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XXXVI. 4.
des
Schwerin, im Juli 1871.
" M ögen die kriegerischen Ereignisse, an denen Meklenburg einen so hervorragenden Antheil nimmt, den Fortgang Ihres wichtigen Unternehmens nicht hemmen, vielmehr Ihr Verein und Land Allen im neuen deutschen Reiche als Muster und Vorbild dienen."
Diese, unsern Verein hoch ehrenden Worte des berühmten Historikers, Professors Dr. Waitz in Göttingen in einem Dankschreiben vom 25. December 1870 nach Empfang des 6. Bandes des meklenburgischen Urkundenbuches scheinen wohl geeignet, meinen Schlußbericht für das Vereinsjahr von 1870-71 einzuleiten. Jene kriegerischen, in alle staatlichen Verhältnisse Deutschlands, ja man darf sagen Europas, tief eingreifenden, welthistorischem Ereignisse haben inzwischen ihren glücklichen Abschluß gefunden. Der welterschütternde Kriegsdonner ist verstummt, der Friede herrscht wieder im Lande und auch unsere tapfern Krieger sind unter der sieg= und ruhmreichen Führung ihres hohen Landes= und Kriegsherrn in die Heimath zurückgekehrt. Wie in dem ganzen großen
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Vaterlande, dem mitten im blutigen Kampfe wiedergeborenen deutschen, aber mit Gottes Hülfe niemals wieder römischen Reiche, dankt auch in Meklenburg das treue Volk in Demuth dem allmächtigen Gotte für die durch eigene Kraft in dem ihm aufgedrungenen gerechten Kampfe errungenen reichen, zur Zeit noch unermeßlichen Erfolge, die es nun in dem wieder gesicherten Frieden ungestört zu genießen hofft.
Aber die erlittenen Verluste entsprechen der Größe des Gewinnes, und unter ihnen ist der ein ganzes Jahr hindurch gestörte, ja oft nach vielen Seiten hin völlig unterbrochene Verkehr auf allen Gebieten menschlicher Thätigkeit wahrlich nicht der geringste. Unleugbar hat namentlich auch der wissenschaftliche Verkehr in Deutschland während des Krieges erheblich gelitten, obwohl unsere stets siegreichen Waffen denselben von unseren Grenzen fern zu halten wußten, und das hat auch unser Verein in vielfacher Beziehung mit empfunden, wie wir schon in voraufgegangenen Berichten zu beklagen hatten. Doch darf ich heute mit freudiger Zuversicht hinzufügen, daß diese augenblicklichen Störungen und Hemmungen unserer Thätigkeit keinen dauernden Nachtheil für unsere Zukunft besorgen lassen. Wagen wir es vielmehr immerhin, dem Ziele, das unser Göttinger Freund uns in seinem Neujahrswunsche freundlich aufstellte, in der Hoffnung auf eine nachhaltige Unterstützung durch den neubelebten Patriotismus des Volkes muthig entgegen zu streben!
Und wenigstens in dem einen Punkte, welcher zunächst jenen Wunsch veranlaßte, ist derselbe bisher wirklich in Erfüllung gegangen: Unser Urkundenbuch hat auch in dem letzten Jahre nicht die geringste Störung erlitten. Schon im Herbste 1870 konnte der 6. Band an unsere Abonnenten und Freunde ausgegeben werden und ist von allen Seiten freudig begrüßt. Die bis jetzt veröffentlichten beiden ersten Bände der 2ten Abtheilung des Werkes umfassen bekanntlich den Zeitraum von 1301-1321 und bringen aus diesen 21 Jahren beziehentlich 858 und 737, also zusammen nicht weniger als 1595 Urkunden, von welchen mindestens 1/3 hier zum ersten Male gedruckt ist, die übrigen schon früher veröffentlichten, in mehr als 50 verschiedenen, zum Theil seltenen Werken zerstreuet sind und des oft in hohem Grade verderbten Textet halber nur mit äußerster Vorsicht benutzt werden konnten. Der Gewinn für die historische Forschung ist daher jedenfalls sehr beträchtlich.
Ihrem Inhalte nach betreffen diese Urkunden, gleich denen des vorhergehenden Bandes vom Anfange des 14.
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Jahrhunderts an, der Mehrzahl nach die äußern Angelegenheiten Meklenburgs, d. h. das Verhältniß unserer Fürsten zu ihren Nachbaren, unter welchen vor allen die dänischen Könige Erich und Christoph II. zu nennen sind, die sich, durch die innern Unruhen in der Seestadt Rostock und die Schwäche des dort regierenden Fürsten begünstigt, auf's Neue in die meklenburgischen Angelegenheiten eingemischt hatten, während gleichzeitig in der wachsenden Macht Brandenburgs, besonders unter dem Markgrafen Waldemar aus dem Hause Anhalt, sich ein Gegengewicht gegen die nordischen Herrschergelüste bildet, zugleich aber auch ein neuer, für die Selbstständigkeit der wendischen Fürsten in Meklenburg und Pommern nicht minder gefährlicher Nachbar heranwächst. Mitten zwischen diesem doppelten Drucke ragen aber unsere einheimischen Fürsten Heinrich der Löwe von Meklenburg und Nicolaus von Werle als wahre Heldengestalten hervor, die der Himmel uns zur rechten Zeit gesandt hatte, denn von der Schwäche des deutschen Reiches war in diesem fernen Grenzlande keine Hülfe zu hoffen. Bringt doch unsere Sammlung, höchst bezeichnender Weise, aus dieser wichtigen Zeit in jedem Bande nur je eine einzige Kaiserurkunde!
Neben diesen auswärtigen Händeln nehmen der Zahl und Bedeutung nach diejenigen Urkunden das größte Interesse in Anspruch, welche das unglaublich rasch aufblühende, fast an die amerikanischen Erscheinungen unserer Zeit erinnernde, städtische Leben, besonders den Handel der Seestädte Rostock und Wismar betreffen; ja, wenn man erwägt, daß auch die Kämpfe nach Außen vorzugsweise durch die innern Unruhen und den auswärtigen Handel der Seestädte beeinflußt wurden, so erscheinen die Interessen des Handels und des bürgerlichen Verkehrs dieser Städte, in welchen fich zugleich ein höchst beachtenswerthes nationales Rechts= und Verfassungsleben entwickelt, in diesem Zeitraume schlechthin überwiegend, und gerade in dieser Beziehung wird uns in den beiden letzten Bänden unseres Werkes ein sehr reiches, bisher völlig unbekanntes Material geboten.
