimmt ganz zu den Bau=Perioden des Domes.

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Der Dom in seiner jetzigen Gestalt, mit Ausnahme der Wölbung des westlichen Theils des Mittelschiffes, ist ohne Zweifel im Jahre 1374 fertig geworden.

Der Chor ist jedoch, mit Ausnahme des polygonen Umganges mit den 5 Kapellen, älter, wie schon die Laibungen der obern Fenster des Mittelschiffes beweisen. Die Pforte des neuen, d.h. zuerst umgebaueten, Chores war nun im Jahre 1327 fertig; denn eine Urkunde vom 27. März 1327 ist "zu Schwerin vor der Pforte des neuen Chors" gegeben ("ante hostium noui chori"); dieser Ausdruck deutet sicher auf ein Ereigniß, welches damals noch im frischesten Andenken war. Auch ward im Jahre 1328 das Kalkhaus zum Dombau, an der Stelle des spätem Refectoriums und Gymnasiums, zu anderweitiger Verfügung gestellt (vgl. Jahrb. XIX, S. 399 flgd).

Der Umbau des Chors ward nun höchst wahrscheinlich von dem Bischofe Gottfried I. v. Bülow (1292-1314) im Anfange des 14. Jahrhunderts angefangen und unter dem Bischofe Hermann II. Maltzan (1314-1322) der Vollendung nahe gebracht. Hermann Maltzan war aber im Jahre 1300 Schatzmeister (thesaurarius) und später Propst des Dom=Capitels zu Schwerin, bis er zum Bischofe erhoben ward, und hat, da er ein Mann von kräftigem Geiste war, als angesehener und geschäftsführender Prälat ohne Zweifel großen Einfluß auf den Bau gehabt.

Nun führt aber Hermann Maltzan im Jahre 1300 als Dom=Thesaurarius zu Schwerin in seinem hieneben abgebildeten, sehr seltenen Amtssiegel außer seiner eigenen Gestalt und seinem Wappen, als Hauptbild das Haupt Johannis des Täufers, wie es im Dome zu Schwerin abgebildet ist, sonst aber in den Schweriner Dom=Urkunden nicht vorkommt (vgl. Lisch Maltzan. Urk. I, S. 106-109, No. XLII, und Litographie, Taf. II, Nr. 5).

Siegel

Es erscheint mir also sehr wahrscheinlich, daß das Bild bei der Vollendung des ersten Umbaues des Domes unter der Leitung und dem Einflusse Hermann's Maltzan in der Zeit 1300-1322 gemalt ist, und der Kopf das Haupt Johannis des Täufers auf einer Schüssel darstellen soll, welches die Engel gen Himmel tragen: an dieser Stelle allerdings ein geistreiches und schönes Bildwerk.

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Der heilige Christoph auf der Südwand des Kreuzschiffes.

Im südlichen Kreuzschiffe, in der Ansicht links neben dem großen Fenster über der Hauptpforte nach der Marktseite, war auf Putzgrund die Figur des H. Christoph gemalt, wie er das Christkind durch das Wasser trägt, mit einem großen Baume in der Hand, eine sehr gewöhnliche alte Darstellung in Malerei und Bildhauerei innen oder außen an der Hauptpforte der Kirchen, da man nach altem Aberglauben an dem Tage nicht starb, an welchem man den H. Christoph sah.

Der Kalkputz und das Gemälde waren gut 12 Fuß breit und ungefähr 24 Fuß hoch. Das Christkind, in goldgelbem Gewande und Haar, welches auf Christophs Schultern sitzt und die linke Hand auf seinen Kopf legt, war in natürlicher Größe gehalten. Die Gestalt des H. Christoph aber war, vom Scheitel des Christkindes bis zu den Fersen des H. Christoph, 17 Fuß hoch. Der H. Christoph hat hellblondes Haar, einen rothen Wams und ein weißes Hemd und ist von den Knieen herab nackt. Die Malerei ist in Composition und Farbe durchaus gut und sehr edel gedacht.

Die Tafel auf Kalkputz war noch viel größer, da oben noch Landschaft und unten noch Wasser mit Gewächsen zu sehen war.

Unten auf der Tafel war in 6 Zeilen eine Inschrift in lateinischen Unzial=Buchstaben, von welcher mit Mühe noch zu lesen war:

1 . CHRISTOPHORVS . . . . . . . . A TEM . . . . . . . .

PE . . . T . . . . ALTIS . NITVNTVR

2 . . . . . . QVE BENE PERPENDI MYSTICA M . . . . . .

SCIET — — — — QVID VERO . . . . . . . . TICA — —

3 . . . . . GN . . . . FER . . . . . . . VM CHRISTO . . . .

VIUVS O — — — ACCIPIVNT — — IN — — —

4 — — — — RES RAT . . . GN . . . ERIT — ANN

— — — — — — —

5 — — AQ — — S — — VNT PER — — ICIA CO

— — — — — CANDIDA CHRISTO

6 . CHRISTIA . . . . QVID VI[R]ET [A]RBOR[VM]

. . . . VLVS — ERVEM — — TE . ENIGNE DATO

Nachdem die Inschrift, so gut es ging, bloß gelegt war, las man im Anfang: CHRISTOPHORVS. Die Schreibung des Namens mit CH und PH scheint dem 16. Jahrhundert anzugehören. Im 13. oder 14. Jahrhundert hätte man vielleicht CRISTOFORVS geschrieben.

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Die Inschrift ward schließlich zwar bloß gelegt. Aber es war nicht allein mit der Ablösung sehr vieles verloren gegangen, sondern auch an mehreren, schon früher abgefallenen Stellen der Kalk neu eingeputzt gewesen, ohne Ergänzung der Inschrift. So viel ist gewiß, daß kein einziger alter lateinischer Unzial=Buchstabe darin vorkommt, sondern alle Buchstaben den Charakter der Mitte des 16. Jahrhunderts tragen. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, daß die Verse Hexameter gebildet und eine mystische Auslegung gezeigt haben, nicht nach mittelalterlicher Darstellungsweise, welche, wegen der Capitalbuchstaben, über 1350 zurückreichen müßte. Darauf deuten einzelne Wörter, z. B. Z. 1 im Anfange CHRISTOPHORVS (vor 1350 würde man wohl CRISTOFORVS geschrieben haben), Z. 2 MYSTICA . . . . . . . SCIET, Z. 4 CHRISTO . . . . . VIUVS, Z. 5 CANDIDA CHRISTO., Z. 6 CHRISTIA . . . QVID VIRET [A]RBOR[VM] — — — [B]ENIGNE DATO. Ungefähr können diese wenigen Worte den Inhalt andeuten. Viel mehr ganze Wörter sind nicht zu entziffern gewesen.

Unten rechts am Schlusse stand in cursiver Schreibweise ein Namenszug (des Verfassers), aus zwei bis drei Buchstaben, von denen der letzte ein cursivisches M zu sein schien, der an die neuern Zeiten erinnert, jedenfalls nicht der alten Zeit angehört (A. Mylius?).

Auch die Figur ist viel großartiger und freier gehalten und richtiger und derber gezeichnet (z. B. in den Waden des H. Christoph), als im Mittelalter. Es ist daher wahrscheinlich, daß in der Mitte des 16. Jahrhunderts das Bild ganz übermalt oder ein besseres auf den alten Kalkputz gemalt ist.

Die ganze Malerei ist bei der Restauration der Kirche 1867 wieder übertüncht.

Malereien auf der Nordwand des Kreuzschiffes.

Die nördlichen Wände des Kreuzschiffes, neben der nördlichen Pforte zum "Friedhofe" innerhalb des Kreuzganges, dem H. Christoph gegenüber, waren auch mit großen Gestalten bemalt gewesen, dem Anscheine nach mit Bischofsgestalten. Es ließ sich aber mit Bestimmtheit nichts mehr erkennen.

Verzierungen durch Inschriften.

Auf der Südwand des südlichen Kreuzschiffes, nach dem Markte hin, fand sich in der Höhe der Kapitäler der Pfeiler und Dienste, also unter dem Anfange der Gewölbe, auf der

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Wand zu beiden Seiten des großen Fensters (also hoch über dem H. Christoph), eine eigenthümliche Verzierung. Dies war ein Fries mit weißem Grunde (auf dem rothen, gefugten Rohbau) mit roth gemalter Einfassung; auf diesem Friese stand an jeder Seite des Fensters als Ornament folgende Inschrift in rother, sehr großer gothischer Minuskelschrift

Inschrift

d. i. Jhesus Christus (ΧΡΣ oder C).

Die Buchstaben waren 14 Zoll hoch und in den Grundstrichen 2 Zoll breit. - Diese Inschriften sind im Jahre 1867 wieder hergestellt. Auf den Seitenwänden dieses Kreuzschiffes ging in gleicher Höhe ein brauner Streifen von der Breite des Inschriftfrieses umher.

Im westlichen Theile des Mittelschiffes fand sich zu beiden Seiten des vorletzten südlichen obern Fensters nach der Orgelwand hin, in gleicher Höhe, vor der unten zur Sprache kommenden Bauinschrift, folgende ähnliche Verzierungsinschrift. Links in der Ansicht von diesem Fenster stand:

Inschrift

d.i. domine Jhesu (Herr Jesus!), in grünen Buchstaben. Rechts von dem Fenster stand

Inschrift

d. i. Johannes, in rothen Buchstaben.

Wandmalereien im Westen.

Die westliche Wand des Mittelschiffes hinter der Orgel, also die östliche Thurmwand, war mit Malereien aus den verschiedensten Zeiten über einander bedeckt, welche aber größten Theils zerstört waren und unten bei den Bauinschriften näher besprochen werden. Oben in der Mitte ließen sich Reste eines colossalen Marienbildes erkennen. Es ließ sich jedoch nicht entscheiden, auf welcher Schicht das Bild saß; dem Anscheine nach stand es zum Theil über der Bauinschrift von 1416. Erhalten und wiederherstellen ließ sich hier nichts.

Wandmalereien in den Kapellen.

Das Hauptgebäude hat wenig malerische Verzierung gehabt, aber desto mehr reiche Ausstattung an Schnitzwerk

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und Bildhauerei, wie es auch wohl der Charakter großer gotischer Dome mit sich bringt. Mehr malerischen Schmuck werden die Kapellen gehabt haben.

Wandmalereien in der Heil. Bluts=Kapelle.

Die berühmte "Heil. Bluts=Kapelle", in der mittlern Kapelle des polygonen Chorschlusses im Osten hinter dem Hochaltare, ist ohne Zweifel auch an den Wänden reich geschmückt gewesen. Die Wände um den Altar des Heil. Blutes waren am Ende des 14. Jahrhunderts durch den Dom=Thesaurarius Bernhard v. Plessen, welcher 1392 auch das Refectorium bauen ließ, mit den lebensgroßen Figuren der Stifter und Wohltäter der Kapelle geschmückt, welche 1839 von mir unter der Tünche entdeckt, 1841 restaurirt und 1847 bei der Einrichtung der großherzoglichen Begräbnißgruft abgeschlagen, jedoch in getreuen Copien im Archive erhalten wurden (vgl. Jahrb. XIII, S. 160 und 164).

Bei der jüngsten Restauration des Domes war 1866 bei Abnahme der Kalktünche entdeckt, daß die der Kapelle zugewandten Flächen der beiden östlichsten Pfeiler des Chors hinter dem Hochaltare ganz mit Malereien bedeckt waren. Auf den östlichen Hauptflächen dieser beiden Pfeiler stehen auf jedem Pfeiler in einiger Höhe zwei Heiligenfiguren über einander, jede unter einem gothischen Baldachin. Die Figuren haben gelbe, etwas wolkenartig gestaltete Heiligenscheine. Der Styl ist gut und spricht für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die untere Hälfte der Figuren fehlt, da in frühern Zeiten der Putzgrund abgehauen ist. Die Figuren lassen sich sehr schwer bestimmen, da sie doch etwas gelitten haben. Vielleicht stellen sie vor

S. Johannes d. Ev.           S. Johannes d. T.
S. Katharina. S. Michael.

Die Dienste der Pfeiler waren mit verschiedenen Farben, die abgefaseten Ecken der Pfeiler braun bemalt.

Die inneren Flächen der Pfeiler, bis zur Bogenwölbung und so weit die Figuren reichen, sind mit einem rothen Friese bemalt, auf welchem hübsche weiße Rankengewinde stehen.

Diese Malereien sind so erhalten worden, wie sie bloß gelegt sind.

Wahrscheinlich ist die ganze Kapelle ähnlich bemalt gewesen; es haben sich aber keine Spuren weiter finden lassen.

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Wandmalereien in der nördlichen Marien=Kapelle.

Die kleine gewölbte Kapelle, welche an die Ostseite des nördlichen Kreuzarmes angebauet ist, wahrscheinlich die oben Nr. 36 aufgeführte "Kapelle zu Marien Himmelfahrt" ("assumptionis Mariae"), "unter der kleinen Orgel", ist völlig und am reichsten in der ganzen Kirche bemalt gewesen. Dieser Schmuck war ganz durch Kalktünche bedeckt. Einige Versuche, kleine Stellen von der Tünche zu befreien, zeigten bald unverkennbar Spuren von alter Kunstmalerei, und so ward denn im Sommer 1869 bei Gelegenheit der Restauration der Kirche die ganze Kalktünche nach und nach, so gut es gehen wollte, abgenommen. Leider zeigte es sich dabei, daß in den Gewölben manche Stelle schadhaft gewesen und schon in frühern Zeiten neu überputzt waren. Andere Stellen waren durch das Alter und die Kalktünche ganz oder zum Theil unkenntlich geworden. Jedoch ließ sich die Art und Weise der Verzierung und der innere Zusammenhang noch erkennen.

Die Kapelle ist nach der Kirche hin, also gegen Süden und Westen, durch gothische Bogen geöffnet. An der Ostseite hat ein Altar gestanden; daher ist hier keine Kunstmalerei vorhanden. Die Nordwand hat ein großes Radfenster und ist zum größern Theil bemalt. Den reichsten Schmuck tragen aber die niedrigen Gewölbe.

Die Nordwand hat unten bis zu Menschenhöhe, ungefähr 6 Fuß hoch, in Rohbau gestanden. Von dort ab bis zu dem Gewölbe ist die Wand unter und neben dem Radfenster mit Kalkputz und Kunstmalereien bedeckt. Die Malerei 1 ) hat folgende Anlage. Der Grund der Wand hat eine dunkelblutrothe oder braunrothe Farbe und ist mit großen Weinranken von grüner Farbe durchzogen. In diesen Ranken zwischen großen, kräftigen Weinblättern stehen in graden Reihen kleine runde Scheiben oder Medaillons von 20 Zoll Durchmesser, auf welche auf weißem Grunde kleine biblische Geschichten in feinen hellrothen Umrissen gemalt sind. Unter dem Radfenster sind zwei Reihen Scheiben über einander, in jeder Reihe 8 Scheiben; neben dem Radfenster sind an jeder Seite nur 2 Scheiben oder weniger bis an das Gewölbe. Die beiden vollen Reihen zeigen schon die Beziehung der Kapelle auf die Jungfrau Maria. Die Scheiben auf beiden Enden tragen ein großes


1) Diese Wandmalerei ist kurz vor der Wiedereinweihung der Kirche (7. Novbr. 1869) auch übertüncht, also jetzt als verloren zu betrachten.
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Weinblatt. Von den beiden vollen Reihen zeigen die inneren Scheiben in der obern Reihe die Freuden Mariä, die Scheiben in der untern Reihe alttestamentliche Typen. Die Scheiben neben dem Radfenster werden Darstellungen aus dem Leben Christi enthalten haben. Vieles ist aber fast ganz verschwunden.

Zu erkennen sind noch folgende Darstellungen in der Ansicht:

Unkennt-
lich.
Taufe. Unkennt-
lich.
Unkennt-
lich.
Christi Radfenster .
Weinlaub. Mariä Christi Unkennt-
lich
Unkennt-
lich.
Verkün-
digung.
Heimsu-
chung.
Geburt.
Schöpfung Schöpfung   Vertrauung Sünden= Vertreibung
Adams. Evas. Adams u. fall. aus dem
Evas. Paradiese.

Reichern und buntem Schmuck tragen die 4 Kappen des Gewölbes auf Kalkputz 1 ). Der Grund des Gewölbes ist ebenfalls dunkelblutroth 2 ) und mit großem, grünem Weinlaub durchzogen, eine Art der Bemalung, welche sonst in Meklenburg noch nicht beobachtet ist, da die Grundfarbe der Gewölbe, selbst wenn diese mit Figuren bemalt sind, immer weiß zu sein pflegt. In dem Weinlaub stehen runde Scheiben, mit grüner Einfassung, welche an dem Schlußsteine am größten sind und nach den untern Gewölbezwickeln hin immer kleiner werden, und zwar in der Anordnung, daß in jeder Gewölbekappe am Schlußstein eine große Scheibe von ungefähr 4 Fuß Durchmesser steht, von welcher zwei Reihen Scheiben, an jede Seite der Gewölberippe eine, hinablaufen. Zunächst der großen Gewölbescheibe am Schlußstein stehen 2 gleich große Scheiben von 4 Fuß Durchmesser, auf welche an jeder Seite 2 kleinere von etwas mehr als 2 und 1 Fuß Durchmesser folgen, so daß jede der 4 Gewölbekappen 7 bemalte Scheiben trägt.

In der Mitte des Gewölbes tragen die großen Scheiben die 4 Evangelisten=Symbole in großer Darstellung und zwar noch ziemlich erkennbar:


1) Diese Gewölbemalerei ist, soweit sie erhalten war, einstweilen noch von Uebertünchung und Restauration verschont geblieben.
2) Ganz gleiche Richtung in der Färbung zeigt, nach eigener Anschauung, die jetzt auch von der Kalktünche befreiete kleine v. Redekinsche Neben=Kapelle am Kreuzgange des Domes zu Magdeburg, aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts, deren Gewölbe denselben dunkelrothen Grund haben. Vgl. v. Mülverstedt: "Ueber Fresko=Gemälde in einer Neben=Kapelle des Doms zu Magdeburg", in den "Geschichts=Blättern für Stadt und Land Magdeburg". Jahrgang III, 1868, S. 1 flgd., namentlich S. 6.
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O.
  Adler.   
N. Engel.    Stier. S.
Löwe.
W.

Die östliche Gewölbekappe hat durch jüngere Ueberputzung fast alle Malerei verloren; es sind einigermaßen nur noch die Flügel des Adlers zu erkennen.

Die nördliche Gewölbekappe ist die bedeutendste, wenn auch nicht ganz erhalten. Am Schlußstein steht die große Scheibe mit dem geflügelten Engel. Von den nächsten beiden gleich großen Gewölbescheiben enthält die in der östlichen Reihe die gekrönte Jungfrau Maria auf einem Thone sitzend, so daß die volle Gestalt beim Blick nach dem Altar im Osten ganz und grade zur Anschauung kommt. Die daneben stehende gleich große Gewölbescheibe enthält Gott Vater segnend gegen Maria gewendet. Die Gestalt des Matthäus=Engels ist auch zur Begrüßung Mariä benutzt. Diese Gewölbekappe enthält offenbar die Hauptdarstellung, nämlich die Krönung, also die Himmelfahrt (assumptio) Mariä, der eine der beiden Kapellen im Kreuzschiffe geweihet war. Dies war also sicher die Kapelle zur Himmelfahrt Mariä. Von den Gemälden auf den übrigen Scheiben dieser Gewölbekappe ist nur die am Ende im Westen zu erkennen, welche einen Pelikan enthält.

Die westliche Gewölbekappe ist für die Zeitbestimmung die wichtigste. Am Schlußstein steht eine große Scheibe mit dem geflügelten Löwen (Marcus). In der Reihe gegen Norden folgt zunächst eine gleich große Scheibe mit einer gekrönten männlichen Figur, welche ein Spruchband in den Händen hält mit den Worten:

B A LT A S A R R e X

Die Schriftzüge entsprechen der Schrift der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der mittlere Queerbalken des A ist nach unten hin zugespitzt. Die Figur ist also einer der Heil. Drei Könige. In der Reihe gegen Norden enthält die erste gleich große Scheibe eine etwas unkenntliche Figur, ebenfalls mit Spruchband, worauf noch die Buchstaben

[D A ] N I e L oder M e L

zu erkennen sind. Könnte man Mel- lesen, so würde die Darstellung zu den Heil. Drei Königen passen.

In der Reihe gegen Norden folgt dann eine nicht mehr klare Figur mit einem Spruchbande mit den Buchstaben

e s O[R]IVS
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und zuletzt eine kleine Scheibe mit Simson, wie er den Löwen zerreißt.

In der Reihe gegen Süden folgt zunächst eine Scheibe mit einer weiblichen Figur, welche beide Hände erhebt, und zuletzt auf der kleinsten Scheibe die Figur eines Mannes mit einer Kappe, der ein kurzes, breites Schwert über den Kopf schwingt (David und Goliath?).

Die südliche Gewölbekappe ist in ihrem östlichen Theile ganz vernichtet. Am Schlußsteine steht eine große Scheibe mit dem geflügelten Stier (Lucas). Dann folgt gegen Süden eine gleich große Scheibe mit dem Könige David mit der Harfe. Darauf folgt eine Scheibe mit der Gestalt eines Mannes, der einen Kelch hält (Melchisedek). Zuletzt ist in der kleinsten Scheibe Jonas im Wallfisch erkennbar.

Dies ist die Darstellung, welche doch wenigstens einen Zusammenhang mit der Verehrung der Jungfrau Maria erkennen läßt.

Die ganze Anlage und der Styl sind ernst, würdig und schön.

Der Styl und die alten Majuskelbuchstaben sprechen mit Bestimmtheit dafür, daß die Kapelle schon vor der Mitte des 14. Jahrhunderte erbauet war. Die beiden Marien=Kapellen an der Ostseite des Kreuzschiffes sind also wohl ohne Zweifel bald nach dem hohen Chore im Anfange des 14. Jahrhunderts erbauet und eingerichtet. Die Reste von Diensten am Eingange im Westen sprechen jedoch dafür, daß der hohe Chor schon fertig war, als die Kapelle eingebauet ward.

An der Ostwand hat früher sicher ein Altar gestanden. Daher trägt die Wand auch keinen Kalkputz und keine Malerei. An derselben war lange Zeit der alte Hochaltar aufgestellt. Als dieser bei der jüngsten Restauration von hier entfernt und in die Alterthümersammlung versetzt ward, zeigte sich, daß in alter Zeit die Wand im Rohbau gestanden hatte. Nach der Reformation ist aber die Wand mit Kalk übertüncht und mit Tafeln mit hochdeutschen Bibelsprüchen bemalt, welche von fliegenden Engeln gehalten werden. Die Schrift war die Frakturschrift aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aber fast ganz abgefallen. Links im Anfange ließen sich noch einige Worte erkennen. Diese sind:

           Inschrift [V. 8].
Inschrift [halben Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht].

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Das Uebrige war außer einigen Worten, z. B. Sohn , nicht mehr zu erkennen.

Wandmalereien in der südlichen Marien=Kapelle.

In der Ostecke des südlichen Kreuzarmes ist eine gleiche, kleine, gewölbte Kapelle, neben dem großen Christoph, angebauet, wie an der Nordseite. Dies ist wahrscheinlich die oben Nr. 21 ausgeführte Marien=Kapelle, in welcher Marienzeiten gesungen wurden und die Milch der Maria aufbewahrt ward. Diese Kapelle wird ganz bestimmt dadurch bezeichnet, daß man von dem Gewölbe derselben in das Capitelhaus (das an die Südseite des Chors bis zur großen Chorpforte angebauete Archiv) ging. Nach dem Inventarium von 1663 war hier später das Begräbniß der Familie Behr. Nach diesem Inventarium war hier ein Marienbild auf die Wand gemalt. Spuren von Wandmalereien wurden noch im Jahre 1867 gefunden, ließen sich jedoch nicht mehr erkennen und deuten, außer einem bischöflichen Weihkreuze auf einer runden Scheibe von Kalkputz auf der Mitte der östlichen Hauptwand.

Bauinschriften.

Inschriften auf der südlichen Seitenwand des Mittelschiffes.

Vielleicht eine der merkwürdigsten Verzierungen des Domes sind einige kurze Inschriften am Westende des Mittelschiffes, welche im October 1866 entdeckt und von mir an Ort und Stelle untersucht wurden.

Die Inschrift stand im westlichsten Theile des Mittelschiffes in der Ansicht links neben dem letzten, vierten, obern Fenster in der südlichen Sargmauer, vor dem Thurmgebäude, über dem Bogen zum Seitenschiffe, hoch oben, so weit die Fensteröffnung zum Oberlicht unten zugemauert ist, also im Innern ungefähr über der westlichsten Seitenpforte gegen Süden, über welcher in der Außenwand auch zwei v. Bülowsche Wappen des Bischofs Friederich II. (1365-1375) als Baudenkmäler stehen.

Die Inschrift bestand aus zwei Zeilen über einander, welche 4 Fuß von einander entfernt waren, und war in schwarzer Farbe ausgeführt, während die übrigen roth, nur eine grün waren. Die Buchstaben, in guter, reiner, gothischer Minuskel, aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, waren 6 Zoll hoch.

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Die Inschrift 1 ) war folgende:

Inschrift

Die obere Zeile mit dem Namen Inschrift stand sehr schräge nach oben hinauf rechtshin.

Vor dem Namen stand eine segnende Hand mit drei Fingern ausgestreckt und zwei eingeboren. Dieser Name mag wohl der Name des Maurer= oder Werkmeisters ("Structuarius") sein, der diesen Bau vollendet hat. Vielleicht starb er bei oder während der Vollendung des Baues, und dies soll vielleicht die schräge Stellung nach oben hinauf, die schwarze Farbe und die segnende Hand (Gottes) andeuten. Unter dem Namen stand ein Schnörkel mit einem Haken unten, einer Hausmarke ähnlich.

Die untere Zeile enthielt die Zahl lxxıııı (74). Vor dieser Zahl standen allerlei Schnörkel. Ich halte die Zahl für die Jahreszahl 1374, das Jahr der Vollendung des Baues. Mit der Zahl 74 soll wohl sicher 1374 ausgedrückt und die sogenannte "Minderzahl" gegeben sein. Die Schnörkel vor lxxıııı werden "etc." bedeuten und die Stelle der Zahl: "Dreizehnhundert" einnehmen sollen, wie sehr häufig, z. B. Anno etc. 80, d. i. 1480, oder anders, je nach dem Charakter der Schriftzüge des Jahrhunderts.

Diese Inschrift ist nun insoferne wichtig, als sie bestimmt das Jahr der Vollendung anzugeben scheint, wie ich schon früher vermuthet habe, daß der Bau des Mittelschiffes in der Zeit von 1365-1375 vollendet worden sei (vgl. Jahrb. XIX, 1854, S. 401, und XIII, 1848, S. 156 flgd.). Bischof Friedrich II., unter dem der Bau, nach den Wappenschilden, ausgeführt ward, starb am 11. Septbr. 1375. Gewölbt ward dieses westliche Mittelschiff durch die Stralsunder erst im Jahre 1416 (vgl. oben S. 148). Wahrscheinlich ist das südliche Seitenschiff im Jahre 1374 zuerst fertig geworden. Am nördlichen Seitenschiffe ist wohl etwas länger


1) Ich bin persönlich wiederholt die frei stehende, bis gegen das Gewölbe reichende, hohe Leiter hinaufgestiegen, um die Inschrift sicher zu erkennen, kann daher mit Ueberzeugung für die Richtigkeit bürgen.          G. C. F. Lisch.
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gebauet, da das Refectorium (jetzt Gymnasium) erst 1392 angebauet werden konnte (vgl. Jahrb. XIII, S. 158).

