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IV.

Wahrscheinliche Lage

des von Karl dem Großen genannten

Handelsort Schezla,

von

W. Freiherrn von Hammerstein,
großherzogl. Meklenb. Strelitzschem Staatsminister.


D er Herr Archivar Dr. Wigger spricht in seinem Aufsatze über den Bischof Berno von Schwerin, in den Jahrbüchern XXVIII, S. 28, Note 1, die Vermuthung aus, daß der in dem Capitular des Kaisers Karl bei Pertz Legg. I, 133, erwähnte Handelsort Schezla, in welchem der Franke Madalgaudus den Handel der Sachsen mit den Wenden beausfichtigen sollte, an dem Cateminer Bach zwischen Dalenburg und Hitzacker, also Neuhaus gegenüber, gelegen haben könne, da es in Grimms Weisthümern III, 229 heißt: "van dem beke by Chatemyn genamet de Schetzell". Es scheint, daß der Dr. Wigger damit einen sehr interessanten Fund gemacht hat, der sich in aller Weise als wohlbegründet bestätigt.

Zuvörderst ist der Handelsort Schezia zwischen Bardowiek und Magdeburg zu suchen, zwischen denen, als gleichen Handelsorten, es genannt wird. ("De negotiatoribus, qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt, quousque procedere cum suis negotiis debeant, id est partibus Saxoniae usque ad Bardaenowic, ubi praevideat Hredi, et ad Schezla, ubi Madalgaudus praevideat, et ad Magadoburg praevi-

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deat Aito. - Et ut arma et brunias non ducant ad venundandum 1 ). Quod si inventi fuerint portantes, ut omnis substantia eorum auteratur ab eis, dimidia quidem pars partibus palatii, alia vero dimidietas inter missum et inventorem dividatur.") Der Cateminer Bach, "de Schetzell", liegt aber zwischen Bardowiek und Magdeburg.

Die drei Handelsorte waren jedenfalls Grenzorte zwischen den Sachsen und den Wenden; die Stelle des Cateminer Baches, und namentlich wo derselbe in der Nähe von Catemin in die Elbe ausfließt, ist aber auch ein Grenzpunkt zwischen dem Sachsen= und dem Wendenlande, dem Bardengau einerseits und den Wendischen Landen Drawen und Dartzink; der Bach hieß eben Sächsischerseits "de Schetzell", was aus Schêdesdâl comprimirt ist (fast sämmtliche Bäche jener Gegend endigen in - dâl), weil er ein Bach war, der die Grenze, schêde, bezeichnete. (Siehe des Verf. Bardengau S. 43.)

Was aber die Mündung des Cateminer Baches mit größter Wahrscheinlichkeit als den Karolingischen Handelsort erscheinen läßt, das sind zwei Umstände.

Zunächst war diese Stelle aus der ältesten Zeit her ein Hauptübergang über die Elbe in der ganzen Strecke, in welcher der Bardengau die Elbe berührt, neben Hoopte, Amts Winsen, und neben Artlenburg der einzige, wo eine Wagenfähre zur Vermittelung des Verkehrs der beiderseitigen Völkerschaften selbst bis auf die neueste Zeit her bestand. Diese Fähre, noch jetzt die "Darchauer Fähre" genannt, lag in einer der großen Heerstraßen, welche von Bardowiek und Lüneburg aus durch das ganze Mittelalter hindurch die Waaren Hamburgs nach dem Süden und Osten Deutschlands führten. Unter diesen sind namentlich genannt: "die Torgauer Heerstrasse von Lüneburg bis an den Barskamper Wald an den Beck", und "Torgau" war der der Mündung des Baches Schetzell gegenüber liegende Ort Darchau, welcher auch Gründe am linken Elbufer neben dem Schetzell=Bache hatte, wo jetzt der Ort Neu=Darchau liegt.


1) Das Verbot des Kaisers Karl, Waffen und Panzer ("arma et brunias") zu verfahren, scheint noch bis in die spätesten Zeiten in den Weisthümern der benachbarten Gohen des Bardengaues wieder zu erscheinen, wo noch im 16. Jahrhundert verboten wird, Blei und Stahl auf den Heerstraßen zu führen, und die Buße dafür von dem Hause Winsen, d. h. für den Herzog, gehoben wird. (Siehe des Verf. Bardengau, S. 269 und 284.)
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Frequente Fähren waren bekanntlich im frühesten Mittelalter naturgemäß die gegebenen Entwickelungspunkte für den Handel, und namentlich dann, wenn sie den Uebergang zwischen geschiedenen Völkerschaften bildeten. Wie mancher Handelsort ist durch eine Fähre entstanden! An der Elbe scheint die Stadt Dömitz mit ihrer Fähre, welche früher bei dem ganz nahen Orte Brod, das auf Wendisch: Fähre, Furth heißt, bestanden haben muß, dafür das Zeugniß zu liefern; in Pommern gab es zwei Broda, beide mit Fähre und Forum (Marktgerechtigkeit) versehen.