Erst hierauf folgen die kirchliche Angelegenheiten vertretenden Urkunden, durch welche das fortwährende Wachsthum der päpstlichen und bischöflichen Macht, sowie des Reichthums und des Einflusses der Klöster und Kirchen und der sonstigen religiösen Stiftungen allerdings deutlich bekundet wird. Aber das Gewicht dieser geistlichen Macht in den weltlichen Händeln beginnt für unsere Gegenden gleichwohl erst in dem letzten Bande während der Regierung des that=
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kräftigen und kriegerischen Bischofs Hermann Maltzan (1314 bis 1322) allmählich fühlbarer hervorzutreten. Noch weniger aber ließ die Persönlichkeit unserer Fürsten die durch deren Freigebigkeit im Stillen gleichfalls wachsende Macht des Feudaladels jetzt schon empfinden, und über die Verhältnisse des Bauernstandes finden wir in dem Urkundenschatze dieses Zeitraumes kaum ein einziges directes Zeugniß, doch öffnet sich dem sorgsamen Forscher auch in dies geheimnißvolle Dunkel gelegentlich mancher willkommener Blick.
In Betreff der Sprache dieser Urkunden ist hervorzuheben, daß im 5. Bande bereits 18, im 6. 39, im Ganzen also in diesem Zeitraume 57 Originalurkunden in niederdeutscher Sprache mitgetheilt sind, während in der ersten Abtheilung des Werkes aus dem 13. Jahrhundert (Band 3) außer einigen niederdeutschen Aufzeichnungen in den Rostocker Stadtbüchern nur ein paar Urkunden der Markgrafen von Brandenburg aus der Zeit von 1292-96 in dieser Sprache abgefaßt wurden. Auch von den jetzt mitgetheilten ist die Mehrzahl von benachbarten Fürsten, namentlich den gedachten Markgrafen, außerhalb Meklenburgs ausgestellt. Eigentlich meklenburgische befinden sich darunter nur 15, deren älteste 3 Willküren des Rathes zu Wismar vom Jahre 1306 enthält, worauf 1306 April 19 Herr Heinrich zu Meklenburg, 1307 Februar 17 der Graf von Schwerin, in demselben Jahre 1307 August 9 Herr Nicolaus zu Werle, 1312 April 5 der Rath zu Parchim folgen. Im Jahre 1321 schloß sich dann auch der Bischof Hermann Maltzan von Schwerin der neuen Sitte an, nachdem ihm der Bischof von Halberstadt schon 1320 mit seinem Beispiele voraufgegangen war.
Als eine für die Heraldik nicht hoch genug zu schätzende Beigabe sind auch hier wieder die meisten der an den Urkunden hangenden meklenburgischen Siegel in vortrefflichen Holzschnitten unter dem Texte abgedruckt. Darunter befinden sich im 5. Bande 9 geistliche, 13 fürstliche, 6 Stadtsiegel und 17 Siegel einheimischer Adelsgeschlechter, zusammen 42; im 6. Bande dagegen 10 geistliche, 6 fürstliche, 2 Stadtsiegel und 48 adlige Familiensiegel, zusammen also 66 und in beiden Bänden 90 Abdrücke.
Wie die zahlreichen Dankschreiben unserer Ehren= und correspondirenden Mitglieder, und unter ihnen der angesehensten Gelehrten aller Länder Deutschlands, bei dem Empfange der ihnen zugesandten Exemplare, spricht sich auch das öffentliche Urtheil der deutschen Presse, soweit sie von dem gelehrten, wissenschaftlichen Leben des Volkes Notiz
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nimmt, über die Bearbeitung unseres Werkes, das wirklich mehr und mehr ähnlichen neueren Unternehmungen als Muster zu gelten scheint, bei dem Erscheinen jedes neuen Bandes einstimmig günstig und oft mit lebhafter Theilnahme aus. So namentlich die Göttinger gelehrten Anzeigen und vor allen das literarische Centralblatt für Deutschland, welches regelmäßig überaus wohlwollende und höchst anerkennende Anzeigen jedes neuen Bandes veröffentlicht. Es versteht sich von selbst, daß die Herausgeber und der Verein selbst sich den Herren Berichterstattern für diese einflußreiche Empfehlung des Werkes zu aufrichtigem Danke verpflichtet fühlen und die stets erwünschten Erinnerungen und Ausstellungen, soweit immer möglich, berücksichtigen werden. Doch kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, daß diese Ausstellungen nicht immer sehr glücklich gewählt sind. Wenn z. B. bei der Anzeige des 5. Bandes in dem gedachten Centralblatt bemerkt wird, daß bei Beschreibung eines Siegels rechts und links verwechselt sei, so beruhet das entschieden auf einem Irrthum. Die Beschreibung ist nach dem dabei natürlich durchweg beobachteten heraldischen Sprachgebrauche durchaus richtig. Wenn dagegen bei der Anzeige des 6. Bandes in Nr. 12 eben dieses Blattes vom 25. März d. J. vor der Annahme gewarnt wird, als ob in den Urkunden des Mittelalters das Jahr stets mit dem 25. December beginne, was keineswegs ausnahmslos der Fall sei, weshalb nichts übrig bleibe, als alle zwischen dem 25. December und 1. Januar fallenden Urkunden als kritische Fälle zu betrachten und etwa den Gebrauch der einzelnen Canzleien festzustellen, so muß ich darauf erwidern, daß dies Letztere in Bezug auf die meklenburgischen und benachbarten Canzleien durch gründliche Forschungen geschehen ist, welche eben zu dem Resultate geführt haben, daß in den Urkunden dieser Gegend während des 14. Jahrhunderts der 25. December ausnahmslos als Jahresanfang gelte. Eben daselbst wird endlich der Gebrauch des parenthetischen Ausrufungszeichens (statt des sonst üblichen: sic!) als allzu freigebig bezeichnet, wofür 4 Beispiele angeführt werden, die aber merkwürdiger Weise alle 4 auf einem Mißverständniß beruhen, indem der Herr Berichterstatter die Veranlassung zur Einfügung des Warnungszeichens nicht richtig erkannt hat * ).
