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gegründet von Friedrich Lisch,
fortgesetzt
von Friedrich Wigger und Hermann Grotefend.
Mit angehängtem Jahresbericht.
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Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei..
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I. | Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert (auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage).Von Studienreferendar Dr. Karl Hoffmann - Schwerin | 1 | |
II. | Zwei Freunde August Hermann Franckes. Von Pfarrer D Dr. Theodor Wotschke - Pratau | 201 | |
III. | Aus den Briefen des Hofkantors Rudolph in Dargun. Von demselben | 217 | |
IV. | Über die ältesten Urkunden des Klosters Doberan. Von Studiendirektor Dr. Wilhelm Biereye - Rostock | 231 | |
V. | Aus dem Tagebuch einer Pastorentochter 1811-1815. Von Pastor Richard Wagner - Sternberg | 267 | |
VI. | Die Auswanderung aus Mecklenburg-Schwerin in überseeische Länder, besonders nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von Oberstudienrat Dr. Max Wiegandt - Wismar | 275 | |
VII. | Die geschichtliche und landeskundliche Literatur Mecklenburgs 1929/30. Von Staatsarchivrat Dr. Werner Strecker - Schwerin | 295 | |
Jahresbericht (mit Anlagen A und B) | 311 |
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(auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage)
von
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Die vorliegende Arbeit ist durch eine von der philosophischen Fakultät der Universität Rostock für das Wintersemester 1927/28 ausgeschriebene Preisaufgabe veranlaßt worden. Die Fülle des Stoffes gebot eine Beschränkung auf die Mecklenburg-Schwerinschen Städte mit Ausschluß der beiden Hansestädte Rostock und Wismar, die nur im allgemeinen Teil nach den Ergebnissen der bisherigen Forschung gelegentlich berücksichtigt werden. Ausgeschlossen blieben daher auch die Städte von Mecklenburg-Strelitz mit Ausnahme von Wesenberg, einer Gründung der Fürsten von Werle-Güstrow. Die Gründungsgeschichte Stavenhagens dagegen wurde der Vollständigkeit wegen aufgenommen, obgleich diese Stadt pommerschen Fürsten ihre Entstehung verdankt.
An Stadtplänen konnten aus finanziellen Gründen nur die von Schwerin, Parchim und Plau beigegeben werden.
Der Abschluß der Arbeit erfolgt aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen früher, als mir lieb ist. Insbesondere habe ich es mir versagen müssen, in einem letzten, fünften Kapitel des allgemeinen Teils die nationale (deutsche oder slawische) Herkunft der Stadtbewohner zu erörtern, zumal die unentbehrlichen philologischen Vorarbeiten über Bürgernamen usw. noch fehlen.
Das Quellenmaterial des Geheimen und Haupt-Archivs zu Schwerin, Stadtpläne und Urkunden, durfte ich mit Erlaubnis des Herrn Staatsarchivdirektors Dr. Stuhr verwerten. Ich danke ihm für seine gütige Unterstützung, wie auch Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Witte in Neustrelitz und Herrn Professor Dr. Feine für nützliche Ratschläge. Mein herzlichster Dank aber gebührt meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Spangenberg, der mir zu jeder Zeit mit seinem Rat und seiner Kritik helfend zur Seite stand.
Die Abhandlung erscheint gleichzeitig als Sonderdruck im Verlage des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde (Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei in Schwerin) und kann von Nichtmitgliedern durch den Buchhandel, von Mitgliedern - zu ermäßigtem Preis - durch den Verein bezogen werden.
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Einleitung: | Seite |
Stand der Forschung und Beginn der Kolonisation in Mecklenburg | 5 |
Buch A. | |
Die Entstehung der einzelnen mecklenburg-schwerinschen Städte in der Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert | 12 |
Kapitel I. | |
Die Gründung Schwerins durch Heinrich den Löwen (12. Jahrh.) | 12 |
Kapitel II. | |
Die Städtegründungen der deutschen Grafschaften | 23 |
a) | Das Kolonisationsgebiet der Grafschaft Ratzeburg | 23 | |
1. | Die Gründung der Stadt Ratzeburg | 23 | |
2. | Die Gründung der Stadt Gadebusch | 28 | |
3. | Die Gründung der Stadt Wittenburg | 33 | |
4. | Die Gründung der Stadt Hagenow | 35 | |
5. | Die Gründung der Stadt Boizenburg | 37 | |
b) | Das Kolonisationsgebiet der Grafen von Dannenberg | 40 | |
1. | Die Gründung der Stadt Dömitz | 41 | |
2. | Die Gründung der Stadt Grabow | 44 | |
c) | Das Kolonisationsgebiet der Grafschaft Schwerin | 46 | |
1. | Die Gründung der Stadt Neustadt-Glewe | 46 | |
2. | Die Gründung der Stadt Crivitz | 49 |
Kapitel III. | |
Die Städtegründungen im Gebiet des Bistums Schwerin | 51 |
1. | Die Gründung der Stadt Bützow | 52 | |
2. | Die Gründung der Stadt Warin | 53 |
Kapitel IV. | |
Die Städtegründungen in den Ländern der wendischen Fürsten | 55 |
a) | Das Kolonisationsgebiet der Herrschaft Rostock | 56 | |
1. | Die Gründung der Stadt Kröpelin | 67 | |
2. | Die Gründung der Stadt Ribnitz | 70 | |
3. | Die Gründung der Stadt Marlow | 73 | |
4. | Die Gründung der Stadt Sülze | 76 | |
5. | Die Gründung der Stadt Gnoten | 78 | |
6. | Die Gründung der Städte Alt- und Neukalen | 80 | |
7. | Die Gründung der Stadt Tessin | 83 |
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b) | Das Kolonisationsgebiet der Herrschaft Mecklenburg | 85 | |
1. | Die Gründung der Stadt Neubuckow | 86 | |
2. | Die Gründung der Stadt Grevesmühlen | 87 | |
3. | Die Gründung der Stadt Brüel | 89 | |
c) | Das Kolonisationsgebiet der Herrschaft Parchim | 91 | |
1. | Die Gründung der Stadt Parchim | 91 | |
2. | Die Gründung der Stadt Plau | 100 | |
3. | Die Gründung der Stadt Goldberg | 105 | |
4. | Die Gründung der Stadt Sternberg | 107 | |
d) | Das Kolonisationsgebiet der Herrschaft Werle-Güstrow | 91 | |
1. | Die Gründung der Stadt Güstrow | 112 | |
2. | Die Gründung der Stadt Malchow | 126 | |
3. | Die Gründung der Stadt Malchin | 130 | |
4. | Die Gründung der Stadt Röbel | 133 | |
5. | Die Gründung der Stadt Penzlin | 136 | |
6. | Die Gründung der Stadt Teterow | 138 | |
7. | Die Gründung der Stadt Wesenberg | 139 | |
8. | Die Gründung der Stadt Krakow | 140 | |
9. | Die Gründung der Stadt Waren | 143 | |
10. | Die Gründung der Stadt Schwaan | 146 | |
11. | Die Gründung der Stadt Laage | 147 | |
e) | Das Kolonisationsgebiet der Herzöge von Pommern | 149 | |
1. | Die Gründung der Stadt Stavenhagen | 149 |
Buch B. | |
Allgemeine Ergebnisse | 151 |
Kapitel I. | |
Die Zahl der Städte und die Zeit ihrer Entstehung | 151 |
Kapitel II. | |
Die Entstehungsart der Städte (Siedlungselemente) | 160 |
Kapitel III. | |
Die Städtepolitik der mecklenburgischen Fürsten | 170 |
Kapitel IV. | |
Die mecklenburgischen Stadtrechte | 190 |
~~~~~~~ | |
Mit Stadtplänen von Schwerin, Parchim und Plau. |
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Die moderne Städteforschung hat ihre Grundlagen durch die bahnbrechenden Werke G. L. von Maurers, G. von Belows, S. Rietschels und anderer erhalten 1 ), welche sich hauptsächlich mit den Markt- und Stadtgründungen des 10., 11. und 12. Jahrhunderts beschäftigten und für die Entstehung der Städte und ihrer Verfassung allgemeingültige Regeln zu ergründen suchten. Neuerdings versucht man, jene allgemeinen Theorien durch Sonderuntersuchungen und Geschichten einzelner deutscher Landschaften zu unterbauen und zu berichtigen, um auf diese Weise ein der Wirklichkeit mehr entsprechendes Bild vom Werden der deutschen Städte zu gewinnen. Diese Spezialforschungen haben besonders für Sachsen 2 ), Württemberg 3 ),
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Böhmen 4 ), die Lausitz 5 ), teilweise auch für Schlesien 6 ), Hessen 7 ), Anhalt 8 ), Jülich 9 ) und das Erzstift Köln 10 ) bereits schöne Ergebnisse erzielt; historische Kommissionen einzelner Landschaften, z. B. Schlesiens und Ostpreußens, haben die Sammlung und Erforschung der Stadtpläne in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen. Die Entstehungsgeschichte der Mecklenburg-Schwerinschen Städte dagegen ist im Zusammenhang und mit der Verwertung der modernen Stadtplanforschung 11 ) 12 ) noch
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nicht behandelt worden; die wenigen bisher vorliegenden Untersuchungen über einzelne Mecklenburg-Schwerinsche Städte tragen zum größten Teil den Stempel des Dilettantismus und sind ohne rechte Fühlung mit den Problemen und Theorien der Wissenschaft fast durchweg zu unbefriedigenden Ergebnissen gelangt. Eine zuverlässige Kenntnis der Gründungsgeschichte der mecklenburgischen Städte ist aber um so dringlicher, weil die mecklenburgischen Städte zum allergrößten Teil in der Kolonisationszeit des 12. bis 14. Jahrhunderts gegründet sind und die Entstehung des Städtewesens daher einen wesentlichen Bestandteil der Kolonisations- und Germanisationsgeschichte Mecklenburgs bildet, welche im Jahre 1915 durch ein zweibändiges, kürzlich erst in Deutschland bekannt gewordenes und jedenfalls beachtenswertes Werk des Russen D. N. Jegorov 13 ) in ein ganz neues Licht gerückt worden ist. Jegorov leugnet eine Masseneinwanderung deutscher Kolonisten; er nimmt für das bäuerliche Kolonistenmaterial, wie besonders auch für die ritterlichen Grundherren, "die eigentlichen Träger der Kolonisation", "vorwiegend slawischen Ursprung" in Anspruch und erklärt die Kolonisation als eine "dem Wesen nach slawische Bewegung", "eine rein interne Wanderung innerhalb der Slawia"; Kolonisation und Germanisation Mecklenburgs seien also nicht gleichbedeutend, sondern begrifflich und zeitlich zu scheiden. Da Jegorov fast nur die ländliche Besiedlung berücksichtigt, bedarf sein Werk schon aus diesem Grunde der Ergänzung und Berichtigung. Denn die Städte haben offenbar das Rückgrat der Germanisation und Kolonisation gebildet, und ohne sorgsame Erforschung ihrer Entstehung und Entwicklung wird man schwerlich ein rechtes Verständnis von der verhältnismäßig schnellen Eindeutschung des mecklenburgischen Landes gewinnen können.
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Die Slawen kannten keine Städte in dem Sinne, wie sie in Deutschland seit dem 11. Jahrhundert entstanden. Erst im Zeitalter der Kolonisationsbewegung wurden in Mecklenburg Städte nach deutscher Art gegründet.
Das heutige Mecklenburg zählt 53 Städte 14 ), von denen 45 im Zeitalter der deutschen Kolonisation, in der Zeit vom 12. bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, gegründet worden sind. Von diesen ist nur eine Stadt, nämlich Schwerin, im 12. Jahrhundert entstanden, während die Mehrzahl der Städte, im ganzen 37, im 13. Jahrhundert und ein kleinerer Teil, nämlich 7, im 14. Jahrhundert gegründet wurden.
Man erkennt also deutlich aus der zahlenmäßigen Verschiedenheit der Stadtgründungen in den drei Jahrhunderten, daß die Kolonisationsbewegung im 13. Jahrhundert besonders wirksam gewesen ist. Sie hat sich im Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen des Landes vollzogen 15 ).
Die Kolonisationsbewegung begann in Mecklenburg mit der Unterwerfung der Obotriten durch Heinrich den Löwen im Jahre 1160; Fürst Niklot starb in diesem Jahr für die Freiheit seines Volkes. Heinrich der Löwe begann mit der ihm eigenen Energie sofort, das unterworfene slawische Volk in seine Herrschaft einzugliedern. Einen seiner besten Ritter, den edlen Gunzelin von Hagen, der aus der Gegend von Braunschweig stammte, machte er zum Grafen von Schwerin und setzte ihn als Statthalter über die Obotriten. Zugleich gab er ihm noch die besonders gefährdete Burg Ilow an der Ostsee. Ebenso wurde Heinrich von Skaten, ein Niederländer, als Burgvogt in Mecklenburg, Ludolf von Peine in gleicher Eigenschaft in der Burg Quetzin am Plauer See eingesetzt. Einen Mönch mit Namen Berno machte Heinrich zum ersten Bischof von Schwerin.
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Vor der Unterwerfung der Obotriten war bereits der Volksstamm der Polaben, der den Obotriten im Westen benachbarte slawische Stamm, dem deutschen Angriff unterlegen und die Herrschaft über sie von Heinrich dem Löwen im Jahre 1142 endgültig an Heinrich von Badewiede übergeben, der damals die Bezeichnung eines Grafen von Ratzeburg erhielt. Zu dieser Grafschaft gehörte ein großer Teil des heutigen Westmecklenburg.
Zur selben Zeit, als Herzog Heinrich Gunzelin von Hagen zum Grafen von Schwerin einsetzte, gründete er auch auf dem linken Ufer der Elbe die Grafschaft Dannenberg, deren Grafen Mecklenburg bis Grabow herauf kolonisiert haben 16 ). Auch in Boizenburg an der Elbe setzte der Herzog einen Grafen ein 17 ).
Offenbar bezweckte Heinrich der Löwe mit allen diesen Maßnahmen, das neu gewonnene Gebiet militärisch zu sichern und für immer zu behaupten. Das Bemerkenswerte an dieser Organisation ist, daß sie dem alten slawischen Fürstentum keinerlei Konzessionen gemacht hat 18 ).
Diese Neuordnung hatte jedoch keinen dauernden Bestand. Die Gesamtlage im deutschen Reich veränderte sich so sehr zu ungunsten Heinrichs des Löwen, daß er aus Gründen der Vorsicht, um wenigstens in seinem Rücken keine Feinde zu haben, dem alten wendischen Fürstengeschlecht der Obotriten im Jahre 1167 große Teile seiner ehemaligen Herrschaft zurückgab. Graf Gunzelin, der bisherige Statthalter des ganzen Landes, wurde dabei als Graf von Schwerin mit einem kleineren Gebiet abgefunden. Das Fürstentum Mecklenburg, welches Pribislav, dem Sohne Niklots, damals zufiel, machte ungefähr die Hälfte des heutigen Mecklenburgs aus. " Pribislav gebot über die ganze Meeresküste von Priwall bis zum Ribnitzer Binnenwasser; in der Nähe derselben lagen auch die beiden Burgen, als deren Herrn er sich in seinem Titel zu bezeichnen pflegte, Mecklenburg und Kessin. Im Süden reichte seine Herrschaft mit dem Lande Müritz weit über die Müritzgewässer hinaus in den Raum zwischen Wittstock und Rheinsberg, bis zum
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Walde Besunt (Wittstocker Heide)" 19 ). Dazu gehörten ihm das Land Warnow zu beiden Seiten der Elde, das Land Brenz zwischen Parchim und Neustadt und das Land Turne zwischen Lübz und Plau 20 ).
Die Wiedereinsetzung des wendischen Fürstengeschlechtes war für den Fortgang der Kolonisation in Mecklenburg nicht günstig. Pribislav, der Sohn Niklots, sperrte seine Grenze für deutsche Kolonisten. Erst um 1200 begann dessen Sohn, Heinrich Borwin, mit der Durchführung der Kolonisation in seinem Fürstentum. Dabei lag dem slawischen Fürsten nicht so sehr an einer deutschen Kolonisation, als vielmehr an einer wirtschaftlichen Neugestaltung seines Landes durch die Neubesiedlung entvölkerter bzw. ungerodeter Gebiete.
Das Fürstentum Mecklenburg wurde nach dem Jahre 1227, dem Todesjahr Heinrich Borwins, unter dessen vier Enkel geteilt. Es entstanden auf diese Weise vier mecklenburgische Teilfürstentümer, die nach den Hauptburgen der einzelnen Länder bezeichnet werden, nämlich die Herrschaften Mecklenburg, Rostock, Werle-Güstrow und Parchim.
Innerhalb der drei deutschen Grafschaften, Ratzeburg, Dannenberg und Schwerin und des Fürstentums Mecklenburg, das nach dem Jahre 1227 in die vier eben erwähnten Herrschaften geteilt wurde, vollzog sich auch die Gründung der einzelnen Städte. Wir haben sie deshalb nach den verschiedenen Gebieten, in denen sie entstanden sind, geordnet. Nur Schwerin, die einzige Stadtgründung des 12. Jahrhunderts, die Heinrich dem Löwen ihre Entstehung verdankt, läßt sich in dieses Einteilungsprinzip nicht einordnen; die Gründungsgeschichte Schwerins ist daher an den Anfang gestellt worden. Dagegen sind die beiden Hansestädte Rostock 21 ) und Wismar 22 ) und die
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Städte des Landes Stargard, dessen Grenzen etwa dem Hauptteil des heutigen Mecklenburg-Strelitz entsprechen, von der Untersuchung ausgeschlossen worden. Das Stargarder Land wurde durch den Kremmener Vertrag des Jahres 1236 der Mark Brandenburg einverleibt und daher nicht von mecklenburgischen Fürsten, sondern von den brandenburgischen Markgrafen kolonisiert 23 ).
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Buch A.
Kapitel. I.
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Die Quellen, die uns für die Erforschung der Gründungsgeschichte Schwerins zur Verfügung stehen, sind nicht so ergiebig und zuverlässig, daß wir ein klares und vollständiges Bild über den Gründungsvorgang gewinnen können.
Wichtige Nachrichten über den Anlaß und die Zeit der Gründung finden wir in der Slavenchronik Helmolds, der allerdings den mecklenburgischen Verhältnissen ferner steht und vor allem die Christianisierung und Germanisation Holsteins beschrieben hat, ferner in der dänischen Geschichte des Saxo Grammatikus. Dazu kommt die Bewiomungsurkunde Heinrichs des Löwen für das Bistum Schwerin vom 9. September 1171 24 ), welche über die Tätigkeit Bischof Bernos in Schwerin Aufschluß gibt. Für die örtliche Anlage der Stadt kommen dann noch einige spätere Urkunden 25 ) und die Ausgrabungen 26 ) in Frage. Eine wichtige und interessante Quelle ist vor allem der Stadtplan aus dem Jahre 1651, welcher die alte Form des Marktplatzes erkennen läßt 27 ).
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Als Darstellung der Geschichte Schwerins ist zu erwähnen die Schweriner Stadtgeschichte von Jesse 28 ), der die Literatur bis zum Jahre 1913 vollständig berücksichtigt.
Die Stadt Schwerin, die älteste der mecklenburgischen Städte, ist eine Gründung Heinrichs des Löwen. Von alters her führt sie sein Reiterbildnis in ihrem Siegel. Wenn auch der Stiftungsbrief nicht mehr vorhanden ist, so haben wir doch bei Helmold und Saxo Grammatikus einige Notizen, die uns den Anlaß der Gründung und auch die ungefähre Zeit erkennen lassen. Beide Darstellungen stimmen nicht vollständig überein. Nachdem Helmold den Tod des Obotritenfürsten vor seiner Burg Werle, wohin dieser sich bei dem Angriff Heinrichs des Löwen zurückgezogen hatte, berichtet hat, erzählt er, wie nun der Widerstand des Obotritenvolkes völlig zusammenbricht. Die Söhne Niklots geben die Burg Werle auf und verbergen sich in den Wäldern, ihre Familien fliehen über See. "Danach," so berichtet Helmold weiter, "begann der Sachsenherzog Schwerin zu erbauen und die Burg zu befestigen" ("- - dux ergo, demolitus omnem terram, coepit aedificare Zuerin et communire castrum - -") 29 ). Den Adligen Gunzelin ließ er mit einer Besatzung dort zurück. Gleichzeitig machte er ihn zum Statthalter des ganzen damals unterworfenen Landes 30 ). Die Gründung Schwerins ist also von Helmold in Zusammenhang mit der völligen Niederwerfung der Obotriten im Jahre 1160 gebracht. Die Darstellung des Saxo Grammatikus läßt einen andern Anlaß für die Gründung Schwerins als möglich erscheinen. Er berichtet zum Jahre 1164: "Interea Henricus Holsatiorum principem Adolphum cum Henrico. Razaburgensi praefectumque Suerini oppidi Guncellinum, quod nuper a Saxonibus in potestatem redactum, ius
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et formam civitatis aceeperat, - - praemittit" 31 ). Die Möglichkeit besteht daher, daß Schwerin erst 1164 während der Niederkämpfung eines Wendenaufstandes von Heinrich dem Löwen gegründet wurde. Sie ist aber wenig wahrscheinlich, weil die Worte "nuper a Saxonibus in potestatem redactum" auf die Verhältnisse des Jahres 1164 nicht passen. Denn Schwerin war bereits seit 1160 ununterbrochen in sächsischen Händen 32 ). Die Sachsen brauchten also im Jahre 1164 Schwerin nicht mehr mit Gewalt zu erobern. Wohl aber geschah dies im Jahre 1160. Saxo selbst nimmt auch durch das Wörtchen "nuper", das er dem Bericht über die Stadtgründung hinzufügt, eine gewisse Zurückdatierung des Ereignisses vor. Danach widerspricht der Bericht Saxos dem von Helmold wahrscheinlich in keiner Weise, er deutet vielmehr auf denselben Anlaß der Stadtgründung hin, wie Helmold uns ihn angibt. Saxo ergänzt insofern den Bericht Helmolds, als er uns ausdrücklich von der Verleihung eines Stadtrechts an die Bürgerschaft in Kenntnis setzt. Hiernach ist auf Grund der schriftlichen Überlieferungen anzunehmen, daß Schwerin nach der Unterwerfung der Obotriten im Jahre 1160 von Heinrich dem Löwen gegründet wurde.
Das hohe Alter der Stadt wird durch den Stadtplan bestätigt. Man hat ihn als geschichtliche Quelle für Schwerin bisher nicht verwertet und dies damit motiviert, daß man die " Grundrißbildung Schwerins als durch die außergewöhnliche Lage der Stadt" 33 ) bedingt erklärte. Anders glaubt Jesse das Abweichen von den "sonst bei Kolonialstädten des Ostens und Nordens beobachteten Formen" nicht aufklären zu können. Jesse sagt darüber: "Weder die um Markt und Kirche gelagerte Rundform mit Meridianteilung durch die Straßenzüge, an deren Ende Tore liegen, noch die Rundform mit Haupt- und Querachse, aber parallel der Mauerführung gebogenen Straßen (sogenannte Rippenteilung) lassen sich auf Schwerin anwenden". Allerdings entspricht der Schweriner Stadtplan nicht den von Jesse angeführten beiden Normalformen der Kolonialstadt-
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anlagen, aber es lassen sich auch bei weitem nicht alle Stadtpläne der Kolonialstädte in diese Formen zusammenfassen. Auch der typische Kolonialstadtplan hat seine Entwicklung und allmähliche Ausbildung erfahren. Auf deutschem Mutter- und Kolonialboden hat er sich allmählich zu der Form entwickelt, wie er heute als typisch für die Kolonialstädte gilt. Es ist das Verdienst Meurers, die technische Entwicklung des Stadtplans aus dem Straßenmarkt zur Zentralanlage überzeugend klargestellt zu haben, nachdem schon Fritz und Meier vorher diese Entwicklung angedeutet hatten 34 ). Die Ansicht Meurers gipfelt in dem Satz, daß der Markt wie für das Stadtrecht 35 ), so auch für die Plangestaltung der Stadt die ausschlaggebende Bedeutung hatte. "Der Markt des Mittelalters ist nicht bloß stadt-, sondern auch planbildend" 36 ).
Diese Forschungsergebnisse müssen wir für die Erklärung des Schweriner Stadtplans verwerten, um uns damit eine wichtige Quelle, die bisher noch nicht benutzt wurde, für die Erforschung der Gründungsgeschichte Schwerins zu erschließen. Der Ausgangspunkt zur Erklärung des Schweriner Stadtplanes ist die Form des Marktes. Seine heutige quadratische Gestalt hat der Markt erst nach dem Stadtbrand von 1651 erhalten. Vordem zeigte der ungefähr rechteckige Platz eine langgestreckte, schmale Form. Das Verhältnis der beiden Seiten war wie 1:3 (60 Meter Länge, 20 Meter Breite). Bedeutsam ist nun die Lage des Marktes im Stadtplan. Sie wird bestimmt durch die Hauptverkehrsstraße 37 ), die durch das
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Schelftor in die Stadt einmündet und in entgegengesetzter Richtung durch das Schmiede-, Mühlen- und Burgtor die Stadt wieder verläßt. Bezeichnenderweise ist nun der Marktplatz selbst keine Erweiterung neben der Hauptstraße, so daß auf diese Weise ein selbständiger Platz neben der Straße zustande kam, sondern der Platz ist gewissermaßen von selbst dadurch gebildet, daß an dieser Stelle die Hauptverkehrsstraße (Schusterstraße) die Filterstraße die von der Burg her kommt, aufnimmt und beide sich zu einer Straße vereinigen. Die Breite des so entstehenden Platzes ist ungefähr gleich der der beiden an dieser Stelle sich schneidenden Straßen. Man kann den alten Schweriner Marktplatz als einen typischen Straßenmarkt bezeichnen. Mit dieser Feststellung, daß der Marktplatz Schwerins bis zum Jahre 1651 die Form eines Straßenmarktes gehabt hat, finden die Angaben Helmolds und Saxos über das hohe Alter der Stadt eine gewisse Bestätigung. Denn es ist offenbar, daß ein Marktplatz, der wie der Schweriner durch das Zusammentreffen zweier Straßen zwanglos entstanden ist, in seiner Form gegenüber einem rechteckigen bzw. quadratischen Marktplatz, der immer künstlich erst geschaffen sein muß, einen älteren Zustand darstellt.
Die frühe Gründung der Stadt läßt besondere Voraussetzungen vermuten, die gerade Schwerin als Ort zur Anlage einer Stadt geeignet machten. Hierfür hat man bisher mancherlei Faktoren genannt.
Als ausschlaggebend wird meistens die vor feindlichen Angriffen sehr geschützte Lage dieses Ortes angegeben 38 ). Schwerin ist in der Tat durch seine Lage zwischen Seen und Sümpfen außerordentlich gut geschützt.
Ferner spricht man von Schwerin als dem militärischen, administrativen und kirchlichen Mittelpunkt der durch Heinrich den Löwen 1160 neu geschaffenen Mark 39 ).
Als weitere Anlässe für die Auswahl des Platzes zur Stadtgründung wird dann noch das Vorhandensein "einer
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wendischen Ansiedlung mit teilweiser christlicher Bevölkerung, vielleicht auch schon einer kleinen Kapelle" angeführt. Außerdem vergißt man auch nicht die Burg zu erwähnen 40 ).
Es soll nicht bestritten werden, daß alle diese Momente die Auswahl des Platzes zur Stadtgründung beeinflußten. Eine andere Frage ist es, ob sie entscheidende Bedeutung hatten. Unseres Erachtens können sie nicht genügen, um uns die Anlage einer deutschen Stadt in völlig slawischer Umgebung zu erklären. Das Vorhandensein einer deutschen Burg Schwerin brauchte noch nicht notwendig zur Stadtgründung zu führen. Auch Mecklenburg, Plau und Malchow erhielten eine deutsche Burgbesatzung, ohne daß hier zugleich eine deutsche Stadt entstand 41 ). Ebenso wurde auch bei den Burgen der Grafschaft Ratzeburg (Ratzeburg, Gadebusch und Wittenburg), die schon seit Mitte des 12. Jahrhunderts von deutschen Rittern besetzt wurden, im 12. Jahrhundert keine Stadt angelegt 42 ). Die Auswahl Schwerins zum administrativen Mittelpunkt ferner lockte schwerlich einen solchen Zuwachs von Verbrauchern an, daß sich eine Stadt davon hätte erhalten können. Der Ausdruck "administrativer Mittelpunkt" ist geeignet, die falsche Vorstellung zu erwecken, als bezeichne er die Niederlassung zahlreicher Beamten. Der Graf von Schwerin, der von Heinrich dem Löwen im Jahre 1160 als Statthalter über das ganze wendische Obotritenvolk gesetzt war, hatte aber vielleicht außer einem Burgkaplan, der des Lesens und Schreibens kundig war, nicht einen einzigen Beamten in seinem Dienst 43 ). Dabei war der Graf selbst, der ja ein eben erst unterworfenes Volk beherrschen sollte, als einer der bewährtesten Ritter Heinrichs des Löwen oft auf Kriegszügen und außer Landes und meist wohl nur kurze Zeit in Schwerin. Endlich konnte auch das Bestehen eines Bistums, das ganz dürftige Einnahmen hatte
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und überhaupt erst 1171 dotiert wurde 44 ), kein erheblicher Anreiz zur Gründung einer Stadt gewesen sein. Auch in Ratzeburg bestand der Bischofssitz lange Zeit, bevor die Stadt entstand 45 ).
Man könnte wohl auch meinen, daß die Stadt gegründet wurde, um der Germanisation Mecklenburgs einen Stützpunkt, eine feste Ausgangsstellung zu schaffen. Das hat vor allem Jesse betont 46 ). Mag dieses immerhin eine wichtige Folge der Stadtgründung gewesen sein, die man auch bei der Gründung im Auge gehabt haben wird, die realen Grundlagen, deren eine Stadt nun einmal bedarf und die übersehen zu haben wir dem Realpolitiker Heinrich dem Löwen nicht zutrauen dürfen, werden mit dieser Erklärung nicht aufgezeigt. Heinrich der Löwe hat bei allen seinen Stadtgründungen stets an eine bereits vorhandene kaufmännische Siedlung angeknüpft. So entstand München durch die Verlegung eines dem Bischof Otto von Freising gehörenden Marktes, dem Heinrich darauf Stadtrecht verlieh. Bekannt ist auch, daß Lübeck durch Heinrich den Löwen nur an einer andern Stelle wieder aufgebaut wurde und dann von neuem mit einem Stadtprivileg bewidmet worden ist. Lübeck hatte als Stadt bereits unter Adolf von Schauenburg bestanden. Ebenso erfolgte die Gründung des Braunschweiger Hagens durch Heinrich in enger Anlehnung an die Braunschweiger Altstadt. Auch bei Schwerin war es offenbar die kaufmännische Tradition dieses Platzes, die Heinrich den Löwen zu einer Stadtgründung an dieser Stelle veranlaßte. Weil in Schwerin bereits vor dem Sieg Heinrichs des Löwen im Jahre 1160 eine kaufmännische Kolonie, die mit dem Fernhandel in Verbindung stand, vorhanden war, glaubte Heinrich der Löwe mit einigem Erfolg die Gründung Schwerins ausführen zu können. Vermutlich hat er einfach der Kaufmannsniederlassung das Stadtrecht verliehen. Ohne diese Annahme wird überhaupt die Schnelligkeit der Stadtgründung unmittelbar nach seinem Sieg schwer verständlich. Für diese Annahme spricht auch die alte Form des Marktplatzes, der einen einfachen Straßenmarkt darstellt. Aus dem Marktgrundriß geht hervor, daß bei der Gründung der Stadt
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nicht eine planmäßige Neuanlage erfolgte, sondern lediglich einer Marktniederlassung, die sich anscheinend an dem Kreuzungspunkt der Hauptverkehrsstraße mit der von der Burg herkommenden Straße allmählich gebildet hatte, das Stadtrecht verliehen wurde. Der Schweriner Straßenmarkt ist nicht als Planelement einer Gründung aus frischer Wurzel aufzufassen, sondern die Existenz des Straßenmarktes im Schweriner Stadtplan erklärt sich daraus, daß seine Form bereits durch eine Kaufmannssiedlung festgelegt war, die sich vor der Gründung der Stadt an diesem Straßenpunkt niedergelassen hatte. Als vorhandenes Planelement wurde der Schweriner Straßenmarkt bei der Gründung der Stadt in deren Grundriß übernommen. Auch die chronikalische Überlieferung widerspricht dieser Auffassung nicht. Saxo berichtet uns, daß Schwerin Recht und Verwaltung einer Stadt empfing (Suerini oppidi, quod -- ius et formam ciuitatis acceperat). - Damit drückt er sogar wörtlich die Ansicht aus, daß Schwerin bereits bestand und die Gründung nur als Stadtrechtsverleihung an eine schon vorhandene Siedlung aufzufassen ist. Auch in dem Satz Helmolds, daß Schwerin von Heinrich dem Löwen erbaut wurde (coepit aedificare Zuerin), braucht kein Widerspruch zu unserer Auffassung zu bestehen, weil nachgewiesenermaßen das Wort "aedificare" oft auch bei Städtegründungen gebraucht wird, die nicht Gründungen aus frischer Wurzel sind 47 ). Helmold wird außerdem über den Gründungsvorgang kaum näher unterrichtet gewesen sein. Er schildert die Gründung deswegen als eine Neuanlage. Aber die Form des Marktplatzes deutet nicht auf eine derartige Entstehungsgeschichte Schwerins hin.
