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Der Kaland zu Zurow
und
das Siegel der Kirchen=Juraten daselbst.

Nicht allein in politischer Hinsicht war ehedem Zurow ein Ort von Bedeutung, insofern es ein Musterungsplatz für die Mannschaft des Landes Meklenburg war, auch mindestens ein Mal ein Landtag (Convocationstag), nämlich 1488 (Jahrb. X, 191), dort abgehalten wurde, sondern auch kirchlich, da es zeitweise Ziel von Wallfahrten gewesen ist und ein Kaland seinen Sitz daselbst hatte. Kalande waren geistliche Brüderschaften, wie dieser meist aus Geistlichen und Laien bestehend, welche zu zwei Malen im Jahre gemeinschaftlichen Gottesdienst um der verstorbenen Mitglieder Seelen

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willen feierten und inzwischen die von solchen gestifteten Memorien begingen. An ihrer Spitze stand ein Geistlicher, Decan genannt, den zwei andere, Procuratoren oder Schaffner, unterstützten 1 ). Da mit der Durchführung der Reformation auch diese Verbrüderungen sich aufzulösen gezwungen waren, so ging das Vermögen derselben meist in andere Kassen über. Dasjenige des Zurowschen Kalands überwiesen die letzten Mitglieder M. Nicolaus Eggebrecht, Domherr zu Lübek, und die Wismarschen Vicare Heinrich Westfal, Steffen Plate und Berthold Hövinck am 28. Junii 1553 der Almosenstiftung, welche der Schwerinsche Scholasticus M. Kord Böddeker 1464 testamentarisch in seiner Kapelle zu S. Jürgen zu Wismar errichtet hatte, und so sind wenigstens die Eigenthums=Documente des Zurowschen Kalands bis auf eins, welches Dr. Lisch im Schweriner Archive entdeckte, nach Wismar gekommen.

Die älteste dieser Urkunden ist vom 21. Decbr. 1418, und bezeugt durch dieselben Günther v. Lewetzow zum Kahlenberge, daß er dem Pfarrherrn Detmer von Zurow wiederkäuflich einen See, den "lütken witten See" auf dem Felde "zum Wendhofe" verkauft habe. Der Kaland wird in der Urkunde nicht genannt, war aber laut der Ueberweisung von 1553 damals im Besitze des Sees, welcher auf dem Kahlenberger Felde noch heute bekannt ist und seinen Namen von dem Kalkmergel haben wird, aus welchem nach Herrn Keding's, des jetzigen Besitzers, Angabe der Grund besteht. Am 3. Februar 1421 war der Kaland aber schon gestiftet, da er an dem gedachten Tage von Werneke und Henneke Preen zu Jesendorf mit Zustimmung ihrer Mutter Oelgard eine Rente von 24 Schillingen aus Jesendorf kaufte. Vierzig Jahre später findet sich das erste sichere Mitglied des Kalands, der Priester Nicolaus Qualtze, welcher demselben 1463, Septbr. 29, 3 Mk. Rente aus gewissen Buden zu Wismar abtrat. Im folgenden Jahre am 18. Mai kauften eben dieser Nicolaus Qualtze, als Decan, Jacob Schacht und Johann Höppner, alle Vicare zu Wismar, als Schaffner und Vorsteher, von Berthold Bersse zu Rambow 3 Mk. Rente aus (Vorder=) Wendorf 2 ), und 1488, Decbr. 4, erwarb der Kaland von Bernd v. Plessen zum Grundshagen 3 1/2 Mk. Rente aus Fliemstorf.


1) Schröder, W. E., S. 121, stellt nach seiner Hauptquelle, Blumbergs Abbildg. d. K., Chemnitz 1721, das Wesen der Kalande nicht eben treffend dar. Ungleich besser ist die Schilderung Dittmers, d. H. Geist=Hospital u. d. S. Clemens K. in Lübei, Lüb. 1838.
2) Urkunde im Staats=Archive zu Schwerin.
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Keiner dieser Rentenkäufe ist in der oben gedachten Ueberweisungs=Urkunde ausdrücklich aufgeführt, wohl aber ein anderer und zwar vermuthlich der letzte, welchen der Kaland abgeschlossen hat. Es verkauften demselben nämlich Erdmann Greve und Tideke Dame, Kirchgeschworene oder Gottesleute zu Zurow, am 12. April 1515 dem dortigen Kalande und namentlich M. Hermen Winterpol als Decan und den Procuratoren Georg Erdmann und Johann Boyenhagen (von denen auffallend genug mindestens die beiden ersteren sicher in demselben Jahre dieselben Aemter im minderen Kalande zu Wismar bekleideten) 5 Mk. Rente zum Behufe einer neuen - jetzt nicht mehr vorhandenen - Glocke auf "den großen Thurm", und stellten die Urkunde am 12. April darüber aus.