Bei der letzten Restauration ist diese Inschrift wieder übertüncht.

Inschriften auf der westlichen Wand des Mittelschiffes.

An der westlichen Schlußwand des Mittelschiffes (der östlichen Thurmwand) war über der Orgel unmittelbar unter dem Gewölbe, also ungefähr 100 Fuß hoch, viel Malerei, wie es scheint, in 3 Lagen über einander, jedoch durch die wiederholte Uebermalung und den losen Kalkputz so sehr verfallen, daß eine Wiederherstellung nicht möglich war.

Am besten war die Malerei in der Spitze des Gewölbes erhalten und es stellte sich heraus, daß die erste Malerei eine Inschrift in sehr großen, rothen Buchstaben in wenigstens 3, vielleicht 4 Zeilen gewesen war. Es war leider nicht mehr als die erste Zeile dicht unter dem Gewölbe einigermaßen zu erkennen; ich habe deutlich und sicher die Worte in gothscher Minuskelschrift aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts:

Inschrift

gelesen. Ich bin drei Male die Leitern hinaufgestiegen und habe in Gegenwart des Malers diese Worte sicher gelesen, mit Ausnahme des ersten Wortes [In] de iare gades welches etwas verwischt war.

Die Buchstaben waren 17 Zoll hoch. Unterhalb dieser Zeile konnte ich mit Sicherheit noch die Züge von noch wenigstens 2 Zeilen erkennen, die aber nicht mehr zu entziffern waren.

Anscheinend über dieser Malerei, mit Ausnahme der beschriebenen ersten Zeile, war figürliche Malerei, von der noch ein Marienbild zu erkennen war, welches in der Mitte der 2. und 3. Zeile stand, wenn diese Malerei nicht älter gewesen und bei Anbringung der Inschrift geschont worden ist.

Darüber, jedoch mehr unterwärts, war eine dritte Malerei mit vielem Rankwerk, mehr in grünen Farbentönen, und in derselben eine sehr gesperrte Inschrift in großen lateinischen Unzialen, von der ich nur das Wort

C H O R

erkennen konnte.

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Die erste gothische Inschrift ist ohne Zweifel eine Bau=Inschrift auf die Wölbung des westlichen Mittelschiffes und des Kreuzschiffes durch die Stralsunder nach dem Jahre 1407 gewesen; die jüngste Inschrift hat sicher Bezug auf die Erbauung der Orgel und des Orgel=Chors in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehabt. Hiermit scheint auch die Nachricht übereinzustimmen, welche Hederich in seiner Schwerinischen Chronika S. 19 flgd. giebt. Nachdem er die bekannte Geschichte erzählt hat, wie die Stralsunder im Jahre 1407 drei Priester verbrannt haben, sagt er, daß die Untersuchungsrichter "der Stadt Stralsund diese Poen zur Buße auflegten, daß sie die Thum=Kirche zu Schwerin vom Chor an bis zum Glocken=Thurm in die hundert und funftzig Schuhe lang welben sollen und zum ewigen Gedechtnis ihre mordliche That sambt der Peen zu Ende des Gewölbes schreiben lassen, welches auch also vollenzogen und geschehen. Die Worte am Ende des Gewölbes über der Orgel nach dem Glockenthurm lauteten also:

"Jesus Maria.
Inschrift

"Diese Worte syn im Jahre 1560, da die neue Orgel gebauet (vgl. S. 41 flgd.), mit Farben und anderen Gemälden überstrichen worden, sollten aber billig zum Gedächtniß auf einen andern Ort gleichslauts zuvor geschrieben worden sein!!"

Die von Hederich mitgetheilte Inschrift ist also ohne Zweifel die oben erwähnte erste Inschrift auf die Wölbung des Chors. Aber sie stimmt in der jetzt wieder entdeckten ersten Zeile mit der ursprünglichen Inschrift im Wortlaut nicht überein.

Ohne Zweifel zuverlässiger ist der Wortlaut, den Reimar Kock in seiner Chronik, nach einer vielleicht gleichzeitigen Abschrift auf der Regierungs=Bibliothek zu Schwerin, folgendermaßen giebt:

Inschrift
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Inschrift

Grautoff Lüb. Chron. II, S. 614, theilt die Stelle aus einer andern Handschrift eben so mit, giebt aber im Einzelnen kleine Abweichungen. Diese Inschrift ist ohne Zweifel die richtigere, da Reimar Kock sie noch selbst gesehen hat. Auch Otto Fock in den Rügensch=Pommerschen Geschichten IV, S. 135, hält diesen Text für ursprünglicher, als den von Hederich mitgetheilten. Bei Hederich fehlt die Jahreszahl, und er hat im Anfange auch nicht richtig gelesen, oder eine mangelhafte Abschrift gehabt. So las er im Anfange: Inschrift statt Inschrift . Aber auch Reimar Kock lieset im Anfang unrichtig: Na deme iare Christi, statt In deme iare gades.

Wir erfahren durch Reimar Kock wohl die richtige Jahreszahl (1416) der Vollendung der Wölbung; die früher angenommenen Jahre 1407 oder 1430 können wohl nicht richtig sein.

Mit der jetzt aufgefundenen Zeile der Inschrift stimmt auch die Beschreibung des stralsundischen Chronikenschreibers Johann Berckmann (S. 7) überein, welcher um die Mitte des 16. Jahrhunderts (noch vor dem Orgelbau) berichtet:

"Dar steitt noch heutiges dages mit g roten roden bockstauen angeschreuen: "Dit hebben de Sundeschen moten buwen datt se de papenn vorbrantt hadden". De dar gewest hofft, de mugo dath sehen vnde leßen".

Vgl. Jahrb. XIII, S. 158.

Unterhalb dieser Malerei fand sich wieder eine andere Inschrift in großen, rothen Buchstaben, von denen sich nur eine Jahreszahl

Jahreszahl 1342

erkennen ließ; die drei ccc und das x waren ziemlich deutlich. Dies würde ungefähr die Jahreszahl 1342 geben, welche, freilich etwas früh, in gothischer Minuskel geschrieben war.

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Noch etwas weiter unterwärts auf der Orgelwand, ungefähr in der Höhe der Friese unter den (Ober=) Fenstern des Mittelschiffes, wo die Bauinschrift mit der segnenden Hand stand, ungefähr in der Höhe der Orgelkrönung, stand mit rothen Buchstaben (zur rechten Hand in der Ansicht):

Inschrift

Vielleicht bezieht sich diese Inschrift auf einen frühern, nicht so hohen Orgelbau, oder auf den Baumeister der Stralsunder Wölbung. Die Buchstaben waren 6 Zoll hoch.

Der Hochaltar.

Der Hochaltar des Domes zu Schwerin, noch ein Denkmal alter Zeit, ist in mancher Beziehung einzig in seiner Art im Lande, hat aber verschiedene ungünstige Schicksale erlitten. Der "hohe Altar" stand früher im Osten des hohen Chors an der gewöhnlichen Altarstelle. Bei der vorletzten Restauration der Kirche mußte der alte geschnitzte Altar einem neuen Gemälde weichen und ward in der niedrigen "Kapelle zu Marien Himmelfahrt" aufgestellt, welche bis zu der jüngsten Restauration vergittert war und auch zur Aufbewahrung von Baugeräthen benutzt ward. Bei der letzten Restauration stand er auch hier im Wege und ward im Jahre 1869 ins Antiquarium versetzt.

Der Altar hat zunächst dadurch einen geschichtlichen Werth daß er datirt ist. Er ward 1495 von dem verdienten Bischofe Conrad Loste (1482-1503) unter welchem auch der ebenfalls datirte alte Altar der Kirche zu Bützow vom Jahre 1503 erbauet ward, der Domkirche geschenkt. Der Altar trug folgende lateinische Inschrift:

"Anno domini MCCCCXCV reverendus in Christo pater et dominus D. Conradus Loste episcopus Sverinensis hanc tabulam de propriis suis donavit."

Diese Inschrift welche noch im Jahre 1707 vorhanden war 1 ), hat wahrscheinlich auf einer Krönungsleiste gestanden, wie die Inschrift des Bützowschen Altars 2 ), ist aber jetzt nicht mehr vorhanden.


1) Die Inschrift ist in "Köpken: Memoria Conradi Losti episcopi Sverinensi", einem Rostocker Universitäts=Programm zu der Disputation des Gerhard Berling 1707, p. 61, aufbewahrt.
2) Vgl. Jahrb. XXIV, S. 330.
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Der Altar ist ein Flügelaltar, dessen Tafeln 6 Fuß hoch sind; das Ganze ist 18 Fuß breit, die Mitteltafel 9 Fuß, und jeder Flügel 4 1 /2 Fuß breit.

Die Mitteltafel ist einzig in seiner Art im Lande. Das Mittelstück ist nämlich aus Stein: so viel bekannt ist, giebt es im ganzen Lande kein steinernes Altarbild. Die Mitteltafel ist ein Gruppenbild in hohem Relief aus festem Sandstein, welcher bemalt ist. Diese Tafel ist aber für die Verhältnisse des Domes nicht groß genug, da sie nur 4 1/2 Fuß hoch und 6 Fuß breit ist; wahrscheinlich hat der Bischof sie im Auslande schon fertig gekauft und zu der Erbauung des Altars verwenden lassen. Zunächst ist das steinerne Bild von einem starken, bemalten und vergoldeten Rahmen von Eichenholz eingefaßt, wahrscheinlich auch um es sicherer befestigen zu können. Dann ist an jeder Seite eine schmale Nische von 1 1/2 Fuß Breite für die Bildsäulen der beiden Localheiligen des Doms angebracht und unter die ganze Breite der also construirten Mitteltafel eine Art von niedriger Predelle von 1 1/2 Fuß Höhe für 7 Brustbilder von Heiligen gesetzt. Endlich ist die ganze Mitteltafel eingerahmt, um die beiden Flügel anhängen zu können, welche natürlich beim Zusammenschlagen genau auf die Mitteltafel passen.

Uebrigens ist der Altar an der Bildhauerei und Malerei vielfach stark beschädigt.

Hiernach läßt sich eine wohl ziemlich zutreffende Beschreibung des Altars geben (Vgl. auch oben S. 155 die Beschreibung im Inventarium von 1663).

Die Mitteltafel enthält folgende Darstellungen.

Das steinerne, bemalte Hauptbild enthält 3 Darstellungen aus dem Leben Christi, welche durch Baumwände oder Hecken von einander getrennt sind.

Kreuztragung Kreuzigung Höllenfahrt
Christi. Christi.  Christi.

Zu beiden Seiten stehen in besonderen, gleich hohen Nischen die beiden Localheiligen des Domes:

    Maria.     │     Johannes, Ev.

Die Predelle des Mittelstücks, von ungefähr 1 1/2 Fuß Höhe, enthält 7 niedrige Nischen, in welchen 7 Brustbilder von alttestamentlichen Heiligen stehen. Die Brustbilder haben Spruchbänder in den Händen, von denen jedoch alle Schrift abgefallen ist. Das mittelste Brustbild hat eine Krone auf dem Kopfe und soll wohl den König David

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vorstellen. Die übrigen Brustbilder haben Mützen auf dem Kopfe und lange Bärte und sind wahrscheinlich Propheten.

Die Flügel sind queer getheilt und enthalten zwei Reihen Figuren aus bemaltem Eichenholz, in jeder Reihe 4, im Ganzen 16 Figuren: der Mitteltafel zunächst die 12 Apostel, an den äußersten Enden 4 männliche Heilige, in der Ansicht also:

S. Medardus(?),  S. Leonardus (?),
Bischof, Bischof,
mit einem      3 Apostel.          3 Apostel.      mit einer
Krüppel Gefangenenkette
zur Seite.  im Arme.

 

S. Stephanus,       S. Georgius,
Diakon,     3 Apostel.          3 Apostel.       Ritter,
mit 3 Steinen mit dem Drachen
 im Arme. zu Füßen.

Die eigentliche Predelle ist auch eigenthümlich eingerichtet, indem sie, wahrscheinlich um das Altarblatt für die Verhältnisse des Domes zu erhöhen, doppelt ist und aus zwei Reihen Darstellungen über einander besteht, jede ungefähr 2 Fuß hoch, welche in guter Malerei auf Goldgrund hergestellt sind.

Die obere Reihe der Predelle enthält die stehenden Bilder von Christus und den 12 Aposteln. Die Malerei ist fast ganz abgefallen; jedoch ist noch der gute Christuskopf erkennbar und Einzelnes von den Köpfen der Apostel, so wie das Messer in der Hand des Apostels Bartholomäus.

Die untere Reihe der Predelle enthält in der Mitte eine vorne durch ein eisernes Gitter verschlossene Nische, wahrscheinlich zur Aufstellung einer Reliquie, und zu den Seiten 4 Darstellungen aus dem Leben Christi, an jeder Seite 2 Darstellungen, welche durch eine rothe Linie von einander getrennt sind:

  Christi
         Christi              Anbetung.             Christi          Christi
  Geburt. durch  Taufe.       Abendmahl.
  die 3 Könige.

Die Rückseite der beiden Flügel sind auf Kreidegrund, jeder mit 4 Bildern, bemalt. Die Malerei ist aber so sehr bedeutend zerstört und abgefallen, daß nicht Alles mehr mit Sicherheit gedeutet werden kann. So viel sich noch erkennen läßt, sind alle Darstellungen dem zum Theil sagenhaften Leben der Jungfrau Maria entnommen,

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grade so wie auf den ersten Flügeln des Altars von Bützow (vgl. Jahrb. XXIV, S. 324 flgd.), welcher unter demselben Bischof Conrad Loste (1503) vollendet ward, wenn auch der Schweriner Altar etwas älter ist (1495).

Die Gemälde werden folgende sein:

links:
Annes | Mariens
und | Tempelbesuch
Joachims | als dreijähriges Kind
Widerfinden | über
unter der | den 15 Stufen
goldenen Pforte. | des Tempels

Mariens | Mariens
Verkündigung | Heimsuchung

 

rechts:
Mariens | Mariens
Verlobung | Trauung

Mariens | Mariens
Tod Krönung

Das bronzene Tauffaß.

Der Dom zu Schwerin besitzt ein altes, aus Bronze gegossenes Tauffaß ("Fünte"), welches wohl noch aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, also aus der letzten Bauperiode der Kirche stammt. Leider hat das Werk keinen bedeutenden Werth, da es nur plump gezeichnet und roh modellirt und gegossen ist. Dadurch wird auch die Beschreibung und Erklärung sehr erschwert und oft fast ganz vereitelt.

Das Tauffaß bildet einen großen, achteckigen Kessel, welcher auf 8 bronzenen Trägern steht, und ist im Ganzen mit diesen Trägern gegen 3 1/2 Fuß Hamb. Maaß hoch; die Träger sind 13 Zoll hoch; die Mündung hat 4 Fuß 4 Zoll im Durchmesser.

Die ganze Außenseite ist mit halberhabenen Darstellungen verziert. Auf jeder der 8 Ecken liegt ein schwacher gothischer Pfeiler. In der Mitte jeder der 8 Seitenflächen steht ein rein gothischer, doppelter Baldachin, welcher mit den Seiten auf den nächsten Pfeilern ruht. Unter jedem Baldachin steht auf einem gothischen Sockel eine große, halb

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erhabene Heiligenfigur von 10 1/2 Zoll Höhe, so daß umher 16 große stehende Heiligenbilder vorhanden sind.

Diese Heiligenbilder sind zum Theil sehr schwer, zum Theil gar nicht zu erkennen, da sie sehr schlecht gezeichnet, modellirt und gegossen sind und zum größten Theil keine Attribute führen. Aus einigen Figuren läßt sich wohl ein gewisser Sinn herausfinden und daraus vielleicht weiter schließen. Nach einigem Suchen läßt sich wohl der Anfang finden, den man freilich beliebig annehmen muß und auch hier so angenommen ist.

Die Figuren sind, von der Rechten nach der Linken, folgende:

1) Die Jungfrau Maria mit dem Christkinde auf dem Arme.

2) Der Evangelist Johannes mit dem Kelche.

Dies sind die beiden Schutzheiligen des Schweriner Doms.

3) Christus in der Taufe, mit einem Kreuze in dem Heiligenschein ("Kreuznimbus"), die Hände faltend, stehend, den Leib ganz von breiten Wellen umschlungen. Aehnlich ist die Taufe Christi auf andern alten Bildwerken, z. B. dem ältern Capitel=Siegel des Bisthums Camin dargestellt.

4) Johannes der Täufer (?). Eine männliche Figur, welche die rechte Hand hoch erhebt.

So weit wäre der Sinn klar. Es soll durch diese Figuren angedeutet werden, daß das Gefäß ein Tauffaß des Schweriner Doms ist.

Die folgenden Figuren lassen sich aber schwer oder gar nicht deuten; ich wenigstens habe davon abstehen müssen; vielleicht gelingt es Andern, den Sinn zu errathen. Es scheinen nicht sowohl mittelalterliche Heilige zu sein, sondern mehr biblische Personen, vielleicht auch alttestamentliche Vorbilder ("Typen"). Die Figuren sind folgende:

5) Männliche Figur mit einer Krone auf dem Haupte.

6) Eben so.


7) Weibliche Figur mit Kopftuch.

8) Eben so.


9 Männliche Figur mit einer Kappe (?) auf dem Haupte.

10) Eben so.


11) Eben so.

12) Eben so.


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13) Weibliche Figur.

14) Männliche Figur.


15) Weibliche Figur.

16) Männliche Figur.


Ueber den Baldachinen und unter der Mündung des Gefäßes steht ein Inschrift=Rand, welcher durch die oben erwähnten Pfeiler in 16 Felder zerlegt ist. Fast an jeder Seite eines Pfeilers und Feldes steht eine kleine Heiligenfigur von 3 Zoll Höhe. Jedoch sind einige Plätze leer, so daß im Ganzen nur 25 Figuren, statt 32, vorhanden sind. Diese Figürchen lassen sich schon eher erklären, da sie Attribute haben, welche freilich oft schwer zu erkennen sind. Ohne Zweifel sollen in diesen Figuren die 12 Apostel dargestellt sein: einige sind an den Attributen zu erkennen; z. B. Johannes an dem Kelche, Petrus an dem Schwerte, Jacobus an dem Pilgerstabe, Matthäus an der Hellebarde; andere haben ein Buch im Arme. Nach einer bestimmten Idee ist hier aber auch nicht verfahren, da einige Apostel mehr als ein Mal vorkommen, z. B. sicher Johannes und Jacobus jeder wenigstens 3 Male. Wahrscheinlich sind diese Apostelbilder nach alten vorräthigen Modellen ohne eine bestimmte Folge abgegossen.

Die Inschrift ist häufig genug Gegenstand der Forschung gewesen, indem man sie für ungewöhnlich schwierig hielt. Sie ist in gothischer Minuskelschrift gehalten, und diese giebt wieder einen Beweis für die Zeit der Verfertigung, da auf Denkmälern, z. B. Leichensteinen, Glocken, Siegeln u. s. w. diese Minuskelschrift durchschnittlich erst mit der Mitte des 14. Jahrhunderts auftritt.

Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Ich sah das Wasser hervorgehen von dem Tempel an der rechten Seite. Alleluja, Alleluja, (für) Alle, zu denen das Wasser hinkommt.)

Dieser Spruch ist nicht eine ganz wörtliche, bestimmte Bibelstelle, sondern ist aus zwei Stellen des Propheten Ezechiel zusammengesetzt 1 ), nämlich:


1) Ich verdanke diese Nachweisung dem Herrn Consistorialrath Professor Dr. Krabbe zu Rostock.           G. C. F. Lisch.
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Prophet Ezechiel, Cap. 47, V. 1:

"Und er führete mich wieder zu der Thür des Tempels. Und siehe, da floß Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels gegen Morgen. - - - Und das Wasser lief an der rechten Seite des Tempels neben dem Altar hin gegen Mittag".

(= "Ecce oriebatur aqua sub templi limine, - - quae aqua sub templi latere dextro deferebatur".)

Cap. 47, V. 9:

"Ja, Alles, was darinnen lebet und webet, dahin diese Ströme kommen, das soll leben, - - -und soll alles gesund werden und leben, wo dieser Strom hinkommt".

(= "Quippe quo pervenerit haec aqua, sanabuntur ac vivent".)

Die 8 Träger des Fasses sind 8 starke und plumpe, bekleidete männliche Gestalten, Berg= oder Hütten=Knappen, welche mit Kopf und erhobenen Händen den Kessel tragen.

Bischöfliche Leichensteine.

Der Dom zu Schwerin hat nicht viele bischöfliche Leichensteine oder Grabplatten aufzuweisen, welche auch längst nicht mehr an den alten Stellen liegen und zum Theil schon verschwunden sind. Schon in frühern Zeiten waren nur die 2 großen Doppelplatten in Messingschnitt und 3 Leichensteine, also nur die Gräber von 7 Bischöfen bekannt; vgl. oben S. 164). Es wird nicht überflüssig sein, diese Grabplatten und ihre Inschriften jetzt, da es noch einigermaßen möglich ist, zur Geschichte des Bisthums zu beschreiben, da es an einer zuverlässigen Beschreibung bis jetzt ganz fehlt 1 ).

Die Grabplatten in Messingschnitt.

Zu den hervorragendsten Kunstwerken gothischen Styls im Dome zu Schwerin und vielleicht im ganzen Lande gehören die berühmten und prachtvollen Grabplatten in Messingschnitt 2 ), Doppelplatten, wie sie schwerlich sonst zu finden sein mögen.


1) Die Nachrichten in Schröders Pap. Meckl. I, S. 1113, 1209, 1428 sind sehr ungenügend.
2) Ueber die Grabplatten in Messingschnitt überhaupt vgl. Lisch in Jahrb. XII, S. 479, XVI, S. 303, XXVII, S. 267 flgd.
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Messingene Grabplatte der Bischöfe Ludolf und Heinrich v. Bülow 1347.

Die Messingschnitt=Grabplatte von den Gräbern der schweriner Bischöfe Ludolf († 1339) und Heinrich I. († 1347) v. Bülow, Brüder, ist eine reich verzierte Doppelplatte mit den Bildern des Bischofs Ludolf rechts und Heinrich links. Die Platte ist 10 Fuß 4 Zoll Hamb. Maaß hoch und 6 Fuß 4 Zoll breit. Sie ist im würdigen, ernsten altgothischen Style ausgeführt und sicher wohl noch von dem Bischofe Heinrich I. bestellt, da sie zugleich sein und seines Bruders und unmittelbaren Vorgängers Grab bedeckte.

Jede Hälfte der Doppelplatte, welche von vorne herein zu einer Doppelplatte bestimmt ist, hat folgende Darstellung.

In einer altgothischen Nische steht ein Bischof in voller Bischofstracht, welche reich, auf der Stola und dem Saume der Alba, mit vielen v. Bülowschen Wappenschilden verziert ist, mit offenen Augen, mit der rechten Hand segnend, mit der linken Hand den Bischofsstab haltend, mit dem Bischofsringe auf dem Mittelfinger der rechten Hand über dem Handschuh.

Ueber jeder Nische steht ein kurzer, altgothischer, dreigiebeliger Baldachin mit drei kleinen Nischen, in welchen kleine Figuren angebracht sind. In der mittlern Nische sitzt Gott Vater, welcher eine Seele in der Gestalt eines kleinen nackten Kindes in den Schooß nimmt; in jeder der Nischen zu den Seiten steht ein Engel mit Flügeln oder eine bartlose Heiligenfigur, das Weihrauchfaß schwingend.

An jeder Seite jedes Baldachins steht ein großes v. Bülowsches Wappen mit Schild und Helm 1 ).

In der Mitte der Doppelplatte steht ein schmaler Pfeiler mit 4 gothischen Nischen übereinander, mit einer hohen Fiale bekrönt. An jeder Seite steht ein breiterer Pfeiler mit 4 Doppelnischen übereinander, mit einer hohen Fiale bekrönt.

In diesen Nischen stehen die kleinen Figuren der Propheten mit Mützen und Spruchbändern, und die Apostel mit Heiligenscheinen und Attributen. In der Mitte der breiten Pfeiler sind 2 kurze Nischen, in denen die Evangelisten an Schreibpulten sitzen. Die Anordnung ist in der Ansicht folgende:


1) Der Bischof Heinrich I. v. Bülow führte zuerst das Familienwappen auch in das bischöfliche Siegel ein; vgl. Jahrb. VIII, S. 15.
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Prophet. Petrus. Thomas. Paulus. Prophet.
2 Evangelisten. 2 Evangelisten.
Prophet. Johannes Ev. Judas Th. Andreas. Prophet.
Prophet. Philippus. Matthäus. Jacobus maj. Prophet.
Prophet. Simon. Bartholomäus. Jacobus min. Prophet.

Die Umschrift in großer gothischer Majuskel, unten gegen die Mitte anfangend und von der Linken nach der Rechten rund herum fortlaufend, lautet folgendermaßen:

Umschrift

Messingene Grabplatte der Bischöfe Gottfried I. und Friedrich II. v. Bülow. 1375.

Die Messingschnitt=Grabplatte von den Gräbern der schweriner Bischöfe Gottfried I. († 1314) und Friedrich II. † 1375) v. Bülow ist eine der größten und kunstreichsten Werke dieser Art, die es überhaupt giebt, vielleicht die schönste. Die Platte ist 13 Fuß 6 Zoll Hamb. Maaß hoch und 6 Fuß 9 Zoll breit. Sie ist ganz außerordentlich reich an Verzierungen aller Art im voll ausgebildeten Style auf der Höhe der gothischen Baukunst, und fällt in die Zeit der Vollendung der Domkirche in ihrer jetzigen Gestalt durch den Bischof Friedrich II. Wahrscheinlich ist die Platte auf Anordnung des Bischofs schon bei seinem Leben angefertigt, wofür die Umstände sprechen, daß in der Umschrift auf ihn die Sterbezeit gegen den Gebrauch hinter dem Namen am Ende in weniger verzierter Schrift steht, also wohl ohne Zweifel nach seinem Tode nachgetragen ist, und daß er durch die Platte sein Grab mit dem Grabe seines Verwandten

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und Vorgängers Gottfried I. v. Bülow († 1314), unter welchem das Mittelschiff des Chores vollendet ward, vereinigte, also für die Erhaltung des Gedächtnisses desselben wohl noch selbst sorgte. Auf dem Grabe des Bischofs Gottfried lag früher eine große messingene Relief=Bildsäule (vgl. oben S. 165), welche längst verschwunden ist; der sehr große Stein, auf welchem die Bildsäule lag, ist noch vorhanden.

Jede Hälfte der Doppelplatte hat folgende Darstellung:

In einer jung gothischen, dreigiebeligen Nische liegt der Bischof in voller Bischofstracht mit übereinander gelegten Händen, unter denen der Bischofsstab liegt; zur Rechten liegt der Bischof Gottfried, zur Linken der Bischof Friedrich. Der Kopf liegt auf einem Kissen, welches zwei geflügelte Engel halten. Die Augen sind geschlossen. Der Bischofsring auf dem Mittelfinger fehlt. Der v. Bülowsche Wappenschild ist auf der reichen bischöflichen Kleidung vielfach angebracht.