Auch die politischen Zustände vor dem Jahre 1160 lassen die Annahme, daß Schwerin schon vor der Stadtgründung als. eine deutsche Kaufmannssiedlung bestand, durchaus als möglich erscheinen. Niklot, der letzte selbständige Fürst der Obotriten, befolgte nämlich gegenüber den Sachsen eine friedliche Politik und legte alles darauf an, einen Kampf mit ihnen zu vermeiden 48 ).
Ferner würden wir durch diese Annahme die Tätigkeit Bernos, des ersten christlichen Missionars in Schwerin, der vor
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1160 tätig war 49 ) und später auch der erste Schweriner Bischof wurde, einleuchtend erklären können 50 ). Wenn eine deutsche Ansiedlung hier schon vor 1160 bestand, wird auch Bernos Wirken in Schwerin vor der Stadtgründung, das man bisher nur seinem Eifer für das Christentum zuschrieb, verständlich. Hatte er doch in diesem Falle bei seiner Aufgabe, das Evangelium in das Heidenland zu tragen, einen gewissen Rückhalt an der deutschen Siedlung. Aus dieser Verbundenheit des ersten christlichen Priesters in Schwerin mit der Kaufmannssiedlung würde sich auch die sonst auffällige Tatsache gut erklären, daß es später in Schwerin keine besondere Marktkirche der Bürgerschaft gab, sondern der bischöfliche Dom deren Stelle einnahm 51 ). Weil Berno, der erste Schweriner Bischof, auch der erste Pfarrer der Schweriner Kaufmannsgemeinde gewesen war, blieb auch späterhin die Schweriner Bürgerschaft mit der Bischofskirche, der ursprünglichen Kirche der Kaufmannssiedlung, verbunden.
Auch die Lage Schwerins im Straßennetz der damaligen Zeit war anscheinend keineswegs ungünstig. Über Schwerin führte der damals wichtige Handelsweg von der Elbe zur Ostsee 52 ); auch war es mit Boizenburg 53 ) und vor allem mit
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Lübeck 54 ) durch bedeutsame Straßen verbunden. Der Schweriner Stadtplan erscheint, wie wir schon vorhin ausgeführt haben, vollkommen bestimmt durch die erwähnte, an die Ostsee führende Hauptstraße, die auch die Form des Marktplatzes beeinflußt hat. Seine ganze Lage und seine Form deuten darauf hin, daß er nur dem Verkehr, der mit dieser Straße ihm zugeführt wurde, seine Entstehung verdankt. Dazu kommt, daß durch das Vorhandensein eines Verbraucherkreises, wie der Burgbesatzung und später auch des Bischofssitzes, ein örtlicher Marktverkehr ermöglicht war. Auch die geschützte Lage blieb in den damaligen unruhigen Zeiten sicher nicht unbeachtet.
Die Tatsache, daß Schwerin als Handelsstadt gegründet ist, wird auch durch Rückschlüsse aus den Quellen der späteren Zeit bestätigt. Der deutsche König Otto IV. gewährte 1209 den Bürgern Schwerins die Zollfreiheit im Herzogtum Sachsen und das Recht, zu Handelszwecken (ad usus mercandi) Schiffe im Wismarer Hafen zu haben 55 ). Diese königliche Privilegienverleihung bestätigt nur die damals bereits vorhandenen Rechtszustände 56 ). Die Vorrechte gehen also in ältere Zeit zurück. Sie sind den Bürgern vermutlich bei der Stadtgründung verliehen worden. Dafür spricht, daß die Urkunde selbst, die uns diese Vorrechte mitteilt, sie als "sachlich zutreffende Anmerkungen" zu einem im übrigen ganz anderen Inhalt überliefert. Sie enthält sonst eine Bestätigung für das Bistum Schwerin. Die Schweriner Handelsprivilegien sind vielleicht aus einer andern Vorlage in diese Bestätigung übernommen worden. Denn es erscheint doch auffällig, daß der deutsche König Otto IV. den Schweriner Bürgern nicht die Zollfreiheit im Reich, sondern im Herzogtum Sachsen verleiht. Nimmt man aber an, daß das Zollprivileg von Heinrich dem Löwen, dem Herzog von Sachsen, stammt, so ist diese Begrenzung der Freiheit leicht verständlich. Auf jeden Fall haben wir auf Grund dieser Privilegien im Jahre 1209 bzw. früher Kaufleute als in Schwerin ansässig anzunehmen.
Ferner wird uns 1220 berichtet, daß die Schweriner in Lübeck keinen Zoll bezahlen 57 ). Es müssen also im Jahre
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1220 in Schwerin Kaufleute gewohnt haben, die mit Lübeck in Handelsverbindung standen.
Außerdem wird uns im Jahre 1276 von einer Schweriner Münze berichtet (marcas Zwerinensium denariorum 58 ), die scheinbar, wie ursprünglich in allen Städten, dem Landesherrn gehörte. Seit wann die Münze hier bestand, ist uns nicht bekannt, aber die Tatsache an und für sich, daß für den Marktverkehr überhaupt eine Münze bestehen konnte, ist bezeichnend genug. Da Schwerin später bald von den Seehandelsstädten überflügelt wurde, ist wahrscheinlich die Einführung dieser Münze auf die älteste Zeit zurückzuführen.
Neben der älteren Stadt besteht seit dem Jahre 1217, wahrscheinlich aber schon früher, eine andere Ansiedlung auf der sogenannten "Schelfe", die sich im Laufe der Jahrhunderte derartig entwickelte, daß ihr im Jahre 1705 ein Bürgermeister und Rat und lübisches Stadtrecht zugestanden wurden 59 ). Vermutlich war diese Ansiedlung auf der Schelfe ursprünglich ein Wendendorf; denn die Bewohner der Schelfe lebten zunächst unter Sonderbestimmungen und waren in ihren Rechten gegenüber den Schweriner Bürgern eingeschränkt 60 ). Weil nun im Jahre 1217 auf der Schelfe bereits eine Kirche besteht, können wir das Alter dieser wendischen Ansiedlung sehr wahrscheinlich schon auf das 12. Jahrhundert zurückdatieren. Die prähistorische Wissenschaft nimmt jedoch an, daß die ersten Wohnsitze der Wenden auf der heutigen Marstallhalbinsel und dem "Großen Moor" zu suchen sind 61 ), und daher können wir der Vermutung zustimmen, daß nach der Stadtgründung das alte wendische Dorf von dem Großen Moor auf die Schelfe verlegt sei 62 ). Zugleich mit diesem Wendendorf auf der Schelfe bauten sich die Schweriner Domherren hier ihre Höfe 63 ). Diese Siedlungen und das Wendendorf sind die beiden Bestandteile, aus denen sich die spätere "Neustadt" entwickelte 64 ).
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Danach ist die Entstehung der Neustadt ganz verschieden von der Gründung der Altstadt, die wahrscheinlich aus einer schon vor 1160 vorhandenen Kaufmannssiedlung erwachsen ist.
Kapitel II.
a) Das Kolonisationsgebiet dcr Grafschaft Ratzeburg.
Die deutsche Einwanderung ergoß sich am frühesten nach Westmecklenburg. Hier war schon im Jahre 1142 die deutsche Grafschaft Ratzeburg gegründet worden 65 ), die auch einen Teil des heutigen Mecklenburg umfaßte. Als Graf wurde in Ratzeburg von Heinrich dem Löwen Heinrich von Badewiede eingesetzt und ihm als Herrschaftsbereich das Gebiet des slawischen Volksstammes der Polaben zugewiesen, der nach der Niederlage seines Fürsten Pribislav seinen Führer verloren hatte 66 ). Danach gehörten zu der neu begründeten Grafschaft Ratzeburg von dem heutigen Mecklenburg die Länder Gadebusch und Wittenburg, später auch Boizenburg. Durch Ansiedlung von Westfalen begann der Graf seine Herrschaft in ein deutsches Land zu verwandeln. Die ersten deutschen Ansiedlungen entstanden bei den alten Wendenburgen, die nach der Unterwerfung der Slawen mit deutschen Rittern besetzt wurden. Bei diesen Burgen entwickelten sich dann auch die heutigen Städte, die von den Ratzeburger Grafen allerdings nicht mehr gegründet worden sind, weil ihre Grafschaft im Jahre 1201 vom Dänenkönig aufgeteilt wurde. Immerhin haben sie diesen Teil Westmecklenburgs der deutschen Besiedlung erschlossen und damit die notwendigen Voraussetzungen zur Entstehung dieser Städte geschaffen.
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Die Stadt Ratzeburg liegt auf einer Insel mitten im Ratzeburger See auf der Grenze von Mecklenburg und Lauen-
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burg. Der größte Teil der Stadt gehört heute zu Preußen, nur der Dom und das Gebiet, das diesen unmittelbar umgibt, gehören zu Mecklenburg.
Die Stadt Ratzeburg wurde im 13. Jahrhundert gegründet für das Jahr 1285 kann man ihr Vorhandensein einwandfrei feststellen 68 ). Man hat allerdings angenommen, daß sie schon am Ende des 12. Jahrhunderts bestanden habe 69 ), wobei man sich auf die Angaben der Chronik Arnolds von Lübeck stützt 70 ). Aber dieser Chronist redet an den in Betracht kommenden Stellen immer nur von einer Burg (castrum) und nie von einer Stadt Ratzeburg. Hätte Ratzeburg damals schon als Stadt bestanden, dann würde Arnold von Lübeck den Ausdruck "civitas" gebraucht haben, den er an derselben Stelle seiner Chronik für die Stadt Lübeck anwendet. Ebenso ist 1225 gelegentlich der Belagerung Ratzeburgs durch den Grafen von Schwerin und die Bürger der Stadt Lübeck nur von einer Burg und nicht von einer Stadt Ratzeburg die Rede. Noch für das Jahr 1230 ist uns bezeugt, daß auf der Insel eine Stadt nicht gegründet war 71 ). Die zeitlich nächste Nachricht stammt aus dem Jahre 1261 72 ) und ist in einer Urkunde enthalten, die in der "urbs" Ratzeburg ausgestellt wurde. Aus der Anwendung des Wortes "urbs" hat man auf ein Bestehen der Stadt Ratzeburg schließen zu können geglaubt. Aber das Wort "urbs" 73 ) kann auch die Bedeutung Burg haben. Es ist sogar wahrscheinlich, daß es an unserer Stelle Burg
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bedeutet, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Aussteller der in der "urbs" Ratzeburg ausgefertigten Urkunde der Herzog war, dessen eigentlicher Aufenthaltsort die Burg war. Danach erscheint es wahrscheinlicher, daß 1261 mit dem Worte "urbs" die Burg gemeint war und nicht die Stadt, die uns erst 1285 ganz sicher bezeugt ist 74 ); denn im Jahre 1285 werden uns die Ratmänner der Stadt Ratzeburg genannt. Eine Stadt Ratzeburg kann daher erst zwischen 1261 und 1285 entstanden sein.
In der Zeit, als die Slawen jene Gebiete beherrschten, die ihnen später, vor allem im 13. Jahrhundert, durch die deutsche Kolonisationsbewegung entrissen wurden, war Ratzeburg bereits ein wichtiger Ort. Der wendische Volksstamm der Polaben, der ungefähr das Gebiet der späteren Grafschaft Ratzeburg beherrschte, baute auf einer Insel im Ratzeburger See eine Burg, die den Namen Ratzeburg erhielt. Diese Burginsel liegt dicht bei der Insel, auf der später die Stadt angelegt wurde. Wahrscheinlich waren die beiden Inseln, wie in späterer Zeit, auch schon damals durch einen Damm verbunden. Die Burg war die Hauptburg der Polaben. Da die "Ratzeburg" demnach damals eine erhebliche Bedeutung hatte, ist es wahrscheinlich, daß in der polabischen Zeit schon eine dörfliche Ansiedlung in ihrer Nähe bestand.
Bis zu Anfang des 12. Jahrhunderts behaupteten die Polaben sich in Ratzeburg in ihrer Macht, um dann der deutschen Gewalt zu weichen 75 ). Zu großer Bedeutung für das Deutschtum gelangte die Ratzeburg, als 1142 Heinrich von Badewiede nach einem Kampf mit Adolf von Schauenburg, der schon seit 1110 im Land der Wagrier (Holstein) als Grenzgraf tätig war, durch Vermittlung Heinrichs des Löwen und seiner Räte Ratzeburg und das Land der Polaben (Racesburg et terram Polaborum) als eine selbständige Grafschaft empfing 76 ). Die wendische Burg wurde mit deutschen Rittern
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besetzt 77 ). Von nun an konnte der Zuzug deutscher Kolonisten ungehindert einsetzen und unter dem Schutze der Ratzeburger Grafen die deutsche Kolonisation auch in dieser Gegend beginnen. Die Ratzeburg war gewissermaßen das Einfalltor der deutschen Kolonisation nach Mecklenburg geworden.
Die Bedeutung dieses Ortes ist wesentlich noch dadurch gehoben worden, daß er schon 1060 zum Sitz eines Bistums bestimmt wurde. Vielleicht gelang es nicht sogleich, das Bistum zu errichten 78 ); aber ein Kloster hat schon zu dieser Zeit in Ratzeburg bestanden 79 ). Jedoch ließ der Wendenaufstand von 1066 die Ausbreitung des Christentums, das damals bei den Wenden Aufnahme fand, wieder zum Stillstand kommen, und auch bei Ratzeburg wurde alles neu Entstandene wieder zerstört. Erst 1144, "nachdem unter Duldung Gottes wegen der Sünden der Menschen das Christentum im Slawenland ausgerottet war" 80 ), wurde zusammen mit Oldenburg (später Lübeck) und Mecklenburg (später Schwerin) das Ratzeburger Bistum von Erzbischof Hartwig von Hamburg erneuert. Aus politischen Gründen erhielt das Bistum erst 1154 seinen Bischof 81 ). Außerdem hat wahrscheinlich schon vor der Erneuerung des Bistum wieder ein Kloster in Ratzeburg bestanden 82 ).
Als Folge der deutschen Kolonisation entstand zunächst bei der deutschen Burg Ratzeburg ein Dorf, das auch mit dem Namen Ratzeburg bezeichnet wurde. Diese Tatsache erkennen wir aus der Bezeichnung, die die Kirche in diesem Dorfe führt. Sie heißt "ecclesia sancti Georgii in Raceburg" 83 ). Erst als die heutige Stadt Ratzeburg gegründet wurde, wird dieselbe Kirche die "ecclesia sancti Georgii apud Raceburg" 84 ) genannt, und das bisherige Dorf Ratzeburg erhielt nach dem
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Namen seiner Kirche die Bezeichnung "Georgsberg". Georgsberg ist noch heute unter diesem Namen erhalten. Das Dorf liegt am Ufer des Ratzeburger Sees neben der Stadt. Auch die St. Georgskirche besteht noch heute. Sie gilt für die älteste des Ratzeburger Bistums überhaupt 85 ) und ist wahrscheinlich die Kirche des Ratzeburger Klosters gewesen, dessen Gründung bereits erwähnt wurde.
Getrennt von diesem Dorf Georgsberg entstand auf einer Insel im Ratzeburger See neben der Burginsel eine andere Ansiedlung, die uns zuerst im Jahre 1230 genannt wird 86 ), wahrscheinlich jedoch schon vorher bestanden hat. Denn die Besiedlung der Insel beginnt bereits im Jahre 1158 mit der Verleihung eines Wohnsitzes an den Bischof 87 ). Vor dem Jahre 1158 war die Insel allerdings, wie uns ausdrücklich bezeugt wird, noch unbewohnt, aber von diesem Zeitpunkt an ist auch die Entwicklung der Ansiedlung auf der Insel denkbar, die uns im Jahre 1230 als "Burgfeld Ratzeburg" genannt wird. Das Burgfeld war wahrscheinlich ein Dorf 88 ) und lag auf der Insel an der Stelle, wo heute die Stadt liegt. Um dies zu beweisen, betrachten wir die Angabe des Ratzeburger Zehntenregisters über das "borchfeld". Diese lautet folgendermaßen: Vom Burgfeld Ratzeburg gehört der halbe Zehnte dem Bischof 89 ). Da nicht anzunehmen ist, daß, falls schon eine Stadt Ratzeburg auf der Insel vorhanden war, das Zehntenregister diese Tatsache verschwiegen hätte 90 ), läßt sich diese Stelle nur so deuten, daß hier dörfliche Ansiedler, die den Acker des früheren Burgfeldes bebauten, den Zehnt entrichteten. Ursprünglich war danach die erste Ansiedlung auf dem Burgfeld
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ein Dorf. Da späterhin die Stadtfeldmark genau das Gebiet des früheren Burgfeldes einahm 91 ), bleibt nur der Schluß, daß die Dorfgenossenschaft, die das Burgfeld bebaute, auch dieselbe war, die dies Feld später als Stadtfeldmark besaß. Es wird also aus diesem Eigentumsverhältnis am Burgfeld wahrscheinlich, daß eine dörfliche Ansiedlung auf der Insel Stadtrecht bekam. Auch die unregelmäßige Form des Stadtplanes deutet dies an 92 ). Es soll darauf aber wegen der Lage der Stadt auf der Insel weniger Gewicht gelegt werden, da es nicht unmöglich ist, daß diese Lage den Stadtplan beeinflußte.
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Die Stadt Gadebusch ist in ganz ähnlicher Weise entstanden, wie Ratzeburg. Die Tatsache, daß sie früher als Ratzeburg Stadtrecht bekam, läßt sich vielleicht daraus erklären, daß Gadebusch eine für Handelsverbindungen günstigere Lage hatte 94 ).
Die Stadt wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts gegründet. Ihr Gründungsprivileg aus dem Jahre 1225 ist uns in einer Urkunde des Fürsten Borwin von Mecklenburg noch erhalten. 1225 bekamen die "cives" von Gadebusch dieselbe "Freiheit" (libertatem decernimus indulgendum), wie sie Lübeck von Kaiser Friedrich und Mölln von dem Dänenkönig Waldemar verliehen wurde 95 ). Hiermit wurde Gadebusch zur Stadt erhoben.
Diese von mir soeben geäußerte Meinung steht im Widerspruch zu der jetzt herrschenden Ansicht, nach welcher Gadebusch schon vor 1225 bestanden und durch die Urkunde von 1225 nur noch einige neue Privilegien erhalten habe. In Übereinstimmung mit dieser Ansicht überschreibt das Mecklenbur-
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gische Urkundenbuch die Urkunde, welche von der Verleihung eines lübischen Stadtprivilegs an die Bauern von Gadebusch handelt, mit den Worten: "Borwin, Fürst von Mecklenburg, verleiht der Stadt Gadebusch mehrere Freiheiten der Stadt Lübeck." Mindestens seit Beginn der Dänenherrschaft rechnet man mit dem Vorhandensein der Stadt Gadebusch 96 ). Die Urkunde Borwins drückt, so nimmt man an, nichts weiter aus als die Erteilung einiger neuer Privilegien an die schon bestehende Stadt Gadebusch. Diese Ansicht wird damit begründet, daß in der Urkunde selbst bereits von "cives" (Bürgern) und "civitas" (Stadt) geredet werde, also eine Stadt 1225 bestanden haben müsse; ferner glaubt man ein dänisches Zollprivileg in der Urkunde nachweisen zu können, dessen Verleihung 1225 zur Zeit des Kampfes zwischen Mecklenburg und Dänemark nicht mehr habe erfolgen können.
Diese Argumente entbehren jedoch aus folgenden Gründen der Beweiskraft:
1. Das Wort "cives" 97 ) in der für Gadebusch verliehenen Urkunde scheint allerdings das Vorhandensein einer Stadt Gadebusch zu beweisen. Aber es vermag wegen seiner doppelten Bedeutung keinen Ausschlag zu geben. In vielen Urkunden wird das Wort "cives einwandfrei im Sinne von "colonus" gebraucht 98 ).
2. Ferner hat man aus der Tatsache, daß den "cives" Zollfreiheit bis an die Elbe gewährt wird, geschlossen, daß ihnen die Vergünstigung in dieser Form nur vor 1225 verliehen sein könne. Man glaubt nämlich wegen der Grenzbezeichnung "bis an die Elbe" zu dem Schluß berechtigt zu sein, daß dies Zollprivileg an die Gadebuscher von den Dänen verliehen sei, da die Elbe vor 1225 die Grenze für das dänische Königtum bildete. Im Jahre 1225, aus welchem uns das Gadebuscher Privileg erhalten ist, war den Dänen aber durch die kühne Tat des Grafen von Schwerin, der den König in
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seinem Lande gefangen nahm, die Elbgrenze schon verloren gegangen. Ein derartiges Zollprivileg, wie die Gadebuscher es 1225 nach unserer Urkunde erhalten, konnte ihnen damals also von den Dänen nicht mehr ausgestellt werden. Die Gadebuscher müßten es also von den Dänen vor 1225 erhalten haben. Dagegen kann man nun einwenden, daß, wenn die Gadebuscher wirklich vor 1225 ein Zollprivileg von den Dänen bekamen, diese Tatsache allein für das Bestehen einer Stadt Gadebusch vor 1225 noch gar nichts besagt. Mölln, das nach unserer Urkunde schon 1225 von dem Dänenkönig Waldemar dasselbe Privileg erhielt, wird trotzdem im Ratzeburger Zehntenregister aus dem Jahre 1230 als Stadt noch nicht aufgeführt 99 ). Man kann die Verleihung des "dänischen Zollprivilegs" auch noch ohne Bedenken im Jahre 1225 für möglich halten, wenn man mit Bloch annimmt, daß dem Fürsten Borwin eine dänische Königsurkunde für Mölln als Muster bei der Ausstellung der Gadebuscher Urkunde vorgelegen hat. Dann würde sich die dänische Formulierung, als aus dieser Vorlage entlehnt, für die Gadebuscher Urkunde leicht erklären. Danach ist auch dieser Grund, der der Urkunde von 1225 entnommen ist, für ein Vorhandensein der Stadt vor 1225 nicht beweiskräftig.
3. Der Inhalt des Freiheitsbriefes 100 ) aus dem Jahre 1225 läßt vielmehr erkennen, daß städtisches Leben in Gadebusch erst mit dem Jahre 1225 beginnen konnte, weil in dieser Urkunde Rechte verliehen werden, die für die Existenz einer Stadt unbedingt nötig sind. Man kann auch nicht annehmen, daß die Gadebuscher im Jahre 1225 nur neue Privilegien für ihre alten eintauschten 101 ). Der Inhalt der Urkunde bietet hierfür keinen Anhalt.
Es spricht danach alles dafür, daß vor 1225 Gadebusch keine Stadt war, sondern diese erst im Jahre 1225 durch das Privileg Borwins gegründet wurde.
Schon in der Wendenzeit hatte das Volk der Polaben sich in Gadebusch eine Burg gebaut, die keineswegs unbedeutend,
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sondern der Mittelpunkt eines Burgbezirks war, der nach dem Namen der Burg Gadebusch genannt wurde 102 ). Die Grenzen dieses Burgbezirks deckten sich wahrscheinlich mit denen des späteren "Landes Gadebusch". Außer der wendischen Burg bestand hier auch eine wendische Ansiedlung, die jedoch allem Anschein nach nicht auf der Stelle der heutigen Stadt lag, sondern daneben. Wenigstens lebten schon im 13. Jahrhundert wendische Fischer außerhalb der Stadt in dem sog. "Kietz" 103 ).
Als die Polabenherrschaft infolge der Errichtung einer deutschen Grafschaft zu Beginn des 12. Jahrhunderts endgültig beseitigt wurde 104 ), verlor die Burg Gadebusch nicht ihre Bedeutung 105 ). Sie bekam eine deutsche Besatzung, und in den Kämpfen Heinrichs des Löwen gegen Barbarossa um 1180 wird uns von ihr zuerst berichtet. Die Burg wurde zu einem Stützpunkt für die deutsche Kolonisation.
Unter dem Schutz der Besatzung entstand vor der Burg neben dem Wendendorf wahrscheinlich ein neues Dorf, aus dem die heutige Stadt erwachsen ist. Für die Existenz eines solchen Dorfes spricht schon der Umstand, daß das lübische Recht erst 1271 für die Weiden, Wiesen und Wälder der Gadebuscher Gemeinde Geltung bekam 106 ). Es läßt sich daraus schließen, daß diese 1271 zum Stadtgebiet gehörenden Teile vorher unter Landrecht standen, sich also in einem Rechtszustand befanden, der evtl. früher auch einmal in Gadebusch selbst geherrscht hat. Die Bewohner dieses Dorfes waren wahrscheinlich überwiegend deutscher Herkunft. Das erkennt man schon aus dem deutschen Wort "Bvriencivm" im alten Gadebuscher Stadtsiegel, ferner aus den Bürgernamen der späteren Zeit 107 ) und dem Stil der
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Gadebuscher Kirche, der die westfälische Herkunft der ersten Kolonisten deutlich bezeugt 108 ).
Bei der Gründung der Stadt wurde das deutsche Dorf von den Einwohnern wahrscheinlich nicht verlassen. Es ist nicht einzusehen, was die Bauern, denen 1225 Stadtrecht verliehen wurde, veranlaßt haben sollte, ihre alten Wohnstätten aufzugeben und sich neue Häuser zu bauen. Auch die Betrachtung des Stadtplanes 109 ) macht dies wahrscheinlich. Die Stadt besteht eigentlich nur aus einer einzigen langen Straße, der heutigen Steinstraße. Sie führt an der Kirche und dem Rathaus vorbei am Burgabhang entlang. Diese Hauptstraße war wahrscheinlich in der Dorfzeit die alte Dorfstraße. Der Markt zeigt eine ganz unregelmäßige dreieckige Form. Ein schmaler Häuserblock am Rathaus trennt heute Markt- und Kirchplatz voneinander. Es ist anzunehmen, daß früher diese Trennung nicht bestand, daß vielmehr in der Dorfzeit beide einen zusammenhängenden Platz, den Kirchplatz, bildeten, dessen einer Teil bei der Stadtgründung dann der Marktplatz wurde. Auch aus der Lage und dem hohen Alter der Kirche ergibt sich, daß bei der Stadtgründung die Gadebuscher Bauern ihr altes Dorf nicht verlassen haben. Man nimmt an, daß der romanische Bau der Gadebuscher Kirche nach 1203 entstanden ist 110 ). Da nach unsern vorigen Untersuchungen die Stadt aber erst 1225 gegründet wurde, so hat auch die Kirche, die nach 1203 entstanden sein soll, schon in dem alten Dorf gestanden. Hätte 1225 bei der Stadtgründung schon eine Neuanlage stattgefunden und wäre das Dorf Gadebusch von seinen Bewohnern, die in die neuentstandene Stadt übersiedelten, verlassen worden, so wäre es wahrscheinlich, daß auch die Gadebuscher Dorfkirche außerhalb der Stadt liegen würde oder an den Rand der Stadt gedrängt wäre. Das ist aber nicht der Fall. Die Kirche liegt noch heute mitten in der Stadt an der Hauptstraße neben dem Markt. Nach alledem wurde wahrscheinlich das alte Dorf Gadebusch 1225 bei der Stadtgründung von
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seinen Bauern nicht verlassen, sondern blieb als Stadt Gadebusch bis heute erhalten.
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Wittenburg in Westmecklenburg, heute nur eine kleine Landstadt, hatte in der Wendenzeit und im Mittelalter eine weit größere Bedeutung. In unsern Tagen nimmt Hagenow, das einst nur ein Dorf und später eine Stadt im Lande Wittenburg war, eine wichtigere Stellung ein. Hier befindet sich das Amt, zu dessen Verwaltungsgebiet auch Wittenburg gehört. Die Rollen zwischen Hagenow und Wittenburg sind also in neuerer Zeit vertauscht worden. Deutlich macht sich hier der Einfluß der Eisenbahnlinie bemerkbar. Während Hagenow an der Hamburg-Berliner Bahnstrecke liegt, führt an Wittenburg nur eine weniger wichtige Linie vorbei. Einst lag Wittenburg jedoch an der großen Landstraße, die von der Elbe herauf nach Lübeck führte 112 ). Dieser günstigen Lage verdankt es die Stadt Wittenburg wahrscheinlich, daß sie schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts gegründet wurde. Wittenburg ist eine der ältesten mecklenburgischen Städte. Wir sind allerdings nicht wie bei Gadebusch in der günstigen Lage, das Datum der Gründung genau bestimmen zu können. Es läßt sich nur sagen, daß die Gründung vor 1230 erfolgt sein muß; denn in diesem Jahre wird uns im Ratzeburger Zehntenregister Wittenburg bereits als Stadt (civitas) genannt 113 ). Möglicherweise erhielt Wittenburg schon vom Dänenkönig Stadtrecht, da dieser am Anfang des 13. Jahrhunderts auch das Land Wittenburg vorübergehend beherrschte 114 ). Und wenn nicht während der Dänenherrschaft, so erfolgte die Stadtrechtsverleihung bald nach dem
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Ende derselben 115 ) 116 ). Im Jahre 1230 ist, wie bereits erwähnt, eine Stadt Wittenburg vorhanden 117 ).
In der Wendenzeit stand hier eine Burg, die der Mittelpunkt des Landes gewesen ist und ihm den Namen gegeben hat 118 ). Von der Existenz eines slavischen Dorfes neben der Burg ist uns nichts bekannt.
Wittenburg ist neben Ratzeburg und Gadebusch der dritte der Burgbezirke gewesen, in die das Land der wendischen Polaben zerfiel, als Heinrich von Badewiede hier von Heinrich dem Löwen 1144 als Grenzgraf eingesetzt wurde 119 ). Frühzeitig wird der Ratzeburger Graf auch diese alte wendische Burg mit deutschen Mannen besetzt haben; schon der deutsche Name Wittenburg scheint darauf hinzuweisen.
Jedenfalls erwuchs am Fuße der Burg eine vorwiegend von Deutschen bevölkerte Ansiedlung 120 ), die sich allmählich soweit entwickelte, daß ihr Stadtrecht verliehen werden konnte. Die Erhebung Wittenburgs zur Stadt hat sich demnach wahr-
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scheinlich in der gleichen Weise wie in Gadebusch und Ratzeburg vollzogen, indem auch hier ein Dorf Stadtrecht bekam.
Diese Entwicklung erkennt man aus dem Alter des Kirchspiels, das uns fast 40 Jahre früher als die Stadt bekannt wird. Im Jahre 1194 haben wir bestimmt mit dem Vorhandensein des Kirchspiels zu rechnen 121 ). Wahrscheinlich wird jedoch die Wittenburger Kirche, wenn auch nicht in ihrer heutigen Gestalt, schon damals, als die Burg eine deutsche Besatzung erhielt, erbaut sein 122 ). Das Bestehen der Kirche, bevor die Stadt gegründet wurde, läßt mit Sicherheit vermuten, daß schon vorher ein Dorf vorhanden war, in dem sie stand. Der Stadtplan von Wittenburg 123 ) macht es nun sehr wahrscheinlich, daß die Stadt unmittelbar aus der alten dörflichen Ansiedlung hervorgegangen ist. Er zeigt genau wie bei Gadebusch eine lange Hauptstraße, die sich vor der Burg an der Kirche und dem Markt vorbeizieht. Kirche und Rathaus liegen auf einem unregelmäßigen dreieckigen Platz vor dem Zugang zur Burg, der wahrscheinlich zunächst als großer freier Platz die Kirche umgab und von dem sich erst später bei der Gründung der Stadt durch den Bau des Rathauses der Markt abtrennte. Auch heute noch bilden beide Plätze, Markt- und Kirchplatz 124 ), eine Einheit; denn sie sind weder durch Häuser noch durch Mauern geschieden.
