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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Hünengrab von Mestlin.

Vgl. Jahrb. XXVII, S. 165 flgd.

Nach einem Berichte des Herrn Dr. Wiechmann zu Kadow wurden in einem Grabe der Steinzeit im "Mestliner Holze", bei Goldberg und Dobbertin, folgende Geräthe gefunden:

1 ganz geschliffener Keil aus Diorit, 14 Centim. lang und an der Schneide 6 1/2 Centim. breit;

1 ganz geschliffener Keil aus hellgrauem Feuerstein, 15 Centim. lang und an der Schneide 6 1/2 Centim. breit;

1 ganz geschliffener Schmalmeißel aus hellgrauem Feuerstein, 13 1/2 Centim. lang und an der Schneide 1 1/2 Centim. breit;

1 Schleuder st ein aus Granit, trichterförmig durchbohrt, oval, im größten Durchmesser 5 Centim., größte Dicke 3 1/2 Centim.;

1 Spindelstein(?) aus schwarzem Gestein, 4 1/2 Centim. im Durchmesser.

Die Alterthümer sind in den Besitz des Herrn Dr. Wiechmann gekommen, nach dessen Mittheilungen der vorstehende Bericht abgefaßt ist.

G. C. F. Lisch.     

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Hünengrab von Schwansee.

Nach glaubwürdigen genauen Mittheilungen ist vor mehreren Jahren zu Schwansee an der Ostsee bei Dassow ein "Hünengrab" abgetragen, in dem sich eine "ausgehöhlte Eiche" fand, in welcher ein "menschliches Gerippe" lag; neben dem Gerippe lag ein "geschliffener Keil", ein "nicht geschliffener Keil" und eine "durchbohrte Streitaxt". Leider ist nicht mehr zu erlangen gewesen als diese Nachricht.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Alt=Farpen.

Beim Bau einer Brücke zu Alt=Farpen bei Wismar auf dem Wege nach Robertsdorf ward eine Streitaxt von Diorit gefunden und von dem Herrn Pächter Baumann durch den wailand Herrn Gutsbesitzer Fischer auf Wendelstorf geschenkt. Die Axt, 4 1/2 Zoll lang, ist von alter Form, am Bahnende abgestumpft, und von beiden Seiten her ziemlich roh kegelförmig angebohrt, so daß das Schaftloch noch nicht vollendet und nicht ausgeschliffen ist.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt von Zippendorf.

Im Jahre 1869 ward in dem Holze zu Zippendorf bei Schwerin eine Streitaxt aus Diorit gefunden, welche außerordentlich selten und merkwürdig ist. Das Stück ward dem Herrn Advocaten Rennecke zu Schwerin gebracht, der dasselbe noch besitzt, jedoch die Freundlichkeit gehabt hat, die Untersuchung und wissenschaftliche Benutzung zu gestatten. Die Streitaxt, welche nur klein, etwa 4 Zoll lang ist, ist noch nicht fertig. Es ist ein paßlicher Stein dazu gewählt, welcher auf den Oberflächen durch Schlagen und Reiben ungefähr zu der beabsichtigten Form gebracht, jedoch noch nicht vollständig geformt und noch nicht geschliffen ist. Es ist der Anfang gemacht, das Bahnende abzuspitzen, ungefähr wie die Abbildung in Jahrb. XXX, S. 38, Nr. 2 zeigt. Die Axt hat also die Grundform ungefähr wie Friderico-Francisceum Taf. XXVIII, Fig. 4 und 6, wird daher nach der Gestalt wohl einer jüngeren Zeit, wahrscheinlich

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schon der Bronzezeit angehören, da die Aexte der Steinzeit eine mehr plumpe Gestalt und eine breite Bahn haben. Aber auch das Schaftloch ist noch nicht fertig. Es bestätigt sich hier wieder die Wahrnehmung, daß, nachdem die Form einigermaßen zugerichtet war, zuerst das Schaftloch gebohrt und die Oberfläche erst nach dessen Vollendung geschliffen ward. Das Merkwürdige an dieser Streitaxt ist nun die Art der Bohrung des Schaftloches. Die Schaftlöcher der Aexte der Steinzeit sind ohne Zweifel durch einen Pflock mit Sand gerieben; alle noch nicht fertigen, und es giebt viele halbvollendete, haben ein kegelförmiges Loch, gewöhnlich an beiden Seiten, welches nach und nach zu der beabsichtigten Größe gebracht ward. Die Streitaxt von Zippendorf ist aber mit einem Ring= oder Centrum=Bohrer gebohrt, indem an einer Seite in dem erst ungefähr 1 Zoll tiefen Loche ein eben so großer, regelmäßiger, etwa 1/8 Zoll dicker, glatter Dorn oder Stift stehen geblieben ist. Das Loch oder die Höhlung, in welchem dieser Stift steht, ist überall gleich weit, überall glatt und am Boden, auf dem der Stift steht, halbkugelig ausgeschliffen, ungefähr wie das Innere eines Fingerhutes. Die Bohrung kann also nur mit einem metallenen Centrum=Bohrer gemacht sein, also wenigstens zur Bronzezeit. Dieses Stück giebt also wieder den Beweis, daß gewisse Geräthe aus Stein auch in die jüngeren Perioden der Vorzeit hineinragen, namentlich Streitäxte aus Diorit und Pfeilspitzen aus Feuerstein, während die schneidenden Geräthe, wie Schwerter, Dolche, Messer in der Bronzezeit immer aus Bronze bestehen. (Aber umgekehrt kommen diese schneidenden Geräthe aus Bronze nicht in der Steinzeit vor, sondern dieselben sind immer aus Feuerstein.)

Solche Stücke, wie diese Streitaxt von Zippendorf, sind außerordentlich selten: es war in Meklenburg bisher nur ein einziges gleiches, ebenfalls noch nicht fertiges Exemplar bekannt geworden, welches in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin aufbewahrt wird.

G. C. F. Lisch.     

 


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b. Bronzezeit.


Kegelgrab von Basedow.

Auf der jetzigen Feldmark des Gutes Basedow bei Malchin, und zwar auf dem Felde des untergegangenen Dorfes Wargentin, hundert Schritte von den Ueberresten des ehemaligen Wargentiner Kirchhofs und ungefähr fünfhundert Schritte von dem Malchiner See entfernt, stand ein kegelförmiger Hügel, welcher von einem Kreise von größern Feldsteinen eingefaßt war. Dieser Kreis hatte einen Durchmesser von 30 Schritten. Der Hügel, welcher einige Fuß hoch war, war von weißem Sande, vielleicht vom Malchiner See, aufgeführt, während der Boden weit umher strenger Lehm ist. In der Mitte des Hügels lag auf dem Urboden ein größerer Stein. Als die Steine zum Bau ausgebrochen wurden und der Hügel geöffnet ward, wurden mehrere bronzene Geräthe gefunden, welche alle zerbrochen und zum Theil vom Feuer verbogen und alle stark gerostet waren. Beim Aufgraben wurden die Sachen noch mehr zerbrochen. Der Hügel war also ein sogenanntes Kegelgrab gewesen.

Die bronzenen Geräthe sind folgende:

ein schmales Bronzeschwert mit Griffzunge, welche zum großen Theil abgebrochen ist, 18 Zoll in der Klinge lang, mit einigen gerosteten Bruchflächen;

eine Bronzeaxt, mit Schaftloch, mit 4 erhabenen Reifen zur Verzierung auf jeder Seite, ganz wie die in Worsaae Afbildninger Taf. 23, No. 81, oder Nordiske Oldsager Tat. 27, No. 110, abgebildete Bronzeaxt, nur am Bahnende scharf auslaufend, 16 Loth Zollvereinsgewicht schwer, leider im Schaftloche quer durchbrochen, ein sehr seltenes Stück;

Bruchstücke von einer verbogenen und zerbrochenen sogenannten Handberge, deren Armring mit Querlinien und Strichelchen verziert ist.

Außerdem fanden sich Bruchstücke von einer kleinen Sandsteinplatte von jungem Gestein, von denen das eine als Schleifstein oder Polierstein benutzt gewesen zu sein scheint.

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Der Herr Candidat Pumplün hat diese Gegenstände dem Vereine überreicht.

Im Jahre 1846 wurden zu Wiek bei Schwaan, nicht weit von dem Hofe und dem Burgwalle Werle, in einer "Sandscholle" einige Fuß tief, mehrere Bronzealterthümer mit demselben tiefen Rost gefunden, unter denen sich auch eine bronzene Axt befand, welche der Basedower ganz gleich ist (vgl. Jahrb. XII, S. 415).

Ungefähr hundert Schritte von diesem Basedower Grabe lag ein zweites, ähnliches, kleineres Grab, welches ebenfalls aufgebrochen ist, aber keine Alterthümer geliefert hat.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzeschalen von Basedow.

Im Herbste 1870 wurden zu Schloß Basedow beim Aufräumen eines Moderloches 6 kleine, feine Bronzeschalen gefunden, von denen 4 ziemlich gut erhalten, 2 aber zerbrochen und lückenhaft, alle aber rostfrei sind. Der Herr Graf Hahn auf Schloß Basedow hatte die Güte, den Fund den Sammlungen des Vereins zu überweisen. Die Schalen, durchschnittlich 2 Zoll hoch und 4 bis 5 Zoll weit in der Mündung, sind aus alter Bronze dünne getrieben und mit Reihen von kleinen Buckeln und Punkten verziert, welche von innen herausgetrieben sind; vier haben einen breiten Henkel am Rande, zwei sind ohne Henkel.

Dieser Fund ist nun außerordentlich merkwürdig. Die Schalen gleichen nämlich im Allgemeinen ganz der früher zu Dahmen ebenfalls im Moder gefundenen, in Jahrb. X, S. 283, beschriebenen und dort und hier wieder abgebildeten

Bronzeschale von Basedow
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Bronzeschale, so wie den bei Klein=Luckow im Moor gefundenen und in Jahrb. XIII, S. 376, beschriebenen drei Bronzeschalen. Die Güter Basedow, Dahmen und Klein=Luckow liegen nun ungefähr je 3/4 Meilen weit auseinander, so daß auf eine Strecke von 1 1/2 Meilen drei gleiche Bronzefunde kommen, welche ohne Zweifel einer und derselben Zeit angehören und wahrscheinlich aus einer und derselben Fabrik stammen; diese Schalen scheinen dieser Gegend eigenthümlich gewesen zu sein.

Von den Basedower Schalen gleichen nun drei in jeder Hinsicht ganz der hier abgebildeten Schale von Dahmen und den Schalen von Klein=Luckow, mit der alleinigen Ausnahme, daß auf dem Rande die Reihe von Buckeln fehlt; sie sind also der ersten Schale von Klein=Luckow gleich. Eine vierte Schale hat überhaupt nur eine Reihe von Buckeln, welche größer sind und weiter auseinander stehen als auf den drei ersten Schalen. Eine fünfte Schale ist ganz glatt. Von einer sechsten Schale ist nur der Rand vorhanden.

Die Henkelniete sind ebenfalls von Kupfer, wie die Niete der an den andern Orten gefundenen Schalen.

Merkwürdig ist es, daß genau dieselben Schalen auch in Dänemark auf der Insel Fühnen vorkommen. Madsen in Afbildninger af Danske Oldsager og Mindesmaerker, II, Broncealderen, hat im XV. Hefte 4 gleiche Schalen abgebildet, welche mit ändern Bronzealterthümern in einem Moor bei Kirkendrup, Amt Odensee, gefunden sind: Oegemose ved Kirkendrup, Naesbyhoved Broby Sogn, Odensee Amt. Es ist dabei wohl zu bemerken, daß dieselben Fabrikate, welche Einer Fabrik anzugehören scheinen, eine ziemlich weite Verbreitung übers Meer gefunden haben.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzegeräthe von Waren.

Auf der Feldmark der Stadt Waren liegt neben der Müritz ein kleiner See mit Moorgrund, die Feisneck genannt, welcher der Stadt gehört. In der Mitte dieses Sees liegt eine Insel, welche Burgwall genannt wird, da auf demselben ein regelmäßiger Burgwall steht, auf welchem vor Zeiten ein "fürstliches Schloß gestanden haben soll." Ohne Zweifel ist dieser Burgwall eine Anlage aus wendischer Zeit 1 ).


1) Vgl. L. Fromn's Beschreibung im Meklenb. Archiv für Landeskunde, Jahrg. XIV, 1864, S. 32 flgd.
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Nicht weit vom Ufer des Burgwalles sind vor einigen Jahren im Wasser von den Fischern zwei wichtige Bronzegeräthe gefunden und an den verstorbenen Burgemeister Pries abgeliefert, welcher sie im Jahre 1865 dem Verein übergeben hat.

Das vorzüglichste ist ein bronzenes Henkelgefäß, 3 3/4 Zoll hoch und 4 1/2 Zoll weit im Bauche, mit ausgerundetem Bauche und eingezogenem Halse und einem Henkel; das Ganze ist von sehr schöner Form. Das Gefäß, welches mit dem im Friderico-Francisceum Taf. XII, Fig. 2, abgebildeten von gleichem Styl und gleicher Arbeit, jedoch nur halb so groß ist, besteht aus sehr dünne gehämmerter Bronze. Der ganze Bauchrand, so weit er sich dem Auge in der Seitenansicht zeigt, ist mit Verzierungen bedeckt, welche von innen heraus getrieben sind. Es ist hiebet zu bemerken, daß das ganze Gefäß aus drei Stücken besteht und zusammen getrieben ist, ohne Vernietung und Löthung. Das eigentliche Gefäß besteht aus zwei halbkugelähnlichen Stücken, welche im Bauchende zusammengesetzt sind; die nach außen übergebogene Halsmündung bildet auch ein eigenes Stück. Durch die Verfertigung aus einzelnen Stücken haben diese sich leichter hämmern lassen. Der Henkel ist angenietet. Die Verzierungen sind folgendermaßen zusammengesetzt. Auf dem Bauchrande sind drei erhabene Streifen. An jeder Seite derselben liegt ein Band, welches abwechselnd mit einem halbkugelförmigen Knötchen und vier senkrechten Linien belegt ist. An jeder Seite dieses Bandes liegt ein erhabener Reif und an jeder Seite zum Schlusse eine Reihe halbkugelförmiger Knötchen oder Buckeln. Der Henkel ist an den Rändern mit eingegrabenen Queerlinien verziert.

Dieses Henkelgefäß gleicht also in Arbeitsweise und Verzierungen ganz den Bronzeschalen von Dahmen, Klein=Luckow und Basedow, welche in Jahrb. XIII, S. 376, und in der hier voraufgehenden Nachricht beschrieben und abgebildet sind. Außer den angegebenen Eigenthümlichkeiten ist auch der Fuß auf dieselbe Weise gestaltet. Ferner gleichen Arbeit und Verzierung der Bronzevase des Kesselwagens von Peccatel, welcher in Jahrb. IX, S. 369 flgd. beschrieben und auf der Lithographie dazu und in Jahrb. XXV, S. 219, abgebildet ist. Man darf also kein Bedenken tragen, dieses Henkelgefäß in die Zeit des Kesselwagens von Peccatel (und also der salomonischen Kesselwagen) zu setzen. Die von

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innen heraus getriebenen Buckeln sind auf allen diesen Gefäßen gleich und grade so groß und ebenso gestaltet, wie die Bronzebuckeln, die auf dem Ledergürtel aufgenietet sind, welcher in dem Grabe von Peccatel neben dem Kesselwagen gefunden und auf der Lithographie zu Jahrb. IX, Fig. 8, abgebildet sind. - Das Gefäß hat im Wasser auf der Seite gelegen und ist daher auf der einen Seite ohne Rost, auf der andern Seite mit festem, kalkigem Schlamm bedeckt, wie die Pfahlbaualterthümer von manchen Stellen des Bodensees z. B. von der Mainau.

Hiezu stimmt auch die neben dem Henkelgefäße im See gefundene hohl gegossene, kurze, bronzene Framea (Celt) mit Schaftloch und Oehr, deren Schneide sich sehr stark halbmondförmig schwingt.

Ob diese beiden Alterthümer einzeln im See verloren gegangen sind oder einem Pfahlbau angehören, hat sich noch nicht ermitteln lassen. Jedenfalls werden sie viel älter sein, als der Burgwall, mit dem sie wohl in keiner Verbindung stehen.

G. C. F. Lisch.     

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Die Krone von Sylt.

Vor mehreren Jahren stieß der Herr Hauptmann, jetzige Major a. D. von Preen, jetzt auf Groß=Brütz, während eines Badeaufenthalts auf der schleswigschen Insel Sylt in der Nordsee beim Spaziergange mit dem Fuße in einen fast frei liegenden, großen, grünen Ring, den er sogleich als Bronze erkannte und mit sich nahm. Der Ring lag in den Dünen "am rothen Clyff" in gelbrothem Lehm auf einer mit zerbrannten Knochen gefüllten thönernen Urne, welche im Laufe der Zeiten am obern Rande ganz frei gelegt war, aber beim Aufheben gänzlich zerfiel.

Als der Herr von Preen mir nach längerer Zeit den Fund zeigte, erkannte ich darin sogleich einen jener "Kronenreifen", welche schon vielfach und auch von mir zuletzt in den Jahrbüchern XXIX, S. 142, behandelt sind. Der Ring ist in Größe, Gestalt und Einrichtung durchaus den bisher gefundenen gleich. Er besteht aus Bronze, ist voll gegossen und mit tiefem, hellgrünem, edlem Rost bedeckt. Er hat im Innern einen Durchmesser von 5 1/4 Zoll, im Aeußern

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von 6 Zoll hamb. Maaß; der Ringkörper hat gut 1/2 Zoll im Durchmesser. Die Einrichtung des Ringes ist genau der der eigentlichen Kronen gleich; ein Viertheil des Ringes ist ausgeschnitten, bewegt sich an einer hervorragenden Verzierung um einen Stift und greift noch mit Federkraft, wenn der Ring geschlossen wird, mit einem Zapfen in ein gegenüber stehendes Loch in dem größern Theil des Ringes. Der Reif hat aber keine Kronenzacken, sondern ist rund und glatt, und nur mit Linienornamenten verziert, grade wie die in den Jahrb. a. a. O. und hier abgebildete Krone von

Krone von Sylt

Söhren in Holstein. Der Reif ist auf der ganzen obern und äußern Oberfläche mit feinen, niedrigen Queerbändern von ungefähr 1/8 Zoll Breite und dazwischen mit schmalen Linien verziert, darunter ist ein schmales Band von feinen Queerlinien, unter welchem eine Zickzacklinie liegt. Die untere und innere Hälfte sind ohne alle Verzierung und ganz glatt, also beim Tragen nicht zur Anschauung gekommen. Das Charnier, in welchem sich der ausgeschnittene Viertheilkreis bewegt, bildet, ähnlich wie bei den übrigen Kronen, eine Scheibe oder einen Knopf, welcher 1 1/4 Zoll im Durchmesser und 7/8 Zoll Höhe hat.

Der Kronenreif von Sylt ist also dem von Söhren ziemlich ähnlich. Es fehlt dem Ringe von Sylt jedoch der charakteristische, hervorragende Stift als Schmuck; statt dessen ist ein einfacher, roh gearbeiteter und vernieteter Stift eingetrieben, welcher fast kaum über das Charnier hervorragt,

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In dieser Hinsicht gleicht die Krone von Sylt dem in den Jahrb. a. a. O. und hier abgebildeten Kronenreife von

Kronenreif von Schwerin

Schwerin, welcher jedoch auf der Oberfläche durch niedrige Wulste wellenförmig modellirt ist.

Uebrigens glaube ich nicht, daß sich durch den Mangel der Verzierung die Krone von Sylt grade von den übrigen unterscheidet. Denn nach meiner Ansicht gehört der Stift derselben nicht ursprünglich zu der Krone: er ist roh gearbeitet, handwerksmäßig vernietet und hat gar keinen Rost, während der Ring sehr tiefen, edlen Rost trägt, sondern eine kupferbraune Farbe.

Der Reif von Sylt ist jetzt von dem Herrn Major von Preen den großherzoglichen Sammlungen geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

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Lanzenspitzen von Klein=Warin.

Zuverlässigen Mittheilungen zufolge sind zu Klein=Warin bei Warin 3 bronzene Lanzenspitzen mit Schaftloch gefunden, welche durch das Nagelloch auf einen bronzenen Ring gezogen, also wohl Handelswaare waren. Leider ist es unmöglich gewesen, diese Lanzen, oder auch nur genauere Nachricht über dieselben zu erlangen.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Vogelsang.

Der Herr Gutsbesitzer Rudloff ließ im J. 1869 ein Feld auf seinem Gute Vogelsang bei Teterow (= Lalendorf) drainiren. In einem Haufen Erde, der dabei ausgeworfen und auf den Hof gefahren war, fand sich hier hinterher ein

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halber Armring von Bronze. Bei genauerer Nachforschung ergab sich, daß einer der Arbeiter dabei noch Drath gefunden und diesen heimlich mit nach Hause genommen hatte, um gelegentlich damit zu binden. Dieser Drath erwies sich bei der Auslieferung aber als ein Doppelspiral=Fingering mit geschlossenen Enden von reinem Golde.

G. C. F. Lisch.     

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Wohnplatz von Schwerin.
(Höhlenwohnung.)

Nachtrag.

Der Verein hat 1867 die in den Jahrbüchern XXXI, S. 64, aufgeführten, bei der neuen Leimsiederei vor Schwerin gefundenen Alterthümer von dem Herrn Secretair L. Fromm durch Tausch erworben, nämlich:

2 bronzene Frameen und

1 bronzene Lanzenspitze, wie sie a. a. O. beschrieben sind, ferner:

1 Armring aus Bronze, zur Hälfte vorhanden, sehr dünn und schmal, nur 3/16 Zoll breit, mit demselben hellgrünen, edlen Rost, offenbar derselben Zeit angehörend.

Außerdem sind an derselben Stelle noch gefunden und erworben:

1 Bügel einer Heftel mit Spiralfeder, mit starkem, jedoch unreinlichem und nicht edlem Rost, welcher zwar alt ist, aber ohne Zweifel einer jüngern Zeit, wahrscheinlich der allerersten Zeit der Eisenperiode angehört, und

1 Bruchstück von einer eisernen Platte, wahrscheinlich einer Sichel, derselben Zeit angehörend, für Eisen sehr alt und stark gerostet.

Die Stelle wird also zu verschiedenen Zeiten bewohnt gewesen sein.

Bei diesen Alterthümern sind sicher auch noch mehrere Knochen, außer den in den Jahrb. a. a. O. aufgeführten, gefunden, nämlich nach Rütimeyers Bestimmung:

ein Beinknochen vom Menschen,

ein Beinknochen von einem jungen Rind,

ein Beinknochen von einem jungen Schaf.


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c. Eisenzeit.


Ueber das Grab von Wotenitz
und
die alte Eisenperiode,

von

Dr. G. C. F. Lisch.

Nachtrag zu den Jahrbüchern XXVI, S. 161.

In den Jahrbüchern XXV, 1860, S. 252 flgd., gab ich die erste Nachricht von dem großen Begräbnißplatze aus der Eisenzeit bei Wotenitz, und namentlich über eine ungewöhnlich reich ausgestattete Urne, in welcher neben sehr zahlreichen Alterthümern aus Eisen, Silber, Bronze, Glas u. s. w. auch eine schöne goldene Halskette lag. Im Jahre 1860 hielt ich diesen Begräbnißplatz für einen wendischen, aus der vorgeschrittenen jüngeren Eisenzeit. Diese Urne mit ihrem Inhalt gab mir aber Veranlassung zu tiefern Forschungen und Vergleichungen und ich mußte mich bald überzeugen, daß Alterthümer dieser Art bis in das erste und zweite Jahrhundert nach Christi Geburt zurück reichen. Ich nahm daher diese wichtige Forschung in den Jahrb. XXVI, 1861, S. 161 flgd., wieder auf, und ward durch reiflich überdachte Gründe bestimmt, die Begräbnißplätze mit den kohlschwarzen Urnen, mit aus viereckigen Punkten gebildeten Hammer= und Mäanderverzierungen, in die erste Zeit der christlichen Zeitrechnung zurück zu versetzen, in denen noch keine Wenden in Norddeutschland wohnten.

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In der einen erwähnten Urne fanden sich viele Schmuckgegenstände aus edlem Metall, namentlich eine schöne Halskette aus geflochtenem Golddraht, ein silbernes Armband oder offene Spange mit halbkugelförmigen Verzierungen an den Enden, eine verbogene große silberne Nadel ("Haken"), ein hohler silberner Nadelknopf ("Perle").

Ich habe in Jahrb. XXVI, S. 163 flgd., angeführt, daß diese selbigen Sachen mit römischen Alterthümern zusammen wiederholt in Dänemark gefunden sind und auch aus Ungarn eine solche "aus vierfachem Golddrath geflochtene Kette" stammt (vgl. Jahrb. a. a. O., S. 167).

Darnach ist auch in Oesterreich 1862-1863 zu Wulzeshofen ein Goldfund gemacht, welcher nach den Abbildungen ganz mit den hier angeführten Alterthümern von Wotenitz übereinstimmt. Der Fund ist beschrieben und abgebildet von Kenner: Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde in der Oesterreichischen Monarchie, 1862-1863, im Archiv für Kunde österreichischer Geschichts=Quellen, Wien, 1865, Band 33, S. 29. Diese hier gefundenen Gegenstände sind: Bruchstücke einer Kette aus feinem, "vierfach geflochtenem Golddrath" mit "Schlußstück und Goldblechcylinder"; ein Armband aus Golddrath, dessen Ende ein Knopf bezeichnet, der aus zwei mit Kugeln begrenzten Gliedern besteht; Endstück (Knopf) einer goldenen Nadel, dessen oberes Ende einen Goldblechcylinder trägt, der oben mit kleinen Wulstchen besetzt ist; Klumpen von geschmolzenem Silber und von Bronze u. A.

Alle diese Sachen gleichen an Form und Arbeit völlig den in der Urne zu Wotenitz gefundenen goldenen und silbernen Geschmeiden, und deuten auf einen Verkehr zwischen dem Innern des europäischen Festlandes und den Ostseeküsten oder auf eine Verbindung beider mit einem südlichen Lande. Alle Stücke sind außerordentlich tüchtig und kunstreich gearbeitet, wenn auch eigenthümlich im Styl; aber eine "barbarische Technik" möchte ich, wie Kenner, es nicht nennen. Die Arbeit erinnert an Etrurien. Jedenfalls sind alle diese Gegenstände eigenthümlich und lassen sich mit den sonst im Norden gefundenen Alterthümern nicht in Verbindung bringen.

Auch in Ungarn bei Céke, Zempliner Comitat, sind im Jahre 1856 Goldschmucksachen gefunden, welche an die bei Wulzeshofen gefundenen erinnern; vgl. Oesterreichischen Archiv a. a. O., S. 105.

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Bronzener Armring von Gnoien.

In der Gegend von Gnoien ward ein außerordentlich seltener Armring von Bronze gefunden und von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow auf Boddin erworben und dem Vereine geschenkt. Der Armring, von gewöhnlicher Größe, oval, 2 1/2 und 2 Zoll weit, ist aus dünnem Bronzeblech gearbeitet und sehr leicht, und auf der Außenseite mit Schrägelinien, schrägen Rechtecken und Punkten geschmackvoll verziert und leicht grün gerostet. Der Ring ist weit geöffnet; das eine Ende ist künstlich platt abgestumpft und durch die Blechenden zugebogen; das andere Ende trägt einen doppelt gebogenen Haken von Bronzeblech, welcher sich auf die Außenfläche des Ringes zurückbiegt, also zum Einhaken in das andere stumpfe Ende nicht gedient haben kann. Diese Ringe sind erst seit kurzer Zeit bekannt geworden, und können mit Sicherheit der allerjüngsten Zeit des Heidenthums zugeschrieben werden. Sie wurden zuerst in dem an Silber reichen Funde aus dem Begräbnißplatze von Cörlin in Pommern beobachtet, welcher nach einer dabei gefundenen Münze ungefähr dem Jahre 1200 angehört (vgl. Jahrb. XXIV, S. 283). Darauf sind sie nur noch auf dem großen Begräbnißplatze von Bartelsdorf bei Rostock gefunden, welcher in dieselbe Zeit fallen und von der letzten Heidenzeit in die erste Christenzeit reichen muß (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 305, und XXIX, S. 180).

G. C. F. Lisch.     

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Alterthümer von Caldus.
in Westpreußen.

Der Gymnasiast Kirchner aus Schwerin bemerkte zu Caldus bei Culm in Westpreußen, wo er zum Besuche war, in einem Sandberge, wahrscheinlich einem Begräbnißplatze, Alterthümer, und fand bei fleißigem Suchen eine ganze Menge, welche er dem Verein zum willkommenen Geschenke mitbrachte.