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Aus Meklenburg selbst habe ich mit Freuden die thatsächliche Anerkennung unseres Werkes durch die Landesuniversität Rostock hervorzuheben, wo in mehrereu Facultäten die Preisaufgaben für die Studirenden mit ausdrücklicher Verweisung auf die durch das Urkundenbuch eröffneten Quellen gewählt werden. Dessen ungeachtet ist die Verbreitung des Werkes namentlich in seiner Heimath verhältnismäßig immer noch sehr geringe, weshalb ich eine etwas eingehendere Besprechung desselben an dieser Stelle im Interesse der historischen Wissenschaft überhaupt und namentlich der Landeskunde Meklenburgs in allen ihren Zweigen für wirklich geboten hielt. Man darf uns wenigstens nicht vorwerfen, daß wir selbst in unserm engern Kreise unterlassen hätten, darauf aufmerksam zu machen, welche Schatzgrube allen Vaterlandsfreunden in diesem Werke, das sich auf dem Titel als von unserm Vereine herausgegeben ankündigt, eröffnet worden ist.
Der Druck des 7. Bandes ist bis zum 35. Bogen fortgeschritten, so daß derselbe voraussichtlich mit Beginn des nächsten Jahres wird ausgegeben werden können. An Holzschnitten schenkte der Herr Archivar Dr. v. Bülow zu Stettin die Siegel des Knappen Heinrich v. Bülow 1343, des Gottfried v. Britzckow 1359 und des Dargislav 1333.
Die in dem 35. Bande unserer Jahrbücher zum Abdruck gekommene und zugleich durch Separatabdruck verbreitete Abhandlung unsers Lisch über die in Meklenburg entdeckten Gräber römisch=gallischer Handelscolonisten vom Rheine ist zwar viel gekauft und nach Privatnachrichten als eine für die europäische Culturgeschichte bedeutende Erscheinung anerkannt; die öffentliche Kritik ist aber bisher noch ziemlich zurückhaltend gewesen. Eine Ausnahme macht das neueste Blatt des Herold, welches ein ausführliches Referat über den betreffenden Band der Jahrbücher bringt und darin auf die Wichtigkeit der betreffenden Abhandlung aufmerksam macht. Auch ist in einer Sitzung des gerade in Bezug auf diese Frage vorzugsweise competenten Vereins für die Geschichte Frankfurts ein Vortrag über unsern römischen Fund gehalten worden, worin nach dem Referat des Professors
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Dr. Becker in der Frankfurter Zeitung die Ansicht unsers Lisch durchweg gebilligt wird. Am zurückhaltendsten sind bis jetzt unsere nordischen Freunde. Zwar ward gleich Anfange von Kopenhagen aus die Bedeutung unseres Fundes und die Nothwendigkeit einer Revision der dortigen Sammlungen bereitwillig zugestanden, seitdem aber verlautet nichts weiter darüber. Indessen dürfte die in Aussicht gestellte Arbeit bei der großen Masse der einschläglichen Alterthümer der gedachten Sammlungen voraussichtlich eine sehr bedeutende und zeitraubende sein, da anscheinend der Ursprung des größeren Theiles der Alterthümer aus der älteren Eisenperiode durch die neue Entdeckung in Frage gestellt sein wird. Aus mehren Gegenden Deutschlands, namentlich aus Hannover, sind dagegen Nachrichten eingelaufen, wonach dort in Folge der von hier aus gegebenen Anregung gleichfalls mehre, den unserigen durchaus ähnliche, ältere und neuere Funde bekannt geworden sind.
Von dem neuesten 36. Bande der Jahrbücher konnte die erste Hälfte, den geschichtlichen Theil umfassend, bereits in der Generalversammlung am 11. d. M. gebunden vorgelegt werden. Derselbe enthält zunächst zwei Abhandlungen von Lisch zur Geschichte Wallenstein's, nämlich über die Form der Regierung dieses berühmten Usurpators in Meklenburg, und dessen letzte Kammer= und Hof=Ordnung bei seinem Abzuge aus dem Lande. Die erste Abhandlung giebt eine vollständige Uebersicht der von Wallenstein eingeführten Reformen in den Regierung=, Justiz= und Verwaltungs=Behörden seines neuen Herzogthums, also ein ziemlich vollständiges Schema seines ganzen Regierungsbetriebs, das umsomehr an Interesse gewinnt, je genauer man dasselbe mit den sehr abweichenden älteren und andererseits mit den neueren Verhältnissen nach der Rückkehr der legitimen Herzoge vergleicht, welche die Einrichtungen des Usurpators fast ganz bei Bestand ließen. Die zweite Mittheilung ist ein Abdruck der Instruction, welche Wallenstein bei seiner Abreise seinem "Kammer=Regenten" Heinrich Kustoz zurückließ. - Außerdem enthält dieser Band eine ausführliche Schilderung der Händel des Wismarschen Bürgermeisters Peter Langjohann mit dem Herzoge Heinrich dem Dicken in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus den Acten des Stadtarchivs, eine Arbeit unsers verehrten Mitgliedes und Mitarbeiters Dr. Crull zu Wismar, welche eben so wichtig für die Geschichte der Stadt, als für die Charakteristik der Regierung des genannten Herzogs und seiner Zeit überhaupt ist. - Den Hauptinhalt der unter
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der Presse befindlichen zweiten Abtheilung dieses Bandes, d. h. des Jahrbuches für Alterthumskunde, bildet eine umfängliche Beschreibung des ehrwürdigen Domes zu Schwerin, dessen gründliche Restauration eben vollendet ist.
Für den nächstfolgenden Band auf das Jahr 1872, dessen Druck im bevorstehenden Herbste beginnt, ist das Material bereits vollständig ausgewählt, wenngleich in der jüngsten Zeit wenig neue Arbeiten eingeliefert worden sind.