Ueber jeder dreigiebeligen Nische steht ein hoher, reicher, dreithürmiger Baldachin mit drei Nischen. In jeder Nische sind unter kleinen Baldachinen drei kleine Figuren. In der Mitte thront Gott Vater, welcher eine Seele in der Gestalt eines kleinen nackten Kindes in den Schooß nimmt; zur Rechten steht ein Engel, der ein Weihrauchfaß schwingt, zur Linken ein lobpreisender Engel. Unter dem kleinen Baldachin steht zur Rechten in Gottfrieds Platte in der Mitte ein Engel, der die Laute spielt, zur Linken ein Heiliger mit einem Kelch, an jeder Seite dieser beiden Figuren steht ein Engel mit einer brennenden Kerze auf einem Leuchter in den Händen. Aehnlich ist die Darstellung unter dem kleinen Baldachin zur Linken in Friedrichs Platte, nur daß in der Mitte der Nische zur Linken ein Heiliger steht, der die Geige spielt.

In der Mitte und an jeder Seite der Platte steht als Träger der Baldachine ein breiter Pfeiler, jeder mit 5 Doppelnischen mit Baldachinen verziert und mit einem hohen Fialenthurm gekrönt.

In diesen Doppelnischen stehen kleine Figuren: die Propheten mit Mützen bedeckt und Spruchband in den Händen, die Apostel mit Heiligenscheinen und mit ihren Attributen, und einige Heilige, welche wohl besondere Beziehung zu den Bischöfen und dem Dom haben. Diese Figuren sind, so viel sich erkennen und ermitteln läßt, in der Ansicht folgende:

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Prophet. Prophet.
Prophet. Petrus. Prophet. Prophet. Simon. Prophet.
Prophet. Johannes Ev. Maria. Johannes Bapt. Paulus. Prophet.
Prophet. Jacobus min. Sebastianus. Pfeilschütze. Jacobus maj. Prophet.
Prophet. Andreas. Bischof Abt Bartholomäus. Prophet.
Prophet. Matthäus. mit Stab. mit Schwert. Philippus. Prophet.
Judas Th. Thomas.

Der Umschriftrand bildet eine breite Kante, in welcher ein gewundenes Band mit der Inschrift liegt, welches große Bogen macht. Die Fläche jedes Bogens ist reich mit einem Weinstock mit Laub und Trauben verziert, in welchem je ein gekrönter König im Brustbilde sitzt, welcher auf einem musikalischen Instrumente Musik macht: es sind 22 Königsbilder dargestellt und wohl alle musikalischen Instrumente der damaligen Zeit vertreten, für die Geschichte der Musik nicht unwichtig. In den 4 Bogen an den 4 Ecken stehen die 4 Evangelisten=Symbole: der Löwe unten rechts fehlt, die Lücke ist durch ein glattes Stück Messing gefüllt. An jeder Seite ist in einem Bogen zwei Male das v. Bülowsche Wappen mit Schild und Helm dargestellt. Unten unter dem Mittelpfeiler, im untersten Bogen, wo das Band keine Inschrift hat, auf dem untersten Rande der Platte, liegt eine verhältnißmäßig große männliche Gestalt, mit geschlossenen Augen, mit einem Laken zugedeckt, den Kopf mit einer Kappe bedeckt auf ein Kissen gelegt, den linken Arm neben sich ausgestreckt, mit der rechten Hand einen Stift oder ein Licht emporhaltend. Dies mag den Baumeister des Domes (Wylde) darstellen sollen, welcher 1374 gestorben sein wird und noch die Zeichnung zu dieser Grabplatte gemacht haben mag (vgl. oben S. 184).

Die Inschrift in gothischer Minuskelschrift auf dem gewundenen Bande beginnt unten in der Mitte unter dem Bilde des Bischofs Gottfried und läuft von der Linken zur Rechten herum. In der untern Zeile fehlt ein Stück mit der Jahreszahl welches durch ein glattes Stück Messing ersetzt ist. Die Inschrift auf den Bischof Friedrich beginnt oben in der Mitte, jedoch mit dem Worte obiit noch auf der platte des Bischofs Gottfried. Am Ende unten sind fast zwei Windungen des Inschriftbandes nicht ausgefüllt. Die Worte des Sterbejahres und Sterbetages haben gar keine Punkte hinter sich.

Die Inschrift lautet folgendermaßen:

Inschrift
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Inschrift

Der Sockel, auf welchem die Nischen und Pfeiler aufgebauet dargestellt sind, ist besonders reich mit kleinen Figuren verziert, welche unter den Füßen der Bischöfe die sinnliche, irdische Welt mit ihrer Lust darstellen. Zur Rechten in der Ansicht ist dargestellt, wie unter Bäumen eine wilde, zottige Menschengestalt zu Pferde ein kleines weibliches Wesen entführt und von der einen Seite von dem Fürsten der Welt und ähnlichen Begleitern empfangen, an der andern Seite von einem geharnischten, das Schwert schwingenden Ritter zu Roß, welcher aus einer Burg sprengt, verfolgt wird. Zur Linken in der Ansicht ist ein Gastmahl von teuflischen, zottigen Menschengestalten dargestellt: rechts von der Tafel wird aus einem Fasse Getränk gezapft, links aus einem Kochgefäße Speise geholt: unten fehlt nicht ein kleiner Bratenwender mit einem Braten auf dem Drehspieß.

In den Füßen der Pfeiler sind kleine Doppelnischen ohne Baldachine, welche je eine männliche und eine weibliche Figur in weltlicher Tracht enthalten: in der Mitte ein Mann mit Kappe und langem Rock und eine Frau mit Mütze ohne Bezeichnung des Haupthaars; in der Ansicht links ein Mann in Wams und Kappe und eine Frau mit Locken an den Schläfen; in der Ansicht rechts ein Mann in Harnisch und Kappe und eine Frau mit Locken an den Schläfen: immer der Mann zur Rechten und die Frau zur Linken. Diese Figuren mögen die Aeltern und Großältern der Bischöfe oder die Stifter des Denkmals sein; jedenfalls sollen sie wohl Mitglieder der Familie v. Bülow darstellen.

Der Leichenstein des Bischofs Marquard Beermann.

Der Stein lag, bis 1866, im Mittelgange des Chors, ungefähr in der Mitte vom Altar bis zum Kreuzschiff, an

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der Nordseite neben den Stühlen, ist aber, so viel zu bemerken ist, oben abgehauen, um zum Mittelgange zu passen. Die Umschrift ist wohl in Messing eingelegt gewesen, da nur ein vertiefter Streifen ohne Buchstaben zu erkennen ist. Sonst ist der Stein sehr abgetreten. Zu den Füßen bemerkt man jedoch, wie ich früher wiederholt und darauf später auch der Herr Archivar Dr. Wigger gesehen haben, einen Schild mit 2 gekreuzten Schlüsseln, das Wappen der Beerman.

Nach Hederichs Chronik der Bischöfe von Schwerin lautete die Inschrift verdeutscht:

Bischof Marquard liegt zu Schwerin unden ihm Chor begraben, mit dieser auff deutsch überschrifft:

Im Jahre des Herrn 1378, am Tage des Heiligen Lamperti, ist gestorben der Erwürdige Vater in Christo Herr Marquardus Beermann, dieser Kirchen erwelter und durch den Ertzbischoff zu Bremen confirmirter Bischoff, welches Seele in Frieden ruge.

Der Stein war nur im untern Theile sichtbar und wohl bei der vorletzten Restauration zerschlagen oder zerbrochen. Die Vermuthung, daß der übrige Theil des Steines von den Kirchenstühlen bedeckt und noch vorhanden sei, hat sich bei der letzten Restauration nicht bestätigt, da in der ganzen Kirche unter den Stühlen kein Leichenstein lag, sondern alle Steine, zum Theil behauen, mit der graden Linie an die Sohlen der Stühle gerückt waren. Bei der jüngsten Restauration im Jahre 1869 ist auch dieser letzte Rest unter die neuen Kirchenstühle gelegt worden.

Leichenstein des Bischofs Conrad Loste.

Nördlich neben den andern bischöflichen Grabplatten vor dem Hochaltare, nahe einem nördlichen Pfeiler im Anfange des nördlichen Seitenschiffes, lag früher ein großer Leichenstein auf dem Grabe des verdienten Bischofs Conrad Loste († 1503). Bei der jüngsten Restauration ward zur Vergrößerung des Altarraumes der Stein gehoben und aus dem Altarraume entfernt. Dabei zerbrach er; es ward nur der kleinere, obere Theil wieder gefunden, und dieses Bruchstück später ins nördliche Kreuzschiff gelegt; der größere untere Theil wird zum Sockel unter die neuen Chorstühle gelegt sein.

Glücklicher Weise sind über den Inhalt noch ausreichende Nachrichten vorhanden. Schon Köpken giebt zu einem Rostocker Universitäts=Programm zur Disputation des Gerhard

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Berling: Memoria Conradi Lostii episcopi Sverinensis, Rostock, 1707, einen großen Holzschnitt der Zeichnung dieses Steines. Um das Jahr 1835 schenkte der wailand Bau=Conducteur v. Motz, damals in Schwerin, später in Lübek, gestorben in Rußland, aus Neigung zur alten Kunst, dem Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde eine sehr gute, große Tuschzeichnung von dieser Grabplatte. Etwas später unternahm ich selbst eine genaue Lesung der Inschrift, welche ich noch besitze. Mit diesen Hülfsmitteln läßt sich noch eine sichere Beschreibung des Steines geben.

Der Stein von grauem schwedischen Kalkstein enthält unter einem Baldachin das lebensgroße, stehende Bild des Bischofs in bischöflicher Kleidung, die rechte Hand zum Segnen erhoben, mit der linken Hand den Bischofsstab haltend, zur Rechten am Haupte sein bekanntes Wappen, ein halber Widder mit einem Bischofsstabe. Die Inschrift, in welcher an den 4 Ecken die Evangelisten=Symbole stehen, lautet in großen, stark geschnörkelten, gothischen Buchstaben:

Inschrift

1, 2, 3 )

(= Anno domini MDIII in vigilia nativitatis obiit reverendus in Christo pater Conradus (Loste) Episcopus Swerinensis, utriusque juris doctor, in suam ecclesiam largus benefactor.)

Das Dom=Capitel=Wappen zum Andenken an den alten Kanzelbau.

Im Jahre 1570 ließ das Dom=Capitel durch den herzoglichen Baumeister Johann Baptista Parr eine neue Kanzel an dem mittlern nördlichen Pfeiler des Schiffes, dem jetzt abgebrochenen, von dessen Bruder Christoph Parr im


1, 2, 3) Schröder P. M. II, S. 2710, hat "natiuitatis Christi"; das Wort "Christi" steht aber nicht auf dem Steine, wie ich noch 1869 auf dem großem Bruchstück gelesen habe. Der Ausdruck: "in uigilia natiuitatis" bedeutet: "Am Heiligen (Weihnachts=) Abend".
2) Der Name Inschrift ist mit kleinen Buchstaben später über der Zeile eingegraben.
3) Köpken und Schröder lasen: "liberalis"; es steht aber deutlich da: Inschrift , d. i. largus.
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Jahre 1572 erbaueten fürstlichen Empore gegenüber, bauen, und zum Andenken des Baues eine Wappenverzierung an die westliche Seite des Pfeilers heften, welche noch erhalten, aber durchaus fehlerhaft übermalt ist.

Die Inschrift unter dem Capitelwappen lautet:

DEO OFT. MAX. TRINO
ET UNI DOCENDI PROPAG-
ANDIQUE SALUTIFERI VER-
BI ERGO CANONICI HUIUS
ECCLESIAE HOC SUG-
GESTUM SUIS SUMP-
TIBUS POSUERUNT
ANNO MDLXX

Diese Kanzel ist längst auch verschwunden.
In der Mitte ist

das große Capitelwappen

oder bischöfliche Wappen, ein queer getheilter, unten roth und oben golden gefärbter Schild, welcher mit zwei silbernen Bischofsstäben mit goldenen Haken kreuzweise belegt ist.

Die damaligen Domherren waren nach Hederichs Schwerinscher Chronik:

1) Heinrich v. d. Lühe, Propst.
2) Joachim v. Wopersnow, Dechant.
3) Baltzer v. Schöneich, Senior.
4) Arnd v. d. Weyhe.
5) Otto Wackerbart.
6) Bernd v. Dannenberg.
7) Georg Hübner.

Im Jahre 1573 waren nach einem Verzeichniß im Archive nur noch vorhanden: Henning v. d. Lühe, Propst, Arnd v. d. Weyhe, Otto Wackerbart und Jürgen Hübner, letzterer Senior und Monitor. Dagegen waren hinzugekommen:

8) Ludolph Schack,
9) Richard vom Wolde,

welche 1570 wohl nur Exspectivirte und Präbendarien waren.

Die Wappen dieser 9 Domherren sind nun auf der Tafel so gruppirt, daß die Wappen der ersten 6 adeligen Domherren in größerm Maaßstabe um das Capitelwappen stehen, die 3 andern in kleinem Maaßstabe um die Inschrifttafel angebracht sind. Diese Domherrenwappen sind nun im Jahre 1868 nach ihren richtigen Farben von mir erforscht worden. Die richtige Färbung ist folgende:

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1) Heinrich v. d. Lühe, Propst, oben über dem Capitelwappen in der Mitte: im silbernen Schilde eine blaue Burg.

2) Joachim v. Wopersnow, Dechant, oben heraldisch rechts neben dem Capitelwappen: ein schräge getheilter Schild: unten schräge links silbern und blau geschacht, oben im silbernen Schilde ein rechts gekehrter naturfarbener Hirsch.

3) Baltzer v. Schöneich, Senior, oben links: im goldenen Schilde ein grüner Eichenkranz.

4) Arnd v. d. Weyhe, unten heraldisch rechts von dem Capitelwappen: im silbernen Schilde unten drei rothe linke Schrägebalken, oben ein rechts gekehrter halber rother Löwe.

5) Otto Wackerbart, unten unter dem Capitelwappen in der Mitte: ein quadrirter Schild, 1 und 4 silbern, 2 und 3 roth.

6) Bernd v. Dannenberg, unten heraldisch links von dem Capitelwappen: ein silbern und blau geschachter Schild mit zwei goldenen Queerbalken belegt.

7) Ludolph Schack, unten rechts im Inschriftrande: im rothen Schilde eine silberne Lilie.

8) Richard vom Wolde, über dem Inschriftrande in der Mitte: im silbernen Schilde ein grüner Lorberbaum.

9) Georg Hübner, unten links im Inschriftrande, also an der letzten Stelle nach der alten Malerei: im rothen Felde zwei silberne, oben und unten gezinnte Queerbalken. Dies kann kein anderes Wappen als das des Georg Hübner sein, welches sonst nicht bekannt ist. Die Färbung wird auch wohl richtig sein, da eine adelige Familie v. Hübner nach Beckmann Anhalt. Hist. im queer getheilten Schilde oben drei Sterne und unten zwei Balken von Silber, und nach Siebmacher W. B. IV, 92, einen Schild, silbern und roth balkenweise getheilt, zum Wappen hatte.

 

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III. Zur Münzkunde.

1) Münzen der vorchristlichen Zeit.

Römische Münze des Kaisers Hadrian.


Auf den zu dem Hauptgute Klein=Vielen gehörenden Nebengute Hartwigshof bei der Stadt Penzlin, an der südöstlichsten Grenze von Meklenburg=Schwerin, ward im Jahre 1869 in der Nähe eines heidnischen Grabes eine wohl erhaltene kleine Bronze=Münze des Kaisers Hadrian (119-127 n. Chr.) gefunden und von dem Gutsbesitzer Herrn Jahn, Mitgliede des Vereins, dem Vereine geschenkt.

V.=S. Der mit Lorber bekränzte Kopf des Kaisers; Umschrift:

IMP CAESAR TRAIAN HADRIANVS AVG

R.=S. Eine stehende weibliche Figur mit einer Wage (bilanx) in der rechten Hand und einem Füllhorn im linken Arme; Umschrift:

P M TR P — COS III

G. C. F. Lisch.     

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Römische Münze des Kaisers Antonius Pius.

Der Herr Studiosus Penckow zu Rostock, aus Zittow, schenkte eine römische Bronze=Münze, welche im Herbst 1870 zu Althof bei Doberan beim Kartoffelausgraben gefunden ist. Die Münze ist außerordentlich abgegriffen und von der Ueberschrift sehr wenig zu erkennen. Jedoch hat der Herr Archivrath Dr. Grotefend zu Hannover dieselbe sicher bestimmt. Die Münze ist ein Sesterz des Kaisers Antoninus Pius, aus der Zeit vom Jahre 145-161:

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V.=S. [ANTONIN]VS AVG PIVS [PP TR P]
Lorbergekrönter Kopf.
("Sa tête laurée à droite".)
R.=S. [COS] IIII [S C]
Antonin in einem Viergespann, mit einem Scepter in der Hand, oben mit einem Adler.
("Antonin dans un quadrige au pas à gauche, tenant un sceptre surmonté d'un aigle".)

Dies ist dieselbe Münze, welche aufgeführt ist in Cohen Descript. histor. des médailles impériales, T. II, pag. 357, No. 561, und in Catalogue de la collection de monnaies de feu C. J. Thomsen: Los monnaies antiques, T. II, pag. 130, No. 1766, mit der Bezeichnung Rare.

G. C. F. Lisch.     

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Römische Münze des Kaisers Theodosius II.

Auf dem Felde des Landgutes Demern im Fürstenthume Ratzeburg, bei Rehna, ward vor mehreren Jahren eine Goldmünze des Kaisers Theodosius II. (408-450 n. Chr.) gefunden, welche in den Besitz des Herrn Archivraths, Pastors Masch zu Demern übergegangen ist. Nach den Mittheilungen des Herrn Masch ist die Münze folgende:

V.=S. Protome galeata adv.
DN THEODOSIVS IMP P F AVG
R.=S. Mulier galeata sedens d. globum, cui insistit crux, s. hastam, adstat clypeus:
XXXXII COS XVII P P

Dies ist also die Münze, welche z. B. in dem Doubletten=Katalog der königlich=preußischen Sammlung, Berlin, 1844, pag. 147, No. 2860, aufgeführt ist.

G. C. F. Lisch.     

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Goldbracteaten in Meklenburg.

Bekanntlich sind in Dänemark sehr häufig Goldbrateaten, oft von beträchtlicher Größe, aus der heidnischen Eisenzeit, mit wunderlichen Darstellungen, gefunden und vielfach behandelt und abgebildet. Es mußte allerdings auffallend sein, daß in Meklenburg dergleichen noch nicht gefunden

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waren, da doch sonst die heidnischen Alterthümer in Dänemark und Meklenburg ziemlich gleich sind. Man kann jetzt aber sagen, daß auch in Meklenburg Goldbracteaten gefunden, aber durch den Handel ins Ausland gewandert sind, wie leider so sehr viele Alterthümer.

1) Zuerst ward 1853 in Meklenburg ein Goldbracteat gefunden, welcher aber an das Münzcabinet zu Berlin verkauft ward. Der Verein besitzt eine saubere Zeichnung von diesem Stücke. Vgl. Jahrbücher XIX, 1854, S. 413.

2) In den neuesten Zeiten ist wieder ein in Meklenburg gefundener Goldbracteat ans Licht gekommen, den der verstorbene Conferenzrath und Museums=Director Thomsen in Kopenhagen, welcher viele und weit reichende Handelsverbindungen auf dem Alterthumsfelde hatte, erworben hat, und der sich in der Thomsenschen Sammlung zu Kopenhagen befindet. Der Herr Etatsrath und Museums=Director Worsaae zu Kopenhagen hat jüngst eine Abhandlung "über die Darstellungen auf den Goldbracteaten" (Om forestillingerne paa Guldbracteaterne) in den Aarborger for Nordisk Oldkyndighet og Hist., 1870, pag. 382 sq. veröffentlicht, und zu derselben sowohl im Texte als auch auf 8 beigegebenen Tafeln Abbildungen von vielen Goldbracteaten beigefügt. Unter dieen ist auch zu pag. 405 auf Taf. 17, No. 4, der erwähnte, in Meklenburg gefundene Goldbracteat abgebildet. Worsaae sagt hierüber Folgendes (in Uebersetzung):

"Bei den drei ersten Bracteaten auf Taf. 17 wendet sich der Gedanke mit größerer Sicherheit zurück zur Sigurd=Sage selbst in ihrer allgemein bekannten Gestalt. Man sieht auf denselben nämlich nur ein gesatteltes und beladenes Pferd, unzweifelhaft Grane mit Fafnes Goldschatz, "Granes Bürde". Die über dem Sattel auf Fig. 2 und 3 reihenweise angebrachten Punkte oder kleinen Kreise sind vermuthlich die goldenen Ringe und Kostbarkeiten im Ganzen. Auf den zahlreichen schwedischen, mit Schlangen, Drachen und Drachenkämpfen reich verzierten Runensteinen, wo ja, wie wir gesehen haben, nachweislich die Sigurd=Sage zwei Mal ausführlich dargestellt ist, und wo man also Andeutungen oder kleinere Darstellungen desselben Gegenstandes müßte erwarten können, kommt auch zwischen Schlangen= oder Drachenwindungen ein einzeln stehendes Roß vor, welches wohl Grane sein könnte. Noch häufiger kommen neben ähnlichen Verschlingungen ein Reiter und ein Vogel vor, womit

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wohl gleichfalls, wenigstens zuweilen, des Nordens berühmtester Held Sigurd der Fafnetödter und seine Thaten angedeutet sein mögen. Denn daß auch die folgenden Bracteaten auf derselben Tafel 17 (Fig. 4-11), welche einen helmbedeckten Kopf und ein Roß, theils mit, theils ohne Vogel zeigen, eher den in Sage und Liedern so weit und breit verherrlichten Sigurd darstellen, als einen gewöhnlichen Häuptling mit Pferd und Habicht, dürfte nicht allein aus der großen Verbreitung dieses bestimmt ausgeprägten Typus über den ganzen Norden, sondern auch daraus folgen, daß einige Bracteaten von dem Vogeltypus (z. B. Fig. 5) zwei Vögel haben, in Uebereinstimmung mit den eingeritzten Sigurdbildern auf dem Ramsundberge, und daß ein Bracteat ohne Vogel (Fig. 4) unten eine Zange und anscheinend Schmiede=Apparate 1 ) zeigt, wodurch wohl sicherlich, gleich wie auf den beiden großen schwedischen Runen=Ritzungen, Regln der Schmied und sein Eingreifen in Sigurds Schicksal bezeichnet worden ist.

G. C. F. Lisch.     

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Arabische Münze von Niex.

Zu Niex bei Schwan (Rostock) ward im Herbste 1870 beim Ackern eine Silbermünze gefunden, welche nach Gestalt und Gepräge eine arabische Münze zu sein schien. Der Herr Literat Stuhlmann zu Schwan erwarb die Münze und schenkte sie dem Vereine. Der sicher kundige Herr Geheime Hofrath, Professor Dr. Stickel zu Jena hat nun die Güte gehabt, die Münze folgendermaßen zu bestimmen:

"Das Stück ist eine barbarische Nachbildung einer Samaniden=Münze, auf deren einer Seite die erste Hälfte des muhamedanischen Glaubenssymbolum: "Kein Gott außer Allah allein, er hat keinen Genossen", und auf deren anderer der zweite Theil desselben: "Muhamed ist der Gesandte Allahs", gestanden hat. Die innere Umschrift der ersten Seite enthielt den Namen des Präge=Orts und Jahres, die zweite, äußere Umschrift einen Koranvers, ebenso die Umschrift der Rückseite. Unten stand noch der Name des samanidischen Fürsten, oder, hier vielmehr des


1) "Gefunden im Meklenburgischen (in Thomsens Sammlung).
Atlas f. n. O., No. 115. Annaler f. 1855, S. 313."
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Khalifen. So war das Original beschaffen, dessen Inschriften der Graveur dieses Stückes so wenig verstanden hat, daß er gar nicht die ordentlichen arabischen Buchstaben wiedergab, sondern nach Belieben ähnliche Züge machte und noch dazu in umgekehrter Richtung der Legenden. Es läßt sich darum auch das Jahr und der Präge=Ort des Originals nicht mehr angeben.

Uebrigens sind dergleichen barbarische Nachbildungen ziemlich häufig; das hiesige Großherzogl. Cabinet bewahrt davon gegen 20 Stück. Sie stammen, wie Frähn uns gelehrt hat, von den Wolga=Bulgharen, die mit den Ländern der Samaniden in regem Handelsverkehr gestanden haben müssen, deren Geld durch sie als erstes vermittelndes Glied nach dem Westen gelangte. Unter dem alten arabischen Gelde, das in Rußland und den Baltischen Küstenländern ausgegraben wird, trifft man nicht selten auch Münzen der Bulgharen.

Funde, denen Stücke dieser Art, wie das vorliegende beigegeben sind, können nicht vor dem Ende des 10. oder dem 11. christl. Jahrhundert dem Schooße der Erde anvertraut worden sein."

Der Fundort Niex wird auf Schwan zurückdeuten, wo im Jahre 1859 ein großer Silberfund vom Jahre 1030 gemacht ward, welcher auch viel arabisches Silber enthielt; vgl. Jahrb. XXVI, S. 245 und 279. Es ist immer möglich, daß die Münze von Niex von dem ehemaligen Besitzer des Schwaner Fundes ausging.

G. C. F. Lisch.     


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2) Münzen des christlichen Mittelalters.

Münze des Herrn Richard v. Friesack,

von

Dr. G. C. F. Lisch .

In der von dem verstorbenen Herrn K. E. Schellhaß in Bremen hinterlassenen, zur Versteigerung bestimmten großen Münzsammlung, befindet sich die hieneben abgebildete Münze, reiche wohl nur in diesem Einen Exemplare bekannt und auch für Meklenburg von einiger Wichtigkeit ist.

Münze

Die Münze war als numismatisches Räthsel schon in Leitzmanns Numism. Zeitung, 1850, Taf. II, 15 abgebildet, ohne bisher eine Erklärung finden zu können. In dem von den Herren Dr. J. und A. Erbstein zu Dresden verfaßten Katalog der Schellhaßschen Münzsammlung, 1870, ist diese Münze unter No. 1525, S. 117, aufgeführt und zu demselben wieder abgebildet, wornach die oben stehende Abbildung hier wiedergegeben ist.

Münze

Die Herren Erbstein erklären nun die als Vorderseite angenommene Seite der Münze für den Münzstempel des Edlen Herrn Richard v. Frisack, indem sie die Umschrift:

Umschrift

durch

Umschrift

erklären und ergänzen. Diese Erklärung ist außerordentlich gelehrt, scharfsinnig und glücklich, und gewiß richtig.

1) Die Herren Erbstein sagen zu dieser Münze nun folgendes: "Gegenwärtige, übrigens nur in diesem einzigen Exemplare bekannte Münze wurde bereits im Jahre 1850 durch die Num. Zeitung auf Taf. II, 15 den Münzforschern zur Entzifferung vorgelegt, ohne daß bisher ein Versuch zur Deutung dieses höchst interessanten Stückes erfolgt wäre. Fabrikverwandtschaft hat dieser Denar nur mit einiger

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Brandenburgern, und zwar denjenigen, die das im Schilde vereinigte brandenburg=böhmische Wappen auf der einen und den reitenden Markgrafen auf der andern Seite zeigen (Köhne Zeitschr. IV, S. 50. Reichel 168. Weidhas VI, 2) und die der Siegel wegen dem Markgrafen Albrecht III. († 1294) zugetheilt werden, sowie mit den von letzteren nicht zu trennenden Denaren, die zwei stehende Figuren und den Adlerschild vor und zwischen Thürmen enthalten (Reichel 118. Weidh. III, 9, unter Johann I. und Otto III.). Bekanntlich weichen diese ziemlich breiten und etwas dünnen Pfennige merklich von den übrigen Brandenburgern ab. - Bezüglich der von uns vorgenommenen Ergänzung des sichtbaren "H A RDVS" in RIChardus ist zu bemerken, daß vor dem H nur für drei Buchstaben Platz, und vom ersten derselben, also vom R, ein I noch sichtbar ist."