Die Alterthümer sind folgende:

1) Ein offener Armring aus dünnem Bronzedrath, an einem Ende stumpf abgeschnitten, am andern Ende zu einem Haken auf die Außenfläche umgebogen. Dies ist also einer von den ganz charakterischen Ringen, wie sie zu Cörlin

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in Pommern (Jahrb. XXIV, S. 283) und zu Barteisdorf bei Rostock (Jahrb. XXIX, S. 180), jetzt auch bei Gnoien (vgl. S. 144) gefunden und als der letzten heidnischen Zeit in Norddeutschland angehörend nachgewiesen sind.

2) Ein dünner, spiralförmiger Fingerring von breitem Bronzeblech, 1 1/2 Windungen groß.

3) Ein kleiner, offener Ring von Bronzeblech, 1/2 Zoll weit.

4) Ein kleiner, eisernes Messer, in der Klinge 3 1/2 Zoll lang, mit angerosteten Holzresten an der Griffzunge.

5) Eine große Menge ganz kleiner Glasperlen, meist hellgrün und hellgelb, auch blau.

6) Einige größere Glasperlen, dunkelblau und dunkelgrün.

7) Einige größere Mosaik=Glasperlen, z. B. dunkelblau mit eingelegtem weißen Zickzackband. Auch einige der kleineren Perlen haben eingelegte Verzierungen.

8) Einige Stangenperlen von Glas, eine grau und weiß geadert.

9) Das Merkwürdigste ist ein wohl erhaltener Fingerring von hellgrünem Glas , auf der Oberfläche opalisirend, 3/4 Zoll weit, in der Form eines schmalen Siegelringes, auf der breitesten Stelle mit einer kurzen aufstehenden Spitze statt einer Platte.

Diese seltenen Alterthümer gleichen also genau den jungheidnischen Alterthümern aus der letzten Heidenzeit, wie sie bei Cörlin und Rostock gefunden sind.

G. C. F. Lisch.     

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Begräbnißplatz von Kröpelin.

In den Jahrb. XXIX, S. 189, ist eine kurze Zeitungsnachricht über die Entdeckung eines heidnischen Begräbnißplatzes bei der Stadt Kröpelin mitgetheilt. Der Herr Candidat Rönnberg aus Kröpelin theilt hierüber folgende genauern Nachrichten mit.

Um Weihnacht 1863 ward bei Anlegung einer Dunggrube auf der neu gegründeten Hofstelle des Baumanns Mussehl an der neu angelegten Hinterstraße am Wismarschen Thore, südlich an der Stadt, am sogenannten Camp, ein heidnischer Begräbnißplatz entdeckt, in welchem eine große Menge Urnenscherben und auch 3 unversehrte Urnen, welche

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ungefähr 2 Fuß unter der Erdoberfläche standen, zu Tage gefördert. Da die Urnen noch feucht waren, so stellte man sie zum Trocknen im Freien auf, wo sie aber leider von muthwilligen Knaben zertrümmert und auch die Scherben spurlos verschwunden sind. Der Besitzer der Hofstelle sagte aus, daß die nicht sehr großen Urnen ohne alle Steinverpackung in der Erde und mit der Oeffnung nach unten gerichtet gewesen seien. Alterthümer sind bei den Urnen nicht gefunden.

Schon vor dem Jahre 1863 wurden an derselben damals noch unbebaueten Straße, ungefähr 130 Schritte von dem erwähnten Gehöfte, bei Gelegenheit neuer Hausbauten zahlreiche Urnenscherben ausgegraben.

Diese Funde lassen daher auf einen ausgedehnten Begräbnißplatz, also auf eine zahlreiche heidnische Bevölkerung, an der Stelle der jetzigen Stadt Kröpelin schließen.

Auch in neuester Zeit sind noch Urnenscherben gefunden, welche in die Hände des Herrn Candidaten Rönnberg gekommen und von demselben an den Verein eingesandt sind.

Diese Urnenscherben von brauner Farbe sind ohne Verzierungen, nach heidnischer Weise gearbeitet und von einem älteren Charakter, als die Urnen und Töpfe der letzten Heidenzeit; sie scheinen theils fast noch der Bronzezeit, theils aber schon der Eisenzeit anzugehören. Es dürfte also erlaubt sein, nicht allein auf eine zahlreiche, sondern auch auf eine lange, alte Bevölkerung zu schließen.

Schwerin, Januar 1870.

G. C. F. Lisch.     


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II. Zur Baukunde.


Christliches Mittelalter.

Kirchliche Bauwerke.


Der Dom zu Schwerin.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Einleitung.

Der Dom zu Schwerin ist eines der wichtigsten und hervorragendsten Gebäude im ganzen Lande und verdient mit Recht eine ununterbrochene Aufmerksamkeit. Es ist daher in den Jahrbüchern häufig davon die Rede gewesen, vorzüglich aber in zwei Abhandlungen: "Geschichte der Heiligen Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin, von G. C. F. Lisch", in Jahrbüchern XIII, S. 143-187, und "Ueber die Bau=Perioden des Domes zu Schwerin, von G. C. F. Lisch", in Jahrbüchern XIX, S. 398-403 1 ).


1) Im "Archiv für Landeskunde" Meklenburgs, XIV, 1864, findet sich S. 268-285 von L. Fromm ein Aufsatz über die "Domkirche und die Kirchenbauten", welcher jedoch über die Geschichte des alten Baues und der alten Einrichtung nichts Neues bringt, sondern sich hauptsächlich mit der neuern Zeit beschäftigt.
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Aus diesen Forschungen 1 ) hat sich ohne Zweifel ergeben, daß dieser gothische Bau im Großen und Ganzen, wie er jetzt noch steht, in der Zeit 1365-1375, zugleich mit der herrlichen Kirche zu Doberan, fertig geworden ist (vgl. Jahrb. XIX, S. 401). Freilich stammt der untere Theil des Thurmgebäudes aus dem Jahre 1248, das Mittelschiff des Chores ungefähr aus dem Jahre 1325, die Wölbung des westlichen Mittelschiffes aus dem Jahre 1416. Aber im Ganzen ist der Plan zu der jetzigen Gestalt 1365-1375 unter dem Bischofe Friedrich II. v. Bülow gefaßt und größtentheils ausgeführt, so daß die Kirche im Allgemeinen den Eindruck eines ziemlich reinen gothischen Baues macht.

Der Dom hat nun seit dem Jahre 1866, da die Ausrüstung, wenn auch nicht baufällig, doch gänzlich styllos und nüchtern war, eine durchgängige Restauration 2 ) und neue Einrichtung erhalten und ist am 7. Novbr. 1869 wieder geweihet. Bei Gelegenheit dieser Restauration, namentlich bei der Abnahme der Kalktünche, ist denn manches zum Vorschein gekommen, was theils für die Geschichte des großen, würdigen Gebäudes von Werth ist und früher nicht bekannt und beachtet war, theils alte Ueberlieferungen bestätigt 3 ). Bis zu dieser Restauration ist aber seit drei Jahrlhunderten dem Dome übel mitgespielt.

Der Dom ist nach dem Grundplane eine große gothische Kreuzkirche mit niedrigem Seitenschiffen und mit einem fünfeckigen Chorumgange, welcher fünf Kapellen enthält. Der alte Bau steht noch ziemlich in seiner alten Reinheit da. Dabei ist vorzüglich hervorzuheben, daß die Seitenwände zur Oeffnung nach Seitenkapellen nicht durchbrochen sind, wie in


1) Wenn der bekannte Professor W. Lübke in seinen "Kunsthistorischen Studien" (vgl. Meklenburg. Anzeigen, 1869, Nr. 94, Beilage) sagt, daß die "Kunsthandbücher" von Meklenburg über Meklenburgische Kunst schweigen, wobei er den Schweriner Dom hoch erhebt, und daß an den Grenzmarken Vorpommerns der Faden der Mittheilung plötzlich abbreche, um erst in Lübeck wieder angeknüpft zu werden, so hat er offenbar die Meklenburgische Literatur nicht gekannt, welche der Lübecker nicht nachsteht und die vorpommersche Literatur bei weitem überragt.
2) Die Restauration des Domes ist von dem damaligen Landbaumeister, jetzigen Baurath Krüger zu gleicher Zeit mit dem Neubau der St. Paulskirche zu Schwerin ausgeführt.
3) Bei dieser Restauration ist aber viel von entdeckten Denkmälern wieder untergegangen, so daß die folgenden gewissenhaften Blätter für die Zukunft die alleinige und Haupt=Quelle für die Geschichte des Domes bilden werden, - außer dem Domgebaude selbst.
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manchen andern Kirchen, z. B. im Dome zu Ratzeburg und im Dome zu Güstrow. Der Dom zu Schwerin hat nur zwei kleine, gleichmäßige Anbauten oder Kapellen, welche gewiß schon früh, sicher wohl spätestens bei dem letzten Bau im 14. Jahrhundert angelegt, vielleicht gar ursprünglich beabsichtigt sind. Diese beiden Kapellen liegen in den östlichen Ecken zwischen den Kreuzarmen und den Seitenschiffen und sind innerhalb der Kirche mit einem untern oder "kleinen Gewölbe" bedeckt und mit zwei Seiten nach den Kreuzarmen und den Seitenschiffen hin geöffnet, so daß sie gewissermaßen Theile der Kreuzarme bilden und mit der alten Grundanlage in gutem Einklange standen. Außerdem ist nur noch neben der südlichen Chorthür ein kleines Archiv, "Capitelhaus" 1 ) genannt (1365-1375), und an der Südseite der Kreuzgang (seit 1392), beide in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angebauet, ohne daß die Wände mehr als zu den nothwendigen Thüren durchbrochen sind.

Der Dom zu Schwerin war eine alte bischöfliche Kirche. Daher war ihre ganze innere Einrichtung so, wie sie in bischöflichen Kirchen gebräuchlich war und noch in manchen alten, großen Kirchen zu sehen ist. Der ganze östliche Arm des Mittelschiffes, der Chor oder "große Chor", war bis zur Grenze des Kreuzschiffes durch Mauern, Holztäfelwerk ("Panelwerk") und Gitter abgeschrankt, und, wie es scheint, in zwei Theile geschieden: in den "hohen Chor" und in den "kleinen Chor". Innerhalb des abgeschrankten "hohen Chors" stand im Osten der Hochaltar für den Bischof und die Domherren, und zu den Seiten das Tabernakel und der Levitenstuhl. Dann folgten zu beiden Seiten die großen eichenen Chorstühle für den Bischof und die Domherren. Vor dem Hochaltare zwischen den Chorstühlen waren die Gräber der Bischöfe, welche in Schwerin begraben waren. Auch der "kleine Chor" hatte zwei Reihen von Chorstühlen, wahrscheinlich für die Vikare und die sonstige niedere Geistlichkeit

Im Westen, an der Grenze des Kreuzschiffes, war der Chor ganz durch Schranken geschlossen. Ueber diesen Schranken erhob sich der schön geschnitzte und verzierte Singe=


1) Dieser nach Archivnachrichten unter dem Bischof Friedrich II. (1365 bis 1375) aufgeführte, zum Archiv bestimmte Anbau wird in den letzten Jahrhunderten bis heute immer sicher das "Capitelhaus" genannt, während der östliche Theil des Kreuzganges, in welchem sich die "Schule" befand, "der große Reventer" genannt wird. Vgl. auch Jahrb. XIII, S. 156 flgd.
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chor oder "Lettner", mit Bildsäulen und Gemälden, auch einer Uhr zur Seite.

Ueber diesem Lettner, also unter dem sogenannten Triumphbogen, stand auf einem Queerbalken ein colossales Crucifix, welches an eisernen Ketten vom Gewölbe hing, und zur Rechten die Mutter Maria und der Evangelist Johannes.

Vor dem Lettner, in der Vierung, also ungefähr in der Mitte der Kirche, stand der Laien= oder Pfarr=Altar (auch "Frühmeß=Altar" genannt) für die Gemeinde der Kirche, welchen der Pfarrer besorgte.

Neben oder über diesem Altare war die Kanzel, welche nach alter Weise wohl nur niedrig stand. Bei der Visitation vom Jahre 1553 wird unter den Altären des Domes auch aufgeführt:

"Das Frumeß= oder Pfar=Altar sub ambone. Da gehort kein beneficium zu. Pastoratus vacat. Das Capittel nimpts ein. Ist nicht in corpore."

Zu beiden Seiten des Lettners waren unter "kleinen Gewölben" die beiden oben erwähnten Kapellen, welche wahrscheinlich Marienkapellen waren, die Kapelle der H. Jungfrau Maria und die Kapelle zur Himmelfahrt der H. Jungfrau, nach den Kreuzarmen und Seitenschiffen hin geöffnet.

Dies war die Ansicht des Chors von dem Schiffe aus gesehen.

Für die Gemeinde blieb also nur der westliche kürzere Theil der Kirche, das Langschiff mit den beiden Seitenschiffen und das Kreuzschiff übrig. Der Haupteingang für die Gemeinde war die Pforte im südlichen Kreuzschiffe "nach dem Markt hin."

In dem Schiffe vereinigte sich also das kirchliche Leben der Gemeinde, welches wohl etwas gedrängt gewesen sein mag, da das Schiff nicht lang ist und der Dom außer dem Hochaltare und dem Pfarraltare nicht weniger als 40 Nebenaltäre, unter diesen viele ungewöhnliche, hatte, welche unten bei den Inventarien aufgeführt werden sollen und an den Pfeilern und Seitenwänden standen. Zur Besorgung dieser Altäre war eine große Menge von Vikaren bestellt, da jeder Altar einen eignen Vikar, mitunter auch zwei hatte. Die Vikare allein besaßen 16 Häuser, einige dazu mit Höfen und Buden, auf der Schelfe und wenigstens 12 Häuser in der Altstadt. Zur Unterhaltung dieser Priester waren nicht allein die Bewidwungen dieser Altäre bestimmt, sondern auch sehr viele vereinzelte "Lehen" aus Schenkungen

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und Vermächtnissen. Als der Herzog Johann Albrecht im Jahre 1553 alle diese Vikareien aufhob, "erstreckten sich die Lehen und bona communia vicariorum. so viel der bisher erkundet, über 1200 Gulden läßlichen Einkommens, und waren noch wohl 22 Lehen, davon noch nicht Bericht" zu erhalten. Diese 1200 Gulden vertheilte der Herzog also, daß verwandt werden sollten: zur Besoldung zweier Capellane 300 Fl., zur Besoldung der Schuldiener 150 Fl. zur Unterhaltung der armen Kranken im Hospital 100 Fl., zu Universitäts=Stipendien für 10 Knaben vom Adel, jedem 50 Gulden, 500 Fl., zu Universitäts=Stipendien für 4 Knaben vom Bürgerstande, jedem 25 Gulden, 100 Fl., zu 2 Stipendien für Prädicanten=Kinder, jedem 25 Gulden, 50 Fl. Schon im Jahre 1542, als manche Vikareien unbesetzt standen, waren 28 Vikareien=Kelche und Patenen gesammelt, welche der Herzog Ulrich mit allen silbernen Bildern und Kleinodien 1552 nach Bützow führen und späterhin einschmelzen ließ.

Von all dieser Herrlichkeit, der zahlreichen und kostbaren Bildwerke und Prachtgewänder nicht zu gedenken, ist so gut wie nichts übrig geblieben. Seit der Vollendung der Reformation änderte sich nach und nach das innere Ansehen der Kirche. Die Nebenaltäre waren verlassen und verfielen. Die Kirche ward nach und nach immer mehr mit festen Stühlen, Klappen und Bänken gefüllt und zwar ziemlich nach Willkühr und eines Jeden Geschmack. Die Sitte der Begrabung der Todten in der Kirche 1 ) nahm überhand. Fast der ganze Boden in den Gängen ward unterwühlt und zu Begräbnissen ausgemauert: dabei konnten die Nebenaltäre sich nicht halten und verschwanden spurlos.

Die erste bedeutende Veränderung war die Erbauung einer neuen Kanzel im Renaissance=Styl an dem mittlern nördlichen Pfeiler des Schiffes, also in der Mitte des Schiffes. Hederich sagt hierüber in seiner Schwerinischen Chronica S. 46: "1570 bauet ein ehrwürdiges Thumb=Capittel den neuen Predigstul in der Thum=Kirche, mit schönen Figuren und außerlesenen Sprüchen der Heiligen Schrift gezieret. Der Baumeister war Johann Baptista Parr 2 ). Die Insignia der Thumbherren sampt des Stifts Wapen


1) Schon im Jahre 1608 "that sich viele Unordnung wegen der Stühle und Begräbnisse hervor. so daß eine eigne Begräbniß=, Stuhl= und Glocken=Ordnung erlassen" werden mußte. Nach Hederich.
2) Johann Baptista Parr war des Herzogs Johann Albrecht I., seit 1572 des Königs von Schweden Baumeister, welcher auch z. B. die Schloßkirche zu Schwerin bauete; vgl. Jahrb. V, S. 24 und 52.
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sind auff der einen Seiten des Pfeiler zu sehen." Diese Wappen stehen noch an derselben Stelle; die Kanzel ist aber längst abgebrochen.

Dieser Kanzel gegenüber zwischen den beiden ersten südlichen Pfeilern des Schiffes ward, nach Hederich S. 47, "1574 der Fürstliche Stuel in der Thumb=Kirche gegen dem Predigstuel über von Hertzog Johans Albrecht gebauet. Der Baumeister war Christoph Parrh, Dabercusii gener, vorgedachts Johan Bapistae Bruder 1 )." Dieser "Stuhl", welcher zuletzt in den neuesten Zeiten noch von dem fürstlichen Hofgefolge benutzt ward, ist bei der jüngsten Restauration im Jahre 1866 abgebrochen. Es war eine oben offene Empore (Chor) auf einem Gewölbe über den Stühlen und war auf den Brüstungen mit Verzierungen aus Kalk und Reliefbildern aus Gyps geschmückt.

Der erste bedeutendere Eingriff in die alte Einrichtung geschah schon im Jahre 1585. Hederich berichtet darüber S. 53 ausführlich Folgendes: "1585. Nachdem in der Thumb=Kirchen der große Chor beinahe das halbe Theil der Kirchen begriffen, auch so dichte vermauert und verschlossen gewesen, daß die im Chor nicht wol vernehmen, was in der Kirchen, viel weniger die in der Kirchen, was im Chor beym Gottesdienst gehandelt werden, sehn oder wissen können, ist aus christlich bewegenden Ursachen, so woll mit gnedigem Raht und Vorwissen des Herrn Administrators im Aprili des 85. Jahres vom Ehrwürdigen Thum=Capitel obernenntes Chor durchbrochen, der mittelst Altar 2 ) außerhalb des Chors höher hinauff versetztt und an dessen Stell Bäncke für die Schüler, die Predigt füglich zu hören und aufzuschreiben, verordnet, imgleichen der ober Chor, weil die Kirche groß und lang, zum Figural=Gesang Anno 96 mit einer Treppen außerhalb dem Chor und andern ornamentis verbessert und zugerichtet worden."

Nach dieser Oeffnung des Chors im Westen, und die Hinaufrückung des Laien=Altars nach Osten hin, hat die Kirche lange so gestanden, wie in dem Vorgetragenen an=


1) Christoph Parr war Steinmetz, später auch Baumeister des Herzogs Johann Albrecht I., auch des Herzogs Ulrich für den Schloßbau zu Güstrow; vgl. Jahrb. V, S. 25. Der Contract über den "Fürstlichen Stuhl" im Dome ist in Jahrb. V, S. 71, Nr. 5, gedruckt.
2) Dies ist der oben erwähnte Laien= oder Pfarr=Altar, welcher vor dem Lettner in der Mitte der Kirche stand.
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gedeutet ist. Den Beweis liefert das genaue Inventarium vom Jahre 1663 flgd., aus dem ein wörtlicher Auszug unten mitgetheilt ist, welcher alles enthält, was für die Erkenntniß der alten Ausrüstung der Kirche von Wichtigkeit erscheinen kann.

Die erste große Unbill geschah der Kirche dadurch, daß sie, wahrscheinlich zuerst im 18. Jahrhundert, ausgeweißt und an Sockeln, Diensten und Rippen schwarz überpinselt ward. Dadurch wurden die wenigen Wandmalereien und die alten Decorationen, welche der Dom als ein rein gothisches Gebäude besaß, vernichtet. Noch im Jahre 1810 ward diese abschreckende schwarze Verzierung, zur Feier des Norddeutschen Musikfestes, durch Kienruß und Branntwein renovirt und dabei manches Denkmal nicht davon verschont; die Heil. Bluts=Kapelle ward braun abgestrichen und schwarz und weiß gesprenkelte

Die Kirche sah zuletzt allerdings wohl sehr wüst aus. Seit dem Jahre 1774 beabsichtigte der Herzog Friedrich eine Restauration und gleichmäßige Einrichtung und Ordnung, und seit dieser Zeit schreiben sich die verschiedenen Restaurationen her, da man doch wieder "eine einheitliche Idee" gefaßt hatte. In Folge dessen ward 1777 der kleine Altar ganz entfernt und dadurch die ganze Kirche bis zum Hochaltar frei gelegt (vgl. Fromm a. a. O. S. 279). Aber der Restaurationsplan kam nicht zur Ausführung.

Erst der Herzog Friedrich Franz nahm die Restauration in die Hand und übertrug dieselbe am 25. Mai 1810 dem Baumeister Barca, und am 23. Februar 1811 ward sie förmlich beantragt. Aber durch den wieder ausbrechenden Krieg ward die Ausführung abermals verzögert. Der Zustand der Kirche muß sehr traurig gewesen sein, da sie, wie manche andere Kirchen des Landes, in den Kiegszeiten 1806 als Lazareth und 1813 als Futtermagazin benutzt worden war. Gleich nach der ersten Beschwichtigung des Kriegsgetümmels ging man aber an die Restauration. Nach Barca's Plan sollten der Altar, die Kanzel, die Domherrenstühle und was sonst aus älterer Zeit vorhanden war, fortgeschafft, und nach Beschaffenheit in den Seitenschiffen zur Aufbewahrung aufgestellt, auch die inneren Schranken des hohen Chores fortgenommen werden. Diese Ausräumung ist den auch sehr gründlich beschafft! Als Hauptzweck ward freilich angegeben die Hebung des Gottesdienstes durch "Verschönerung" der Kirche. Schon im Jahre 1813 wurden Ziegel gebrannt und am 5. December 1814 ward angezeigt, daß der Anfang zur Restauration gemacht sei. Diese Restauration ist im

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Jahre 1815 ausgeführt und die Kirche am 22. October 1815 wieder eingeweihet.

Diese sogenannte Restauration hat in der Kirche Alles ohne Ausnahme ergriffen, und zwar so gründlich, daß alles Alte aus dem Tempel hinaus geworfen ist. Es sind nicht allein viele sogenannte "Kleinigkeiten, störende Zierrathen aus der papistischen Zeit" und dergleichen vernichtet, sondern es ist auch alles mittelalterliche Gestühl, das ohne Zweifel sehr schön gewesen ist, dem Untergange geweihet, auch der ganze Fußboden, mit Ausnahme des Altarraumes, gleich gelegt. Es ist aus der Zeit vor der Reformation nichts weiter geblieben als der alte Hochaltar, der in der Kirche zurückgesetzt und im Jahre 1869 ins Antiquarium versetzt ist, der Taufkessel, einige Leichensteine und Grabdenkmäler, und einige wenige Marienbilder, die ich noch auf dem Gewölbe gefunden habe. Wo die große Menge schöner Arbeiten geblieben ist, mag der Himmel wissen. Ich erinnere mich noch, in den dreißiger Jahren in dem Hausgarten eines Tischlers Heiligenbilder aus dem Dome als "Puppen" zum Zierrath aufgestellt gesehen zu haben.

Genug, es ist in der Kirche nichts übrig geblieben, und daher Noth, das Wenige, was sich noch finden läßt und erhalten ist, wenigstens zur Erkenntniß zu bringen. Und dazu sollen diese und die folgenden Blätter dienen. Manches Wichtige ist bei der Restauration 1866-67 noch entdeckt worden und wird unten am Schlusse zur Untersuchung gezogen werden.

Zunächst folgen hier alte Inventarien, durch welche die alte Einrichtung des Domes ganz anschaulich werden wird.


Inventarium

so in Anno 1663 über die Schwerinsche Thumbkirche und deren Pertinentien - - - verfertiget und aufgerichtet worden.

Auszug.

Das hohe Chor.

ist mit einem hohen eisernen Gitter abgemachet vnd mit 2 Gitter=Thüren, daran Hespen vnd Riegel=Schlößer.

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Noch uff beiden seiten dieses Chors 2 große dobbelte Thüren mit Hespen und Riegel=Schlößern.

Zur rechten und linken des großen Altars neben den beichtstülen uff einer ecken 2 große eiserne Gitter in höltzern Rahmen.

Kirchthüren.

Nach der Süder=Seite eine große, alte, bemahlte Thür, gegen die Chor=Thür über, mit 2 Flügeln, worin eine kleine Thüre.

Bey dieser Thür inwendig ist die Kirche biß an den Pfeiler des Chors Südenwerts mit einem hölzernen Panelwerk, worin oben ein gitter, abgeschawert, vnd ist darin eine Thür.

Eine dobbelte Flügel Thür nach dem Reventer über der Schulen.

Hinter dieser Thür bey Hertzog Christoffs Begräbnuß ist die Norder=Abseite mit einem hölzernen Panel= und oben ein gitterwerck wieder abgeschawert, darin eine Thür.

Im hohen Chor.

Des Altarß 1 ) Tisch ist gemauert vnd oben auff ein breiter Siein geleget, darüber die Paßion Christi, nebenst begrebnuß vnd hellenfarth, aus Stein sehr wol gehawen. Daran zwene Flügel mit Hespen, worauff die Apostel gehawen, auch vnter dem Schnitzwerck vnd Flügeln, nebenst noch 2 andern Figuren gemahlet vnd zimblich vergüldet.

Hinter dem altar die garbe=Cammer, dafür 3 thüren.

Ein Stuel zur rechten des hohen Altarß, so jetzo von Ern Johann Susemieln Thumbpredigern betreten wirdt und sein Beicht=Stuel ist, woran 2 Thüren.

Ein Stuel zur linken des hohen Altarß, so jetzo von Ern Luca Athoffen, auch Thumbpredigern, betreten wird vnd sein Beicht=Stuel ist, gleichfalß 2 Thüren.

Ein langer Stuel von 9 Ständen, jeder mit einer Klappen, zur rechten des Chors, worin vor diesem die Thumbherrn gestanden vnd jetzo deß Fest= vnd Sontages die Communicanten treten.

Noch ein solcher langer Stuel zur Linken des Chorß.


1) Dieser Altar ist noch vorhanden, war aber in die Kapelle gegen Norden zurückgesetzt, nachdem ein großes Altargemälde von G. Lenthe aufgerichtet ist. Jetzt ist dieser Altar ins Antiquarium versetzt.
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Vnd gehen diese beide Stuele an von den beeden großen Thüren biß anß eiserne Gitter des kleinen Chorß.

Ein Stuel am eisernen Gitter nach dem kleinen Altar oder Chor, so jetzt vom Hern. Superintendenten Ern Henrico Bilderbecken betreten Wirt vnd sein Beichtstuel ist, dafür 2 Thüren.

Das kleine Chor.

ist mit einem niedrigen eisernen gitter abgemachet vnd von dem übrigen der Kirche vnterschieden, daran 2 eiserne gitterne Thüren.

Noch seint 2 eiserne Gitter vor der Herrn Canonicorum Stüele, vnd in einem 2 bischoffs=Stäbe, vnd dabey ein kleiner Meßingscher Arm mit 2 Pfeiffen.

Das kleine Altar, auff dessen steinernen Tische stehet ein Marienbildt 1 ), so gueten teilß vergüldet.

Ein Meßingenes Pulpet 2 ), darauff ein rotes atlaßen mit golde gesticktes Tuch.

Hinter diesem Altar ein großer, hoher Meßingscher leuchter mit 7 Rören 3 ) vnd auff das Sibende in der Mitten ein Marienbildt, so etwas vergüldet.