Das erste Heft des durch den Krieg in seinem Fortgange etwas gestörten mittelniederdeutschen Wörterbuches von dem Oberlehrer Dr. Schiller in Schwerin und dem Dr. Lübben, Gymnasiallehrer in Oldenburg, Herausgeber des Reinecke Voß und mehrer anderer niederdeutscher Schriften, wird in der nächsten Zeit ausgegeben werden. Dasselbe erscheint als Probeheft mit der Einladung zur Subscription auf das ganze Werk, dessen Schicksal daher von der Aufnahme dieses Heftes abhängt. Bei der großen Liebe und dem unausgesetzten Fleiße, womit das Unternehmen durch seinen ersten Gründer, den uns näherstehenden Herrn Dr. Schiller, und nach dessen Zeugniß nicht minder von seinem nunmehrigen Mitarbeiter, seit einer Reihe von Jahren vorbereitet worden ist, und bei der auf diesem Gebiete bereits bewährten Tüchtigkeit beider Herausgeber darf man indeß nicht bezweifeln, daß das Urtheil der competenten Richter über diese Probe günstig ausfallen und damit die Verwirklichung des ganzen für die deutsche Sprachkunde hochwichtigen, ja nothwendigen Unternehmens gesichert sein werde. Das gedachte Heft, dem das Verzeichniß der 277 durchforschten Werke, worunter etwa 50 Handschriften und alte Drucke, vorangestellt ist, umfaßt auf 8 Bogen (außer dem den ersten Bogen füllenden Quellenverzeichnisse) den Buchstaben A. fast vollständig und läßt darnach den Umfang des ganzen Werkes ziemlich genau erkennen. Die einzelnen Artikel sind möglichst gedrängt gefaßt, geben aber neben der kurzen Entwickelung der Bedeutung und Abstammung überall die nöthigen Beläge aus den Quellen, welche mit großer Sorgfalt ausgewählt sind und zugleich einen reichen Schatz für die Sitten= und Culturgeschichte unseres Volksstammes enthalten. Wirkliche Vollständigkeit zu erreichen, ist zur Zeit unmöglich, aber man wird hier sicher äußerst selten ein Wort vermissen, das nach Ableitung und Bedeutung dem natürlich als bekannt vorausgesetzten hochdeutschen Sprachschatze gegenüber irgend eine Eigenthümlichkeit aufzuweisen hat und zugleich aus einer mittelniederdeutschen Handschrift zu belegen war. Ueber diese letztere,
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von den Herren Herausgebern für nothwendig erachteten und daher schon durch den Titel ausgesprochenen Beschränkung ließe sich vielleicht rechten. Jedenfalls aber ist hier eine völlig gesicherte Grundlage gegeben, an welche sich eine Sammlung der wenigen, nur in der heutigen, vielfach verdorbenen Volksmundart erhaltenen Wörter leicht durch einen Anhang anreihen lassen wird, wenn das Bedürfniß sich herausstellen sollte. Das Werk bedarf daher meiner Empfehlung nicht und bemerke ich nur noch, daß die rasche Fortsetzung desselben, sobald die Druckkosten gedeckt sein werden, vollständig gesichert ist, da die ganze Handschrift von A-Z. druckfertig vorliegt.
Die beabsichtigte und von unserem Vereine gleichfalls nach Kräften unterstützte Herausgabe einer meklenburgischen Sagensammlung, die im ganzen Lande große und erfolgreiche Teilnahme gefunden hat, ist durch die Berufung des Bearbeiters, Herrn Professors Dr. Bartsch, von Rostock nach Heidelberg leider auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Herr Professor Bartsch schreibt auf desfallsige Anfrage unseres ersten Secretairs, Herrn Geh. Archivraths Lisch, daß er die ihm anvertrauete handschriftliche Sammlung "als heiliges Vermächtniß aus Meklenburg" mitnehme und deren Herausgabe besorgen werde, sobald die neuen Verhältnisse dies gestatteten. Einen bestimmten Zeitpunkt könne er aber nicht festsetzen. Es wird sich daher empfehlen, daß alle diejenigen, welche etwa noch neue Beiträge zu liefern haben, diese einstweilen an den Vereins=Ausschuß zu Händen des Herrn Geh. Archivraths Lisch einsenden. Eine Probe der Sammlung ist inzwischen bereits in einem Artikel der Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde, Heft 3, unter dem Titel: "Die Kudrunsage" (von Bartsch und Schroer) veröffentlicht worden. Die Herren Verfasser weisen nämlich nach, daß meklenburgische, aus dem Munde des Volkes geschöpfte Sagen, dem genannten altdeutschen Sagenkreise angehören, der sich hiernach merkwürdiger Weise in unser entlegenes, ehemals slavisches und erst im 13. Jahrhundert der deutschen Cultur wiedergegebenes Land gerettet hätte und hier theilweise noch fortlebt.
Auch außerhalb des Vereins ist eben keine Abnahme des Interesses für die Geschichte unserer Heimath nachzuweisen, vielmehr könnte man glauben, daß auf diesem Felde unserer Literatur grade in dem letzten stürmischen Jahre eine ungewöhnliche Regsamkeit stattgefunden hätte, wenn man die Zahl und die Bedeutung der hierher gehörigen Erscheinungen erwägt. Aber freilich ist das nur die Ernte der in früheren
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Jahren gereiften Früchte! Vor allen habe ich hier zwei Werke hervorzuheben, theils ihrer inneren Bedeutung wegen, theils weil sie durch ihre Verfasser, die der Verein zu seinen Mitgliedern gezählt, doch insoweit auch dem letzteren angehören. Ich meine den ersten Band der Geschichte der Familie v. Blücher von dem Herrn Archivar Dr. Friedr. Wigger und eine Geschichte des Geschlechtes v. Kamptz von dem Herrn C. G. J. v. Kamptz in Schwerin.
Das erstgenannte Werk giebt uns auf 24 Bogen gr. Octav die Geschichte des alten, ausgebreiteten Geschlechtes der v. Blücher, dessen Name durch seinen größten Sohn, den Feldmarschall Fürsten Gebhard Lebrecht Blücher, der ganzen gebildeten Welt bekannt geworden ist, vom Anfange des 13. bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts. Darauf folgt ein 34 Bogen starkes Urkundenbuch mit 606 Urkunden dieses Zeitraumes, jedoch größtentheils nur in Regesten. Endlich sind dem Texte eine umfängliche Stammtafel und 6 lithographische Tafeln mit sehr sauberen Abbildungen von 29 Siegeln und 2 Leichensteinen der Familie beigegeben. Es ist natürlich nicht meine Aufgabe, diese überaus gründliche und in echt wissenschaftlichem Geiste durchgeführte Arbeit meines Herrn Collegen einer eingehenden Kritik zu unterwerfen, doch kann ich nicht unterlassen, zur allgemeinen Charakteristik derselben hinzuzufügen, daß der Verfasser sich überall bemühet hat, den einzelnen sorgfältig aufgeführten Biographien einen auf durchaus selbstständiger Forschung beruhenden historischen Hintergrund zu geben, so daß das Werk in einzelnen Parthien aus einer einfachen Familien=Geschichte fast zu einer Geschichte Meklenburgs geworden ist.