"Das Land Friesack, deren erste Besitzer, die edlen Herren v. Friesack, noch von den alten wendischen Häuptlingen abzustammen scheinen, liegt in der Mittelmark, östlich vom Lande Rhinow und nördlich vom Lande Pritzerbe."

"Ein Richardus de Vrisach erscheint urkundlich 1256, 1259 und 1261 (er war der Schwiegervater des Fürsten Pribislav von Parchim); sein gleichnamiger Enkel kommt 1287 und 1290 neben seinem Vater Heinrich vor. Mit letzerem hören die Nachrichten über diese Familie auf. Es scheint dieselbe am Ende des 13. Jahrhunderts ausgestorben zu sein, denn Markgraf Waldemar besaß darauf Friesack als heimgefallenes Lehen. Späterhin kam dasselbe an die Grafen v. Lindow und an die Familie v. Bredow. (Vgl. Riedel Codex dipl. Brand. A. VII, 41 flgd.). Riedel sagt a. a. O. S. 46: "Auffallend kann von einem im Ganzen so bedeutenden Besitze und von einem so alten Orte, wie Friesack ist, der große Mangel an schriftlichen und an allen andern Ueberresten der Vorzeit erscheinen". Im vorstehenden Denare dürfte das wichtigste Denkmal, was sich von der edlen Familie v. Friesack erhalten hat, von uns aufgefunden sein."

Die Herren Erbstein haben sicher das Richtige getroffen. Der Herr Richard v. Friesack erscheint 1256-1261, offenbar in landesherrlicher Eigenschaft, wahrscheinlich aus einem wendischen Dynasten=Geschlechte stammend. Er war der Schwiegervater ("socer") des ihm nahe wohnenden Meklenburgischen Fürsten Pribislav I. von Parchim oder Richenerg, des jüngsten der vier Meklenburgischen Fürstenbrüder,

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welche das Land theilten, und stand mit diesem in den engsten Beziehungen. Man vgl. auch Riedel Cod. dipl. Brand. A, VII, pag. 41, Abhandlung XI; Beyer in Jahrbüchern XI, S. 52; Meklenburg. Urkunden=Buch II, No. 765, und III, No. 1819. Daß aber die Münze nicht allein nach der Umschrift richtig bestimmt ist, beweiset jetzt auch das Wappen, das sogenannte "Seeblatt". Der Herr Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg hat vor einigen Jahren im Archive des Domstiftes zu Brandenburg das Siegel des Herrn Richard v. Friesack entdeckt, welches zuerst im Meklenburg. Urkunden=Buche Bd. II, 1864, zu No. 765, und jetzt wieder hieneben abgebildet ist. Dieses Siegel ist quer getheilt und hat im untern Theile 3 "Seeblätter", im obern Theile den Meklenburgischen gekrönten Stierkopf. Das "Seeblatt" ist also das Wappen der Herren v. Friesack. Der Stierkopf deutet "ohne Zweifel auf irgend eine engere, bis jetzt noch unbekannte (politische) Verbindung mit dem Meklenburgischen Fürstenhause hin".

Wappen

Von geschichtlicher Wichtigkeit ist es, daß dieses Siegel die Umschrift führt: Inschriftskreuz SI S ILLVM RICH A RDI. D. I e RICHOW e , während in der Urkunde selbst der Herr Richard sich "Richardus de Vrisach" nennt. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß Richard v. Friesack aus dem Geschlechte der Herren v. Jerichow in der Altmark stammt, demselben Jerichow, von dessen uralter Cultur der prachtvolle Dom zeugt. (Vgl. Meklenb. Urkunden=Buch zu II, No. 765.)

Die sogenannte Vorderseite unserer Münze ist also nach Umschrift und Wappen ohne Zweifel eine Münze des Edlen Herrn Richard v. Friesack um 1250-1260.

2) Dunkler ist bis jetzt die als Rückseite angenommene Seite der Münze.

Münze

Diese Seite hat als Wappen klar eine heraldische Lilie und zur Umschrift den Namen:

IOH A NNCS D e PLOVC

Ueber diese Seite sind die Herren Erbstein

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noch im Unklaren. Sie schreiben: "In welchem Verhältnisse zu unserem Richardus de Vrisach der auf der Münze sich mitnennende Johannes de Plove (Plaue an der Havel) - denn so ist das PLOVC, in Berücksichtigung des C statt e in "Johannes", zu lesen - stand, weshalb er mit auf der Münze erscheint, ob selbige nur eine Gemeinschaftsmünze ist, das sind Fragen, die vorläufig wenigstens nicht zu beantworten sein dürften. In Urkunden erscheint ein Johannes de Plove zwischen 1248 und 1281, dann begegnen wir dem Namen wieder 1303-1321."

Es möchte sich aber durch Hülfe der Genealogie, Sphragistik und Geographie auch dtese Seite der Münze wohl feststellen lassen.

Wappenbild

Das Wappenbild dieser Seite ist ganz klar eine heraldische Lilie. Diese Lilie war aber das Wappen der Edlen Herren v. Plote, jetzt Freiherren v. Plotho (vgl. Lisch in Jahrb. XXIII, S. 42). Dieses Wappen führt auch der eben berührte jüngere Herr Johannes von Plote auf seinem Siegel an einer Urkunde vom 28. Mai 1314 im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin, welches im Meklenb. Urkunden=Buche VI, zu Nr. 3691, und hieneben wieder abgebildet ist. Diese Herren waren Stifter und Herren der Städte Kiritz u. Wusterhausen,

welche mit Friesack grenzen. Beide Städte führen noch heute die Plotesche Lilie im Siegel (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A, IV, pag. 385). Diese Herren von Plote standen in großem Ansehen, da sie z. B. im Jahre 1232 einen Vogt und 6 Burgmänner in Wusterhausen hatten. Ihr Besitz wird sich weit, ja bis nach Meklenburg, vielleicht selbst bis nach Meklenburg hinein, erstreckt haben, da sie z. B. in der Zeit 1232-1238 den Klöstern Arendsee und Dünamünde große Schenkungen in den jetzigen Meklenburgischen Enclaven in Netzband, Rögelin und Trampiz machten (vgl. Meklenb.

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Urkunden=Buch I, Nr. 403, 437, 477). Daß im Jahre 1228 unter 3 Brüdern ein Richard von Plote vorkommt, scheint für eine Verwandtschaft mit den Herren v. Friesack zu sprechen. Sonst kommt bis in das 14. Jahrhundert hinein immer der Vorname Johannes vor.

Ich kam daher sehr leicht auf die Vermuthung, daß dieser "Johannes de Plove" ein "Plote" sein und auf der Münze vielleicht "Plot" statt "Plove" gelesen werden könne. Die Herren Erbstein haben mir aber auf meine Anfrage versichert, daß "auf der Münze nicht anders als "Johannes de Plove" gelesen werden könne, da das V völlig deutlich und ein Versehen des Stempelschneiders bei der sonstigen Correctheit der Münze nicht wohl anzunehmen sei".

Es ist mir daher wahrscheinlich, daß "Johannes de Plove" dieselbe Person mit "Johannes de Plote", also der Herr Johann v. Paue: Herr Johann v. Plote ist, oder doch zu dem Ploteschen Geschlechte gehört, und dieser Johann v. Plote sich eine Zeit lang (auch) Herr v. Plaue, nach seinen verschiedenen Herrschaften, genannt habe. Plaue ist eine alte Burg an der Havel, nicht weit südlich von Friesack. In den Jahren 1248 und 1281 kommt ein Ritter "Johannes de Plove" und "Plouen" vor (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A, X, pag. 1 flgd.), und 1210-1228 erscheint oft ein "Richardus de Ploue", welcher auch auf eine Verwandtschaft der Herren v. Plaue mit den Herren v. Friesack hindeutet. Die Herren v. Plote sollen auch noch spät Besitzungen in Plaue gehabt haben. Die Sache bedarf aber wohl noch genauerer Forschung in Brandenburgischen Quellen.

3) Aus allen diesen Gründen erscheint es mir wahrscheinlich, daß diese Münze eine Gemeinschaftsmünze der Herren von Friesack und der Herren von Plote oder Plaue, oder der aneinander grenzenden Städte und Landschaften Friesack und Kiritz war. Jede der beiden Seiten der Münze würde dann Hauptseite (Avers) sein.


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Der Münzfund von Roggentin,

von

Dr. G. C. F. Lisch,

mit Erläuterungen

von

G. M. C. Masch.

Im Monat März 1869 ward auf dem Domanialhofe Roggentin bei Rostock beim Ausgraben des Kellerraumes zu einem neuen Wohnhause, als grade der Pächter, Herr Hermes, hinzukam, 4 Fuß tief ein kleiner dreibeiniger Bronze=Grapen, 2 2/3 Pfund schwer, gefunden, in welchem 250 silberne Münzen, in grobe Leinewand gewickelt, lagen. Herr Hermes hatte die Aufmerksamkeit, den Fund sogleich an die großherzoglichen Sammlungen einzusenden.

Die Münzen sind große silberne Bracteaten mit glattem Rande, zum allergrößten Theile mit dem Zeichen des Stierkopfes mit Beizeichen, ohne vom Rost angegriffen zu sein. Die Bracteaten sind stärker im Blech und größer, als gewöhnlich die meklenburgischen zu sein pflegen, und außerordentlich gut geschnitten und geprägt, besser als alle bisher bekannt gewordenen. Durch alles dieses zeichnet sich der Fund vor allen bisher erworbenen aus und vermag die Ehre der meklenburgischen Stempelschneidekunst mit Sicherheit zu retten.

Der ganze Fund besteht aus 250 Stücken und einigen zerschnittenen, welche zusammen 7 1/2 Loth Zollvereinsgewicht schwer sind. 16 Stück wiegen 5 Quentchen oder 1/2 Loth.

Das Zeichen der meisten Münzen ist ein Stierkopf. Dieser weicht jedoch von der Darstellung des Stierkopfes in den verschiedenen landesherrlichen Wappen ab. Der Stierkopf auf den Roggentiner Münzen ist immer ungekrönt, mit geschlossenem Maule, ohne herausgeschlagene Zunge, ohne Halsfell, ohne Hauer; dagegen sind die Nüstern immer stark ausgeprägt. Ganz neu ist die Darstellung dieses Stierkopfes auf vielen (85) Exemplaren dadurch, daß derselbe an jeder Seite unter dem Ohre eine stark geschwungene Haarlocke hat. Andere zahlreiche Exemplare haben aber keine

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Haarlocken. Die meisten Exemplare haben ein Zeichen zwischen den Hörnern, welches sonst meistentheils auf den landesherrlichen Wappen auch nicht vorkommt. Ich kann daher diese Münzen nicht für landesherrliche halten, sondern die Zeichen zwischen den Hörnern nur für Beizeichen gewisser Münzstätten oder Jahrgänge. Am meisten gleicht der Stierkopf dem Stierkopf in dem Siegel der Stadt Rostock, welcher zwar eine Krone, aber Stern und Halbmond zu Beizeichen hat (vgl. Meklb. Urk.=Buch II, Nr. 786 und 847, und Milde, Siegel des Mittelalters, Heft 2, Taf. II, Nr. 24). Der Greif von Rostock erscheint erst etwas später im Raths siegel. Man könnte daher versucht sein, diese Münzen für Münzen der Stadt Rostock 1 zuhalten, welche freilich erst 1323 die landesherrliche Münze daselbst eigenthümlich erworben haben soll (vgl. Evers Mekl. M. V. I, S. 254), obgleich Rostockische Münzen schon viel früher genannt werden. Hiezu würde auch stimmen, daß Roggentin an das Rostocker Stadtgebiet grenzt. Das Dorf Roggentin gehörte dem Kloster Sonnenkamp oder Neukloster seit dessen Stiftung 1219 (vgl. Lisch Mekl. Urk., Band II, Register.)

Die Gepräge der verschiedenen Formen sind alle ziemlich gleich. Jedoch sind einzelne kleine Abweichungen bemerkbar welche sich aber schwer erkennen lassen, jedoch andeuten, daß immer mit mehreren Stempeln derselben Form geschlagen ist.

Die Münzen sind folgende:

1) Stierkopf mit Seitenlocken und einem Ring zwischen den Hörnern 80 Stück,
einige auch mit einem kleinen Punkt zur Seite der linken Haarlocke.
Diese Münzen könnten vielleicht nach Parchim deuten, da der Fürst Pribislav I. von Parchim=Richenberg 1238 einen Stierkopf mit einem Ringe im Siegel führte; vgl. Meklenb. Urk.=Buch I, Nr. 476 und 522, und Milde a. a. O. S. 7. (Auch in Berlin finden sich nach Kretschmers Zeichnungen diese Bracteaten mit Ring zwischen den Hörnern.)

1) In den königlichen und einigen Privat=Münzsammlungen zu Berlin befinden sich einige den Roggentiner Münzen ahnliche Bracteaten, von denen vor vielen Jahren der verstorbene Münz=Cabinets=Gehülfe F. W. Kretschmer, ein treues Mitglied des Vereins, schöne Zeichnungen an diesen geschenkt hat. Er setzt alle diese Münzen unbedenklich in das 13. Jahrhundert.
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2) Stierkopf mit Seitenlocken und einem Ring zwischen Hörnern in einer sechsbogigen Einfassung 1 Stück.
3) Stierkopf mit Seitenlocken und einem nach oben geöffneten Halbmond zwischen den Hörnern 4 Stück.
Der Halbmond unterscheidet sich klar von dem Ringe und ist größer als dieser. Die Seitenlocken sind auf diesen Münzen nur schwach angedeutet. (Auch in Berlin finden sich nach Kretschmers Zeichnungen diese Bracteaten mit Halbmond zwischen den Hörnern.)
4) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einem Kuppelthurm zwischen den Hörnern 59 Stück.
Einige Wenige Exemplare haben einen Punkt an jeder Seite. Diese Münzen lassen sich schwer deuten (Kretschmer, der sie schon kannte, schreibt sie der Stadt Malchin zu. Er hat auch einen jüngern Bracteaten mit gestrahltem Rande und demselben Beizeichen in Zeichnung mitgetheilt. Von demselben besitzt der Verein auch die Zeichnung eines zweiseitigen Pfennigs aus dem Ende des 14. Jahrhunderts mit dem Namen der Stadt Malchin in der Umschrift.)
5) Stierkopf ohne Seitenlocken mit einem Kuppelthurm zwischen den Hörnern in einer sechsbogigen Einfassung 5 Stück.
6) Stierkopf ohne Seitenlocken mit einem Stern zwischen den Hörnern 9 Stück.
Dieses Zeichen könnte auf die Stadt Sternberg deuten, in welcher der Fürst Heinrich der Löwe oft wohnte und starb (Ա 1329), da das alte Siegel dieser Stadt dasselbe Zeichen hat; vgl. Milde a. a. O. Heft 4 Taf. 17, Nr. 40. (Der Münzhändler Weidhas zu Berlin besaß vor vielen Jahren einen gleichen Bracteaten mit einem Stern zwischen den Hörnern.)
7) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einem Stern zwischen den Hörnern, in einer sechsbogigen Einfassung 3 Stück.
8) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einer einstengeligen Pflanze oder Blume zwischen den Hörnern 5 Stück.
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9) Stierkopf ohne Seitenlocken und scheinbar ohne Beizeichen, vielleicht aber mit einem Halbmond zwischen den Hörnern, in einer sechsbogigen Einfassung 1 Stück.
10) Stierkopf ohne Seitenlocken und ohne Beizeichen zwischen den Hörnern, in einer geradlinigen Raute, welche an jeder Seite in der Mitte außen von einem Punkte begleitet ist 52 Stück.
11) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einem Ring zwischen den Hörnern, in einer Raute mit einem Punkte an jeder Seite 5 Stück.
12) Breite Thurmzinne (vielleicht auch Schiffsdeck) mit 5 Kugeln gekrönt, auf welcher eine links wehende Flagge steht und rechts vor derselben auf der Zinnenecke ein Kreuz 7 Stück.
13) Thurmzinne mit Flagge, eben so, ohne Kreuz 3 Stück.
14) Rechts gekehrte Flagge und neben derselben eine kleine Zinne 1 Stück.
Diese Münzen dürften nach Stralsund gehören (vgl. Jahrb. VI, S. 131).
15) Gekrönter Menschenkopf (wie auf der Lithographie zu Jahrb. XVII, Nr. 13 und 14 abgebildet) im geperlten Rande 15 Stück.
Diese Münzen dürften nach Greifswald gehören (vgl. Jahrb. XVII, S. 400).
-----------
250 Stück.
Dazu kommen
6) durchschnittene, halbe Münzen von denen 10 den Stierkopf in der Raute haben.
15 Stück.

Wollte man die Münze nach den Beizeichen bestimmen, so würde man kaum einen genügenden Anhalt in den landesherrlichen Wappen finden. Auch der Stierkopf bietet dafür wenig Anhaltspunkte, da für Meklenburg das aufgerissene Maul und das abgerissene Halsfell, für Werle die ausgeschlagene Zunge, allen aber die Krone fehlt. Ich muß daher auf meine oben ausgesprochene Ansicht zurückkommen, daß die Münzen Rostocker sind, welche zu einer Zeit geschlagen wurden, als noch größere Freiheit in der Wahl der Zeichen herrschte, und noch kein hansischer Münzreceß die Bilder fest bestimmte.

Von Wichtigkeit ist die Bestimmung der Zeit, aus welcher dieser Fund stammt. Der glatte Rand, das starke

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Blech, der größere Durchmesser, die alterthümliche, kräftige Formung der Bilder deuten auf eine ferne Zeit. Gleichzeitig wird der Roggentiner Fund mit dem in Meklenburg einzig dastehenden Bracteaten=Funde von Malchow 1 ) sein, welcher nach andern dabei gefundenen bestimmbaren Münzen ungefähr in das letzte Jahrzehend des 13. Jahrhunderts fällt (vgl. Jahrb. XVII, S. 391 flgd., mit Abbildungen). Aber genau mit den Roggentiner Münzen stimmen die Bracteaten aus dem Funde von Stintenburg überein, welcher ebenfalls in das Ende des 13. Jahrhunderts fallen wird (Vgl. Jahrb. VIII, B, S. 88). Leider sind aus diesem Funde, welcher nur wenig oder gar nichts Meklenburgisches enthalten zu haben scheint, nur wenige Stücke der Wissenschaft zu gute gekommen. Aber von den 12 Stücken, welche der Verein für Meklenburgische Geschichte erhalten hat, sind die 4 Stücke mit dem gekrönten Menschenkopfe im geperlten Rande so genau dieselben, wie in dem Roggentiner Funde, daß sich gar nicht daran zweifeln läßt, daß diese Münzen in beiden Funden aus derselben Zeit und Prägestätte stammen. Auch die Thurmzinnen sind auf Münden in beiden Funden gleichartig mit Kugeln gekrönt, wenn auch die Bilder verschieden sind. Endlich sind die Roggentiner Münzen auch im Allgemeinen den Stintenburgern an Größe, Blech, Rand, Stempelschnitt und Prägeweise vollkommen gleich.

Man wird also nicht fehlgreifen, wenn man die Roggentiner Münzen dem Ende des l 3. Jahrhunderts zuschreibt. (Kretschmar schreibt auch mehrere Münzen dieser Art dem zweiten Viertheil des 13. Jahrhunderts zu.)

G. C. F. Lisch.     


So viel auch die stummen Blechmünzen (Bracteaten), welche aus unsern mannigfachen Funden zur Anschauung gebracht sind, mögen sie nun bestimmt Meklenburgische oder andere Zeichen haben, durchforscht sind, so wenig haben sie die beiden Hauptfragen, aus welcher Zeit und aus


1) Daß in dem Funde von Malchow neben den kleinen Meklenburgischen Bracteaten auch bestimmbare große meißnische Bracteaten und zweiseitige brandenburgische Pfennige vorkommen, laßt sich jetzt wohl dadurch erklären, daß die Münzen beim Aufgange zu der "langen Brücke" von Malchow lagen, in deren Besitz die Stadt schon im Jahre 1292 kam. Das Geld war also sicher allerlei verloren gegangenes Brückengeld, welches von fremden Reisenden, die von Süden her kamen, eingenommen war.
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welcher Münzstätte sie stammen, beantworten können, und auch der gegenwärtige Fund beantwortet beide Fragen nur annähernd.

Anlangend nun die erste Frage nach der Zeit, so steht das fest, daß in der spätem Zeit, also etwa im 14. Jahrhundert (vgl. die Münzstücke von Kolbow, Jahrb. III, 104, VI, 114, 128, und Reinshagen, Jahrb. XVI, 311), die rauhe Mark in viel mehr Stücke ausgebracht ward, als früher; es wurden also in der jüngern Zeit viel leichtere und schlechtere Pfennige geschlagen. Diese sind 14 Millimeter groß, 20 1/2 Stück wiegen 1/2 Loth kölnisch, also 656 vorliegende würden eine rauhe Mark darstellen; es ist aber der Abgang durch Abführung und Reinigung zu berücksichtigen. - Für die früher bei Malchow gefundenen (Jahrb. XVII, S. 391 flgd.) ließe sich durch die damit im Umlauf gewesenen fremden Münzen die letzten Jahrzehnde des 13. Jahrhunderts annehmen; nach der Angabe (a. a. O. S. 399) wurden 458 Stück aus der rauhen Mark geschlagen. Die Größe dieser Münzen war 17 Mm. - An Größe übertreffen die Roggentiner Pfennige die Malchower, denn sie messen 20 Mm.; im Gewichte, das bei den einzelnen zwischen 10 bis 14 Aß wechselt, sind sie jenen im Ganzen gleich, denn da die vorliegenden 16 Stücke 18/32 Loth kölnisch wiegen, so ist die rauhe Mark zu 455 ausgeschrotet. Da nun überdies beide Funde an Feingehalt (Korn) gleich sind, so sind sie beide in gleiche Zeit zu stellen, also ins 13. Jahrhundert, ob etwas früher oder später als die Malchower, muß unentschieden bleiben.

Was nun die andere Frage nach der Prägestätte betrifft, so ergiebt der Augenschein, daß diese Münzen mit jenen nicht aus derselben Stätte hervorgegangen sind; die Fabrik ist eine ganz andere und der Typus ist viel sauberer und bestimmter. Der Ausführung meines Freundes Lisch, daß diese Münzen nicht aus einer landesherrlichen Münze hervor gegangen, trete ich vollständig bei, und lege sie, wie er, Meklenburgischen Städten zu. Wenn man die etwa um ein Jahrhundert jüngern zweiseitigen Münzen (Wittenpfennige) zur Vergleichung heranzieht, so findet sich auf denen von Wismar, Güstrow, Parchim, Neubrandenburg und Friedland der Stierkopf und zwar mit der Bezeichnung, daß sie Meklenburgische oder Werlische Städte sind. Da nun das auf den schriftlosen Münzen nicht ausgesprochen werden konnte, so liegt es nahe anzunehmen, daß man es durch Beizeichen, die man dem Bilde des Landes beifügte, auszudrücken ver=

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suchte, und so läßt sich die Verwendung der Ringe, Sterne, Thürme, Halbmonde ohne großen Zwang deuten.

Es ist nun freilich nicht möglich, allen Bracteaten mit dem Stierkopfe nach diesen Beizeichen bestimmte Prägestätten anzuweisen, jedoch lassen sich, wie auch bereits Lisch gethan hat, Anhaltspunkte finden. So stimme ich ihm ganz bei, wenn er die Münzen mit dem Ringe (Nr. 1, 2, 3) nach Parchim weiset, und stütze diese Annahme durch die Bemerkung, daß auf den Wittenpfennigen der spätern Zeit sich freilich nicht der Ring, wohl aber die Haarlocke findet, und zwar nur auf den Münzen dieser Stadt. - So lasse ich mir auch für Nr. 6 und 7 Sternberg gefallen, obgleich von dieser Stadt keine bestimmten Gepräge bekannt sind, es möchten denn die spätern Bracteaten mit dem Stern (für welche man eigentlich noch keine Stelle gefunden hat) dahin gesetzt werden. Die hier sehr zahlreichen Münzen mit dem Kuppelthurm zwischen den Hörnem des Stierkopfes können allerdings der Stadt Rostock beigelegt werden, denn da sie in größerer Zahl auftreten, stammen sie wohl aus einer großem Stadt; auch möchten Nr. 10 und 11 dahin zu rechnen sein. - Für den Stierkopf mit dem fünfblättrigen Bäumlein zwischen den Hörnern läßt sich keine Stelle finden, wohl aber ist zu bemerken, daß der Kopf eine abweichende, viel schlankere Form hat, als der auf den übrigen.

Ob auf Nr. 12 bis 14 eine Zinne oder ein Schiff gebildet werden sollte, lasse ich unentschieden; die Form spricht wohl für die erstere, die Flagge (offenbar eine Schiffsflagge) für das letztere, und kommt gerade so auf den Münzen von Stralsund vor, wohin also auch diese zu stellen sein werden.

G. M. C. Masch.     

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Wittenpfennig von Teterow.

In meiner Untersuchung über den alten heidnischen Burgwall von Teterow in den Jahrb. XXVI habe ich Seite 185 gesagt, daß die christliche Stadt Teterow nie eine landesherrliche Burg und eine landesherrliche Vogtei gehabt habe. Ich muß mich noch jetzt zu dieser Ansicht bekennen.

Jedoch giebt es eine mittelalterliche Münze von Teterow. Die Münzsammlung der Universität Rostock besitzt

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nämlich einen Wittenpfennig von Teterow, wahrscheinlich das einzige erhaltene Stück 1 ).

Hauptseite. Im Perlenrande der gekrönte Werlesche Stierkopf, ohne Halsfell, an jeder Seite von einem Punkte begleitet; Umschrift:

Umschrift

Rückseite. Im Perlenrande ein ausgebogenes, in der Mitte in einem Vierblatt durchbrochenes Kreuz mit einem punkte; Umschrift:

Umschrift

Die Münze gehört also zu den Wittenpfennigen vor 1379. - Die Umschriften sind nach dem Originale sicher gelesen.

Dieser Wittenpfennig gleicht also dem Wittenpfennig von Malchin aus dem Funde von Rüst und in allen Hauptsachen den gleichzeitigen Wittenpfennigen von Güstrow und Parchim; vgl. Jahrb. XV, S. 350. Aus der Gleichheit der Hauptseite mit der Malchiner Münze dürfte sich vielleicht schließen lassen, daß die Münze für Teterow in der nahen Prägestätte zu Malchin geschlagen ist.

G. C. F. Lisch.     



1) Die Kenntniß und Anschauung dieser Münze verdanke ich der wissenschaftlichen Theilnahme des Herrn Amtsverwalters Burchard zu Schwerin, welcher in frühern Jahren eifrig im Rostocker Münz=Cabinet gearbeitet hat.          G. C. F. Lisch.
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IV. Zur Siegel= und Wappenkunde.


Das Wappen der von Stralendorf.

In den Jahrb. XXVII, S. 251, und XXIX, S. 273, ist das Wappen der meklenburgischen altadeligen Familie v. Stralendorf wiederholt besprochen und wird in dem Meklenb. Urkunden=Buche zur Urkunde vom 30. März 1320 wieder zur Sprache kommen, nachdem der Herr Landrath v. Stralendorf auf Gamehl drei Holzschnitte zur Erläuterung des Wappens für diese Urkunde gestiftet hat. Um aber die Forschung auch in weitern Kreisen bekannt zu machen und weiter zu führen, mögen diese Abbildungen auch hier eine Stelle finden.