Dem Stadtplan nach zu urteilen, ist es also sehr wohl möglich, daß die Einwohner des alten Dorfes Wittenburg nach der Verleihung des Stadtrechtes in ihrer alten Siedlung verblieben, so daß das alte Dorf Wittenburg uns vermutlich in der heutigen Stadt noch erhalten ist.
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Die Stadt Hagenow liegt an der wichtigen Bahnstrecke Hamburg-Berlin. Zugleich führt von hier eine Bahn nach Schwerin, Wismar und Rostock. Die Lage dieser Stadt im
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Verkehrsnetz der Neuzeit ist also sehr günstig, und so kommt es, daß sie heute im Gegensatz zu früher nicht ohne Bedeutung ist.
Zur Stadt wurde Hagenow erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erhoben. Im Jahre 1370 wird der Ort zuerst als Stadt erwähnt 126 ). Lisch verlegt die Gründung vielleicht mit Recht in die Zeit nach dem Jahre 1359, in welchem Herzog Albrecht von Mecklenburg die Grafschaft erworben hatte 127 ).
Eine Erklärung für die verhältnismäßig späte Gründung dieser Stadt mag darin zu suchen sein, daß Hagenow in wendischer Zeit nicht der Mittelpunkt eines eigenen Landes war, sondern zum Lande Wittenburg gehörte. Bei der deutschen Kolonisation wurde diese Einteilung beibehalten, und Hagenow gehörte auch noch als Stadt zum Lande Wittenburg 128 ). Dieser Umstand wird wahrscheinlich die Entwicklung Hagenows gehemmt haben. Dazu kommt noch, daß die bäuerliche Besiedlung der Umgebung Hagenows nur sehr langsam vor sich ging. Noch heute liegt das größte zusammenhängende Waldgebiet Mecklenburgs in dieser Gegend.
Als die Slaven in Mecklenburg herrschten, bestand in Hagenow wahrscheinlich eine Burg 129 ), die uns jedoch für die damalige Zeit nicht bezeugt ist. Auch ein wendisches Dorf wird es gegeben haben, denn man kennt in Hagenow noch das Wort "Kietz", das überall zur Bezeichnung einer wendischen Fischeransiedlung dient 130 ).
Zu Beginn der Kolonisation wurde die wendische Burg von deutschen Rittern besetzt, die bald deutsche Bauern nach sich zogen. Schon im Jahre 1190 wird uns ein Ritter und ein Priester als in Hagenow ansässig bezeugt 131 ), die beide einen deutschen Vornamen führen. Vielleicht läßt sich auch
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aus der frühen Erwähnung eines Priesters in Hagenow der Schluß ziehen, daß schon im 12. Jahrhundert hier neben dem Kietz ein anderes Dorf bestand. In unserer Überlieferung wird dieses Dorf 1230 zuerst genannt 132 ) und weiterhin ausdrücklich als solches erwähnt 133 ), bis uns im Jahre 1370 eine Stadt Hagenow begegnet.
Wo blieb nun das Dorf bei der Stadtgründung? Darüber gibt uns ein Stadtplan aus dem Jahre 1748 Aufschluß 134 ).
Er zeigt uns, daß die ganze Anlage der Stadt die eines Dorfes ist. Wir sehen eine einzige lange Straße, von der sich zur Kirche der "Papensteig" und der "Enge Markt" abzweigen. Als Marktplatz der alten Stadt diente, wie aus dem Namen hervorgeht, der "Enge Markt", eine Straße, die zur Kirche führt und sich an ihrem einen Ende zu einem kleinen dreieckigen Platz erweitert. Vielleicht hat auch noch der Häuserblock zwischen Papensteig und "Enger Markt" ursprünglich mit zum Kirchplatz gehört. In diesem Fall würde sich nämlich ganz genau das gleiche Bild wie bei Gadebusch und Wittenburg ergeben, daß an der Hauptstraße der große Kirchplatz mit der Kirche liegt. Die heutige Trennung der Kirche von der Straße wäre dann nur ein Ergebnis der späteren Entwicklung. Danach erhalten wir als ursprünglichen Plan Hagenows die lange Dorfstraße und ungefähr in der Mitte dieser Straße daran anschließend den großen Kirchplatz mit der Kirche. Es ist daher anzunehmen, daß den Bauern von Hagenow im 14. Jahrhundert Stadtrecht verliehen wurde, da uns anscheinend das alte Dorf in der heutigen Stadt noch erhalten ist.
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Die Stadt Boizenburg ist durch ihre Lage an der Elbe vor anderen mecklenburgischen Städten bevorzugt. Im Mittelalter führte die Salzstraße von Lüneburg nach den Ostseeländern sowie eine Landstraße über Mölln nach Lübeck hier
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über die Elbe 136 ). Dieser günstigen Lage verdankt die Stadt Boizenburg es wahrscheinlich, daß sie bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet wurde. Im Jahre 1241 werden Ratmänner dieser Stadt genannt 137 ) und über 20 Jahre später (1267) wurde ihr das lübische Stadtrecht verliehen 138 ). Wie aus der Urkunde hierüber, die städtische Verhältnisse bereits voraussetzt, hervorgeht, handelte es sich bei dieser Verleihung wohl nur um eine Bestätigung eines bereits vor 1267 bestehenden Rechtszustandes 139 ). Die Stadt hat unzweifelhaft schon vorher bestanden 140 ).
Die verhältnismäßig frühe Stadtgründung hatte jedoch nicht nur verkehrsgeographische Voraussetzungen, die mit der günstigen Lage Boizenburgs erfüllt waren, sondern auch die historische Entwicklung wirkte dabei mit, die diesen Ort schon seit langer Zeit zu einem bevorzugten Platz gemacht hatte.
Schon in slavischer Zeit war die Burg, die wahrscheinlich der wendische Volksstamm der Polaben 141 ) sich dort gebaut hatte, der Mittelpunkt des Landes, das nach ihr das Land Boizenburg genannt wurde 142 ). Bei der Bedeutung dieser Burg ist es wahrscheinlich, daß auch eine slavische Ansiedlung in ihrer Nähe bestand 143 ).
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Infolge der deutschen Kolonisation wurde die Herrschaft der Slaven auch hier beseitigt, aber die bedeutende Stellung dieser Burg dauerte auch unter der deutschen Herrschaft fort. Sie blieb der Mittelpunkt des Landes. Vermutlich stand dieses im Anfang der Kolonisation unter der besonderen Herrschaft Heinrichs des Löwen 144 ), der die günstige Lage Boizenburgs in unmittelbarer Nähe seiner beiden Stützpunkte Lüneburg und Artlenburg erkannte und diesen wichtigen Ort durch eine Besatzung sicherte. Um das Jahr 1170 erscheint urkundlich mehrmals ein Graf von Boizenburg 145 ), woraus sich ziemlich sicher erkennen läßt, daß damals schon eine deutsche Burgbesatzung den wichtigen Elbübergang bewachte.
Neben der deutschen Burg wird sich hier schon sehr früh eine deutsche Ansiedlung entwickelt haben. Denn außer der Burg hat auch schon zu Zeiten Heinrichs des Löwen eine Zollstätte dort bestanden, weil der Flußübergang hierfür geeignet war. Den Hamburgern wird schon von Heinrich dem Löwen eine Befreiung von diesem Zoll bewilligt 146 ). Auch eine Kirche war vielleicht schon vor der Stadtgründung vorhanden, denn mehr als 20 Jahre früher, als uns Ratmänner von Boizenburg genannt werden, lesen wir 1217 von einem Priester von Boizenburg in den Urkunden 147 ).
Vielleicht haben wir die erste deutsche Ansiedlung in "Altendorf" zu suchen, das in der Nähe des heutigen Boizen-
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burg liegt. Dafür spricht der Name Altendorf selbst, in dem uns die Erinnerung an die alte Siedlung aufbewahrt zu sein scheint. Es ist anzunehmen, daß die Bürger, die bei der Gründung in die Stadt zogen, die alte Siedlung so benannten. Zu dieser Annahme paßt auch sehr gut, daß der Stadtplan 148 ) keine Ähnlichkeit mit einem Dorfgrundriß erkennen läßt; denn die Stadt ist kreisförmig angelegt und hat regelmäßige, sich rechtwinklig schneidende Straßenzüge. Die Gründung erfolgte also wahrscheinlich in der Weise, daß neben einem bereits bestehenden Dorf die Stadt neu gebaut wurde. Ein ursprüngliches deutsches Dorf kann uns also, wenn es überhaupt noch vorhanden ist, nicht in der heutigen Stadt, sondern nur daneben erhalten sein. Andererseits ist auch die Möglichkeit, daß Altendorf die Wiek der alten Wendenburg gewesen ist, wie Schlie 149 ) es behauptet hat, nicht von der Hand zu weisen.
Die Städte in den deutschen Grafschaften Mecklenburgs sind gewöhnlich aus Dörfern erwachsen. Wenn Boizenburg eine Ausnahme macht, so ist der Grund hierfür wohl in der günstigen Lage dieses Ortes zu suchen. Schon früh scheint sich hier ein Marktverkehr entwickelt zu haben. Jedenfalls ist im Jahre 1218 in einer Urkunde des Grafen von Schwerin von einem Boizenburger Scheffelmaß die Rede 150 ). Diese Nachricht läßt auf einen gewissen Marktverkehr in Boizenburg schließen. Vielleicht hat der Markt schon von Anfang an an der Stelle gelegen, wo später die Stadt neben dem Dorf gegründet wurde.
Die Länder an der Elbe und Elde mit den wendischen Namen Jabel und Wehningen gehörten seit dem Jahre 1190 zum Kolonisationsgebiet der Grafen von Dannenberg 151 ), deren
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Grafschaft bereits von Heinrich dem Löwen begründet wurde 152 ). Große Erfolge haben diese bei ihrer Kolonisation in der ersten Zeit nicht erzielt 153 ). Das erklärt sich vor allem daraus, daß diese Länder wegen ihres sandigen Bodens die Kolonisten nicht übermäßig anlockten. Besonders war es das Land Jabel zwischen Sude und Rögnitz, das mit seinem Heideland ein Vordringen der Kolonisationsbewegung nach Osten verhinderte. So kam es, daß auch die wendische Bevölkerung in Wehningen und Jabel sich noch zahlreich erhielt, wodurch ebenfalls die Einwanderung deutscher Ansiedler erschwert wurde. Die beiden Städte Dömitz und Grabow, die von den Grafen in diesem Gebiet angelegt wurden, begegnen uns daher auch erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts.
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Die Stadt Dömitz ist dadurch über die Grenzen Mecklenburgs hinaus bekannt geworden, daß Major von Schill auf seinem Freiheitszug gegen die Franzosen ihre Festung, "das feste Haus", erstürmte und einige Jahrzehnte später Fritz Reuter hier gefangen saß. Wirtschaftlich ist sie heute infolge ihrer günstigen Lage an der Elbe von Bedeutung.
Die Stadt wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet. Im Jahre 1259 begegnen wir ihr als Stadt zum erstenmal 155 ). Meyer glaubt aus der Tatsache, daß in einer Urkunde des Jahres 1237 156 ) Dömitz neben Dannenberg und Lenzen genannt wird, feststellen zu können, daß Dömitz, da Dannenberg und Lenzen nach Meyers Ansicht damals schon Stadtrecht besaßen, im Jahre 1237 ebenfalls Stadt war 157 ).
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Leider kann Meyer dies aber auch für Dannenberg und Lenzen nicht nachweisen. Der letzte Ort erscheint im Jahre 1219 noch als Dorf 158 ), während Dannenberg 1202 mit dem doppeldeutigen "urbs" bezeichnet wird, das über die Existenz einer Stadt noch nichts sagt 159 ).
Aus der Wendenzeit ist uns von Dömitz nichts mehr bekannt. Nur der slavische Name Dömitz deutet vielleicht darauf hin, daß es in der Nähe der heutigen Stadt einst ein slawisches Dorf Dömitz gegeben hat. Eine Hauptburg war in der Wendenzeit bei Dömitz jedenfalls nicht vorhanden, denn der Name des Landes, in dem Dömitz lag, lautete Wehningen oder, wie es wörtlich in den alten Urkunden heißt, "Waninke" oder "Wannige" 160 ). Daraus geht deutlich hervor, daß Dömitz zur Wendenzeit nicht der Mittelpunkt des Landes war. So erklärt sich auch, daß der Name Dömitz erst verhältnismäßig spät erwähnt wird, nämlich im Zehntenregister des Bistums Ratzeburg aus dem Jahre 1230, wo von einem Priester aus Dömitz berichtet wird 161 ). Wahrscheinlich ist jedoch an dieser Stelle schon ein Dorf Dömitz gemeint, das durch die Kolonisation entstanden war. Wir wissen nämlich, daß seit dem Jahre 1190 die Dannenberger Grafen darauf bedacht waren, das Land Wehningen zu kolonisieren 162 ). Ferner haben wahrscheinlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts diese Grafen auch eine Elbzollstätte bei Dömitz eingerichtet; denn es wird uns im Jahre 1237 von einem Zollbeamten berichtet, der in Dörmitz ansässig ist 163 ).
Endlich ist ein Privileg der Stadt Dömitz aus dem Jahre 1505 bekannt 164 ), dessen Inhalt jedoch auf weit frühere Zeiten zurückgeht. Wir nehmen an, daß uns in diesem Privileg,
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allenfalls schon etwas verändert 165 ), der Stiftungsbrief der Stadt Dömitz aufbewahrt ist. Dieses Privileg sagt deutlich, daß den Dömitzern nur "ehre freiheide und rechticheide, die sie oldinges beth hertho gehat hebben", bestätigt werden. Es enthält das Recht "der Berufung ans lübische Recht", die Zubilligung eines Teiles der Gerichtsgefälle, das Nutzungsrecht aus einem fürstlichen Forst und die Zuweisung des Fährgeldes von der Personenfähre, alles Vorrechte, die im allgemeinen nur bei Stadtgründungen verliehen wurden. Dazu erhielten sie auch die wüste Feldmark "Niendorp". Wenn wir danach die Bestätigung der Stadtprivilegien aus dem Jahre 1505 als den Stiftungsbrief der Stadt Dömitz anerkennen, so ist dies uns eine weitere Stütze für die Vermutung, daß vor der Stadtgründung der Name Dömitz für ein Dorf gebraucht wurde, aus dem dann die spätere Stadt entstanden ist, die nach den ältesten am Ende des 13. Jahrhunderts überlieferten Bürgernamen eine vorwiegend deutsche Bevölkerung hatte 166 ). In diesem Stadtprivileg findet sich auch die Bemerkung, daß die wüste Feldmark Niendorp, die mit gewissen Vorbehalten an Dömitz geschenkt wird, nach der Ackerverteilung der bereits vorhandenen Dömitzer Feldmark vermessen werden soll. Wir können danach annehmen, daß bei der Stadtrechtsverleihung schon ein Dorf bestanden hat, das vermutlich deutsch bevölkert war.
Ob die Stadt Dömitz neben dem Dorf angelegt wurde oder ob sie aus dem Dorf hervorging, ist aus dem Stadtplan nicht mehr deutlich zu erkennen 167 ). Scheinbar hat die Festung Dömitz in späterer Zeit auf ihre Plangestaltung starken Einfluß gehabt 168 ).
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Außer Dömitz verdankt auch Grabow den Grafen von Dannenberg seine Entstehung. Den Zeitpunkt der Gründung können wir nicht genau mehr bestimmen. Zwar ist der Stiftungsbrief der Stadt aus dem Jahre 1252 erhalten 170 ), aber er ist schon im vorigen Jahrhundert in seiner Echtheit angezweifelt und als eine Fälschung des 14. Jahrhunderts erklärt worden 171 ). Wenn wir diese gefälschte Urkunde des Jahres 1252 für die Datierung der Stadtgründung auch nicht benutzen können, so ist doch das Jahr 1252 als Gründungsjahr nicht unwahrscheinlich. weil um dieselbe Zeit auch zwei andere Städte der Grafen von Dannenberg, Dömitz und Lenzen, entstanden sind. Außerdem wird Grabow im Jahre 1275 in einer echten Urkunde als Stadt (civitas) genannt 172 ), so daß wir jedenfalls die Gründung vor dem Jahre 1275 anzusetzen haben.
Schon zur Wendenzeit scheint hier eine Burg gestanden zu haben, deren Vorhandensein wir allerdings nicht mit Bestimmtheit nachweisen können, weil die ältesten Urkunden, die die Burg erwähnen, ebenfalls Fälschungen aus späterer Zeit sind 173 ).
Jedoch unter den Grafen von Dannenberg hat sie sicher bestanden und sogar erhebliche Bedeutung gehabt, weil sie die Ostgrenze der Grafschaft sicherte. Dieselbe Urkunde des Jahres 1275, welche die Stadt Grabow zuerst erwähnt, nennt auch die Burg. Fast scheint es so, als ob die Stadt gegründet sei, um die Burg noch besser zu befestigen, denn in der "narratio" des gefälschten Stiftungsbriefes wird uns wörtlich erzählt, daß der Graf von Dannenberg "zur Verteidigung und Beschützung seiner Länder und zur Erstarkung und Mehrung seiner Herr-
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schaft die Stadt Grabow auf seinem Gebiet begründet und diesseits der Elbe angelegt habe" 174 ).
Ausdrücklich werden uns auch Ritter und Vasallen genannt 175 ), denen dieselben Vorrechte zugestanden werden wie den Ratmännern, Bürgern und Bauern der Stadt 176 ). Aus dem Inhalt des Stiftungsbriefes geht also hervor, daß die Grafen von Dannenberg bestrebt waren, ihr Land militärisch zu sichern. Wenn auch die Echtheit des Stiftungsbriefes selbst angezweifelt werden muß, so kann man vielleicht doch den Beweggrund, den er für die Anlage der Stadt angibt, gelten lassen, zumal Fälschungen selten frei erfunden sind, sondern oft auf echte Vorlagen zurückgehen. Es wäre also sehr wohl denkbar, daß der Teil des Stiftungsbriefes, der uns über die Absicht des Grafen von Dannenberg berichtet, aus dem echten Gründungsprivileg entnommen ist. Zur Stützung dieser Annahme läßt sich zunächst anführen, daß die Lage dieser Burg für den Grafen von Dannenberg militärisch von großem Wert war, da sie seine Grafschaft im Osten sicherte. Es konnte für ihn also nur von Vorteil sein, daß bei der Burg auch eine Stadt entstand, die mit ihren eigenen Befestigungsanlagen und ihrer größeren Bevölkerung die Sicherheit der Burg noch erheblich verstärkte.
Ferner wird unsere Annahme noch wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, daß nach dem Bericht des Stiftungsbriefes (1252) der Graf von Dannenberg die Stadt neu begründete. Dieser Bericht scheint dem wirklichen Hergange entsprochen zu haben, da ein Dorf Grabow, dem Stadtrecht verliehen werden konnte, vor der Stadtgründung nicht genannt wird und anscheinend auch nicht bestand. Jedenfalls ist die Stadt nicht aus einem Dorf entstanden. Dafür spricht die Form des Stadtplanes 177 ). Wie man aus einem Plan von 1725 erkennt, hat sich die Stadt
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ganz an die Elde herangebaut. Man sieht aus den vielen kurzen Straßen, die zu diesem Flusse hinführen, wie sehr die Bewohner die Lage in dessen Nähe bevorzugten. Vielleicht erfolgte diese Entwicklung sogar gegen den Willen der Männer, welche die Stadt zuerst anlegten. Denn in dem schon erwähnten Plan von 1725 erkennt man als den ursprünglich beabsichtigten Kern der ganzen Anlage den großen rechtwlnkligen Platz, auf dem Kirche und Rathaus, damals schon durch einen schmalen Häuserblock getrennt, zusammen liegen. Eine Ähnlichkeit mit einem Dorfgrundriß läßt sich in diesem Plan nicht bemerken.
Zusammenfassend können wir also feststellen, daß der Bericht der gefälschten Stiftungsurkunde, die die Gründung und Anlage der Stadt Grabow durch einen Grafen von Dannenberg erzählt, große Wahrscheinlichkeit besitzt.
Als Heinrich der Löwe im Jahre 1160 nach der völligen Unterwerfung der Obotriten einen seiner tüchtigsten Ritter Gunzelin als Statthalter über das herrenlose Wendenvolk setzte, hatte es den Anschein, als ob damit die Macht der Wendenfürsten endgültig beseitigt und ein starkes deutsches Führertum an die Stelle getreten wäre. Einer einheitlich geleiteten deutschen Kolonisation in Mecklenburg wäre das jedenfalls nur zum Vorteil gewesen. Aber die Entwicklung der politischen Verhältnisse im Reich zwang Heinrich den Löwen im Jahre 1167 zu einer Wiedereinsetzung der Wendenfürsten. Gunzelin wurde danach nur mit einem kleinen Teil seines bisherigen Gebiets, der neugebildeten Grafschaft Schwerin, entschädigt. In dieser Grafschaft entstanden unter den Nachfolgern des Grafen Gunzelin zwei Städte, nämlich Crivitz im Osten und Neustadt-Glewe im Süden der Grafschaft. Das in der Mitte derselben gelegene Schwerin war schon vorher von Heinrich dem Löwen selbst gegründet worden.
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In dem Namen Neustadt-Glewe ist die Gründungsgeschichte dieser Stadt, die um 1248 zuerst genannt wird, enthalten 179 ).
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Das Wort Glewe ist slawisch und bezeichnet wahrscheinlich ein wendisches Dorf, das vor der deutschen Kolonisation schon in der Nähe von Neustadt bestand, aber nur geringe Bedeutung hatte, denn der Mittelpunkt des umgebenden Landes war nicht Glewe, sondern Brenz, ein Dorf, das noch heute bei Neustadt liegt und in dessen Nähe ein wendischer Burgwall erhalten ist 180 ). Wo wir Glewe zu suchen haben, ist nicht sicher zu bestimmen. Vielleicht neben der heutigen Stadt unmittelbar an der Edle; denn nach einem Bericht vom Jahre 1576 181 ) gab es hier eine Siedlung mit dem Namen "Kietz" (wendische Fischeransiedlung). Es ist aber auch möglich, daß Glewe in weiterer Entfernung von der Burg und der heutigen Stadt "über den Eldengraben und Strom" hinweg gelegen hat. Hier gibt es eine Stelle, die die Flurbezeichnung "auf der alten Stadt" führt und auf der einst Neustadt gestanden haben soll.
Während in dem heutigen Neustadt-Glewer Stadtnamen das Wort Glewe also an das slawische Siedlungselement erinnert, kommt in dem ganzen Wort Neustadt-Glewe der Siedlungsvorgang zum Ausdruck, der während der deutschen Kolonisationsbewegung zur Gründung der heutigen Stadt führte. Dieser Vorgang ist vielleicht nicht so einfach gewesen, wie man ihn sich bisher vorgestellt hat 182 ). Man dachte sich ihn in der Weise, daß die Grafen von Schwerin sich zunächst, da sie die günstige Lage von Glewe an dem südlichen Ende ihrer Grafschaft erkannten, hier an der Elde eine Burg erbauten und dann neben der Burg und dem Wendendorf Glewe eine Stadt gründeten.
Ob tatsächlich die Burg 183 ) vor der Stadtgründung bestanden hat, läßt sich urkundlich nicht mehr feststellen. Da aber die Neustädter Burg an der Südgrenze der Grafschaft für den Grafen sicherlich ein militärisch wichtiger Punkt war, ist die Annahme, daß sie vor der Stadtgründung bestand, nicht unberechtigt.
Wie es aber zur Gründung der "Nova Civitas Chlewa" kam, bedarf noch einer näheren Untersuchung. Zu dem Zweck prüfen wir zunächst einen Bericht über Neustadt aus dem Jahre 1576, der von dem damaligen herzoglichen Mathematiker
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Tilemann Stella herrührt. Tilemann schreibt unter dem 8. Februar 1576 über Neustadt: "Neustadt ist vorzeiten Glewen genannt worden, imo Gneven. Diß Gnewe ist aber an diesem ort, do die statt itzunder liegt, vorzeiten nit gewesen, sondern an dem ort, do es noch itzunder auff der alten statt genant wird, liegt hinter dem Stadtvogt hinwegk und auch zum teil uber den Eldengraben und Strom." Dann fügt Tilemanns Bericht das unmittelbar südwestlich vor dem Tor gelegene wendische Fischerdorf Kietz hinzu: "Kitze, 14 Fischerkerle." Man hat diesen Bericht bisher in dem Sinne gedeutet, daß er die Gründung von Neustadt neben dem Wendendorf Glewe aussagte. Gesagt ist dies jedoch von Tilemann, wenn wir wörtlich interpretieren, nicht. Denn dieser berichtet doch, daß Neustadt einst Glewe genannt worden ist und zu dieser Zeit auf dem Platz gelegen habe, der die Bezeichnung "auf der alten Stadt" führte. Daraus geht hervor, daß Glewe an einer andern Stelle als die heutige Stadt gelegen hat. Aber wir sind nicht berechtigt, das Wort Glewe in Tilemanns Bericht ohne weiteres als eine Bezeichnung für das frühere wendische Dorf Glewe aufzufassen, wie man es bisher getan hat.
Tilemann könnte mit dem Wort Glewe auch ein Dorf gemeint haben, das seine Entstehung der deutschen Kolonisation verdankte und seinen Namen von dem in seiner Nähe gelegenen Wendendorf hernahm. Wir halten es nämlich für unwahrscheinlich, daß mit dem Flurnamen "auf der alten Stadt" die Lage des untergegangenen Wendendorfs Glewe bezeichnet wird. Man würde dafür viel eher den einfachen Namen Glewe erwarten. Außerdem gibt uns auch Tilemann selbst, wenn wir die alte Stadt nicht als das slawische Glewe gelten lassen wollen, ein Wendendorf in unmittelbarer Nähe Neustadts,den Kietz, an. In dieser Wendenansiedlung, die noch im 16. Jahrhundert bestand, haben wir dann die Reste des wendischen Dorfes Glewe zu suchen. Von diesem slavischen Dorf aber ist die alte Stadt in Tilemanns Bericht klar unterschieden.
Wir können also sagen, daß der Name Neustadt-Glewe nicht unbedingt die Anlage der Stadt neben dem Wendendorf Glewe ausdrückt. Es ist auch möglich, daß der Name an die Gründung Neustadts neben einem deutschen Dorf Glewe erinnert. Zum Unterschiede von diesem deutschen Dorf Glewe, das in der Kolonisationszeit neben dem Wendendorf Glewe angelegt wurde, erhielt die dritte Siedlung den Namen Neustadt.
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Es erübrigt noch, die Frage zu beantworten, ob Neustadt-Glewe eine Stadtgründung aus frischer Wurzel war oder ob es aus einem Dorf hervorgegangen ist. Wahrscheinlich war es vorher ein Dorf. Der Grundriß der Stadt zeigt im wesentlichen nur eine lange, in ihrem Lauf noch dazu gekrümmte Straße, an der auf der einen Seite die Kirche, auf der andern der Marktplatz liegt, und die sich an der Burg vorbeizieht 184 ). Sollte man sich zu einer Zeit, wo man auch in Mecklenburg den Kolonisationsstadtplan in seiner Vollendung bereits kannte 185 ), mit einer derart einfachen Anlage begnügt haben? Immerhin läßt der rechteckige, fast quadratische Marktplatz eine sichere Beurteilung der Entstehung des Stadtgrundrisses von Neustadt nicht zu. Man könnte wegen der regelmäßigen Form des Marktplatzes auch versucht sein, Neustadt für eine Gründung aus frischer Wurzel zu erklären. Wenn wir aber annehmen, daß Neustadt-Glewe zuerst als Dorf angelegt wurde, müssen wir selbstverständlich auch vermuten, daß die anzunehmende alte deutsche Ansiedlung Glewe ein Dorf gewesen ist, da ja Neustadt-Glewe später als Glewe entstanden ist. Vertraut man der Beschreibung, die Tilemann Stella von der Lage Glewes, der "alten Stadt", macht, so scheint dieser Ort zu einem Teil schon "über den Eldengraben und Strom hinweg" sich erstreckt zu haben. Danach hätte dann Glewe in weiterer Entfernung von der Burg der Grafen von Schwerin gelegen als Neustadt-Glewe, das sich unmittelbar am Fuße dieser Burg hinzieht. Es ist nach dieser Lage der beiden Siedlungen wahrscheinlich, daß die anzunehmende deutsche Siedlung Glewe schon vorhanden war, als die Burg angelegt wurde, dagegen Neustadt-Glewe erst zugleich mit dem Burgenbau entstand.
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Die Stadt Crivitz, die ungefähr 15 km von Schwerin entfernt liegt, wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von den Grafen zu Schwerin, zu deren Gebiet dieser Ort seit der Gründung der Grafschaft gehörte, zur Stadt erhoben. Im
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Jahre 1302 wird uns Crivitz zuerst als Stadt genannt 187 ). Die Art, wie dies geschieht, läßt jedoch vermuten, daß sie schon einige Jahrzehnte früher bestand. Uns wird nämlich berichtet, daß Graf Nikolaus von Schwerin im Jahre 1302 seiner Stadt Crivitz zur Vergrößerung ihrer Feldmark das Eigentum des Dorfes Pritzier schenkt und ihr dabei Rechte zubilligt, die ihr schon früher von den Vorfahren des Grafen verliehen waren. Man schließt daraus mit Recht, daß Crivitz bereits früher Stadtrecht erhalten hat. Graf Nikolaus war aber schon seit 1279 im Besitze des Landes Crivitz 188 ). Da er nun von seinen Vorfahren redet, die der Stadt Crivitz Rechte verliehen haben, müssen wir ihre Gründung noch vor 1279 ansetzen. Wir dürfen mit diesem Datum aber auch nicht das Jahr 1251 überschreiten, weil damals Crivitz urkundlich nachweisbar als ein Dorf anzusehen ist 189 ). Zwischen den Jahren 1251 und 1279 wird also die Stadterhebung von Crivitz sich vollzogen haben.
In wendischer Zeit lag bei Crivitz eine bedeutende Burg mit dem Namen Selesen, die auch dem ganzen Land ihren Namen gab. Noch in deutscher Zeit wird das Land Crivitz auch das Land Crivitz und Selesen genannt 190 ), eine Bezeichnung, die deutlich noch die Erinnerung an die frühere Bedeutung dieser Burg aufbewahrt. Bei ihrer Wichtigkeit ist es auch zu vermuten, daß ein Wendendorf neben ihr bestand. Vielleicht führte dieses Dorf den Namen der heutigen Stadt Crivitz, der ja wendisch ist und es wenigstens damit wahrscheinlich macht, daß ein ehemaliges wendisches Dorf Crivitz bei der Burg Selesen bestand. Der alte wendische Burgwall ist uns noch heute erhalten. Er liegt auf einer Wiese am Crivitzer See.