Das Werk des Herrn v. Kamptz ist nicht etwa eine bloße Ergänzung der ähnlichen älteren Arbeit seines Oheims, des bekannten meklenburgischen Canzleiraths zu Strelitz und spätern preußischen Geh. Raths und Ministers, in Meklenburg noch heute hochgeschätzten juristischen Schriftstellers Carl Chr. Albr. Heinr. v. Kamptz, sondern eine selbstständige Geschichte dieses alten meklenburgischen Adelsgeschlechtes, die auf vieljährigen und gründlichen archivalischen Studien beruhet. Der Herr Verfasser hat seine Aufgabe in einem 25 Bogen gr. 8. starken Bande bis auf die neueste Zeit fortgeführt und dem Texte ein noch 5 Bogen starkes Urkundenbuch mit 57 vollständigen, größtentheils bisher ungedruckten Documenten, sowie 11 Stammtafeln angehängt. Das Werk ist übrigens nicht eigentlich für die Oeffentlichkeit bestimmt und wird daher nicht in den Buchhandel kommen,
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sondern will nur als Familienbuch gelten, giebt aber gleichwohl nicht unwichtige Beiträge zur allgemeinen Landesgeschichte, z. B. S. 10-18 einen Abriß der älteren Geschichte des Landes Waren und seiner Adelsgeschlechter, zu welchen eben auch das der v. Kamptzen gehörte, und S. 193-229 die umfängliche, für die Geschichte seiner Zeit, der Mitte des 16. Jahrhunderts, sehr lehrreiche Biographie des Levin v. Kamptz.
Weiter ist hier eine Arbeit des Herrn Lehrers Fr. Wagner in Parchim zu nennen, deren Anfang unter dem Titel: "Parchim im siebenjährigen Kriege" in dem Archive für Landeskunde, Jahrg. 1870, S. 156-176 und S. 321-352, abgedruckt ist. Durch das bedauerliche Eingehen dieser bekanntlich unter der Redaction unseres Mitgliedes, Herrn Ministerial=Secretairs Dr. Wedemeier, stehenden, namentlich für das Studium unserer ständischen Verhandlungen künftig sehr werthvollen Zeitschrift, nach 20jährigem Erscheinen, ist aber leider auch der Druck dieser im Manuscript fertigen Abhandlung, zu welcher nicht nur das raths= und vorderstädtische Archiv zu Parchim, sondern auch das Großherzogliche Geh. und Haupt=Archiv sehr fleißig benutzt ist, nach dieser ersten, nur 6 Monate des Jahres 1758 umfassenden Probe unterbrochen worden. Wenn die Rücksicht auf den sehr beschränkten Absatzkreis solcher Specialgeschichten dem Wunsche des Verfassers, einen Verleger für die selbstständige Herausgabe der Abhandlung zu finden, hindernd im Wege stehen sollte, so mache ich darauf aufmerksam, daß dieselbe sich keineswegs ausschließlich mit der Stadt Parchim beschäftigt, sondern überhaupt den Druck schildert, unter welchem Meklenburg während dieses Krieges seufzte, und eigentlich nur an dem Beispiel jener Stadt im Detail erläutert.
Dieselbe Zeitschrift enthält in ihrem letzten Jahrgange S. 305-320 auch eine Abhandlung des Herrn Secretairs Fromm in Schwerin: "Die Streitigkeiten der Herzoge von Meklenburg Magnus II. und Balthasar mit der Stadt Rostock wegen der Gründung eines Dom=Collegiat=Stiftes daselbst, 1487-1491." Dieser chronistisch geordneten Erzählung liegen handschriftliche Nachrichten in dem Archive zu Rostock aus dem 16. Jahrhundert zum Grunde, die aber wieder nur Abschriften von älteren, wahrscheinlich also ziemlich gleichzeitigen Originalen sind und eine wesentliche Bereicherung unserer Literatur über die Geschichte jener in ihrem ganzen Verlaufe so höchst interessanten Streitigkeiten bilden. Die Freunde der meklenburgischen Ge=
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schichte sind daher dem Verfasser, gleichfalls Mitgliede des Vereins, für diese Mittheilung zum Danke verpflichtet.
Endlich darf ich eine im Auslande erschienene kleine Broschüre über eine Episode aus dem Kriege von 1866 nicht unerwähnt lassen, da sie sich speciell mit dem Antheile unseres Landesherrn und unserer Truppen an diesem Kampfe beschäftigt. Der Titel giebt den Inhalt genauer an: "Blätter aus dem Tagebuche des ersten Bürgermeisters der Stadt Nürnberg, Maximilian v. Wächter, die Occupation der Stadt Nürnberg durch das zweite K. preußische Reservecorps unter dem Commando Sr. K. H. des Großherzogs von Mecklenburg=Schwerin im Jahre 1866 betreffend. Nürnberg 1870." Der Bericht ist durchaus parteilos gehalten und liefert einen neuen Baustein zur Erhöhung des Ruhmes unseres Fürsten und der Ehre unserer Truppen.
In Betreff der hierher gehörigen Literatur des Jahres 1869, deren Besprechung in Folge meiner Abwesenheit zur Zeit der Generalversammlung von 1870 in dem betreffenden Berichte unterblieben ist, darf ich jetzt auf das Archiv für Landeskunde von 1870, S. 118 ff., verweisen.