Das Schildzeichen im Wappen der Familie v. Stralendorf ist seit der ältesten Zeit unverändert geblieben: im längs getheilten Schilde rechts drei schräge rechts gekehrte Pfeile, links ein halbes (Mühl?=)Rad. Das Staats=Archiv zu Schwerin bewahrt eine große Menge von Siegeln dieser Familie, welche aber fast alle Schildsiegel sind.

Das älteste Schildsiegel ist das hieneben abgebildete Siegel des Ritters Vicke (Friederich) v. Stralendorf an einer Urkunde vom 30. März 1320, welches öfter vorkommt.

Schildsiegel

Die Helmzier dieses Wappens ist in jüngerer Zeit aber offenbar verunstaltet, wenigstens überladen; aus einer Krone ragen 2 Straußfedern hervor, zwischen denen ein aufgerichteter Pfeil steht, auf dem wieder eine Krone balancirt, welche wieder mit 3 Straußfedern bedeckt ist (vgl. Masch Meklenburg. Wappenbuch).

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Helmzeichen auf alten Siegeln der Familie gehören aber zu den größten Seltenheiten. Eines der wenigen und ältesten Siegel, auf denen Schild und Helm dargestellt ist, ist das hieneben abgebildete Siegel, welches an einer in Lisch Meklenb. Urkunden II, S. 224 abgedruckten Urkunde des Klosters Neukloster vom 19. Novbr. 1460 hängt.

Siegel

Dieses Siegel hat den bekannten Schild, jedoch ausnahmsweise auf demselben die 3 Pfeile links, und über dem Schilde einen Helm, auf dem nur ein aufgerichteter Pfeil steht. In dem Abdruck dieser Urkunde a. a. O. habe ich den Helm irrthümlich für einen "Thierkopf" ausgegeben; die Figur ist aber nichts weiter als die bekannte langschnabelige Helmfigur des 15. Jahrhunderts. Noch im 16. Jahrhundert kommen mehrere v. Stralendorfsche Siegel vor, auf denen der Helm nur einen einfachen Pfeil trägt.

Auf alten Siegeln ist also der aufgerichtete Pfeil allein der Helmschmuck des Stralendorfschen Wappens. Dennoch ist der Federschmuck auf dem Pfeile auch alt. Bei der Restauration der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Kirche des alten v. Stralendorfschen Gutes Zurow kamen im Jahre 1862 auf den Gewölben des Chores mehrere Gewölbe=Malereien zum Vorschein, und unter diesen auch ein hieneben im verkleinerten Maaßstabe abgebildetes v. Stralendorfsches Wappen: vgl. Jahrb. XXIX, S. 202 flgd., welches ungefähr aus der Zeit um das Jahr 1360 stammen mag (vgl. Jahrb. XXIX, S. 273).

Wappen

In diesem Wappen steht unmittelbar auf dem Helme ebenfalls ein aufgerichteter Pfeil, welcher jedoch auf der Spitze mit einem Pfauenwedel besteckt ist, eine Darstellung, welche mehr natürlich ist und auch mehr geschichtlichen Halt hat, als die Darstellung von zwei Etagen von Straußfedern. Pfauenwedel kommen auf den Wappen der altadeligen Familien Meklenburgs öfter vor, theils mit, theils ohne Verbindung mit einer alten Helmzier. Dieses Zurowsche Wappen wird also wohl die beste Gestalt des v. Stralendorfschen Wappens sein.

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Ueber die oben angeführte Neuklostersche Urkunde vom 19. Novbr. 1460 läßt sich noch eine andere heraldische Merkwürdigkeit anführen.

Der Herr Landrath v. Stralendorf berichtet, daß sich in seinem Besitze ein alter bronzener Stralendorfscher Siegelstempel ("Pettschaft, ungefähr so, wie man sie jetzt zu führen pflegt,") befindet, welcher vor mehr als hundert Jahren auf dem Felde zu Gamehl gefunden sein soll und sich schon im Besitze seines Urgroßvaters befunden hat und auf ihn vererbt ist. Das runde Siegel hat einen stehenden Schild mit dem Stralendorfschen Wappen (ohne Helm) und die Umschrift:

Umschrift

Dieser Siegelstempel stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ein freilich sehr schlechter Abdruck dieses Stempels hängt an der oben angeführten Neuklosterschen Urkunde vom 19. Novbr. 1460, wodurch die Brüder Heinrich, Ulrich und Vicke v. Stralendorf, Knappen, wohnhaft zu Crivitz (pfandgesessen), dem Kloster Neukloster das höchste Gericht, die Bede und andere herrschaftliche Gerechtigkeiten des Dorfes Sellin verpfänden. Dieses Siegel des Vicke v. Stralendorf hängt an der Urkunde an dritter Stelle. An zweiter Stelle an derselben Urkunde hängt das oben abgebildete Siegel des Knappen Ulrich v. Stralendorf mit Schild und Helm, auf dem ein aufgerichteter Pfeil steht.

Der Besitz eines nachweisbaren mittelalterlichen Siegelstempels in einer Familie ist immer ein sehr seltener Fall.

G. C. F. Lisch.     

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Der Kaland zu Zurow
und
das Siegel der Kirchen=Juraten daselbst.

Nicht allein in politischer Hinsicht war ehedem Zurow ein Ort von Bedeutung, insofern es ein Musterungsplatz für die Mannschaft des Landes Meklenburg war, auch mindestens ein Mal ein Landtag (Convocationstag), nämlich 1488 (Jahrb. X, 191), dort abgehalten wurde, sondern auch kirchlich, da es zeitweise Ziel von Wallfahrten gewesen ist und ein Kaland seinen Sitz daselbst hatte. Kalande waren geistliche Brüderschaften, wie dieser meist aus Geistlichen und Laien bestehend, welche zu zwei Malen im Jahre gemeinschaftlichen Gottesdienst um der verstorbenen Mitglieder Seelen

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willen feierten und inzwischen die von solchen gestifteten Memorien begingen. An ihrer Spitze stand ein Geistlicher, Decan genannt, den zwei andere, Procuratoren oder Schaffner, unterstützten 1 ). Da mit der Durchführung der Reformation auch diese Verbrüderungen sich aufzulösen gezwungen waren, so ging das Vermögen derselben meist in andere Kassen über. Dasjenige des Zurowschen Kalands überwiesen die letzten Mitglieder M. Nicolaus Eggebrecht, Domherr zu Lübek, und die Wismarschen Vicare Heinrich Westfal, Steffen Plate und Berthold Hövinck am 28. Junii 1553 der Almosenstiftung, welche der Schwerinsche Scholasticus M. Kord Böddeker 1464 testamentarisch in seiner Kapelle zu S. Jürgen zu Wismar errichtet hatte, und so sind wenigstens die Eigenthums=Documente des Zurowschen Kalands bis auf eins, welches Dr. Lisch im Schweriner Archive entdeckte, nach Wismar gekommen.

Die älteste dieser Urkunden ist vom 21. Decbr. 1418, und bezeugt durch dieselben Günther v. Lewetzow zum Kahlenberge, daß er dem Pfarrherrn Detmer von Zurow wiederkäuflich einen See, den "lütken witten See" auf dem Felde "zum Wendhofe" verkauft habe. Der Kaland wird in der Urkunde nicht genannt, war aber laut der Ueberweisung von 1553 damals im Besitze des Sees, welcher auf dem Kahlenberger Felde noch heute bekannt ist und seinen Namen von dem Kalkmergel haben wird, aus welchem nach Herrn Keding's, des jetzigen Besitzers, Angabe der Grund besteht. Am 3. Februar 1421 war der Kaland aber schon gestiftet, da er an dem gedachten Tage von Werneke und Henneke Preen zu Jesendorf mit Zustimmung ihrer Mutter Oelgard eine Rente von 24 Schillingen aus Jesendorf kaufte. Vierzig Jahre später findet sich das erste sichere Mitglied des Kalands, der Priester Nicolaus Qualtze, welcher demselben 1463, Septbr. 29, 3 Mk. Rente aus gewissen Buden zu Wismar abtrat. Im folgenden Jahre am 18. Mai kauften eben dieser Nicolaus Qualtze, als Decan, Jacob Schacht und Johann Höppner, alle Vicare zu Wismar, als Schaffner und Vorsteher, von Berthold Bersse zu Rambow 3 Mk. Rente aus (Vorder=) Wendorf 2 ), und 1488, Decbr. 4, erwarb der Kaland von Bernd v. Plessen zum Grundshagen 3 1/2 Mk. Rente aus Fliemstorf.


1) Schröder, W. E., S. 121, stellt nach seiner Hauptquelle, Blumbergs Abbildg. d. K., Chemnitz 1721, das Wesen der Kalande nicht eben treffend dar. Ungleich besser ist die Schilderung Dittmers, d. H. Geist=Hospital u. d. S. Clemens K. in Lübei, Lüb. 1838.
2) Urkunde im Staats=Archive zu Schwerin.
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Keiner dieser Rentenkäufe ist in der oben gedachten Ueberweisungs=Urkunde ausdrücklich aufgeführt, wohl aber ein anderer und zwar vermuthlich der letzte, welchen der Kaland abgeschlossen hat. Es verkauften demselben nämlich Erdmann Greve und Tideke Dame, Kirchgeschworene oder Gottesleute zu Zurow, am 12. April 1515 dem dortigen Kalande und namentlich M. Hermen Winterpol als Decan und den Procuratoren Georg Erdmann und Johann Boyenhagen (von denen auffallend genug mindestens die beiden ersteren sicher in demselben Jahre dieselben Aemter im minderen Kalande zu Wismar bekleideten) 5 Mk. Rente zum Behufe einer neuen - jetzt nicht mehr vorhandenen - Glocke auf "den großen Thurm", und stellten die Urkunde am 12. April darüber aus.

Diese letztgedachte Urkunde hat ein besonderes Interesse, jedoch nicht so sehr durch ihren Inhalt oder ihre Fassung, wohl aber durch das daran gehängte, hieneben abgebildete Siegel.

Siegel

Dasselbe ist von der Größe eines alten Thalers oder 1 1/2 Zoll Hamb. im Durchmesser. Es zeigt vor einem nicht ganz regulären Vierpasse eine sehr gut gearbeitete Madonna, und unter deren Füßen einen stehenden, gespaltenen Schild von Zungenform, der vorne an der Theilungslinie ein halbes Rad und hinten drei schräge aufwärts und links gerichtete "Strale" oder Pfeile enthält. Die durch den Schild unterbrochene Umschrift steht auf einem an den Enden ein wenig gerollten Bande und lautet:

Umschrift

Dieser Umschrift nach ist das Siegel also dasjenige der Kirchgeschworenen zu Zurow und bis dahin das erste Juratensiegel, welches in Meklenburg zum Vorscheine gekommen ist. Die Werkhäuser (fabricae) der Kirchen in den größeren Städten, welche von einem Werkmeister (magister fabricae, operarius) unter Aufsicht von Verwesern oder Vorstehern (provisores) geleitet wurden, hatten freilich auch Siegel, und es haben sich deren namentlich zu Rostock sehr große und alte erhalten, aber ein Siegel der Vorsteherschaft einer Landkirche hat sich bis dahin sonst noch nicht gefunden. Ist es also ein merkwürdiger Umstand, daß die Zurowschen Juraten ein eigenes Siegel besaßen, so ist auch die Bildung desselben beachtenswerth. Daß die

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Gottesmutter darauf angebracht ist, kann freilich nicht auffallen, da ihr jedenfalls die Kirche hauptsächlich gewidmet war (Jahrb. XVI, 300, XXIX, 202); aber der Schild auf demselben, der der v. Stralendorf, ist eigenthümlich genug. Es ist freilich früher schon versucht, wahrscheinlich zu machen, daß die Kirche von den v. Stralendorf erbaut sei, welche im Jahre 1336 bestimmt Zurow bereits besaßen, aber diese doch wohl leidlich sichere Thatsache würde schwerlich hinreichen, die Aufnahme des Wappenschildes dieses Geschlechts in das Siegel der Juraten zu veranlassen. Wahrscheinlicher dürfte es sein, daß das Wappen sich auf das Patronat der v. Stralendorf bezieht, welches auch heute dem Besitzer von Zurow noch zusteht und welches jene sich vermuthlich durch Aufrichtung der Pfarre erworben haben. Die beschränkte Größe der hier nebeneinander liegenden Kirchspiele Goldebe, Zurow, Jesendorf deutet darauf hin, daß dieselben nicht der ersten Circumscription der Parrochien ihre Entstehung verdanken, sondern ursprünglich Theile anderer, größerer waren. Auf die Stiftung der Pfarre und des Patronats scheint also der Schild sich zu beziehen, und es ist gewiß sinnig, wenn der alte Goldschmied, der das Siegel stach, jenen zu den Füßen der Maria anordnete, so gleichsam das ganze Geschlecht deren besonderem Schutze unterstellend. Der seltenern Gestaltung des Schildes - das halbe Rad vorne, die drei Strale hinten - mag die Darstellung am Gewölbe der Kirche als Vorbild gedient haben. (Vgl. Meklb. Urkunden=Buch No. 4178, Note, und die vorhergehende Abhandlung.)

Das Siegel gehört dem 15. Jahrhundert an, wie die Form des Schildes und der Schrift zu erkennen geben.

Herr Landrath v. Stralendorf auf Gamehl hat den Verein in den Stand gesetzt, das interessante Siegel zur Anschauung zu bringen.

Dr. Crull.     

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Das Wappen der von Levetzow

hat ein Schildzeichen, welches in neuern Zeiten für ein "Gatter" oder "Fallgatter" ausgegeben ist. Dagegen scheint nun zu streiten, daß die Wappen=Figur immer einen "Fuß" gehabt hat. So ist sie in dem ältesten, auf der folgenden Seite abgebildeten Siegel vom 14. Novbr. 1313 (Meklb. Urkunden=Buch VI, No. 3654) und so ist sie noch heute. Man hätte die Figur mit dem allgemeinern hoch=

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Wappen

deutschen Namen "Rechen" belegen sollen. Wir haben daher im Meklb. Urkunden=Buche a. a. O. wegen des Fußes die Figur einen "Kerzenrechen" ("siebenarmigen Leuchter") genannt. Und diese Annahme scheint durch die Forschung des bewährten französischen kirchlichen Archäologen Viollet le Duc bestätigt zu werden. Dieser sagt in seinem Werke Mobilier Français iu dem Artikel Herse (Egge, Fallgatter), oder

Râtelier (Raufe):

"Herse, s. f. râtelier. Sorte de traverse de fer, de cuivre ou de bois sur un ou deux pieds, ou suspendue par des potences, sur laquelle on disposait des cierges dans les choeurs, à côté ou devant l'autel, devant les châsses des saints, près des tombeaux particulièrement vénérés, dans certaines chapelles."

("Eine Art von Querstange aus Eisen, Kupfer oder Holz auf einem oder zwei Füßen, oder an aufgehängten Armen, auf welche man Kerzen stellte in den Chören, zur Seite oder vor dem Altare, vor den Reliquienbehältern der Heiligen, an den vorzüglich verehrten Gräbern, in gewissen Kapellen.")

Er giebt dazu Abbildungen von 2 solcher Kerzenrechen, Fig. 1 mit 7 Lichtern, Fig. 2 mit 5 Lichtern.

G. C. F. Lisch.     

 

Vignette
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XXXVI. 1.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.

Schwerin, im October 1870.


S eit dem Bestehen des Vereins hat vielleicht noch niemals gleichzeitig für alle drei feststehenden Abtheilungen, nach welchen ich zur leichtern Uebersicht diesen beschlußmäßig rein amtlichen Bericht zu ordnen pflege, unter übrigens günstigen Verhältnissen, so wenig Stoff zur Mittheilung vorgelegen, als beim Schlusse des ersten Quartales des neuen Vereinsjahres. Fast scheint es, als ob während des plötzlich entbrannten großen nationalen Kampfes, auf den sich das gesammte Interesse unseres Volkes concentrirt, auch unsere Friedensarbeit, wie nach fester Verabredung, ruhen solle. Hoffen wir indeß, wenn hier wirklich ein Zusammenhang stattfinden sollte, daß nach der baldigen Herstellung eines segensreichen Friedens durch den fortdauernden Sieg unserer Waffen, wie in allen Gauen und Berufs=Kreisen des Vaterlandes, so auch in dem unsrigen, die unterbrochene Thätigkeit mit erneuerter Lust und Kraft wieder aufgenommen werden könne.

I. Wissenschaftliche Thätigkeit.

Der Druck des 6. Bandes unseres Urkunden=Buches ist bis zum 75. Bogen vorgeschritten, so daß dessen Vollendung in dem beginnenden Quartal zu erwarten steht, wenn nicht außerordentliche Hindernisse eintreten.

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Auch der 35. Band der Jahrbücher ist wegen der darin veröffentlichten Abhandlung des Herrn Geh. Archivrath Dr. Lisch über die Römer=Gräber in Meklenburg beschleunigt gedruckt und bereits versandt, da nach vielfachen Anfragen aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands zu schließen, in den betreffenden wissenschaftlichen Kreisen eine weit verbreitete Spannung auf nähere Kenntniß dieser großes Aufsehen erregenden neuen Entdeckung zu herrschen scheint.

An neuen Abhandlungen sind nur drei eingegangen:

1) Die Händel Herrn Peter Langejohanns, Bürgermeisters zu Wismar, von Dr. Crull zu Wismar.

2) Ueber heidnische Wohnstätten bei Kösterbeck und

3) Ueber eine bei Zippendorf gefundene, mit einem metallenen Centrum=Bohrer durchbohrte Streitaxt aus Diorit, vom Geh. Archivrath Dr. Lisch.

II. Die Sammlungen des Vereins.

Verzeichniß der neuen Erwerbungen:

A. Der Alterthümersammlung.

1) Aus der Steinzeit.

Drei Feuersteinblöcke, 3 spanförmige Messer, 2 rohgeschlagene Pfeilspitzen, 1 Scheibe oder runder Schraper, 1 Angelhaken, sämmtlich aus Feuerstein, gefunden im Schweriner See beim Sandfahren und geschenkt von dem Herrn Bauconducteur Luckow zu Schwerin.

Eine Feuerstein=Pfeilspitze, gleichfalls im Schweriner Seesande gefunden; ferner 36 Stücke meistens sehr roh gearbeiteter Geräthe aus Feuerstein, darunter Keile, Stampfsteine, Glättsteine, Lanzenspitzen oder Harpunen, Pfeilspitzen u. s. w., gefunden auf dem Felde zu Pinnow und Godern, geschenkt von dem Herrn Archivar Dr. Wigger in Schwerin.

Acht Stück geschlagene Feuersteinspäne aus Ungewisser Zeit, gefunden neben Topfscherben und Bruchstücken eiserner Geräthe zu Kösterbeck bei Rostock, geschenkt von dem Herrn Kammer=Secretär Meyer in Schwerin.

2) Aus der Bronzezeit.

Ein Framea aus Bronze mit Schaftrinnen, ohne Rost, gefunden im Torfmoor zu Kalsow bei Wismar, geschenkt von dem Herrn Premier=Lieutenant v. d. Lühe zu Schwerin.

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3) Aus der Eisenzeit.

Ein Spindelstein aus Thon, gefunden zu Pinnow bei Schwerin und geschenkt von dem Herrn Archivar Dr. Wigger zu Schwerin.

4) Alterthümer auswärtiger heidnischer Völker aus verschiedenen Perioden.

Ein kleines römisches Glasfläschchen, gefunden bei Velletri, geschenkt von dem Herrn Geheimen Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.

Eine kleine Bronzestatuette (des Harpokrates), wahrscheinlich jedoch neuer Abguß von einem Original, da sich der Rost oder die bläuliche Farbe auf derselben leicht abwischen läßt, angeblich bei den Pyramiden in Aegypten gefunden und dort von dem Herrn Flotten=Capitän=Lieutenant Paschen aus Schwerin angekauft und dem Vereine geschenkt.

3) Aus dem christlichen Mittelalter.

Ein Schwert ohne Spitze und in der Mitte durchbrochen, 2 schön gearbeitete Lanzenspitzen, 2 Dolchmesser, 3 nicht zusammengehörige Sporen aus Eisen, 1 Deckelkrug aus Zinn und 1 kleiner Becher aus blaugrauem Thon, wahrscheinlich aus dem 13. oder 11. Jahrhundert; ferner anscheinend aus jüngerer Zeit 2 kugelförmige und 1 cylinderförmiges Vorlegeschloß aus Eisen und 3 Eberhauer, alles gefunden bei dem Bau einer neuen Brücke über die Warnow und Ausbaggerung des Strombettes bei der Stadt Schwaan und geschenkt durch den Herrn Bürgermeister Burmeister im Namen des Magistrates der Stadt.

Eine kleine Glasscheibe mit einem gemalten Wappenschilde, längs getheilt, rechts mit einein links aufsteigenden Hirsche, links mit 3 Sternen in 3 Abtheilungen übereinander, Helm mit einem rechts aufsteigenden Hirsche. Unterschrift:

Johan Behrendt von der Hardts Anno 1707.

Wahrscheinlich aus dem Klützer Ort stammend, geschenkt vom Herrn Justizrath Prollius zu Schwerin.

Eine Glastafel mit dem Norwegischen goldenen Löwen mit silbernem Halsbande im rothen Felde, 7 1/2 und 8 1/2 Zoll im Durchmesser, ohne Zweifel das linke Oberfeld aus einem größeren Holsteinschen Wappen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dem Wappen der Herzogin Elisabeth,

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Gemahlin des Herzogs Ulrich zu Güstrow. Aus dem Nachlasse eines Glasers in Schwerin, geschenkt von dem Herrn Glasermeister Atzenroth sen. daselbst.

B. Zur Bildersammlung.

Eine Karte von Niedersachsen, per Gerardum Mercatorem. Amstelodami Sumptibus Joanms Janssonii. Kupferstich. - Karte von der Mark Brandenburg mit den Herzogthümern Pommern und Meklenburg. Amstelodami Excudebat Joannes Janssonius. Kupferstich. - "Mecklenburgische Carte der Gegenden von Schwerin", 1760, C. J. G. F. Colorirte Handzeichnung. Geschenk der Frau Ungnad in Wismar.

C. Zur Büchersammlung.

I. Belgien.

1) Annales de la Société Archéologique de Namur. Tom. X, 3. Namur 1869. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

II. Dänemark.

2) Mémoires de la Société Royale des Antiquaires du Nord. 1869. Copenhague. 8°.

3) Aarbøger for nordisk Olkyndighet og Historie. 1869, Hefte 3, 4. 1870, Hefte 1. Kjøbenhavn. 8°.

4) Tillæg til aarbøger for nordisk Oldkyndighet og Historie. Aargang 1869. Kjøbenh. 1870. 8°.
Nr. 2-4. (Tauschexemplare v. d. Königl. Gesellschaft für Nordische Alterthumskunde zu Kopenhagen.)

III. Schweiz.

5) Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Bd. XVI, Abth. I. Aventicum Helvetiorum, Heft 3. Zürich 1869. 4° XXXIV. Beschreibung der Burg Kyburg. Zürich 1870. 4°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

6) Beiträge zur vaterländ. Geschichte, herausg. von der histor. Gesellschaft in Basel. Bd. IX, 8. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

IV. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

7) Correspondenzblatt des Gesammtvereins der Deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XVIII, 6, 7, 8. (Zwei Exemplare.)

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V. Bayern.

8) Einunddreißigster Bericht über das Wirken und den Stand des histor. Vereins zu Bamberg im J. 1868. Bamberg 1869. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

VI. Würtemberg.

9) Würtemberg. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Jahrg. 1868. Stuttgart 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. Königl. statist. Bureau.)

VII. Sachsen.

10) Mittheilungen des Königl. Sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländ. Geschichts= und Kunst=Denkmäler. Heft 20. Dresden 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine).

VIII. Preußen. Pommern. sachsen. Lausitz.

11) Altpreußische Monatsschrift. Bd. VII, 4. 8°. (Tauschexemplar v. d. Alterthumsgesellschaft zu Königsberg.)

12) Baltische Studien. Jahrg. XXIII. Stettin 1869. 8°. (Tauschexemplar v. d. Gesellschaft für Pommersche Gesch. und Alterthumskunde.)

13) Geschichts=Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. V, 2. (Tauschexemplar v. d. Vereine für Geschichte und Alterthumskunde des Herzogth. und Erzstifts Magdeburg.)

14) Scriptores Rerum Lusaticarum. Bd. IV. Görlitz 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. Oberlausitz. Gesellschaft der Wissenschaft.)

IX. Thüringen.

15) Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde. Bd. VII, 4. Jena 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

X. Meklenburg.

16) Archiv für Landeskunde. Jahrg. XX, 1-4. (Geschenk Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz.)

17) Römergräber in Meklenburg, von Dr. G. C. F. Lisch. Schwerin 1870. 8°. (Geschenk des Herrn Verfassers.)

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D. Zur Urkunden= und Handschriftensammlung.

Zwölf Stammbuchblätter von Meklenburgern aus dem 16. Jahrhunderte, geschenkt von dem Herrn Pastor Ragotzy zu Triglitz.

III. Die Matrikel des Vereins.

Seit der letzten General=Versammlung ist mir kein anderer Verlust an ordentlichen Mitgliedern des Vereins bekannt geworden, als der Tod des Friedrich Helmuth Carl Anton v. Blücher auf Quitzenow, Bobbin mit Friedrichshof und Jürgenstorf mit Voßhagen, welcher unserm Vereine seit dem 12. November 1843 angehörte und am 31. August 1870 im 62. Lebensjahre verstorben ist.

Dagegen sind dem Vereine in demselben Zeitraume als ordentliche Mitglieder beigetreten die Herren Ministerial=Rath Schmidt, Oberzollrath Boccius, Baurath Wachenhusen, Auditeur Sohm und Amtsverwalter Kundt, sämmtlich in Schwerin.

W. G. Beyer , Dr., Archivrath,     
z. Z. zweiter Secretair des Vereins.      

 

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XXXVI. 2.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.

Schwerin, im Januar 1871.


I. Wissenschaftliche Thätigkeit.

D a die ruhmvollen Siege unserer tapfern Heere den uns vom Feinde muthwillig aufgedrungenen Krieg zur Vertheidigung des bedroheten Vaterlandes mit Gottes Hülfe immer weiter von unsern Grenzen zurückgedrängt haben, so sind die Arbeiten des Vereins trotz der wachsenden Aufregung in allen Schichten des Volkes nicht einen Augenblick unterbrochen worden. Seit dem letzten Berichte vom October v. J. ist namentlich der 6. Band unsers Urkundenbuches im Drucke vollendet, gebunden und versandt. Zur Publication wissenschaftlicher Urtheile über diesen neuen, seinen Vorgängern in der Behandlung der Urkunden und der äußern Ausstattung völlig ähnlichen neuen Bandes, welcher das Werk auf 81 Bogen bis zum Schlusse des Jahres 1321 fortsetzt, ist die Zeit noch zu kurz, doch sind von den Besitzern des Werkes im Auslande bereits zahlreiche, zum Theil äußerst schmeichelhafte Dankschreiben eingegangen, wie z. B. von dem Herrn Prof. Waitz in Göttingen und andern nahmhaften Historikern. Auch von dem grade in Malchin versammelten meklenburgischen Landtage ward durch den dirigirenden Herrn Landrath v. Rieben die freundliche Aufnahme gemeldet, die der neue Band gleich den frühern bei den anwesenden Ständemitgliedern gefunden habe, mit der Versicherung, daß das ganze bisher erschienene Werk alljährlich aus der Landesbibliothek in Rostock nach dem

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Landtage eingesandt und dort fleißig gelesen werde. Sofort nach der Ausgabe dieses Bandes hat auch der Druck des 7. begonnen, und wird mit Gottes Hülfe gleichfalls ohne Unterbrechung fortgesetzt werden können. Daneben werden endlich auch die Vorbereitungen zur dritten, die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts umfassende Abteilung nach Kräften betrieben.