Die deutsche Kolonisation des Landes Selesen kam erst in den beiden ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts zur erfolgreichen Durchführung 191 ). Die Grafen von Schwerin errich-
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teten bei Selesen eine neue Burg 192 ). Sie lag auf einer Anhöhe am Crivitzer See, wo heute der Gasbehälter steht. Zugleich entstand bei dieser Burg ein neues Dorf und eine Kirche. Das Dorf wird uns im Jahre 1251 in einer Urkunde genannt. Den Vorgang der Stadtgründung von Crivitz hat man sich wahrscheinlich so vorzustellen, daß das Dorf Crivitz Stadtrecht erhielt. Dafür spricht der Inhalt der Stadtprivilegien, die uns in einer Bestätigungsurkunde aus dem Jahre 1345 erhalten sind 193 ). Während Markt- und Handelsprivilegien nicht genannt sind, werden den Crivitzern ihre Rechte auf die Stadtfeldmark und ihre besonderen Vorrechte bei der Heu- und Holzwerbung in der Lewitz ausführlich zugebilligt. Es sind also rein bäuerliche Interessen, die die Crivitzer durch die Stadtprivilegien zu sichern suchten. Damit wird wahrscheinlich, daß die Bauern vom Dorf Crivitz auch die Einwohner der Stadt blieben. Das geht auch aus dem Stadtplan hervor, der dem von Neustadt-Glewe sehr ähnlich ist 194 ). Wenn der Grundriß von Crivitz auch durch die Lage des Crivitzer Sees mitbestimmt wurde, so erkennt man doch ohne weiteres die eine breite Hauptstraße, an der der rechteckige Marktplatz liegt und die in mehrfacher Windung bei der Burg vorbeiführt, als den Kern der Ansiedlung. Wenn so der Grundriß von Crivitz im ganzen auch dem eines offenen Dorfes sehr ähnlich ist, so läßt jedoch ebenso wie bei dem Neustädter Stadtplan die regelmäßige Form des großen quadratischen Marktplatzes auch die Ansicht als möglich zu, daß Crivitz eine Anlage aus frischer Wurzel gewesen ist.
Kapitel III.
Außer den weltlichen Fürsten haben auch die geistlichen auf dem Gebiet, in dem sie grundherrliche Rechte besaßen, Städte gegründet. Das Bistum Schwerin erhielt bei seiner Dotation im Jahre 1171 auch das ganze Land Bützow zuge-
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wiesen 195 ). Hier wurde im 13. Jahrhundert die nach dem Lande und der Burg genannte Stadt gegründet. Außerdem verlieh der Bischof das Stadtrecht auch an Warin, das er als Dorf zusammen mit mehreren anderen nach dem Jahre 1225 erworben zu haben scheint.
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Die Stadt Bützow an der Warnow wurde auf dem Gebiet, das dem Bistum Schwerin gehörte, zu Beginn des 13. Jahrhunderts gegründet. Die Stadt wird uns als solche zuerst im Jahre 1236 genannt 197 ). Lange vorher kann sie jedoch nicht bestanden haben, weil in diesem Jahr der Bischof die Grenzen der Stadtfeldmark festsetzte und damit erst im Jahre 1236 der Besitzstand der Stadt endgültig geregelt wurde. Wahrscheinlich erfolgte die Gründung vor dem Jahre 1229, da uns in diesem Jahre schon von der Anstellung eines zweiten Priesters an der Bützower Kirche berichtet wird. Die Bützower Kirche bestand danach schon vor dem Jahre 1229. Von ihrer Weihe und Dotation durch den Bischof vor diesem Termin wird uns ausdrücklich berichtet.
Der Name Bützow war in der Wendenzeit die Bezeichnung einer Hauptburg, die auch dem umliegenden Land ihren Namen gab 198 ).
Wahrscheinlich hat bei der Bedeutung der Burg auch eine wendische Ansiedlung in ihrer Nähe bestanden, zumal da noch im 16. Jahrhundert der Name Kietz in Bützow bekannt ist 199 ). Als dem Bischof das Land Bützow verliehen wurde, baute er sich neben der alten Wendenburg keine neue, sondern er besetzte die alte mit seinen Rittern. Erst mehrere Jahrzehnte nach der Stadtgründung wurde die bischöfliche Burg an eine andere Stelle, in die unmittelbare Nähe der Stadt verlegt 200 ).
In der Zeit der deutschen Kolonisation, die zwischen den Jahren 1220 und 1230 im Lande Bützow zu vollem Erfolg gelangte, muß auch die Stadt Bützow entstanden sein. Wie be-
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reits erwähnt, wird eine Kirche daselbst schon genannt, bevor die Stadt bezeugt ist. Zum Jahre 1229, sieben Jahre vor der ersten sicheren Erwähnung der Stadt, erfahren wir, daß Bischof Brunward von Schwerin der Kirche zu Bützow die Zehnten aus mehreren Dörfern verliehen habe, um für den Pfarrer und einen andern Priester dort ein Auskommen zu schaffen 201 ). Bützow scheint danach im Jahre 1229 schon so bevölkert gewesen zu sein, daß der eine Pfarrer für die Gemeinde nicht mehr genügte. Auch dies setzt voraus, daß in Bützow schon vor 1229 eine Kirche bestand, da doch die Anstellung eines zweiten Priesters schon eine gewisse Entwicklung der Kirche vor dem Jahre 1229 bedingt. Besteht nun die Möglichkeit, daß die Bützower Kirche, die vor dem Jahre 1229 bestanden haben muß, zunächst noch keine Stadtkirche gewesen ist, sondern in einem Dorf gestanden hat, von dessen Existenz uns nur nichts bekannt ist? An sich ist gegen eine derartige Vermutung, die bei dem Stand unserer Quellen durchaus annehmbar ist, nichts einzuwenden. Aber die Form des Bützower Stadtplans spricht dagegen, daß die Bützower Kirche ursprünglich in einem Dorf gestanden hat und die Stadt Bützow aus einem Dorf entstanden ist, Nach einem Plan aus dem Jahre 1688 besteht die Stadt aus zwei gleichlaufenden Hauptstraßen, von denen zwar nicht rechtwinklig, aber wiederum untereinander parallel die Querstraßen abgehen. In der Mitte der Stadt liegt der ungefähr quadratische Marktplatz mit der Kirche. Der Stadtplan erweckt also den Eindruck, daß die Stadt eine Gründung aus frischer Wurzel ist 202 ).
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Das Gebiet, auf dem Warin gegründet wurde, gehörte dem Bischof von Schwerin, der sich hier auch eine Burg baute. Die Stadt scheint im Zusammenhang mit dem Burgenbau entstanden zu sein. Da uns berichtet ist, daß noch um 1284 an der Burg gebaut wurde 204 ), wird auch die Stadt kaum früher gegründet worden sein. Sie wird erst im Jahre 1306 genannt 205 ).
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Wahrscheinlich ist Warin schon die Bezeichnung eines wendischen Dorfes gewesen; denn das Wort Warin ist sicher slawisch. Die Annahme jedoch, daß Warin als wendisches Dorf schon im 12. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist, hat sich als irrtümlich erwiesen, da die Urkunden, auf die man sich stützte, sämtlich gefälscht sind 206 ). Vielleicht haben wir in dem heutigen Dorf Klein-Warin, das in der Nähe der jetzigen Stadt liegt und in einer Urkunde des Jahres 1260 zuerst genannt ist, das alte wendische Dorf zu erkennen. Dieses Dorf muß bereits vor 1260 bestanden haben, da es damals schon von Heinrich von Dybow an das Kloster Neukloster verkauft wurde 207 ). Ferner ist zu beachten, daß auch die heutige Stadt auf einem Plan des Jahres 1837 noch den Namen Groß-Warin führt. Nun entspricht meistens die Bezeichnung Groß- und Klein- bei Ortsnamen dem Zusatz deutsch und wendisch 208 ). Es scheint also, daß der Name Klein-Warin soviel wie Wendisch-Warin bedeutet und daß Klein-Warin vielleicht ein wendisches Dorf gewesen ist. Danach bezeichnet der Name Groß-Warin die eigentliche deutsche Ansiedlung, die bei der deutschen Kolonisation neben dem Wendendorf angelegt wurde und als Dorf viele Jahrzehnte vor der Stadtgründung bestand. Denn im Jahre 1233 wird uns bereits die Wariner Kirche in einer Urkunde genannt, durch die sie zusammen mit 11 andern Dorfkirchen dem Archidiakonat des Klosters Rühn bei Bützow unterstellt wird 209 ). Außerdem müssen wir für das Jahr 1260, in dem uns Klein-Warin als Dorf genannt wird, auch das Vorhandensein von Groß-Warin annehmen, da sonst das Beiwort Klein- vor Warin keinen Sinn hätte.
Wie uns der Stadtplan der heutigen Stadt Warin zeigt, wurde anscheinend dieses deutsche Dorf mit Stadtrecht bewidmet. Ein Marktplatz ist nicht vorhanden. Das Rathaus steht noch heute auf einem kleinen, ungefähr dreieckigen Platz, der den Namen Viehmarkt führt. Die eine lange Haupt-
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straße, die heutige Breite und Lange Straße, war sicherlich vor der Stadtgründung schon die Dorfstraße, da sie unmittelbar vor der bischöflichen Burg vorbeiführt 210 ). Es ist daher anzunehmen, daß das deutsche Dorf Groß-Warin zur Stadt erhoben worden ist.
Kapitel IV.
Die Entstehung der Herrschaft der wendischen Fürsten in Mecklenburg fällt in das Jahr 1164, in dem Pribislaw, der Sohn des letzten selbständigen Obotritenfürsten Niklot, von Heinrich dem Löwen in einen großen Teil seiner väterlichen Herrschaft wieder eingesetzt wurde. Die Kolonisationsbewegung wurde vor allem von seinem Sohn Heinrich Borwin und dessen beiden Söhnen Heinrich und Nikolaus gefördert. "Sie, die Fürsten des Landes," sagt Bischof Brunward von Schwerin im Jahre 1219, "haben, da unsere Diözese wegen der Barbarei der Slaven zum großen Teil unangebaut war, sowohl Kriegsleute und Ackerbauer als auch Mönche hereingezogen, um den neuen Weinberg der Christenheit zu pflegen" 211 ).
Die Städtegründungen sind das Werk der Landesherren der vier Herrschaften von Mecklenburg, Rostock, Werle und Parchim, zwischen denen nach dem Tode Heinrich Borwins im Jahre 1227 seine Länder geteilt wurden 212 ). Die folgende Geschichte der einzelnen Städtegründungen ist daher nach ihrer Zugehörigkeit zu diesen Herrschaften geordnet worden. Nur das Gebiet um Stavenhagen gehörte im 12. und im größten Teil des 13. Jahrhunderts den Herzögen von Pommern, die
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dies Land erst im Jahre 1282 an Mecklenburg abtraten. Die Gründung Stavenhagens, ein Werk der Herzöge von Pommern, wird daher gesondert behandelt werden.
Die Landesherren der im Jahre 1227 entstehenden Herrschaft Rostock, die allerdings zu Anfang des 14. Jahrhunderts schon wieder einging, haben das Verdienst, daß sie von den sechs Städten, die heute in diesem Gebiet liegen, vier gegründet haben 213 ). Anscheinend haben sie während ihrer Regierung allen Städten, die in ihrer Herrschaft entstanden, das Stadtrecht und auch das Gebiet verliehen, auf dem sie angelegt wurden. Das können wir bei der Gründung von Kalen 214 ) auch urkundlich nachweisen, dessen Gebiet nicht dem Landesherrn, sondern dem Kloster Dargun gehörte. Der Landesherr entschädigte das Kloster Dargun mit 30 Hufen in Teschow und machte ihm noch andere wertvolle Zugeständnisse 215 ). Erst nach diesem Vergleich mit dem Kloster war es dem Landesherrn möglich, an Kalen das Stadtrecht zu verleihen und damit 1253 die Stadt zu gründen 216 ).
In ähnlicher Weise müssen auch die Städte Kröpelin, Ribnitz, Sülze und Marlow Stadtrecht erhalten haben. So war der Landesherr bei der Gründung der Städte entscheidend beteiligt. Er hatte vor allem finanzielle Vorteile davon, weil sich auch seine Einkünfte infolge der Zoll- und Gerichtseinnahmen, der Markt- und Grundabgaben der Stadt erhöhten. Bei der Anlage dieser vier Städte, die von den Herren zu Rostock gegründet wurden, hat wahrscheinlich aber auch die Stadt Rostock mitgewirkt, die selbst bereits vor 1218 aus einer deutschen Marktansiedlung entstanden war und so schon ein Jahrzehnt bestand, als die Herrschaft Rostock begründet wurde 217 ). Ihr Interesse an weiteren Stadtgründungen scheint entscheidenden Einfluß auf die Anlage der übrigen Städte in der Herrschaft ausgeübt zu haben. Reiche Kaufleute aus
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Rostocker Ratsfamilien waren mit ihrem Kapital an der Gründung beteiligt.
Schon die Tatsache, daß das Stadtrecht aller dieser Städte das lübische war, verdient Beachtung; und zwar wurde das lübische Recht in der besonderen Form verliehen, wie es Rostock gebrauchte. Daher wurde Rostock und nicht Lübeck der Oberhof dieser Städte 218 ). Es könnte vielleicht als selbstverständlich erscheinen, daß die Landesherren der Herrschaft Rostock den auf ihrem Gebiet gegründeten neuen Stadtanlagen das Recht ihrer ältesten und bedeutendsten Stadt, also Rostocks, erteilten. Aber diese Erklärung kann nicht befriedigen, weil nicht bloß alle im 13. Jahrhundert gegründeten Städte der früheren Herrschaft Rostock das Rostocker Stadtrecht empfingen, sondern außerdem noch drei Städte, die nicht von den Herren von Rostock gegründet wurden, nämlich Stralsund und Tribsees in Pommern und Gnoien, das den Herren von Werle gehörte 219 ). Auf die Gründung dieser Städte waren die Landesherren von Rostock ohne Einfluß. Bei diesen drei Städten muß also die Verleihung des Rostocker Stadtrechts aus anderen Gründen zu erklären sein. Daher hat man schon früher die Vermutung geäußert, daß die beiden pommerschen Städte von Rostock aus angelegt seien 220 ).
Der Einfluß der Stadt Rostock auf die Stadtgründungen der Rostocker Herrschaft wird sich uns schon aus einer Betrachtung der Entstehungszeit derselben ergeben. Da uns der Stiftungsbrief nur von einer dieser Städte erhalten ist 221 ), können wir für die übrigen ihr Alter nur nach dem Termin bestimmen, an dem sie uns zuerst als Stadt bezeugt werden. Von den sechs mecklenburgischen Städten mit Rostocker Stadtrecht sind fünf innerhalb eines einzigen Jahrzehnts, zwischen den Jahren 1250 und 1260, zuerst als Stadt genannt, und nur Marlow ist wahrscheinlich später um das Jahr 1290 gegründet 222 ). Von den andern Städten wird uns Kröpelin im
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Jahre 1250 223 ) und Ribnitz im Jahre 1252 bezeugt 224 ). Ein Jahr später wird an Kalen das Stadtrecht verliehen 225 ), während uns im Jahre 1257 Gnoien zuerst genannt wird 226 ). Im Jahre 1262 wird Sülze zuerst erwähnt 227 ). Wir können also die Beobachtung machen, daß innerhalb einer ganz kurzen Frist auf einem verhältnismäßig begrenzten Gebiet fünf neue Städte gegründet werden. Angesichts dieser kolonisatorischen Hochleistung drängt sich uns die Frage auf, wo wir die Unternehmer dieser Stadtgründungen zu suchen haben, denen wir so große wirtschaftliche Macht und so viel politischen Einfluß zutrauen dürfen.
Die Beantwortung dieser Frage wird sich uns leichter ergeben, wenn wir zunächst festzustellen suchen, in welcher Weise die Dörfer jener Gegend gegründet wurden. Die dörfliche Besiedlung vollzog sich im allgemeinen ebenso wie in anderen Gegenden des Kolonisationsgebietes. Grundherr und Unternehmer (locator) wirkten dabei in der Weise zusammen, daß der Grundherr den Grund und Boden für ein neues Dorf hergab, während der Unternehmer das Dorf mit Kolonisten besiedelte. Der Unternehmer erhielt für seine Tätigkeit meistens Einnahmen aus der Gerichtsbarkeit und einzelne Freihufen.
Nur in einem Fall ist uns eine Lokationsurkunde erhalten. Sie stammt aus dem Jahre 1262 und überliefert einen zwischen dem Abt von Dargun und dem Ritter Johann von Wachholz abgeschlossenen Vertrag, in dem der Ritter zur Ansiedlung von Bauern in dem Dorfe Rathenowe (später Rottmannshagen) verpflichtet wird 228 ). Er "erhielt die dritte Hufe für sich und außerdem noch eine, die wahrscheinlich als die eigentliche Schulzenhufe gelten sollte" 229 ). Sonst können wir die Tätigkeit von Lokatoren nur indirekt erschließen. So erfahren wir bei dem Verkauf des Dorfes Nemezow an die Stadt Rostock 1275, daß hier Johannes " de Swertze" mit seinen
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Brüdern Heinrich und Otto drei Hufen, den Zehnten von zwei Hufen, die Mühle mit dem Fischfang und Gärten besessen hat 230 ). Offenbar erklärt sich die Zusammensetzung dieses Besitzes aus der Tätigkeit der Gebrüder von Schwaß als Lokatoren des Dorfes. Das Gleiche ergibt sich, wenn wir hören, daß Georg von Niendorf in Niendorf drei von Abgaben und Dienstleistung freie Hufen besaß 231 ). Besonders deutlich spricht hier noch die Namensgleichheit von Dorf und Lokator. Der Ritter Reddagus in Freienholz besaß zwei Freihufen (mansi liberi) und zwei zinspflichtige Hufen 232 ); offenbar war er als Lokator bei der Anlage von Freienholz tätig. Endlich sei noch ein Zeugnis für die Tätigkeit von Lokatoren im Gebiet des Klosters Dargun angeführt. Als dieses Kloster im Jahre 1283 zwei freie Hufen in Warsow verkaufte, behielt es sich das Gericht vor, das mit diesen Hufen verbunden war 233 ). Aber ausdrücklich bemerkt die Urkunde, daß das Gericht "racione villicacionis" eigentlich zu den Hufen gehöre. Dieser Ausdruck läßt erkennen, daß Freihufen und das Gericht, das damit verbunden war, als etwas allgemein Bekanntes behandelt werden.
Hiernach haben wir eine Lokatortätigkeit im allgemeinen bei der dörflichen Besiedlung Ostmecklenburgs anzunehmen und wir können daher eine Unternehmertätigkeit auch bei den Stadtgründungen in diesem Gebiet um so weniger verneinen, als Stadtanlagen durch Lokatoren in Nord-Ostdeutschland sehr häufig waren 234 ). Insbesondere spricht dafür die Tatsache, daß von den sechs mecklenburgischen Städten, die Rostocker Stadtrecht erhielten, vier aus frischer Wurzel gegründet wurden und nur zwei wahrscheinlich aus einem Dorf entstanden sind 235 ).
Bezeichnenderweise sind diese zwei Städte gerade Marlow, das erst um 1290 Stadtrecht erhielt und deshalb in die eigentliche Zeit der Gründung dieser Städte nicht mehr hineingehört, und Sülze, das aus einem bei der Saline gelegenen Dorf entstanden ist. Bei der Sülzer Saline hielt man wohl
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zunächst eine Marktgründung nicht für nötig, sondern beschränkte sich auf die Anlage eines Dorfes. Die übrigen Städte sind sämtlich Neuanlagen, die sehr wohl durch einen Lokator eingerichtet sein können.
Da nun aber die Unternehmer dieser Städte, besonders weil diese in einem so kurzen Zeitraum gegründet wurden, über ein bedeutendes Kapital verfügen mußten, erhebt sich die Frage, wo das notwendige Geld in damaliger Zeit zu beschaffen war. Offenbar kommen hierfür Rostocker Kaufleute in Betracht, denen auch die politische Macht ihrer Stadt zur Seite stand. Wie groß der Reichtum Rostocks damals schon war, beweisen uns die Rostocker Testamente, die uns aus dem 13. und dem Anfang des 14. Jahrhunderts erhalten sind und in denen große Vermögen vererbt werden, ferner die großen Anleihen und Ausgaben der Stadt selbst 236 ). Dazu kommt, daß die Rostocker Kaufleute durch ihre Handels- und Familienverbindungen in Beziehung zu dem deutschen Mutterland blieben, vor allem zu Westfalen, aus dem sie selbst zum Teil gekommen waren, und dadurch deutsche Bürger leicht zur Auswanderung veranlassen konnten 237 ). Tatsächlich ist uns auch westfälische Einwanderung in Ribnitz geradezu bezeugt 238 ). Außerdem war die politische Stellung der Stadt Rostock in der Herrschaft Rostock dem Landesherrn gegenüber von überragender Bedeutung. Im Laufe des 13. Jahrhunderts war die Macht der Stadt derart groß geworden, daß zu Beginn des 14. Jahrhunderts der Landesherr, um seine Rechte ihr gegenüber zu wahren, mit Gewalt gegen sie vorgehen mußte. Dabei war er gezwungen, die Hilfe des Dänenkönigs in Anspruch zu nehmen, und erst dieser vereinigten Macht gelang es, nach monatelanger Belagerung den Widerstand Rostocks zu brechen 239 ). Die politische Macht der Stadt wird also auch im 13. Jahrhundert bedeutend genug gewesen sein, um die
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Anlage von weiteren Städten in der Herrschaft Rostock nach ihrem Willen zu lenken und ihren Bürgern, die wirtschaftlich zu einer Unternehmertätigkeit in der Lage waren, den nötigen Rückhalt zu gewähren.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts können wir den Einfluß Rostocks in diesen Städten klar beobachten; die Stadt selbst übte wichtige Rechte in ihnen aus. Als Oberhof besaß sie einen bestimmenden Einfluß auf ihre Geschicke, den diese später meist als Last empfanden, wie Rostock selbst sich auch seinem eigenen Oberhof (Lübeck) zu entziehen versuchte. Vor allem war es die alleinige Münzgerechtigkeit, die Rostock eine überragende Stellung über alle Städte in der Herrschaft Rostock gab. Als es im Jahre 1325 sich dieses Privileg für 1000 Mk. erwarb, war dadurch zugleich allen andern Städten und Ortschaften das Recht, Münzen zu prägen, in der Herrschaft Rostock genommen 240 ). Seit dem Jahre 1361 übte Rostock das Münzregal auch in Gnoien und Schwaan aus, zwei Städten, von denen nur Gnoien das Rostocker Recht hatte, während Schwaan vermutlich Schweriner Recht besaß 241 ). "Die Ausnutzung solchen Rechts konnte bloß fiskalischen Vorteilen, natürlich auch denen des Stadtsäckels dienen, aber recht wohl war eine Münzpolitik möglich, die sich von Absichten einer großzügigen, klar erwogenen Wirtschaftspolitik im Interesse eines Landes, einer Stadt oder eines ganzen Verkehrsgebiets leiten ließ" 242 ). Aber nicht bloß diese rechtlichen und wirtschaftspolitischen Rücksichten kamen für Rostock in Betracht. Es kam hinzu, daß die Stadt Rostock mit den Städten der Rostocker Herrschaft durch wirtschaftliche Interessen ihrer Bürger eng verbunden war, die sich hier Renten und andere Gerechtsame erwarben. Bemerkenswert ist, daß diese Bürger fast ausnahmslos dem Rat und dem Patriziat Rostocks angehörten 243 ) und deshalb wahrscheinlich Erwerbungen durch Vermittlung des Rates machten, so daß also auch hierbei die Stadt als solche beteiligt war. Vor allem war es die Rostocker Ratsfamilie Kopmann, die viele Erwerbungen machte. Am reichsten und am frühesten
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waren die Kopmanns in Sülze begütert. Schon im Jahre 1267 erwarben sie einen Teil der Saline 244 ). Auch in Ribnitz hatte das Geschlecht wichtige Besitzungen. Hier hatte sich im Jahre 1310 Bernhard Kopmann Einkünfte von der Wasser- und Windmühle und die Zolleinnahmen gekauft 245 ), eine finanziell nicht nur ertragreiche, sondern auch für den Rostocker Handel nicht unwichtige Erwerbung, wenn man bedenkt, daß Ribnitz zwischen Rostock und Stralsund liegt. Auch in Kröpelin hatten die Kopmanns ihr Kapital angelegt. Hier hatte Arnold Kop-mann der Frau des gestorbenen Vogtes 20 Mk. jährliche Hebungen abgekauft 246 ). Derselbe Arnold war schon im Jahre 1309 mit 20 Mk. Rente in Laage, einer Stadt bei Rostock, die aber von der Herrschaft Werle gegründet war, belehnt worden 247 ). Die Kopmanns waren also in vier verschiedenen Städten begütert. Auch die Rostocker Ratsfamilie Kröpelin hatte im Jahre 1341 in der Stadt Kröpelin, von der diese Familie vermutlich ihren Namen hat, 7 Mk. Einkünfte aus der Mühle und 20 Mk. Hebungen aus der Stadt 248 ). Eben-falls erwerben in der gleichen Stadt im Jahre 1325 die Rostocker Ratsfamilien Kruse und Isländer je 24 Mk. jährliche Einkünfte 249 ). In Marlow kaufte sich Klaus Isernbard 20 Mk. Rente, die dessen Söhne dann vier Jahre später an ihren Schwager Gödeke Recklinghausen weiter verkauften 250 ). Auch Stiftungen, die von Rostocker Bürgern an Kirchen in diesen Städten gemacht wurden, sind uns bekannt. So sollen 20 Mk. durch den Rostocker Ratmann Rode zum Ausbau der Kirche in Tessin gestiftet worden sein 251 ).
Betrachten wir das Verhältnis Rostocks zu den mit seinem Recht bewidmeten Städten, wie es in den rechtlichen und wirt-schaftlichen Beziehungen der Stadt und den Erwerbungen ihrer einflußreichsten Bürger zum Ausdruck kommt, so erkennt man deutlich den starken Einfluß, den Rostock zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf sie ausübte, und von selbst drängt sich daher die Vermutung auf, daß der Ursprung dieser Macht schon
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in einer Beteiligung bei der Gründung dieser Städte zu suchen ist.
Dies wird noch wahrscheinlicher, wenn wir die Platzauswahl, wie sie bei der Anlage der Rostocker Städte getroffen wurde, näher ins Auge fassen. Es wird sich ergeben, daß diese nicht nur nach militärischen Gesichtspunkten erfolgte, sondern vor allem nach kaufmännischem Interesse; man legte anscheinend Wert darauf, die Städte an einem direkten Wege nach Rostock anzulegen. Bis jetzt hat man angenommen, daß jene Städte, vor allem die an der pommerschen Grenze gelegenen, militärischen Gründen ihre Anlage verdanken, weil alle Städte sehr geschützt liegen und meistens neben einer Burg aufgebaut sind 252 ). Diese Begründung ist jedoch nicht ausreichend, denn die geschützte Lage war für alle Städte damals und noch lange Zeit ein Gebot der Stunde. Damit ist noch keineswegs erwiesen, daß der eigentliche Zweck der Stadtgründung überall ein militärischer war. Das geht auch nicht aus der Tatsache hervor, daß neben der Stadt meistens eine Burg bestand; denn in der Regel wurde bei der Stadt vom Stadtherrn zur Wahrung seiner Interessen auch eine Burg gebaut. Dieser Umstand würde für die Auswahl des Platzes einer Stadtgründung nur in dem Fall etwas zu bedeuten haben, wenn die Burg mit einer Besatzung schon vor der Stadtanlage bestanden hätte. Außer Marlow, dessen Burg schon in slawischer Zeit der Mittelpunkt des nach ihr benannten Landes war 253 ), ist es uns aber von keiner Stadt mit Rostocker Stadtrecht bekannt, daß schon vor ihrer Anlage in ihrer Nähe eine Burg mit einer Besatzung bestand, die zur Gründung einer Stadt verleiten konnte. Es ist gerade auffallend, daß für fast alle Städte nicht ein Platz bei einer alten slawischen Hauptburg eines Bezirks zum Stadtbau gewählt wurde, sondern ein Ort, der in keiner Beziehung zu einer solchen stand 254 ). Da wir in Westmecklenburg bei den Stadtgründungen durchaus die umgekehrte Beobachtung machen
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können, daß die Städte bei den alten Wendenburgen entstanden, müssen bei den Rostocker Städten besondere Gründe maßgebend gewesen sein, die eine andere Platzauswahl empfahlen. Offenbar müssen wir diese wieder in der besonderen Mitwirkung suchen, welche Rostock bei ihrer Anlage ausübte. Es ist nämlich bemerkenswert, daß alle diese Städte an einem direkten Weg nach Rostock liegen. Von Kröpelin und Ribnitz können wir dies ohne weiteres behaupten, da beide an der alten Handelsstraße liegen, die an der Ostsee entlang führt 255 ) Auch von Gnoien führte ein Weg (via publica) über Tessin nach Rostock, der uns schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts bezeugt ist 256 ). Ebenso ging von Kalen nach Rostock eine Straße, da eine solche (via regia) von Demmin über Lüschow (unmittelbar bei Kalen) nach Laage uns bereits im Jahre 1216 genannt wird 257 ). Danach macht auch die Platzauswahl bei der Anlage der Städte es wahrscheinlich, daß Rostock bei ihren Gründungen bestimmend mitwirkte.
Aber nicht nur durch die bisherigen Überlegungen, auch durch unmittelbare Anzeichen, teilweise schon aus der Zeit der Gründung dieser Städte, werden wir veranlaßt, einen Einfluß Rostocks anzunehmen. Wir können z. B. in den meisten Städten Namen von Ratmännern feststellen, die auch in Rostock von Ratsgeschlechtern geführt wurden. In der Stadtrechtsverleihung an Kalen werden als Zeugen "Osbornus Rufus" (deutsch: Rode) und "Hermannus Vorradt" genannt 258 ); den ersten dieser beiden Namen trägt eine Rostocker, den andern eine lübische Ratsfamilie. In späterer Zeit (1396) wird in Neukalen als Bürgermeister ein Baumgarten erwähnt 259 ), dessen Namen auch eine Rostocker Ratsfamilie führt. In Ribnitz ist uns um das Jahr 1270 ein Ratsherr Hermann Witte bekannt, dessen Familienname auf einen Zusammenhang mit der gleichnamigen Ratsfamilie in Rostock deutet 260 ). Auch in Gnoien, das im Mittelalter im Volksmund den bezeichnenden Namen Klein-Rostock führte, wird uns, allerdings erst im Anfang des 14. Jahrhunderts (1327), ein Ratmann "Hermannus Niger" genannt, dessen Familienname auch in Rostock
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erwähnt ist 261 ). Ebenso bemerkt man unter den Ratmännern von Sülze, die im Jahre 1277 zuerst namentlich genannt werden, "Hermannus Copmann" , dessen Familienname als der eines Rostocker Ratsgeschlechtes bereits bekannt ist, und "Nicolaus Pape", der gleichfalls den Namen eines Rostocker Ratsgeschlechtes trägt 262 ). Deutlich erkennt man also gleiche Familiennamen in der Mutterstadt und den Tochterstädten schon im 13. Jahrhundert, in einem Fall sogar zur Zeit der Stadtgründung; und da jene Bürger der Rostocker Tochterstädte auffallend häufig die Namen von Rostocker Ratsfamilien tragen, ist es sehr wahrscheinlich, daß der Rostocker Rat, also die Stadt als solche, an der Stadtgründung beteiligt gewesen ist.
Die Vormachtstellung Rostocks hat sich besonders stark in Sülze geäußert, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil den Rostockern das Salz der Saline wie zum eigenen Verbrauch, so auch zum Verkauf in anderen Ländern ein besonders geschätzter Artikel war. Denn in einer Urkunde aus dem Jahre 1277, in der den Besitzern von Salzgütern mehrere Privilegien erteilt werden, wird unter den Zeugen vor den Ratmännern von Sülze der gesamte Rat von Rostock genannt 263 ). Die Sülzer Verhältnisse müssen also die Stadt Rostock besonders interessiert haben.