Die auswärtigen Beziehungen unseres Vereins haben sich durch die Gründung zweier neuer Gesellschaften erweitert, die zwar zur Zeit nicht formell zu den mit uns zu Correspondenz und Schriftenaustausch verbündeten Gesellschaften und Instituten gehören, aber mit uns dasselbe Ziel verfolgen, so daß eine vielfache Berührung nicht ausbleiben kann. Es sind dies die durch die Bemühungen des Herrn Professors Virchow zu Berlin am 1. April 1870 zu Mainz gegründete deutsche anthropologische Gesellschaft und der Pfingsten d. J. zu Lübek zusammengetretene Verein für die Geschichte der Hansa. Wenngleich die erstgenannte Gesellschaft, welche sich die Erforschung der Anthropologie im weitesten Sinne des Wortes zur Aufgabe gestellt, uns auf den ersten Blick ziemlich ferne zu stehen scheint, so tritt derselbe doch dadurch, daß er die Urgeschichte des Menschen und die Ethnologie ausdrücklich und vorzugsweise zu dem Kreise seiner Forschungen rechnet, auf rein historisches Gebiet und zwar in einer Richtung, die auch unser Verein von Anfang an, wenngleich zunächst mit der Beschränkung auf unsere Heimath, mit besonderer Liebe, und ich darf wohl sagen, mit besonderem Glücke verfolgt hat, so daß sich unser Gesichtskreis ungesucht und, durch die Verhältnisse gezwungen, sehr bald und in verschiedenen Zeiten weit über unsere Grenzen
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erweitert hat. Es war daher kaum zu vermeiden, daß sich bald nähere Beziehungen beider Vereine bilden mußten, und das ist denn auch in der That sofort nach der Gründung der neuen Gesellschaft durch die Wahl Schwerins zum Orte der ersten Generalversammlung im Herbste 1870 und zwar mit ausdrücklichem Bezug auf die Sammlungen unseres Vereines geschehen. Zwar hat der unerwartete Ausbruch des Krieges den wirklichen Zusammentritt dieser Versammlung verhindert, aber sie ward nur vertagt und ist nun für dies Jahr auf den 22. bis 24. September abermals nach Schwerin berufen. Organ der Gesellschaft ist das unter der Redaction des Herrn Prof. Semper zu Würzburg in Braunschweig erscheinende "Correspondenzblatt", wovon zur Zeit 4 Nummern vorliegen, durch deren Inhalt sich diese Zeitschrift sofort zugleich als wirkliches Centralblatt für die alterthumsforschenden deutschen Specialvereine legitimirt.
Der Verein für die Geschichte der Hansa, welcher sich in der Versammlung vom 30. und 31. Mai d. J. fest constituirt hat, macht uns seiner Aufgabe nach natürlich direct Concurrenz, d. h. wir gehen eine gute Strecke desselben Weges mit ihm, hoffentlich stets in guter nachbarlicher Freundschaft und mit gegenseitiger Unterstützung, so daß wir nicht anstehen dürfen, den jüngeren Concurrenten als einen neuen Mitarbeiter von Herzen willkommen zu heißen.
Der Gesammtverein der deutschen Geschichte und Alterthumsvereine, dessen Generalversammlung im vorigen Jahre gleichfalls durch den Krieg gestört ward, hat dieselbe für dies Jahr auf den 18. bis 22. September nach Naumburg a. S. ausgeschrieben, also an den der Versammlung des anthropologischen Vereines unmittelbar vorhergehenden Tagen, d. h. leider einige, oder vielleicht nur einen Tag zu spät, um den dort versammelten Geschichtsforschern auch die Theilnahme an der Schweriner Versammlung möglich zu machen. Gewiß ist sehr zu wünschen, daß beide Vereine künftig ihre Versammlungen womöglich an demselben Orte nacheinander abhielten, ja vielleicht möchte selbst die Vereinigung der beiderseitigen literarischen Organe ausführbar sein, etwa in der Art, daß das anthropologische Correspondenzblatt in einer besonderen Abtheilung unter Redaction eines Historikers die rein historischen Artikel aufnähme. Es ist das indessen vorläufig nur ein zur Prüfung hingeworfener flüchtiger Gedanke, der durch den Vergleich des Inhalts beider Zeitschriften hervorgerufen ward.
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Die neuen Erwerbungen für die verschiedenen Sammlungen des Vereins, deren ungewöhnliche Geringfügigkeit ich schon in den ersten drei Berichten dieses Jahres zu beklagen hatte, waren in dem letzten Quartale noch unbedeutender und blieben gerade für die wichtigste, die Alterthumssammlung, fast ganz aus, wie aus den unter
anliegenden Verzeichnissen hervorgeht. Der Gewinn des ganzen Jahres beträgt daher für die Alterthumssammlung aus der Steinzeit - abgesehen natürlich von dem für die Großherzogliche Sammlung gemachten, nicht unwichtigen Ankauf aus dem v. Rantzau'schen Nachlasse - nicht mehr als 10 Stück, aus der Bronzezeit 23 St., worunter jedoch ein eigenthümlicher Goldring und mehre seltene Bronzesachen, aus der Eisenzeit nur 3 Spindelsteine, an heidnischen Alterthümern fremder Völker 5 im Auslande - Italien und Aegypten - gefundene Stücke, und endlich aus dem christlichen Mittelalter 19 Stück. Die Münzsammlung vermehrte sich um 11 Nummern, worunter 2 römische und 1 arabische Münze, in Meklenburg gefunden. Die Bildersammlung erwarb 1 Portrait, 3 Ansichten, 2 Zeichnungen von Alterthümern und 3 Karten. Selbst die Erwerbungen der Büchersammlung, die sonst immer so ziemlich constant zu sein pflegen, betrugen diesmal nur 115 Bände, worunter 18 Meclenburgica. Zur Urkundensammlung gingen 2 Stück ein, wogegen die Siegelsammlung und die Naturaliensammlung ganz leer ausgingen. - Auch an Besuch der Sammlungen durch fremde Gelehrte fehlte es in diesem Jahre fast ganz. Alle diese Erscheinungen sind offenbar, wenigstens zum größten Theile, Folgen des Krieges, dessen sichtbare Spuren wir schon mehrmals angetroffen haben.