Im vorliegenden Falle tritt aber, daß die Darchauer Fähre, die Fähre beim Schetzell wirklich den Handelspunkt zwischen Sachsen und Wenden bildete, um so klarer ins Licht, als der Name des Ortes Darchau, im Mittelalter Torgow, Zeigt, daß dieser Ort wirklich ein Marktort war. Das Wendische Wort Torh ist bekanntlich: Handel, Torhosciko, Torgow, Targow: Markt, Marktplatz. So werden die Wenden den Handelspunkt hier Torgow genannt haben; die Sachsen und Franken nannten ihn nach dem Punkt, wo am Sächsisch=Bardischen Ufer die Fähre lag, nach "de Schetzell".

Es scheint, daß damit das Karolingische Schezla gefunden ist, und man braucht es jetzt nicht mehr nach den gewiß nicht in limite Saxonico liegenden Orten Schleswig, Scheessel bei Rotenburg und Celle zu verweisen.

Damit ist aber auch für Auffindung der Marktplätze der Wendenzeit ein Fingerzeig gegeben; das spätere Kloster Dargun, in ältester Form Dargon, zeigt sich nun als Marktplatz, und die spätere Bedeutung in der ersten christlichen Zeit ist damit nicht mehr auffallend, auch, da niemals forum ohne fanum, vielmehr das forum regelmäßig erst aus dem fanum hervorging, nun das Entstehen des Klosters aus einem Wendischen Heiligthum, welches Lisch schon fast sicher nachgewiesen hat, noch immer gewisser. Aber man darf auch annehmen, daß Torgelow bei Waren und die Schlösser Torgelow in der Mittelmark und Ukermark gleichen Ursprung hatten.

Neueste Nachgrabungen in der Nähe von Darchau haben ergeben, daß die Elbdünen in der Umgegend des Ortes vielfach mit Urnen besetzt sind, vielleicht auch Ueberbleibsel der einstigen Handelsbedeutung des Ortes. Ob der Name des nächst Darchau belegenen Ortes Haar auch Beziehung zum Marktort hat, bleibt dahin gestellt; das Wendische Hari heißt: Lärm, Getöse, ausgelassene Freude; zu beachten ist aber auch, daß Harowit (siehe Hanusch, die Wissenschaft des

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Slavischen Mythus, S. 171 u. folg.) bei den Wenden der Friedens= und Kriegsgott war, dessen fanum an einem solchen Grenzorte eine ganz geeignete Stelle fand, wie denn derselbe Gott bekanntlich in dem nicht gar fernen Havelberg verehrt wurde. Ob sonstige Spuren bei Darchau und am linken Elbufer gegenüber noch vorhanden sind, ist noch zu untersuchen.

Nachtrag.

Bischof Boguphal (siehe v. Ledebur in Mark. Forschungen Bd. 2, S. 121) nennt unter den castris der Drewanischen Wenden, zu denen bekanntlich auch die Lüneburgischen gehören, wo der Drawehn bis an den Cateminer Bach noch jetzt reicht:

"Blesink castrum ducale et civitas Czesznyma." Ledebur weiset auf Kloster Zeven und auf Blexen hin. Viel richtiger scheint für Czesznyma: Schezla bei Catemin, ja es kann gar das Wort Czesznyma sich in Catemin umgewandelt haben (im Mittelalter freilich hieß es Gotemyn); jedenfalls lag Schezla an vollem Wendlande und in gemischtem Wendlande, wie die Namen und die Einwohner der Umgegend beweisen, und es trifft auch zu, das Czesznyma als civitas im Gegensatz zu castrum bezeichnet wird, indem das Schezla nur Handelsort, niemals Burg gewesen sein wird. Blesink dagegen ist wahrscheinlich Blekede an der Elbe nicht fern von Schezla; Blexen an der Unterweser, auf welches Ledebur hindeutet, war, so viel ich weiß, nie castrum ducale, und lag fern von wendischer Gegend, wie denn auch Breme nur wegen der Verbindung Hamburgs mit Bremen durch das Erzbisthum den Bischof als zu Hamburg gehörig und mit ihm in gleichem Verhältniß stehend vorgekommen und damit als Wendisch irrthümlich bezeichnet sein wird. Blekede dagegen war schon früh castrum ducale und erschien gerade im Anfange des 13. Jahrhunderts, wo Boguphal schrieb, als solches. Herzog Wilhelm, Heinrichs des Löwen Sohn, gab ihm im Jahre 1209 Stadtrecht, und 1224 lagerten in castris apud Blekede der Kaiser mit den Fürsten, um die Sache wegen Gefangennehmung des Königs Waldemar zu vermitteln; dieser Vorgang konnte wohl Boguphal veranlassen, den wichtigen Ort zu nennen. Auch Blekede theilte sich in ein Wendisch=Blekede und ein Deutsch=Blekede, und die nächste Umgegend hatte Wendische Orte, als Radegast, Garze u. s. w.

 

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