Diese letztgedachte Urkunde hat ein besonderes Interesse, jedoch nicht so sehr durch ihren Inhalt oder ihre Fassung, wohl aber durch das daran gehängte, hieneben abgebildete Siegel.

Siegel

Dasselbe ist von der Größe eines alten Thalers oder 1 1/2 Zoll Hamb. im Durchmesser. Es zeigt vor einem nicht ganz regulären Vierpasse eine sehr gut gearbeitete Madonna, und unter deren Füßen einen stehenden, gespaltenen Schild von Zungenform, der vorne an der Theilungslinie ein halbes Rad und hinten drei schräge aufwärts und links gerichtete "Strale" oder Pfeile enthält. Die durch den Schild unterbrochene Umschrift steht auf einem an den Enden ein wenig gerollten Bande und lautet:

Umschrift

Dieser Umschrift nach ist das Siegel also dasjenige der Kirchgeschworenen zu Zurow und bis dahin das erste Juratensiegel, welches in Meklenburg zum Vorscheine gekommen ist. Die Werkhäuser (fabricae) der Kirchen in den größeren Städten, welche von einem Werkmeister (magister fabricae, operarius) unter Aufsicht von Verwesern oder Vorstehern (provisores) geleitet wurden, hatten freilich auch Siegel, und es haben sich deren namentlich zu Rostock sehr große und alte erhalten, aber ein Siegel der Vorsteherschaft einer Landkirche hat sich bis dahin sonst noch nicht gefunden. Ist es also ein merkwürdiger Umstand, daß die Zurowschen Juraten ein eigenes Siegel besaßen, so ist auch die Bildung desselben beachtenswerth. Daß die

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Gottesmutter darauf angebracht ist, kann freilich nicht auffallen, da ihr jedenfalls die Kirche hauptsächlich gewidmet war (Jahrb. XVI, 300, XXIX, 202); aber der Schild auf demselben, der der v. Stralendorf, ist eigenthümlich genug. Es ist freilich früher schon versucht, wahrscheinlich zu machen, daß die Kirche von den v. Stralendorf erbaut sei, welche im Jahre 1336 bestimmt Zurow bereits besaßen, aber diese doch wohl leidlich sichere Thatsache würde schwerlich hinreichen, die Aufnahme des Wappenschildes dieses Geschlechts in das Siegel der Juraten zu veranlassen. Wahrscheinlicher dürfte es sein, daß das Wappen sich auf das Patronat der v. Stralendorf bezieht, welches auch heute dem Besitzer von Zurow noch zusteht und welches jene sich vermuthlich durch Aufrichtung der Pfarre erworben haben. Die beschränkte Größe der hier nebeneinander liegenden Kirchspiele Goldebe, Zurow, Jesendorf deutet darauf hin, daß dieselben nicht der ersten Circumscription der Parrochien ihre Entstehung verdanken, sondern ursprünglich Theile anderer, größerer waren. Auf die Stiftung der Pfarre und des Patronats scheint also der Schild sich zu beziehen, und es ist gewiß sinnig, wenn der alte Goldschmied, der das Siegel stach, jenen zu den Füßen der Maria anordnete, so gleichsam das ganze Geschlecht deren besonderem Schutze unterstellend. Der seltenern Gestaltung des Schildes - das halbe Rad vorne, die drei Strale hinten - mag die Darstellung am Gewölbe der Kirche als Vorbild gedient haben. (Vgl. Meklb. Urkunden=Buch No. 4178, Note, und die vorhergehende Abhandlung.)

Das Siegel gehört dem 15. Jahrhundert an, wie die Form des Schildes und der Schrift zu erkennen geben.

Herr Landrath v. Stralendorf auf Gamehl hat den Verein in den Stand gesetzt, das interessante Siegel zur Anschauung zu bringen.

Dr. Crull.