Die Cassenverhältnisse des Vereins ergeben sich aus dem Berichte des Herrn Berechners in der Anlage
welcher im Vergleiche mit dem vorigjährigen im Ganzen günstig für den Stand der Casse lautet. Die ordentliche Einnahme, nach Abzug des Cassenvorraths und der eingezogenen Capitalien, ist in beiden Jahren fast gleich geblieben: 636 Thlr. 38 1/2 ßl. pro 1870 gegen 632 Thlr. 36 1/2 ßl. pro 1871, wogegen die Ausgabe für die laufenden Bedürfnisse (von den belegten Capitalien abgesehen) dies Jahr nur 453 Thlr. 22 ßl. gegen 832 Thlr. 9 1/2 ßl., also
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398 Thlr. 35 1/2 ßl. weniger betrug. Der Grund dieser Differenz liegt wesentlich in den außerordentlichen Druckkosten des vorigen Jahres, zu deren Deckung ein bei der Reluitionscasse stehendes Capital von 400 Thlrn. eingezogen werden mußte, wovon jedoch einstweilen 103 Thlr. 6 1/2 ßl. bei der Sparcasse wieder belegt werden konnten, in Folge dessen der Cassenvorrath beim Abschluß der Rechnung 294 Thlr. 21 1/2 ßl. betrug, gegenwärtig aber auf 468 Thlr. 39 1/4 ßl. gewachsen ist. Das Vermögen des Vereins beträgt daher nunmehr incl. des Cassenvorraths 2165 Thlr. 39 1/4 ßl., gegen 1984 Thlr. 24 3/4 ßl., also 181 Thlr. 14 1/2 ßl. mehr als 1870.
Was endlich die Matrikel des Vereins, d.h. die Personalverhältnisse betrifft, so habe ich zuvörderst zu melden, daß auf der letzten Generalversammlung am 11. d. M. die sämmtlichen Beamten und Repräsentanten wiedergewählt worden sind, so daß der Ausschuß des Vereins auch für das nächste Jahr aus folgenden Herren besteht:
Präsident: Ministerpräsident Graf v. Bassewitz, Excellenz,
Vicepräsident: Staatsrath Dr. Wetzell,
Erster Secretair: Geh. Archivrath Dr. Lisch,
Zweiter Secretair: Archivrath Dr. Beyer,
Berechner: Ministerial=Secretair Dr. Wedemeier,
Bibliothekar: Oberlehrer Dr. Schiller,
Repräsentanten:
Prorector Reitz,
Archivar Dr. Wigger,
Justizrath v. Prollius,
Revisionsrath Balck.
Ebenso sind auch
der Herr Archivrath Pastor Masch zu Demern, als Aufseher der Münzsammlung, und
Herr Architekt Stern hieselbst, als Aufseher der Bildersammlung,
auf ihren Plätzen geblieben.
Rücksichtlich der ordentlichen Mitglieder hat der Verein zwar nach beiden Seiten hin durch Abgang und Beitritt sehr bedeutende Veränderungen erlitten, die sich aber der Zahl nach gerade ausgleichen, so daß der Verein, welcher nach Ausweis der letzten gedruckten Liste am 11. Juli 1870 265 Mitglieder zählte gegenwärtig wiederum eben so stark ist. Wir haben nämlich 12 meistens alte, vieljährige Freunde durch den Tod verloren, nämlich die Herren Friedr. v. Blücher auf Quitzenow, Hauptmann v. Haeften auf
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Erpath bei Xanthen, General=Auditeur Driver in Schwerin, Kammer=Präsident v. Grävenitz in Neustrelitz, Hauptmann Heino v. Rantzau in Rostock, Dr. med. Siemssen in Rostock, Major v. Graevenitz auf Waschow, Kirchenrath Fromm zu Parkentin, Bürgermeister Hofrath Engel in Röbel, Amtshauptmann Krüger in Schwerin und Peter Manecke auf Duggenkoppel, deren Tod schon in den ersten Quartalberichten d. J. gemeldet worden ist. Zu ihnen kam dann in dem jüngsten Quartale noch der hochbejahrte Kirchenrath Karsten, Pastor und Präpositus zu Vilz, hinzu. Der Verstorbene hatte als 21 jähriger Jüngling den Feldzug von 1813 in dem Lützowischen Freicorps mitgemacht 1 ) und erwarb sich nach wiedergewonnenen Frieden nicht bloß durch die treue Verwaltung seines Pfarramtes, sondern auch durch seine Wirksamkeit als vieljähriger Hauptsecretair des Patriotischen Vereins und als Herausgeber der landwirthschaftlichen Annalen, des Organs der genannten Gesellschaft, allgemein anerkannte Verdienste. Unserm Vereine trat er bereits am 13. September 1835, gleich nach dessen Stiftung, bei. Er starb am 13. September 1871, fast 79 Jahre alt. - Außerdem haben noch 3 Mitglieder, die Herren Amtmann v. Flotow zu Wittenburg, Baron v. Meerheimb auf Wokrent und der gleich darauf verstorbene Oberappellationsgerichtsrath Schmidt zu Rostock gekündigt.
Wir haben also im Ganzen den Verlust von 15 ordentlichen Mitgliedern zu beklagen, wogegen uns gerade eben so viel Herren durch ihren Beitritt erfreueten, namentlich die Herren Ministerialrath Schmidt, Oberzollrath Boccius, Baurath Wachenhusen, Auditeur Sohm und Amtsverwalter Kundt, in Schwerin, Dr. Hostmann in Celle, Gymnasial=Director Dr. Raspe in Güstrow, Cassier Wiechel in Schwerin, Bürgermeister Dahse in Güstrow, Candidat Rönnberg zu Beckentin bei Grabow, Lieutenant Rettich und Lieutenant v. Flotow=Woldzegarten z. Z. in Schwerin, Amtsverwalter v. Bülow in Doberan, sowie in dem letzten Quartale die Herren Senator Altvater in Güstrow und Advocat W. Krull daselbst.
In Betreff der hohen Protectoren und Beförderer des Vereins, sowie der Ehren= und correspondirenden
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Mitglieder habe ich überall keine Veränderungen zu melden, und in Betreff der mit uns zu gemeinsamem Streben verbündeten Gesellschaften nur den Beitritt des 1867 gestifteten Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Hohenzollern zu Sigmaringen.
Am Schlusse dieses Abschnittes meines Berichtes kann ich mir nicht versagen, noch ein Novum mitzutheilen, das zwar nicht den Verein selbst, aber dessen Gründer und Leiter, und Hauptrepräsentanten im Auslande, betrifft: die Verleihung des Königlich preußischen Kronen=Ordens 2. Klasse durch Se. Majestät den Deutschen Kaiser und König von Preußen, des allerhöchsten Beförderers unseres Vereines, an dessen ersten Secretair, Geh. Archivrath und Conservator Dr. Lisch.