Hinter dem kleinen Altar:

ein kleiner Stuel zur rechten vnd
ein kleiner Stuel zur linken,


1) Dies war der Laien=Altar, welcher nach Hederichs Bericht (vgl. oben S. 152) aus der Mitte der Kirche in den kleinen Chor "höher hinauf" gerückt ward. Das Marienbild ist wahrscheinlich das große sitzende Marienbild, welches 1866 auf dem Gewölbe gefunden und in die Alterthümersammlung versetzt ist, ein sehr schönes mittelalterliches Kunstwerk. Vielleicht ist dieses Marienbild dasselbe, bei welcher die "Milch der Maria" als Reliquie aufbewahrt und verehrt ward, und wogegen der Schweriner Reformator und Prädicant Egioius Faber in seiner geharnischten Streitschrift: "Von dem falschen Blut Vnd Abgott im Thum zu Schwerin", 1533, also zu Felde zieht: "Also gaukeln sie mit einem andern Vermeinten heilthum, Geben für, es sey auch da zu Schwerin die milch aus den brüsten Mariä, der allerheiligsten Jungfrawen, als were die reinste Jungfraw ein solch vnverschampt mensch gewesen, das sie sich entweder selbst habe gemolken oder sich von andern melken lassen, wie eine andere kue, vnd ir milch für ein Heiligthum in der welt umbtragen vnd anbeten lassen. Phu des grewlichen jamers!"
2) Wahrscheinlich ein aus Bronze gegossenes, schönes Lesepult, wie noch z. B. im Dome zu Halberstadt.
3) Der siebenarmige Leuchter, der sich noch öfters findet.
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vnd in dem einen ein Seßel mit vfklap, darin jetzo die Herrn Prediger treten, wan Jemandt ordiniret wirdt.

Ein langer Stuel von 12 Ständen, jeder mit einer Klappen, zur rechten des Altarß, so jetzo nicht betreten werden.

Ein langer Stuel von 13 Ständen, zur lincken handt des kleinen Altarß, worin jetzo vornehme fürstliche officianten und andere, wan sie communiciren, stehen.

Ein Stuel von 3 Ständen, darin der Hr. Superintendens vnd beede Hrn. Prediger unter der Predigt sitzen, vnd zu ende des kleinen Chorß zwischen beeden Thüren in einem eisern gitterwerck stehet, dafür 2 Thüren, vnd ist über diesem Stuel eine Decke 1 ), so von 2 eisern Stangen gehalten wird, vnd sind uff den Stuel folgende Wordte geschrieben: Subsellia Ministerii Suerinensis.

Das Schüler Chor.

ist in die Höhe. Daran 2 steinerne gemauerte Treppen nebenst den nötigen handtgriffen, vnd auf der lincken seiten des aufganges ist etwas Trallienwerck von holtz gemacht. Vor dieser Treppe eine kleine Thüre. Oben am Chore ein kleines Thürchen.

Dieses Chor ist nach dem Altar halb mit höltzernen Trallien vnd halb mit Brettern abgemachet, wo auff ein höltzerneß Gitter.

Nach der Orgel auch mit Brettern abgemachet, das gitter aber mehrentheilß hinweg. An dieser Bekleidung stehen nach der Orgel die Apostel in Holtz gehawen vnd mehrentheilß vergüldet und mitten in die Jungfraw Maria 2 ) mit dem Christkindelein, auch vergüldet.

An der seiten ein loß brett gelehnet, worauff eine Schiebe, zur Vhren gehörig, gemahlet.

Neben diesem Chor ein Cämmerchen in die Höhe gemacht, darin stehet eine fertige, jedoch alte Vhre, so die gantze Stunde schlägt, alle halbe Stunde auch einen Schlag giebet.


1) Baldachin mit Schnitzwerk.
2) Dieser "Schüler=Chor" ist der alte "Singe=Chor" oder "Lettner", welcher an der Westseite über dem Laien=Altar mit den Bildsäulen der 12 Apostel und der H. Jungfrau Maria verziert war. Dieses Marienbild ist nach der Arbeit und Stellung wahrscheinlich das große, stehende Marienbild, welches 1866 noch auf dem Gewölbe gefunden und in die Alterthümer=Sammlungen versetzt ist.
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Auswendig an diesem Cämmerchen ist auch eine bemahlte Schiebe, und gehet vom Chor dazu ein klein Treppchen hinauf.

Vber dieser Bekleidunge hängt ein großes Crucefix an einer eisernen Ketten hangende, so durchs gewölbe gehet, vnd an beeden Seiten deßelben 2 große Bilder, alß die Mutter Gottes zur rechten vnd St. Johannes zur lincken.

Außerhalb der Chöre in der Kirchen 1 )

Vnter dem Schüler=Chor ein Stuel im ausgange des kleinen Chors zur rechten, des Hr. Superintendenten Stuel, worin er, wen er predigen wil, trit.

3 Stuele in der mitten zwischen beiden thüren des ausganges, davon der erste für den Hr. Rector vnd andere Schuel=Collegen vnd die beeden andern vor die großen Schüler 2 ), worin sie vnter der Predigt treten.

Hiernegst ferner ein Stuel von 3 Ständen mit hängen vnd über den Stuel eine Decke, mit 2 eisernen Stangen befestigt, worin der fürstl. Cantzler vnd HH. Cantzley=Rhäte stehen.

Hiernegst folgen hinten 4 Stüle, worin für diesem die Bischoffliche Rhäte, nach ausweisung der auff 8 Pösten stehenden Buchstaben, also lautend: BISSCHOPELICHE RAETHE, nebst der Jahrzahl 1589, müßen gestanden haben, jetzo aber frawensstüle sein.

Ein langer vndurchgeschurter Stuel, darin 6 Stände mit Klappen, zur Justitien=Cantzler gehörig. Dieser Stuel hat kein Zeichen, nur stehet darauff die Jharzahl 1552.

Der Fürstliche Stuel 3 ), so in die Höhe und gehet zu demselben eine große bekleidete Treppe hinauff, von 18 Stuffen, mit 2 abtritten, dabey ein kleiner Boden zum Kachelofen, da man einheizet. Der fürstl. Stuel an sich selbst, welcher auf einem kleinen Welbe beruhet, vnd vmbher Gibswerk, dafür ist eine grün angestrichene Thür.


1) Hierunter ist der Westliche Theil des Mittelschiffes, von der Vierung bis an den Thurm, zu Verstehen.
2) Dies sind die Stühle, welche 1585, nach Versetzung des Laien=Altars, an der Stelle desselben für die Schüler und Lehrer gebauet wurden. Vgl. oben S. 152.
3) Vgl. oben in der Einleitung S. 152.
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Vnter der Orgel ein erhobener Stuel, der Bischoffs=Stuel 1 ) genandt, vnd gehet dazu eine Windelsteige hinauff.

Hierauff folgen die Stüele Nordenwerts, so frauen=Stüle sein.

Ein Stuel für die Schneider. Noch ein Stuel für die Schneider.

Hinter diesen beeden Schneider=Stülen seindt noch zwey Stüle.

Auff dieser stelle, alwo diese 2 Stüle jetzo stehen, ist vorhin eine Monstrantz gestanden, welche vor Jharen von den Thumbherren naher Wismar verkaufft.

Im großen mittelgange nach der Tauffe 3 lange Lehnbäncken, worauff die zu dieser Kirchen eingepfarrte Pauren sitzen.

Vmb der Taufe seindt 9 Blöcke vnd Klappen, darauf geringe Leute sitzen.

Der Predigstuhl

ist nur von schlechtem gemauer, aber übergypsct vnd die Evangelisten daran gemacht, auch gueten teilß vergüldet. Diesen Predigstuel 2 ) haben Anno 1570 die damalige HH. Canonici bawen vnd verfertigen laßen, vermöge des dabey stehenden Epitaphii, ist aber von den letzten Canonicis, deren Nahmen vnd Wapen oben an der decken gefunden werden, aufs newe ausstaffiret, vermahlet vnd vergüldet, wie Er anjetzo befunden wirdt.

Der Taufstein

ist von Glockenspeise gemachet, mit einer höltzernen vnd oben spitzigen decken. Vmb diesen Stein Schranckwerck, halb mit höltzernen Trallien, vnd halb, alß unten, mit zugemachten füllungen, daran eine Thür mit Hespen vnd Riegel=Schloße.

Die Orgel 3 ).

Deren Structur ist fein gemachet vnd in guetem stande, vnd sowol daß oberste Werck, alß Rückpositiv jedes mit 3


1) Dies kann nicht der Stuhl für die katholischen Bischöfe sein, sondern für die herzoglichen Administratoren seit der Reformation.
2) Vgl. oben in der Einleitung und unten die Beschreibung der Wappen.
3) Dies ist die große, berühmte Orgel, welche der Herzog Johann Albrecht 1560 durch Antonius Morß aus Antwerpen erbauen ließ. Vgl. Jahrb. V, S. 54, und XX, S. 71.
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durchgeschnittenen Türmern vnd mit geschnitzten Bildern gemahlet, auch gueten teilß vergüldet, auch seindt daran etzliche adeliche Wappen.

An dieser Orgel seindt oben, wie auch am Rückpositiv zwee Flügel, alle mit Leinwandt überzogen vnd bemahlet.

Der Dom hatte, wie auch andere große Kirchen, noch eine zweite, kleine Orgel, welche wohl auf dem Gewölbe der kleinen Marien=Kapelle am nördlichen Seitenschiff chorwärts stand. In dem Inventarium von 1553 heißt es: "Capella Assumptionis Maria sub organis minoribus". Vgl. unten.

Kronen und Leuchter.

Im mittelsten Gange der Kirche eine große Meßingsche Krone von 18 armen, alß unten 9 große vnd oben 9 kleine, so der Sehl. H. Dechandt Vlrich Wackerbarth vnd seine Liebste Fr. Margrete Breckdörffen verehret.

Noch eine Meßingsche Krone mit drey regen armen, als oben 10, in der mitten 8 vnd zu oberst 6, welche Sehl. H. Jürgen Emme, weylandt Fürstl. Meckl. Baw=Schreiber, und dessen Liebste Ilsebe Rehmen Ao. 1641 verehret.

Noch eine höltzerne Krone, daran ein gedobbeltes Marienbilde, vnten mit Meßingschen vnd 6 eisern, so vergüldet, vnd oben mit 6 Meßingschen armen.

Die mittel, große Thür nach dem Marckte werts, so auch alt vnd bemahlet, von 4 Flügeln, zwey vnd zwey übern ander, vnd in einem untersten Flügel eine kleine Thüre.

In der Süder seite.

Bey der einen Thür zum hohen Chor ein altes Epitaphium von vngefehr 3 fues lang vnd 2 fues breit, wer solches setzen laßen, kan man, alters halber, nicht mehr sehen.

Vnter der Vhr Christi nakendes Bildnus ein Rohr in der handt haltend.

Vnterm kleinen gewölbe 1 ) über der Behren begräbnus ein gemahltes Marien=Bildt. Worunter ein


1) Dies ist die kleine Kapelle in der östlichen Ecke des südlichen Kreuzarmes, welche noch 1553 als Marien=Kapelle bekannt war ("sacellum beatae Mariae virginis"). Vgl. unten. - Hier war nach der Reformation ein Begräbniß der adeligen Familie Behr eingerichtet, welches in den Inventarien oft zur Bezeichnung gebraucht wird.
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zerbrochener alter Tisch, ohne Fues vndt das halbe bladt hinwegk, wovon den armen Leuten vor diesem Brodt ausgeteilet worden.

Vff dem kleinen Gewölbe über Behren begräbnüß, wovon man uff daß gewölbe überß Capitulß=Haus gehet, hängt ein new Thaw.

Ein Epitaphium an den Pfeiler bey der Behren begräbnuß, so dem Sehl. Rectori Joachime Baniern 1659 nachgesetztt worden.

An der Maur der großen Kirchthüer zu rechten handt ist des großen Christoffers gemählte 1 ).

In der Norden Seite.

An der Norderseite - - die mittelthür nach dem Wriethoffe ist auch alt und bemahlet, von 2 langen Flügeln, darin eine kleine Thüre.

An dem Pfeiler nebst der Wackerbarten Begräbnuß 2 ) ein Epitaphium, wer solches aber setzen laßen, kann man, weil der zunahme schon ausgangen, nicht sehen, die subscription aber fahet sich dergestalt an: Reverendo viro Johan.

Vff beeden seiten dieser 2 Windeltreppen nach den Gewölbern, vnd zwaar an der zur rechten eingangs über sehl. H. D. Wedemans Begräbnuß, an der andern zur Lincken über Wackerbarts Begräbnuß.

Gegen die Thüren zum hohen Chor hänget ein alt Mecklenburgisch Wapen, so von 2 Persohnen gefaßet.

Mitten in der Kirchen.

In dem Pfeiler negst dem Schülerchor zur rechten ein Epitaphium, so Daniel vnd Benjamin, Vater vnd Sohn, die Blocken Anno 1650 zu Gottes ehren der Kirchen geschencket, vnd ist darauff die Historia, da die große


1) Dieses Gemälde ist unten S. 175 beschrieben.
2) Der v. Wackerbart Begräbniß im nördlichen Kreuzschiff ist wahrscheinlich von dem Dompropst Otto Wackerbart am Cnde des 16. Jahrh. gebauet. Es dient oft zur Bezeichnung. - Bei diesem Begräbniß war in der östlichen Ecke des nördlichen Kreuzarmes die zweite Marien=Kapelle, zur Mariä Himmelfahrt oder Krautweih, unter der kleinen Orgel (vgl. unten), wenn die beiden Marien=Kapellen nicht umgekehrt gestanden haben, nämlich zur Mariä Himmelfahrt in der Südecke.
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Sünderin Maria Magdalena zu dem Herrn Christo kombt, gemahlet.

An dem Pfeiler negst der Cantzel Chorwerts H. D. Lutheri Sehl. Bildnuß, lebensgroße.

Vff der andern seiten dieses Pfeilers, nach der Cantzel hin, ein klein Täffelchen, etwa 6 fues hoch vnd 4 fues breit, in der Maur von gibswerck, worin die Historia, da Moses die Schlange erhöhet, vnd oben ein wapen.

An den Pfeiler negst der Cantzel nach der Tauffe Sehl. H. Philippi Melanctonis bildtnuß, lebensgröße.

An dem Pfeiler des Fürstl. Stuelß nach der Tauffe, ein Epitaphium, so Hr. Nicolaus Hoppe Anno 1657 der Kirchen verehret.

Vnter dem Glockenthurmb am kleinen Gewölbe eine runde Scheibe, worin in der mitte ein wapen, wobey die Jharzahl 1543 vnd vmbher geschrieben mit Lateinischen Buchstaben: Her Henrich Banskav Probest h zv Schwerin, Scholaster zv HB 1 ).

Fürstliche Begräbnisse.

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Noch hinter dem Chor 2 Fürstl. Begräbnußen.

Hinterm Altar eine 2 ), darüber ein großes Steinern


1) Ganz dasselbe Wappen mit derselben Inschrift aus demselben Jahre war auch im Dome zu Hamburg.
Der Herr Secretair Fromm zu Schwerin hat dem Vereine eine alte Copie des auf Glas gemalt gewesenen Wappens des Propstes Heinrich Banzkow vom Jahre 1543 aus einem Kirchenfenster zu Hamburg geschenkt. Heinrich Banzkow war z. B. 1522 Dompropst zu Schwerin, Dom=Scholasticus zu Hamburg und Mitadministrator des Stiftes Schwerin. Das Gemälde ist rund, ungefähr 6 Zoll im Durchmesser, und enthält einen queer getheilten Schild: oben im gelben Felde rechts eine halbe weiße Rose und links eine halbe weiße Lilie, beide an einander stoßend, unten im Weisen Felde drei schwarze linke Schrägebalken. Die Umschrift lautet:

HER HINRICH BANSKAW PROBESTH ZV SCHWERIN SCHOLASTER ZV HB. (Hamburg).

2) Dies ist die ehemalige Heil. Bluts=Kapelle, die Mittel=Kapelle im Osten hinter dem Hochaltare, welche im Jahre 1552 nach der Zermalmung des Jaspissteins mit dem sogenannten heiligen Blutstropfen Christi zum fürstlichen Begräbniß eingerichtet ward. Vgl. Hederichs Schwerinsche Chronica, S. 33-34, und Jahrb. XIII, S. 172. Hier standen die fürstlichen Särge seit dem dreißigjährigen Kriege in einem unterirdischen Gewölbe, bis nach dem Tode des fnpage hochseligen Großherzogs Paul Friedrich der jetzt regierende Großherzog Friedrich Franz diese Stelle wieder zur Begräbnisstätte der groherzoglichen Familie erwählte und eine obere, offene Gruft, und darunter eine untere, gewölbte Gruft einrichten ließ, in welcher letzteren die alten Leichen in neuen Särgen genau nach dem Muster der alten stehen blieben. (Vgl. Jahrb. XIII, S. 175 flgd.). Im Jahre 1867 ist, bei Gelegenheit der Restauration des Doms, diese Begräbnisstätte erweitert, indem alle 5 Kapellen hinter dem Altare dazu genommen und auch unterirdische Grüfte dazu gewölbt sind. Die alten Särge sind hierbei in die unterirdische Gruft der westlichsten Kapelle im Süden, an der Chorpforte, eingesenkt und die dazu gehörenden Denkmäler dort angebracht worden. (Vgl. auch Jahrb. XIII, S. 179.)
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Epitaphium 1 ), worauff, in Persohnen größe, 2 Fürstl. Persohnen, auff den Knien sitzen, für sich einen Helm oder Sturmbhaube vnd 2 Handtschuen habende, Vnd ist zwischen denselben in der höhe ein Cruzefix, Vnd an der seiten 8 Persohnen gemahlet 2 ), Vmb derselben ein Gitterwerck, so vnten mit Steinen gemauret, vnd oben Meßing, Dafür 2 Thüren, davon die eine dobbelt, mit Hängen und Schlößern versehen, Vnd lieget für der einen Thür zum eingange des Kellers ein Leichstein, woran 4 eiserne Ringe.

(Hinterm Altar gegen der Fürstl. Begräbnus ein Meßings gegoßenes Epitaphium 3 ), worin in der mitten ein gros


1) Dieses "steinerne Epitaphium" war ohne Zweifel ein flaches Relief, zum Andenken der Herzoge Heinrich des Friedfertigen und Georg, da es em "Epitaphium" genannt wird, im Gegensatz zu dem "Monument" des Herzogs Christoph und Gemahlin mit ganzen Bildsäulen. Vgl. Jahrb. XIII, S. 173. Dieses "Epitaphium" ist längst spurlos verschwunden, ohne daß irgend eine andere Nachricht darüber erhalten wäre. Im Jahre 1794 berichtete (nach Fromm a. a. O.) der Consistorialrath Tode, daß die beiden kostbaren Denkmäler des Herzogs Christoph und des Herzogs Johann Adolph (?) vollkommen einer Ruine gleich seien. Damals war also dieses Denkmal noch vorhanden. Es muß also nach diesen genauen Beschreibungen ein Irrthum sein, wenn Fromm a. a. O. S. 280 meint, das eine Denkmal sei das auf den Herzog Johann Albrecht, welches noch vorhanden ist und nur aus einer Inschrifttafel und einer Vase aus Marmor besteht.
2) Diese 8 Figuren, 6 Grafen von Schwerin, und 2 Herzoge von Meklenburg, entdeckte ich zuerst im Jahre 1839 unter der Kalktünche. Es waren 8 lebensgroße Figuren, auf die beiden Seitenwände gemalt. Sie wurden 1841 restaurirt, aber 1847 bei der Einrichtung der mittlern Kapelle zur Fürstlichen Begräbnißgruft mit dem Kalkputz abgeschlagen. Vgl. Jahrb. XIII, S. 160 und 164. Jedoch wurden zuvor aetreue Copien davon genommen und im Geheimen und Haupt=Archiv niedergelegt.
3) Dies ist das schöne bronzene Epitaphium von dem berühmten Nürnberger Rothgießer Peter Vischer; vgl. Jahrb. XXVII, S. 257, XIII, S. 174). Es ward bei Gelegenheit der Erbauung der Begräbnißgruft für den hochseligen Großherzog Paul Friedrich an den Pfeiler fnpage gegenüber der südwestlichen Chor=Kapelle, in welcher jetzt die alten fürstlichen Särge stehen, versetzt, wo es noch, jetzt an passender Stelle, steht. Zugleich ward ein kleines, ebenwo altes, auf Glas gemaltes pfälzisches Wappen in das gegenüberstehende Fenster versetzt.
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Fürstl. Wapen vnd vmbher 8 kleine, so Frawen Fr. Helenen Pfaltzgräffin beim Rhein, Hertzogin zu Mecklenburgk zu ehren nachgesetzet.)

Die andere an der Norderseite, worüber ein Monument 1 ) aufgerichtet, darauff 2 Fürstl. Persohnen, Menschengröße, auff den Knien, so Hertzog Christoff vnd deßen Gemählin sein sollen, ein Buch vnd Cruzifix für sich habende, sitzen vnd ist solch monumentum etwas schadhafft, Vmbher mit einem eisern Gitter, worin 2 Thüren mit benötigtem eisen, vnd lieget vor solcher begräbnuß ein Leichstein eingangs zum Keller, sonst darin 4 runde Löcher, vmb darin zu leuchten.

Bischöfliche Begräbnisse 2 ).

Im hohen Chor,
alß woselbst der anfang gemacht.

Lit. A.

Für dem hohen Altar eine Bischoffliche Be=


1) Dies ist das große Denkmal in der nordwestlichen Kapelle, welcher noch steht. Vgl. Jahrb. XIII, S. 174.
2) Die meisten Bischöfe von Schwerin sind wohl in dem Dome daselbst begraben, jedoch sind sehr viele Gräber nicht mehr aufzufinden, wenn auch noch Spuren davon vorhanden, sind. Viele Grabplatten sind zersägt und zu neuern Gräbern benutzt und abgetreten. So liegt im Dome noch ein Stein, in welchem die Umrisse eines Bischofes mit einem Kelche in der Hand eingegraben sind und von der Umschrift noch die Buchstaben: Umschrift , welche auf eine sehr frühe Zeit (vor 1350) deuten. Ein anderes Bruchstück enthält die Worte: Umschrift Dieser Stein mag zu dem Grabe des Bischofs Johannes Thun, † 1504, gehören. Die Bischöfe Melchior, † 1381, Heinrich II., † 1429, und Werner, † 1473, sind zu Bützow begraben; aber von Leichensteinen ist sicher keine Spur mehr vorhanden. Nicolaus Böddeker, † 1459, liegt zu Lübek.
Hier soll nur erläutert werden, was zur Erkenntniß des hier mitgetheilten Inventarii und des jetzigen Zustandes dient, da eine Untersuchung über die Gräber der Bischöfe in eine Geschichte der Bischöfe gehört und auch als eine eigene Arbeit von großem Umfange werden würde.
Bis in die Regierungszeit des Großherzogs Paul Friedrich lagen vor dem Altare 5 Grabplatten, welche jedoch bei der Restauration der Kirche im Jahre 1815 mit dem Fußboden gesenkt fnpage und wohl nicht alle wieder an ihre ursprüngliche Stelle gelegt waren. Von diesen 5 Grabplatten waren 2 die bekannten, prachtvollen Messingplatten in " Messingschnitt", auf den Gräbern der 4 Bischöfe aus der Familie v. Bülow, welche von dem bedeutendsten Einflusse auf das Bisthum waren, und 3 Steinplatten. Bei der ersten Einrichtung des fürstlichen Begräbnisses in der Heil. Bluts=Kapelle, nach des Großherzogs Paul Friedrich Tode, wurden die 2 Messingplatten, weil ein Gang vor dem Altare darüber hinweg ging, von ihren Unterlagen gehoben und an die Wände der westlichen Chor=Kapelle im Süden gesetzt, wo 1867 die Gruft der Herzoge aus dem 16. Jahrhundert gebauet ist und die Denkmäler auf den Herzog Johann Albrecht I. stehen. Bei dieser Einrichtung sind im Jahre 1867 diese Messingplatten hier wieder weggenommen und an der Chorwand im Norden aufgerichtet. - Nach dem Bericht des Consistorialraths Tode vom Jahre 1794 (vgl. Fromm a. a. O. S. 280) waren die Vertiefungen der Messingschnittplatten "mit einer weißen Masse ausgefüllt, die einem Kitt sehr ähnlich sah".
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gräbnuß 1 ), worauff ein Leichstein mit Meßing überleget, liget, vnd seindt darin zwo Bischoffsbilder sampt 4 Bülowen Wapen gestochen.

Lit. B.

Noch hiebey eine Bischöffliche Begräbnuß 2 ), darauff ein Leichstein, ein guet Theil größer wie der vorige, auch mit Meßing überleget, vnd seindt gleicher gestalt 2 Bischoffsbilder nebenst 4 Bülowen Wapen darin gestochen.

Lit. C.

Noch eine Bischöffliche Begräbnus mit einem Leichstein, worauff, wie annoch bekandt, vor diesem ein in Meßing gegoßenes Bischoffsbilde 3 ), Menschensgröße, in


1) Dies ist die kleinere Messingplatte, 11 Fuß hoch eine Doppelplatte, auf den Gräbern der Bischöfe Ludolph I. † 1339, und Heinrich I. † 1347, beide aus der Familie v. Bülow, welche bald nach dem Tode Heinrichs gelegt sein muß, da die Inschriften noch in Majuskel=Schrift gehalten sind. Diese Platte ist noch vorhanden.
2) Dies ist die prachtvolle, größere Messingplatte, 15 Fuß hoch, ebenfalls eine Doppelplatte, gelegt auf das Grab des Bischofs Friedrich II. v. Bülow, † 1375, des Vollenders des Domes. Zu gleicher Zeit ist zur Symmetrie mit der kleinen Platte das Gedächtniß des Bischofs Gottfried I. v. Bülow, † 1314, in gleicher Art darauf verherrlicht, obgleich dieser daneben ein eigenes Begräbniß hatte. Die Platte muß bald nach dem Tode Friedrichs gelegt sein, da der Styl einen vollkommen ausgebildeten gothischen Styl zeigt und die Inschriften in der ausgeprägten Minuskel=Schrift jener Zeit gehalten sind. Diese Platte ist noch vorhanden.
3) Daneben ist das Grab des Bischofs Gottfried I. v. Bülow. Nach allen Nachrichten lag auf dem Steine des Bischofs ganze Statue aus Messing, oder, wie Hederich in seiner Bischöflichen Historie sagt, "ein erhabener ganzer Bischof aus Messing gegossen, 1 Fuß hoch, 4 Fuß breit und 9 Fuß lang". Dieses Bild ist früh gehoben und an der Wand neben dem Chor aufgerichtet (wohl dort, fnpage wo jetzt die Messingplatten angebracht sind) und befestigt gewesen. In unserm Inventarium steht, dies sei vor ungefähr 50 Jahren, also ungefähr 1604, geschehen. Aber Hederich († 1605), der um diese Zeit seine Bischöfliche Historie vollendet hat, sagt, "daß die Statue schon damals nach vielen langen Jahren aufgenommen und an die Wand gesetzt" sei; vielleicht mag es 1585 bei der Oeffnung des Chors gewesen sein; daß es bei der Legung der Messingplatte 1375 geschehen sei, ist nicht glaublich. Wenn aber Franck im A. u. N. Meklenburg, Buch V, S. 245, 1754, sagt, daß das Bild damals "an der Wand im Chor noch stehe", so ist diese Behauptung wohl nur aus dem Winde gegriffen; denn wir müssen das Inventarium von 1664, welches das Bild sicher aufgeführt haben würde, wenn es damals noch vorhanden gewesen wäre, durchaus für richtig halten. Der Stein, auf welchem das Bild nach den vertieften Umrissen eingelassen gewesen ist, lag noch auf seiner Stelle vor dem Altare; der Stein ist 10 Fuß 5 Zoll lang und die niedrige Vertiefung für das eingelassen gewesene Bronzebild, dessen Kopf auf einem viereckigen Kissen gelegen hat, 7 Fuß 3 Zoll lang; umher läuft eine Vertiefung für einen breiten Inschriftrand mit runden Scheiben an den 4 Ecken für die Evangelisten=Symbole.
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der mitte gelegen, auch vmbher uff den Stein Meßing gewesen, NB. welches, des Kirchen Maurmeisters Jochim Stolten bericht nach, für vngefehr 50 Jharen, weiln zu der Zeit die Communion fürm großen Altar gehalten werden sollen (dan Sie vorhin fürm kleinen Altar allemahl verrichtet) Vnd daßelbe dazu behinderlich gewesen, hinwegk genommen vnd hinterm Chor zur seiten in der Maur aufgesetzet und befestiget, Nachgehents aber, etwa für 11 Jharen, solches wieder herausgenommen, aufs Schlos geliefert vnd zu Stücken oder geschützen verbraucht worden.

Lit. D.

Noch eine Bischöffliche Begräbnuß 1 ) mit einem Leichstein, darin ein Bischoffsbilde gehawen.

NB. Vorbemelte 4 Bischoffs Begräbnußen liegen negst vor dem Altar in einer Reige, in die breite.

Lit. E.