Der letzte Band unserer Jahrbücher mit der für die nationale Alterthumskunde überaus wichtigen Abhandlung über die Römergräber und römischen Alterthümer in Meklenburg überhaupt scheint überall sowohl im Inlande als im Auslande großes Interesse gefunden zu haben, wie der rasche Absatz des bereits vollständig vergriffenen Separatabdruckes dieser Abhandlung beweist. Für den nächstfolgenden Band liegen, außer den in dem Michaelis=Quartalberichte angeführten, jetzt noch sieben neue, mehr oder weniger interessante Abhandlungen zum Drucke bereit, nämlich:

1) Ueber die Regierungsform Meklenburgs unter Wallenstein, vom Geh. Archivrath Dr. Lisch.

2) Ueber die wahrscheinliche Lage des von dem Kaiser Karl dem Gr. genannten Handelsortes Schezla, vom Staatsminister Freiherrn v. Hammerstein in Neu=Strelitz.

3) Die Klöster Doberan und Neu=Doberan (Pelplin) Nachtrag vom Geh. Regierungsrath und Conservator v. Quast auf Radensleben.

4) Ueber die wendische Burg Warnow, vom Geh. Archivrath Dr. Lisch.

5) Ueber eine Münze des Herrn Richard v. Frisack, von demselben.

6) Abschrift des Berichtes einer hamburger Rathsdeputation über den neuen Schiffsgraben und die Fahrt von Wismar nach Dömitz im Jahre 1568, mitgetheilt vom Archivar Dr. O. Beneke in Hamburg.

7) Ueber den Dom zu Schwerin, vom Geh. Archivrath Dr. Lisch.

II. Die Sammlungen des Vereins.

Der Zuwachs unserer sämmtlichen Sammlungen ist auch in diesem Quartal dem Umfange nach nicht sehr bedeutend gewesen, doch befinden sich darunter für alle Abtheilungen einzelne werthvolle Stücke. Die neuen Erwerbungen, wie gewöhnlich fast ausschließlich Geschenke, sind folgende:

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A. Für die Alterthümersammlung.

1) Aus der Steinzeit.

Eine Sammlung von Alterthümern von dem sogenannten Reppin bei Mueß, geschenkt von dem Herrn Architekten Stern zu Schwerin.

Ein kleiner Keil aus Feuerstein, 3" lang, gefunden auf der Feldmark der Stadt Waren, geschenkt von dem Herrn Gymnasiallehrer Struck zu Waren.

Ein Reibstein aus feinkörnigem Granit von ausgezeichneter Form, gefunden auf dem Felde zu Rolofshagen, geschenkt von dem Herrn Bauconducteur Luckow zu Schwerin.

Ein spanförmiges Feuersteinmesser, gefunden zu Viez bei Hagenow auf einer Anhöhe im Felde, geschenkt von dem Finder, Herrn Lehrer Lau zu Viez.

2) Aus der Bronzezeit.

Eine kleine Urne aus Thon von seltener, fast cylindrischer Form, 7" hoch und 6" weit, mit einer Schale als Deckel, mit Asche und Knochenresten gefüllt, dazwischen ein keiner gerosteter Ring aus Bronze; ferner eine starkgerostete gerade Nadel mit kleinem Knopfe und eine unter dem hohlen Knopfe doppelt kniefönnig gebogene Nadel aus Bronze, mit vielen anderen verloren gegangenen Bronzegeräthen, gefunden bei dem Chausseebau zwischen Sternberg und Dobbertin in der Klädener Forst, Kloster=Amts Dobbertin, und durch Vermittelung des Herrn Senators Beyer zu Parchim durch den Herrn Ingenieur Wehner daselbst dem Vereine geschenkt.

Sechs kleine, getriebene, mit ausgetriebenen Buckeln verzierte Schalen aus Bronze, gefunden im Herbste 1870 beim Ausgraben eines Moderloches zu Basedow und durch den Herrn Grafen Hahn auf Schloß Basedow dem Vereine überreicht. Vergl. Jahrb. X, S. 283, und XIII, S. 376, über die früher in derselben Gegend zu Dahmen und Klein=Luckow gefundenen Bronzeschalen, welche den obigen fast ganz gleich sind.

3) Aus dem christlichen Mittelalter.

Eine runde Spange aus Bronze mit Lilienverzierungen und eine Schuhschnalle aus Bronze, zu Viez bei Hagenow gefunden und geschenkt von dem Herrn Lehrer Lau daselbst.

Ein kleines, fast halbkugeliges Gefäß aus dünnem, grünen Glase, 1" im Durchmesser und nur 5/8" hoch,

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von unbekannter Bestimmung, gefunden in loser Erde auf einer Wiese zu Viez bei Hagenow und geschenkt von dem Herrn Lehrer Lau daselbst. (Vielleicht römische Arbeit?)

B. Für die Münzsammlung.

Ein römischer Silberdenar des Kaisers Titus vom Jahre 79, gefunden auf einem Wege zu Friedrichswalde bei Blankenberg (ungefähr eine Meile von Häven) und geschenkt von dem Schüler Stüdemann zu Schwerin.

Eine römische Bronze=Münze des Kaisers Antoninus Pius aus der Zeit von 145-161, gefunden zu Althof bei Doberan beim Kartoffelaufnehmen und geschenkt von dem Herrn Studiosus Penckow zu Rostock.

Eine arabische Silbermünze, gefunden zu Niex bei Schwaan beim Ackern, geschenkt von dem Herrn Literaten Stuhlmann zu Schwaan. (Nach der Erklärung des Herrn Professors Dr. Stickel zu Jena eine barbarische Nachbildung einer nicht genau zu bestimmenden Samaniden=Münze, welche von den Wolga=Bulgaren angefertigt ist und nicht vor dem 11. Jahrhundert der Erde anvertrauet sein kann.)

C. Für die Bildersammlung.

Portrait des Senator Dr. Joachim Christoph Ungnade zu Wismar. Photographie nach einem Oelgemälde bei der Familie zu Wismar mit der Rückschrift: Joachim Christoph Ungnade J. U. D., Robelensis, Senator Wismariens. 1746, Aug. 24, resign. 1774, m. Maji, † 1802. Spt. aet. 92 ann. Geschenk des Herrn Dr. Crull zu Wismar.

D. Für die Büchersammlung.

I. Amerika.

1) Annual Report of the board of regents of the Smithsonian Institution. Washington 1869. 8°.

2) The Indians of cape Flatery, by James G. Swan. Washington 1869. Kl. Fol.

3) The Gliddon Mummy-Case in the Museum of the Smithsonian Institution, by Charles Pickering. Washington 1869. Kl. Fol.

4) Journey to Musardu, by Benj. Anderson. New-York 1870. 8°.
(Nr. 1-4. Tauschexemplare von dem Smithsonian Institution in Washington.)

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II. Niederlande.

5) De Vrijc Fries. T. VI, 2. Leeuwarden. 1870. 8°. (Tauschexemplar V. d. Friesch. Genootschap van Geschied-, Oudheid- en Taalkunde.)

III. Belgien.

6) Annales de la Société Archéologique de Namur. T. X, 4. Namur 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

7) Bulletin de l'Institut Archéologique Liégeois. T. X, 1. Liége 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

IV. Luxemburg.

8) Publications de la Section Historique de l'Institut. Année 1869-70. XXV (III). Luxemb. 1870. 4°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.

V. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

9) Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XVIII, Nr. 9-11. (Zwei Exemplare.)

10) Die Haus= und Hofmarken, von Dr. C. G. Homeyer. Mit XLIV Tafeln. Berlin 1870. Gr. 8°. (Geschenk des Herrn Verfassers, Prof. Dr. Homeyer in Berlin.)

VI. Oesterreich.

11) Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. 1, Nr. 4 u. 5. Wien 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

12) Mittheilungen der Kaiserl. Königl. Central=Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmäler Oesterreichs. Jahrg. XV. Wien 1870. Kl. Fol. (Tauschexemplar v. d. genannten Commission.)

13) Zeitschrift des Ferdinandeum für Tirol und Vorarlberg. Folge III, Heft 15. Innsbruck 1870. 8° (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

VII. Bayern.

14) Sitzungsberichte der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1870. I, 2, 3, 4. II, 1, 2.

15) W. Preger. Die Entfaltung der Ideen des Menschen durch die Weltgeschichte. München 1870. 4°. (Nr. 14 und 15 Tauschexemplare von der genannten Akademie.)

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16) Oberbayrisches Archiv f. vaterl. Geschichte. Bd. XXVIII, 2 und XXIX. München 1869 und 70. 8°

17) Dreißigster und Einunddreißigster Jahresbericht des historischen Vereins von und für Oberbayern. München 1868 und 69. 8°

18) Die Sammlungen des historischen Vereins von und für Oberbayern. Abth. I, Heft 2. München 1868. 8°. (Nr. 16-18 Tauschexemplare v. d. gen. Vereine.)

VIII. Preußen. Sachsen. Lausitz. Schlesien.

19) Altpreußische Monatsschrift. Bd. VII, 5-7. 8°.
(Tauschexemplar v. d. Gesellschaft Prussia.)

20) Geschichts=Blätter f. Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. V, 3. (Tauschexemplar v. d. Vereine f. Geschichte und Alterthumskunde des Herzogthums und Erzstifts Magdeburg.)

21) Jahrbücher der königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Neue Folge, Heft 6. 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Akademie.)

22) Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 47, Heft 2. Görlitz 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften.)

23) Codex diplomaticus Silesiae. Bd. IX. Urkunden der Stadt Brieg. Breslau 1870. 4°.

24) Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Bd. X, 1. Breslau 1870. 8°. (Nr. 23 und 24 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)

IX. Hannover.

25) Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrg. 1869. Hannover i870. 8°.

26) Lüneburger Urkundenbuch. Abth. VII. Archiv des Klosters St. Michaelis zu Lüneburg. Lief. I. (1861, II. (1867), III. (1870). Hannover 1870. 4°. (Nr. 25 und 26 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)

X. Schleswig, Holstein und Lauenburg.

27) Die dänische Reunionspolitik des siebenjährigen Krieges, von Heinr. Handelmann. 8°.

28) Memoiren des Ministers Grafen J. H. C. Bernstorff an die Höfe zu Wien und Versailles, v. 31. Dec. 1761, betr. den Großfürstl. Antheil v. Holstein Separatabdruck aus den Jahrb. für die Landeskunde der Herzogthümer Schleswig, Holstein, Lauenburg. Bd. VII, 1864. 8°.

29) Vom Wiener Hof aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Josephs II., aus ungedruckten De=

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peschen des Grafen J. Fr. Bachhoff von Echt, mitgeth. von Dr. H. Handelmann. Wien 1867. 8°. (Nr. 27 bis 29 Geschenke des Herrn Prof. Dr. Handelmann in Kiel.)

XI. Hamburg.

30) Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Bd. III, 2. Hamburg 1870, 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

XII. Meklenburg.

31) Archiv für Landeskunde. Jahrg. XX, 5 und 6. (Geschenk Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz.)

32) Geschichte der Familie von Blücher, von Dr. Friedrich Wigger. Bd. I. Schwerin 1870. 8° (Geschenk des Herrn Verfassers.)

33) Johannes Frederus. Eine kirchenhistor. Monographie II. Frederus Aufenthalt in Greifswald und Wismar. Stralsund 1837. 4°

34) Sammlung christl. Gesänge. Wismar 1797. 8°.

35) Statistisch=topogr. Jahrbuch für Meklenburg 1814. 8°

36) Zwanzig Stück Wismariensia.

37) Verhandlungen des Vereins Norddeutscher Schulmänner: 1834-40, 42, 43, 45, 47. 8°. (Nr. 33-37 Geschenke des Herrn Rathsregistrators C. Martens in Wismar.)

III. Die Matrikel des Vereins.

Der Tod hat in den letzten 3 entsetzlichen Kriegsmonaten auch in unseren friedlichen Kreisen eine verhältnißmäßig reiche Ernte gehalten. Der Verein verlor im Ganzen 8 ordentliche Mitglieder, und zwar sieben durch den Tod, meistens ältere Freunde, worunter sich merkwürdiger Weise 5 alte und junge Krieger befinden, wenn gleich nur einer als wirkliches Opfer des Krieges fiel. Es sind Folgende:

1) Der Hauptmann v. Häften auf Haus Erprath bei Xanten am Rhein, früher auf Hohen=Schwarfs bei Rostock, Mitglied des Vereins seit dem 15. April 1838, gestorben im Septbr. 1870.

2) Der General=Auditeur Driver in Schwerin, Mitglied seit dem März 1862, gestorben am 6. Novbr. 1870.

3) Der Kammer=Präsident und Ober=Landforstmeister v. Grävenitz zu Neu=Strelitz, Ritter des Eisernen Kreuzes aus der Zeit der Freiheitskriege, die er als Freiwilliger in dem Strelitzer Husarenregiment mitmachte, Mitglied

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des Vereins seit dem Stiftungsjahre 1835, Novbr. 17, gestorben am 22. Novbr. 1870 im 81. Jahre seines Lebens.

4) Der Hauptmann Heino v. Rantzau, Compagnie=Chef im meklenburgischen Füselier=Regiment Nr. 90 zu Rostock, fiel am 12. Decbr. 1870 an der Spitze seiner Compagnie bei dem Sturm des Dorfes Loigny bei Orleans durch einen Schuß in die Brust. Mitglied des Vereins seit dem 30. Januar 1863.

5) Der Dr. med. Siemssen zu Rostock, auch als Schriftsteller in den Naturwissenschaften rühmlich bekannt Mitglied seit dem 10. April 1836, gestorben an einem Herzleiden am 19. Decbr. 1870.

6) Der Major v. Grävenitz, Majorats=Herr auf Waschow, Dodow und Zühr, und Ritter mehrer Orden, machte früher in russischen Diensten die Feldzüge von 1812-15 mit, in welchem letzteren Jahre er bei Lützen einen Schuß durch das linke Auge erhielt. Mitglied des Vereins seit dem 27. Octbr. 1846, gest. am 25. Decbr. 1870 am Karbunkel im 79. Lebensjahre.

7) Der Kirchenrath und Präpositus Fromm zu Parkentin, früher zu Rehna, machte die Freiheitskriege von 1813 bis 15 als Freiwilliger, später als Feldprediger mit, Mitglied des Vereins seit dem 23. Decbr. 1835, gestorben im 80. Lebensjahre am 29. Decbr. 1870. Außerdem ist

8) der Herr Amtmann v. Flotow in Wittenburg nach 35jähriger Mitgliedschaft nach voraufgegangener Kündigung ausgetreten, nachdem er seine Subscription auf das Urkundenbuch auf einen seiner Angehörigen übertragen hatte.

Zum Ersatz für diesen schweren Verlust sind dem Vereine folgende Herren wiederum als ordentliche Mitglieder beigetreten: Dr. Hostmann in Celle, Gymnasial=Director Dr. Raspe in Güstrow, Cassier Wiechel in Schwerin, Bürgermeister Dase in Güstrow, Candidat Rönnberg zu Beckentin bei Grabow, Lieutenant Rettich und Lieutenant v. Flotow aus Woldzegarten, zur Zeit in Schwerin.

W. G. Beyer , Dr., Archivrath,     
z. Z. zweiter Secretair des Vereins.      

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XXXVI. 3.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, im April 1871.

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I. Wissenschaftliche Thätigkeit.

D ie Arbeiten des Vereins sind auch in diesem Quartale trotz der fortdauernden Kriegsunruhen, die alle Gemüther beherrschen, ihren gewohnten Gang fortgegangen. In Betreff des Urkundenbuches hat die betreffende Commission dem hohen Ministerium des Innern und dem E. A. der Ritter= und Landschaft für das Jahr 1870 vorschriftsmäßig Rechnung abgelegt und über den Fortgang des Unternehmens Bericht erstattet, worauf von beiden hohen Behörden die Anweisung zur Zahlung der bewilligten Unterstützung für das nun laufende Jahr angewiesen worden ist. Von dem unter der Presse befindlichen 7. Bande des Werkes sind bis jetzt 14 Bogen gedruckt.

Für die Jahrbücher hat Herr Dr. Crull zu Wismar eine Mittheilung über den Kaland zu Zurow und über das Siegel der Kirchenjuraten daselbst eingesandt.

In der jüngsten Quartalversammlung und auf Ersuchen des Comités für Neubegründung einer Bibliothek der in

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Zukunft hoffentlich wieder deutschen Universität Straßburg ist die unentgeltliche Einsendung eines Exemplars der ersten 6 Bände des Urkundenbuches, sowie der Jahrbücher, soweit dieselben nicht bereits vergriffen sind, beschlossen, und ebenso ist den Gymnasien zu Güstrow und Waren auf deren Antrag je ein Exemplar des ersten Werkes bewilligt worden.

Am 30. und 31. Mai d. J. wird der neu gegründete Hansische Geschichtsverein seine erste Generalversammlung zu Lübeck halten, wozu auch der Ausschuß und die Mitglieder unsers Vereins speciell eingeladen worden sind.

II. Die Sammlungen des Vereins.

Als neue Erwerbungen für die verschiedenen Sammlungen des Vereins sind aus dem letzten Quartale nur folgende Gegenstände zu verzeichnen:

A. Für die Alterthümersammlung.

1) Aus der Steinzeit.

Eine gezahnte Lanzenspitze oder Dolchklinge aus weißlichem Feuerstein, 8" lang, von sehr schöner Arbeit, wovon sich bisher noch kein Exemplar in unserer Sammlung befand, gefunden an der Lauenburgischen Grenze und geschenkt von dem Herrn Ingenieur Brüssow in Schwerin. (Ein ähnliches Exemplar aus dem südlichen Dithmarschen besitzt der Herr Rentier Mann zu Wismar.)

Für die Großherzogliche Sammlung ist durch die Gnade Sr. K. H. die von dem am 2. December vor Orleans gefallenen Hauptmann Heinrich v. Rantzau hinterlassene Sammlung vorchristlicher Alterthümer, in welcher sich auch 230 steinerne Alterthümer befinden, angekauft worden.

2) Aus der Bronzezeit.

Ein Schwert, 1 Armberge ganz zerschmolzen, 1 gewundener Kopfring, 2 Armringe, noch 2 verschiedene zerbrochene Armringe, 1 zerbrochene Heftel mit Platten, 1 zerbrochenes Messer, alles aus Bronze, 1 Spiralfingerring aus Gold, hohl gearbeitet, was bisher noch nicht beobachtet ist, und 1 Urne aus Thon, gefunden bei dem Chausseebau von Dabel nach Dobbertin in zwei verschie=

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denen Kegelgräbern, durch den Herrn Senator Beyer in Parchim an die Vereinssammlung abgeliefert.

Ein Bügel aus Bronze, vielleicht ein abgebrochener Gefäßhenkel, massiv, 5" lang, gefunden und geschenkt von dem Herrn Präpositus Zander zu Woosten bei Goldberg.

3) Heidnische Alterthümer fremder Völker.

Drei Stück farbiger Glasgeräthe von Mumien ärmerer Leute aus Gräbern von Memphis, nach sichern Berichten ungefähr aus der Zeit von 200 v. Chr., geschenkt durch den Herrn Glasmaler Gillmeister in Schwerin.

B. Für die Münzsammlung.

1 Wittenpfennig von Parchim, Ende des 11. Jahrhunderts, und 1 Dreiling des Herzogs Friedrich Wilhelm, Ende des 17. Jahrhunderts, geschenkt von dem Herrn Oberlehrer Dr. Schiller in Schwerin.

1 bronzene Amulet=Medaille mit unkenntlicher Schrift, geschenkt von dem Herrn Advocaten Koeve in Schwerin.

1 Dreiling des Herzogs Adolph Friedrich, 1622, geschenkt von dem Herrn Senator Beyer in Parchim.

C. Für die Bildersammlung.

Eine Zeichnung einer gezahnten Lanzenspitze aus dem südlichen Dithmarschen, geschenkt von dem Herrn Rentier Mann in Wismar. (Vgl. oben Alterhums=Sammlung.)

Eine Zeichnung nebst Holzschnitt des Siegels der Kirchenjuraten zu Zurow, geschenkt von dem Herrn Landrath v. Stralendorf auf Gamehl. (Vergl. S. 1.)

D. Für die Büchersammlung.

I. Kunstgeschichte.

  1. Zur Geschichte der Anfänge griechischer Kunst von A. Conze. Wien 1870. 8°.

II. Sphragistik.

  1. Geschichte des Wappens des Geschlechts von Bülow, herausg. von G. v. Bülow. Berlin 1871. 4°. (Geschenk des Herrn Verfassers).
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III. Belgien und Niederlande.

  1. Annales de la société archéologiques de Namur. T. X, 1. Namur 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)
  2. Bulletin de l'Institut Archéologique Liégeois. T. II, 2. Liége 1870. 8°.
  3. Catalogue descriptif du Musée provinciale de Liége. Premier suite. Liége 1870. 8°.
    (Nr. 4 und 5 Tauschexemplare v. d. gen. Gesellschaft.)
  4. Handelingen en Medulingen van de Maatschappij der nederl. Letterkunde te Leiden over het jar 1870. Leiden 1870. 8°.
  5. Levensberichten der afgestorvene Medeleden van de Maatschappij d. nederl. Letterkunde. Leiden 1870. 8°.
    (Nr. 6 und 7 Tauschexemplare v. d. gen. Gesellschaft.)

IV. Die Schweiz.

  1. Der Geschichtsfreund. Mittheilungen des Vereins der fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug. Einsiedeln 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)

V. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XVIII. Nr. 1 und 2. (Zwei Exemplare.)

VI. Oesterreich.

  1. Neunundzwanzigster Bericht über das Museum Francisco-Carolinum nebst der vierundzwanzigsten Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Ens. Linz 1870. 4°. (Tauschexemplar v. d. gen. Museum.)
  2. Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. 1871. Nr. 71. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)

VII. Württemberg.

  1. Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde. Jahrg. 1869. Stuttgart 1871. 8°. (Tauschexemplar v. d. K. statistisch=topographischen Bureau.)
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VIII. Preußen. Brandenburg. Schlesien. Sachsen.

  1. Altpreußische Monatsschrift. VII, 8. Königsberg 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. Alterthumsgesellschaft Prussia.)
  2. Erster Jahresbericht über den historischen Verein zu Brandenburg a. d. H. 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Vereine.)
  3. Albrecht der Bär, erster Markgraf von Brandenburg. Von Fr. Voigt. Berlin 1863. 8°.
  4. Die Söhne Albrechts des Bären, Otto I., Sigfried, Bernhard. 1170-84. I. Theil. Ihre Theilnahme an den Reichsangelegenheiten. Von Dr. H. Hann. Berlin 1869. 4°.
    (Nr. 15 und 16 Geschenke des Herrn Pastors Behm in Vietlübbe.)
  5. Siebenundvierzigster Jahres=Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Breslau 1870. 8°.
  6. Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur: Philosophisch=historische Abtheilung 1870; Naturwissenschaftliche Abtheilung 1869-70. 8°.
    (Nr. 17 und 18 Tauschexemplare v. d. gen. Gesellschaft.)
  7. Geschichts=Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. V, 4. 8°. (Tauschexemplar f. Gesch. u. Alterthumsk. des Herzogthums und Erzstifts Magdeburg.)

IX. Rheinland.

  1. Das Prämonstratenser Mönchskloster Steinfeld in der Eifel. Von Dr. G. Bärsch. Schleiden 1858. 8°. (Geschenk des Herrn Pastors Behm in Vietlübbe.)

X. Hannover.

  1. Lüneburger Urkundenbuch. Abth. V, enth.: Archiv des Klosters der Mutter Maria zu Isenhagen. Hannover 1870. 4°. (Tauschexemplar v. d. Lüneburger Landschaft.)

XI. Schleswig. Holstein. Lauenburg.

  1. Zeitschrift der Gesellschaft für die Geschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein, Lauenburg. Bd. I. Kiel 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. gen. Gesellschaft.)
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XII. Bremen.

  1. Denkmale der Geschichte und Kunst der freien Stadt Bremen. Abth. II.: Episoden aus der Cultur= und Kunstgeschichte Bremens, von J. G. Kohl. Bremen 1870. kl. Fol. (Geschenk des Archivs der Stadt Bremen.)
  2. Bremer Jahrbuch. Bd. V. Bremen 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. Künstlerverein für Bremer Geschichte und Alterthum.)

XIII. Meklenburg.

  1. Archiv für Landeskunde. Jahrg. XX, 9-10. (Geschenk Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz.)
  2. Großherzoglich Mecklenburg=Schwerinscher Staats=Kalender 1871. (Geschenk des Herrn Dr. F. W. Bärensprung.)
  3. Oeffentliche Schlachthäuser, ihre Notwendigkeit, Organisation etc. . Von C. Ch. von Bülow, Justizcanzlei=Director. Schwerin 1870. 8°. (Geschenk des Herrn Verfassers.)
  4. Programm des Gymnasium Fridericianum. Ostern 1871. 4°., enth.: 1. Homerische Studien. Abth. 1. Die Ebene von Troja und ihre Bedeutung für den trojanischen Krieg, von W. Büchner; 2. Die Lehrverfassung des Gymnas. Frideric. (Geschenk des Herrn Directors Dr. Büchner.)
  5. Bericht über die Real=Schule zu Schwerin. Ostern 1871. 8°. (Geschenk des Herrn Directors Giseke.)
  6. Programme der großen Stadtschule zu Wismar aus der Zeit von 1835-67. 4°. (Geschenke des Herrn Raths=Registrators Martens zu Wismar.)

III. Die Matrikel des Vereins.

Gleich in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres hat der Verein wiederum 3 ordentliche Mitglieder durch den Tod verloren:

1) den Bürgermeister Hofrath Engel zu Röbel, der 1813 den Freiheitskampf gegen Frankreich mitfocht, dann Mitglied des Vereins seit dem 22. October 1836, gestorben am 8. Januar d. J. im 83. Jahre seines thätigen Lebens;

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2) den Amtshauptmann a. D. Krüger, früher zu Grevesmühlen, Mitglied seit dem 11. October 1835, gestorben zu Schwerin am 1. Februar d. J.;

3) Hans Carl Peter Manecke auf Duggenkoppel, wohnhaft in Schwerin, Mitglied seit dem 2. März 1858, gestorben am 18. Februar d. J. im 75. Lebensjahre. Vgl. Nr. 49 der Mecklenburgischen Zeitung d. J., wo ihm ein Nachruf gewidmet ist.

Als neues Mitglied ist nur der am 20. Februar d. J. beigetretene Herr Amtsverwalter Jasper v. Bülow zu Doberan anzumelden.

W. G. Beyer, Dr., Archivrath,     
z. Z. zweiter Secretair des Vereins.      

Vignette
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XXXVI. 4.

Quartal= und Schlussbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, im Juli 1871.

Vignette

" M ögen die kriegerischen Ereignisse, an denen Meklenburg einen so hervorragenden Antheil nimmt, den Fortgang Ihres wichtigen Unternehmens nicht hemmen, vielmehr Ihr Verein und Land Allen im neuen deutschen Reiche als Muster und Vorbild dienen."