Wir können sogar den Rostocker Ratmann Arnold Kopmann oder einen Vorfahr desselben, der uns nicht mehr namentlich bekannt ist, mit großer Wahrscheinlichkeit als vermutlichen Lokator von Sülze nachweisen. Nach einer Urkunde des Jahres 1373 verkaufte "Berndt Kopmann, ein Rhattmann zu Rozstock", an Herzog Albrecht von Mecklenburg sein Eigentum, "was er in der Stadt zur Sulten gehabt, als richte und broke uff 4 schillinge und darunter, auch funff Wörde, die iedes Jares geben 8 sundische schillinge; item 20 dr. Korneghulde, als 10 dr. rogken, 5 dr. garstenmalz und 5 dr. habermalz in der Muhlen zur Sulten, vor 210 Mark Rostocker pfenninge" 264 ). Aus der Art dieses Besitzes läßt sich erkennen, daß Sülze von einem Lokator angelegt wurde, denn die Gefälle der niederen Gerichtsbarkeit, der Zins von Hausstellen und die Einnahme aus der Mühle wurden im allgemeinen an
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einen Lokator als eine Entschädigung für seine Tätigkeit verliehen. Dieselben Einnahmen, die 1373 genannt sind, besaßen die Kopmanns auch schon früher. Arnold Kopmann, der im Jahre 1336 starb, verfügte in seinem Testament, daß alle seine Einkünfte aus der Mühle, aus der Vogtei und den Hausstellen in Sülze (omnes redditus in molendino et in aduocacia et in censibus de areis perpetuis) seinem Sohn Bernhard Kopmann zufallen sollten 265 ). Arnold Kopmann war also bereits im Besitz dieser Lokatoreinnahmen, die er sich anscheinend auch nicht erst erworben hat, da er nach einem Testament, in dem er seine Kinder aus erster Ehe mit dem vierten Teil seiner Sülzer Besitzungen abfindet, hier schon im Jahre 1308 Güter besessen hat 266 ). Wir werden daher annehmen können, daß Arnold, der uns im Jahre 1291 zuerst bezeugt wird 267 ), diesen Besitz schon von seinem Vater ererbt hat, der ebenfalls Arnold hieß und uns im Jahre 1267 als Rostocker Ratsherr zuerst genannt wird 268 ). Im gleichen Jahre erwarb dieser von dem Kloster Dargun ein Salzhaus in Sülze 269 ). Wir sehen also, daß das Rostocker Ratsgeschlecht der Kopmanns in Sülze schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts begütert gewesen ist. Nimmt man hinzu, daß unter den Sülzer Ratmännern, die uns 1277 zuerst genannt werden, auch ein Hermann Kopmann erscheint 270 ), so ergibt sich, daß der Name Kopmann mit der Stadt Sülze schon in der ersten Zeit ihres Bestehens eng verbunden ist.
Es erscheint danach sehr wohl möglich, daß ein Kopmann auch der Lokator Sülzes gewesen ist; seine Einnahmen hat Arnold Kopmann, der uns im Jahre 1291 zuerst begegnet 271 ), zweifellos schon bezogen. Diese Vermutung wird noch verstärkt durch eine im Rostocker Stadtbuch zum Jahre 1287 eingetragene Verzichtserklärung Arnolds von Sülze auf das Erbe seines Sohnes Hermann von Sülze 272 ). Dieser Verzicht sei, wie erwähnt wird, im Sülzer Stadtbuch genauer beschrieben. Da nun bekannt ist, daß sich der Beiname einer
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Person in dieser Zeit noch häufig ändert, ist es möglich, daß Arnold Kopmann mit Arnold von Sülze identisch ist und ebenso Hermann von Sülze mit dem Sülzer Ratmann Hermann Kopmann. Diese Namensänderung kann sich aber dann nur aus einer besonderen Beziehung des Arnold Kopmann zu Sülze ergeben haben, also in der Weise vermutlich, daß Arnold Kopmann nach seiner Lokatortätigkeit in Sülze den Namen "von Sülze" erhielt.
Nach allem scheint es mir nicht zweifelhaft zu sein, daß die Stadt Rostock bei der Anlage der Rostocker Städte entscheidend beteiligt gewesen ist.
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Kröpelin liegt zwischen Rostock und Wismar, ungefähr 10 km von der Ostsee entfernt. Die Stadt wird urkundlich zuerst im Jahre 1250 genannt 274 ). Der Name Kröpelin begegnet uns allerdings schon früher.
Bereits in der Wendenzeit gab es ein Dorf Kröpelin, das der späteren Stadt den Namen gab 275 ). Nach der Stadtgründung, vielleicht auch schon früher, hörte es auf zu bestehen. 1250 wird die Feldmark dieses Dorfes, das "Wendfeld" , von Borwin, dem Fürsten zu Rostock, an die Stadt Kröpelin verliehen. Daraus ersehen wir, daß die Wenden, die dies Feld bebauten, zum Verlassen Kröpelins gezwungen wurden oder aus einem andern Grunde ihr Dorf 1250 schon verlassen hatten, da in der Urkunde, die das "Wendfeld" bei Kröpelin nennt, von irgendwelchen Bewohnern, die das Feld bebauten, nicht mehr die Rede ist. Eine spätere Zeit hat die Erinne-
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rung an die wendischen Bewohner Kröpelins nicht mehr aufbewahrt. Das geht auch aus der Beschaffenheit des Kröpeliner Stadtsiegels hervor. Dieses bildet nämlich einen Krüppel ab, der auf Händen und Füßen kriecht. Das Siegelbild wurde später in der Weise gedeutet, daß einst bei der Gründung Kröpelins die Stadt so viel Land erhalten sollte, wie ein Krüppel in einem Tag umkriechen könnte. Aus Dankbarkeit, daß sie von einem Krüppel ihr Gebiet erhielt, habe sich die Stadt diese Figur zu ihrem Siegelbild erwählt. Zu damaliger Zeit 276 ) war also die Erinnerung daran, daß der Name Kröpelins slawisch war 277 ), bereits verloren gegangen, und man suchte nach einer Erklärung des Stadtnamens. Die deutsche Bevölkerung konnte sich den Namen ihrer Stadt nicht mehr erklären und glaubte in Kröpelin das deutsche Wort "Krüppel" zu finden. Das Kröpeliner Siegelbild ist demnach offenbar zu einer Zeit entstanden, in der die deutschen Ansiedler das wendische Element soweit verdrängt hatten, daß selbst eine Erinnerung an dasselbe verschwunden war.
Als die Deutschen sich in Kröpelin ansiedelten, gründeten sie nicht sogleich die Stadt, sondern legten vermutlich zuerst ein Dorf an. Dieser Siedlungsvorgang ist deswegen anzunehmen, weil anscheinend eine deutsche Bevölkerung und eine Kirche bereits vor der Stadtgründung bestanden. Die Einwanderung von Deutschen nach Kröpelin ist uns seit 1219 bezeugt. Zum Jahre 1219 wird uns ein Müller in Kröpelin genannt, der den deutschen Namen Hermann führt 278 ). Ferner wird uns 1230 ein Priester Stephan von Kröpelin erwähnt 279 ). Daraus sehen wir, daß ein Priester sich in Kröpelin aufhielt und wahrscheinlich auch eine Kirche daselbst bestand 280 ).
Vermutlich hat bei der Anlage der Stadt ein Unternehmer, ein sogenannter Lokator, mitgewirkt, der die Ansiedler herbeiführte und die Anlage der Stadt in allen Einzelheiten
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leitete. Vielleicht sind einige merkwürdige Eigentümlichkeiten, die sich in Kröpelin bis in die neuere Zeit erhalten hatten, aus der Arbeit eines solchen Unternehmers zu erklären 281 ). Es gab nämlich in der Stadt Kröpelin vier "Hofmeisterstellen", die sich durch ihre Größe von den übrigen Baustellen unterschieden. Auffallend ist, daß eine dieser Stellen, die sogenannte erste Hofmeisterstelle, die in der heutigen Dammstraße liegt, fast keine Abgaben zu zahlen hatte, während alle anderen Baustellen mit Abgaben belastet waren. Mit dieser ersten Hofmeisterstelle war ein Ackerstück, das den Flurnamen "Hundehagen" trug, verbunden. Bevor dieses Ackerstück im Jahre 1307 in den Besitz der ersten Hofmeisterstelle gelangte, hieß es "Rodehagen" 282 ). Man kann daher vielleicht die Vermutung wagen, daß der erste Besitzer, der die erste Hofmeisterstelle in dieser bevorzugten Weise besaß, bei der Anlage der Stadt Kröpelin als Lokator fungierte. So würden sich jedenfalls die besonderen Vorzüge, die mit der ersten Hofmeisterstelle für deren Besitzer verbunden waren, am besten erklären.
Der Grundriß der Stadt läßt eine derartige Annahme als möglich erscheinen. Die Gründung der Stadt geschah nämlich nicht in der Weise, daß das Dorf Kröpelin Stadtrecht bekam; es erfolgte eine Neuanlage, zu deren Ausführung sich der Landesherr wahrscheinlich eines Lokators bediente. Auf Grund der Forschungen Rönnbergs sind wir im Gegensatz zu vielen anderen Städten Mecklenburgs bei Kröpelin in der günstigen Lage, den ursprünglichen Kern der Stadtanlage zu erkennen 283 ).
Heute zeigt der Stadtplan Kröpelins gewissermaßen ein doppeltes Gesicht. Die Stadt hat, abgesehen von einigen engen Nebengassen, die in ihrer krummen Linienführung einen völlig planlosen Eindruck machen, nur eine große, breite, durchgehende Hauptstraße. Man könnte daher versucht sein, hierin den Plan eines ehemaligen Dorfes wiederzufinden. Aber die Hauptstraße selbst macht einen ganz andern Eindruck. Sie ist an allen Stellen gleich breit und läuft in gerader Richtung durch die Stadt hindurch. Der Marktplatz ist quadratisch.
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Die Hauptstraße führt mitten über ihn hinweg. Hauptstraße und Markt widerstreiten danach in der Form ihrer Anlage der Annahme, daß die Stadt aus einem Dorf entstanden ist.
Die Deutung des Stadtplanes ist uns wesentlich erleichtert durch Rönnbergs Feststellung, daß die Hauptstraße (Rostocker und Wismarsche Straße) und der Marktplatz die ältesten zusammenhängenden Teile der Stadt gewesen sind. In den andern Straßen standen, soweit sie überhaupt schon vorhanden waren, ursprünglich nur einige vereinzelte Häuser. Die ältesten Teile der Stadt sind also gerade die Hauptstraße und der Markt gewesen, die in ihrer planmäßigen Anlage, wie bereits hervorgehoben wurde, den Eindruck erwecken, daß es bei der Stadtgründung Kröpelins sich auch um eine bauliche Neuanlage handelte.
Das deutsche Dorf Kröpelin scheint bei der Stadtgründung mit unter Stadtrecht gestellt worden zu sein, da es anders gar nicht zu erklären wäre, daß von den vier Hofmeisterstellen, deren Sonderstellung bereits erwähnt wurde, drei außerhalb der Stadt gelegen sind. Die eine liegt sogar noch heute außerhalb der Stadt in der sogenannten Vorstadt 284 ). Es ist danach aus der Lage der Hofmeisterstellen anzunehmen, daß diese einst vier Höfe in dem Dorf Kröpelin gewesen sind und bei der Stadtgründung bestehen blieben, jedoch von da an mit zur Stadt gehörten. Ist unsere Annahme über einen Lokator in Kröpelin richtig, so ist auch der Besitzer der ersten Hofmeisterstelle bei der Anlage der Stadt mit beteiligt gewesen.
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An der Straße, die von Rostock an der Ostsee entlang nach Stralsund führt, liegt dicht an der pommerschen Grenze die Stadt Ribnitz. An derselben Stelle bestand schon vor mehr als 700 Jahren in der Zeit, als noch die Wenden in Mecklenburg herrschten, eine landesherrliche Krugwirtschaft, die vielleicht der Mittelpunkt eines kleineren Bezirks innerhalb des größeren Burgwardgebietes gewesen ist 286 ), da uns ausdrück-
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lich auch von einem Gericht, das mit dem Krug verbunden war, berichtet wird 287 ). Eine Stadt hat es damals hier noch nicht gegeben. Es ist aber wahrscheinlich, daß außer diesem Krug auch noch eine Burg in Ribnitz gestanden hat. Von großer Bedeutung wird sie zwar nicht gewesen sein; denn die Hauptburg in der Ribnitzer Gegend war damals Marlow, und Ribnitz gehörte wahrscheinlich zum Burgbezirk Marlow 288 ). Schon Lisch hat auf Grund einer Urkunde von 1329 288a ), durch welche Heinrich von Mecklenburg, der damalige Herr, zur Erbauung eines Klosters in Ribnitz den fürstlichen Hof außerhalb der Stadtmauern hergibt, vermutet, daß dieser Hof eine ehemalige wendische Burgstelle gewesen sei 289 ). Wir wollen im folgenden versuchen, diese Vermutung von Lisch noch wahrscheinlicher zu machen. Eine Burg in Ribnitz wird uns 1233, wenn wir ein Exzerpt, das uns von einer Urkunde aus diesem Jahre überliefert ist, richtig deuten, urkundlich genannt 290 ). Dieses Urkundenexzerpt stammt von Daniel Clandrian, einem Notar, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte. In diesem Auszug Clandrians befindet sich über Ribnitz folgender Satz: Bischof Brunward von Schwerin verleiht "aus der Stadt Ribenitz alle Zehenden, so dem Bischoffe von den bawleuten zukommen." Zunächst scheint diese Nachricht von einer Burg in Ribnitz nichts zu erwähnen. Es wird sich jedoch zeigen, daß das Wort "Stadt" durch "Burg" zu ersetzen ist. Bereits Schmaltz hat darauf aufmerksam gemacht, daß es auffällig ist, daß aus einer Stadt, wie Ribnitz hier genannt ist, der Bischof Zehnten einnimmt, da ihm "keine mecklenburgische Stadt bekannt sei, von deren Feldmark Zehnten an den Bischof gezahlt worden wären" 291 ). Daher hielt er es für unwahrscheinlich, daß Ribnitz 1233 eine Stadt war.
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Wie kommt es nun, daß Clandrian trotzdem von einer Stadt in Ribnitz berichtet? Um diesen Widerspruch zu erklären, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß Clandrian einen lateinischen Originaltext exzerpierte, den er ins Deutsche übersetzte. Es ist also sehr wohl möglich, daß Clandrian lateinische Worte, die im Deutschen in verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden, in einem Sinne übersetzt hat, in dem der Originaltext sie nicht verstanden wissen wollte. Solche doppelte Bedeutung im Deutschen hat nun auch das Wort " urbs", das entweder Burg oder Stadt bedeutet. Dieses Wort "urbs" hat Clandrian wahrscheinlich in der lateinischen Vorlage für unsere Stelle gelesen.
Es läßt sich nämlich auch an einem andern Exzerpt von Clandrian nachweisen, daß er das lateinische Wort "urbs" , das ihm bei diesem Auszug aus dem Original nur vorgelegen haben kann, mit Stadt und nicht mit Burg übersetzt hat. 1210 erwähnt Clandrian bei einer Belehnung Heinrichs von Bützow mit einem Teil der Burg und des Landes Marlow auch den "Flecken, so vor der Stadt (Marlow) liegt", der dem Heinrich gleichfalls zugeteilt wird 292 ). Die Stadt Marlow hat es 1210 aber noch nicht gegeben, da sie erst nach 1286 gegründet ist 293 ); 1210 von einem Flecken vor der Stadt Marlow zu reden, ist also sinnlos 294 ). Diese Unstimmigkeit ist jedoch leicht zu erklären, wenn man annimmt, daß Clandrian das Wort "urbs" im Original gelesen und dies statt mit Burg fälschlich mit Stadt übersetzt hat. So wird Clandrian auch bei seinem Auszug der Urkunde von 1233, wo er Ribnitz eine Stadt nennt, sich in der gleichen Weise wie bei Marlow geirrt haben. Es besteht danach Grund zu der Annahme, daß 1233 noch eine Burg in Ribnitz vorhanden war.
Die Stadt wird uns zuerst sicher 1252 bezeugt 295 ). Ratmänner, allerdings nicht ihre einzelnen Namen, werden in diesem Jahre genannt. Die Stadtgründung ist somit nach 1233 und vor 1252 anzusetzen. Bevor die Stadt gegründet wurde, bestand wahrscheinlich in Ribnitz ein Dorf. Zu dieser Annahme bestimmt uns der bereits zitierte Urkunden-
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auszug Clandrians vom Jahre 1233: Bischof Brunward von Schwerin verleiht "aus der Stadt Ribnitz alle Zehenden, so dem Bischoff von den bawleuten zukommen". Man erkennt aus diesem Satz, daß vor der Gründung der Stadt ein Dorf Ribnitz bestand, da 1233 "bawleute" in Burg Ribnitz den Zehnten bezahlten. Da diese Ansiedler der Burg natürlich nicht in der Burg gewohnt haben, können sie nur in einer besonderen Ansiedlung daneben sich niedergelassen haben (d. h. in einem Dorf gewohnt haben neben der Burg).
Das Dorf scheint nach der Stadtgründung nicht mehr fortbestanden zu haben, da es seitdem spurlos verschwunden ist. Vielleicht zogen die Bauern in die neu gegründete Stadt und erwarben hier das Bürgerrecht. Die Lage des Dorfes läßt sich nicht mehr angeben. Anscheinend ist auch die heutige Stadt aus ihm nicht hervorgegangen, weil der Stadtplan 296 ) dem widerspricht. Eine Straße führt in grader Linie am Markt vorbei durch die ganze Stadt hindurch. Ihr parallel läuft eine andere Straße, die jedoch nicht die ganze Stadt durchzieht, sondern am Markt aufhört. Von diesen beiden Längsstraßen führen genau rechtwinklig und in gleichen Abständen die Nebenstraßen ab. Der Marktplatz ist ein großes: Rechteck. Die Länge seiner beiden Seiten verhält sich ungefähr wie 1: 2.
Der Ribnitzer Stadtplan widerspricht demnach der Annahme, daß die Stadt aus einem Dorf entstanden ist. Vielmehr geht aus ihm unzweifelhaft hervor, daß bei der Stadtgründung eine bauliche Neuanlage erfolgte. Die Stadt ist in ihrer Anlage und Grundrißbildung eine kolonisatorische Neuschöpfung.
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Marlow liegt zwischen Ribnitz und Sülze an der pommerschen Grenze. In der wendischen Zeit und auch im Mittelalter hatte dieser Ort eine weit größere Bedeutung wie heutzutage. Marlow ist in unsern Tagen die einzige mecklen-.
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burgische Stadt, die noch nicht mit der Eisenbahn zu erreichen ist. Die Stadt wurde am Ende des 13. Jahrhunderts gegründet. .1286 erscheint Marlow noch nicht als Stadt, während es uns 1298 als solche genannt wird 298 ). Zwischen 1286 und 1298 wird danach die Gründung erfolgt sein.
Das wendische Marlow ist ein wichtiger Platz gewesen. Bereits in einer Urkunde von 1179 werden uns das Land und die Burg Marlow genannt 299 ). Da jedoch die Richtigkeit des Datums dieser Urkunde mit guten Gründen angezweifelt wird 300 ), so kommt als erste ganz sichere Nachricht über das wendische Marlow ein Urkundenauszug aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts in Betracht, der zweifellos aus einer echten Urkunde stammt. Nach diesem Auszuge werden im Jahre 1210 Herr Heinrich von Bützow, seine Frau und sein Sohn Thetlef von Borwin, Fürst von Mecklenburg, "mit dem halben Schlosse Marlow und dem halben teil des Gerichts des gantzen Landes Marlow" belehnt 301 ). Dazu erhält Heinrich von Bützow die Hälfte von neun Dörfern als sein Eigentum. Zu diesen neun Dörfern gehört auch der "Flecken, so vor der Burg liegt" 302 ). Wir ersehen daraus, daß es in Marlow 1210 eine wendische Burg gab und daß sich das Land, das zu dieser Burg gehörte, danach das Land Marlow nannte. Die Bedeutung von Marlow tritt uns also aus diesen Tatsachen klar hervor. Der bereits erwähnte Flecken vor der Burg erscheint mit unter den neun Dörfern, die zur Hälfte an Heinrich von Bützow verliehen werden. Die Stelle in dem Urkundenauszug heißt im Zusammenhang: "die namen der 9 Dörffer sein dise: Conesco, Cepitzco, Janikesthorp, Ratezbursthorp , Uppekenthorp, Chemkenthorp, Gutenthorp, der Flecken, so vor der Burg liegt, Halemerstorp". Es fällt auf, daß die Ansiedlung vor der Burg Marlow nicht als Dorf bezeichnet wird, sondern als Flecken, obwohl sie zu den neun Dörfern gerechnet wird.
Vielleicht verrät diese Bezeichnung noch einen besondern Sinn, durch den uns die Eigenart der wendischen Ansiedlung näher bestimmt wird. Wir dürfen annehmen, daß Clandrian, als er zuerst "Dörfer" und dann "Flecken" übersetzte, für diese
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beiden verschiedenen Übersetzungen auch verschiedene lateinische Wörter vorgefunden hat. Andererseits kann der Flecken von den Dörfern nicht so sehr verschieden gewesen sein, da er mit zu den neun Dörfern gerechnet wird. Wahrscheinlich haben wir unter diesem Flecken ein slawisches Dorf zu verstehen, das zur Burg gehörte und in dem Mark gehalten wurde. Vielleicht lautete danach das Wort der Orginalurkunde, das Clandrian mit Flecken übersetzte, "vicus", da dieses lateinische Wort gerade für ein slawisches Marktdorf mit Vorliebe gebraucht wurde 303 ). Wir sind zu dieser Annahme um so mehr berechtigt, als sich noch heute die Bezeichnung "Wiek" in Marlow als Name des Burgbergs findet. Außer der Burg Marlow bestand also 1210 in Marlow ein wendisches Marktdorf, das wahrscheinlich in enger Beziehung zur Burg stand und daher auch in ihrer unmittelbaren Nähe gelegen haben muß. Es ist nun zu vermuten, daß dieses slawische Dorf nicht auf der Stelle der heutigen Stadt gelegen hat, sondern unterhalb der Burg am Fuße des Burghügels. Der Burgberg führt, wie bereits erwähnt, heute den Namen "Wiek". Huen berichtet ungefähr in der Mitte des vorigen Jahrhunderts über diese "Wiek" bei Marlow folgendes 304 ): "Unsere Stadt wird von der Westseite durch einen ziemlich hohen Hügel eingeschlossen, dessen Fuß an der Ost- und Nordseite mit Häusern bebaut ist. Der Hügel führt den Namen "Wiek" und ist noch deshalb merkwürdig, daß die Hälfte desselben zu dem fürstlichen Amt Sülz gehört. Die Anwohner dieses Teils müssen noch jetzt einen jährlichen Kanon für Haus und Garten an das Amt entrichten und stehen unter gemeinem Recht, während die ihnen gegenüberstehenden Häuser unter lübischem Rechte stehen." Am Fuße dieses Hügels, direkt unter dem Burgberg, wird wahrscheinlich das wendische Dorf gelegen haben, so daß also die Burg in unmittelbarer Nähe des Dorfes sich befand.
Nach dem Jahre 1210, als Heinrich von Bützow mit Marlow belehnt wurde, mag bei der Burg Marlow neben der Wiek bald ein neues Dorf angelegt worden sein. Das erschließen wir aus dem Alter der Kirche, die 1244 wahrscheinlich im Bau ist und 1248 zuerst genannt wird 305 ) und neben
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der Wiek liegt. Ferner wird uns auch Marlow selbst als Dorf bezeichnet 306 ). Außerdem zeigt uns der Stadtplan 307 ), daß die Stadt aus einem ehemaligen Dorf hervorgegangen ist.. Denn wir bemerken auf ihm nur eine lange Hauptstraße, die in mehreren Krümmungen von der Recknitz herauf an der alten Wendenburg sich vorbeizieht. Der Marktplatz ist eine natürliche Erweiterung der Hauptstraße und deswegen viel länger als breit. Auf der einen Seite des Marktes, unmittelbar vor der Burg, liegt auch die Kirche. Bei der Stadtgründung wurde also vermutlich der alte Kirchplatz des Dorfes zum Marktplatz. Die Stadt selbst hat jedoch nicht mehr die Bedeutung erlangt wie die Wendenburg. Sie vermochte sogar nicht ihr wichtigstes Erbteil aus der Wendenzeit, die Gerichtsbarkeit über das Land Marlow, zu bewahren. Denn 1298 wurde das Landding oder die Landvogtei von Marlow in die Nachbarstadt Sülze verlegt.
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Die Stadt Sülze an der pommerschen Grenze wird uns im Jahre 1262 zuerst als Stadt bekannt 309 ). In diesem Jahre hören wir von einem Rat in Sülze (universitas consulum in Sulta). Trotzdem will Schmaltz mit dem Jahre 1262 die Geschichte der Stadt noch nicht beginnen lassen 310 ), denn er sieht die 1262 genannte "universitas consulum in Sulta" als die Vertretung der "Salinengenossenschaft" an. Er leitet diese Erklärung aus der Tatsache her, daß 1262 die Saline als "iuxta Marlow sita" bezeichnet wird, der Name Sülze also zur Bezeichnung der Saline noch nicht verwendet wird. Wie wir noch sehen werden, spiegelt aber dieser Ausdruck frühere Zustände wieder, die längst vor 1267 bestanden Es ist ja auch bekannt, daß die alte Bezeichnung eines Ortes, wenn neue Verhältnisse eingetreten sind, oftmals noch eine Zeitlang beibehalten wird 311 ). Noch 1304 lautet in einer Urkunde, die den Verkauf von Salzgütern in Sülze enthält,
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ein gleichzeitiger Registraturvermerk "de salina in Marlowe" 312 ).
Die Stadt Sülze verdankt ihre Entstehung den Salzquellen, die heute zu Heilzwecken ausgenutzt werden. Die Saline ist uns bereits vor 1229 bezeugt, also fast 40 Jahre früher wie die Stadt Sülze. Schon daraus können wir die Bedeutung erschließen, die die Saline bei der Stadtgründung hatte. Dasselbe lassen auch andere uns überlieferte Nachrichten erkennen. Häufiger begegnet uns nämlich im 13. Jahrhundert noch die Bezeichnung: die Saline neben Marlow oder die Saline im Lande Marlow oder ähnliche Ausdrücke. Das hat zunächst seinen Grund darin, daß Marlow in der Wendenzeit der Mittelpunkt des Landes war, in dem die Sülzer Saline liegt. Der Ausdruck " salina in Marlowe" oder "iuxta Marlowe" ist also eine Erinnerung an Verhältnisse der Wendenzeit. Ferner ersehen wir aber auch daraus, daß in wendischer Zeit eine Ansiedlung bei der Saline gar nicht bestand oder doch gänzlich unbedeutend war, da sonst die Bezeichnung der Saline nach einer unmittelbar neben ihr gelegenen Ortschaft erfolgt wäre. Es ist also wenig wahrscheinlich, daß eine wendische Ansiedlung bei Sülze einmal bestanden hat.
Dagegen lag offenbar neben der Saline vor der Stadtgründung ein anderes Dorf, das den deutschen Namen "Sulta" (Saline) erhielt und danach seine Entstehung wahrscheinlich der deutschen Kolonisation zu verdanken hat. Schon 1243 wird uns nämlich von der Saline erwähnt, daß sie "in Sulta" gelegen ist 313 ). Ferner wird uns 1257 von Zehnten des "feldes zur Sülte" berichtet 314 ). Da das Wort hier in seinem eigentlichen Sinne als Saline vorkommt, so ersehen wir daraus, daß es 1257 ein Feld war, das zur Saline gehörte und von dem Zehnten entrichtet wurden. Danach muß es auch Leute gegeben haben, die dies Feld bebauten und den Zehnten bezahlten. Da von einer Stadt aber an dieser Stelle noch nicht die Rede ist, können diese Leute nur in einem Dorf bei der Saline gewohnt haben. Dasselbe wird auch wahrscheinlich, wenn wir den Stadtplan von Sülze betrachten 315 ). Dieser
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zeigt deutlich, daß die Stadt aus einem Dorf entstanden ist. Der Richtung der Rostocker Landstraße folgend zieht sich die Hauptstraße der Stadt mit einer leichten Krümmung am Markt durch die ganze Stadt hindurch. Der Marktplatz ist eine Erweiterung dieser Straße. Wie bereits erwähnt, bekam diese Ansiedlung dann vor dem Jahre 1262 Stadtrecht. Vermutlich hat ein Angehöriger des Rostocker Ratsgeschlechtes der Kopmanns bei der Anlage von Sülze als Lokator mitgewirkt, da die Familie sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Besitz der Lokatoreinnahme von Sülze befindet und nachweislich schon im 13. Jahrhundert in Sülze begütert ist 316 ).
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Die Stadt Gnoien an der pommerschen Grenze war im Mittelalter eine der größeren Städte Mecklenburgs. Die wichtige Landstraße von Demmin nach Rostock führte durch die Stadt hindurch. 1276 erfahren wir zum erstenmal, daß eine Stadt Gnoien besteht 318 ). Wahrscheinlich wurde die Stadt aber schon einige Jahrzehnte früher gegründet. Eine Untersuchung der Siedlungselemente, die vor der Stadtgründung in Gnoien schon vorhanden waren, läßt diese Vermutung als berechtigt erscheinen. In diesem Zusammenhange muß insbesondere die Frage beantwortet werden, wie es kam, daß Gnoien, das in wendischer Zeit nicht der Mittelpunkt des erst später so genannten Landes Gnoien war 319 ), in deutscher Zeit dessen Mittelpunkt geworden ist.
In der Wendenzeit war Gnoien noch kein bedeutender Ort. Nur so erklärt es sich, daß uns der Name Gnoien erst verhältnismäßig spät, 1257 zuerst, begegnet 320 ). Jedoch wird es schon in der Wendenzeit ein Dorf Gnoien gegeben haben, da sonst der wendische Name der späteren deutschen Stadt schwer erklärlich wäre 321 ). Vermutlich hat die deutsche Stadt ihren Namen von einem wendischen Dorf übernommen, das uns heute nicht
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mehr bekannt ist. Ob eine wendische Burg bei Gnoien gelegen hat, wissen wir nicht, es ist aber wenig wahrscheinlich; und wenn sie doch vorhanden gewesen sein sollte, würde sie jedenfalls von nur geringer Bedeutung gewesen sein. Denn die Hauptburg des späteren Landes Gnoien war mindestens bis 1238 Lübchin, das damals "an der großen geraden Straße von Stralsund nach Güstrow, an dem Durchgang durch die Trebelmoore bei Triebsees" eine besonders günstige Lage hatte 322 ). 1238 werden uns noch der Vogt und die Burgmänner in Lübchin genannt. Nach 1238 begegnet uns Lübchin als Sitz einer Vogtei nicht wieder. Wir müssen daraus schließen, daß in Lübchin nach dem Jahre 1238 die Vogtei aufgegeben wurde. Wann dies geschah, wissen wir nicht. Später gehört Lübchin zur Vogtei Gnoien. Der Name Gnoien wird uns aber erst 1257 genannt, ohne daß wir erkennen können, ob damals hier eine Stadt bestand und ein Vogt sich hier aufhielt, und erst ein Jahr später (1258) begegnet uns das Land "Gnoien" 323 ). In diesem Jahr ist bereits Gnoien der Sitz der Vogtei, der früher Lübchin gewesen war. Die Verlegung der Vogtei von Lübchin nach Gnoien muß also innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren erfolgt sein, nach 1238 und vor 1258. Welches war nun der Grund, der den Landesherrn zu dieser Verlegung veranlaßte? Wahrscheinlich war dies die Gründung einer Stadt in Gnoien. Denn die Verlegung der Vogtei von Lübchin nach Gnoien könnte man sich kaum erklären, wenn Gnoien wie Lübchin gleichfalls nur ein Dorf war. Die Verlegung wird nur dann verständlich, wenn man annimmt, daß in Gnoien 1258 schon eine Stadt bestand, die durch die Zahl und die Bedeutung ihrer Bevölkerung Lübchin bald überflügelte und so zum eigentlichen Mittelpunkt des Landes wurde. Die Vermutung liegt also nahe, daß die Stadt Gnoien bereits vor 1258 gegründet ist.
Die Stadt selbst ist eine Anlage aus frischer Wurzel, denn der Stadtplan zeigt ganz deutlich, daß die Stadt nicht aus einem Dorf entstanden, sondern neu erbaut worden ist 324 ). Der Stadtplan ist dem Ribnitzer ungefähr gleich. Der Markt-
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platz ist fast quadratisch. An diesem führt in gerader Richtung die Hauptstraße, die einzige Straße, die die ganze Stadt durchzieht, vorbei. Eine andere Längsstraße, die der Hauptstraße parallel läuft, zieht sich an der anderen Seite des Marktes entlang; sie geht jedoch nicht durch die ganze Stadt hindurch, sondern hört mit ihrer einen Richtung schon am Markt auf. Genau rechtwinklig führen von diesen Längsstraßen die Querstraßen ab. Bedeutsam ist die Lage der Kirche in Gnoien. Sie liegt nicht in der Mitte der Stadt, sondern ganz am Rande. Aus dieser Lage der Kirche ließe sich vielleicht vermuten, daß hier bei der Kirche früher ein Dorf gelegen hat. Zur Zeit der Stadtgründung bestand wahrscheinlich noch das Dorf, in dem die Kirche stand; nach der Stadtgründung ging dieses unter. Die Kirche blieb aber bestehen und wurde zur Stadtkirche; nur ihre Lage neben der Stadt deutet noch auf den früheren Zustand, als Dorf und Stadt nebeneinander bestanden. Die Frage, ob es sich bei diesem Dorf um das alte slawische Gnoien handelt oder um eine Neuanlage der Kolonisationszeit, muß offen bleiben.