Hiernegst folget in der mitte dieses hohen Chors noch eine Bischöffliche Begräbnuß 2 ), mit einem Leich=


1) Dies ist das Grab des Bischofs Rudolph II. († 1262), neben den genannten. Der Stein ist jedoch in jüngeren Zeiten des Mittelalters erneuert, da die Inschrift in Minuskel=Schrift gehalten und schlecht gearbeitet ist.
2) Dies ist der Leichenstein des Bischofs Conrad Loste († 1503), welcher 1866 noch vorhanden war. Er lag aber nicht in der "Mitte des Chors", sondern zur Seite der eben genannten und ist hierher wohl im Jahre 1815 gelegt worden.
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stein beleget, Worin auch ein Bischoffs Bilde nebenst dem nahmen Hr. Conradus Lost I. U. D. gehawen.

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Im kleinen Chor.

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Lit. E.

Noch eine Bischöffliche Begräbnus 1 ), worauff ein Leichstein lieget, so in der Zwerg gebrochen, mit einem Meßingschen Bischoffshuet, auch in dem Stein ein Bischoffsbilde vnd Stab gehawen.

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Vorzeichnus

der Altar im Thumb zu Schwerin 2 )

21 Augusti Anno 1553.

  1. Capella cruoris Christi 3 ). In des heiligen Bluts Capelle ist ein Althar.
  2. Altare s. Andreae.
  3. s. Jacobi.
  4. s. Stephani.
  5. ss. Cosmae et Damiani.
  6. s. Annae.
  7. s. Martini.


1) Dies ist der Leichenstein des Bischofs Marquard Beermann († 1376), welcher nach Hederich "unten im Chor" begraben ward. In der Mitte des Mittelganges des Chors neben und zum Theil unter den Stühlen lag noch 1867 ein sehr abgetretener Leichenstein, dessen jetzt fehlende Inschrift mit Messing eingelegt gewesen ist. Der obere Theil war wegen der Stühle nicht zu sehen und wahrscheinlich abgehauen. Aber es waren noch die Umrisse eines Bischofsbildes zu erkennen und zu den Füßen desselben ein Wappenschild mit 2 gekreuzten Schlüsseln, das Wappen der Beermann.
2) Die hier gewählte Reihenfolge hat ihren Grund vielleicht in den Oertlichkeiten des Domes, indem sie mit der bekannten Heiligen=Bluts=Kapelle hinter dem Hochaltare im Osten beginnt und von hier wahrscheinlich an der Südwand fortschreitet und durch Westen nach der Nordseite geht.
3) Diese Kapelle ist die bekannte Heilige=Bluts=Kapelle hinter dem Hochaltare. Unter No. 39 wird noch ein Altar des Blutes Christi ("sanguinis Christi") aufgezählt.
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  8. Decollationis Johannis bapt. (Johannis d. T. Enthauptung) 1 ).
  9. ss. Petri et Pauli.
10. s. Gertrudis.
11. Vicula Petri (petri Kettenfeier).
12. Divisio Apostolorum (Apostel=Theilung)
13. Angelorum (Engel).
14. XXIIII Seniores 2 ) (Die vierundzwanzig Aeltesten um Gottes Thron).
15. s. Trinitatis (Heil. Dreifaltigkeit).
16. s. Matthaei apostoli et evangelistae.
17. s. Bartholomaei.
18. s. Brandani 3 ).
19. s. Gregorii.
     In sinistro latere templi incipiendo ab occasu.
20. XIIII Auxiliatores (Vierzehn Nothhelfer) 4 ).
21. Altare ad sacellum spectans beatae Mariae virginis 5 ).
22. s. Nicolai.
23. Decem Millium Militum martyrum (Zehntausend Ritter) 6 ).
24. s. Ansveri.


1) Die Enthauptung Johannis des Täufers war ein Gegenstand besonderer Verehrung in dem Dome zu Schwerin, da das Haupt Johannis d. T. auf der Schüssel von Engeln empor getragen, auf dem Triumphbogen gemalt stand. Vgl. S. 174 und unten. - Unter No. 26 wird noch ein Altar Johannis d. T. aufgeführt.
2) Die " XXIIII Seniores" sind ohne Zweifel die "Vier und zwanzig Aeltesten, welche auf Stühlen um den Stuhl Gottes im Himmel saßen", nach Offenb. Johannis 4, 2-11; 5, 8 u. 14; 19, 4.
3) Der Heil. Brandanus kommt in Meklenburg selten vor. Er ist nur noch im Dome zu Güstrow und in der Kirche zu Malchin beobachtet.
4) Von den bekannten, sehr häufig einzeln vorkommenden 14 Heil. Nothhelfern hatten im Dome zu Schwerin außerdem nur zwei (Katharina und Erasmus) besondere Altäre; sie wurden also im Dome zusammen verehrt.
5) Diese Marien=Kapelle ist wahrscheinlich die gewölbte Kapelle in der östlichen Ecke am südlichen Kreuzarm. Hier war nach dem Inventarium von 1664 (vgl. S. 160) ein Marien=Bild (auf die Wand) gemalt. Spuren von Wandmalereien, auch ein bischöfliches Weihkreuz, ließen sich noch 1870 wahrnehmen, jedoch nicht genau erkennen. In dieser Kapelle wurden "Marienzeiten" gesungen. Im Inventarium von 1553 heißt es bei diesem Altar: "Von den possessoribus zu erkunden, was zu den horis gehörig. Item von den Lampen. Item von den Officianten." Vielleicht war dies die Kapelle, in welcher die Milch der Maria verehrt ward; vgl. S. 156. Eine andere Marien=Kapelle war an der nördlichen Seite No. 36.
6) Dies ist der Altar des Heil. Achatius (einer der 14 Nothhelfer), des Heerführers der zehntausend Männer, die mit ihm gekreuzigt sein sollen.
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25. Altare Magdalenae "beim Predigstuele".
26. Altare Johannis Baptistae.
27. s. Dorotheae.
28. s. Hieronymi.
29. ss. Philippi et Jacobi.
30. s. Erasmi.
31. Trium Regum (Heil. Drei Könige).
32. s. Catharinae.
33. Das Frumeß= oder pfar=Altar sub ambone.
     Da gehöret kein beneficium zu.
34. s. Apolloniae, beim Cohre.
35. Zum hohen Altar im Cohre gehöret kein beneficium.
36. Capella Assumptionis Mariae sub organis minoribusi 1 ) (Mariä Himmelfahrt oder Krautweihung).
37. Ursulae cum sodalibus suis s. Vndecim Millium Virginum (Elftausend Jungfrauen).
38. s. Laurentii.
39. In sacello clauso Sanguinis Christi 2 ).
40. s. Agnetis.
41. s. Elisabeth.
     Nach einem andern Verzeichnisse und nach Heberegistern kam noch hinzu:
42. s. Margarethae.


Neue Entdeckungen bei der Restauration von 1867.

Man konnte bei der Restauration des Domes seit 1866 wohl auf neue Entdeckungen gespannt sein, da für


1) Diese Marien=Kapelle ist wahrscheinlich die gewölbte Kapelle in der östlichen Ecke am nördlichen Kreuzarm. Diese Kapelle war nach vielen unter der Kalktünche gut erhaltenen Resten ganz und schön bemalt. Nach der hier gegebenen Beschreibung lag sie unter der kleinen Orgel, welche also, wie oft erwähnt, an der Seite auf dem "kleinen Gewölbe" stand.
2) Dieses Heiligthum ("sacellum", vielleicht Schrein) des Blutes Christi ("sanguinis Christi") wird deutlich von der bekannten Heiligen=Bluts=Kapelle No. 1 ("capella cruoris Christi") geschieden. Ohne Zweifel ward hier das heilige Blut Christi verehrt, welches (sanguis Christi) schon im 12. Jahrhundert der Graf Gunzelin I. vor der Stiftung der großen Heil. Bluts=Kapelle, mitbrachte (vgl. Jahrb. XX, S. 234 flgd.). Vielleicht war dieses kleine Heiligthum ein Gegenstand der Verehrung des "Leidens Christi" im Allgemeinen; denn nach dem Inventarium von 1664 war an dem Pfeiler neben dem Lettner unter der Uhr "Christi nackendes Bildniß, ein Rohr in der Hand haltend", mit der Dornenkrone auf dem Haupte, also das "Ecce homo", da Christus blutend dargestellt wird.
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dieselbe die Kalktünche von den innern Wänden abgenommen ward, um eine neue Bemalung in roth mit Erfolg auftragen zu können. Diese Erwartungen sind nicht ganz befriedigt. Es fand sich in dem Dome an Wänden, Pfeilern und Gewölben so wenig malerischer Schmuck, daß dieser Mangel zum weitern Nachdenken führen mußte.

Der Dom ist auf dem Höhenpunkte der gothischen Baukunst, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vollendet worden. Die großen und großartigen Verhältnisse sind vorherrschend; es giebt fast mehr Pfeiler und Fenster als Wandflächen. Dennoch wäre zum malerischen Schmuck wohl immer noch Platz an den Wänden und Gewölben zu finden gewesen; aber er mochte gegen die Architektur zu untergeordnet erscheinen, und deshalb ließ man ihn lieber ganz weg. Man legte den Schmuck mehr in die gewaltigen Fenster, in die Glasmalerei, welche mehr wirken konnte, als untergeordnete Malerei. Freilich ist von der Glasmalerei des Domes nichts übrig geblieben und alles ist schon früh untergegangen. Im Jahre 1664 waren die meisten Glasfenster zerbrochen, ja einige fehlten ganz.

Es ist daher wahrscheinlich, daß man während der Zeit der größten Ausbildung der gothischen Kunst von der Bemalung der Kirchen zurückgekommen war. Während der Zeit des Uebergangsstyls, welcher in Meklenburg sehr ansehnlich vertreten ist, bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, sind die Kirchen vielfach und reich bemalt gewesen, und es finden sich überall im Lande Ueberreste genug unter der Kalktünche, und oft sehr schöne. Aber in den großen Kirchen gothischen Styls aus dem 14. Jahrhundert ist bisher so viel wie nichts entdeckt. So hat sich in der schönen Abtei=Kirche von Doberan nichts und in der geschmackvollen Kirche des Dom=Collegiat=Stifts von Bützow äußerst wenig Malerei, und in beiden nur aus jüngerer Zeit, gefunden; und diese beiden Kirchen sind in ihrer jetzigen Gestalt zu gleicher Zeit mit dem Dome zu Schwerin fertig geworden. Seit dem Ende des 14. und dem Anfange des 15. Jahrhunderts scheint die Wandmalerei bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts wieder mehr beliebt zu werden; aber viele Ueberreste deuten darauf hin, daß der Schmuck dieser Zeit oft mehr Handwerks=Decorations=Malerei, als wirkliche Kunst war.

Die alte Färbung des Doms im Innern.

Nach sorgfältigen Beobachtungen während der Abnahme der Kalktünche standen die von rothen Ziegeln aufgeführten

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Wände und Pfeiler des Domes in alten Zeiten im Rohbau und die Gewölbe im weißen rohen Kalkputz, ohne daß sich eine Spur von einer durchgehenden Decorationsmalerei hätte finden lassen. Es war der Darstellung des Rohbaues in denselben Farben wohl im Einzelnen etwas nachgeholfen. Die Kirche war ganz so gefärbt, wie die zu derselben Zeit fertig gewordene Kirche zu Doberan, und zwar in denselben Farbentönen.

Zum Beweise fanden sich 1867 noch einige Proben der alten Decoration wohl erhalten. Bei dem im Jahre 1574 ausgeführten Bau des fürstlichen Chores, der ehemaligen Kanzel gegenüber, stand die Kirche noch im Rohbau. Bei diesem Chorbau wurden die Dienste an den Pfeilern, an die sich das Gewölbe lehnte, so hoch als die Gewölbeansätze waren, mit eingemauert und kamen daher 1868 beim Abbruche der Gewölbe wohl erhalten wieder zu Tage. Die Pfeilerflächen und die Dienste oder Rundsäulen an den Pfeilern, welche in die Gewölberippen auslaufen, standen im Rohbau, d. h. die Ziegel in ihrer natürlichen, rohen Ziegelfarbe, und die Fugen in der natürlichen Kalkfarbe. Aber alle Hohlkehlen oder Vertiefungen und Zwischenräume zwischen den Diensten, welche in die Gewölbekappen auslaufen, selbst wenn sie verschiedene Profilirungen hatten und nicht grade Hohlkehlen waren, waren mit einem senkrechten weißen Kalkstrich übermalt, welcher viel breiter war als die gewöhnlichen Kalkfugen. Dies war geschehen, um die Dienste klarer abzuheben und die Pfeilerbauten mehr zu beleben. Dies ist Styl des gothischen Ziegelrohbaues. Und so ist es auch in der Kirche zu Doberan und ebenfalls nach alten Resten dort auch von Anfang an so gewesen. (Vgl. Jahrb. XIX, S. 346.)

Die erste Bemalung der Gewölbe=Rippen war grün gewesen. Eine jüngere Uebermalung zeigte verschiedene Farben. Später kam schwarz, dann bei der vorletzten Restauration grau, jetzt roth.

Weihkreuze.

Bei der Ablösung der Kalktünche kamen auch mehrere bischöfliche Weihkreuze zum Vorschein, eines z. B. an der Südwand des südlichen Kreuzschiffes; drei andere standen an den Pfeilern im Chor der Kirche. Die letzteren standen auf der glatten Wand unter den Diensten, mit denen die Pfeiler bei der gothischen Umwandlung der Kirche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bekleidet worden sind. Freilich waren die untern Enden der Dienste, unter denen

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sie standen, von Holz und erst in neuern Zeiten nach unten hin fortgeführt. Es bleibt also nur übrig anzunehmen, entweder daß in alter Zeit die Dienste im Chor wegen der hohen Baldachine der ehemaligen Chorstühle nicht so weit heruntergingen, oder daß die Weihkreuze noch von der ersten Einweihung vom Jahre 1248 stammen und bei der Umwandlung der Kirche von den Diensten bedeckt worden sind; das Letztere ist auch nicht unwahrscheinlich, da eines der Kreuze am mittlern nördlichen Chorpfeiler innerhalb des Chorraums, also wohl aus der Zeit vor der Vollendung des nördlichen Seitenschiffes, nicht in der Mitte des Pfeilers, sondern etwas seitwärts stand, die Stelle des Kreuzes also wohl die ehemalige Mitte des Pfeilers bezeichnete, welcher im 14. Jahrhundert wohl an einer Seite verstärkt ward.

Alte Wandmalereien.

Nach den in den vorstehenden Zeilen geschilderten Eigenthümlichkeiten des gothischen Domes sind denn auch sehr wenig alte Wandmalereien unter der Kalktünche entdeckt worden. Jedoch sind einige von hervorragender Bedeutung.

Malereien im Hauptgebäude.
Bemalung des Triumphbogens.

Die Wand des Mittelschiffes des hohen Chores, welcher niedriger ist, als das Kreuzschiff und das westliche Langschiff, reicht gegen das Kreuzschiff ansehnlich hinab und ist zwischen den beiden westlichen Pfeilern in einem starken Bogen gewölbt, den man den "Triumphbogen" nennen kann. Unter ihm stand einst der Laienaltar vor dem ehemaligen Lettner und über dem Altar das große Crucifix.

Dieser Bogen ist auch architektonisch geschmückt, indem er von 2 menschlichen Halbfiguren, als Consolen, getragen wird, welche bemalt waren.

Die östliche Seite dieser Bogenwand trägt unten unmittelbar mit das Chorgewölbe. Die westliche Seite steht in der Mitte, 7 bis 8 Fuß hoch, frei und verläuft in Zwickeln gegen die Pfeiler hin bis zu den Consolen. Die Gemeinde htte also immer den freien Blick auf diesn Bogen, wenn se nach dem hohen Chor und dem großen Crucifix über dem Laienaltar hinaufsah.

Als im Junii 1867 bei der Restauration die Kalktünche abgenommen ward, fand es sich, daß eine sehr schöne

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Malerei diese Wand dieses Triumphbogens bedeckte und noch gut zu erkennen und ziemlich erhalten war. Die Malerei machte, selbst in einer Höhe von fast 100 Fuß, eine vortreffliche Wirkung. Diese Malerei besteht in folgender Darstellung.

In der Mitte steht ein Heiligenkopf, in dunklem Colorit, mit langem Haar und mit Bart. Um das Haupt legt sich eine Scheibe, wie ein Heiligenschein, jedoch von dunkelrother Farbe; die Scheibe legt sich aber nicht gleichmäßig rund um den Kopf, sondern liegt mit dem untern Rande ungefähr in der Linie der Lippen und ragt hoch über den Scheitel weg, so daß der Kopf nicht in der Mitte der Scheibe liegt, sondern auf dem untern Rande derselben steht.

Zu den Seiten dieses Hauptes sind zwei große fliegende Engel dargestellt, welche mit beiden Händen die Scheibe halten. Die Engel sind sowohl im Ausdruck, als auch in der Bewegung ungewöhnlich schön gehalten; sie sind in hellfarbige Gewänder gekleidet und haben sehr lange Flügel, jeder einen dunkelrothen und einen grünen, deren Umrisse sehr gut zu der Bewegung der fliegenden Gewänder stimmen.

Die Zwickel waren mit schlecht gemalten, natürlich gehaltenen Blumenranken mit hellrothen Blumen gefüllt, in denen die Säume der Engelgewänder verschwanden. Eine genauere Untersuchung hat aber gelehrt, daß diese Blumenranken aus einer jüngern Uebermalung stammen und ohne Werth waren.

Von Bedeutung ist die Lösung der Frage, wen dieser Kopf darstellen soll. Man ist geneigt, denselben für einen Christuskopf zu halten. Aber dafür ist das Colorit des Gesichts zu dunkel und der Ausdruck zu derbe; es fehlt die Dornenkrone, welche sicher nicht fortgeblieben wäre; die Scheibe ist roth und wird, nach sicherer Beobachtung, von den Engeln angefaßt: dies würde aber nicht so gemalt sein, wenn die Scheibe einen Heiligenschein darstellen sollte, denn man findet wohl nie, daß der Heiligenschein von andern Personen getragen wird; das "Schweißtuch", welches die Engel anfassen könnten, ist sicher nicht vorhanden.

Ich bin daher geneigt, den Kopf für das Haupt Johannis des Täufers zu halten und die dunkelrothe Scheibe für eine blutige Schüssel.

Und diese Annahme stimmt ganz zu den Bau=Perioden des Domes.

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Der Dom in seiner jetzigen Gestalt, mit Ausnahme der Wölbung des westlichen Theils des Mittelschiffes, ist ohne Zweifel im Jahre 1374 fertig geworden.

Der Chor ist jedoch, mit Ausnahme des polygonen Umganges mit den 5 Kapellen, älter, wie schon die Laibungen der obern Fenster des Mittelschiffes beweisen. Die Pforte des neuen, d.h. zuerst umgebaueten, Chores war nun im Jahre 1327 fertig; denn eine Urkunde vom 27. März 1327 ist "zu Schwerin vor der Pforte des neuen Chors" gegeben ("ante hostium noui chori"); dieser Ausdruck deutet sicher auf ein Ereigniß, welches damals noch im frischesten Andenken war. Auch ward im Jahre 1328 das Kalkhaus zum Dombau, an der Stelle des spätem Refectoriums und Gymnasiums, zu anderweitiger Verfügung gestellt (vgl. Jahrb. XIX, S. 399 flgd).

Der Umbau des Chors ward nun höchst wahrscheinlich von dem Bischofe Gottfried I. v. Bülow (1292-1314) im Anfange des 14. Jahrhunderts angefangen und unter dem Bischofe Hermann II. Maltzan (1314-1322) der Vollendung nahe gebracht. Hermann Maltzan war aber im Jahre 1300 Schatzmeister (thesaurarius) und später Propst des Dom=Capitels zu Schwerin, bis er zum Bischofe erhoben ward, und hat, da er ein Mann von kräftigem Geiste war, als angesehener und geschäftsführender Prälat ohne Zweifel großen Einfluß auf den Bau gehabt.

Nun führt aber Hermann Maltzan im Jahre 1300 als Dom=Thesaurarius zu Schwerin in seinem hieneben abgebildeten, sehr seltenen Amtssiegel außer seiner eigenen Gestalt und seinem Wappen, als Hauptbild das Haupt Johannis des Täufers, wie es im Dome zu Schwerin abgebildet ist, sonst aber in den Schweriner Dom=Urkunden nicht vorkommt (vgl. Lisch Maltzan. Urk. I, S. 106-109, No. XLII, und Litographie, Taf. II, Nr. 5).

Siegel

Es erscheint mir also sehr wahrscheinlich, daß das Bild bei der Vollendung des ersten Umbaues des Domes unter der Leitung und dem Einflusse Hermann's Maltzan in der Zeit 1300-1322 gemalt ist, und der Kopf das Haupt Johannis des Täufers auf einer Schüssel darstellen soll, welches die Engel gen Himmel tragen: an dieser Stelle allerdings ein geistreiches und schönes Bildwerk.

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Der heilige Christoph auf der Südwand des Kreuzschiffes.

Im südlichen Kreuzschiffe, in der Ansicht links neben dem großen Fenster über der Hauptpforte nach der Marktseite, war auf Putzgrund die Figur des H. Christoph gemalt, wie er das Christkind durch das Wasser trägt, mit einem großen Baume in der Hand, eine sehr gewöhnliche alte Darstellung in Malerei und Bildhauerei innen oder außen an der Hauptpforte der Kirchen, da man nach altem Aberglauben an dem Tage nicht starb, an welchem man den H. Christoph sah.

Der Kalkputz und das Gemälde waren gut 12 Fuß breit und ungefähr 24 Fuß hoch. Das Christkind, in goldgelbem Gewande und Haar, welches auf Christophs Schultern sitzt und die linke Hand auf seinen Kopf legt, war in natürlicher Größe gehalten. Die Gestalt des H. Christoph aber war, vom Scheitel des Christkindes bis zu den Fersen des H. Christoph, 17 Fuß hoch. Der H. Christoph hat hellblondes Haar, einen rothen Wams und ein weißes Hemd und ist von den Knieen herab nackt. Die Malerei ist in Composition und Farbe durchaus gut und sehr edel gedacht.

Die Tafel auf Kalkputz war noch viel größer, da oben noch Landschaft und unten noch Wasser mit Gewächsen zu sehen war.

Unten auf der Tafel war in 6 Zeilen eine Inschrift in lateinischen Unzial=Buchstaben, von welcher mit Mühe noch zu lesen war:

1 . CHRISTOPHORVS . . . . . . . . A TEM . . . . . . . .

PE . . . T . . . . ALTIS . NITVNTVR

2 . . . . . . QVE BENE PERPENDI MYSTICA M . . . . . .

SCIET — — — — QVID VERO . . . . . . . . TICA — —

3 . . . . . GN . . . . FER . . . . . . . VM CHRISTO . . . .

VIUVS O — — — ACCIPIVNT — — IN — — —

4 — — — — RES RAT . . . GN . . . ERIT — ANN

— — — — — — —

5 — — AQ — — S — — VNT PER — — ICIA CO

— — — — — CANDIDA CHRISTO

6 . CHRISTIA . . . . QVID VI[R]ET [A]RBOR[VM]

. . . . VLVS — ERVEM — — TE . ENIGNE DATO

Nachdem die Inschrift, so gut es ging, bloß gelegt war, las man im Anfang: CHRISTOPHORVS. Die Schreibung des Namens mit CH und PH scheint dem 16. Jahrhundert anzugehören. Im 13. oder 14. Jahrhundert hätte man vielleicht CRISTOFORVS geschrieben.

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Die Inschrift ward schließlich zwar bloß gelegt. Aber es war nicht allein mit der Ablösung sehr vieles verloren gegangen, sondern auch an mehreren, schon früher abgefallenen Stellen der Kalk neu eingeputzt gewesen, ohne Ergänzung der Inschrift. So viel ist gewiß, daß kein einziger alter lateinischer Unzial=Buchstabe darin vorkommt, sondern alle Buchstaben den Charakter der Mitte des 16. Jahrhunderts tragen. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, daß die Verse Hexameter gebildet und eine mystische Auslegung gezeigt haben, nicht nach mittelalterlicher Darstellungsweise, welche, wegen der Capitalbuchstaben, über 1350 zurückreichen müßte. Darauf deuten einzelne Wörter, z. B. Z. 1 im Anfange CHRISTOPHORVS (vor 1350 würde man wohl CRISTOFORVS geschrieben haben), Z. 2 MYSTICA . . . . . . . SCIET, Z. 4 CHRISTO . . . . . VIUVS, Z. 5 CANDIDA CHRISTO., Z. 6 CHRISTIA . . . QVID VIRET [A]RBOR[VM] — — — [B]ENIGNE DATO. Ungefähr können diese wenigen Worte den Inhalt andeuten. Viel mehr ganze Wörter sind nicht zu entziffern gewesen.

Unten rechts am Schlusse stand in cursiver Schreibweise ein Namenszug (des Verfassers), aus zwei bis drei Buchstaben, von denen der letzte ein cursivisches M zu sein schien, der an die neuern Zeiten erinnert, jedenfalls nicht der alten Zeit angehört (A. Mylius?).

Auch die Figur ist viel großartiger und freier gehalten und richtiger und derber gezeichnet (z. B. in den Waden des H. Christoph), als im Mittelalter. Es ist daher wahrscheinlich, daß in der Mitte des 16. Jahrhunderts das Bild ganz übermalt oder ein besseres auf den alten Kalkputz gemalt ist.

Die ganze Malerei ist bei der Restauration der Kirche 1867 wieder übertüncht.

Malereien auf der Nordwand des Kreuzschiffes.

Die nördlichen Wände des Kreuzschiffes, neben der nördlichen Pforte zum "Friedhofe" innerhalb des Kreuzganges, dem H. Christoph gegenüber, waren auch mit großen Gestalten bemalt gewesen, dem Anscheine nach mit Bischofsgestalten. Es ließ sich aber mit Bestimmtheit nichts mehr erkennen.

Verzierungen durch Inschriften.

Auf der Südwand des südlichen Kreuzschiffes, nach dem Markte hin, fand sich in der Höhe der Kapitäler der Pfeiler und Dienste, also unter dem Anfange der Gewölbe, auf der

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Wand zu beiden Seiten des großen Fensters (also hoch über dem H. Christoph), eine eigenthümliche Verzierung. Dies war ein Fries mit weißem Grunde (auf dem rothen, gefugten Rohbau) mit roth gemalter Einfassung; auf diesem Friese stand an jeder Seite des Fensters als Ornament folgende Inschrift in rother, sehr großer gothischer Minuskelschrift

Inschrift

d. i. Jhesus Christus (ΧΡΣ oder C).

Die Buchstaben waren 14 Zoll hoch und in den Grundstrichen 2 Zoll breit. - Diese Inschriften sind im Jahre 1867 wieder hergestellt. Auf den Seitenwänden dieses Kreuzschiffes ging in gleicher Höhe ein brauner Streifen von der Breite des Inschriftfrieses umher.

Im westlichen Theile des Mittelschiffes fand sich zu beiden Seiten des vorletzten südlichen obern Fensters nach der Orgelwand hin, in gleicher Höhe, vor der unten zur Sprache kommenden Bauinschrift, folgende ähnliche Verzierungsinschrift. Links in der Ansicht von diesem Fenster stand:

Inschrift

d.i. domine Jhesu (Herr Jesus!), in grünen Buchstaben. Rechts von dem Fenster stand

Inschrift

d. i. Johannes, in rothen Buchstaben.

Wandmalereien im Westen.

Die westliche Wand des Mittelschiffes hinter der Orgel, also die östliche Thurmwand, war mit Malereien aus den verschiedensten Zeiten über einander bedeckt, welche aber größten Theils zerstört waren und unten bei den Bauinschriften näher besprochen werden. Oben in der Mitte ließen sich Reste eines colossalen Marienbildes erkennen. Es ließ sich jedoch nicht entscheiden, auf welcher Schicht das Bild saß; dem Anscheine nach stand es zum Theil über der Bauinschrift von 1416. Erhalten und wiederherstellen ließ sich hier nichts.

Wandmalereien in den Kapellen.

Das Hauptgebäude hat wenig malerische Verzierung gehabt, aber desto mehr reiche Ausstattung an Schnitzwerk

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und Bildhauerei, wie es auch wohl der Charakter großer gotischer Dome mit sich bringt. Mehr malerischen Schmuck werden die Kapellen gehabt haben.

Wandmalereien in der Heil. Bluts=Kapelle.

Die berühmte "Heil. Bluts=Kapelle", in der mittlern Kapelle des polygonen Chorschlusses im Osten hinter dem Hochaltare, ist ohne Zweifel auch an den Wänden reich geschmückt gewesen. Die Wände um den Altar des Heil. Blutes waren am Ende des 14. Jahrhunderts durch den Dom=Thesaurarius Bernhard v. Plessen, welcher 1392 auch das Refectorium bauen ließ, mit den lebensgroßen Figuren der Stifter und Wohltäter der Kapelle geschmückt, welche 1839 von mir unter der Tünche entdeckt, 1841 restaurirt und 1847 bei der Einrichtung der großherzoglichen Begräbnißgruft abgeschlagen, jedoch in getreuen Copien im Archive erhalten wurden (vgl. Jahrb. XIII, S. 160 und 164).