Diese, unsern Verein hoch ehrenden Worte des berühmten Historikers, Professors Dr. Waitz in Göttingen in einem Dankschreiben vom 25. December 1870 nach Empfang des 6. Bandes des meklenburgischen Urkundenbuches scheinen wohl geeignet, meinen Schlußbericht für das Vereinsjahr von 1870-71 einzuleiten. Jene kriegerischen, in alle staatlichen Verhältnisse Deutschlands, ja man darf sagen Europas, tief eingreifenden, welthistorischem Ereignisse haben inzwischen ihren glücklichen Abschluß gefunden. Der welterschütternde Kriegsdonner ist verstummt, der Friede herrscht wieder im Lande und auch unsere tapfern Krieger sind unter der sieg= und ruhmreichen Führung ihres hohen Landes= und Kriegsherrn in die Heimath zurückgekehrt. Wie in dem ganzen großen

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Vaterlande, dem mitten im blutigen Kampfe wiedergeborenen deutschen, aber mit Gottes Hülfe niemals wieder römischen Reiche, dankt auch in Meklenburg das treue Volk in Demuth dem allmächtigen Gotte für die durch eigene Kraft in dem ihm aufgedrungenen gerechten Kampfe errungenen reichen, zur Zeit noch unermeßlichen Erfolge, die es nun in dem wieder gesicherten Frieden ungestört zu genießen hofft.

Aber die erlittenen Verluste entsprechen der Größe des Gewinnes, und unter ihnen ist der ein ganzes Jahr hindurch gestörte, ja oft nach vielen Seiten hin völlig unterbrochene Verkehr auf allen Gebieten menschlicher Thätigkeit wahrlich nicht der geringste. Unleugbar hat namentlich auch der wissenschaftliche Verkehr in Deutschland während des Krieges erheblich gelitten, obwohl unsere stets siegreichen Waffen denselben von unseren Grenzen fern zu halten wußten, und das hat auch unser Verein in vielfacher Beziehung mit empfunden, wie wir schon in voraufgegangenen Berichten zu beklagen hatten. Doch darf ich heute mit freudiger Zuversicht hinzufügen, daß diese augenblicklichen Störungen und Hemmungen unserer Thätigkeit keinen dauernden Nachtheil für unsere Zukunft besorgen lassen. Wagen wir es vielmehr immerhin, dem Ziele, das unser Göttinger Freund uns in seinem Neujahrswunsche freundlich aufstellte, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Unterstützung durch den neubelebten Patriotismus des Volkes muthig entgegen zu streben!

Und wenigstens in dem einen Punkte, welcher zunächst jenen Wunsch veranlaßte, ist derselbe bisher wirklich in Erfüllung gegangen: Unser Urkundenbuch hat auch in dem letzten Jahre nicht die geringste Störung erlitten. Schon im Herbste 1870 konnte der 6. Band an unsere Abonnenten und Freunde ausgegeben werden und ist von allen Seiten freudig begrüßt. Die bis jetzt veröffentlichten beiden ersten Bände der 2ten Abtheilung des Werkes umfassen bekanntlich den Zeitraum von 1301-1321 und bringen aus diesen 21 Jahren beziehentlich 858 und 737, also zusammen nicht weniger als 1595 Urkunden, von welchen mindestens 1/3 hier zum ersten Male gedruckt ist, die übrigen schon früher veröffentlichten, in mehr als 50 verschiedenen, zum Theil seltenen Werken zerstreuet sind und des oft in hohem Grade verderbten Textet halber nur mit äußerster Vorsicht benutzt werden konnten. Der Gewinn für die historische Forschung ist daher jedenfalls sehr beträchtlich.

Ihrem Inhalte nach betreffen diese Urkunden, gleich denen des vorhergehenden Bandes vom Anfange des 14.

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Jahrhunderts an, der Mehrzahl nach die äußern Angelegenheiten Meklenburgs, d. h. das Verhältniß unserer Fürsten zu ihren Nachbaren, unter welchen vor allen die dänischen Könige Erich und Christoph II. zu nennen sind, die sich, durch die innern Unruhen in der Seestadt Rostock und die Schwäche des dort regierenden Fürsten begünstigt, auf's Neue in die meklenburgischen Angelegenheiten eingemischt hatten, während gleichzeitig in der wachsenden Macht Brandenburgs, besonders unter dem Markgrafen Waldemar aus dem Hause Anhalt, sich ein Gegengewicht gegen die nordischen Herrschergelüste bildet, zugleich aber auch ein neuer, für die Selbstständigkeit der wendischen Fürsten in Meklenburg und Pommern nicht minder gefährlicher Nachbar heranwächst. Mitten zwischen diesem doppelten Drucke ragen aber unsere einheimischen Fürsten Heinrich der Löwe von Meklenburg und Nicolaus von Werle als wahre Heldengestalten hervor, die der Himmel uns zur rechten Zeit gesandt hatte, denn von der Schwäche des deutschen Reiches war in diesem fernen Grenzlande keine Hülfe zu hoffen. Bringt doch unsere Sammlung, höchst bezeichnender Weise, aus dieser wichtigen Zeit in jedem Bande nur je eine einzige Kaiserurkunde!

Neben diesen auswärtigen Händeln nehmen der Zahl und Bedeutung nach diejenigen Urkunden das größte Interesse in Anspruch, welche das unglaublich rasch aufblühende, fast an die amerikanischen Erscheinungen unserer Zeit erinnernde, städtische Leben, besonders den Handel der Seestädte Rostock und Wismar betreffen; ja, wenn man erwägt, daß auch die Kämpfe nach Außen vorzugsweise durch die innern Unruhen und den auswärtigen Handel der Seestädte beeinflußt wurden, so erscheinen die Interessen des Handels und des bürgerlichen Verkehrs dieser Städte, in welchen fich zugleich ein höchst beachtenswerthes nationales Rechts= und Verfassungsleben entwickelt, in diesem Zeitraume schlechthin überwiegend, und gerade in dieser Beziehung wird uns in den beiden letzten Bänden unseres Werkes ein sehr reiches, bisher völlig unbekanntes Material geboten.

Erst hierauf folgen die kirchliche Angelegenheiten vertretenden Urkunden, durch welche das fortwährende Wachsthum der päpstlichen und bischöflichen Macht, sowie des Reichthums und des Einflusses der Klöster und Kirchen und der sonstigen religiösen Stiftungen allerdings deutlich bekundet wird. Aber das Gewicht dieser geistlichen Macht in den weltlichen Händeln beginnt für unsere Gegenden gleichwohl erst in dem letzten Bande während der Regierung des that=

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kräftigen und kriegerischen Bischofs Hermann Maltzan (1314 bis 1322) allmählich fühlbarer hervorzutreten. Noch weniger aber ließ die Persönlichkeit unserer Fürsten die durch deren Freigebigkeit im Stillen gleichfalls wachsende Macht des Feudaladels jetzt schon empfinden, und über die Verhältnisse des Bauernstandes finden wir in dem Urkundenschatze dieses Zeitraumes kaum ein einziges directes Zeugniß, doch öffnet sich dem sorgsamen Forscher auch in dies geheimnißvolle Dunkel gelegentlich mancher willkommener Blick.

In Betreff der Sprache dieser Urkunden ist hervorzuheben, daß im 5. Bande bereits 18, im 6. 39, im Ganzen also in diesem Zeitraume 57 Originalurkunden in niederdeutscher Sprache mitgetheilt sind, während in der ersten Abtheilung des Werkes aus dem 13. Jahrhundert (Band 3) außer einigen niederdeutschen Aufzeichnungen in den Rostocker Stadtbüchern nur ein paar Urkunden der Markgrafen von Brandenburg aus der Zeit von 1292-96 in dieser Sprache abgefaßt wurden. Auch von den jetzt mitgetheilten ist die Mehrzahl von benachbarten Fürsten, namentlich den gedachten Markgrafen, außerhalb Meklenburgs ausgestellt. Eigentlich meklenburgische befinden sich darunter nur 15, deren älteste 3 Willküren des Rathes zu Wismar vom Jahre 1306 enthält, worauf 1306 April 19 Herr Heinrich zu Meklenburg, 1307 Februar 17 der Graf von Schwerin, in demselben Jahre 1307 August 9 Herr Nicolaus zu Werle, 1312 April 5 der Rath zu Parchim folgen. Im Jahre 1321 schloß sich dann auch der Bischof Hermann Maltzan von Schwerin der neuen Sitte an, nachdem ihm der Bischof von Halberstadt schon 1320 mit seinem Beispiele voraufgegangen war.

Als eine für die Heraldik nicht hoch genug zu schätzende Beigabe sind auch hier wieder die meisten der an den Urkunden hangenden meklenburgischen Siegel in vortrefflichen Holzschnitten unter dem Texte abgedruckt. Darunter befinden sich im 5. Bande 9 geistliche, 13 fürstliche, 6 Stadtsiegel und 17 Siegel einheimischer Adelsgeschlechter, zusammen 42; im 6. Bande dagegen 10 geistliche, 6 fürstliche, 2 Stadtsiegel und 48 adlige Familiensiegel, zusammen also 66 und in beiden Bänden 90 Abdrücke.

Wie die zahlreichen Dankschreiben unserer Ehren= und correspondirenden Mitglieder, und unter ihnen der angesehensten Gelehrten aller Länder Deutschlands, bei dem Empfange der ihnen zugesandten Exemplare, spricht sich auch das öffentliche Urtheil der deutschen Presse, soweit sie von dem gelehrten, wissenschaftlichen Leben des Volkes Notiz

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nimmt, über die Bearbeitung unseres Werkes, das wirklich mehr und mehr ähnlichen neueren Unternehmungen als Muster zu gelten scheint, bei dem Erscheinen jedes neuen Bandes einstimmig günstig und oft mit lebhafter Theilnahme aus. So namentlich die Göttinger gelehrten Anzeigen und vor allen das literarische Centralblatt für Deutschland, welches regelmäßig überaus wohlwollende und höchst anerkennende Anzeigen jedes neuen Bandes veröffentlicht. Es versteht sich von selbst, daß die Herausgeber und der Verein selbst sich den Herren Berichterstattern für diese einflußreiche Empfehlung des Werkes zu aufrichtigem Danke verpflichtet fühlen und die stets erwünschten Erinnerungen und Ausstellungen, soweit immer möglich, berücksichtigen werden. Doch kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, daß diese Ausstellungen nicht immer sehr glücklich gewählt sind. Wenn z. B. bei der Anzeige des 5. Bandes in dem gedachten Centralblatt bemerkt wird, daß bei Beschreibung eines Siegels rechts und links verwechselt sei, so beruhet das entschieden auf einem Irrthum. Die Beschreibung ist nach dem dabei natürlich durchweg beobachteten heraldischen Sprachgebrauche durchaus richtig. Wenn dagegen bei der Anzeige des 6. Bandes in Nr. 12 eben dieses Blattes vom 25. März d. J. vor der Annahme gewarnt wird, als ob in den Urkunden des Mittelalters das Jahr stets mit dem 25. December beginne, was keineswegs ausnahmslos der Fall sei, weshalb nichts übrig bleibe, als alle zwischen dem 25. December und 1. Januar fallenden Urkunden als kritische Fälle zu betrachten und etwa den Gebrauch der einzelnen Canzleien festzustellen, so muß ich darauf erwidern, daß dies Letztere in Bezug auf die meklenburgischen und benachbarten Canzleien durch gründliche Forschungen geschehen ist, welche eben zu dem Resultate geführt haben, daß in den Urkunden dieser Gegend während des 14. Jahrhunderts der 25. December ausnahmslos als Jahresanfang gelte. Eben daselbst wird endlich der Gebrauch des parenthetischen Ausrufungszeichens (statt des sonst üblichen: sic!) als allzu freigebig bezeichnet, wofür 4 Beispiele angeführt werden, die aber merkwürdiger Weise alle 4 auf einem Mißverständniß beruhen, indem der Herr Berichterstatter die Veranlassung zur Einfügung des Warnungszeichens nicht richtig erkannt hat * ).


*) In Nr. 3629 hat nicht der sehr gewöhnliche Gebrauch des Wortes utilitas für usus Anstoß erregt, wie der Herr Berichterstatter voraussetzt, sondern der Nominativ des Wortes statt des zu erwartenden, von fnpage dem folgenden dimidia pars abhängigen Genitivs; in Nr. 3688 ist die Passivform "innotesci" statt des Activs innotescere anstößig gewesen; in Nr. 3689 steht das sigillum nostrum nicht für nostrorum, was freilich keines Ausrufungszeichens bedurft hätte, wohl aber der folgende Genitiv presencium statt des Dativs presentibus; in Nr. 3775 endlich fehlt hinter nostrorum das Substantiv consiliariorum, fratrum, filiorum oder heredum, das sich nicht ohne Weiteres ergänzen ließ.
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Aus Meklenburg selbst habe ich mit Freuden die thatsächliche Anerkennung unseres Werkes durch die Landesuniversität Rostock hervorzuheben, wo in mehrereu Facultäten die Preisaufgaben für die Studirenden mit ausdrücklicher Verweisung auf die durch das Urkundenbuch eröffneten Quellen gewählt werden. Dessen ungeachtet ist die Verbreitung des Werkes namentlich in seiner Heimath verhältnismäßig immer noch sehr geringe, weshalb ich eine etwas eingehendere Besprechung desselben an dieser Stelle im Interesse der historischen Wissenschaft überhaupt und namentlich der Landeskunde Meklenburgs in allen ihren Zweigen für wirklich geboten hielt. Man darf uns wenigstens nicht vorwerfen, daß wir selbst in unserm engern Kreise unterlassen hätten, darauf aufmerksam zu machen, welche Schatzgrube allen Vaterlandsfreunden in diesem Werke, das sich auf dem Titel als von unserm Vereine herausgegeben ankündigt, eröffnet worden ist.

Der Druck des 7. Bandes ist bis zum 35. Bogen fortgeschritten, so daß derselbe voraussichtlich mit Beginn des nächsten Jahres wird ausgegeben werden können. An Holzschnitten schenkte der Herr Archivar Dr. v. Bülow zu Stettin die Siegel des Knappen Heinrich v. Bülow 1343, des Gottfried v. Britzckow 1359 und des Dargislav 1333.

Die in dem 35. Bande unserer Jahrbücher zum Abdruck gekommene und zugleich durch Separatabdruck verbreitete Abhandlung unsers Lisch über die in Meklenburg entdeckten Gräber römisch=gallischer Handelscolonisten vom Rheine ist zwar viel gekauft und nach Privatnachrichten als eine für die europäische Culturgeschichte bedeutende Erscheinung anerkannt; die öffentliche Kritik ist aber bisher noch ziemlich zurückhaltend gewesen. Eine Ausnahme macht das neueste Blatt des Herold, welches ein ausführliches Referat über den betreffenden Band der Jahrbücher bringt und darin auf die Wichtigkeit der betreffenden Abhandlung aufmerksam macht. Auch ist in einer Sitzung des gerade in Bezug auf diese Frage vorzugsweise competenten Vereins für die Geschichte Frankfurts ein Vortrag über unsern römischen Fund gehalten worden, worin nach dem Referat des Professors

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Dr. Becker in der Frankfurter Zeitung die Ansicht unsers Lisch durchweg gebilligt wird. Am zurückhaltendsten sind bis jetzt unsere nordischen Freunde. Zwar ward gleich Anfange von Kopenhagen aus die Bedeutung unseres Fundes und die Nothwendigkeit einer Revision der dortigen Sammlungen bereitwillig zugestanden, seitdem aber verlautet nichts weiter darüber. Indessen dürfte die in Aussicht gestellte Arbeit bei der großen Masse der einschläglichen Alterthümer der gedachten Sammlungen voraussichtlich eine sehr bedeutende und zeitraubende sein, da anscheinend der Ursprung des größeren Theiles der Alterthümer aus der älteren Eisenperiode durch die neue Entdeckung in Frage gestellt sein wird. Aus mehren Gegenden Deutschlands, namentlich aus Hannover, sind dagegen Nachrichten eingelaufen, wonach dort in Folge der von hier aus gegebenen Anregung gleichfalls mehre, den unserigen durchaus ähnliche, ältere und neuere Funde bekannt geworden sind.

Von dem neuesten 36. Bande der Jahrbücher konnte die erste Hälfte, den geschichtlichen Theil umfassend, bereits in der Generalversammlung am 11. d. M. gebunden vorgelegt werden. Derselbe enthält zunächst zwei Abhandlungen von Lisch zur Geschichte Wallenstein's, nämlich über die Form der Regierung dieses berühmten Usurpators in Meklenburg, und dessen letzte Kammer= und Hof=Ordnung bei seinem Abzuge aus dem Lande. Die erste Abhandlung giebt eine vollständige Uebersicht der von Wallenstein eingeführten Reformen in den Regierung=, Justiz= und Verwaltungs=Behörden seines neuen Herzogthums, also ein ziemlich vollständiges Schema seines ganzen Regierungsbetriebs, das umsomehr an Interesse gewinnt, je genauer man dasselbe mit den sehr abweichenden älteren und andererseits mit den neueren Verhältnissen nach der Rückkehr der legitimen Herzoge vergleicht, welche die Einrichtungen des Usurpators fast ganz bei Bestand ließen. Die zweite Mittheilung ist ein Abdruck der Instruction, welche Wallenstein bei seiner Abreise seinem "Kammer=Regenten" Heinrich Kustoz zurückließ. - Außerdem enthält dieser Band eine ausführliche Schilderung der Händel des Wismarschen Bürgermeisters Peter Langjohann mit dem Herzoge Heinrich dem Dicken in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus den Acten des Stadtarchivs, eine Arbeit unsers verehrten Mitgliedes und Mitarbeiters Dr. Crull zu Wismar, welche eben so wichtig für die Geschichte der Stadt, als für die Charakteristik der Regierung des genannten Herzogs und seiner Zeit überhaupt ist. - Den Hauptinhalt der unter

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der Presse befindlichen zweiten Abtheilung dieses Bandes, d. h. des Jahrbuches für Alterthumskunde, bildet eine umfängliche Beschreibung des ehrwürdigen Domes zu Schwerin, dessen gründliche Restauration eben vollendet ist.

Für den nächstfolgenden Band auf das Jahr 1872, dessen Druck im bevorstehenden Herbste beginnt, ist das Material bereits vollständig ausgewählt, wenngleich in der jüngsten Zeit wenig neue Arbeiten eingeliefert worden sind.

Das erste Heft des durch den Krieg in seinem Fortgange etwas gestörten mittelniederdeutschen Wörterbuches von dem Oberlehrer Dr. Schiller in Schwerin und dem Dr. Lübben, Gymnasiallehrer in Oldenburg, Herausgeber des Reinecke Voß und mehrer anderer niederdeutscher Schriften, wird in der nächsten Zeit ausgegeben werden. Dasselbe erscheint als Probeheft mit der Einladung zur Subscription auf das ganze Werk, dessen Schicksal daher von der Aufnahme dieses Heftes abhängt. Bei der großen Liebe und dem unausgesetzten Fleiße, womit das Unternehmen durch seinen ersten Gründer, den uns näherstehenden Herrn Dr. Schiller, und nach dessen Zeugniß nicht minder von seinem nunmehrigen Mitarbeiter, seit einer Reihe von Jahren vorbereitet worden ist, und bei der auf diesem Gebiete bereits bewährten Tüchtigkeit beider Herausgeber darf man indeß nicht bezweifeln, daß das Urtheil der competenten Richter über diese Probe günstig ausfallen und damit die Verwirklichung des ganzen für die deutsche Sprachkunde hochwichtigen, ja nothwendigen Unternehmens gesichert sein werde. Das gedachte Heft, dem das Verzeichniß der 277 durchforschten Werke, worunter etwa 50 Handschriften und alte Drucke, vorangestellt ist, umfaßt auf 8 Bogen (außer dem den ersten Bogen füllenden Quellenverzeichnisse) den Buchstaben A. fast vollständig und läßt darnach den Umfang des ganzen Werkes ziemlich genau erkennen. Die einzelnen Artikel sind möglichst gedrängt gefaßt, geben aber neben der kurzen Entwickelung der Bedeutung und Abstammung überall die nöthigen Beläge aus den Quellen, welche mit großer Sorgfalt ausgewählt sind und zugleich einen reichen Schatz für die Sitten= und Culturgeschichte unseres Volksstammes enthalten. Wirkliche Vollständigkeit zu erreichen, ist zur Zeit unmöglich, aber man wird hier sicher äußerst selten ein Wort vermissen, das nach Ableitung und Bedeutung dem natürlich als bekannt vorausgesetzten hochdeutschen Sprachschatze gegenüber irgend eine Eigenthümlichkeit aufzuweisen hat und zugleich aus einer mittelniederdeutschen Handschrift zu belegen war. Ueber diese letztere,

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von den Herren Herausgebern für nothwendig erachteten und daher schon durch den Titel ausgesprochenen Beschränkung ließe sich vielleicht rechten. Jedenfalls aber ist hier eine völlig gesicherte Grundlage gegeben, an welche sich eine Sammlung der wenigen, nur in der heutigen, vielfach verdorbenen Volksmundart erhaltenen Wörter leicht durch einen Anhang anreihen lassen wird, wenn das Bedürfniß sich herausstellen sollte. Das Werk bedarf daher meiner Empfehlung nicht und bemerke ich nur noch, daß die rasche Fortsetzung desselben, sobald die Druckkosten gedeckt sein werden, vollständig gesichert ist, da die ganze Handschrift von A-Z. druckfertig vorliegt.

Die beabsichtigte und von unserem Vereine gleichfalls nach Kräften unterstützte Herausgabe einer meklenburgischen Sagensammlung, die im ganzen Lande große und erfolgreiche Teilnahme gefunden hat, ist durch die Berufung des Bearbeiters, Herrn Professors Dr. Bartsch, von Rostock nach Heidelberg leider auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Herr Professor Bartsch schreibt auf desfallsige Anfrage unseres ersten Secretairs, Herrn Geh. Archivraths Lisch, daß er die ihm anvertrauete handschriftliche Sammlung "als heiliges Vermächtniß aus Meklenburg" mitnehme und deren Herausgabe besorgen werde, sobald die neuen Verhältnisse dies gestatteten. Einen bestimmten Zeitpunkt könne er aber nicht festsetzen. Es wird sich daher empfehlen, daß alle diejenigen, welche etwa noch neue Beiträge zu liefern haben, diese einstweilen an den Vereins=Ausschuß zu Händen des Herrn Geh. Archivraths Lisch einsenden. Eine Probe der Sammlung ist inzwischen bereits in einem Artikel der Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde, Heft 3, unter dem Titel: "Die Kudrunsage" (von Bartsch und Schroer) veröffentlicht worden. Die Herren Verfasser weisen nämlich nach, daß meklenburgische, aus dem Munde des Volkes geschöpfte Sagen, dem genannten altdeutschen Sagenkreise angehören, der sich hiernach merkwürdiger Weise in unser entlegenes, ehemals slavisches und erst im 13. Jahrhundert der deutschen Cultur wiedergegebenes Land gerettet hätte und hier theilweise noch fortlebt.

Auch außerhalb des Vereins ist eben keine Abnahme des Interesses für die Geschichte unserer Heimath nachzuweisen, vielmehr könnte man glauben, daß auf diesem Felde unserer Literatur grade in dem letzten stürmischen Jahre eine ungewöhnliche Regsamkeit stattgefunden hätte, wenn man die Zahl und die Bedeutung der hierher gehörigen Erscheinungen erwägt. Aber freilich ist das nur die Ernte der in früheren

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Jahren gereiften Früchte! Vor allen habe ich hier zwei Werke hervorzuheben, theils ihrer inneren Bedeutung wegen, theils weil sie durch ihre Verfasser, die der Verein zu seinen Mitgliedern gezählt, doch insoweit auch dem letzteren angehören. Ich meine den ersten Band der Geschichte der Familie v. Blücher von dem Herrn Archivar Dr. Friedr. Wigger und eine Geschichte des Geschlechtes v. Kamptz von dem Herrn C. G. J. v. Kamptz in Schwerin.

Das erstgenannte Werk giebt uns auf 24 Bogen gr. Octav die Geschichte des alten, ausgebreiteten Geschlechtes der v. Blücher, dessen Name durch seinen größten Sohn, den Feldmarschall Fürsten Gebhard Lebrecht Blücher, der ganzen gebildeten Welt bekannt geworden ist, vom Anfange des 13. bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts. Darauf folgt ein 34 Bogen starkes Urkundenbuch mit 606 Urkunden dieses Zeitraumes, jedoch größtentheils nur in Regesten. Endlich sind dem Texte eine umfängliche Stammtafel und 6 lithographische Tafeln mit sehr sauberen Abbildungen von 29 Siegeln und 2 Leichensteinen der Familie beigegeben. Es ist natürlich nicht meine Aufgabe, diese überaus gründliche und in echt wissenschaftlichem Geiste durchgeführte Arbeit meines Herrn Collegen einer eingehenden Kritik zu unterwerfen, doch kann ich nicht unterlassen, zur allgemeinen Charakteristik derselben hinzuzufügen, daß der Verfasser sich überall bemühet hat, den einzelnen sorgfältig aufgeführten Biographien einen auf durchaus selbstständiger Forschung beruhenden historischen Hintergrund zu geben, so daß das Werk in einzelnen Parthien aus einer einfachen Familien=Geschichte fast zu einer Geschichte Meklenburgs geworden ist.

Das Werk des Herrn v. Kamptz ist nicht etwa eine bloße Ergänzung der ähnlichen älteren Arbeit seines Oheims, des bekannten meklenburgischen Canzleiraths zu Strelitz und spätern preußischen Geh. Raths und Ministers, in Meklenburg noch heute hochgeschätzten juristischen Schriftstellers Carl Chr. Albr. Heinr. v. Kamptz, sondern eine selbstständige Geschichte dieses alten meklenburgischen Adelsgeschlechtes, die auf vieljährigen und gründlichen archivalischen Studien beruhet. Der Herr Verfasser hat seine Aufgabe in einem 25 Bogen gr. 8. starken Bande bis auf die neueste Zeit fortgeführt und dem Texte ein noch 5 Bogen starkes Urkundenbuch mit 57 vollständigen, größtentheils bisher ungedruckten Documenten, sowie 11 Stammtafeln angehängt. Das Werk ist übrigens nicht eigentlich für die Oeffentlichkeit bestimmt und wird daher nicht in den Buchhandel kommen,

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sondern will nur als Familienbuch gelten, giebt aber gleichwohl nicht unwichtige Beiträge zur allgemeinen Landesgeschichte, z. B. S. 10-18 einen Abriß der älteren Geschichte des Landes Waren und seiner Adelsgeschlechter, zu welchen eben auch das der v. Kamptzen gehörte, und S. 193-229 die umfängliche, für die Geschichte seiner Zeit, der Mitte des 16. Jahrhunderts, sehr lehrreiche Biographie des Levin v. Kamptz.