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Die Stadt Kalen hat ungefähr vier Jahrzehnte bestanden und ist heute schon längst vom Erdboden verschwunden. Sie soll auf der Stelle von Altkalen, einem Dorfe in der Nähe von Dargun, gelegen haben. Denn noch heute "zieht sich ein Wall, der an jeder Seite einen Graben hat, wie die Landwehren der Städte, um das ganze Dorf und die Dorfgärten" von Altkalen herum. In dieser Anlage vermutet Lisch wahrscheinlich mit Recht noch Spuren der ehemaligen Stadt 326 ), der nach der urkundlichen Überlieferung im Jahre 1253 das lübische Stadtrecht verliehen wurde 327 ).
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Der Name Kalen begegnet uns zuerst im Jahre 1174, in dem die Burg Kalen (urbs Kalen) von Kasimir von Pommern an das Kloster Dargun verliehen wird 328 ). Die Bedeutung der Burg war gering. Sie war wohl eine sogen. "Fliehburg", die nur in Notzeiten von der umwohnenden Bevölkerung aufgesucht wurde. Der Mittelpunkt in dieser Gegend war in wendischer Zeit die in unmittelbarer Nähe Kalens liegende Burg Dargun. Wo die Burg Kalen gelegen hat, ist nach den vorhandenen Urkunden nicht sicher 329 ); vielleicht hat Lisch mit seiner Annahme recht, daß ihr Burgwall im 13. Jahrhundert von Borwin von Rostock zur Anlage einer neuen Burg, von der uns berichtet wird, benutzt worden ist 330 ).
Auch ein Dorf Kalen hat es vor der Stadtgründung gegeben. Wir können es aus der Tatsache entnehmen, daß 1232 eine Kirche in Kalen genannt wird 331 ). Da eine Stadt Kalen erst im Jahre 1244 erwähnt wird 332 ), müssen wir annehmen, daß die Kirche in einem Dorf stand. Die Bewohner desselben werden uns noch im Jahre 1244 genannt 333 ). Sie legten der Stadtgründung kein Hindernis in den Weg, erklärten sich vielmehr, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, damit einverstanden. Vermutlich sind sie selbst mit in die Stadt gezogen, da das Dorf nicht Stadtrecht erhielt, sondern die Stadt Kalen, wie uns berichtet wird, neu gebaut wurde 334 ). Wiederum läßt sich eine Entscheidung darüber, ob dies Dorf ein slawisches oder deutsches gewesen ist, nicht herbeiführen.
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Die Stadtgründung scheint nicht so mühelos gelungen zu sein. Denn während uns bereits 1244 die Erbauung der Stadt überliefert ist, wird uns erst 1253 von der Verleihung des lübischen Stadtrechts an Kalen berichtet 335 ). Neun Jahre verstrichen danach noch seit 1244, bis die Stadtgründung Kalens. endgültig erfolgte. Dieser Umstand mag sich aus der Schwierigkeit erklären lassen, daß das Gebiet, auf dem die Stadt gegründet werden sollte, dem Kloster Dargun gehörte. Die Grundherrschaft über das Stadtgebiet mußte der Landesherr erst erwerben. Im Jahre 1244 sehen wir den Fürsten Borwin daher zunächst bemüht, für seine mit der Stadt zugleich neu errichtete Burg Kalen ein Burglehen für die Burgbesatzung vom Kloster Dargun zu erhalten. Es gelingt ihm zu diesem Zweck, ein Dorf, das dem Kloster gehörte und für ein Kalener Burglehen sehr geeignet und günstig erschien, gegen zwei andere Dörfer von dem Kloster einzutauschen 336 ). In den folgenden Jahren war er bestrebt, auch die Grundherrschaft der Stadt und ihrer Feldmark zu erwerben. Vor dem Jahre 1248 hat er scheinbar dem Kloster Dargun bereits für das Stadtgebiet, das er ihm genommen hatte, 30 Hufen in Teschow angewiesen 337 ). Im Jahre 1252 kommt gegen noch weitere Zugeständnisse Borwins ein endgültiger Vertrag zwischen ihm und dem Kloster zustande, der Borwin definitiv die Grundherrschaft über Kalen sicherte 338 ). Darauf erfolgte ein Jahr später (im Jahre 1253) die Stadtrechtsverleihung 339 ).
Die Lage von Kalen scheint den Bürgern jedoch nicht günstig genug gewesen zu sein; denn im Jahre 1281 erfolgte die Verlegung der Stadt Kalen in das Dorf Bugelmast 340 ). Die "narratio" der Urkunde berichtet: "wy hebben thogelaten tho kamende die stadt Kalandt in dat dorp, welker genomet was Bugelmast". Auf diese Weise entstand die heutige Stadt Neukalen. Den Bürgern von Kalen, die im Jahre 1281 ihre bisherige Stadt verließen und in das Dorf Bugelmast übersiedelten, um sich dort eine neue Stadt zu bauen, wurden ihre Privilegien, die sie in ihrer alten Stadt gehabt hatten, be-
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stätigt. Zugleich wurde ihnen auch eine Feldmark von der Größe, wie sie sie vorher in der alten Stadt besessen hatten, verliehen.
Von dem Dorf Bugelmast ist anscheinend keine Spur mehr vorhanden. Vielleicht war es bereits bei der Gründung Neukalens verlassen. Denn nach unserer Überlieferung ist die Stadt in das Dorf verlegt worden. Der Stadtplan freilich läßt dies nicht mehr erkennen 341 ). Der Grundriß Neukalens ist vielmehr ein typisches Beispiel für die Zentralanlage der mittelalterlichen Stadt 342 ). Eine Karte von 1727 zeigt diese Anlage noch besonders deutlich. Die Stadt ist kreisrund gebaut. Der Radius beträgt etwa 200 Meter. Der Marktplatz ist quadratisch und liegt im Zentrum der Stadt. Auf dem Marktplatz schneiden sich rechtwinklig zwei Straßen, die gleichsam als Durchmesser in dem Kreis der Stadtanlage liegen. Die Stadt Neukalen wurde also bei ihrer Gründung neu angelegt. Die erste Stadt Kalen erhielt nach der Gründung Neukalens den Namen Altkalen und ist bald ein Dorf geworden 343 ).
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Während alle Städte der früheren Herrschaft Rostock bereits im 13. Jahrhundert gegründet sind, wurde Tessin erst im Anfang des 14. Jahrhunderts zur Stadt erhoben und zwar in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, wahrscheinlich zwischen den Jahren 1323 und 1325. Wessel nimmt an, daß der Ort bereits im Jahre 1320 bzw. 1321 Stadtrecht erhielt, und er bezieht sich dabei auf eine Urkunde aus dem Jahre 1323, die er in der auf Tessin bezüglichen Stelle im Wortlaut anführt und die folgendermaßen lautet: "Wesenberghe, hus unde stad, dat hus to Thessin und dat hus to Vrederichsdorpe" 345 ). Während bei Wesenberg also die Stadt erwähnt ist, wird sie bei Tessin gerade nicht genannt, sondern nur die
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Burg. Erst aus einer Urkunde aus dem Jahre 1325 können wir schließen, daß Tessin Stadtrecht erhalten hatte, da in einer Aufzählung der Städte und Flecken der Herrschaft Rostock der Name von Tessin unter den Städten vor Kröpelin erscheint, das damals schon mehrere Jahrzehnte Stadt war 346 ). Ausdrücklich als Stadt (oppidum) oder Flecken genannt wird uns Tessin aber erst im Jahre 1343 347 ). In der Wendenzeit hat wahrscheinlich eine Burg Tessin als Mittelpunkt des späteren gleichnamigen Landes schon einige Bedeutung gehabt. Auch ein wendisches Dorf Tessin scheint bestanden zu haben. Darauf deutet der Name von Kl. Tessin hin, einem Dorf in der Nähe der heutigen Stadt, bei dem der Beiname "Klein" wohl soviel wie wendisch bedeutet 348 ).
In der Kolonisationszeit scheint Tessin jedoch keine bedeutende Rolle gespielt zu haben, da uns urkundlich sein Name nicht vor 1301 bekannt ist 349 ). In diesem Jahr wird uns die Burg genannt, eine Tatsache, aus der wir erkennen können, daß vielleicht gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Tessin eine Burg neu errichtet wurde. Ein neues Dorf Tessin - vermutlich im Unterschied von dem wendischen Klein-Tessin Groß-Tessin benannt - wird jedoch schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts angelegt sein, da man annimmt, daß die heutige Kirche zwischen 1220 und 1240 entstanden ist und der Stadtplan in seiner heutigen Form noch deutlich die ursprüngliche Anlage eines Dorfes erkennen läßt 350 ). Ferner zeigt der Stadtplan, daß die Hauptstraße einst die alte Dorfstraße gewesen ist, da sie in der Richtung des Landweges von Gnoien nach Rostock am Markt vorbei durch die ganze Stadt hindurchführt. Diese Straße ist früher die einzige Hauptstraße der Stadt gewesen 351 ). Hiernach scheint die Stadtgründung Tessins sich in der Weise vollzogen zu haben, daß ein Dorf, das nach dem Baustil der Stadtkirche in der Kolonisationszeit angelegt wurde, im 14. Jahrhundert Stadtrecht erhielt.
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Von den Landesherren der Herrschaft Mecklenburg wurden außer Wismar, das schon vor dem Jahre 1229 bestand, Grevesmühlen, Neubukow und Brüel gegründet.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Stadt Wismar, bei der Anlage von Neubukow beteiligt war. Im Jahre 1278 besaß Rudolf von Krukow, ein Ratsherr aus Wismar, in Neubukow einen Hof und Güter 352 ), ein Eigentum, das er im Jahre 1283 an die Ratmänner dieser Stadt verkaufte 353 ). Vielleicht erhielt Rudolf von Krukow diesen Besitz als Lohn für seine Lokatortätigkeit bei der Gründung Neubukows, das uns im Jahre 1260 als Stadt zuerst bezeugt ist 354 ). Neubukow liegt an der Haupthandelsstraße von Wismar nach Rostock in der Nähe Wismars, so daß Wismar an dieser Stadtgründung nicht uninteressiert zu sein brauchte. Vielleicht können wir die "bona" des Wismarer Ratmannes als Einnahmen aus der Gerichtsbarkeit und Hausstellen auffassen, da uns die Verwendung dieses Wortes in einem solchen Sinne durchaus bekannt ist 355 ), und da gerade die Ratmänner von Neubukow Krukow seinen Besitz abkauften, scheinen diese Güter eine besondere Bedeutung gehabt zu haben. Auch die beträchtliche Summe von 270 Mk., die hierfür bezahlt wird, läßt auf die Größe des Besitzes schließen. In Sülze wird die Lokatorenentschädigung 100 Jahre später nur mit 210 Mk. bezahlt 356 ).
Danach erscheint die Annahme vielleicht nicht unberechtigt, daß bei der Anlage von Neubukow die Stadt Wismar durch ihren Ratsherrn Rudolf von Krukow, der sein Kapital dafür zur Verfügung stellte, mitgewirkt hat. Es würde sich damit, wenn auch in kleinerem Umfang, für Wismar eine gleiche Beteiligung bei der Anlage der mecklenburgischen Städte ergeben, wie wir sie für Rostock hinsichtlich der Städte der Rostocker Herrschaft erwiesen zu haben glauben 357 ).
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Die Stadt Neubukow, die an der Straße von Rostock nach Wismar liegt, wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet. Im Jahre 1260 wird die "neue Stadt Bukow" (Nouum opidum Bukow) zum erstenmal erwähnt 359 ). Die Ratmänner von Greifswald erklären sich nach der Urkunde von 1260 gegenüber denen von Lübeck und Wismar bereit, wegen eines Streitfalls mit Rostock zu einer Schlichtungsverhandlung nach Neubukow zu kommen. Die Versammlung wurde wahrscheinlich aus dem Grunde hier abgehalten weil der Ort in gleicher Entfernung von Lübeck und Greifswald liegt.
Vermutlich hat bereits in slawischer Zeit ein Dorf bei Neubukow gelegen, da es hier noch ein Ackerstück mit dem Namen "auf dem wendischen Kirchhof" gibt 360 ). Bedeutung hat das Dorf aber nicht gehabt, da der Mittelpunkt der späteren Vogtei Bukow zur Wendenzeit die Burg Ilow war 361 ).
In deutscher Zeit wurde statt Ilow das Dorf und die Burg Bukow der Sitz der Vogtei, und erst als im Lande Bukow eine Stadt gegründet wurde, ging die Vogtei von dem bisherigen Dorf auf die neu gegründete Stadt über, die in ihrem Namen "neue Stadt Bukow" die Erinnerung an diesen Vorgang aufbewahrt. Das Dorf Bukow, von dem die Vogtei an die Stadt abgegeben wurde und das damit zugleich der Stadt auch den Namen gab, hieß von da an "Alt-Bukow".
Ob vor der Stadtgründung schon ein deutsches Dorf in der Nähe der heutigen Stadt bestand, ist nicht mehr festzustellen, da diese selbst allem Anschein nach erst bei der Gründung neu angelegt wurde. Eine Betrachtung des Stadtplans zeigt, daß in der heutigen Stadt ein altes Dorf nicht fortbesteht, da bei einer solchen Annahme die Anlage des großen quadratischen Marktplatzes, von dem rechtwinklig die Straßen abgehen, nicht zu erklären ist 362 ).
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Die Stadt Grevesmühlen ist vor dem Jahre 1262 gegründet worden, weil sie uns in diesem Jahre als solche schon genannt wird. Die erste Ansiedlung Grevesmühlens war, wie der Name sagt, wahrscheinlich eine Müllerei, die vermutlich schon in der Wendenzeit bestand, da das Wort Grevesmühlen oder, wie es in den ältesten Urkunden lautet, "Gnevesmülne" aus der wendischen Sprache herstammt 364 ) und Mühle des Gnêv bedeutet. Ein wichtiger Punkt war es jedoch nicht, da die Hauptburg des Landes Bresen, zu dessen Mittelpunkt Grevesmühlen erst in deutscher Zeit wurde, wahrscheinlich in der Nähe des heutigen Dorfes Proseken lag 365 ).
Zu Beginn der Kolonisation in der Herrschaft Mecklenburg entstand ein deutsches Dorf Grevesmühlen, das im Jahre 1230 bereits eine Kirche besaß und sicherlich mehr als 12 Hufen bebaute. Diese Größe der Hufenzahl erkennt man deutlich aus der Eintragung des Ratzeburger Zehntenregisters über Grevesmühlen, die folgenden Wortlaut hat: "Gnewesmulne ecclesia II, in agris Rademersuelt Conradus I, Theodericus I in agris antiquis Gnewesmulne" 366 ). Zur Erklärung dieser Notiz sei zunächst bemerkt, daß danach die Kirche in Grevesmühlen den Zehnt von zwei Hufen, Konrad und Theodor den Zehnt von je einer Hufe vom Bischof erhalten haben. Aus der Tatsache nun, daß der Bischof den Zehnt von zwei Hufen an Laien abgegeben hat, können wir den Schluß ziehen, daß Grevesmühlen damals schon eine Feldmark von über 12 Hufen gehabt hat. Es ist uns nämlich ein Vertrag zwischen dem Landesherrn der Herrschaft und dem Bischof von Ratzeburg erhalten, in dem die Zehntenabgabe der Dörfer, die infolge der deutschen Kolonisation neu angelegt wurden, geregelt ist 367 ). Dieser Vertrag legt dem Bischof gewisse Verpflichtungen auf. Er soll von einem Dorf, das mindestens 12 Hufen anbaut, den Zehnt von zwei Hufen abgeben, bei einem
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Dorf mit niedrigerem Anbau nur den Zehnt von einer Hufe. Da Grevesmühlen den Zehnt von zwei Hufen an Konrad und Theodor entrichtet, läßt sich nach dem Inhalt des angeführten Vertrages erkennen, daß Grevesmühlen im Jahre 1230 einen Landbesitz von mindestens 12 Hufen gehabt hat.
Aber noch eine andere Tatsache, die uns einen interessanten Einblick in die Entstehungsgeschichte des Dorfes Grevesmühlen gewinnen läßt, lernen wir aus der schon zitierten Stelle des Zehntenregisters. Wie uns zwei Männer genannt werden, die jeder den Zehnt von einer Hufe empfangen, so werden auch zwei Feldmarken genannt, auf denen diese beiden Hufen liegen. Die Hufe von Konrad liegt in Rademersfeld, während die von Theodor auf der alten Feldmark von Grevesmühlen sich befindet. Es liegt nahe, diese Trennung so zu erklären, daß Grevesmühlen aus zwei verschiedenen Dörfern zusammengewachsen ist, von denen das eine ursprünglich Rademersfeld hieß und das andere das eigentliche Grevesmühlen war. Als das Zehntenregister abgefaßt wurde (1230/34), waren jedoch beide Dörfer bereits unter dem Namen Grevesmühlen vereinigt 368 ). Die Erinnerung an den ursprünglichen Zustand ist uns nur durch die Beschreibung der Lage der beiden, dem Bischof nicht zehntpflichtigen Hufen aufbewahrt. Scheinbar blieb das Dorf auch bei der Stadtgründung erhalten, da der Stadtplan uns die Vermutung nahelegt, daß das Dorf durch Stadtrechtsverleihung an seine Einwohner zur Stadt erhoben wurde 369 ). In der langen Hauptstraße, die von der Mühle zum Markt führt, erblicke ich die ehemalige Dorfstraße. An dieser liegt die Kirche und, wie schon erwähnt, auch der Markt. Außerdem ist die unregelmäßige Anlage der übrigen Straßen besonders auffallend, so daß der Grevesmühlener Stadtplan mit einem ostdeutschen Kolonialstadtplan, wie er bei der Neuanlage einer Stadt im 13. Jahrhundert mit großer Regelmäßigkeit entworfen wurde und uns auch aus mecklenburgischen Städten, wie Ribnitz, Gnoien und Neukalen, bekannt ist, nicht verglichen werden kann. Es ist danach anzunehmen,
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daß die heutige Stadt Grevesmühlen aus einem Dorf entstanden ist.
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Brüel liegt ungefähr 30 km östlich von Schwerin. Die Stadt wurde von den mecklenburgischen Herzögen zwischen den Jahren 1344 und 1370 gegründet. Zwar besitzt die Stadt ein Gründungsprivileg, das aus dem Jahre 1340 stammen soll und das der Ritter Reimar von Plessen ausgestellt haben will, aber, wie bereits von Beyer nachgewiesen wurde 371 ), ist diese Urkunde gefälscht und auch die erst kürzlich von Lemke unternommenen Versuche, ihre Echtheit zu retten, sind als nicht gelungen zu bezeichnen 372 ). Lemke vermag zur Widerlegung der Gründe von Beyer nur auf das frühere Stadtwappen hinzuweisen, das wegen seiner Schildform und des halben Stierkopfes im Schild auf einen Ritter von Plessen als Gründer hinweisen soll. Weil nun aber dies Brüelsche Stadtwappen uns vor der Zeit, als die Plessen Brüel im Besitz hatten, nicht bekannt wird, ist damit auch dieser einzige Grund hinfällig, den Lemke für eine Gründung Brüels im Jahre 1340 durch Reimar von Plessen anführen kann. Das heutige Brüeler Stadtwappen wird erst zur Zeit entstanden sein, als Brüel in den Händen der von Plessen war. Ferner sollen auch nach einem Privileg vom Jahre 1487 damals noch die Einkünfte, die nach der Fälschung von 1340 dem Ritter von Plessen zufallen, an den Landesherrn abgegeben werden und nicht an die von Plessen 373 ), die im Jahre 1487 die Stadt im Besitz hatten. Da man nun schwerlich annehmen kann, daß die Plessen ihre einzigen Einkünfte aus der Stadt Brüel damals an den Landesherrn abgegeben hatten, bleibt nur die Möglichkeit, daß ursprünglich überhaupt die Einnahmen, die angeblich nach dem Privileg von 1340 den Plessen zukamen, dem Landesherrn gehörten. Die Urkunde von 1487 deutet
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also darauf hin, daß die Stadt einst im Besitz des Landesherrn war. Außerdem wird Brüel noch im Jahre 1344 mit zwei andern Dörfern zusammen ohne eine von diesen unterschiedliche Bezeichnung genannt 374 ). Danach war es in diesem Jahr auch noch ein Dorf. Erst im Jahre 1370 begegnet uns Brüel zum erstenmal mit dem Zusatze "Wikbelde" 375 ), ein Wort, das zum Unterschied von Dorf gebraucht wird 376 ) und anscheinend dieselbe Bedeutung wie oppidum hat 377 ). Ferner begegnen uns in echten Urkunden die Plessen vor dem Jahre 1391 nicht als Besitzer der Stadt Brüel, vielmehr waren vor diesem Zeitpunkt andere Adelige und der Schweriner Bischof und das dortige Domkapitel im Besitze der Stadt 378 ). Danach muß als unbedingt sicher gelten, daß Brüel nicht von einem Ritter von Plessen im Jahre 1340 gegründet ist, sondern von dem Landesherrn, wie aus dem Privileg von 1487 hervorgeht.
Vor der Verleihung des Stadtrechtes war Brüel ein Dorf, das uns bereits im Jahre 1222 zuerst genannt wird 379 ). Wahrscheinlich wird es sich dabei um eine Siedlung gehandelt haben, die der deutschen Kolonisation ihre Entstehung verdankt. Denn schon im Jahre 1370 wird uns eine von der Stadt getrennte slawische Siedlung, der Kietz, genannt 380 ). Beide Wohnstätten liegen nur durch einen Bach getrennt direkt nebeneinander. Noch im Jahre 1766 gehörte jedoch nach einem Bericht des Rates der Kietz nicht zum Stadtbezirk 381 ). Auch ein wendischer Burgwall Brüel soll bestanden haben. Man darf annehmen, daß der heutige Schulplatz in der Wendenzeit als Burgwall im Sumpf aufgetragen wurde 382 ). Die Stadt ist durch Stadtrechtsverleihung an das deutsche Dorf, das neben dem Kietz angelegt wurde, entstanden. Denn der Stadtplan von Brüel ist der eines Dorfes 383 ). Eine Straße, die
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dem Lauf des Landweges folgt und durch die Lage der Kirche in zwei Hälften geteilt wird, macht fast den ganzen Stadtplan aus. Der Marktplatz ist ein Teil dieser Straße.
Die Herrschaft Parchim entstand nach dem Tode Heinrich Borwins I. im Jahre 1229, als dessen Fürstentum unter seine vier Enkel geteilt wurde 384 ). Zunächst wurde die Herrschaft Parchim allerdings von dem Fürsten von Mecklenburg mitregiert, da Pribislav, dem als dem jüngsten der vier Enkel Heinrich Borwins das Parchimer Gebiet zugefallen war, noch nicht mündig war. Auch wurde bereits im Jahre 1256 Pribislav für abgesetzt erklärt und sein Fürstentum unter die drei übrigen Herrschaften verteilt. Trotzdem ist es berechtigt, die Entstehung der Städte der Herrschaft Parchim gesondert zu behandeln, weil von den vier Städten, die in diesem Gebiet im 13. Jahrhundert entstanden sind, zwei, nämlich Goldberg und Sternberg, unter der Regierung Pribislavs entstanden sind. Außerdem besaßen alle vier Städte das sogen. Parchimer Recht, wodurch sie von allen Städten der übrigen Herrschaften unterschieden werden. Das Parchimer Fürstentum grenzte im Westen an die Grafschaft Schwerin, im Osten an die Herrschaft Werle, und im Norden bildete die Warnow die Grenze nach der Herrschaft Mecklenburg. Es umfaßte also "die Länder Sternberg, Kutin (das spätere Amt Goldberg), Ture (das Amt Lübz) und Parchim, also das alte Land Warnow" 385 ). Mit der Gründung von Parchim und Plau kurz vor dem 4. oder 5. Juli 1226 wurde die Kolonisation in diesen Ländern begonnen.
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Die Stadt Parchim an der Elde wurde in den Jahren 1225 - 1226 von Heinrich Borwin II. gegründet 387 ). Aus der
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nicht gerade sorgfältigen Schrift der Stiftungsurkunde und dem Fehlen der Zeugenreihe erkennt man, daß die Urkunde in aller Eile ausgestellt wurde. Wahrscheinlich hat Heinrich Borwin sie noch kurz vor seinem Tode am 4. oder 5. Juli 1226 abfassen lassen 388 ). Somit kann man das Gründungsdatum der Stadt mit einiger Wahrscheinlichkeit in die Zeit kurz vor dem 4. oder 5. Juli 1226 ansetzen.
Obgleich vor der Stadtgründung der Name Parchim aus unserer schriftlichen Überlieferung nicht bekannt ist 389 ), haben wir doch wohl anzunehmen, daß schon vor der Einordnung Mecklenburgs in den deutschen Reichsverband Parchim ein Ort von einiger Bedeutung war, da ein wendischer Burgwall neben der Stadt erhalten ist, nach dem das umliegende Land benannt wurde. Diese Burg ist vielleicht vor der Stadtgründung nicht mehr mit Burgleuten besetzt gewesen; denn die Stiftungsurkunde der Stadt nennt das Land Parchim ein "verlassenes und unwegsames Land" 390 ). Schon damit scheint auch die Annahme hinfällig zu sein, daß neben der alten Wendenburg vor der Stadtgründung eine christliche Siedlung bestand. Trotzdem ist einiges dafür angeführt worden. Man begründet die Existenz dieser Siedlung mit der Vermutung, daß an der heutigen Parchimer Georgenkirche schon vor dem Jahre 1225 gebaut wurde, weil diese Kirche nach Reifferscheid "Reste eines alten Baues von basilikaler Anlage" in sich enthalte, deren Stilcharakter auf eine Anlage der Kirche vor der eigentlichen Kolonisationszeit hinweist 391 ). Ferner glaubt Schmaltz auch aus dem Umfange des Parchimer Georgenkirchspiels, das wahrscheinlich in der ersten Zeit seines Bestehens das ganze Land Parchim umfaßte und auch noch in nachfolgender Zeit "die späteren Kolonisationspfarren um mehr als das Doppelte übertraf", auf die Existenz einer christlichen Siedlung schon vor der Stadtgründung schließen zu dürfen 392 ). Die Richtigkeit
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dieser Ansicht läßt sich urkundlich nicht nachweisen. 393 ). Doch ist es nach der Form und der Lage des "alten Marktes" in Parchim keineswegs unmöglich, daß neben der Burg Parchim vor der Stadtgründung ein Marktverkehr und hier vielleicht eine christliche Kaufmannssiedlung bestand. Betrachtet man den Plan der Altstadt Parchim, so fällt sofort auf, daß der Marktplatz sowohl nach seiner Form wie auch nach seiner Lage dem Gesamtplan der Stadt nicht entspricht. Der "alte Markt" liegt zusammen mit der Kirche am Rande der alten Stadt in nächster Nähe der Burg. Er ist lediglich eine Erweiterung der Hauptverkehrsstraße, die über Parchim von der Elbe nach der Ostsee (Wismar) führte. Man erkennt diese Form und Entstehung des alten Marktes noch deutlicher aus der Tatsache, daß er seine unmittelbare Fortsetzung im "Schuhmarkt" hat. So ergibt sich das Bild einer großen Marktstraße, die sich im Halbkreis um die Kirche herumzog. Die Richtung dieser Marktstraße ist bezeichnenderweise die der Elbe-Ostseestraße. Es ist nun nicht zu vermuten, daß man den Marktplatz in dieser Form am Rande der Stadt angelegt hätte, wenn er nicht schon in dieser Lage als Marktstraße vorhanden gewesen wäre, als die Stadt angelegt wurde. Danach bestand vielleicht schon vor der eigentlichen Stadtgründung bei der Burg Parchim eine Marktsiedlung, die auch - vorausgesetzt, daß die Argumente, die Reifferscheid dafür beibringt, richtig sind - eine eigene Kirche besaß.
Die Stiftungsurkunde gibt uns über den Vorgang der Stadtgründung mancherlei Auskunft. Sie läßt das Verdienst der Fürsten an der Gründung der Stadt und der Kolonisation des Landes klar hervortreten. Ausdrücklich sagt die Urkunde, daß die Ansiedler, die von nah und fern herbeikamen, von Heinrich Borwin zur Besitzergreifung des Landes eingeladen wurden 394 ). Es ist somit das Verdienst des Fürsten, die Kolo-
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nisation des Landes Parchim eingeleitet zu haben, die allerdings, wie es bei den Wendenfürsten natürlich ist, nach unserer Urkunde nicht als eine Germanisation, sondern als eine Christianisierung und wirtschaftliche Neugestaltung des Landes erscheint 395 ).
Zur technischen Durchführung der Stadtgründung und der Kolonisation des Landes bediente sich der Fürst einiger Lokatoren. Um dies zu beweisen, sei zunächst festgestellt, was man bisher noch nicht erkannt hat, daß die Stiftungsurkunde, die auch die Verleihung eines Stadtrechtes an "den neuerbauten Ort Parchim" enthält, die Form eines Vertrages zwischen Heinrich Borwin und einigen Lokatoren aufweist, die die Empfänger der Urkunde sind und zum Bau der Stadt und zur Kolonisation des Landes verpflichtet werden. Die Urkunde hat folgenden Wortlaut 396 ): "Heinricus Burwinus, dei gracia dominus in Rozstoc, vniuersis hanc paginam tam legentibus, quam audientibus. Notum facimus, quod diuina fauente miseracione nostraque sedula promocione terram Parchem, terram inquam desertam et inuiam, terram cultui demonum dedicatam, colonis commisimus christianis, ipsos tam de longinquis, quam de uicinis partibus inuitantes. In ipsa quoque prouincia ciuitatem construximus, iura ei et iudicia prestantes, que congrua, commoda et utilia terre ac ciuitatis. eiusdem cultoribus 397 ) uidebantur.
1) Primo autem omnium ipsam ciuitatem liberam concessimus omnibus inhabitantibus eam cum omni iure.
2) Huius eciam ciuitatis cultoribus dedimus omnem prouentum, qui vulgo sonat inninge 398 ), et solidum vriedescillinc, et ad emendacionem et structuram ciuitatis.
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3) Item tercia pars de uadiis magnarum causarum, sicuti de pugna infra ciuitatem supra IV solidos cedet in usus ciuitatis.
4) Item concedimus, quod ipsosciues nullam reisam uel expedicionem extra dominium nostrum oporteat equitare.
5) Item quod pro nulla causa ad alcius uadum, quam XII solidos debent conpelli, nisi pro homicidio uel aliquo uulnere, quod per aciem ferri fiat.
6) Item quicunque ciuis accommodaueritt bona sua qualiacumque alicui extra ciuitatem, et ille non soluerit, in ciuitate detineatur, donec soluat uel iusticiam exhibeat.
7) Item ciues de Parchem non dabunt forense telonium per omnes terminos terre nostre.
8) Item datum est omnibus in terra morantibus, quod nullum ad concilium, quod marcdinc uocatur, sunt conpellendi; similiter ad ius feodale, quod lenrecht uocatur, sunt minime conpellendi, sed tantum ad ius, quod mannerecht vulgo sonat.
9) Item equam partem habere debent filie cum filiis in omnibus bonis, tam feodis, quam aliis; et si non sint filii, prestari debent filiabus bona patris.
10) Item si contingat mori aliquem, cuius filii non receperunt bona sua uiuente patre, prestari debent bona, que patres eorum possederuntt a paganismo et cultu siluestri.
11) Item concedimus, ut ea, que herewede dicuntur, et muliebria, que wiberade uocantur, minime dentur, sed hereditas est per medium diuidenda.
12) Pascusa uero ciuitatis protendunt a ualle campi Boken usque ad tiliam et inde usque ad fontem et a fonte directe donec in Zlonenam fluvium.