Bei der jüngsten Restauration des Domes war 1866 bei Abnahme der Kalktünche entdeckt, daß die der Kapelle zugewandten Flächen der beiden östlichsten Pfeiler des Chors hinter dem Hochaltare ganz mit Malereien bedeckt waren. Auf den östlichen Hauptflächen dieser beiden Pfeiler stehen auf jedem Pfeiler in einiger Höhe zwei Heiligenfiguren über einander, jede unter einem gothischen Baldachin. Die Figuren haben gelbe, etwas wolkenartig gestaltete Heiligenscheine. Der Styl ist gut und spricht für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die untere Hälfte der Figuren fehlt, da in frühern Zeiten der Putzgrund abgehauen ist. Die Figuren lassen sich sehr schwer bestimmen, da sie doch etwas gelitten haben. Vielleicht stellen sie vor

S. Johannes d. Ev.           S. Johannes d. T.
S. Katharina. S. Michael.

Die Dienste der Pfeiler waren mit verschiedenen Farben, die abgefaseten Ecken der Pfeiler braun bemalt.

Die inneren Flächen der Pfeiler, bis zur Bogenwölbung und so weit die Figuren reichen, sind mit einem rothen Friese bemalt, auf welchem hübsche weiße Rankengewinde stehen.

Diese Malereien sind so erhalten worden, wie sie bloß gelegt sind.

Wahrscheinlich ist die ganze Kapelle ähnlich bemalt gewesen; es haben sich aber keine Spuren weiter finden lassen.

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Wandmalereien in der nördlichen Marien=Kapelle.

Die kleine gewölbte Kapelle, welche an die Ostseite des nördlichen Kreuzarmes angebauet ist, wahrscheinlich die oben Nr. 36 aufgeführte "Kapelle zu Marien Himmelfahrt" ("assumptionis Mariae"), "unter der kleinen Orgel", ist völlig und am reichsten in der ganzen Kirche bemalt gewesen. Dieser Schmuck war ganz durch Kalktünche bedeckt. Einige Versuche, kleine Stellen von der Tünche zu befreien, zeigten bald unverkennbar Spuren von alter Kunstmalerei, und so ward denn im Sommer 1869 bei Gelegenheit der Restauration der Kirche die ganze Kalktünche nach und nach, so gut es gehen wollte, abgenommen. Leider zeigte es sich dabei, daß in den Gewölben manche Stelle schadhaft gewesen und schon in frühern Zeiten neu überputzt waren. Andere Stellen waren durch das Alter und die Kalktünche ganz oder zum Theil unkenntlich geworden. Jedoch ließ sich die Art und Weise der Verzierung und der innere Zusammenhang noch erkennen.

Die Kapelle ist nach der Kirche hin, also gegen Süden und Westen, durch gothische Bogen geöffnet. An der Ostseite hat ein Altar gestanden; daher ist hier keine Kunstmalerei vorhanden. Die Nordwand hat ein großes Radfenster und ist zum größern Theil bemalt. Den reichsten Schmuck tragen aber die niedrigen Gewölbe.

Die Nordwand hat unten bis zu Menschenhöhe, ungefähr 6 Fuß hoch, in Rohbau gestanden. Von dort ab bis zu dem Gewölbe ist die Wand unter und neben dem Radfenster mit Kalkputz und Kunstmalereien bedeckt. Die Malerei 1 ) hat folgende Anlage. Der Grund der Wand hat eine dunkelblutrothe oder braunrothe Farbe und ist mit großen Weinranken von grüner Farbe durchzogen. In diesen Ranken zwischen großen, kräftigen Weinblättern stehen in graden Reihen kleine runde Scheiben oder Medaillons von 20 Zoll Durchmesser, auf welche auf weißem Grunde kleine biblische Geschichten in feinen hellrothen Umrissen gemalt sind. Unter dem Radfenster sind zwei Reihen Scheiben über einander, in jeder Reihe 8 Scheiben; neben dem Radfenster sind an jeder Seite nur 2 Scheiben oder weniger bis an das Gewölbe. Die beiden vollen Reihen zeigen schon die Beziehung der Kapelle auf die Jungfrau Maria. Die Scheiben auf beiden Enden tragen ein großes


1) Diese Wandmalerei ist kurz vor der Wiedereinweihung der Kirche (7. Novbr. 1869) auch übertüncht, also jetzt als verloren zu betrachten.
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Weinblatt. Von den beiden vollen Reihen zeigen die inneren Scheiben in der obern Reihe die Freuden Mariä, die Scheiben in der untern Reihe alttestamentliche Typen. Die Scheiben neben dem Radfenster werden Darstellungen aus dem Leben Christi enthalten haben. Vieles ist aber fast ganz verschwunden.

Zu erkennen sind noch folgende Darstellungen in der Ansicht:

Unkennt-
lich.
Taufe. Unkennt-
lich.
Unkennt-
lich.
Christi Radfenster .
Weinlaub. Mariä Christi Unkennt-
lich
Unkennt-
lich.
Verkün-
digung.
Heimsu-
chung.
Geburt.
Schöpfung Schöpfung   Vertrauung Sünden= Vertreibung
Adams. Evas. Adams u. fall. aus dem
Evas. Paradiese.

Reichern und buntem Schmuck tragen die 4 Kappen des Gewölbes auf Kalkputz 1 ). Der Grund des Gewölbes ist ebenfalls dunkelblutroth 2 ) und mit großem, grünem Weinlaub durchzogen, eine Art der Bemalung, welche sonst in Meklenburg noch nicht beobachtet ist, da die Grundfarbe der Gewölbe, selbst wenn diese mit Figuren bemalt sind, immer weiß zu sein pflegt. In dem Weinlaub stehen runde Scheiben, mit grüner Einfassung, welche an dem Schlußsteine am größten sind und nach den untern Gewölbezwickeln hin immer kleiner werden, und zwar in der Anordnung, daß in jeder Gewölbekappe am Schlußstein eine große Scheibe von ungefähr 4 Fuß Durchmesser steht, von welcher zwei Reihen Scheiben, an jede Seite der Gewölberippe eine, hinablaufen. Zunächst der großen Gewölbescheibe am Schlußstein stehen 2 gleich große Scheiben von 4 Fuß Durchmesser, auf welche an jeder Seite 2 kleinere von etwas mehr als 2 und 1 Fuß Durchmesser folgen, so daß jede der 4 Gewölbekappen 7 bemalte Scheiben trägt.

In der Mitte des Gewölbes tragen die großen Scheiben die 4 Evangelisten=Symbole in großer Darstellung und zwar noch ziemlich erkennbar:


1) Diese Gewölbemalerei ist, soweit sie erhalten war, einstweilen noch von Uebertünchung und Restauration verschont geblieben.
2) Ganz gleiche Richtung in der Färbung zeigt, nach eigener Anschauung, die jetzt auch von der Kalktünche befreiete kleine v. Redekinsche Neben=Kapelle am Kreuzgange des Domes zu Magdeburg, aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts, deren Gewölbe denselben dunkelrothen Grund haben. Vgl. v. Mülverstedt: "Ueber Fresko=Gemälde in einer Neben=Kapelle des Doms zu Magdeburg", in den "Geschichts=Blättern für Stadt und Land Magdeburg". Jahrgang III, 1868, S. 1 flgd., namentlich S. 6.
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O.
  Adler.   
N. Engel.    Stier. S.
Löwe.
W.

Die östliche Gewölbekappe hat durch jüngere Ueberputzung fast alle Malerei verloren; es sind einigermaßen nur noch die Flügel des Adlers zu erkennen.

Die nördliche Gewölbekappe ist die bedeutendste, wenn auch nicht ganz erhalten. Am Schlußstein steht die große Scheibe mit dem geflügelten Engel. Von den nächsten beiden gleich großen Gewölbescheiben enthält die in der östlichen Reihe die gekrönte Jungfrau Maria auf einem Thone sitzend, so daß die volle Gestalt beim Blick nach dem Altar im Osten ganz und grade zur Anschauung kommt. Die daneben stehende gleich große Gewölbescheibe enthält Gott Vater segnend gegen Maria gewendet. Die Gestalt des Matthäus=Engels ist auch zur Begrüßung Mariä benutzt. Diese Gewölbekappe enthält offenbar die Hauptdarstellung, nämlich die Krönung, also die Himmelfahrt (assumptio) Mariä, der eine der beiden Kapellen im Kreuzschiffe geweihet war. Dies war also sicher die Kapelle zur Himmelfahrt Mariä. Von den Gemälden auf den übrigen Scheiben dieser Gewölbekappe ist nur die am Ende im Westen zu erkennen, welche einen Pelikan enthält.

Die westliche Gewölbekappe ist für die Zeitbestimmung die wichtigste. Am Schlußstein steht eine große Scheibe mit dem geflügelten Löwen (Marcus). In der Reihe gegen Norden folgt zunächst eine gleich große Scheibe mit einer gekrönten männlichen Figur, welche ein Spruchband in den Händen hält mit den Worten:

B A LT A S A R R e X

Die Schriftzüge entsprechen der Schrift der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der mittlere Queerbalken des A ist nach unten hin zugespitzt. Die Figur ist also einer der Heil. Drei Könige. In der Reihe gegen Norden enthält die erste gleich große Scheibe eine etwas unkenntliche Figur, ebenfalls mit Spruchband, worauf noch die Buchstaben

[D A ] N I e L oder M e L

zu erkennen sind. Könnte man Mel- lesen, so würde die Darstellung zu den Heil. Drei Königen passen.

In der Reihe gegen Norden folgt dann eine nicht mehr klare Figur mit einem Spruchbande mit den Buchstaben

e s O[R]IVS
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und zuletzt eine kleine Scheibe mit Simson, wie er den Löwen zerreißt.

In der Reihe gegen Süden folgt zunächst eine Scheibe mit einer weiblichen Figur, welche beide Hände erhebt, und zuletzt auf der kleinsten Scheibe die Figur eines Mannes mit einer Kappe, der ein kurzes, breites Schwert über den Kopf schwingt (David und Goliath?).

Die südliche Gewölbekappe ist in ihrem östlichen Theile ganz vernichtet. Am Schlußsteine steht eine große Scheibe mit dem geflügelten Stier (Lucas). Dann folgt gegen Süden eine gleich große Scheibe mit dem Könige David mit der Harfe. Darauf folgt eine Scheibe mit der Gestalt eines Mannes, der einen Kelch hält (Melchisedek). Zuletzt ist in der kleinsten Scheibe Jonas im Wallfisch erkennbar.

Dies ist die Darstellung, welche doch wenigstens einen Zusammenhang mit der Verehrung der Jungfrau Maria erkennen läßt.

Die ganze Anlage und der Styl sind ernst, würdig und schön.

Der Styl und die alten Majuskelbuchstaben sprechen mit Bestimmtheit dafür, daß die Kapelle schon vor der Mitte des 14. Jahrhunderte erbauet war. Die beiden Marien=Kapellen an der Ostseite des Kreuzschiffes sind also wohl ohne Zweifel bald nach dem hohen Chore im Anfange des 14. Jahrhunderts erbauet und eingerichtet. Die Reste von Diensten am Eingange im Westen sprechen jedoch dafür, daß der hohe Chor schon fertig war, als die Kapelle eingebauet ward.

An der Ostwand hat früher sicher ein Altar gestanden. Daher trägt die Wand auch keinen Kalkputz und keine Malerei. An derselben war lange Zeit der alte Hochaltar aufgestellt. Als dieser bei der jüngsten Restauration von hier entfernt und in die Alterthümersammlung versetzt ward, zeigte sich, daß in alter Zeit die Wand im Rohbau gestanden hatte. Nach der Reformation ist aber die Wand mit Kalk übertüncht und mit Tafeln mit hochdeutschen Bibelsprüchen bemalt, welche von fliegenden Engeln gehalten werden. Die Schrift war die Frakturschrift aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aber fast ganz abgefallen. Links im Anfange ließen sich noch einige Worte erkennen. Diese sind:

           Inschrift [V. 8].
Inschrift [halben Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht].

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Das Uebrige war außer einigen Worten, z. B. Sohn , nicht mehr zu erkennen.

Wandmalereien in der südlichen Marien=Kapelle.

In der Ostecke des südlichen Kreuzarmes ist eine gleiche, kleine, gewölbte Kapelle, neben dem großen Christoph, angebauet, wie an der Nordseite. Dies ist wahrscheinlich die oben Nr. 21 ausgeführte Marien=Kapelle, in welcher Marienzeiten gesungen wurden und die Milch der Maria aufbewahrt ward. Diese Kapelle wird ganz bestimmt dadurch bezeichnet, daß man von dem Gewölbe derselben in das Capitelhaus (das an die Südseite des Chors bis zur großen Chorpforte angebauete Archiv) ging. Nach dem Inventarium von 1663 war hier später das Begräbniß der Familie Behr. Nach diesem Inventarium war hier ein Marienbild auf die Wand gemalt. Spuren von Wandmalereien wurden noch im Jahre 1867 gefunden, ließen sich jedoch nicht mehr erkennen und deuten, außer einem bischöflichen Weihkreuze auf einer runden Scheibe von Kalkputz auf der Mitte der östlichen Hauptwand.

Bauinschriften.

Inschriften auf der südlichen Seitenwand des Mittelschiffes.

Vielleicht eine der merkwürdigsten Verzierungen des Domes sind einige kurze Inschriften am Westende des Mittelschiffes, welche im October 1866 entdeckt und von mir an Ort und Stelle untersucht wurden.

Die Inschrift stand im westlichsten Theile des Mittelschiffes in der Ansicht links neben dem letzten, vierten, obern Fenster in der südlichen Sargmauer, vor dem Thurmgebäude, über dem Bogen zum Seitenschiffe, hoch oben, so weit die Fensteröffnung zum Oberlicht unten zugemauert ist, also im Innern ungefähr über der westlichsten Seitenpforte gegen Süden, über welcher in der Außenwand auch zwei v. Bülowsche Wappen des Bischofs Friederich II. (1365-1375) als Baudenkmäler stehen.

Die Inschrift bestand aus zwei Zeilen über einander, welche 4 Fuß von einander entfernt waren, und war in schwarzer Farbe ausgeführt, während die übrigen roth, nur eine grün waren. Die Buchstaben, in guter, reiner, gothischer Minuskel, aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, waren 6 Zoll hoch.

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Die Inschrift 1 ) war folgende:

Inschrift

Die obere Zeile mit dem Namen Inschrift stand sehr schräge nach oben hinauf rechtshin.

Vor dem Namen stand eine segnende Hand mit drei Fingern ausgestreckt und zwei eingeboren. Dieser Name mag wohl der Name des Maurer= oder Werkmeisters ("Structuarius") sein, der diesen Bau vollendet hat. Vielleicht starb er bei oder während der Vollendung des Baues, und dies soll vielleicht die schräge Stellung nach oben hinauf, die schwarze Farbe und die segnende Hand (Gottes) andeuten. Unter dem Namen stand ein Schnörkel mit einem Haken unten, einer Hausmarke ähnlich.

Die untere Zeile enthielt die Zahl lxxıııı (74). Vor dieser Zahl standen allerlei Schnörkel. Ich halte die Zahl für die Jahreszahl 1374, das Jahr der Vollendung des Baues. Mit der Zahl 74 soll wohl sicher 1374 ausgedrückt und die sogenannte "Minderzahl" gegeben sein. Die Schnörkel vor lxxıııı werden "etc." bedeuten und die Stelle der Zahl: "Dreizehnhundert" einnehmen sollen, wie sehr häufig, z. B. Anno etc. 80, d. i. 1480, oder anders, je nach dem Charakter der Schriftzüge des Jahrhunderts.

Diese Inschrift ist nun insoferne wichtig, als sie bestimmt das Jahr der Vollendung anzugeben scheint, wie ich schon früher vermuthet habe, daß der Bau des Mittelschiffes in der Zeit von 1365-1375 vollendet worden sei (vgl. Jahrb. XIX, 1854, S. 401, und XIII, 1848, S. 156 flgd.). Bischof Friedrich II., unter dem der Bau, nach den Wappenschilden, ausgeführt ward, starb am 11. Septbr. 1375. Gewölbt ward dieses westliche Mittelschiff durch die Stralsunder erst im Jahre 1416 (vgl. oben S. 148). Wahrscheinlich ist das südliche Seitenschiff im Jahre 1374 zuerst fertig geworden. Am nördlichen Seitenschiffe ist wohl etwas länger


1) Ich bin persönlich wiederholt die frei stehende, bis gegen das Gewölbe reichende, hohe Leiter hinaufgestiegen, um die Inschrift sicher zu erkennen, kann daher mit Ueberzeugung für die Richtigkeit bürgen.          G. C. F. Lisch.
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gebauet, da das Refectorium (jetzt Gymnasium) erst 1392 angebauet werden konnte (vgl. Jahrb. XIII, S. 158).

Bei der letzten Restauration ist diese Inschrift wieder übertüncht.

Inschriften auf der westlichen Wand des Mittelschiffes.

An der westlichen Schlußwand des Mittelschiffes (der östlichen Thurmwand) war über der Orgel unmittelbar unter dem Gewölbe, also ungefähr 100 Fuß hoch, viel Malerei, wie es scheint, in 3 Lagen über einander, jedoch durch die wiederholte Uebermalung und den losen Kalkputz so sehr verfallen, daß eine Wiederherstellung nicht möglich war.

Am besten war die Malerei in der Spitze des Gewölbes erhalten und es stellte sich heraus, daß die erste Malerei eine Inschrift in sehr großen, rothen Buchstaben in wenigstens 3, vielleicht 4 Zeilen gewesen war. Es war leider nicht mehr als die erste Zeile dicht unter dem Gewölbe einigermaßen zu erkennen; ich habe deutlich und sicher die Worte in gothscher Minuskelschrift aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts:

Inschrift

gelesen. Ich bin drei Male die Leitern hinaufgestiegen und habe in Gegenwart des Malers diese Worte sicher gelesen, mit Ausnahme des ersten Wortes [In] de iare gades welches etwas verwischt war.

Die Buchstaben waren 17 Zoll hoch. Unterhalb dieser Zeile konnte ich mit Sicherheit noch die Züge von noch wenigstens 2 Zeilen erkennen, die aber nicht mehr zu entziffern waren.

Anscheinend über dieser Malerei, mit Ausnahme der beschriebenen ersten Zeile, war figürliche Malerei, von der noch ein Marienbild zu erkennen war, welches in der Mitte der 2. und 3. Zeile stand, wenn diese Malerei nicht älter gewesen und bei Anbringung der Inschrift geschont worden ist.

Darüber, jedoch mehr unterwärts, war eine dritte Malerei mit vielem Rankwerk, mehr in grünen Farbentönen, und in derselben eine sehr gesperrte Inschrift in großen lateinischen Unzialen, von der ich nur das Wort

C H O R

erkennen konnte.

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Die erste gothische Inschrift ist ohne Zweifel eine Bau=Inschrift auf die Wölbung des westlichen Mittelschiffes und des Kreuzschiffes durch die Stralsunder nach dem Jahre 1407 gewesen; die jüngste Inschrift hat sicher Bezug auf die Erbauung der Orgel und des Orgel=Chors in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehabt. Hiermit scheint auch die Nachricht übereinzustimmen, welche Hederich in seiner Schwerinischen Chronika S. 19 flgd. giebt. Nachdem er die bekannte Geschichte erzählt hat, wie die Stralsunder im Jahre 1407 drei Priester verbrannt haben, sagt er, daß die Untersuchungsrichter "der Stadt Stralsund diese Poen zur Buße auflegten, daß sie die Thum=Kirche zu Schwerin vom Chor an bis zum Glocken=Thurm in die hundert und funftzig Schuhe lang welben sollen und zum ewigen Gedechtnis ihre mordliche That sambt der Peen zu Ende des Gewölbes schreiben lassen, welches auch also vollenzogen und geschehen. Die Worte am Ende des Gewölbes über der Orgel nach dem Glockenthurm lauteten also:

"Jesus Maria.
Inschrift

"Diese Worte syn im Jahre 1560, da die neue Orgel gebauet (vgl. S. 41 flgd.), mit Farben und anderen Gemälden überstrichen worden, sollten aber billig zum Gedächtniß auf einen andern Ort gleichslauts zuvor geschrieben worden sein!!"

Die von Hederich mitgetheilte Inschrift ist also ohne Zweifel die oben erwähnte erste Inschrift auf die Wölbung des Chors. Aber sie stimmt in der jetzt wieder entdeckten ersten Zeile mit der ursprünglichen Inschrift im Wortlaut nicht überein.

Ohne Zweifel zuverlässiger ist der Wortlaut, den Reimar Kock in seiner Chronik, nach einer vielleicht gleichzeitigen Abschrift auf der Regierungs=Bibliothek zu Schwerin, folgendermaßen giebt:

Inschrift
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Inschrift

Grautoff Lüb. Chron. II, S. 614, theilt die Stelle aus einer andern Handschrift eben so mit, giebt aber im Einzelnen kleine Abweichungen. Diese Inschrift ist ohne Zweifel die richtigere, da Reimar Kock sie noch selbst gesehen hat. Auch Otto Fock in den Rügensch=Pommerschen Geschichten IV, S. 135, hält diesen Text für ursprünglicher, als den von Hederich mitgetheilten. Bei Hederich fehlt die Jahreszahl, und er hat im Anfange auch nicht richtig gelesen, oder eine mangelhafte Abschrift gehabt. So las er im Anfange: Inschrift statt Inschrift . Aber auch Reimar Kock lieset im Anfang unrichtig: Na deme iare Christi, statt In deme iare gades.

Wir erfahren durch Reimar Kock wohl die richtige Jahreszahl (1416) der Vollendung der Wölbung; die früher angenommenen Jahre 1407 oder 1430 können wohl nicht richtig sein.

Mit der jetzt aufgefundenen Zeile der Inschrift stimmt auch die Beschreibung des stralsundischen Chronikenschreibers Johann Berckmann (S. 7) überein, welcher um die Mitte des 16. Jahrhunderts (noch vor dem Orgelbau) berichtet:

"Dar steitt noch heutiges dages mit g roten roden bockstauen angeschreuen: "Dit hebben de Sundeschen moten buwen datt se de papenn vorbrantt hadden". De dar gewest hofft, de mugo dath sehen vnde leßen".

Vgl. Jahrb. XIII, S. 158.

Unterhalb dieser Malerei fand sich wieder eine andere Inschrift in großen, rothen Buchstaben, von denen sich nur eine Jahreszahl

Jahreszahl 1342

erkennen ließ; die drei ccc und das x waren ziemlich deutlich. Dies würde ungefähr die Jahreszahl 1342 geben, welche, freilich etwas früh, in gothischer Minuskel geschrieben war.

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Noch etwas weiter unterwärts auf der Orgelwand, ungefähr in der Höhe der Friese unter den (Ober=) Fenstern des Mittelschiffes, wo die Bauinschrift mit der segnenden Hand stand, ungefähr in der Höhe der Orgelkrönung, stand mit rothen Buchstaben (zur rechten Hand in der Ansicht):

Inschrift

Vielleicht bezieht sich diese Inschrift auf einen frühern, nicht so hohen Orgelbau, oder auf den Baumeister der Stralsunder Wölbung. Die Buchstaben waren 6 Zoll hoch.

Der Hochaltar.

Der Hochaltar des Domes zu Schwerin, noch ein Denkmal alter Zeit, ist in mancher Beziehung einzig in seiner Art im Lande, hat aber verschiedene ungünstige Schicksale erlitten. Der "hohe Altar" stand früher im Osten des hohen Chors an der gewöhnlichen Altarstelle. Bei der vorletzten Restauration der Kirche mußte der alte geschnitzte Altar einem neuen Gemälde weichen und ward in der niedrigen "Kapelle zu Marien Himmelfahrt" aufgestellt, welche bis zu der jüngsten Restauration vergittert war und auch zur Aufbewahrung von Baugeräthen benutzt ward. Bei der letzten Restauration stand er auch hier im Wege und ward im Jahre 1869 ins Antiquarium versetzt.

Der Altar hat zunächst dadurch einen geschichtlichen Werth daß er datirt ist. Er ward 1495 von dem verdienten Bischofe Conrad Loste (1482-1503) unter welchem auch der ebenfalls datirte alte Altar der Kirche zu Bützow vom Jahre 1503 erbauet ward, der Domkirche geschenkt. Der Altar trug folgende lateinische Inschrift:

"Anno domini MCCCCXCV reverendus in Christo pater et dominus D. Conradus Loste episcopus Sverinensis hanc tabulam de propriis suis donavit."

Diese Inschrift welche noch im Jahre 1707 vorhanden war 1 ), hat wahrscheinlich auf einer Krönungsleiste gestanden, wie die Inschrift des Bützowschen Altars 2 ), ist aber jetzt nicht mehr vorhanden.


1) Die Inschrift ist in "Köpken: Memoria Conradi Losti episcopi Sverinensi", einem Rostocker Universitäts=Programm zu der Disputation des Gerhard Berling 1707, p. 61, aufbewahrt.
2) Vgl. Jahrb. XXIV, S. 330.
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Der Altar ist ein Flügelaltar, dessen Tafeln 6 Fuß hoch sind; das Ganze ist 18 Fuß breit, die Mitteltafel 9 Fuß, und jeder Flügel 4 1 /2 Fuß breit.

Die Mitteltafel ist einzig in seiner Art im Lande. Das Mittelstück ist nämlich aus Stein: so viel bekannt ist, giebt es im ganzen Lande kein steinernes Altarbild. Die Mitteltafel ist ein Gruppenbild in hohem Relief aus festem Sandstein, welcher bemalt ist. Diese Tafel ist aber für die Verhältnisse des Domes nicht groß genug, da sie nur 4 1/2 Fuß hoch und 6 Fuß breit ist; wahrscheinlich hat der Bischof sie im Auslande schon fertig gekauft und zu der Erbauung des Altars verwenden lassen. Zunächst ist das steinerne Bild von einem starken, bemalten und vergoldeten Rahmen von Eichenholz eingefaßt, wahrscheinlich auch um es sicherer befestigen zu können. Dann ist an jeder Seite eine schmale Nische von 1 1/2 Fuß Breite für die Bildsäulen der beiden Localheiligen des Doms angebracht und unter die ganze Breite der also construirten Mitteltafel eine Art von niedriger Predelle von 1 1/2 Fuß Höhe für 7 Brustbilder von Heiligen gesetzt. Endlich ist die ganze Mitteltafel eingerahmt, um die beiden Flügel anhängen zu können, welche natürlich beim Zusammenschlagen genau auf die Mitteltafel passen.

Uebrigens ist der Altar an der Bildhauerei und Malerei vielfach stark beschädigt.

Hiernach läßt sich eine wohl ziemlich zutreffende Beschreibung des Altars geben (Vgl. auch oben S. 155 die Beschreibung im Inventarium von 1663).

Die Mitteltafel enthält folgende Darstellungen.

Das steinerne, bemalte Hauptbild enthält 3 Darstellungen aus dem Leben Christi, welche durch Baumwände oder Hecken von einander getrennt sind.

Kreuztragung Kreuzigung Höllenfahrt
Christi. Christi.  Christi.

Zu beiden Seiten stehen in besonderen, gleich hohen Nischen die beiden Localheiligen des Domes:

    Maria.     │     Johannes, Ev.

Die Predelle des Mittelstücks, von ungefähr 1 1/2 Fuß Höhe, enthält 7 niedrige Nischen, in welchen 7 Brustbilder von alttestamentlichen Heiligen stehen. Die Brustbilder haben Spruchbänder in den Händen, von denen jedoch alle Schrift abgefallen ist. Das mittelste Brustbild hat eine Krone auf dem Kopfe und soll wohl den König David

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vorstellen. Die übrigen Brustbilder haben Mützen auf dem Kopfe und lange Bärte und sind wahrscheinlich Propheten.

Die Flügel sind queer getheilt und enthalten zwei Reihen Figuren aus bemaltem Eichenholz, in jeder Reihe 4, im Ganzen 16 Figuren: der Mitteltafel zunächst die 12 Apostel, an den äußersten Enden 4 männliche Heilige, in der Ansicht also:

S. Medardus(?),  S. Leonardus (?),
Bischof, Bischof,
mit einem      3 Apostel.          3 Apostel.      mit einer
Krüppel Gefangenenkette
zur Seite.  im Arme.

 

S. Stephanus,       S. Georgius,
Diakon,     3 Apostel.          3 Apostel.       Ritter,
mit 3 Steinen mit dem Drachen
 im Arme. zu Füßen.