Weiter ist hier eine Arbeit des Herrn Lehrers Fr. Wagner in Parchim zu nennen, deren Anfang unter dem Titel: "Parchim im siebenjährigen Kriege" in dem Archive für Landeskunde, Jahrg. 1870, S. 156-176 und S. 321-352, abgedruckt ist. Durch das bedauerliche Eingehen dieser bekanntlich unter der Redaction unseres Mitgliedes, Herrn Ministerial=Secretairs Dr. Wedemeier, stehenden, namentlich für das Studium unserer ständischen Verhandlungen künftig sehr werthvollen Zeitschrift, nach 20jährigem Erscheinen, ist aber leider auch der Druck dieser im Manuscript fertigen Abhandlung, zu welcher nicht nur das raths= und vorderstädtische Archiv zu Parchim, sondern auch das Großherzogliche Geh. und Haupt=Archiv sehr fleißig benutzt ist, nach dieser ersten, nur 6 Monate des Jahres 1758 umfassenden Probe unterbrochen worden. Wenn die Rücksicht auf den sehr beschränkten Absatzkreis solcher Specialgeschichten dem Wunsche des Verfassers, einen Verleger für die selbstständige Herausgabe der Abhandlung zu finden, hindernd im Wege stehen sollte, so mache ich darauf aufmerksam, daß dieselbe sich keineswegs ausschließlich mit der Stadt Parchim beschäftigt, sondern überhaupt den Druck schildert, unter welchem Meklenburg während dieses Krieges seufzte, und eigentlich nur an dem Beispiel jener Stadt im Detail erläutert.

Dieselbe Zeitschrift enthält in ihrem letzten Jahrgange S. 305-320 auch eine Abhandlung des Herrn Secretairs Fromm in Schwerin: "Die Streitigkeiten der Herzoge von Meklenburg Magnus II. und Balthasar mit der Stadt Rostock wegen der Gründung eines Dom=Collegiat=Stiftes daselbst, 1487-1491." Dieser chronistisch geordneten Erzählung liegen handschriftliche Nachrichten in dem Archive zu Rostock aus dem 16. Jahrhundert zum Grunde, die aber wieder nur Abschriften von älteren, wahrscheinlich also ziemlich gleichzeitigen Originalen sind und eine wesentliche Bereicherung unserer Literatur über die Geschichte jener in ihrem ganzen Verlaufe so höchst interessanten Streitigkeiten bilden. Die Freunde der meklenburgischen Ge=

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schichte sind daher dem Verfasser, gleichfalls Mitgliede des Vereins, für diese Mittheilung zum Danke verpflichtet.

Endlich darf ich eine im Auslande erschienene kleine Broschüre über eine Episode aus dem Kriege von 1866 nicht unerwähnt lassen, da sie sich speciell mit dem Antheile unseres Landesherrn und unserer Truppen an diesem Kampfe beschäftigt. Der Titel giebt den Inhalt genauer an: "Blätter aus dem Tagebuche des ersten Bürgermeisters der Stadt Nürnberg, Maximilian v. Wächter, die Occupation der Stadt Nürnberg durch das zweite K. preußische Reservecorps unter dem Commando Sr. K. H. des Großherzogs von Mecklenburg=Schwerin im Jahre 1866 betreffend. Nürnberg 1870." Der Bericht ist durchaus parteilos gehalten und liefert einen neuen Baustein zur Erhöhung des Ruhmes unseres Fürsten und der Ehre unserer Truppen.

In Betreff der hierher gehörigen Literatur des Jahres 1869, deren Besprechung in Folge meiner Abwesenheit zur Zeit der Generalversammlung von 1870 in dem betreffenden Berichte unterblieben ist, darf ich jetzt auf das Archiv für Landeskunde von 1870, S. 118 ff., verweisen.

Die auswärtigen Beziehungen unseres Vereins haben sich durch die Gründung zweier neuer Gesellschaften erweitert, die zwar zur Zeit nicht formell zu den mit uns zu Correspondenz und Schriftenaustausch verbündeten Gesellschaften und Instituten gehören, aber mit uns dasselbe Ziel verfolgen, so daß eine vielfache Berührung nicht ausbleiben kann. Es sind dies die durch die Bemühungen des Herrn Professors Virchow zu Berlin am 1. April 1870 zu Mainz gegründete deutsche anthropologische Gesellschaft und der Pfingsten d. J. zu Lübek zusammengetretene Verein für die Geschichte der Hansa. Wenngleich die erstgenannte Gesellschaft, welche sich die Erforschung der Anthropologie im weitesten Sinne des Wortes zur Aufgabe gestellt, uns auf den ersten Blick ziemlich ferne zu stehen scheint, so tritt derselbe doch dadurch, daß er die Urgeschichte des Menschen und die Ethnologie ausdrücklich und vorzugsweise zu dem Kreise seiner Forschungen rechnet, auf rein historisches Gebiet und zwar in einer Richtung, die auch unser Verein von Anfang an, wenngleich zunächst mit der Beschränkung auf unsere Heimath, mit besonderer Liebe, und ich darf wohl sagen, mit besonderem Glücke verfolgt hat, so daß sich unser Gesichtskreis ungesucht und, durch die Verhältnisse gezwungen, sehr bald und in verschiedenen Zeiten weit über unsere Grenzen

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erweitert hat. Es war daher kaum zu vermeiden, daß sich bald nähere Beziehungen beider Vereine bilden mußten, und das ist denn auch in der That sofort nach der Gründung der neuen Gesellschaft durch die Wahl Schwerins zum Orte der ersten Generalversammlung im Herbste 1870 und zwar mit ausdrücklichem Bezug auf die Sammlungen unseres Vereines geschehen. Zwar hat der unerwartete Ausbruch des Krieges den wirklichen Zusammentritt dieser Versammlung verhindert, aber sie ward nur vertagt und ist nun für dies Jahr auf den 22. bis 24. September abermals nach Schwerin berufen. Organ der Gesellschaft ist das unter der Redaction des Herrn Prof. Semper zu Würzburg in Braunschweig erscheinende "Correspondenzblatt", wovon zur Zeit 4 Nummern vorliegen, durch deren Inhalt sich diese Zeitschrift sofort zugleich als wirkliches Centralblatt für die alterthumsforschenden deutschen Specialvereine legitimirt.

Der Verein für die Geschichte der Hansa, welcher sich in der Versammlung vom 30. und 31. Mai d. J. fest constituirt hat, macht uns seiner Aufgabe nach natürlich direct Concurrenz, d. h. wir gehen eine gute Strecke desselben Weges mit ihm, hoffentlich stets in guter nachbarlicher Freundschaft und mit gegenseitiger Unterstützung, so daß wir nicht anstehen dürfen, den jüngeren Concurrenten als einen neuen Mitarbeiter von Herzen willkommen zu heißen.

Der Gesammtverein der deutschen Geschichte und Alterthumsvereine, dessen Generalversammlung im vorigen Jahre gleichfalls durch den Krieg gestört ward, hat dieselbe für dies Jahr auf den 18. bis 22. September nach Naumburg a. S. ausgeschrieben, also an den der Versammlung des anthropologischen Vereines unmittelbar vorhergehenden Tagen, d. h. leider einige, oder vielleicht nur einen Tag zu spät, um den dort versammelten Geschichtsforschern auch die Theilnahme an der Schweriner Versammlung möglich zu machen. Gewiß ist sehr zu wünschen, daß beide Vereine künftig ihre Versammlungen womöglich an demselben Orte nacheinander abhielten, ja vielleicht möchte selbst die Vereinigung der beiderseitigen literarischen Organe ausführbar sein, etwa in der Art, daß das anthropologische Correspondenzblatt in einer besonderen Abtheilung unter Redaction eines Historikers die rein historischen Artikel aufnähme. Es ist das indessen vorläufig nur ein zur Prüfung hingeworfener flüchtiger Gedanke, der durch den Vergleich des Inhalts beider Zeitschriften hervorgerufen ward.

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Die neuen Erwerbungen für die verschiedenen Sammlungen des Vereins, deren ungewöhnliche Geringfügigkeit ich schon in den ersten drei Berichten dieses Jahres zu beklagen hatte, waren in dem letzten Quartale noch unbedeutender und blieben gerade für die wichtigste, die Alterthumssammlung, fast ganz aus, wie aus den unter

Litt. A — E

anliegenden Verzeichnissen hervorgeht. Der Gewinn des ganzen Jahres beträgt daher für die Alterthumssammlung aus der Steinzeit - abgesehen natürlich von dem für die Großherzogliche Sammlung gemachten, nicht unwichtigen Ankauf aus dem v. Rantzau'schen Nachlasse - nicht mehr als 10 Stück, aus der Bronzezeit 23 St., worunter jedoch ein eigenthümlicher Goldring und mehre seltene Bronzesachen, aus der Eisenzeit nur 3 Spindelsteine, an heidnischen Alterthümern fremder Völker 5 im Auslande - Italien und Aegypten - gefundene Stücke, und endlich aus dem christlichen Mittelalter 19 Stück. Die Münzsammlung vermehrte sich um 11 Nummern, worunter 2 römische und 1 arabische Münze, in Meklenburg gefunden. Die Bildersammlung erwarb 1 Portrait, 3 Ansichten, 2 Zeichnungen von Alterthümern und 3 Karten. Selbst die Erwerbungen der Büchersammlung, die sonst immer so ziemlich constant zu sein pflegen, betrugen diesmal nur 115 Bände, worunter 18 Meclenburgica. Zur Urkundensammlung gingen 2 Stück ein, wogegen die Siegelsammlung und die Naturaliensammlung ganz leer ausgingen. - Auch an Besuch der Sammlungen durch fremde Gelehrte fehlte es in diesem Jahre fast ganz. Alle diese Erscheinungen sind offenbar, wenigstens zum größten Theile, Folgen des Krieges, dessen sichtbare Spuren wir schon mehrmals angetroffen haben.

Die Cassenverhältnisse des Vereins ergeben sich aus dem Berichte des Herrn Berechners in der Anlage

Litt. F,

welcher im Vergleiche mit dem vorigjährigen im Ganzen günstig für den Stand der Casse lautet. Die ordentliche Einnahme, nach Abzug des Cassenvorraths und der eingezogenen Capitalien, ist in beiden Jahren fast gleich geblieben: 636 Thlr. 38 1/2 ßl. pro 1870 gegen 632 Thlr. 36 1/2 ßl. pro 1871, wogegen die Ausgabe für die laufenden Bedürfnisse (von den belegten Capitalien abgesehen) dies Jahr nur 453 Thlr. 22 ßl. gegen 832 Thlr. 9 1/2 ßl., also

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398 Thlr. 35 1/2 ßl. weniger betrug. Der Grund dieser Differenz liegt wesentlich in den außerordentlichen Druckkosten des vorigen Jahres, zu deren Deckung ein bei der Reluitionscasse stehendes Capital von 400 Thlrn. eingezogen werden mußte, wovon jedoch einstweilen 103 Thlr. 6 1/2 ßl. bei der Sparcasse wieder belegt werden konnten, in Folge dessen der Cassenvorrath beim Abschluß der Rechnung 294 Thlr. 21 1/2 ßl. betrug, gegenwärtig aber auf 468 Thlr. 39 1/4 ßl. gewachsen ist. Das Vermögen des Vereins beträgt daher nunmehr incl. des Cassenvorraths 2165 Thlr. 39 1/4 ßl., gegen 1984 Thlr. 24 3/4 ßl., also 181 Thlr. 14 1/2 ßl. mehr als 1870.

Was endlich die Matrikel des Vereins, d.h. die Personalverhältnisse betrifft, so habe ich zuvörderst zu melden, daß auf der letzten Generalversammlung am 11. d. M. die sämmtlichen Beamten und Repräsentanten wiedergewählt worden sind, so daß der Ausschuß des Vereins auch für das nächste Jahr aus folgenden Herren besteht:

Präsident: Ministerpräsident Graf v. Bassewitz, Excellenz,
Vicepräsident: Staatsrath Dr. Wetzell,
Erster Secretair: Geh. Archivrath Dr. Lisch,
Zweiter Secretair: Archivrath Dr. Beyer,
Berechner: Ministerial=Secretair Dr. Wedemeier,
Bibliothekar: Oberlehrer Dr. Schiller,
Repräsentanten:
          Prorector Reitz,
          Archivar Dr. Wigger,
          Justizrath v. Prollius,
          Revisionsrath Balck.

Ebenso sind auch

der Herr Archivrath Pastor Masch zu Demern, als Aufseher der Münzsammlung, und
Herr Architekt Stern hieselbst, als Aufseher der Bildersammlung,

auf ihren Plätzen geblieben.

Rücksichtlich der ordentlichen Mitglieder hat der Verein zwar nach beiden Seiten hin durch Abgang und Beitritt sehr bedeutende Veränderungen erlitten, die sich aber der Zahl nach gerade ausgleichen, so daß der Verein, welcher nach Ausweis der letzten gedruckten Liste am 11. Juli 1870 265 Mitglieder zählte gegenwärtig wiederum eben so stark ist. Wir haben nämlich 12 meistens alte, vieljährige Freunde durch den Tod verloren, nämlich die Herren Friedr. v. Blücher auf Quitzenow, Hauptmann v. Haeften auf

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Erpath bei Xanthen, General=Auditeur Driver in Schwerin, Kammer=Präsident v. Grävenitz in Neustrelitz, Hauptmann Heino v. Rantzau in Rostock, Dr. med. Siemssen in Rostock, Major v. Graevenitz auf Waschow, Kirchenrath Fromm zu Parkentin, Bürgermeister Hofrath Engel in Röbel, Amtshauptmann Krüger in Schwerin und Peter Manecke auf Duggenkoppel, deren Tod schon in den ersten Quartalberichten d. J. gemeldet worden ist. Zu ihnen kam dann in dem jüngsten Quartale noch der hochbejahrte Kirchenrath Karsten, Pastor und Präpositus zu Vilz, hinzu. Der Verstorbene hatte als 21 jähriger Jüngling den Feldzug von 1813 in dem Lützowischen Freicorps mitgemacht 1 ) und erwarb sich nach wiedergewonnenen Frieden nicht bloß durch die treue Verwaltung seines Pfarramtes, sondern auch durch seine Wirksamkeit als vieljähriger Hauptsecretair des Patriotischen Vereins und als Herausgeber der landwirthschaftlichen Annalen, des Organs der genannten Gesellschaft, allgemein anerkannte Verdienste. Unserm Vereine trat er bereits am 13. September 1835, gleich nach dessen Stiftung, bei. Er starb am 13. September 1871, fast 79 Jahre alt. - Außerdem haben noch 3 Mitglieder, die Herren Amtmann v. Flotow zu Wittenburg, Baron v. Meerheimb auf Wokrent und der gleich darauf verstorbene Oberappellationsgerichtsrath Schmidt zu Rostock gekündigt.

Wir haben also im Ganzen den Verlust von 15 ordentlichen Mitgliedern zu beklagen, wogegen uns gerade eben so viel Herren durch ihren Beitritt erfreueten, namentlich die Herren Ministerialrath Schmidt, Oberzollrath Boccius, Baurath Wachenhusen, Auditeur Sohm und Amtsverwalter Kundt, in Schwerin, Dr. Hostmann in Celle, Gymnasial=Director Dr. Raspe in Güstrow, Cassier Wiechel in Schwerin, Bürgermeister Dahse in Güstrow, Candidat Rönnberg zu Beckentin bei Grabow, Lieutenant Rettich und Lieutenant v. Flotow=Woldzegarten z. Z. in Schwerin, Amtsverwalter v. Bülow in Doberan, sowie in dem letzten Quartale die Herren Senator Altvater in Güstrow und Advocat W. Krull daselbst.

In Betreff der hohen Protectoren und Beförderer des Vereins, sowie der Ehren= und correspondirenden


1) Merkwürdiger Weise gehörte also 2/3 unserer Todten jetzt oder früher dem Militairstande an, als ob der neue Siegesdonner vom Rheine her sie zur ewigen Ruhe gerufen hätte!
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Mitglieder habe ich überall keine Veränderungen zu melden, und in Betreff der mit uns zu gemeinsamem Streben verbündeten Gesellschaften nur den Beitritt des 1867 gestifteten Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Hohenzollern zu Sigmaringen.

Am Schlusse dieses Abschnittes meines Berichtes kann ich mir nicht versagen, noch ein Novum mitzutheilen, das zwar nicht den Verein selbst, aber dessen Gründer und Leiter, und Hauptrepräsentanten im Auslande, betrifft: die Verleihung des Königlich preußischen Kronen=Ordens 2. Klasse durch Se. Majestät den Deutschen Kaiser und König von Preußen, des allerhöchsten Beförderers unseres Vereines, an dessen ersten Secretair, Geh. Archivrath und Conservator Dr. Lisch.

Auch mir, dem unterzeichneten zweiten Secretair, ist eine Ueberraschung anderer Art zu Theil geworden, worüber mir, als Annalisten des Vereins, in Kürze zu berichten die Pflicht obliegt. Am Schlusse der letzten, stärker als leider seit langer Zeit besuchten Generalversammlung brachte mir mein Freund und College, Herr Geh. Archivrath Lisch, Namens der Versammlung deren Glückwunsch zu der 25 jährigen Verwaltung meines Amtes als Archivsecretair und zugleich des Secretariats des Vereins in warmen Worten dar und überreichte mir zugleich eine von ihm verfaßte, höchst interessante historisch=numismatische Abhandlung mit dem Widmungs=Titel: "Seinen 25 jährigen Secretair, den um die vaterländische Geschichtsforschung hochverdienten Mann und Vaterlandsfreund, Herrn Dr. W. G. Beyer, Großherzoglich Meklenburgischen Archivrath, begrüßt mit Dank und Verehrung in der Generalversammlung am 11. Julii 1871 der Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde." Die Abhandlung selbst, welche demnächst in dem diesjährigen Bande der Jahrbücher veröffentlicht ward, handelt in unmittelbarem Anschlusse an meine erste, vor 25 Jahren unter dem Titel: "Urkundliche Geschichte des Fürsten Pribislav I. von Parchim" in eben diesen Jahrbüchern gedruckte historische Arbeit, "über eine Münze des Edlen Herrn Richard v. Frisack", Pribislav's Schwager. Es ist ein Bedürfniß der hochverehrten Versammlung, meinen sofort mündlich ausgesprochenen tiefgefühlten Dank für diese mir völlig unerwartet bewiesene, mich hochehrende Theilnahme, sowie meine herzliche Freude über die Versicherung meines Freundes und Collegen, daß auch er auf unser stets ungetrübtes Zusammenwirken während eines Vierteljahrhunderts einigen Werth legt und mit Ver=

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gnügen zurückblickt, hier nochmals öffentlich zu wiederholen. Es soll an mir nicht fehlen, nach Kräften dahin zu streben, daß dies Verhältniß auch fernerhin fortdauere, so lange es Gott gefällt!

W. G. Beyer , Dr., Archivrath,     
als zweiter Secretair des Vereins.      

 


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Beilage Lit. A.
horizontale Klammer

Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die Alterthumssammlung.
(Von Ostern bis Johannis 1871.)


1) Aus der heidnischen Zeit.

2 Spindelsteine aus der Eisenzeit, gefunden in der Lewitz, geschenkt von dem Herrn Kammer=Ingenieur Alban in Schwerin.

2) Aus dem christlichen Mittelalter.

Ein bronzener Drathgürtel aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, gefunden auf einem später zum Kirchhofe geweiheten Ackerstücke zu Diedrichshagen bei Grevesmühlen, 4 Fuß tief unter einem Stein im Acker neben etwas Eisenwerk und Pferdeknochen, geschenkt von dem Herrn Pastor Schliemann daselbst.

Eine Lanzenspitze aus Eisen, gefunden zu Schwerin in der Apothekerstraße unter ausgegrabenem Bauschutte, geschenkt von dem Schüler Fritz Wigger daselbst.

Eine mittelalterliche Gußform aus Sandstein zu unbekanntem Gebrauch, geschenkt von dem Herrn Portraitmaler Th. Fischer in Schwerin.

Außerdem schenkte der Artillerist Herr Stuhr aus Schwerin eine auf dem letzten Feldzuge nach Frankreich in einem Keller von Paris gefundene alte zweizinkige Gabel mit Messingbeschlag und der Jahreszahl 1799.


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Beilage Lit. B.
horizontale Klammer

Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die Münzsammlung.
(Von Ostern bis Johannis 1871.)


1 alter Groschen der Stadt Lübek o. J., gefunden auf dem Kirchhofe zu Sülten, geschenkt von dem Herrn Pastor Groth zu Kittendorf.

4 französische Medaillen, nämlich:

eine Kupfer=Medaille auf das Marsfeldfest zu Paris, 14. Mai 1848;

eine Kupfer=Medaille auf das Eintrachtsfest zu Paris, 21. Mai 1848;

eine Blei=Medaille auf den Sieg Cavaignac's über die Pariser Insurrection, 26. Junii 1848, aus dem Kugelblei der Insurgenten, und

eine Bronz=Medaille auf die Erwählung Napoleons zum Präsidenten der Republik 1848;

von dem Herrn Premier=Lieutenant v. Santen aus Frankreich mitgebracht und dem Vereine geschenkt.


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Beilage Lit. C.
horizontale Klammer

Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die Bildersammlung.
(Von Ostern bis Johannis 1871)


Abbildung des Brandes der Stadt Grabow, 3. Junii 1725. Kupferstich mit der Inschrift:

Das durch Feuers Wuth vorbrande Grabau.

Geschenk des Herrn Dr. Crull in Wismar.

Außenansicht des Klosters Rühn mit dem ganzen Personal des dortigen Verwundeten=Lazareths des Herrn v. Plessen daselbst. Photographie von Riesebeck 1871, Geschenk des Herrn Dr. med. Hüen zu Rostock.

Ansicht der Stadtwage zu Rostock am Schilde. Photographie von Dethlof 1870, Geschenk des Herrn Dr. med. Hüen daselbst. Vgl. Anl. E.


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Beilage Lit. D.
horizontale Klammer

Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die Büchersammlung.
(Von Ostern bis Johannis 1871.)


I. Russische Ostsee=Provinzen.

  1. Beiträge zur Kunde Ehst=, Liv= und Kurlandes. Bd. I, 3. Reval 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. Ehstländ. Literarischen Gesellschaft.)

II. Belgien.

  1. Revue de la Numismatique Belge. Serie V. Tome II, III. Bruxelles. 8°. (Tauschexemplar v. d. Belgischen Numismatischen Gesellschaft in Brüssel.)
  2. Bulletin de la Société scientifique et littéraire du Limbourg. Tome XI. Tongres 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

III. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Jahrg. XIX, 3 und 4. (Zwei Exemplare.)

IV. Oesterreich.

  1. Fontes Rerum Austriacarum. Bd. XXX und XXXIII. Wien 1870. 8°.
  2. Archiv für österreichische Geschichte. Bd. XLII, 1. 2. XLIII, 1. XLIV, 1. 2. Wien 1870. 8°.
  3. Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Bd. LXIII, LXIV, LXV und LXVI, 1. Wien 1870. 8°.
    (Nr. 5-7 Tauschexemplare v. d. genannten Akademie.)
  4. Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. I, Nr. 7 und 8. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)
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  1. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. Heft 18. Graz 1870. 8°.
  2. Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen. Jahrg. VII. Graz 1870. 8°.
    (Nr. 9 und 10 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)
  3. Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Jahrg. VII, VIII und IX. Prag 1869 bis 71. 8°.
  4. Die Vorschuß= und Kredit=Vereine (Volksbanken) in Böhmen, von Dr. jur. V. John. Prag 1870. 8°.
    (Nr. 11 und 12 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)

V. Bayern.

  1. Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg. Bd. XXVII. Stadtamhof 1871. 8°.
    (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

VI. Württemberg.

  1. Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm in Oberschwaben. Neue Reihe. Heft 2 und 3. Ulm 1870 und 71. 4°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

VII. Baden.

  1. Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts=, Alterthums= und Volkskunde von Freiburg im Breisgau. Bd. II, 1, 2. 1870 und 71. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Gesellschaft.)

VIII. Sachsen.

  1. Mittheilungen des Geschichts= und Alterthums=Vereins zu Leisnig im Königreich Sachsen. Heft 2. Leisnig 1871. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)

IX. Hannover.

  1. Mittheilungen des historischen Vereins zu Osnabrück. Bd. IX. Osnabrück 1870. 8°. (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)
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X. Nassau.

  1. Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung. Bd. X. Wiesbaden 1870. 8°.
  2. Urkundenbuch der Abtei Eberbach im Rheingau. Bd. II, 2. Wiesbaden 1870. 8°.
    (Nr. 18 und 19 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)

XI. Preußen. Sachsen. Rheinland.

  1. Altpreußische Monatsschrift. Bd. VIII. Heft 1. 2. 3. Königsberg 1871. 8°. (Tauschexemplar v. d. Alterthumsgesellschaft Prussia.)
  2. Monumenta Historiae Warmensis. Bd. V. Braunsberg 1870. 8°.
  3. Zeitschrift für die Geschichte und Alterthumskunde Ermlands. Braunsberg 1870. 8°.
    (Nr. 21 und 22 Tauschexemplare v. d. historischen Vereine für Ermland.)
  4. Geschichts= Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrg. VI, 1. (Tauschexemplar v. d. Vereine für Geschichte und Alterthumskunde des Herzogtums und Erzstiftes Magdeburg.)
  5. Zeitschrift des Harz=Vereins für Geschichte und Alterthumskunde. Jahrg. III, 2. 3. 4. Wernigerode 1870. 8°.
  6. Festschrift zur dritten ordentlichen Hauptversammlung des Harz=Vereins. Wernigerode 1870. 8°.
    (Nr. 24 und 25 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)
  7. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Heft XLIX Bonn 1870. 8°.
  8. Der Grabfund von Wald=Algesheim. Erläutert von Ernst aus'm Weerth. Bonn 1870. 4°.
    (Nr. 26 und 27 Tauschexemplare v. d. genannten Vereine.)

XII. Lübek.

  1. Urkunden=Buch der Stadt Lübeck. Theil IV. Lief. 2 bis 5. Lübeck 1870. 4°. (Tauschexemplar v. d. Vereine für Lübeker Geschichte und Alterthumskunde.)
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XIII. Meklenburg.

  1. Achiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg. 21. Jahr. Neubrandenburg 1871. 8°.
    (Tauschexemplar v. d. genannten Vereine.)
  2. Programm des Friedrich=Franz=Gymnasiums zu Parchim. Ostern 1871. 4°. Beilage: "Züge deutscher Sitte und Gesinnung, von Dr. Albert Freybe. 8°." (Geschenk des Herrn Directors Dr. Hense.)
  3. Programm der großen Stadtschule zu Rostock. Ostern 1871. 4°. Inhalt: "Das neue Reich, von Dr. Eugen Labes." "Wissenschaftliche Abhandlung, von Dr. Julius Kipper," und "Schulnachrichten." (Geschenk des Herrn Directors Dr. Krause.)

K. Schiller, Dr., Oberlehrer,     
als Bibliothekar des Vereins.           


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Beilage Lit. E.
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Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die Urkundensammlung.
(Von Ostern bis Johannis 1871.)


Die Rostocker Stadt=Wäger=Taxe vom 15. Julii 1777. Auf Pergament gedruckt. Aus der im Jahre 1870 abgebrochenen Stadtwaage am Schilde zu Rostock. Geschenk des Herrn Dr. med. Hüen daselbst 1 ).


1) Die ältere Stadtwaage zu Rostock brannte im August 1677 ab. Die darauf 1679 erbauete, 1870 abgebrochene Waage, an deren Giebel 2 passende Bibelsprüche und die Jahreszahl 1679 standen, ward in neuerer Zeit nicht mehr benutzt. Auf der Stelle derselben ist ein Stein mit der Jahreszahl 1870 in das Straßen=Pflaster gelegt.
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Beilage Lit. F.
horizontale Klammer

Auszug
aus der Berechnung der Vereins=Casse vom 1. Julii
1870 bis zum 30. Junii 1871.

Berechnung der Vereins=Casse
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Berechnung der Vereins=Casse

Schwerin, den 30. Junii 1871.

F. Wedemeier, Dr., Ministerial=Secretair,     
z. Z. Cassen=Berechner.                    

 

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