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2) Münzen des christlichen Mittelalters.

Münze des Herrn Richard v. Friesack,

von

Dr. G. C. F. Lisch .

In der von dem verstorbenen Herrn K. E. Schellhaß in Bremen hinterlassenen, zur Versteigerung bestimmten großen Münzsammlung, befindet sich die hieneben abgebildete Münze, reiche wohl nur in diesem Einen Exemplare bekannt und auch für Meklenburg von einiger Wichtigkeit ist.

Münze

Die Münze war als numismatisches Räthsel schon in Leitzmanns Numism. Zeitung, 1850, Taf. II, 15 abgebildet, ohne bisher eine Erklärung finden zu können. In dem von den Herren Dr. J. und A. Erbstein zu Dresden verfaßten Katalog der Schellhaßschen Münzsammlung, 1870, ist diese Münze unter No. 1525, S. 117, aufgeführt und zu demselben wieder abgebildet, wornach die oben stehende Abbildung hier wiedergegeben ist.

Münze

Die Herren Erbstein erklären nun die als Vorderseite angenommene Seite der Münze für den Münzstempel des Edlen Herrn Richard v. Frisack, indem sie die Umschrift:

Umschrift

durch

Umschrift

erklären und ergänzen. Diese Erklärung ist außerordentlich gelehrt, scharfsinnig und glücklich, und gewiß richtig.

1) Die Herren Erbstein sagen zu dieser Münze nun folgendes: "Gegenwärtige, übrigens nur in diesem einzigen Exemplare bekannte Münze wurde bereits im Jahre 1850 durch die Num. Zeitung auf Taf. II, 15 den Münzforschern zur Entzifferung vorgelegt, ohne daß bisher ein Versuch zur Deutung dieses höchst interessanten Stückes erfolgt wäre. Fabrikverwandtschaft hat dieser Denar nur mit einiger

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Brandenburgern, und zwar denjenigen, die das im Schilde vereinigte brandenburg=böhmische Wappen auf der einen und den reitenden Markgrafen auf der andern Seite zeigen (Köhne Zeitschr. IV, S. 50. Reichel 168. Weidhas VI, 2) und die der Siegel wegen dem Markgrafen Albrecht III. († 1294) zugetheilt werden, sowie mit den von letzteren nicht zu trennenden Denaren, die zwei stehende Figuren und den Adlerschild vor und zwischen Thürmen enthalten (Reichel 118. Weidh. III, 9, unter Johann I. und Otto III.). Bekanntlich weichen diese ziemlich breiten und etwas dünnen Pfennige merklich von den übrigen Brandenburgern ab. - Bezüglich der von uns vorgenommenen Ergänzung des sichtbaren "H A RDVS" in RIChardus ist zu bemerken, daß vor dem H nur für drei Buchstaben Platz, und vom ersten derselben, also vom R, ein I noch sichtbar ist."

"Das Land Friesack, deren erste Besitzer, die edlen Herren v. Friesack, noch von den alten wendischen Häuptlingen abzustammen scheinen, liegt in der Mittelmark, östlich vom Lande Rhinow und nördlich vom Lande Pritzerbe."

"Ein Richardus de Vrisach erscheint urkundlich 1256, 1259 und 1261 (er war der Schwiegervater des Fürsten Pribislav von Parchim); sein gleichnamiger Enkel kommt 1287 und 1290 neben seinem Vater Heinrich vor. Mit letzerem hören die Nachrichten über diese Familie auf. Es scheint dieselbe am Ende des 13. Jahrhunderts ausgestorben zu sein, denn Markgraf Waldemar besaß darauf Friesack als heimgefallenes Lehen. Späterhin kam dasselbe an die Grafen v. Lindow und an die Familie v. Bredow. (Vgl. Riedel Codex dipl. Brand. A. VII, 41 flgd.). Riedel sagt a. a. O. S. 46: "Auffallend kann von einem im Ganzen so bedeutenden Besitze und von einem so alten Orte, wie Friesack ist, der große Mangel an schriftlichen und an allen andern Ueberresten der Vorzeit erscheinen". Im vorstehenden Denare dürfte das wichtigste Denkmal, was sich von der edlen Familie v. Friesack erhalten hat, von uns aufgefunden sein."

Die Herren Erbstein haben sicher das Richtige getroffen. Der Herr Richard v. Friesack erscheint 1256-1261, offenbar in landesherrlicher Eigenschaft, wahrscheinlich aus einem wendischen Dynasten=Geschlechte stammend. Er war der Schwiegervater ("socer") des ihm nahe wohnenden Meklenburgischen Fürsten Pribislav I. von Parchim oder Richenerg, des jüngsten der vier Meklenburgischen Fürstenbrüder,

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welche das Land theilten, und stand mit diesem in den engsten Beziehungen. Man vgl. auch Riedel Cod. dipl. Brand. A, VII, pag. 41, Abhandlung XI; Beyer in Jahrbüchern XI, S. 52; Meklenburg. Urkunden=Buch II, No. 765, und III, No. 1819. Daß aber die Münze nicht allein nach der Umschrift richtig bestimmt ist, beweiset jetzt auch das Wappen, das sogenannte "Seeblatt". Der Herr Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg hat vor einigen Jahren im Archive des Domstiftes zu Brandenburg das Siegel des Herrn Richard v. Friesack entdeckt, welches zuerst im Meklenburg. Urkunden=Buche Bd. II, 1864, zu No. 765, und jetzt wieder hieneben abgebildet ist. Dieses Siegel ist quer getheilt und hat im untern Theile 3 "Seeblätter", im obern Theile den Meklenburgischen gekrönten Stierkopf. Das "Seeblatt" ist also das Wappen der Herren v. Friesack. Der Stierkopf deutet "ohne Zweifel auf irgend eine engere, bis jetzt noch unbekannte (politische) Verbindung mit dem Meklenburgischen Fürstenhause hin".