Die eigentliche Predelle ist auch eigenthümlich eingerichtet, indem sie, wahrscheinlich um das Altarblatt für die Verhältnisse des Domes zu erhöhen, doppelt ist und aus zwei Reihen Darstellungen über einander besteht, jede ungefähr 2 Fuß hoch, welche in guter Malerei auf Goldgrund hergestellt sind.

Die obere Reihe der Predelle enthält die stehenden Bilder von Christus und den 12 Aposteln. Die Malerei ist fast ganz abgefallen; jedoch ist noch der gute Christuskopf erkennbar und Einzelnes von den Köpfen der Apostel, so wie das Messer in der Hand des Apostels Bartholomäus.

Die untere Reihe der Predelle enthält in der Mitte eine vorne durch ein eisernes Gitter verschlossene Nische, wahrscheinlich zur Aufstellung einer Reliquie, und zu den Seiten 4 Darstellungen aus dem Leben Christi, an jeder Seite 2 Darstellungen, welche durch eine rothe Linie von einander getrennt sind:

  Christi
         Christi              Anbetung.             Christi          Christi
  Geburt. durch  Taufe.       Abendmahl.
  die 3 Könige.

Die Rückseite der beiden Flügel sind auf Kreidegrund, jeder mit 4 Bildern, bemalt. Die Malerei ist aber so sehr bedeutend zerstört und abgefallen, daß nicht Alles mehr mit Sicherheit gedeutet werden kann. So viel sich noch erkennen läßt, sind alle Darstellungen dem zum Theil sagenhaften Leben der Jungfrau Maria entnommen,

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grade so wie auf den ersten Flügeln des Altars von Bützow (vgl. Jahrb. XXIV, S. 324 flgd.), welcher unter demselben Bischof Conrad Loste (1503) vollendet ward, wenn auch der Schweriner Altar etwas älter ist (1495).

Die Gemälde werden folgende sein:

links:
Annes | Mariens
und | Tempelbesuch
Joachims | als dreijähriges Kind
Widerfinden | über
unter der | den 15 Stufen
goldenen Pforte. | des Tempels

Mariens | Mariens
Verkündigung | Heimsuchung

 

rechts:
Mariens | Mariens
Verlobung | Trauung

Mariens | Mariens
Tod Krönung

Das bronzene Tauffaß.

Der Dom zu Schwerin besitzt ein altes, aus Bronze gegossenes Tauffaß ("Fünte"), welches wohl noch aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, also aus der letzten Bauperiode der Kirche stammt. Leider hat das Werk keinen bedeutenden Werth, da es nur plump gezeichnet und roh modellirt und gegossen ist. Dadurch wird auch die Beschreibung und Erklärung sehr erschwert und oft fast ganz vereitelt.

Das Tauffaß bildet einen großen, achteckigen Kessel, welcher auf 8 bronzenen Trägern steht, und ist im Ganzen mit diesen Trägern gegen 3 1/2 Fuß Hamb. Maaß hoch; die Träger sind 13 Zoll hoch; die Mündung hat 4 Fuß 4 Zoll im Durchmesser.

Die ganze Außenseite ist mit halberhabenen Darstellungen verziert. Auf jeder der 8 Ecken liegt ein schwacher gothischer Pfeiler. In der Mitte jeder der 8 Seitenflächen steht ein rein gothischer, doppelter Baldachin, welcher mit den Seiten auf den nächsten Pfeilern ruht. Unter jedem Baldachin steht auf einem gothischen Sockel eine große, halb

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erhabene Heiligenfigur von 10 1/2 Zoll Höhe, so daß umher 16 große stehende Heiligenbilder vorhanden sind.

Diese Heiligenbilder sind zum Theil sehr schwer, zum Theil gar nicht zu erkennen, da sie sehr schlecht gezeichnet, modellirt und gegossen sind und zum größten Theil keine Attribute führen. Aus einigen Figuren läßt sich wohl ein gewisser Sinn herausfinden und daraus vielleicht weiter schließen. Nach einigem Suchen läßt sich wohl der Anfang finden, den man freilich beliebig annehmen muß und auch hier so angenommen ist.

Die Figuren sind, von der Rechten nach der Linken, folgende:

1) Die Jungfrau Maria mit dem Christkinde auf dem Arme.

2) Der Evangelist Johannes mit dem Kelche.

Dies sind die beiden Schutzheiligen des Schweriner Doms.

3) Christus in der Taufe, mit einem Kreuze in dem Heiligenschein ("Kreuznimbus"), die Hände faltend, stehend, den Leib ganz von breiten Wellen umschlungen. Aehnlich ist die Taufe Christi auf andern alten Bildwerken, z. B. dem ältern Capitel=Siegel des Bisthums Camin dargestellt.

4) Johannes der Täufer (?). Eine männliche Figur, welche die rechte Hand hoch erhebt.

So weit wäre der Sinn klar. Es soll durch diese Figuren angedeutet werden, daß das Gefäß ein Tauffaß des Schweriner Doms ist.

Die folgenden Figuren lassen sich aber schwer oder gar nicht deuten; ich wenigstens habe davon abstehen müssen; vielleicht gelingt es Andern, den Sinn zu errathen. Es scheinen nicht sowohl mittelalterliche Heilige zu sein, sondern mehr biblische Personen, vielleicht auch alttestamentliche Vorbilder ("Typen"). Die Figuren sind folgende:

5) Männliche Figur mit einer Krone auf dem Haupte.

6) Eben so.


7) Weibliche Figur mit Kopftuch.

8) Eben so.


9 Männliche Figur mit einer Kappe (?) auf dem Haupte.

10) Eben so.


11) Eben so.

12) Eben so.


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13) Weibliche Figur.

14) Männliche Figur.


15) Weibliche Figur.

16) Männliche Figur.


Ueber den Baldachinen und unter der Mündung des Gefäßes steht ein Inschrift=Rand, welcher durch die oben erwähnten Pfeiler in 16 Felder zerlegt ist. Fast an jeder Seite eines Pfeilers und Feldes steht eine kleine Heiligenfigur von 3 Zoll Höhe. Jedoch sind einige Plätze leer, so daß im Ganzen nur 25 Figuren, statt 32, vorhanden sind. Diese Figürchen lassen sich schon eher erklären, da sie Attribute haben, welche freilich oft schwer zu erkennen sind. Ohne Zweifel sollen in diesen Figuren die 12 Apostel dargestellt sein: einige sind an den Attributen zu erkennen; z. B. Johannes an dem Kelche, Petrus an dem Schwerte, Jacobus an dem Pilgerstabe, Matthäus an der Hellebarde; andere haben ein Buch im Arme. Nach einer bestimmten Idee ist hier aber auch nicht verfahren, da einige Apostel mehr als ein Mal vorkommen, z. B. sicher Johannes und Jacobus jeder wenigstens 3 Male. Wahrscheinlich sind diese Apostelbilder nach alten vorräthigen Modellen ohne eine bestimmte Folge abgegossen.

Die Inschrift ist häufig genug Gegenstand der Forschung gewesen, indem man sie für ungewöhnlich schwierig hielt. Sie ist in gothischer Minuskelschrift gehalten, und diese giebt wieder einen Beweis für die Zeit der Verfertigung, da auf Denkmälern, z. B. Leichensteinen, Glocken, Siegeln u. s. w. diese Minuskelschrift durchschnittlich erst mit der Mitte des 14. Jahrhunderts auftritt.

Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Ich sah das Wasser hervorgehen von dem Tempel an der rechten Seite. Alleluja, Alleluja, (für) Alle, zu denen das Wasser hinkommt.)

Dieser Spruch ist nicht eine ganz wörtliche, bestimmte Bibelstelle, sondern ist aus zwei Stellen des Propheten Ezechiel zusammengesetzt 1 ), nämlich:


1) Ich verdanke diese Nachweisung dem Herrn Consistorialrath Professor Dr. Krabbe zu Rostock.           G. C. F. Lisch.
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Prophet Ezechiel, Cap. 47, V. 1:

"Und er führete mich wieder zu der Thür des Tempels. Und siehe, da floß Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels gegen Morgen. - - - Und das Wasser lief an der rechten Seite des Tempels neben dem Altar hin gegen Mittag".

(= "Ecce oriebatur aqua sub templi limine, - - quae aqua sub templi latere dextro deferebatur".)

Cap. 47, V. 9:

"Ja, Alles, was darinnen lebet und webet, dahin diese Ströme kommen, das soll leben, - - -und soll alles gesund werden und leben, wo dieser Strom hinkommt".

(= "Quippe quo pervenerit haec aqua, sanabuntur ac vivent".)

Die 8 Träger des Fasses sind 8 starke und plumpe, bekleidete männliche Gestalten, Berg= oder Hütten=Knappen, welche mit Kopf und erhobenen Händen den Kessel tragen.

Bischöfliche Leichensteine.

Der Dom zu Schwerin hat nicht viele bischöfliche Leichensteine oder Grabplatten aufzuweisen, welche auch längst nicht mehr an den alten Stellen liegen und zum Theil schon verschwunden sind. Schon in frühern Zeiten waren nur die 2 großen Doppelplatten in Messingschnitt und 3 Leichensteine, also nur die Gräber von 7 Bischöfen bekannt; vgl. oben S. 164). Es wird nicht überflüssig sein, diese Grabplatten und ihre Inschriften jetzt, da es noch einigermaßen möglich ist, zur Geschichte des Bisthums zu beschreiben, da es an einer zuverlässigen Beschreibung bis jetzt ganz fehlt 1 ).

Die Grabplatten in Messingschnitt.

Zu den hervorragendsten Kunstwerken gothischen Styls im Dome zu Schwerin und vielleicht im ganzen Lande gehören die berühmten und prachtvollen Grabplatten in Messingschnitt 2 ), Doppelplatten, wie sie schwerlich sonst zu finden sein mögen.


1) Die Nachrichten in Schröders Pap. Meckl. I, S. 1113, 1209, 1428 sind sehr ungenügend.
2) Ueber die Grabplatten in Messingschnitt überhaupt vgl. Lisch in Jahrb. XII, S. 479, XVI, S. 303, XXVII, S. 267 flgd.
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Messingene Grabplatte der Bischöfe Ludolf und Heinrich v. Bülow 1347.

Die Messingschnitt=Grabplatte von den Gräbern der schweriner Bischöfe Ludolf († 1339) und Heinrich I. († 1347) v. Bülow, Brüder, ist eine reich verzierte Doppelplatte mit den Bildern des Bischofs Ludolf rechts und Heinrich links. Die Platte ist 10 Fuß 4 Zoll Hamb. Maaß hoch und 6 Fuß 4 Zoll breit. Sie ist im würdigen, ernsten altgothischen Style ausgeführt und sicher wohl noch von dem Bischofe Heinrich I. bestellt, da sie zugleich sein und seines Bruders und unmittelbaren Vorgängers Grab bedeckte.

Jede Hälfte der Doppelplatte, welche von vorne herein zu einer Doppelplatte bestimmt ist, hat folgende Darstellung.

In einer altgothischen Nische steht ein Bischof in voller Bischofstracht, welche reich, auf der Stola und dem Saume der Alba, mit vielen v. Bülowschen Wappenschilden verziert ist, mit offenen Augen, mit der rechten Hand segnend, mit der linken Hand den Bischofsstab haltend, mit dem Bischofsringe auf dem Mittelfinger der rechten Hand über dem Handschuh.

Ueber jeder Nische steht ein kurzer, altgothischer, dreigiebeliger Baldachin mit drei kleinen Nischen, in welchen kleine Figuren angebracht sind. In der mittlern Nische sitzt Gott Vater, welcher eine Seele in der Gestalt eines kleinen nackten Kindes in den Schooß nimmt; in jeder der Nischen zu den Seiten steht ein Engel mit Flügeln oder eine bartlose Heiligenfigur, das Weihrauchfaß schwingend.

An jeder Seite jedes Baldachins steht ein großes v. Bülowsches Wappen mit Schild und Helm 1 ).

In der Mitte der Doppelplatte steht ein schmaler Pfeiler mit 4 gothischen Nischen übereinander, mit einer hohen Fiale bekrönt. An jeder Seite steht ein breiterer Pfeiler mit 4 Doppelnischen übereinander, mit einer hohen Fiale bekrönt.

In diesen Nischen stehen die kleinen Figuren der Propheten mit Mützen und Spruchbändern, und die Apostel mit Heiligenscheinen und Attributen. In der Mitte der breiten Pfeiler sind 2 kurze Nischen, in denen die Evangelisten an Schreibpulten sitzen. Die Anordnung ist in der Ansicht folgende:


1) Der Bischof Heinrich I. v. Bülow führte zuerst das Familienwappen auch in das bischöfliche Siegel ein; vgl. Jahrb. VIII, S. 15.
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Prophet. Petrus. Thomas. Paulus. Prophet.
2 Evangelisten. 2 Evangelisten.
Prophet. Johannes Ev. Judas Th. Andreas. Prophet.
Prophet. Philippus. Matthäus. Jacobus maj. Prophet.
Prophet. Simon. Bartholomäus. Jacobus min. Prophet.

Die Umschrift in großer gothischer Majuskel, unten gegen die Mitte anfangend und von der Linken nach der Rechten rund herum fortlaufend, lautet folgendermaßen:

Umschrift

Messingene Grabplatte der Bischöfe Gottfried I. und Friedrich II. v. Bülow. 1375.

Die Messingschnitt=Grabplatte von den Gräbern der schweriner Bischöfe Gottfried I. († 1314) und Friedrich II. † 1375) v. Bülow ist eine der größten und kunstreichsten Werke dieser Art, die es überhaupt giebt, vielleicht die schönste. Die Platte ist 13 Fuß 6 Zoll Hamb. Maaß hoch und 6 Fuß 9 Zoll breit. Sie ist ganz außerordentlich reich an Verzierungen aller Art im voll ausgebildeten Style auf der Höhe der gothischen Baukunst, und fällt in die Zeit der Vollendung der Domkirche in ihrer jetzigen Gestalt durch den Bischof Friedrich II. Wahrscheinlich ist die Platte auf Anordnung des Bischofs schon bei seinem Leben angefertigt, wofür die Umstände sprechen, daß in der Umschrift auf ihn die Sterbezeit gegen den Gebrauch hinter dem Namen am Ende in weniger verzierter Schrift steht, also wohl ohne Zweifel nach seinem Tode nachgetragen ist, und daß er durch die Platte sein Grab mit dem Grabe seines Verwandten

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und Vorgängers Gottfried I. v. Bülow († 1314), unter welchem das Mittelschiff des Chores vollendet ward, vereinigte, also für die Erhaltung des Gedächtnisses desselben wohl noch selbst sorgte. Auf dem Grabe des Bischofs Gottfried lag früher eine große messingene Relief=Bildsäule (vgl. oben S. 165), welche längst verschwunden ist; der sehr große Stein, auf welchem die Bildsäule lag, ist noch vorhanden.

Jede Hälfte der Doppelplatte hat folgende Darstellung:

In einer jung gothischen, dreigiebeligen Nische liegt der Bischof in voller Bischofstracht mit übereinander gelegten Händen, unter denen der Bischofsstab liegt; zur Rechten liegt der Bischof Gottfried, zur Linken der Bischof Friedrich. Der Kopf liegt auf einem Kissen, welches zwei geflügelte Engel halten. Die Augen sind geschlossen. Der Bischofsring auf dem Mittelfinger fehlt. Der v. Bülowsche Wappenschild ist auf der reichen bischöflichen Kleidung vielfach angebracht.

Ueber jeder dreigiebeligen Nische steht ein hoher, reicher, dreithürmiger Baldachin mit drei Nischen. In jeder Nische sind unter kleinen Baldachinen drei kleine Figuren. In der Mitte thront Gott Vater, welcher eine Seele in der Gestalt eines kleinen nackten Kindes in den Schooß nimmt; zur Rechten steht ein Engel, der ein Weihrauchfaß schwingt, zur Linken ein lobpreisender Engel. Unter dem kleinen Baldachin steht zur Rechten in Gottfrieds Platte in der Mitte ein Engel, der die Laute spielt, zur Linken ein Heiliger mit einem Kelch, an jeder Seite dieser beiden Figuren steht ein Engel mit einer brennenden Kerze auf einem Leuchter in den Händen. Aehnlich ist die Darstellung unter dem kleinen Baldachin zur Linken in Friedrichs Platte, nur daß in der Mitte der Nische zur Linken ein Heiliger steht, der die Geige spielt.

In der Mitte und an jeder Seite der Platte steht als Träger der Baldachine ein breiter Pfeiler, jeder mit 5 Doppelnischen mit Baldachinen verziert und mit einem hohen Fialenthurm gekrönt.

In diesen Doppelnischen stehen kleine Figuren: die Propheten mit Mützen bedeckt und Spruchband in den Händen, die Apostel mit Heiligenscheinen und mit ihren Attributen, und einige Heilige, welche wohl besondere Beziehung zu den Bischöfen und dem Dom haben. Diese Figuren sind, so viel sich erkennen und ermitteln läßt, in der Ansicht folgende:

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Prophet. Prophet.
Prophet. Petrus. Prophet. Prophet. Simon. Prophet.
Prophet. Johannes Ev. Maria. Johannes Bapt. Paulus. Prophet.
Prophet. Jacobus min. Sebastianus. Pfeilschütze. Jacobus maj. Prophet.
Prophet. Andreas. Bischof Abt Bartholomäus. Prophet.
Prophet. Matthäus. mit Stab. mit Schwert. Philippus. Prophet.
Judas Th. Thomas.

Der Umschriftrand bildet eine breite Kante, in welcher ein gewundenes Band mit der Inschrift liegt, welches große Bogen macht. Die Fläche jedes Bogens ist reich mit einem Weinstock mit Laub und Trauben verziert, in welchem je ein gekrönter König im Brustbilde sitzt, welcher auf einem musikalischen Instrumente Musik macht: es sind 22 Königsbilder dargestellt und wohl alle musikalischen Instrumente der damaligen Zeit vertreten, für die Geschichte der Musik nicht unwichtig. In den 4 Bogen an den 4 Ecken stehen die 4 Evangelisten=Symbole: der Löwe unten rechts fehlt, die Lücke ist durch ein glattes Stück Messing gefüllt. An jeder Seite ist in einem Bogen zwei Male das v. Bülowsche Wappen mit Schild und Helm dargestellt. Unten unter dem Mittelpfeiler, im untersten Bogen, wo das Band keine Inschrift hat, auf dem untersten Rande der Platte, liegt eine verhältnißmäßig große männliche Gestalt, mit geschlossenen Augen, mit einem Laken zugedeckt, den Kopf mit einer Kappe bedeckt auf ein Kissen gelegt, den linken Arm neben sich ausgestreckt, mit der rechten Hand einen Stift oder ein Licht emporhaltend. Dies mag den Baumeister des Domes (Wylde) darstellen sollen, welcher 1374 gestorben sein wird und noch die Zeichnung zu dieser Grabplatte gemacht haben mag (vgl. oben S. 184).

Die Inschrift in gothischer Minuskelschrift auf dem gewundenen Bande beginnt unten in der Mitte unter dem Bilde des Bischofs Gottfried und läuft von der Linken zur Rechten herum. In der untern Zeile fehlt ein Stück mit der Jahreszahl welches durch ein glattes Stück Messing ersetzt ist. Die Inschrift auf den Bischof Friedrich beginnt oben in der Mitte, jedoch mit dem Worte obiit noch auf der platte des Bischofs Gottfried. Am Ende unten sind fast zwei Windungen des Inschriftbandes nicht ausgefüllt. Die Worte des Sterbejahres und Sterbetages haben gar keine Punkte hinter sich.

Die Inschrift lautet folgendermaßen:

Inschrift
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Inschrift

Der Sockel, auf welchem die Nischen und Pfeiler aufgebauet dargestellt sind, ist besonders reich mit kleinen Figuren verziert, welche unter den Füßen der Bischöfe die sinnliche, irdische Welt mit ihrer Lust darstellen. Zur Rechten in der Ansicht ist dargestellt, wie unter Bäumen eine wilde, zottige Menschengestalt zu Pferde ein kleines weibliches Wesen entführt und von der einen Seite von dem Fürsten der Welt und ähnlichen Begleitern empfangen, an der andern Seite von einem geharnischten, das Schwert schwingenden Ritter zu Roß, welcher aus einer Burg sprengt, verfolgt wird. Zur Linken in der Ansicht ist ein Gastmahl von teuflischen, zottigen Menschengestalten dargestellt: rechts von der Tafel wird aus einem Fasse Getränk gezapft, links aus einem Kochgefäße Speise geholt: unten fehlt nicht ein kleiner Bratenwender mit einem Braten auf dem Drehspieß.

In den Füßen der Pfeiler sind kleine Doppelnischen ohne Baldachine, welche je eine männliche und eine weibliche Figur in weltlicher Tracht enthalten: in der Mitte ein Mann mit Kappe und langem Rock und eine Frau mit Mütze ohne Bezeichnung des Haupthaars; in der Ansicht links ein Mann in Wams und Kappe und eine Frau mit Locken an den Schläfen; in der Ansicht rechts ein Mann in Harnisch und Kappe und eine Frau mit Locken an den Schläfen: immer der Mann zur Rechten und die Frau zur Linken. Diese Figuren mögen die Aeltern und Großältern der Bischöfe oder die Stifter des Denkmals sein; jedenfalls sollen sie wohl Mitglieder der Familie v. Bülow darstellen.

Der Leichenstein des Bischofs Marquard Beermann.

Der Stein lag, bis 1866, im Mittelgange des Chors, ungefähr in der Mitte vom Altar bis zum Kreuzschiff, an

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der Nordseite neben den Stühlen, ist aber, so viel zu bemerken ist, oben abgehauen, um zum Mittelgange zu passen. Die Umschrift ist wohl in Messing eingelegt gewesen, da nur ein vertiefter Streifen ohne Buchstaben zu erkennen ist. Sonst ist der Stein sehr abgetreten. Zu den Füßen bemerkt man jedoch, wie ich früher wiederholt und darauf später auch der Herr Archivar Dr. Wigger gesehen haben, einen Schild mit 2 gekreuzten Schlüsseln, das Wappen der Beerman.

Nach Hederichs Chronik der Bischöfe von Schwerin lautete die Inschrift verdeutscht:

Bischof Marquard liegt zu Schwerin unden ihm Chor begraben, mit dieser auff deutsch überschrifft:

Im Jahre des Herrn 1378, am Tage des Heiligen Lamperti, ist gestorben der Erwürdige Vater in Christo Herr Marquardus Beermann, dieser Kirchen erwelter und durch den Ertzbischoff zu Bremen confirmirter Bischoff, welches Seele in Frieden ruge.

Der Stein war nur im untern Theile sichtbar und wohl bei der vorletzten Restauration zerschlagen oder zerbrochen. Die Vermuthung, daß der übrige Theil des Steines von den Kirchenstühlen bedeckt und noch vorhanden sei, hat sich bei der letzten Restauration nicht bestätigt, da in der ganzen Kirche unter den Stühlen kein Leichenstein lag, sondern alle Steine, zum Theil behauen, mit der graden Linie an die Sohlen der Stühle gerückt waren. Bei der jüngsten Restauration im Jahre 1869 ist auch dieser letzte Rest unter die neuen Kirchenstühle gelegt worden.

Leichenstein des Bischofs Conrad Loste.

Nördlich neben den andern bischöflichen Grabplatten vor dem Hochaltare, nahe einem nördlichen Pfeiler im Anfange des nördlichen Seitenschiffes, lag früher ein großer Leichenstein auf dem Grabe des verdienten Bischofs Conrad Loste († 1503). Bei der jüngsten Restauration ward zur Vergrößerung des Altarraumes der Stein gehoben und aus dem Altarraume entfernt. Dabei zerbrach er; es ward nur der kleinere, obere Theil wieder gefunden, und dieses Bruchstück später ins nördliche Kreuzschiff gelegt; der größere untere Theil wird zum Sockel unter die neuen Chorstühle gelegt sein.

Glücklicher Weise sind über den Inhalt noch ausreichende Nachrichten vorhanden. Schon Köpken giebt zu einem Rostocker Universitäts=Programm zur Disputation des Gerhard

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Berling: Memoria Conradi Lostii episcopi Sverinensis, Rostock, 1707, einen großen Holzschnitt der Zeichnung dieses Steines. Um das Jahr 1835 schenkte der wailand Bau=Conducteur v. Motz, damals in Schwerin, später in Lübek, gestorben in Rußland, aus Neigung zur alten Kunst, dem Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde eine sehr gute, große Tuschzeichnung von dieser Grabplatte. Etwas später unternahm ich selbst eine genaue Lesung der Inschrift, welche ich noch besitze. Mit diesen Hülfsmitteln läßt sich noch eine sichere Beschreibung des Steines geben.

Der Stein von grauem schwedischen Kalkstein enthält unter einem Baldachin das lebensgroße, stehende Bild des Bischofs in bischöflicher Kleidung, die rechte Hand zum Segnen erhoben, mit der linken Hand den Bischofsstab haltend, zur Rechten am Haupte sein bekanntes Wappen, ein halber Widder mit einem Bischofsstabe. Die Inschrift, in welcher an den 4 Ecken die Evangelisten=Symbole stehen, lautet in großen, stark geschnörkelten, gothischen Buchstaben:

Inschrift

1, 2, 3 )

(= Anno domini MDIII in vigilia nativitatis obiit reverendus in Christo pater Conradus (Loste) Episcopus Swerinensis, utriusque juris doctor, in suam ecclesiam largus benefactor.)

Das Dom=Capitel=Wappen zum Andenken an den alten Kanzelbau.

Im Jahre 1570 ließ das Dom=Capitel durch den herzoglichen Baumeister Johann Baptista Parr eine neue Kanzel an dem mittlern nördlichen Pfeiler des Schiffes, dem jetzt abgebrochenen, von dessen Bruder Christoph Parr im


1, 2, 3) Schröder P. M. II, S. 2710, hat "natiuitatis Christi"; das Wort "Christi" steht aber nicht auf dem Steine, wie ich noch 1869 auf dem großem Bruchstück gelesen habe. Der Ausdruck: "in uigilia natiuitatis" bedeutet: "Am Heiligen (Weihnachts=) Abend".
2) Der Name Inschrift ist mit kleinen Buchstaben später über der Zeile eingegraben.
3) Köpken und Schröder lasen: "liberalis"; es steht aber deutlich da: Inschrift , d. i. largus.
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Jahre 1572 erbaueten fürstlichen Empore gegenüber, bauen, und zum Andenken des Baues eine Wappenverzierung an die westliche Seite des Pfeilers heften, welche noch erhalten, aber durchaus fehlerhaft übermalt ist.

Die Inschrift unter dem Capitelwappen lautet:

DEO OFT. MAX. TRINO
ET UNI DOCENDI PROPAG-
ANDIQUE SALUTIFERI VER-
BI ERGO CANONICI HUIUS
ECCLESIAE HOC SUG-
GESTUM SUIS SUMP-
TIBUS POSUERUNT
ANNO MDLXX

Diese Kanzel ist längst auch verschwunden.
In der Mitte ist

das große Capitelwappen

oder bischöfliche Wappen, ein queer getheilter, unten roth und oben golden gefärbter Schild, welcher mit zwei silbernen Bischofsstäben mit goldenen Haken kreuzweise belegt ist.

Die damaligen Domherren waren nach Hederichs Schwerinscher Chronik:

1) Heinrich v. d. Lühe, Propst.
2) Joachim v. Wopersnow, Dechant.
3) Baltzer v. Schöneich, Senior.
4) Arnd v. d. Weyhe.
5) Otto Wackerbart.
6) Bernd v. Dannenberg.
7) Georg Hübner.

Im Jahre 1573 waren nach einem Verzeichniß im Archive nur noch vorhanden: Henning v. d. Lühe, Propst, Arnd v. d. Weyhe, Otto Wackerbart und Jürgen Hübner, letzterer Senior und Monitor. Dagegen waren hinzugekommen:

8) Ludolph Schack,
9) Richard vom Wolde,

welche 1570 wohl nur Exspectivirte und Präbendarien waren.

Die Wappen dieser 9 Domherren sind nun auf der Tafel so gruppirt, daß die Wappen der ersten 6 adeligen Domherren in größerm Maaßstabe um das Capitelwappen stehen, die 3 andern in kleinem Maaßstabe um die Inschrifttafel angebracht sind. Diese Domherrenwappen sind nun im Jahre 1868 nach ihren richtigen Farben von mir erforscht worden. Die richtige Färbung ist folgende:

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1) Heinrich v. d. Lühe, Propst, oben über dem Capitelwappen in der Mitte: im silbernen Schilde eine blaue Burg.