13) Item piscacio peromnem prouinciam communis et libera est cum sportis et hamis et retibus, exceptis solis sagenis.
14) Item quicumque obtinet bona sua et optenta possidet diem et annum, nullus debet uel poterit infringere pretendens racionem prioris beneficii.
15) Super hec omnia unicuique ita concessa sunt bona sua primitus cum omni iure, ut a nemine hominum paciatur molestiam uel grauamen.
Das Wort "cultores" kommt im Text der Urkunde nur an zwei Stellen vor. Zunächst finden wir es in der Narratio
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der Urkunde, wo die ausschlaggebende Stellung der "cultores" des Landes (!) und der Stadt bei der Auswahl der Rechte und Privilegien der Ansiedler betont wird, ein Umstand, der es auch wahrscheinlich macht, daß die cultores die Empfänger der Urkunde waren. Außerdem werden die cultores noch in § 2 erwähnt, in dem ihnen speziell städtische Einnahmen, die Einkünfte, die von den Innungen zu erheben waren, und der Friedensschilling überwiesen werden. Dabei wird hinzugefügt, daß sie diese Einnahmen zur Instandhaltung und Erbauung der Stadt benutzen sollten. Deutlich erscheint hier also die Aufgabe der cultores als die der Erbauung der Stadt. Die cultores werden in der Urkunde von den "cives" und "coloni" unterschieden. Denn das Recht, militärische Dienste nur in den Grenzen der Herrschaft Heinrich Borwins leisten zu brauchen, wird den Bürgern (cives) verliehen. Auch kommen die andern finanziellen Einnahmen, die im Privileg von Borwin erteilt werden, der Stadt als solcher zu (civitas). Außerdem kann das Wort "cultores" in dem Sinne von "Bebauer" (coloni) hier nicht gebraucht sein, da einer solchen Annahme der Inhalt des § 2, wo eigentümlich städtische Rechte den cultores verliehen werden, und die Tatsache, daß in der Urkunde an anderer Stelle für unser deutsches Wort "Bebauer" das Wort "colonus" gebraucht wird, widersprechen würden. Die cultores sind danach aus dem breiten Stand der "cives" und "coloni" herausgehoben, und nach dem Inhalt des § 2 ist es so gut wie sicher, daß wir in diesen cultores die eigentlichen Unternehmer der Stadtgründung zu suchen haben. Daneben erhielten sie nach unserer Urkunde auch den Auftrag zur Kolonisation des ganzen Landes Parchim.
Denn außer der Stelle in der Narratio, die davon redet, daß das Land Parchim christlichen Ansiedlern überlassen sei, und die cultores als solche der Stadt und des Landes bezeichnet, enthält auch der § 8 eine Bestimmung für alle Einwohner des Landes. Ferner scheinen auch die §§ 9 - 11, die Erbrechtsbestimmungen enthalten, für das ganze Land zu gelten, da diese Anordnungen auf keinen besonderen Stand beschränkt werden und diese Paragraphen außerdem hinter dem § 8 folgen, dessen Inhalt für alle Einwohner des Landes gelten soll. Ferner wird auch im § 13 das Fischereirecht im ganzen Land für gemein und frei erklärt. Man sieht also aus diesen Bestimmungen, daß der Landesherr nicht nur die Anlage der
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Stadt, sondern auch die Kolonisation des ganzen Landes ins Auge faßte und für beide Aufgaben die Lokatoren verpflichtete.
Es ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, daß Parchim im 14. Jahrhundert im Besitz fast der ganzen Vogtei Parchim ist und noch heute neben Rostock den größten Landbesitz unter den mecklenburgischen Städten hat 399 ). Daraus scheint hervorzugehen, daß die Stadt tatsächlich auf die Kolonisation des nach ihr benannten Landes maßgebenden Einfluß geübt hat.
Der Parchimer Lokationsvertrag enthält auffallenderweise keine Bestimmung über die Einsetzung bzw. die Existenz eines Rates. Die Erklärung hierfür ist wahrscheinlich darin zu suchen, daß die Ratsverfassung nicht sogleich in Parchim bei der Anlage der Stadt eingeführt wurde, sondern sich erst aus den besonderen Vorrechten entwickelte, die den cultores wegen ihrer führenden Stellung bei der Gründung der Stadt vom Landesherrn verliehen waren. Diese Annahme scheint durch die Tatsache bestätigt zu werden, daß in einer Urkunde von 1229 die "ganze Stadt" (tota civitas) ohne Hervorhebung der Ratmänner als Zeuge genannt ist 400 ), und erst im Jahre 1240 uns "die Ratmänner und die gesamte Stadt " bezeugt werden (consules et civitas universa) 401 ). Anscheinend hat danach in der ersten Zeit nach der Gründung in Parchim eine Behörde mit der Bezeichnung "Rat" tatsächlich nicht bestanden. Daraus würde sich auch erklären, daß die Innungen ihre Abgaben, die in dem Lokationsvertrag den cultores zugesprochen werden, später an den Parchimer Rat entrichten, wie es aus dem ältesten Einnahmeregister der Stadt Parchim ersichtlich ist, dessen Niederschrift von den Herausgebern des Mecklenburgischen Urkundenbuches in die Zeit "nach dem Jahre 1370" gesetzt wird 402 ). Der Parchimer Rat ist also offenbar zum Rechtsnachfolger der cultores geworden, welche die Stadt gebaut haben; und es wird damit zugleich wahrscheinlich, daß dem Parchimer Rat auch die cultores angehörten 403 ).
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Der Parchimer Rat bestand zum größten Teil aus Mitgliedern deutscher Herkunft. Untersucht man die Namen der Ratmänner, die uns im Jahre 1240 zuerst genannt werden, so ergibt sich dabei ein Überwiegen der deutschen Nationalität 404 ). Ein ausgesprochen slawischer Name erscheint überhaupt nicht unter den Namen der ersten Ratmänner. Von den 12 Ratsherren sind fünf nur nach ihrem Vornamen genannt 405 ) und daher in ihrer Nationalität nicht festzustellen; von den übrigen sieben dagegen werden sechs nach ihrer Herkunft und nur einer nach seinem Familiennamen bezeichnet. Dieser Familienname, der in seiner lateinischen Form "Albus" angeführt wird und dem deutschen Namen Witte entspricht, ist ein deutsches Wort; er wurde auch von Ratsfamilien in Lübeck und Rostock geführt. Von den Ratsherren, die nach ihrem Herkunftsort in der Urkunde näher bestimmt werden, stammen zwei aus dem deutschen Mutterland 406 ), nämlich aus Hamm und Bevenhausen. Für weitere zwei 407 ), die aus Gadebusch und Mölln herkommen, ist ihre deutsche Abkunft wahrscheinlich, da diese beiden Städte in der Grafschaft Ratzeburg lagen 408 ), die bereits seit 1142 der deutschen Kolonisation offenstand. Auch für die übrigen beiden Ratmänner 409 ), die allerdings nach Dörfern bei Parchim genannt werden, ist ihre slawische Abstammung damit noch nicht erwiesen, weil es sehr wohl möglich ist, daß sie als Deutsche, bevor sie nach Parchim zogen, in diesen Dörfern gewohnt bzw. daß sie selbst diese Dörfer nach deutscher Weise kolonisiert haben. Hinzu kommt, daß die Vornamen sämtlich der deutschen bzw. biblischen Sprache angehören. Danach sind also die Parchimer Ratmänner, die uns im Jahre 1240 zuerst begegnen, überwiegend deutscher Abstammung gewesen. Vergegenwärtigt man sich die Tatsache, daß der Parchimer Rat vermutlich aus den Unternehmern der Stadtgründung sich gebildet hat, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Gründung von Parchim, die unter der Leitung
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des wendischen Fürsten vor sich ging, doch ein Werk deutscher Volkskraft gewesen ist.
Trotzdem soll die Existenz slawischer Bevölkerungselemente, besonders in den niederen Schichten und im Lande Parchim nicht geleugnet werden. Slawische Namen in Urkunden der späteren Zeit auch unter den Ratmännern von Parchim beweisen das Fortleben des Wendentums zur Genüge 410 ). Auch redet der Lokationsvertrag von Parchim im § 10 deutlich von den Gütern, die aus der Zeit des Heidentums und des Götzendienstes herrühren 411 ) und deshalb nur Slawen gehört haben können. Ferner werden im § 8 die Bestimmungen über das Gericht in gleicher Weise für alle Landesbewohner (omnibus in terra morantibus) verbindlich gemacht. Darunter werden nicht nur Deutsche, deren Einwanderung zum größten Teil erst durch den Vertrag in die Wege geleitet werden sollte, sondern vor allem auch Slawen verstanden sein.
Wie schon hervorgehoben, ist es wahrscheinlich, daß der "alte Markt" mit der Kirche bereits bei der Anlage der Stadt als ein gegebenes Planelement vorhanden war, auf das bei der Grundrißbildung der neuen Stadt Rücksicht zu nehmen war. Man erkennt, daß parallel der Linienführung der Marktstraße (alter Markt) weitere Straßen in gleichmäßigen Abständen voneinander angelegt wurden 412 ), die durch die Mittelstraße in zwei gleiche Teile getrennt und durch die Linden- bzw. Blutstraße begrenzt werden. Danach ist der alte Markt mit seiner Umgebung die eigentliche Keimzelle der Parchimer Altstadt gewesen, an die dann im Jahre 1225/26 die übrigen Straßen von den Parchimer Lokatoren nach vorbedachtem Plan angegliedert wurden.
Neben der Altstadt Parchim, die in der angegebenen Weise gegründet wurde, entstand später eine andere selbständige Stadt, die den Namen " Neustadt Parchim" erhielt und im Jahre 1249 zuerst genannt wird 413 ). Ob auch die Neustadt von Lokatoren angelegt wurde, ist uns nicht bekannt. Es ist allerdings nicht
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unwahrscheinlich, da nach dem Plan der Stadt 414 ) diese eine Gründung aus frischer Wurzel zu sein scheint. Markt und Kirche liegen auf einem großen quadratischen Platz, der von zwei zueinander parallelen Längsstraßen begrenzt wird, von denen wieder rechtwinklig die Querstraßen abgehen. Sicherlich spricht aber die Tatsache der Gründung der Neustadt für das schnelle Anwachsen der Bevölkerung Parchims in der Zeit der Kolonisationsbewegung. Im Jahre 1282 wurden die Alt- und Neustadt Parchim scheinbar auf Wunsch der Bürgerschaft zu einem Gemeinwesen vereinigt. Die Urkunde über diesen Vorgang, die die rechtliche Auseinandersetzung zwischen der Bürgerschaft der Alt- und Neustadt Parchim enthält, ist uns erhalten geblieben 415 ).
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Die Stadt Plau, ebenso wie Parchim an der Elde gelegen, wurde spätestens im Jahre 1226 gegründet. Zwar ist uns das Original der Stiftungsurkunde nicht überliefert, aber wir besitzen eine Bestätigung derselben aus dem Jahre 1235, die darauf hinweist, daß schon Borwin I. in Gemeinschaft mit seinem Sohn Heinrich Borwin II. die Stadt Plau gegründet hat 417 ). Da Heinrich Borwin II. am 4. oder 5. Juli 1226 starb, muß also die Stadt vor diesem Termin schon bestanden haben. Wahrscheinlich wurde sie um dieselbe Zeit wie Parchim gegründet 418 ). Das ergibt sich aus einer vergleichenden Untersuchung des Parchimer Lokationsvertrages und der Plauer Privilegienbestätigung aus dem Jahre 1235, die den Inhalt der Stiftungsurkunde wiederholt. Die Plauer Urkunde stimmt in der Aufzählung der Privilegien, abgesehen von einigen inhaltlich für unsere Frage weniger bedeutungsvollen Abweichungen 419 ), wörtlich mit dem Parchimer Lokationsvertrag
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überein. Nur in der Narratio besteht ein grundlegender Unterschied zwischen beiden. Die Narratio der Parchimer Urkunde hat folgenden Wortlaut: "Notum facimus, quod diuina fauente miseracione nostraque sedula promocione terram Parchem, terram inquam desertam et inuiam, terram cultui demonum dedicatam, colonis commisimus christianis, ipsos tam de longinquis quam de uicinis partibus inuitantes. In ipsa quoque prouincia ciuitatem construximus, iura ei et iudicia prestantes, que congrua, commoda et utilia terre ac ciuitatis eiusdem cultoribus uidebantur" 420 ). Die Narratio in der Plauer Urkunde lautet: "Notum facimus, quod diuina fauente miseratione patres nostri pie memorie sedula promotione terram Plawe colonis commiserunt christianis, ipsos tam de remotis quam de vicinis partibus inuitantes, in ipsa quoque prouincia ciuitatem construxerunt, iura ei et iudicia prestantes, que congrua, commoda et vtilia terre ac ciuitatis eiusdem cultoribus videbantur". Abgesehen von den besonderen Zusätzen und Umstellungen, die sich für die Plauer Urkunde aus ihrem Charakter als Bestätigung des Stiftungsbriefes ergeben, erkennt man als einzigen Unterschied zwischen beiden Urkunden, daß statt "Parchem" das Wort "Plawe" gesetzt ist, Man sieht aus dem Wortlaut der Urkunde, daß Plau ohne jede Abhängigkeit von Parchim, dessen Namen in der Urkunde überhaupt nicht erwähnt wird, gegründet wurde. Es handelt sich also bei der Plauer Urkunde gar nicht, wie Lisch gemeint hat, um eine Verleihung des Parchimer Stadtrechts an Plau 421 ), sondern nach dieser Urkunde haben die Fürsten Borwin I. und Heinrich Borwin II. in der gleichen Form wie bei Parchim das Land Plau Lokatoren zur Besiedlung übergeben und diesen auch den Auftrag zur Erbauung der Stadt Plau erteilt. Hätten die Fürsten der Stadt Plau Parchimer Recht verleihen wollen, so würde die Narratio der Urkunde, wie uns dies aus der Bewidmung Goldbergs mit Parchimer
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Recht bekannt ist, etwa folgendermaßen gelautet haben 422 ): "Notum facimus omnibus, quod divina favente miseratione parentes nostri pie memorie sedula promotione terram Parchim colonis commiserunt christianis, ipsos tam de remotis quam de vicinis partibus invitantes. In ipsa provincia civitatem construximus ..." In dieser Goldberger Urkunde wird also das Wort Parchim nicht durch Goldberg ersetzt. Eine Verleihung von Parchimer Recht an Plau bei der Gründung der Stadt ist daher nicht anzunehmen, sondern es handelt sich um einen Lokationsvertrag für das Land Plau, der allerdings den gleichen Wortlaut hat wie der für das Land Parchim 423 ). Die wörtliche Übereinstimmung zwischen den beiden Urkunden ist wahrscheinlich in der Weise zu erklären, daß beide zur gleichen Zeit von demselben Fürsten ausgestellt wurden. Also wird auch die Plauer Stiftungsurkunde unmittelbar vor dem Tode Heinrich Borwins II. (am 4. oder 5. Juli 1226) ausgestellt sein. Danach wurde also vermutlich die Stadt Plau zur selben Zeit wie Parchim gegründet.
Die Stadt Plau wurde ebenso wie Parchim von Lokatoren angelegt, die in der Urkunde mit dem Namen "cultores" bezeichnet werden. Diese Leute waren die eigentlichen Leiter der Stadtgründung, die allerdings vom Fürsten dazu berufen waren. Den Lokatoren werden in der Urkunde für ihre Tätigkeit die Einkünfte von den Innungen und der Friedensschilling verliehen. Auch bei der Bestimmung der Rechte der Stadtbewohner hatten die Lokatoren maßgebenden Einfluß. Wie in der Parchimer, so wird auch in der Plauer Lokationsurkunde den Lokatoren die Verpflichtung auferlegt, außer der Anlage der Stadt auch das ganze Land Plau zu kolonisieren. Vielleicht erklärt sich aus der Übernahme dieser Kolonisationsaufgabe durch die Lokatoren auch die Tatsache, daß die Stadt Plau und ihre Bürger im 13. und 14. Jahrhundert in der Vogtei Plau sich einen bedeutenden Landbesitz erworben haben 424 ). Im Jahre 1332 ist auch ein Plauer Bürger, Berthold Swartepape, herzoglicher Vogt in Plau 425 ). Wie für Parchim, so
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besteht auch für Plau die Wahrscheinlichkeit, daß der Rat aus den Lokatoren sich gebildet hat. Auch in Plau können wir die Beobachtung machen, daß der Rat die Einkünfte von den Innungen, die den Lokatoren zugesprochen waren, später für sich in Anspruch nimmt 426 ). Noch im 16. Jahrhundert sieht der Rat sich als Rechtsnachfolger der cultores an, denn in einer Glosse des Plauer Rats aus dem Jahre 1553 zu der Bestätigungsurkunde des Jahres 1235 leitet der Rat seinen ganzen Aufgabenkreis aus dem § 2 der Urkunde her 427 ), der die Bestimmungen über die Einkünfte der Lokatoren enthält und der einzige Paragraph ist, der von den Lokatoren handelt. Die Lokatoren sind wahrscheinlich deutscher Herkunft gewesen. Denn die Ratmänner, die uns im Jahre 1255 zuerst genannt werden 428 ), sind, soweit wir dies festzustellen vermögen, deutscher Abstammung gewesen. Von den sieben Ratmännern sind drei nur mit ihrem Vornamen genannt, weitere drei nach ihrer Herkunft bezeichnet. Nur einer begegnet uns mit einem wirklichen Familiennamen. Dieser führt den deutschen Namen "Albertus Gese". Von den drei andern, die nach ihrer Herkunft genannt werden, stammt einer aus Gudow im späteren Herzogtum Lauenburg und ein anderer aus Kritzow bei Wismar; beide Ortschaften liegen in einer Gegend, wo die Kolonisation schon im 12. Jahrhundert in Wirksamkeit war, so daß wir die deutsche Herkunft der beiden Männer vermuten dürfen. Die Vornamen, die die Ratmänner im Jahre 1255 führen, sind sämtlich deutsch. Dann wird im Jahre 1288 als Ratmann auch Johann Marlow genannt 429 ), dessen Name schon im Jahre 1275 in Rostock als Bürgername bekannt ist; außerdem Heinrich Witte und "Hechardus de Brunswic", beides Namen, die besonders in den Seestädten von deutschen Ratsfamilien getragen werden. Ferner begegnet uns im Jahre 1284 zuerst der
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deutsche Name der Plauer Patrizierfamilie der Swartepape 430 ), die sich durch Reichtum und Einfluß auszeichnete. Die Stadtgründung wurde danach von Männern deutscher Herkunft durchgeführt.
Die Lokatoren übten vielleicht auch auf die Auswahl des Platzes für die Stadtanlage einigen Einfluß aus, da es auffällig erscheint, daß Plau nicht neben dem alten Burgmittelpunkt des Landes angelegt wurde, sondern in einer Entfernung von diesem, die ungefähr 5 krn beträgt. Diese Burg wird uns noch 1264 als "borchwal Quetzin" genannt und wurde auch schon 1160 von Heinrich dem Löwen mit einer deutschen Besatzung geschützt 431 ). Vielleicht haben wir den Grund dafür, daß die Stadt in einiger Entfernung von der Burg angelegt wurde, darin zu suchen, daß den Lokatoren die Lage der Stadt an ihrer heutigen Stelle günstiger erschien.
Wahrscheinlicher ist jedoch, daß die Lokatoren in der Platzauswahl durch eine an dem Eldeübergang bereits bestehende Marktsiedlung bestimmt wurden, deren Existenz nicht so unmöglich erscheint. Betrachtet man nämlich den Stadtplan von Plau aus dem Jahre 1756 432 ), so wird man bemerken, daß man damals noch keinen Marktplatz in Plau dem Namen nach kannte. Der heutige Markt hieß damals die Breite Straße "Wohl gab es aber damals eine "Markt-Straße", über die der Verkehr, der aus der Mark nach Mecklenburg ging, durch Plau weitergeleitet wurde. Zunächst folgt die Marktstraße genau der bisherigen Richtung dieser Landstraße und wendet sich dann in starkem Bogen der Elde zu. Bezeichnenderweise wird sie vor der "Breiten Straße" erheblich weiter. Wahrscheinlich spielte sich auf diesem Platz der Hauptmarktverkehr ab. Vermutlich ist nun die Existenz der Marktstraße in der eben beschriebenen Richtung und Form, die einer nach einem einheitlichen Stadtplan angelegten Straße nicht entspricht, daraus zu erklären, daß man sie bereits vorfand, als die Stadt gegründet wurde. Weil man daran gewöhnt war,
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die Marktstraße als Marktplatz zu benutzen, verzichtete man bei der Gründung der Stadt auf die Anlage eines regelmäßigen Marktplatzes.
Auch in einer Urkunde aus dem 13. Jahrhundert läßt sich vielleicht eine Spur von einer vor der Stadtgründung bestehenden Kaufmannssiedlung entdecken. Im Jahre 1299 erläßt nämlich Nikolaus von Werle der Stadt Plau die Lieferung von einem Pfund Pfeffer 433 ). Es ist möglich, daß diese Abgabe, die für die hier behandelten mecklenburgischen Städte sonst beispiellos ist, aber zu der slawischen Fronhofwirtschaft 434 ) sehr gut paßt, eine Steuer einer Kaufmannssiedlung war, die sich schon vor der Stadtgründung von Plau an der Marktstraße gebildet hatte. Dafür spricht auch, daß man Lieferung von Pfeffer doch nur von Kaufleuten verlangen konnte.
Bei der Anlage der Stadt richtete man sich offenbar nach der Lage der Marktstraße, die den Stadtplan mit der Elde zusammen ungefähr begrenzt. Das Gebiet, das so umfaßt wurde, ist in regelmäßigem Straßennetz, dessen Richtung durch die Elde und die Marktstraße bestimmt wird, erschlossen worden.
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Während Parchim und Plau zu Beginn der Kolonisation und zur Förderung derselben angelegt wurden, fällt die Gründung der Stadt Goldberg in eine Zeit, wo die Kolonisationsbewegung bereits über ihre ersten Anfänge hinaus war. Goldberg wurde im Jahre 1248 gegründet, also 22 Jahre später wie Parchim und Plau 436 ). Das Verdienst an dieser Stadtgründung gebührt Pribislav I., der die Bestimmungen des Parchimer Lokationsvertrages wörtlich auf Goldberg übertrug.
In der Nähe der Stadt Goldberg scheint schon vor deren Entstehung ein wendisches Dorf bestanden zu haben, wie aus
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dem uns urkundlich überlieferten wendischen Ortsnamen "Goltz" vielleicht hervorgeht 437 ). Auf wendische Bevölkerungsreste weist außerdem der Name eines Teils der Goldberger Feldmark hin, der als Wendfeld bezeichnet wird und dessen Lage uns vielleicht den Ort der alten Wendenansiedlung "Goltz" angibt 438 ).
Mit der Stiftung des Klosters Dobbertin in unmittelbarer Nähe von Goltz beginnt im späteren Lande Goldberg die Kolonisation 439 ). Ihr verdankt wahrscheinlich ein deutsches Dorf, das den slawischen Namen Goltz in Goldberg verwandelte, seine Entstehung. Weil die Kirche in Goldberg im Zusammenhang mit der Kolonisation gebaut wurde 440 ), ist zu vermuten, daß sie auch in einem durch die Kolonisation neu begründeten Dorf errichtet wurde und nicht in dem slawischen Goltz. Auch aus einem andern Grunde können wir die Existenz eines deutschen Dorfes Goldberg für wahrscheinlich halten. Die Stadtgründung von Goldberg bestand nämlich, wie es scheint, in der Verleihung des Stadtrechtes an ein Dorf, dessen Einwohner z. T. deutscher Abstammung waren, wie aus den Namen von Ratmännern der späteren Stadt Goldberg hervorzugehen scheint. Die Stiftungsurkunde berichtet uns im Gegensatz zu Plau und Parchim von einer Neuanlage bei der Stadtgründung nichts. Denn die Bestimmungen des Parchimer Lokationsvertrages vom Jahre 1225/26, die auf Goldberg übertragen werden, dürfen zu einer Untersuchung des Goldberger Gründungsvorganges nicht herangezogen werden. Nur in der Beschreibung des Weidelandes sieht die Goldberger Urkunde im Unterschied von der Parchimer von einer örtlichen Grenzbestimmung ab und enthält dafür lediglich die Festsetzung: "Die Weide ist frei" 441 ). Vielleicht ist der Grund für das Abweichen der beiden Urkunden in diesem Punkt darin zu suchen, daß die Grenzen des Goldberger Weidelandes mit der Existenz eines Dorfes, dessen Feldmark die Stadt übernahm, bereits bestimmt waren. Es ist auch auffällig, daß es nach der Stadtgründung in Goldberg noch verschiedene Höfe gab, die in
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ritterlichen Händen sich befanden und z. T. mit besonderen Vorrechten ausgestattet waren 442 ). Vielleicht ist auch diese Erscheinung noch auf die Existenz eines ehemaligen Dorfes zurückzuführen. Außerdem bemerkt man bei einer Betrachtung des Stadtplanes 443 ), daß dieser einen Marktplatz vollständig vermissen läßt. Nach einem Stadtplan von 1727 besteht die Stadt allerdings aus drei parallelen Längsstraßen, die durch Querstraßen miteinander verbunden sind, eine Anlage, die einen durchaus regelmäßigen Eindruck macht. Ursprünglich mag der Ort aber nur aus der "Langen Straße" mit der Kirche bestanden haben 444 ), und erst in späterer Zeit, vielleicht seit dem Jahre 1316, als Goldberg Residenz des Herzogs Johann von Werle wurde, der sich damals in Goldberg auch ein Schloß erbaute, dürfte der symmetrische Ausbau erfolgt sein. Wenn so die Stadtrechtsverleihung an ein Dorf zu vermuten ist, ergibt sich aus Goldberger Personennamen der späteren Zeit, daß dieses Dorf z. T. schon von Deutschen bewohnt war. Im Jahre 1305 werden uns sechs Ratmänner und fünf Bürger aus Goldberg genannt. Von diesen sind zwei nur mit ihrem Vornamen, fünf nach ihrem Herkunftsort, einer scheinbar nach seiner Goldberger Wohnung, zwei nach ihrem Beruf (Handwerker) und einer als "Westfalus" genannt 445 ). Bei den fünf nach ihrer Herkunft genannten Personen weisen die Ortsnamen, soweit wir es festzustellen vermögen, alle auf mecklenburgische Dörfer hin, zumeist in der Nähe Goldbergs, und damit wird die Nationalität dieser so bezeichneten Personen zweifelhaft. Die elf uns genannten Vornamen sind jedoch alle deutsch bzw. biblisch. Danach erscheint es kaum zweifelhaft, daß schon vor der Stadtgründung ein deutsches Dorf Goldberg bestand, dem im Jahre 1248 von Pribislav Parchimer Recht verliehen wurde.
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Die Stadt Sternberg wurde von demselben Fürsten Pribislav I. von Parchim-Richenberg gegründet, dem auch Gold-
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berg seine Erhebung zur Stadt verdankt. Das Gründungsprivileg ist uns nicht erhalten; aber in der Zeit, in der Sternberg zuerst erwähnt wird, gehörte es zur Herrschaft des genannten Fürsten. Auch liegt die Annahme nahe, daß der Gebrauch des Parchimer Rechts, das der Stadt im Jahre 1309 bestätigt wird 447 ), Sternberg zur Zeit der Regierung vcn Pribislav verliehen wurde, da die Stadt nach der Vertreibung dieses Herrschers aus seinem Lande an die Herrschaft Mecklenburg fiel. Vielleicht geschah die Gründung der Stadt schon einige Zeit vor dem Jahre 1255, in dem sie uns zuerst genannt wird 448 ), vielleicht im Zusammenhang mit der Stadterhebung von Goldberg im Jahre 1248.
Vor der Gründung der Stadt um die Mitte des 13. Jahrhunderts bestanden schon mehrere Ansiedlungen sowohl von Wenden wie auch von Deutschen auf dem Gebiet, das später die Sternberger Stadtfeldmark ausmachte. Urkundlich sind uns nicht weniger wie drei Namen von Ortschaften überliefert, die bei bzw. nach der Anlage der Stadt untergingen. Am frühesten, im Jahre 1222, wird uns ein Ort mit Namen Goldbeke, wo dem Antonius-Hospital in Tempzin 16 Hufen geschenkt wurden, genannt 449 ). Eine spätere Urkunde berichtet, daß dieser Ort in der Nähe Sternbergs gelegen sei 450 ). Noch heute heißt ein Teil der Sternberger Feldmark "up oder bi de Goltbek" 451 ). Da der Ort später nicht mehr erwähnt wird, ist er wahrscheinlich bei der Stadtgründung eingegangen 452 ). Wegen des deutschen Namens "Goltbek" möchte man annehmen, daß es sich um eine deutsche Ansiedlung gehandelt hat. Außerdem werden uns noch die Namen von zwei Ortschaften genannt, die beide im Jahre 1309 von der Stadt gekauft werden, Lukow und Dämelow 453 ). Die Namen dieser Siedlungen haben sich gleichfalls als Flurnamen der Stern-
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berger Stadtfeldmark erhalten 454 ). Dämelow lag der fürstlichen Burg, dem früheren Mittelpunkt des späteren Landes Sternberg, der vermutlich in einiger Entfernung von der Stadt am Zusammenfluß der Mildenitz und Warnow lag 455 ), am nächsten 456 ). Dazu stimmt auch, daß Lukow im Jahre 1309 ein Hof des Fürsten war. Es handelte sich danach bei Dämelow um eine Dienstmannensiedlung der benachbarten fürstlichen Burg, die wahrscheinlich schon vor der Gründung der Stadt in slawischer Zeit bestanden haben wird. Das mit Dämelow an Sternberg im Jahre 1309 zusammen verkaufte Lukow erscheint als fürstliches Dorf. Vielleicht handelt es sich auch bei Lukow um eine Ansiedlung, die bereits in slawischer Zeit bestand. Sicherlich haben wenigstens auch in der Nähe Sternbergs vor der Stadtgründung Wenden in geschlossenen Siedlungen gewohnt; dafür legt der Name "das Wendfeld" auf der Sternberger Feldmark noch heute Zeugnis ab 457 ). Die Stadt ist nach einer Stadtkarte aus dem Jahre 1834 458 ) eine Gründung aus frischer Wurzel, denn wir sehen auf diesem Plan drei einander parallele Längsstraßen, die alle rechtwinklig von zwei Querstraßen geteilt werden. Am Ende zweier Längsstraßen liegt auf dem höchsten Punkte der Stadt der rechtwinklige Marktplatz neben der Kirche. Ob Sternberg, wie nach der Anlage der Stadt aus frischer Wurzel zu vermuten ist, von Lokatoren erbaut wurde, darüber fehlen bis jetzt jegliche Anhaltspunkte.
Der Hauptlandesteilung vom Jahre 1227 verdankt auch die Herrschaft Werle-Güstrow ihre Entstehung 459 ). "Sie umfaßte die Länder Werle (Schwaan), Güstrow, Malchow, Waren, Röbel, Turne mit seiner südwestlichen Fortsetzung, der Lieze, von der jetzt nur noch die beiden brandenburgischen Enklaven, Rossow und Netzeband, in mecklenburgischem Besitz sind."
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Von den elf Städten, die in diesem Gebiet von den Herren zu Werle gegründet wurden, sind zehn, nämlich Güstrow, Malchow, Malchin, Röbel, Penzlin, Wesenberg, Teterow, Krakow, Waren und Schwaan, im 13. Jahrhundert mit Stadtrecht bewidmet worden 460 ), und nur eine Stadt, nämlich Laage, wird uns erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts als solche genannt. Laage unterscheidet sich auch dadurch noch von den übrigen Städten, die alle bei ihrer Gründung Schweriner Stadtrecht erhielten, daß überhaupt kein besonderes Stadtrecht genannt wird.