Wappen

Von geschichtlicher Wichtigkeit ist es, daß dieses Siegel die Umschrift führt: Inschriftskreuz SI S ILLVM RICH A RDI. D. I e RICHOW e , während in der Urkunde selbst der Herr Richard sich "Richardus de Vrisach" nennt. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß Richard v. Friesack aus dem Geschlechte der Herren v. Jerichow in der Altmark stammt, demselben Jerichow, von dessen uralter Cultur der prachtvolle Dom zeugt. (Vgl. Meklenb. Urkunden=Buch zu II, No. 765.)

Die sogenannte Vorderseite unserer Münze ist also nach Umschrift und Wappen ohne Zweifel eine Münze des Edlen Herrn Richard v. Friesack um 1250-1260.

2) Dunkler ist bis jetzt die als Rückseite angenommene Seite der Münze.

Münze

Diese Seite hat als Wappen klar eine heraldische Lilie und zur Umschrift den Namen:

IOH A NNCS D e PLOVC

Ueber diese Seite sind die Herren Erbstein

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noch im Unklaren. Sie schreiben: "In welchem Verhältnisse zu unserem Richardus de Vrisach der auf der Münze sich mitnennende Johannes de Plove (Plaue an der Havel) - denn so ist das PLOVC, in Berücksichtigung des C statt e in "Johannes", zu lesen - stand, weshalb er mit auf der Münze erscheint, ob selbige nur eine Gemeinschaftsmünze ist, das sind Fragen, die vorläufig wenigstens nicht zu beantworten sein dürften. In Urkunden erscheint ein Johannes de Plove zwischen 1248 und 1281, dann begegnen wir dem Namen wieder 1303-1321."

Es möchte sich aber durch Hülfe der Genealogie, Sphragistik und Geographie auch dtese Seite der Münze wohl feststellen lassen.

Wappenbild

Das Wappenbild dieser Seite ist ganz klar eine heraldische Lilie. Diese Lilie war aber das Wappen der Edlen Herren v. Plote, jetzt Freiherren v. Plotho (vgl. Lisch in Jahrb. XXIII, S. 42). Dieses Wappen führt auch der eben berührte jüngere Herr Johannes von Plote auf seinem Siegel an einer Urkunde vom 28. Mai 1314 im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin, welches im Meklenb. Urkunden=Buche VI, zu Nr. 3691, und hieneben wieder abgebildet ist. Diese Herren waren Stifter und Herren der Städte Kiritz u. Wusterhausen,

welche mit Friesack grenzen. Beide Städte führen noch heute die Plotesche Lilie im Siegel (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A, IV, pag. 385). Diese Herren von Plote standen in großem Ansehen, da sie z. B. im Jahre 1232 einen Vogt und 6 Burgmänner in Wusterhausen hatten. Ihr Besitz wird sich weit, ja bis nach Meklenburg, vielleicht selbst bis nach Meklenburg hinein, erstreckt haben, da sie z. B. in der Zeit 1232-1238 den Klöstern Arendsee und Dünamünde große Schenkungen in den jetzigen Meklenburgischen Enclaven in Netzband, Rögelin und Trampiz machten (vgl. Meklenb.

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Urkunden=Buch I, Nr. 403, 437, 477). Daß im Jahre 1228 unter 3 Brüdern ein Richard von Plote vorkommt, scheint für eine Verwandtschaft mit den Herren v. Friesack zu sprechen. Sonst kommt bis in das 14. Jahrhundert hinein immer der Vorname Johannes vor.

Ich kam daher sehr leicht auf die Vermuthung, daß dieser "Johannes de Plove" ein "Plote" sein und auf der Münze vielleicht "Plot" statt "Plove" gelesen werden könne. Die Herren Erbstein haben mir aber auf meine Anfrage versichert, daß "auf der Münze nicht anders als "Johannes de Plove" gelesen werden könne, da das V völlig deutlich und ein Versehen des Stempelschneiders bei der sonstigen Correctheit der Münze nicht wohl anzunehmen sei".

Es ist mir daher wahrscheinlich, daß "Johannes de Plove" dieselbe Person mit "Johannes de Plote", also der Herr Johann v. Paue: Herr Johann v. Plote ist, oder doch zu dem Ploteschen Geschlechte gehört, und dieser Johann v. Plote sich eine Zeit lang (auch) Herr v. Plaue, nach seinen verschiedenen Herrschaften, genannt habe. Plaue ist eine alte Burg an der Havel, nicht weit südlich von Friesack. In den Jahren 1248 und 1281 kommt ein Ritter "Johannes de Plove" und "Plouen" vor (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. A, X, pag. 1 flgd.), und 1210-1228 erscheint oft ein "Richardus de Ploue", welcher auch auf eine Verwandtschaft der Herren v. Plaue mit den Herren v. Friesack hindeutet. Die Herren v. Plote sollen auch noch spät Besitzungen in Plaue gehabt haben. Die Sache bedarf aber wohl noch genauerer Forschung in Brandenburgischen Quellen.

3) Aus allen diesen Gründen erscheint es mir wahrscheinlich, daß diese Münze eine Gemeinschaftsmünze der Herren von Friesack und der Herren von Plote oder Plaue, oder der aneinander grenzenden Städte und Landschaften Friesack und Kiritz war. Jede der beiden Seiten der Münze würde dann Hauptseite (Avers) sein.