2) Joachim v. Wopersnow, Dechant, oben heraldisch rechts neben dem Capitelwappen: ein schräge getheilter Schild: unten schräge links silbern und blau geschacht, oben im silbernen Schilde ein rechts gekehrter naturfarbener Hirsch.

3) Baltzer v. Schöneich, Senior, oben links: im goldenen Schilde ein grüner Eichenkranz.

4) Arnd v. d. Weyhe, unten heraldisch rechts von dem Capitelwappen: im silbernen Schilde unten drei rothe linke Schrägebalken, oben ein rechts gekehrter halber rother Löwe.

5) Otto Wackerbart, unten unter dem Capitelwappen in der Mitte: ein quadrirter Schild, 1 und 4 silbern, 2 und 3 roth.

6) Bernd v. Dannenberg, unten heraldisch links von dem Capitelwappen: ein silbern und blau geschachter Schild mit zwei goldenen Queerbalken belegt.

7) Ludolph Schack, unten rechts im Inschriftrande: im rothen Schilde eine silberne Lilie.

8) Richard vom Wolde, über dem Inschriftrande in der Mitte: im silbernen Schilde ein grüner Lorberbaum.

9) Georg Hübner, unten links im Inschriftrande, also an der letzten Stelle nach der alten Malerei: im rothen Felde zwei silberne, oben und unten gezinnte Queerbalken. Dies kann kein anderes Wappen als das des Georg Hübner sein, welches sonst nicht bekannt ist. Die Färbung wird auch wohl richtig sein, da eine adelige Familie v. Hübner nach Beckmann Anhalt. Hist. im queer getheilten Schilde oben drei Sterne und unten zwei Balken von Silber, und nach Siebmacher W. B. IV, 92, einen Schild, silbern und roth balkenweise getheilt, zum Wappen hatte.

 

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III. Zur Münzkunde.

1) Münzen der vorchristlichen Zeit.

Römische Münze des Kaisers Hadrian.


Auf den zu dem Hauptgute Klein=Vielen gehörenden Nebengute Hartwigshof bei der Stadt Penzlin, an der südöstlichsten Grenze von Meklenburg=Schwerin, ward im Jahre 1869 in der Nähe eines heidnischen Grabes eine wohl erhaltene kleine Bronze=Münze des Kaisers Hadrian (119-127 n. Chr.) gefunden und von dem Gutsbesitzer Herrn Jahn, Mitgliede des Vereins, dem Vereine geschenkt.

V.=S. Der mit Lorber bekränzte Kopf des Kaisers; Umschrift:

IMP CAESAR TRAIAN HADRIANVS AVG

R.=S. Eine stehende weibliche Figur mit einer Wage (bilanx) in der rechten Hand und einem Füllhorn im linken Arme; Umschrift:

P M TR P — COS III

G. C. F. Lisch.     

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Römische Münze des Kaisers Antonius Pius.

Der Herr Studiosus Penckow zu Rostock, aus Zittow, schenkte eine römische Bronze=Münze, welche im Herbst 1870 zu Althof bei Doberan beim Kartoffelausgraben gefunden ist. Die Münze ist außerordentlich abgegriffen und von der Ueberschrift sehr wenig zu erkennen. Jedoch hat der Herr Archivrath Dr. Grotefend zu Hannover dieselbe sicher bestimmt. Die Münze ist ein Sesterz des Kaisers Antoninus Pius, aus der Zeit vom Jahre 145-161:

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V.=S. [ANTONIN]VS AVG PIVS [PP TR P]
Lorbergekrönter Kopf.
("Sa tête laurée à droite".)
R.=S. [COS] IIII [S C]
Antonin in einem Viergespann, mit einem Scepter in der Hand, oben mit einem Adler.
("Antonin dans un quadrige au pas à gauche, tenant un sceptre surmonté d'un aigle".)

Dies ist dieselbe Münze, welche aufgeführt ist in Cohen Descript. histor. des médailles impériales, T. II, pag. 357, No. 561, und in Catalogue de la collection de monnaies de feu C. J. Thomsen: Los monnaies antiques, T. II, pag. 130, No. 1766, mit der Bezeichnung Rare.

G. C. F. Lisch.     

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Römische Münze des Kaisers Theodosius II.

Auf dem Felde des Landgutes Demern im Fürstenthume Ratzeburg, bei Rehna, ward vor mehreren Jahren eine Goldmünze des Kaisers Theodosius II. (408-450 n. Chr.) gefunden, welche in den Besitz des Herrn Archivraths, Pastors Masch zu Demern übergegangen ist. Nach den Mittheilungen des Herrn Masch ist die Münze folgende:

V.=S. Protome galeata adv.
DN THEODOSIVS IMP P F AVG
R.=S. Mulier galeata sedens d. globum, cui insistit crux, s. hastam, adstat clypeus:
XXXXII COS XVII P P

Dies ist also die Münze, welche z. B. in dem Doubletten=Katalog der königlich=preußischen Sammlung, Berlin, 1844, pag. 147, No. 2860, aufgeführt ist.

G. C. F. Lisch.     

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Goldbracteaten in Meklenburg.

Bekanntlich sind in Dänemark sehr häufig Goldbrateaten, oft von beträchtlicher Größe, aus der heidnischen Eisenzeit, mit wunderlichen Darstellungen, gefunden und vielfach behandelt und abgebildet. Es mußte allerdings auffallend sein, daß in Meklenburg dergleichen noch nicht gefunden

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waren, da doch sonst die heidnischen Alterthümer in Dänemark und Meklenburg ziemlich gleich sind. Man kann jetzt aber sagen, daß auch in Meklenburg Goldbracteaten gefunden, aber durch den Handel ins Ausland gewandert sind, wie leider so sehr viele Alterthümer.

1) Zuerst ward 1853 in Meklenburg ein Goldbracteat gefunden, welcher aber an das Münzcabinet zu Berlin verkauft ward. Der Verein besitzt eine saubere Zeichnung von diesem Stücke. Vgl. Jahrbücher XIX, 1854, S. 413.

2) In den neuesten Zeiten ist wieder ein in Meklenburg gefundener Goldbracteat ans Licht gekommen, den der verstorbene Conferenzrath und Museums=Director Thomsen in Kopenhagen, welcher viele und weit reichende Handelsverbindungen auf dem Alterthumsfelde hatte, erworben hat, und der sich in der Thomsenschen Sammlung zu Kopenhagen befindet. Der Herr Etatsrath und Museums=Director Worsaae zu Kopenhagen hat jüngst eine Abhandlung "über die Darstellungen auf den Goldbracteaten" (Om forestillingerne paa Guldbracteaterne) in den Aarborger for Nordisk Oldkyndighet og Hist., 1870, pag. 382 sq. veröffentlicht, und zu derselben sowohl im Texte als auch auf 8 beigegebenen Tafeln Abbildungen von vielen Goldbracteaten beigefügt. Unter dieen ist auch zu pag. 405 auf Taf. 17, No. 4, der erwähnte, in Meklenburg gefundene Goldbracteat abgebildet. Worsaae sagt hierüber Folgendes (in Uebersetzung):

"Bei den drei ersten Bracteaten auf Taf. 17 wendet sich der Gedanke mit größerer Sicherheit zurück zur Sigurd=Sage selbst in ihrer allgemein bekannten Gestalt. Man sieht auf denselben nämlich nur ein gesatteltes und beladenes Pferd, unzweifelhaft Grane mit Fafnes Goldschatz, "Granes Bürde". Die über dem Sattel auf Fig. 2 und 3 reihenweise angebrachten Punkte oder kleinen Kreise sind vermuthlich die goldenen Ringe und Kostbarkeiten im Ganzen. Auf den zahlreichen schwedischen, mit Schlangen, Drachen und Drachenkämpfen reich verzierten Runensteinen, wo ja, wie wir gesehen haben, nachweislich die Sigurd=Sage zwei Mal ausführlich dargestellt ist, und wo man also Andeutungen oder kleinere Darstellungen desselben Gegenstandes müßte erwarten können, kommt auch zwischen Schlangen= oder Drachenwindungen ein einzeln stehendes Roß vor, welches wohl Grane sein könnte. Noch häufiger kommen neben ähnlichen Verschlingungen ein Reiter und ein Vogel vor, womit

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wohl gleichfalls, wenigstens zuweilen, des Nordens berühmtester Held Sigurd der Fafnetödter und seine Thaten angedeutet sein mögen. Denn daß auch die folgenden Bracteaten auf derselben Tafel 17 (Fig. 4-11), welche einen helmbedeckten Kopf und ein Roß, theils mit, theils ohne Vogel zeigen, eher den in Sage und Liedern so weit und breit verherrlichten Sigurd darstellen, als einen gewöhnlichen Häuptling mit Pferd und Habicht, dürfte nicht allein aus der großen Verbreitung dieses bestimmt ausgeprägten Typus über den ganzen Norden, sondern auch daraus folgen, daß einige Bracteaten von dem Vogeltypus (z. B. Fig. 5) zwei Vögel haben, in Uebereinstimmung mit den eingeritzten Sigurdbildern auf dem Ramsundberge, und daß ein Bracteat ohne Vogel (Fig. 4) unten eine Zange und anscheinend Schmiede=Apparate 1 ) zeigt, wodurch wohl sicherlich, gleich wie auf den beiden großen schwedischen Runen=Ritzungen, Regln der Schmied und sein Eingreifen in Sigurds Schicksal bezeichnet worden ist.

G. C. F. Lisch.     

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Arabische Münze von Niex.

Zu Niex bei Schwan (Rostock) ward im Herbste 1870 beim Ackern eine Silbermünze gefunden, welche nach Gestalt und Gepräge eine arabische Münze zu sein schien. Der Herr Literat Stuhlmann zu Schwan erwarb die Münze und schenkte sie dem Vereine. Der sicher kundige Herr Geheime Hofrath, Professor Dr. Stickel zu Jena hat nun die Güte gehabt, die Münze folgendermaßen zu bestimmen:

"Das Stück ist eine barbarische Nachbildung einer Samaniden=Münze, auf deren einer Seite die erste Hälfte des muhamedanischen Glaubenssymbolum: "Kein Gott außer Allah allein, er hat keinen Genossen", und auf deren anderer der zweite Theil desselben: "Muhamed ist der Gesandte Allahs", gestanden hat. Die innere Umschrift der ersten Seite enthielt den Namen des Präge=Orts und Jahres, die zweite, äußere Umschrift einen Koranvers, ebenso die Umschrift der Rückseite. Unten stand noch der Name des samanidischen Fürsten, oder, hier vielmehr des


1) "Gefunden im Meklenburgischen (in Thomsens Sammlung).
Atlas f. n. O., No. 115. Annaler f. 1855, S. 313."
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Khalifen. So war das Original beschaffen, dessen Inschriften der Graveur dieses Stückes so wenig verstanden hat, daß er gar nicht die ordentlichen arabischen Buchstaben wiedergab, sondern nach Belieben ähnliche Züge machte und noch dazu in umgekehrter Richtung der Legenden. Es läßt sich darum auch das Jahr und der Präge=Ort des Originals nicht mehr angeben.

Uebrigens sind dergleichen barbarische Nachbildungen ziemlich häufig; das hiesige Großherzogl. Cabinet bewahrt davon gegen 20 Stück. Sie stammen, wie Frähn uns gelehrt hat, von den Wolga=Bulgharen, die mit den Ländern der Samaniden in regem Handelsverkehr gestanden haben müssen, deren Geld durch sie als erstes vermittelndes Glied nach dem Westen gelangte. Unter dem alten arabischen Gelde, das in Rußland und den Baltischen Küstenländern ausgegraben wird, trifft man nicht selten auch Münzen der Bulgharen.

Funde, denen Stücke dieser Art, wie das vorliegende beigegeben sind, können nicht vor dem Ende des 10. oder dem 11. christl. Jahrhundert dem Schooße der Erde anvertraut worden sein."

Der Fundort Niex wird auf Schwan zurückdeuten, wo im Jahre 1859 ein großer Silberfund vom Jahre 1030 gemacht ward, welcher auch viel arabisches Silber enthielt; vgl. Jahrb. XXVI, S. 245 und 279. Es ist immer möglich, daß die Münze von Niex von dem ehemaligen Besitzer des Schwaner Fundes ausging.

G. C. F. Lisch.     


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2) Münzen des christlichen Mittelalters.

Münze des Herrn Richard v. Friesack,

von

Dr. G. C. F. Lisch .

In der von dem verstorbenen Herrn K. E. Schellhaß in Bremen hinterlassenen, zur Versteigerung bestimmten großen Münzsammlung, befindet sich die hieneben abgebildete Münze, reiche wohl nur in diesem Einen Exemplare bekannt und auch für Meklenburg von einiger Wichtigkeit ist.

Münze

Die Münze war als numismatisches Räthsel schon in Leitzmanns Numism. Zeitung, 1850, Taf. II, 15 abgebildet, ohne bisher eine Erklärung finden zu können. In dem von den Herren Dr. J. und A. Erbstein zu Dresden verfaßten Katalog der Schellhaßschen Münzsammlung, 1870, ist diese Münze unter No. 1525, S. 117, aufgeführt und zu demselben wieder abgebildet, wornach die oben stehende Abbildung hier wiedergegeben ist.

Münze

Die Herren Erbstein erklären nun die als Vorderseite angenommene Seite der Münze für den Münzstempel des Edlen Herrn Richard v. Frisack, indem sie die Umschrift:

Umschrift

durch

Umschrift

erklären und ergänzen. Diese Erklärung ist außerordentlich gelehrt, scharfsinnig und glücklich, und gewiß richtig.

1) Die Herren Erbstein sagen zu dieser Münze nun folgendes: "Gegenwärtige, übrigens nur in diesem einzigen Exemplare bekannte Münze wurde bereits im Jahre 1850 durch die Num. Zeitung auf Taf. II, 15 den Münzforschern zur Entzifferung vorgelegt, ohne daß bisher ein Versuch zur Deutung dieses höchst interessanten Stückes erfolgt wäre. Fabrikverwandtschaft hat dieser Denar nur mit einiger

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Brandenburgern, und zwar denjenigen, die das im Schilde vereinigte brandenburg=böhmische Wappen auf der einen und den reitenden Markgrafen auf der andern Seite zeigen (Köhne Zeitschr. IV, S. 50. Reichel 168. Weidhas VI, 2) und die der Siegel wegen dem Markgrafen Albrecht III. († 1294) zugetheilt werden, sowie mit den von letzteren nicht zu trennenden Denaren, die zwei stehende Figuren und den Adlerschild vor und zwischen Thürmen enthalten (Reichel 118. Weidh. III, 9, unter Johann I. und Otto III.). Bekanntlich weichen diese ziemlich breiten und etwas dünnen Pfennige merklich von den übrigen Brandenburgern ab. - Bezüglich der von uns vorgenommenen Ergänzung des sichtbaren "H A RDVS" in RIChardus ist zu bemerken, daß vor dem H nur für drei Buchstaben Platz, und vom ersten derselben, also vom R, ein I noch sichtbar ist."

"Das Land Friesack, deren erste Besitzer, die edlen Herren v. Friesack, noch von den alten wendischen Häuptlingen abzustammen scheinen, liegt in der Mittelmark, östlich vom Lande Rhinow und nördlich vom Lande Pritzerbe."

"Ein Richardus de Vrisach erscheint urkundlich 1256, 1259 und 1261 (er war der Schwiegervater des Fürsten Pribislav von Parchim); sein gleichnamiger Enkel kommt 1287 und 1290 neben seinem Vater Heinrich vor. Mit letzerem hören die Nachrichten über diese Familie auf. Es scheint dieselbe am Ende des 13. Jahrhunderts ausgestorben zu sein, denn Markgraf Waldemar besaß darauf Friesack als heimgefallenes Lehen. Späterhin kam dasselbe an die Grafen v. Lindow und an die Familie v. Bredow. (Vgl. Riedel Codex dipl. Brand. A. VII, 41 flgd.). Riedel sagt a. a. O. S. 46: "Auffallend kann von einem im Ganzen so bedeutenden Besitze und von einem so alten Orte, wie Friesack ist, der große Mangel an schriftlichen und an allen andern Ueberresten der Vorzeit erscheinen". Im vorstehenden Denare dürfte das wichtigste Denkmal, was sich von der edlen Familie v. Friesack erhalten hat, von uns aufgefunden sein."

Die Herren Erbstein haben sicher das Richtige getroffen. Der Herr Richard v. Friesack erscheint 1256-1261, offenbar in landesherrlicher Eigenschaft, wahrscheinlich aus einem wendischen Dynasten=Geschlechte stammend. Er war der Schwiegervater ("socer") des ihm nahe wohnenden Meklenburgischen Fürsten Pribislav I. von Parchim oder Richenerg, des jüngsten der vier Meklenburgischen Fürstenbrüder,

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welche das Land theilten, und stand mit diesem in den engsten Beziehungen. Man vgl. auch Riedel Cod. dipl. Brand. A, VII, pag. 41, Abhandlung XI; Beyer in Jahrbüchern XI, S. 52; Meklenburg. Urkunden=Buch II, No. 765, und III, No. 1819. Daß aber die Münze nicht allein nach der Umschrift richtig bestimmt ist, beweiset jetzt auch das Wappen, das sogenannte "Seeblatt". Der Herr Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg hat vor einigen Jahren im Archive des Domstiftes zu Brandenburg das Siegel des Herrn Richard v. Friesack entdeckt, welches zuerst im Meklenburg. Urkunden=Buche Bd. II, 1864, zu No. 765, und jetzt wieder hieneben abgebildet ist. Dieses Siegel ist quer getheilt und hat im untern Theile 3 "Seeblätter", im obern Theile den Meklenburgischen gekrönten Stierkopf. Das "Seeblatt" ist also das Wappen der Herren v. Friesack. Der Stierkopf deutet "ohne Zweifel auf irgend eine engere, bis jetzt noch unbekannte (politische) Verbindung mit dem Meklenburgischen Fürstenhause hin".

Wappen

Von geschichtlicher Wichtigkeit ist es, daß dieses Siegel die Umschrift führt: Inschriftskreuz SI S ILLVM RICH A RDI. D. I e RICHOW e , während in der Urkunde selbst der Herr Richard sich "Richardus de Vrisach" nennt. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß Richard v. Friesack aus dem Geschlechte der Herren v. Jerichow in der Altmark stammt, demselben Jerichow, von dessen uralter Cultur der prachtvolle Dom zeugt. (Vgl. Meklenb. Urkunden=Buch zu II, No. 765.)

Die sogenannte Vorderseite unserer Münze ist also nach Umschrift und Wappen ohne Zweifel eine Münze des Edlen Herrn Richard v. Friesack um 1250-1260.

2) Dunkler ist bis jetzt die als Rückseite angenommene Seite der Münze.

Münze

Diese Seite hat als Wappen klar eine heraldische Lilie und zur Umschrift den Namen:

IOH A NNCS D e PLOVC

Ueber diese Seite sind die Herren Erbstein

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noch im Unklaren. Sie schreiben: "In welchem Verhältnisse zu unserem Richardus de Vrisach der auf der Münze sich mitnennende Johannes de Plove (Plaue an der Havel) - denn so ist das PLOVC, in Berücksichtigung des C statt e in "Johannes", zu lesen - stand, weshalb er mit auf der Münze erscheint, ob selbige nur eine Gemeinschaftsmünze ist, das sind Fragen, die vorläufig wenigstens nicht zu beantworten sein dürften. In Urkunden erscheint ein Johannes de Plove zwischen 1248 und 1281, dann begegnen wir dem Namen wieder 1303-1321."

Es möchte sich aber durch Hülfe der Genealogie, Sphragistik und Geographie auch dtese Seite der Münze wohl feststellen lassen.

Wappenbild

Das Wappenbild dieser Seite ist ganz klar eine heraldische Lilie. Diese Lilie war aber das Wappen der Edlen Herren v. Plote, jetzt Freiherren v. Plotho (vgl. Lisch in Jahrb. XXIII, S. 42). Dieses Wappen führt auch der eben berührte jüngere Herr Johannes von Plote auf seinem Siegel an einer Urkunde vom 28. Mai 1314 im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin, welches im Meklenb. Urkunden=Buche VI, zu Nr. 3691, und hieneben wieder abgebildet ist. Diese Herren waren Stifter und Herren der Städte Kiritz u. Wusterhausen,

welche mit Friesack grenzen. Beide Städte führen noch heute die Plotesche Lilie im Siegel (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A, IV, pag. 385). Diese Herren von Plote standen in großem Ansehen, da sie z. B. im Jahre 1232 einen Vogt und 6 Burgmänner in Wusterhausen hatten. Ihr Besitz wird sich weit, ja bis nach Meklenburg, vielleicht selbst bis nach Meklenburg hinein, erstreckt haben, da sie z. B. in der Zeit 1232-1238 den Klöstern Arendsee und Dünamünde große Schenkungen in den jetzigen Meklenburgischen Enclaven in Netzband, Rögelin und Trampiz machten (vgl. Meklenb.

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Urkunden=Buch I, Nr. 403, 437, 477). Daß im Jahre 1228 unter 3 Brüdern ein Richard von Plote vorkommt, scheint für eine Verwandtschaft mit den Herren v. Friesack zu sprechen. Sonst kommt bis in das 14. Jahrhundert hinein immer der Vorname Johannes vor.

Ich kam daher sehr leicht auf die Vermuthung, daß dieser "Johannes de Plove" ein "Plote" sein und auf der Münze vielleicht "Plot" statt "Plove" gelesen werden könne. Die Herren Erbstein haben mir aber auf meine Anfrage versichert, daß "auf der Münze nicht anders als "Johannes de Plove" gelesen werden könne, da das V völlig deutlich und ein Versehen des Stempelschneiders bei der sonstigen Correctheit der Münze nicht wohl anzunehmen sei".

Es ist mir daher wahrscheinlich, daß "Johannes de Plove" dieselbe Person mit "Johannes de Plote", also der Herr Johann v. Paue: Herr Johann v. Plote ist, oder doch zu dem Ploteschen Geschlechte gehört, und dieser Johann v. Plote sich eine Zeit lang (auch) Herr v. Plaue, nach seinen verschiedenen Herrschaften, genannt habe. Plaue ist eine alte Burg an der Havel, nicht weit südlich von Friesack. In den Jahren 1248 und 1281 kommt ein Ritter "Johannes de Plove" und "Plouen" vor (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A, X, pag. 1 flgd.), und 1210-1228 erscheint oft ein "Richardus de Ploue", welcher auch auf eine Verwandtschaft der Herren v. Plaue mit den Herren v. Friesack hindeutet. Die Herren v. Plote sollen auch noch spät Besitzungen in Plaue gehabt haben. Die Sache bedarf aber wohl noch genauerer Forschung in Brandenburgischen Quellen.

3) Aus allen diesen Gründen erscheint es mir wahrscheinlich, daß diese Münze eine Gemeinschaftsmünze der Herren von Friesack und der Herren von Plote oder Plaue, oder der aneinander grenzenden Städte und Landschaften Friesack und Kiritz war. Jede der beiden Seiten der Münze würde dann Hauptseite (Avers) sein.


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Der Münzfund von Roggentin,

von

Dr. G. C. F. Lisch,

mit Erläuterungen

von

G. M. C. Masch.

Im Monat März 1869 ward auf dem Domanialhofe Roggentin bei Rostock beim Ausgraben des Kellerraumes zu einem neuen Wohnhause, als grade der Pächter, Herr Hermes, hinzukam, 4 Fuß tief ein kleiner dreibeiniger Bronze=Grapen, 2 2/3 Pfund schwer, gefunden, in welchem 250 silberne Münzen, in grobe Leinewand gewickelt, lagen. Herr Hermes hatte die Aufmerksamkeit, den Fund sogleich an die großherzoglichen Sammlungen einzusenden.

Die Münzen sind große silberne Bracteaten mit glattem Rande, zum allergrößten Theile mit dem Zeichen des Stierkopfes mit Beizeichen, ohne vom Rost angegriffen zu sein. Die Bracteaten sind stärker im Blech und größer, als gewöhnlich die meklenburgischen zu sein pflegen, und außerordentlich gut geschnitten und geprägt, besser als alle bisher bekannt gewordenen. Durch alles dieses zeichnet sich der Fund vor allen bisher erworbenen aus und vermag die Ehre der meklenburgischen Stempelschneidekunst mit Sicherheit zu retten.

Der ganze Fund besteht aus 250 Stücken und einigen zerschnittenen, welche zusammen 7 1/2 Loth Zollvereinsgewicht schwer sind. 16 Stück wiegen 5 Quentchen oder 1/2 Loth.

Das Zeichen der meisten Münzen ist ein Stierkopf. Dieser weicht jedoch von der Darstellung des Stierkopfes in den verschiedenen landesherrlichen Wappen ab. Der Stierkopf auf den Roggentiner Münzen ist immer ungekrönt, mit geschlossenem Maule, ohne herausgeschlagene Zunge, ohne Halsfell, ohne Hauer; dagegen sind die Nüstern immer stark ausgeprägt. Ganz neu ist die Darstellung dieses Stierkopfes auf vielen (85) Exemplaren dadurch, daß derselbe an jeder Seite unter dem Ohre eine stark geschwungene Haarlocke hat. Andere zahlreiche Exemplare haben aber keine

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Haarlocken. Die meisten Exemplare haben ein Zeichen zwischen den Hörnern, welches sonst meistentheils auf den landesherrlichen Wappen auch nicht vorkommt. Ich kann daher diese Münzen nicht für landesherrliche halten, sondern die Zeichen zwischen den Hörnern nur für Beizeichen gewisser Münzstätten oder Jahrgänge. Am meisten gleicht der Stierkopf dem Stierkopf in dem Siegel der Stadt Rostock, welcher zwar eine Krone, aber Stern und Halbmond zu Beizeichen hat (vgl. Meklb. Urk.=Buch II, Nr. 786 und 847, und Milde, Siegel des Mittelalters, Heft 2, Taf. II, Nr. 24). Der Greif von Rostock erscheint erst etwas später im Raths siegel. Man könnte daher versucht sein, diese Münzen für Münzen der Stadt Rostock 1 zuhalten, welche freilich erst 1323 die landesherrliche Münze daselbst eigenthümlich erworben haben soll (vgl. Evers Mekl. M. V. I, S. 254), obgleich Rostockische Münzen schon viel früher genannt werden. Hiezu würde auch stimmen, daß Roggentin an das Rostocker Stadtgebiet grenzt. Das Dorf Roggentin gehörte dem Kloster Sonnenkamp oder Neukloster seit dessen Stiftung 1219 (vgl. Lisch Mekl. Urk., Band II, Register.)

Die Gepräge der verschiedenen Formen sind alle ziemlich gleich. Jedoch sind einzelne kleine Abweichungen bemerkbar welche sich aber schwer erkennen lassen, jedoch andeuten, daß immer mit mehreren Stempeln derselben Form geschlagen ist.

Die Münzen sind folgende:

1) Stierkopf mit Seitenlocken und einem Ring zwischen den Hörnern 80 Stück,
einige auch mit einem kleinen Punkt zur Seite der linken Haarlocke.
Diese Münzen könnten vielleicht nach Parchim deuten, da der Fürst Pribislav I. von Parchim=Richenberg 1238 einen Stierkopf mit einem Ringe im Siegel führte; vgl. Meklenb. Urk.=Buch I, Nr. 476 und 522, und Milde a. a. O. S. 7. (Auch in Berlin finden sich nach Kretschmers Zeichnungen diese Bracteaten mit Ring zwischen den Hörnern.)