Auch mir, dem unterzeichneten zweiten Secretair, ist eine Ueberraschung anderer Art zu Theil geworden, worüber mir, als Annalisten des Vereins, in Kürze zu berichten die Pflicht obliegt. Am Schlusse der letzten, stärker als leider seit langer Zeit besuchten Generalversammlung brachte mir mein Freund und College, Herr Geh. Archivrath Lisch, Namens der Versammlung deren Glückwunsch zu der 25 jährigen Verwaltung meines Amtes als Archivsecretair und zugleich des Secretariats des Vereins in warmen Worten dar und überreichte mir zugleich eine von ihm verfaßte, höchst interessante historisch=numismatische Abhandlung mit dem Widmungs=Titel: "Seinen 25 jährigen Secretair, den um die vaterländische Geschichtsforschung hochverdienten Mann und Vaterlandsfreund, Herrn Dr. W. G. Beyer, Großherzoglich Meklenburgischen Archivrath, begrüßt mit Dank und Verehrung in der Generalversammlung am 11. Julii 1871 der Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde." Die Abhandlung selbst, welche demnächst in dem diesjährigen Bande der Jahrbücher veröffentlicht ward, handelt in unmittelbarem Anschlusse an meine erste, vor 25 Jahren unter dem Titel: "Urkundliche Geschichte des Fürsten Pribislav I. von Parchim" in eben diesen Jahrbüchern gedruckte historische Arbeit, "über eine Münze des Edlen Herrn Richard v. Frisack", Pribislav's Schwager. Es ist ein Bedürfniß der hochverehrten Versammlung, meinen sofort mündlich ausgesprochenen tiefgefühlten Dank für diese mir völlig unerwartet bewiesene, mich hochehrende Theilnahme, sowie meine herzliche Freude über die Versicherung meines Freundes und Collegen, daß auch er auf unser stets ungetrübtes Zusammenwirken während eines Vierteljahrhunderts einigen Werth legt und mit Ver=
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gnügen zurückblickt, hier nochmals öffentlich zu wiederholen. Es soll an mir nicht fehlen, nach Kräften dahin zu streben, daß dies Verhältniß auch fernerhin fortdauere, so lange es Gott gefällt!
W. G. Beyer
, Dr., Archivrath,
als zweiter Secretair des Vereins.
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Beilage Lit. A.
Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die
Alterthumssammlung.
(Von Ostern bis
Johannis 1871.)
1) Aus der heidnischen Zeit.
2 Spindelsteine aus der Eisenzeit, gefunden in der Lewitz, geschenkt von dem Herrn Kammer=Ingenieur Alban in Schwerin.
Ein bronzener Drathgürtel aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, gefunden auf einem später zum Kirchhofe geweiheten Ackerstücke zu Diedrichshagen bei Grevesmühlen, 4 Fuß tief unter einem Stein im Acker neben etwas Eisenwerk und Pferdeknochen, geschenkt von dem Herrn Pastor Schliemann daselbst.
Eine Lanzenspitze aus Eisen, gefunden zu Schwerin in der Apothekerstraße unter ausgegrabenem Bauschutte, geschenkt von dem Schüler Fritz Wigger daselbst.
Eine mittelalterliche Gußform aus Sandstein zu unbekanntem Gebrauch, geschenkt von dem Herrn Portraitmaler Th. Fischer in Schwerin.
Außerdem schenkte der Artillerist Herr Stuhr aus Schwerin eine auf dem letzten Feldzuge nach Frankreich in einem Keller von Paris gefundene alte zweizinkige Gabel mit Messingbeschlag und der Jahreszahl 1799.
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Beilage Lit. B.
Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die
Münzsammlung.
(Von Ostern bis Johannis 1871.)
1 alter Groschen der Stadt Lübek o. J., gefunden auf dem Kirchhofe zu Sülten, geschenkt von dem Herrn Pastor Groth zu Kittendorf.
4 französische Medaillen, nämlich:
eine Kupfer=Medaille auf das Marsfeldfest zu Paris, 14. Mai 1848;
eine Kupfer=Medaille auf das Eintrachtsfest zu Paris, 21. Mai 1848;
eine Blei=Medaille auf den Sieg Cavaignac's über die Pariser Insurrection, 26. Junii 1848, aus dem Kugelblei der Insurgenten, und
eine Bronz=Medaille auf die Erwählung Napoleons zum Präsidenten der Republik 1848;
von dem Herrn Premier=Lieutenant v. Santen aus Frankreich mitgebracht und dem Vereine geschenkt.
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Beilage Lit. C.
Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die
Bildersammlung.
(Von Ostern bis
Johannis 1871)
Abbildung des Brandes der Stadt Grabow, 3. Junii 1725. Kupferstich mit der Inschrift:
Geschenk des Herrn Dr. Crull in Wismar.
Außenansicht des Klosters Rühn mit dem ganzen Personal des dortigen Verwundeten=Lazareths des Herrn v. Plessen daselbst. Photographie von Riesebeck 1871, Geschenk des Herrn Dr. med. Hüen zu Rostock.
Ansicht der Stadtwage zu Rostock am Schilde. Photographie von Dethlof 1870, Geschenk des Herrn Dr. med. Hüen daselbst. Vgl. Anl. E.
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Beilage Lit. D.
Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die
Büchersammlung.
(Von Ostern bis
Johannis 1871.)
I. Russische Ostsee=Provinzen.
II. Belgien.
III. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.
IV. Oesterreich.
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V. Bayern.
VI. Württemberg.
VII. Baden.
VIII. Sachsen.
IX. Hannover.
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X. Nassau.
XI. Preußen. Sachsen. Rheinland.
XII. Lübek.
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XIII. Meklenburg.
K. Schiller, Dr., Oberlehrer,
als Bibliothekar des Vereins.
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Beilage Lit. E.
Verzeichniß
der neuen Erwerbungen für die
Urkundensammlung.
(Von Ostern bis
Johannis 1871.)
Die Rostocker Stadt=Wäger=Taxe vom 15. Julii 1777. Auf Pergament gedruckt. Aus der im Jahre 1870 abgebrochenen Stadtwaage am Schilde zu Rostock. Geschenk des Herrn Dr. med. Hüen daselbst 1 ).
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Beilage Lit. F.
Auszug
aus der Berechnung der Vereins=Casse
vom 1. Julii
1870 bis zum 30. Junii 1871.
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Schwerin, den 30. Junii 1871.
F. Wedemeier, Dr., Ministerial=Secretair,
z. Z. Cassen=Berechner.