1) In den königlichen und einigen Privat=Münzsammlungen zu Berlin befinden sich einige den Roggentiner Münzen ahnliche Bracteaten, von denen vor vielen Jahren der verstorbene Münz=Cabinets=Gehülfe F. W. Kretschmer, ein treues Mitglied des Vereins, schöne Zeichnungen an diesen geschenkt hat. Er setzt alle diese Münzen unbedenklich in das 13. Jahrhundert.
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2) Stierkopf mit Seitenlocken und einem Ring zwischen Hörnern in einer sechsbogigen Einfassung 1 Stück.
3) Stierkopf mit Seitenlocken und einem nach oben geöffneten Halbmond zwischen den Hörnern 4 Stück.
Der Halbmond unterscheidet sich klar von dem Ringe und ist größer als dieser. Die Seitenlocken sind auf diesen Münzen nur schwach angedeutet. (Auch in Berlin finden sich nach Kretschmers Zeichnungen diese Bracteaten mit Halbmond zwischen den Hörnern.)
4) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einem Kuppelthurm zwischen den Hörnern 59 Stück.
Einige Wenige Exemplare haben einen Punkt an jeder Seite. Diese Münzen lassen sich schwer deuten (Kretschmer, der sie schon kannte, schreibt sie der Stadt Malchin zu. Er hat auch einen jüngern Bracteaten mit gestrahltem Rande und demselben Beizeichen in Zeichnung mitgetheilt. Von demselben besitzt der Verein auch die Zeichnung eines zweiseitigen Pfennigs aus dem Ende des 14. Jahrhunderts mit dem Namen der Stadt Malchin in der Umschrift.)
5) Stierkopf ohne Seitenlocken mit einem Kuppelthurm zwischen den Hörnern in einer sechsbogigen Einfassung 5 Stück.
6) Stierkopf ohne Seitenlocken mit einem Stern zwischen den Hörnern 9 Stück.
Dieses Zeichen könnte auf die Stadt Sternberg deuten, in welcher der Fürst Heinrich der Löwe oft wohnte und starb (Ա 1329), da das alte Siegel dieser Stadt dasselbe Zeichen hat; vgl. Milde a. a. O. Heft 4 Taf. 17, Nr. 40. (Der Münzhändler Weidhas zu Berlin besaß vor vielen Jahren einen gleichen Bracteaten mit einem Stern zwischen den Hörnern.)
7) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einem Stern zwischen den Hörnern, in einer sechsbogigen Einfassung 3 Stück.
8) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einer einstengeligen Pflanze oder Blume zwischen den Hörnern 5 Stück.
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9) Stierkopf ohne Seitenlocken und scheinbar ohne Beizeichen, vielleicht aber mit einem Halbmond zwischen den Hörnern, in einer sechsbogigen Einfassung 1 Stück.
10) Stierkopf ohne Seitenlocken und ohne Beizeichen zwischen den Hörnern, in einer geradlinigen Raute, welche an jeder Seite in der Mitte außen von einem Punkte begleitet ist 52 Stück.
11) Stierkopf ohne Seitenlocken, mit einem Ring zwischen den Hörnern, in einer Raute mit einem Punkte an jeder Seite 5 Stück.
12) Breite Thurmzinne (vielleicht auch Schiffsdeck) mit 5 Kugeln gekrönt, auf welcher eine links wehende Flagge steht und rechts vor derselben auf der Zinnenecke ein Kreuz 7 Stück.
13) Thurmzinne mit Flagge, eben so, ohne Kreuz 3 Stück.
14) Rechts gekehrte Flagge und neben derselben eine kleine Zinne 1 Stück.
Diese Münzen dürften nach Stralsund gehören (vgl. Jahrb. VI, S. 131).
15) Gekrönter Menschenkopf (wie auf der Lithographie zu Jahrb. XVII, Nr. 13 und 14 abgebildet) im geperlten Rande 15 Stück.
Diese Münzen dürften nach Greifswald gehören (vgl. Jahrb. XVII, S. 400).
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250 Stück.
Dazu kommen
6) durchschnittene, halbe Münzen von denen 10 den Stierkopf in der Raute haben.
15 Stück.

Wollte man die Münze nach den Beizeichen bestimmen, so würde man kaum einen genügenden Anhalt in den landesherrlichen Wappen finden. Auch der Stierkopf bietet dafür wenig Anhaltspunkte, da für Meklenburg das aufgerissene Maul und das abgerissene Halsfell, für Werle die ausgeschlagene Zunge, allen aber die Krone fehlt. Ich muß daher auf meine oben ausgesprochene Ansicht zurückkommen, daß die Münzen Rostocker sind, welche zu einer Zeit geschlagen wurden, als noch größere Freiheit in der Wahl der Zeichen herrschte, und noch kein hansischer Münzreceß die Bilder fest bestimmte.

Von Wichtigkeit ist die Bestimmung der Zeit, aus welcher dieser Fund stammt. Der glatte Rand, das starke

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Blech, der größere Durchmesser, die alterthümliche, kräftige Formung der Bilder deuten auf eine ferne Zeit. Gleichzeitig wird der Roggentiner Fund mit dem in Meklenburg einzig dastehenden Bracteaten=Funde von Malchow 1 ) sein, welcher nach andern dabei gefundenen bestimmbaren Münzen ungefähr in das letzte Jahrzehend des 13. Jahrhunderts fällt (vgl. Jahrb. XVII, S. 391 flgd., mit Abbildungen). Aber genau mit den Roggentiner Münzen stimmen die Bracteaten aus dem Funde von Stintenburg überein, welcher ebenfalls in das Ende des 13. Jahrhunderts fallen wird (Vgl. Jahrb. VIII, B, S. 88). Leider sind aus diesem Funde, welcher nur wenig oder gar nichts Meklenburgisches enthalten zu haben scheint, nur wenige Stücke der Wissenschaft zu gute gekommen. Aber von den 12 Stücken, welche der Verein für Meklenburgische Geschichte erhalten hat, sind die 4 Stücke mit dem gekrönten Menschenkopfe im geperlten Rande so genau dieselben, wie in dem Roggentiner Funde, daß sich gar nicht daran zweifeln läßt, daß diese Münzen in beiden Funden aus derselben Zeit und Prägestätte stammen. Auch die Thurmzinnen sind auf Münden in beiden Funden gleichartig mit Kugeln gekrönt, wenn auch die Bilder verschieden sind. Endlich sind die Roggentiner Münzen auch im Allgemeinen den Stintenburgern an Größe, Blech, Rand, Stempelschnitt und Prägeweise vollkommen gleich.

Man wird also nicht fehlgreifen, wenn man die Roggentiner Münzen dem Ende des l 3. Jahrhunderts zuschreibt. (Kretschmar schreibt auch mehrere Münzen dieser Art dem zweiten Viertheil des 13. Jahrhunderts zu.)

G. C. F. Lisch.     


So viel auch die stummen Blechmünzen (Bracteaten), welche aus unsern mannigfachen Funden zur Anschauung gebracht sind, mögen sie nun bestimmt Meklenburgische oder andere Zeichen haben, durchforscht sind, so wenig haben sie die beiden Hauptfragen, aus welcher Zeit und aus


1) Daß in dem Funde von Malchow neben den kleinen Meklenburgischen Bracteaten auch bestimmbare große meißnische Bracteaten und zweiseitige brandenburgische Pfennige vorkommen, laßt sich jetzt wohl dadurch erklären, daß die Münzen beim Aufgange zu der "langen Brücke" von Malchow lagen, in deren Besitz die Stadt schon im Jahre 1292 kam. Das Geld war also sicher allerlei verloren gegangenes Brückengeld, welches von fremden Reisenden, die von Süden her kamen, eingenommen war.
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welcher Münzstätte sie stammen, beantworten können, und auch der gegenwärtige Fund beantwortet beide Fragen nur annähernd.

Anlangend nun die erste Frage nach der Zeit, so steht das fest, daß in der spätem Zeit, also etwa im 14. Jahrhundert (vgl. die Münzstücke von Kolbow, Jahrb. III, 104, VI, 114, 128, und Reinshagen, Jahrb. XVI, 311), die rauhe Mark in viel mehr Stücke ausgebracht ward, als früher; es wurden also in der jüngern Zeit viel leichtere und schlechtere Pfennige geschlagen. Diese sind 14 Millimeter groß, 20 1/2 Stück wiegen 1/2 Loth kölnisch, also 656 vorliegende würden eine rauhe Mark darstellen; es ist aber der Abgang durch Abführung und Reinigung zu berücksichtigen. - Für die früher bei Malchow gefundenen (Jahrb. XVII, S. 391 flgd.) ließe sich durch die damit im Umlauf gewesenen fremden Münzen die letzten Jahrzehnde des 13. Jahrhunderts annehmen; nach der Angabe (a. a. O. S. 399) wurden 458 Stück aus der rauhen Mark geschlagen. Die Größe dieser Münzen war 17 Mm. - An Größe übertreffen die Roggentiner Pfennige die Malchower, denn sie messen 20 Mm.; im Gewichte, das bei den einzelnen zwischen 10 bis 14 Aß wechselt, sind sie jenen im Ganzen gleich, denn da die vorliegenden 16 Stücke 18/32 Loth kölnisch wiegen, so ist die rauhe Mark zu 455 ausgeschrotet. Da nun überdies beide Funde an Feingehalt (Korn) gleich sind, so sind sie beide in gleiche Zeit zu stellen, also ins 13. Jahrhundert, ob etwas früher oder später als die Malchower, muß unentschieden bleiben.

Was nun die andere Frage nach der Prägestätte betrifft, so ergiebt der Augenschein, daß diese Münzen mit jenen nicht aus derselben Stätte hervorgegangen sind; die Fabrik ist eine ganz andere und der Typus ist viel sauberer und bestimmter. Der Ausführung meines Freundes Lisch, daß diese Münzen nicht aus einer landesherrlichen Münze hervor gegangen, trete ich vollständig bei, und lege sie, wie er, Meklenburgischen Städten zu. Wenn man die etwa um ein Jahrhundert jüngern zweiseitigen Münzen (Wittenpfennige) zur Vergleichung heranzieht, so findet sich auf denen von Wismar, Güstrow, Parchim, Neubrandenburg und Friedland der Stierkopf und zwar mit der Bezeichnung, daß sie Meklenburgische oder Werlische Städte sind. Da nun das auf den schriftlosen Münzen nicht ausgesprochen werden konnte, so liegt es nahe anzunehmen, daß man es durch Beizeichen, die man dem Bilde des Landes beifügte, auszudrücken ver=

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suchte, und so läßt sich die Verwendung der Ringe, Sterne, Thürme, Halbmonde ohne großen Zwang deuten.

Es ist nun freilich nicht möglich, allen Bracteaten mit dem Stierkopfe nach diesen Beizeichen bestimmte Prägestätten anzuweisen, jedoch lassen sich, wie auch bereits Lisch gethan hat, Anhaltspunkte finden. So stimme ich ihm ganz bei, wenn er die Münzen mit dem Ringe (Nr. 1, 2, 3) nach Parchim weiset, und stütze diese Annahme durch die Bemerkung, daß auf den Wittenpfennigen der spätern Zeit sich freilich nicht der Ring, wohl aber die Haarlocke findet, und zwar nur auf den Münzen dieser Stadt. - So lasse ich mir auch für Nr. 6 und 7 Sternberg gefallen, obgleich von dieser Stadt keine bestimmten Gepräge bekannt sind, es möchten denn die spätern Bracteaten mit dem Stern (für welche man eigentlich noch keine Stelle gefunden hat) dahin gesetzt werden. Die hier sehr zahlreichen Münzen mit dem Kuppelthurm zwischen den Hörnem des Stierkopfes können allerdings der Stadt Rostock beigelegt werden, denn da sie in größerer Zahl auftreten, stammen sie wohl aus einer großem Stadt; auch möchten Nr. 10 und 11 dahin zu rechnen sein. - Für den Stierkopf mit dem fünfblättrigen Bäumlein zwischen den Hörnern läßt sich keine Stelle finden, wohl aber ist zu bemerken, daß der Kopf eine abweichende, viel schlankere Form hat, als der auf den übrigen.

Ob auf Nr. 12 bis 14 eine Zinne oder ein Schiff gebildet werden sollte, lasse ich unentschieden; die Form spricht wohl für die erstere, die Flagge (offenbar eine Schiffsflagge) für das letztere, und kommt gerade so auf den Münzen von Stralsund vor, wohin also auch diese zu stellen sein werden.

G. M. C. Masch.     

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Wittenpfennig von Teterow.

In meiner Untersuchung über den alten heidnischen Burgwall von Teterow in den Jahrb. XXVI habe ich Seite 185 gesagt, daß die christliche Stadt Teterow nie eine landesherrliche Burg und eine landesherrliche Vogtei gehabt habe. Ich muß mich noch jetzt zu dieser Ansicht bekennen.

Jedoch giebt es eine mittelalterliche Münze von Teterow. Die Münzsammlung der Universität Rostock besitzt

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nämlich einen Wittenpfennig von Teterow, wahrscheinlich das einzige erhaltene Stück 1 ).

Hauptseite. Im Perlenrande der gekrönte Werlesche Stierkopf, ohne Halsfell, an jeder Seite von einem Punkte begleitet; Umschrift:

Umschrift

Rückseite. Im Perlenrande ein ausgebogenes, in der Mitte in einem Vierblatt durchbrochenes Kreuz mit einem punkte; Umschrift:

Umschrift

Die Münze gehört also zu den Wittenpfennigen vor 1379. - Die Umschriften sind nach dem Originale sicher gelesen.

Dieser Wittenpfennig gleicht also dem Wittenpfennig von Malchin aus dem Funde von Rüst und in allen Hauptsachen den gleichzeitigen Wittenpfennigen von Güstrow und Parchim; vgl. Jahrb. XV, S. 350. Aus der Gleichheit der Hauptseite mit der Malchiner Münze dürfte sich vielleicht schließen lassen, daß die Münze für Teterow in der nahen Prägestätte zu Malchin geschlagen ist.

G. C. F. Lisch.     



1) Die Kenntniß und Anschauung dieser Münze verdanke ich der wissenschaftlichen Theilnahme des Herrn Amtsverwalters Burchard zu Schwerin, welcher in frühern Jahren eifrig im Rostocker Münz=Cabinet gearbeitet hat.          G. C. F. Lisch.
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IV. Zur Siegel= und Wappenkunde.


Das Wappen der von Stralendorf.

In den Jahrb. XXVII, S. 251, und XXIX, S. 273, ist das Wappen der meklenburgischen altadeligen Familie v. Stralendorf wiederholt besprochen und wird in dem Meklenb. Urkunden=Buche zur Urkunde vom 30. März 1320 wieder zur Sprache kommen, nachdem der Herr Landrath v. Stralendorf auf Gamehl drei Holzschnitte zur Erläuterung des Wappens für diese Urkunde gestiftet hat. Um aber die Forschung auch in weitern Kreisen bekannt zu machen und weiter zu führen, mögen diese Abbildungen auch hier eine Stelle finden.

Das Schildzeichen im Wappen der Familie v. Stralendorf ist seit der ältesten Zeit unverändert geblieben: im längs getheilten Schilde rechts drei schräge rechts gekehrte Pfeile, links ein halbes (Mühl?=)Rad. Das Staats=Archiv zu Schwerin bewahrt eine große Menge von Siegeln dieser Familie, welche aber fast alle Schildsiegel sind.

Das älteste Schildsiegel ist das hieneben abgebildete Siegel des Ritters Vicke (Friederich) v. Stralendorf an einer Urkunde vom 30. März 1320, welches öfter vorkommt.

Schildsiegel

Die Helmzier dieses Wappens ist in jüngerer Zeit aber offenbar verunstaltet, wenigstens überladen; aus einer Krone ragen 2 Straußfedern hervor, zwischen denen ein aufgerichteter Pfeil steht, auf dem wieder eine Krone balancirt, welche wieder mit 3 Straußfedern bedeckt ist (vgl. Masch Meklenburg. Wappenbuch).

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Helmzeichen auf alten Siegeln der Familie gehören aber zu den größten Seltenheiten. Eines der wenigen und ältesten Siegel, auf denen Schild und Helm dargestellt ist, ist das hieneben abgebildete Siegel, welches an einer in Lisch Meklenb. Urkunden II, S. 224 abgedruckten Urkunde des Klosters Neukloster vom 19. Novbr. 1460 hängt.

Siegel

Dieses Siegel hat den bekannten Schild, jedoch ausnahmsweise auf demselben die 3 Pfeile links, und über dem Schilde einen Helm, auf dem nur ein aufgerichteter Pfeil steht. In dem Abdruck dieser Urkunde a. a. O. habe ich den Helm irrthümlich für einen "Thierkopf" ausgegeben; die Figur ist aber nichts weiter als die bekannte langschnabelige Helmfigur des 15. Jahrhunderts. Noch im 16. Jahrhundert kommen mehrere v. Stralendorfsche Siegel vor, auf denen der Helm nur einen einfachen Pfeil trägt.

Auf alten Siegeln ist also der aufgerichtete Pfeil allein der Helmschmuck des Stralendorfschen Wappens. Dennoch ist der Federschmuck auf dem Pfeile auch alt. Bei der Restauration der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Kirche des alten v. Stralendorfschen Gutes Zurow kamen im Jahre 1862 auf den Gewölben des Chores mehrere Gewölbe=Malereien zum Vorschein, und unter diesen auch ein hieneben im verkleinerten Maaßstabe abgebildetes v. Stralendorfsches Wappen: vgl. Jahrb. XXIX, S. 202 flgd., welches ungefähr aus der Zeit um das Jahr 1360 stammen mag (vgl. Jahrb. XXIX, S. 273).

Wappen

In diesem Wappen steht unmittelbar auf dem Helme ebenfalls ein aufgerichteter Pfeil, welcher jedoch auf der Spitze mit einem Pfauenwedel besteckt ist, eine Darstellung, welche mehr natürlich ist und auch mehr geschichtlichen Halt hat, als die Darstellung von zwei Etagen von Straußfedern. Pfauenwedel kommen auf den Wappen der altadeligen Familien Meklenburgs öfter vor, theils mit, theils ohne Verbindung mit einer alten Helmzier. Dieses Zurowsche Wappen wird also wohl die beste Gestalt des v. Stralendorfschen Wappens sein.

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Ueber die oben angeführte Neuklostersche Urkunde vom 19. Novbr. 1460 läßt sich noch eine andere heraldische Merkwürdigkeit anführen.

Der Herr Landrath v. Stralendorf berichtet, daß sich in seinem Besitze ein alter bronzener Stralendorfscher Siegelstempel ("Pettschaft, ungefähr so, wie man sie jetzt zu führen pflegt,") befindet, welcher vor mehr als hundert Jahren auf dem Felde zu Gamehl gefunden sein soll und sich schon im Besitze seines Urgroßvaters befunden hat und auf ihn vererbt ist. Das runde Siegel hat einen stehenden Schild mit dem Stralendorfschen Wappen (ohne Helm) und die Umschrift:

Umschrift

Dieser Siegelstempel stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ein freilich sehr schlechter Abdruck dieses Stempels hängt an der oben angeführten Neuklosterschen Urkunde vom 19. Novbr. 1460, wodurch die Brüder Heinrich, Ulrich und Vicke v. Stralendorf, Knappen, wohnhaft zu Crivitz (pfandgesessen), dem Kloster Neukloster das höchste Gericht, die Bede und andere herrschaftliche Gerechtigkeiten des Dorfes Sellin verpfänden. Dieses Siegel des Vicke v. Stralendorf hängt an der Urkunde an dritter Stelle. An zweiter Stelle an derselben Urkunde hängt das oben abgebildete Siegel des Knappen Ulrich v. Stralendorf mit Schild und Helm, auf dem ein aufgerichteter Pfeil steht.

Der Besitz eines nachweisbaren mittelalterlichen Siegelstempels in einer Familie ist immer ein sehr seltener Fall.

G. C. F. Lisch.     

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Der Kaland zu Zurow
und
das Siegel der Kirchen=Juraten daselbst.

Nicht allein in politischer Hinsicht war ehedem Zurow ein Ort von Bedeutung, insofern es ein Musterungsplatz für die Mannschaft des Landes Meklenburg war, auch mindestens ein Mal ein Landtag (Convocationstag), nämlich 1488 (Jahrb. X, 191), dort abgehalten wurde, sondern auch kirchlich, da es zeitweise Ziel von Wallfahrten gewesen ist und ein Kaland seinen Sitz daselbst hatte. Kalande waren geistliche Brüderschaften, wie dieser meist aus Geistlichen und Laien bestehend, welche zu zwei Malen im Jahre gemeinschaftlichen Gottesdienst um der verstorbenen Mitglieder Seelen

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willen feierten und inzwischen die von solchen gestifteten Memorien begingen. An ihrer Spitze stand ein Geistlicher, Decan genannt, den zwei andere, Procuratoren oder Schaffner, unterstützten 1 ). Da mit der Durchführung der Reformation auch diese Verbrüderungen sich aufzulösen gezwungen waren, so ging das Vermögen derselben meist in andere Kassen über. Dasjenige des Zurowschen Kalands überwiesen die letzten Mitglieder M. Nicolaus Eggebrecht, Domherr zu Lübek, und die Wismarschen Vicare Heinrich Westfal, Steffen Plate und Berthold Hövinck am 28. Junii 1553 der Almosenstiftung, welche der Schwerinsche Scholasticus M. Kord Böddeker 1464 testamentarisch in seiner Kapelle zu S. Jürgen zu Wismar errichtet hatte, und so sind wenigstens die Eigenthums=Documente des Zurowschen Kalands bis auf eins, welches Dr. Lisch im Schweriner Archive entdeckte, nach Wismar gekommen.

Die älteste dieser Urkunden ist vom 21. Decbr. 1418, und bezeugt durch dieselben Günther v. Lewetzow zum Kahlenberge, daß er dem Pfarrherrn Detmer von Zurow wiederkäuflich einen See, den "lütken witten See" auf dem Felde "zum Wendhofe" verkauft habe. Der Kaland wird in der Urkunde nicht genannt, war aber laut der Ueberweisung von 1553 damals im Besitze des Sees, welcher auf dem Kahlenberger Felde noch heute bekannt ist und seinen Namen von dem Kalkmergel haben wird, aus welchem nach Herrn Keding's, des jetzigen Besitzers, Angabe der Grund besteht. Am 3. Februar 1421 war der Kaland aber schon gestiftet, da er an dem gedachten Tage von Werneke und Henneke Preen zu Jesendorf mit Zustimmung ihrer Mutter Oelgard eine Rente von 24 Schillingen aus Jesendorf kaufte. Vierzig Jahre später findet sich das erste sichere Mitglied des Kalands, der Priester Nicolaus Qualtze, welcher demselben 1463, Septbr. 29, 3 Mk. Rente aus gewissen Buden zu Wismar abtrat. Im folgenden Jahre am 18. Mai kauften eben dieser Nicolaus Qualtze, als Decan, Jacob Schacht und Johann Höppner, alle Vicare zu Wismar, als Schaffner und Vorsteher, von Berthold Bersse zu Rambow 3 Mk. Rente aus (Vorder=) Wendorf 2 ), und 1488, Decbr. 4, erwarb der Kaland von Bernd v. Plessen zum Grundshagen 3 1/2 Mk. Rente aus Fliemstorf.


1) Schröder, W. E., S. 121, stellt nach seiner Hauptquelle, Blumbergs Abbildg. d. K., Chemnitz 1721, das Wesen der Kalande nicht eben treffend dar. Ungleich besser ist die Schilderung Dittmers, d. H. Geist=Hospital u. d. S. Clemens K. in Lübei, Lüb. 1838.
2) Urkunde im Staats=Archive zu Schwerin.
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Keiner dieser Rentenkäufe ist in der oben gedachten Ueberweisungs=Urkunde ausdrücklich aufgeführt, wohl aber ein anderer und zwar vermuthlich der letzte, welchen der Kaland abgeschlossen hat. Es verkauften demselben nämlich Erdmann Greve und Tideke Dame, Kirchgeschworene oder Gottesleute zu Zurow, am 12. April 1515 dem dortigen Kalande und namentlich M. Hermen Winterpol als Decan und den Procuratoren Georg Erdmann und Johann Boyenhagen (von denen auffallend genug mindestens die beiden ersteren sicher in demselben Jahre dieselben Aemter im minderen Kalande zu Wismar bekleideten) 5 Mk. Rente zum Behufe einer neuen - jetzt nicht mehr vorhandenen - Glocke auf "den großen Thurm", und stellten die Urkunde am 12. April darüber aus.

Diese letztgedachte Urkunde hat ein besonderes Interesse, jedoch nicht so sehr durch ihren Inhalt oder ihre Fassung, wohl aber durch das daran gehängte, hieneben abgebildete Siegel.

Siegel

Dasselbe ist von der Größe eines alten Thalers oder 1 1/2 Zoll Hamb. im Durchmesser. Es zeigt vor einem nicht ganz regulären Vierpasse eine sehr gut gearbeitete Madonna, und unter deren Füßen einen stehenden, gespaltenen Schild von Zungenform, der vorne an der Theilungslinie ein halbes Rad und hinten drei schräge aufwärts und links gerichtete "Strale" oder Pfeile enthält. Die durch den Schild unterbrochene Umschrift steht auf einem an den Enden ein wenig gerollten Bande und lautet:

Umschrift

Dieser Umschrift nach ist das Siegel also dasjenige der Kirchgeschworenen zu Zurow und bis dahin das erste Juratensiegel, welches in Meklenburg zum Vorscheine gekommen ist. Die Werkhäuser (fabricae) der Kirchen in den größeren Städten, welche von einem Werkmeister (magister fabricae, operarius) unter Aufsicht von Verwesern oder Vorstehern (provisores) geleitet wurden, hatten freilich auch Siegel, und es haben sich deren namentlich zu Rostock sehr große und alte erhalten, aber ein Siegel der Vorsteherschaft einer Landkirche hat sich bis dahin sonst noch nicht gefunden. Ist es also ein merkwürdiger Umstand, daß die Zurowschen Juraten ein eigenes Siegel besaßen, so ist auch die Bildung desselben beachtenswerth. Daß die

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Gottesmutter darauf angebracht ist, kann freilich nicht auffallen, da ihr jedenfalls die Kirche hauptsächlich gewidmet war (Jahrb. XVI, 300, XXIX, 202); aber der Schild auf demselben, der der v. Stralendorf, ist eigenthümlich genug. Es ist freilich früher schon versucht, wahrscheinlich zu machen, daß die Kirche von den v. Stralendorf erbaut sei, welche im Jahre 1336 bestimmt Zurow bereits besaßen, aber diese doch wohl leidlich sichere Thatsache würde schwerlich hinreichen, die Aufnahme des Wappenschildes dieses Geschlechts in das Siegel der Juraten zu veranlassen. Wahrscheinlicher dürfte es sein, daß das Wappen sich auf das Patronat der v. Stralendorf bezieht, welches auch heute dem Besitzer von Zurow noch zusteht und welches jene sich vermuthlich durch Aufrichtung der Pfarre erworben haben. Die beschränkte Größe der hier nebeneinander liegenden Kirchspiele Goldebe, Zurow, Jesendorf deutet darauf hin, daß dieselben nicht der ersten Circumscription der Parrochien ihre Entstehung verdanken, sondern ursprünglich Theile anderer, größerer waren. Auf die Stiftung der Pfarre und des Patronats scheint also der Schild sich zu beziehen, und es ist gewiß sinnig, wenn der alte Goldschmied, der das Siegel stach, jenen zu den Füßen der Maria anordnete, so gleichsam das ganze Geschlecht deren besonderem Schutze unterstellend. Der seltenern Gestaltung des Schildes - das halbe Rad vorne, die drei Strale hinten - mag die Darstellung am Gewölbe der Kirche als Vorbild gedient haben. (Vgl. Meklb. Urkunden=Buch No. 4178, Note, und die vorhergehende Abhandlung.)

Das Siegel gehört dem 15. Jahrhundert an, wie die Form des Schildes und der Schrift zu erkennen geben.

Herr Landrath v. Stralendorf auf Gamehl hat den Verein in den Stand gesetzt, das interessante Siegel zur Anschauung zu bringen.

Dr. Crull.     

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Das Wappen der von Levetzow

hat ein Schildzeichen, welches in neuern Zeiten für ein "Gatter" oder "Fallgatter" ausgegeben ist. Dagegen scheint nun zu streiten, daß die Wappen=Figur immer einen "Fuß" gehabt hat. So ist sie in dem ältesten, auf der folgenden Seite abgebildeten Siegel vom 14. Novbr. 1313 (Meklb. Urkunden=Buch VI, No. 3654) und so ist sie noch heute. Man hätte die Figur mit dem allgemeinern hoch=

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Wappen

deutschen Namen "Rechen" belegen sollen. Wir haben daher im Meklb. Urkunden=Buche a. a. O. wegen des Fußes die Figur einen "Kerzenrechen" ("siebenarmigen Leuchter") genannt. Und diese Annahme scheint durch die Forschung des bewährten französischen kirchlichen Archäologen Viollet le Duc bestätigt zu werden. Dieser sagt in seinem Werke Mobilier Français iu dem Artikel Herse (Egge, Fallgatter), oder

Râtelier (Raufe):

"Herse, s. f. râtelier. Sorte de traverse de fer, de cuivre ou de bois sur un ou deux pieds, ou suspendue par des potences, sur laquelle on disposait des cierges dans les choeurs, à côté ou devant l'autel, devant les châsses des saints, près des tombeaux particulièrement vénérés, dans certaines chapelles."

("Eine Art von Querstange aus Eisen, Kupfer oder Holz auf einem oder zwei Füßen, oder an aufgehängten Armen, auf welche man Kerzen stellte in den Chören, zur Seite oder vor dem Altare, vor den Reliquienbehältern der Heiligen, an den vorzüglich verehrten Gräbern, in gewissen Kapellen.")

Er giebt dazu Abbildungen von 2 solcher Kerzenrechen, Fig. 1 mit 7 Lichtern, Fig. 2 mit 5 Lichtern.

G. C. F. Lisch.     

 

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