Es ist bemerkenswert, daß fast sämtliche Werleschen Städte uns bereits im 13. Jahrhundert als solche begegnen, und es ist geradezu auffallend, daß diese alle Schweriner Stadtrecht gebrauchten; denn damit ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß das Schweriner Stadtrecht, das außer in Schwerin selbst in mecklenburgischen Städten sonst nicht vorkommt 461 ), nur in den Werleschen Städten, in diesen aber im 13. Jahrhundert auch ausschließlich zur Anwendung kam. Vermutlich haben wir den Grund für diese Erscheinung in der Tätigkeit der Werleschen Fürsten zu suchen, die die Stadtgründungen auf ihrem Gebiet beförderten und durch die gleichmäßige Verleihung des Schweriner Rechts an alle ihre Städte eine Rechtsgleichheit einzuführen suchten. Vor allem war es der erste Fürst von Werle, Nikolaus I., der diese Städtepolitik eingeleitet und in seiner langen Herrschertätigkeit auch durchgeführt hat. Als er im Jahre 1277 starb, bestanden in seiner Herrschaft nicht weniger als neun Städte, die Schweriner Recht gebrauchten. Man gewinnt den Eindruck, als ob dieser Fürst die Gründung von Städten als ein besonders geeignetes Mittel zur Kolonisation und wirtschaftlichen Neubelebung, zugleich auch zur militärischen Sicherung seines Landes betrachtete. Deutlich erkennen wir dies beider Gründung Malchins, die durch Nikolaus im Jahre 1236 erfolgte 462 ). Erst in diesem Jahre war auch das Land Malchin, das vorher zu Pommern gehört
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hatte, in Werlesche Hände übergegangen 463 ). Eine von Nikolaus ausgestellte Urkunde vom Jahre 1240 beschreibt den Zustand des Landes, als es in Werleschen Besitz kam, als "eine Einöde, die hinreichend Raum bot": Cum terra Malechin ad nos deuenisset, considerantes illam solitudinem satis spaciosam, ... eam limitauimus 464 ). Danach war eine der ersten Regierungshandlungen, mit denen Nikolaus den bisherigen Zustand in seinem neu gewonnenen Gebiet zu bessern suchte, die Gründung der Stadt Malchin, die sofort, nachdem die Obotritenfürsten gegen Anfang des Jahres 1236 von dem Lande Besitz ergriffen hatten, im April desselben Jahres erfolgte. Damit hatte er sich sogleich auch einen festen Stützpunkt in seinem neuen Lande geschaffen.
Auch darin, daß Nikolaus alle seine Städte mit einem einheitlichen Recht ausstattete, das er bei seinem Regierungsantritt in Güstrow als das Recht der Stadt Schwerin bereits im Gebrauch vorfand, erkennen wir den starken Einfluß, den er bei den Stadtgründungen in seinem Gebiet ausübte. Unsere Quellen lassen diese Tätigkeit des Werleschen Fürsten deutlich in Erscheinung treten. So betont Nikolaus im Jahre 1236 bei der Erteilung des Schweriner Stadtrechts an Malchin, daß es so verliehen werden solle, "wie wir es unseren übrigen Städten gegeben haben" 465 ). Der Fürst ist sich also seiner gleichmäßigen Handlungsweise bei der Erteilung des Stadtrechts bewußt. Ferner läßt auch der Penzliner Stiftungsbrief vom Jahre 1263 einen deutlichen Einblick in die städtefördernde Politik Nikolaus I. gewinnen 466 ). In dieser Urkunde befindet sich als Zusatz des Schreibers ganz an ihrem Ende ein Privileg, das den Bürgern das Recht zur eigenmächtigen Pfändung eines Schuldners in jeder werleschen Stadt verleiht und das, wie der Schreiber sich ausdrückt, sein Herr allein seinen Städten übertragen hat: Dominus meus contulit cunctis civitatibus tale ius. Danach suchte Nikolaus auch. über das schon allen Städten in gleicher Weise verliehene Schweriner Recht hinaus noch weiterhin einheitliche Bestimmungen zu treffen, die das städtische Leben förderten. Diese Rechtsgleichheit der Werleschen Städte war sowohl zum Vorteil der Städte
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als auch des Fürsten, der sie durchführte. Denn einerseits wurde den Städten dadurch ein leichterer Verkehr untereinander ermöglicht, andererseits hatte aber auch der Fürst die Gewähr einer Einheitlichkeit der Verwaltung und Rechtsprechung in den Städten, die auch ihm bei der Ausübung seiner landesherrlichen Gewalt nur von Vorteil sein konnte.
Dieser Städtepolitik Nikolaus I. entspricht es, daß nicht Schwerin, sondern Güstrow zum Oberhof für die Werleschen Städte bestimmt wurde, wenn uns Güstrow allerdings auch nur für Malchow und Krakow als Oberhof bezeugt ist 467 ). Wie Nikolaus I. allen seinen Städten einheitliches Recht gab, so wird er ihnen auch allen einunddenselben Oberhof bestimmt haben. Es konnte wenigstens unmöglich im Interesse Nikolaus I. liegen, daß er seine Städte in rechtlicher Beziehung von Schwerin, einer Stadt außerhalb seines Territoriums, abhängig machte.
Es ergibt sich danach aus unserer Überlieferung für die Städtegründungen in der Herrschaft Werle eine planvolle Tätigkeit Nikolaus I., der zum Wohle seines Landes eine konsequente Städtepolitik führte und von den elf Werleschen Städten in einem Zeitraum von ungefähr vier Jahrzehnten nicht weniger wie acht, vielleicht sogar neun Städte gegründet hat 468 ).
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Unsere zuverlässigste Quelle über die Gründung der Stadt ist eine Urkunde aus dem Jahre 1228, die von den Söhnen Heinrichs von Rostock ausgestellt ist 469 ). Ihr wichtigster Teil hat folgenden Wortlaut 470 ): " ... Siquidem cum progenitorum nostrorum tocius hereditatis nostre ac pheodi nostri plena iuridicio ad nos deuenerit hereditaria successione,
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absonum et presumpcio videretur esse, si ea, que a bone memorie Hinrico patre nostro domino de Rozstok racionabiliter facta sunt, studeremus in irritum reuocare. Sciant igitur tam presentes, quam futuri temporis successores, quod nos postulacioni ciuium nostrorum de Guzstrowe grato occurrentes assensu ipsis iura Zuerinensis ciuitatis, secundum que eisdem pater noster indulserat, indulgemus ..." Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir es bei dieser Urkunde mit einer Bestätigung des Güstrower Stiftungsbriefes zu tun haben. Zwar wollen manche Forscher in ihr die ursprüngliche Urkunde der Stadtrechtsverleihung an Güstrow erblicken 471 ), weil "eine förmlich verfaßte Urkunde" über die Verleihung des Stadtrechts aus der Zeit vor dem Jahre 1228 "altem Gebrauch gemäß" in der Urkunde von 1228 genannt worden und auf diese Art der Charakter der Urkunde als Konfirmationsurkunde zum Ausdruck gekommen wäre. Aber eine derartige Auffassung widerspricht der Aussage und dem Inhalt der Urkunde von 1228. Denn in ihr berufen sich die Söhne Heinrichs von Rostock, die Aussteller der Urkunde von 1228, auf die Wirksamkeit ihres Vaters und erklären, daß sie den Güstrower Bürgern das Schweriner Recht verleihen, "wie es ihnen unser Vater verliehen hatte". Mit diesen Worten wird also deutlich gesagt, daß Heinrich durch die Verleihung des Schweriner Stadtrechts die Stadt Güstrow gegründet hat. Damit ergibt sich von selbst, daß wir es bei der Urkunde von 1228 nur mit einer Bestätigung der von Heinrich an Güstrow verliehenen Privilegien zu tun haben. Dazu kommt, daß der Stadt im Jahre 1228 bereits eine Feldmark gehörte. Ausdrücklich heißt es im § 26 der Stadtprivilegien, daß der Stadt der Acker verliehen wird, den sie jetzt besitzt 472 ). Danach bestand die Stadt bereits im Jahre 1228, und es wird damit auch die Aussage der Urkunde bestätigt, daß Heinrich der Gründer von Güstrow gewesen ist. Da nun Heinrich von Rostock wahrscheinlich im Jahre 1219 von seinem Vater Heinrich Borwin zum Herrn der Herrschaft Rostock erhoben
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wurde 473 ) und am 4. oder 5. Juni 1226 starb, kann die Stadt nur, wie schon Techen hervorgehoben hat 474 ), zwischen den Jahren 1219 und 1226 (den Regierungsjahren Heinrichs von Rostock) gegründet worden sein. Dieser Datierung widerstreitet auch nicht, daß Güstrow am 3. Juni 1226, als derselbe Fürst hier ein Kollegiatstift gründete, als "locus, qui Guzstrowe nominatur" bezeichnet wird 475 ). Denn dieselbe Bezeichnung findet sich auch in einer urkundlichen Erwähnung des Schweriner Domkapitels. Auch Schwerin wird als Sitz des Domstiftes mit den Worten "locus, qui Zuerin dicitur (nuncupatur)" bezeichnet 476 ), obgleich es bereits seit 1160 zur Stadt erhoben war. Danach darf also die eigentümliche Bezeichnung, die die Gründungsurkunde des Güstrower Kollegiatstiftes über Güstrow enthält, zur Entscheidung der Frage, seit wann die Stadt Güstrow besteht, nicht herangezogen werden. Wohl aber können wir aus der Stiftung eines Güstrower Domherrnkollegiums den Schluß ziehen, daß schon vor dieser Gründung eine Stadt Güstrow existierte. Denn es ist kaum anzunehmen, daß ein solches Kollegium vom Landesherrn an einem unbedeutenden Ort, also einem Dorf, sollte gegründet worden sein. Wir können die Beobachtung machen, daß im 13. Jahrhundert in Mecklenburg nur drei Domherrnstifte bestanden, das eine in Schwerin am Sitz des Bistums, das andere in Bützow, der Residenzstadt des Bischofs, die ihm gehörte, und das dritte eben in Güstrow. Die Zahl solcher Kollegien war also verhältnismäßig gering, und wir können daher annehmen, daß Güstrow, das zum Sitze eines Kollegiums ausersehen wurde, schon ein wichtiger Ort war, als das Stift eingerichtet wurde, besonders weil Güstrow anders wie Schwerin und Bützow, die in unmittelbarer Beziehung zu dem Bistum standen, nicht irgendwie besonders eng mit diesem verbunden war. So ist Güstrow wahrscheinlich vor der Stiftung des Domherrnkollegiums, vor dem 3. Juni 1226, von Heinrich von Rostock gegründet worden.
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Vor der Stadtgründung bestand auf dem rechten Ufer der Nebel gegenüber der späteren Stadt ein wendisches Dorf, das vermutlich den Namen Güstrow führte, nach der Stadtgründung aber als Alt-Güstrow bezeichnet wurde 477 ). Ob es hier auch eine wendische Burg gegeben hat, die Güstrow genannt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Lisch vermutete allerdings, daß das spätere Schloß der Herren von Werle auf einem "alten heidnischen Burgwall aufgeführt" sei, da "die ganze Lage an einem Ende einer weitgestreckten sumpfigen Wiese rings von sumpfigen Tiefen umgeben und an einer Seite doch dem festen Lande nahe auf den ersten Blick zeige, daß das Schloß eine uralte Anlage sei" 478 ). Aber für diese Behauptung sind bis heute noch keinerlei Beweise beigebracht worden. Eine große Bedeutung wird danach die Burg, wenn sie überhaupt bestanden hat, nicht gehabt haben, da uns jegliche Kunde von ihr fehlt.
Auch das wendische Dorf, das spätere Alt-Güstrow, war wohl nur eine unwichtige Ansiedlung, da eine Kirche in Güstrow erst im Zusammenhang mit der Stadtgründung entstand. Zwar haben Schmaltz und Reifferscheid behauptet, daß der Bau der Kirche im Jahre 1226 im Zusammenhang mit der Stiftung des Domkollegiums erfolgte, aber ihre Argumente sind keineswegs beweiskräftig, da in allen Urkundenstellen, die sie anführen, nie von dem Bau (structura) der Kirche geredet wird. Schmaltz behauptet z. B., daß aus dem Satz: "in loco, qui Guztrowe nominatur, conuentualem ecclesiam canonicorum ad honorem dei ... et ... Marie ... et Cecilie uirginis ordinaui" 479 ) hervorgehe, daß damit "die Errichtung einer konventualen Kirche angeordnet, auch die Heiligen, denen sie geweiht werden soll, erst bestimmt" worden seien. In diesen Worten ist aber über die Erbauung einer Kirche durchaus nichts gesagt, sondern sie bezeichnen lediglich die Stiftung einer Kirche für ein Domherrenkollegium, dem seine besonderen Heiligen bestimmt werden. Wir können denselben Vorgang und fast wörtlich die gleiche Ausdrucksweise dafür bei der Einsetzung des Bützower Domstiftes beobachten. Die betreffende Stelle der Urkunde über diese Stiftung
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lautet 480 ): "Ad laudem ... domini nostri Ihesu Christi ac intemerate virginis matris eius sanctique Johannis ewangeliste et sancte Elizabeth ... ibidem (Bützow) conuentualem ecclesiam canonicorum instituimus ..." Bei Bützow läßt sich nun aber nachweisen, daß mit dem Ausdruck "ecclesiam canonicorum instituimus" nicht der Beschluß zur Erbauung einer konventualen Kirche gemeint sein kann. Denn der Zeitpunkt, in dem der Bau der Domkirche begonnen wurde, liegt bereits mehrere Jahre vor der Stiftung des Domkollegiums 481 ). Es bezeichnen also obige Worte nur die Übernahme einer bereits bestehenden Kirche durch das neu gegründete Kollegiatstift als Domkirche. Danach kann die von Schmaltz zitierte Stelle über die Stiftung des Güstrower Doms für die Baugeschichte dieser Kirche nicht als beweiskräftig herangezogen werden. Aber auch die Argumente, die Reifferscheid für dieselbe Ansicht, daß eine "völlige Neugründung der Kirche im Jahre 1226" erfolgte, anführt, sind keineswegs über allem Zweifel erhaben 482 ). Denn die Stellen, die er zum Beweis seiner Behauptung aus den Urkunden anführt, zeigen lediglich, daß Heinrich von Rostock der Begründer des Domkollegiums und seiner Kirche gewesen ist, eine Tatsache, die nach der Urkunde vom 3 Juni 1226 ja auch keiner bezweifeln wird; aber es bleibt auch nach den von Reifferscheid zitierten Stellen eine offene Frage, ob das Gebäude des Güstrower Doms erst seit der Stiftung des Domkollegiums, seit dem 3. Juni 1226, errichtet wurde. Es läßt sich daher urkundlich nicht nachweisen, daß der Bau des Güstrower Doms zugleich mit der Stiftung des Domkollegiums erfolgte. Es besteht auch die Möglichkeit, daß die Kirche des Güstrower Domkollegiums bereits vor der Gründung dieser Korporation in ihren ersten Anfängen bestand.
Die Gründung der Stadt erfolgte durch den Landesherrn, der an Güstrow das Schweriner Stadtrecht verlieh 483 ). Die technische Anlage der Stadt und die Herbeiführung der Ansiedler besorgten anscheinend Lokatoren, aus denen der Rat
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gebildet wurde und denen zur Entschädigung für ihre Mühe Rechte zugestanden wurden, die im ursprünglichen Schweriner Stadtrecht der Gesamtheit der Bürgerschaft bzw. dem magister civium zukamen.
Eine Untersuchung über das Schweriner Stadtrecht, wie es vor dem 4. oder 5. Juni 1226, dem Todestage des Fürsten Heinrich von Rostock, an Güstrow verliehen wurde und uns aus einer Urkunde vom 1. November 1228, in der die vier Söhne Heinrichs von Rostock dieses Stadtrecht bestätigten, bekannt ist 484 ), soll die eben geäußerte Annahme beweisen.
Das Recht, das der Stadt Schwerin bei ihrer Gründung durch Heinrich den Löwen im Jahre 1160 oder einige Jahre später verliehen wurde, ist uns nicht mehr erhalten. Zwar behauptet das Schwerin-Güstrower Stadtrecht mit den Worten: "Sunt autem hec iura ciuitatis Zverin", daß seine Bestimmungen das Recht der Stadt Schwerin darstellten, aber mit diesen Worten wird ja keineswegs behauptet, daß das Schweriner Recht in der an Güstrow verliehenen Fassung das in Schwerin am frühesten gebrauchte ursprüngliche Recht gewesen ist. Vielmehr ist im Schwerin-Güstrower Stadtrecht, wie schon von anderen betont ist 485 ), nicht die ursprüngliche Fassung des Schweriner Stadtrechts erhalten. Wir werden zu beweisen versuchen, daß wesentliche Bestimmungen des Schwerin-Güstrower Stadtrechts über die Ratsverfassung erst bei der Stadtgründung von Güstrow infolge der Beteiligung von Lokatoren an ihr in das Schwerin-Güstrower Stadtrecht aufgenommen wurden. Damit wäre dann zugleich auch der Beweis dafür erbracht, daß Güstrow unter Beteiligung von Lokatoren gegründet wurde.
Eine Betrachtung der Paragraphen des Schwerin-Güstrower Rechtes, die von den consules und dem magister civium handeln, soll die Grundlage für die folgenden Ausführungen bilden. Diese Paragraphen haben folgenden Wortlaut: "§ 11. Omnis solidus pacis consulibus deputatur; § 12. Si decreuerint consules super officia ciuitatis magistrum ciuium ordinare et excedant subditi, due partes consulibus, tercia potestati, nil magistro ciuium deputetur; § 13. Ciuium est eligere magistrum talem." Es fragt sich, welche Bedeutung und welche Stellung auf Grund dieser Be-
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stimmungen dem magister civium und dem Stadtrat zukommen. Die Würde eines Bürgermeisters (proconsul) als Präsident des Ratskollegiums kann der magister civium nicht bekleidet haben, da uns ein Bürgermeister in diesem Sinne erst im 14. Jahrhundert in Güstrvw unter dem Titel eines proconsul bekannt wird 486 ) und außerdem die rechtliche Stellung des proconsul eine andere wie die des magister civium war. Denn während der spätere Bürgermeister vom Rat als dessen präsidierendes Mitglied gewählt wird, ist der magister civium des Schwerin-Güstrower Rechts der Erwählte der ganzen Gemeinde. Als die Aufgabe des magister civium wird die Aufsicht über die Ämter bzw. Innungen der Stadt (officia civitatis) bezeichnet 487 ). Als Konkurrent des magister civium erscheint im Schwerin-Güstrower Recht der Stadtrat. Von seiner Genehmigung ist es abhängig, ob ein magister civium von der Stadtgemeinde über die Innungen gesetzt werden soll. Der Stadtrat bildet so in dem Schwerin-Güstrower Recht die dem magister civium übergeordnete Instanz, von der über die Existenz eines magister civium überhaupt erst entschieden wird. Auf Grund dieser Bestimmung konnte die Tätigkeit des magister civium vom Stadtrat vollkommen außer Kraft gesetzt und so zugleich der Einfluß der Gesamtbürgerschaft, als deren Organ ja der Magister erscheint, in der Verwaltung der Stadt zur Bedeutungslosigkeit verurteilt werden.
Diese eigentümlichen rechtlichen Beziehungen zwischen dem Rat und magister civium im Schwerin-Güstrower Recht legen die Frage nahe, ob das Verhältnis dieser beiden Institutionen zu einander schon früher in der Weise geregelt war, wie es uns aus der Urkunde von 1228 entgegentritt. Anscheinend ist dies nicht der Fall gewesen, sondern der magister civium hatte vor dem Jahre 1228 gegenüber dem Stadtrat eine selbständige Stellung inne. Dafür spricht zunächst der Inhalt der
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Bestimmungen über den Stadtrat und den magister civium im Schwerin-Güstrower Recht. Denn der § 12, der das Genehmigungsrecht des Rats zur Einsetzung eines magister civium enthält, glaubt mit der Möglichkeit rechnen zu müssen, daß die Bürger sich gegen dies Recht empören, und setzt für diesen Fall Strafen fest, von denen dem magister civium bezeichnenderweise nichts zukommt, da der § 12 ja die Bußen für ein Vergehen gegen ein Ratsprivileg festsetzt, die naturgemäß nur den Inhabern dieses Privilegs, den Ratmännern zufallen können 488 ). Wäre dies Recht des Rates dem sonst als Schweriner bekannten Recht nicht widersprechend gewesen, hätte man die Möglichkeit einer Empörung dagegen wohl kaum vorgesehen und die Strafbestimmungen würden nicht erfolgt sein. Anscheinend handelt es sich bei diesem Recht des Rates um eine Festsetzung, die den Einfluß des Magister und damit der Gesamtgemeinde zurückdrängen sollte. Wenn man diese Bestimmung mit anderen dem Schweriner Recht nahestehenden Stadtrechten vergleicht, läßt sich deutlich erkennen, daß das Amt des magister civium eine dem Stadtrat gegenüber selbständige Institution gewesen ist und der letztere zum Teil in die Funktionen des ersteren eingetreten ist. Das Schweriner Recht hat, abgesehen von dem lübischen, besonders starke Berührungspunkte mit dem braunschweigischen Hagenrecht. Dieses Stadtrecht, das in seiner uns überlieferten Form im Jahre 1226 abgeschlossen und besiegelt wurde, geht ebenso wie das Schweriner in seinem Kern auf einen Rechtsbrief Heinrichs des Löwen zurück, den dieser um 1150 dem neu angelegten sog. Braunschweiger Hagen verliehen hat 489 ). Die Paragraphen aus dem Hagenrecht, die zur Erklärung der Entwicklung der Schwerin-Güstrower Stadtverfassung herangezogen werden müssen, haben folgenden Wortlaut: "§ 4. Item burgenses aduocatum unum de suis conciuibus eligant; et quicquidille per iudicia conquisierit, eius tercia pars curie presentabitur, dve partes ad usus et necessitates ciuitatis con-
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uertantur; § 14. Item burgenses suos consules habeant, sicut habere consueuerunt, quorum consilio ciuitas regatur". In Braunschweig besteht danach ebenso wie in Schwerin ein Recht der Gemeinde, sich selbst einen Beamten zu wählen. Er führt zwar nicht den Titel eines magister civium, wie in Schwerin, sondern den eines advocatus, er ist jedoch als Gemeindebeamter in der Urkunde von dem herzoglichen Vogt dadurch deutlich unterschieden, daß dieser mit dem Worte iudex bezeichnet wird. Nach der Braunschweiger Urkunde hat der Gemeindebeamte richterliche Befugnisse. Frensdorff meint, daß es sich dabei um eine Gerichtsbarkeit handelte, "wie sie der Bauermeister des Sachsenspiegels übte, "over unrechte mate und unrechte wage, over valschen kop" und kleinen Diebstahl" 490 ). Es besteht danach zwischen dem Amt des Schweriner magister civium und dem Braunschweiger advocatus eine starke Verwandtschaft. Nur darin, daß im Braunschweiger Hagenrecht im Unterschied vom Schweriner Recht eine Abhängigkeit des Beamten der Gesamtgemeinde vom Stadtrat nicht vorhanden ist, beruht der grundlegende Unterschied zwischen der Institution in beiden Städten. Es ergibt sich nun aus der Urkunde des Braunschweiger Hagenrechts, daß die selbständige Stellung des advocatus gegenüber dem Rat in diesem Recht immer bestanden hat; denn der Stadtrat scheint in Braunschweig überhaupt erst eine jüngere Institution gewesen zu sein, deren Ursprung noch nicht in dem Rechtsbrief Heinrichs des Löwen zu suchen ist 491 ). Jedenfalls beweisen die Worte "sicut habere consueuerunt" , die die Tätigkeit des Rates erläutern sollen, zur Genüge, daß "eine allmähliche Entwicklung der Ratsverfassung in Braunschweig" stattgefunden hat 492 ), und deshalb kann der § 14 des Braunschweiger Rechtes in der uns bekannten Fassung erst aus dem Jahre 1226 stammen, als Herzog Otto das Kind das Hagenrecht bestätigte. Während sich also in Braunschweig die Ratsverfassung als das Produkt einer allmählichen Entwicklung des Braunschweiger Hagenrechts erweist, ist uns die Institution
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eines von der Gesamtbürgerschaft gewählten Beamten im Braunschweiger Hagenrecht schon für das Jahr 1196 urkundlich bezeugt 493 ). Denn in einer Hildesheimer Urkunde aus diesem Jahre finden sich folgende Bestimmungen, die für eine Ansiedlung von Flandern getroffen werden: "Idem advocatus semel tantum in anno presidebit iuditio, nisi aliud elegerint, et secundarium advocatum eis non constituet, sed magistrum civilem habebunt, quem elegerint ... In hiis et aliis, que longum est enumerare, ius aliorum Flandrensium, qui morantur Brunswi[c] vel circa Albim, prorsus sequi decreverunt advocati accedente consensu" 494 ). Es ist danach wahrscheinlich, daß das Recht der Gesamtbürgerschaft auf Wahl eines Beamten schon von Heinrich dem Löwen den Ansiedlern des Braunschweiger Hagens verliehen wurde, die diese Einrichtung der Landgemeinde, wie aus der Hildesheimer Urkunde hervorgeht, aus ihrer Heimat Flandern kannten, während die Bestimmungen über den Rat in dem von Heinrich dem Löwen erteilten Rechtsbrief in der uns aus dem Jahre 1226 bekannten Form noch nicht vorhanden gewesen sein kann. Jedenfalls war in Braunschweig der advocatus noch im Jahre 1226 völlig unabhängig vom Stadtrat. Weil nun auch das Schweriner ebenso wie das Braunschweiger Hagenrecht auf Heinrich den Löwen zurückgeht, so ergibt sich auch mit einiger Wahrscheinlichkeit für das Schweriner Recht, was wir für das Braunschweiger urkundlich nachweisen können, daß der. magister civium als Beamter der Gesamtbürgerschaft einstmals unabhängig vom Willen des Rats gewesen ist.
Nach dieser Feststellung, daß der magister civium zunächst selbständig dem Stadtrat gegenüber gestanden hat, bleibt die Frage zu beantworten, wie und bei welcher Gelegenheit sich das Verhältnis zwischen beiden Institutionen zu ungunsten des magister civium verschoben hat.
Es erscheint auffällig, daß nur im Schwerin-Güstrower Recht der Rat das Vorrecht hatte, den Friedensschilling einzunehmen und den magister civium einzusetzen, der die Aufsicht über die Innungen übte, während in Lübeck und Braunschweig
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der Rat diese Privilegien zur selben Zeit anscheinend noch nicht besitzt. Im Braunschweiger Hagenrecht heißt es von den Ratmännern lediglich, daß nach ihrem Rat die Stadt regiert werden solle, und auch der advocatus hat seine Stellung noch insofern bewahrt, als seine Einsetzung nicht vom Rat abhängig ist. Ferner findet sich im Barbarossa-Privileg Lübecks keine von diesen Schweriner Ratsbestimmungen wieder 495 ). Es ist auffällig, daß der Friedensschilling in Lübeck nicht dem Rat, sondern zur Hälfte den Bürgern (civibus) und zur Hälfte dem Vogt (iudici) zufällt 496 ). Wir sehen also, daß sowohl im Braunschweiger Hagen wie auch in Lübeck die Rechte der Gesamtbürgerschaft sich dauernder erhalten haben als in Güstrow, das Schweriner Recht erhielt. Angesichts dieser Tatsache, daß in den Lübecker und Braunschweiger Rechtsbestimmungen, die dem Schweriner Recht nach ihrer gleichen Herkunft und Stiftung durch Heinrich den Löwen eigentlich am ähnlichsten sein sollten, die Schweriner Ratsbefugnisse fehlen, bemerkt man mit einiger Überraschung, daß dieselben Rechte im Parchimer Lokationsvertrag den Lokatoren Parchims zugebilligt werden 497 ). Der betreffende Paragraph der Parchimer Urkunde hat folgenden Wortlaut: "§ 2. Huius" eciam ciuitatis cultoribus 498 ) dedimus omnem prouentum., qui vulgo sonat inninge, et solidum vriedescillinc, et ad emeudacionem et structuram ciuitatis." Um den Bau der Stadt zu betreiben, erhalten danach die Parchimer cultores den Friedensschilling und die Einkunft von den Innungen 499 ). In Güstrow sind es die consules, die den Friedensschilling (solidum pacis) erhalten. Außerdem haben diese sich ein Mitbestimmungsrecht in den Innungen in der Weise gesichert, daß sie sich das Einsetzungsrecht eines magister civium, der in den Innungen die Aufsicht führt, vorbehalten. Dieser Kompromiß im Schwerin-Güstrower Recht war offenbar dadurch nötig geworden, daß im ursprünglichen Schweriner Recht das Aufsichtsrecht über die Innungen dem magister civium allein
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zustand, während bei der Abfassung des Parchimer Lokationsvertrages auf ein bestehendes Recht keinerlei Rücksicht genommen zu werden brauchte 500 ). Abgesehen von dieser Verschiedenheit in der Form stimmen die Privilegien, die einerseits den Parchimer cultores, anderersets den Güstrower consules verliehen werden, vollkommen mit einander überein. Der Schluß liegt nahe, daß, wie in Parchim der Friedensschilling und das Recht an den Innungen den Lokatoren zugebilligt wurden, die dann auch, wie wir früher nachzuweisen versuchten, zu Ratmännern eingesetzt wurden, so auch in Güstrow dieselben Vorrechte den Ratmännern auf Grund ihrer Lokatorentätigkeit bei der Gründung Güstrows verliehen wurden. Da in Güstrow alle Ratmänner an der Lokatorenentschädigung beteiligt werden, so ist anzunehmen, daß auch alle als Lokatoren bei der Gründung Güstrows mitwirkten, und es ergibt sich, daß das Güstrower Ratskollegium wahrscheinlich aus einem Unternehmerkonsortium gebildet wurde 501 ). Vielleicht sind uns die Namen dieser ersten Güstrower Ratsherren in der Zeugenreihe der Bestätigungsurkunde des Schwerin-Güstrower Stadtrechts vom Jahre 1228 erhalten, wo uns sechs Namen Güstrower Bürger genannt werden: Bruno, Hinricus Advocatus, Johannes Cocus, Arnoldus Sagittarius, Fre., Daniel Institor, ciues in Guzstrowe. Bedenkt man ferner, daß die Parchimer, wie auch die Güstrower Urkunde von demselben Fürsten Heinrich von Rostock ausgestellt wurde, so erklärt sich die inhaltliche Übereinstimmung zwischen der Parchimer und Güstrower Urkunde sehr natürlich, ja es wäre sogar merkwürdig, wenn sie nicht bestände, und es wird auf diese Weise wahrscheinlich, daß die Schwerin-Güstrower Ratsverfassung in der Form, wie sie uns überliefert ist, unter dem Einfluß von Lokatoren, denen die Anlage Güstrows übertragen war, entstanden ist.
Nur die Anlage von Güstrow durch Lokatoren, die für sich eine Entschädigung auf Kosten der Institution des magister
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civium verlangten, konnte eine solche Veränderung des Schweriner Rechts zu ungunsten des magister civium herbeiführen. Aus einer bloßen "allmählichen Entwicklung der Ratsverfassung" läßt sich eine derartige Neugestaltung und Umgruppierung der Kräfte, wie sie das Schwerin-Güstrower Stadtrecht zum Ausdruck bringt, nicht erklären. "In dem Augenblick, in dem Güstrow mit ihm bewidmet wurde," wird das Schweriner Recht auf den "Grad der Ausbildung" gebracht, in dem es uns aus der Güstrower Urkunde bekannt ist 502 ).
Die Gründung Güstrows erfolgte aus wirtschaftlichen Interessen. Scheinbar spielten Rücksichten auf den Handelsverkehr bei der Auswahl des Platzes eine erhebliche Rolle. Denn anders wäre es wohl kaum zu erklären, daß die älteste Stadt der Herrschaft Werle nicht bei der Burg Werle, die in der Wendenzeit der Mittelpunkt dieses Landes war, sondern in einer größeren Entfernung von ihr bei dem in der Wendenzeit unbedeutenden Ort Güstrow gegründet wurde. Güstrow hatte eine für den Verkehr bei weitem günstigere Lage wie Werle. Denn Güstrow liegt im Tal der Nebel an einer Stelle, von wo natürliche Straßen nach allen Seiten ausgehen. So wird wohl der geübte Blick der kaufmännischen Unternehmer die Gunst der Lage dieses Platzes erkannt haben. Denn um eine Kaufmannssiedlung scheint es sich bei der ersten Anlage in der Tat gehandelt zu haben. Von den sechs Bürgern, die im Jahre 1228 als Zeugen der Güstrower Bestätigungsurkunde aufgeführt werden, ist einer nach seinem Gewerbe (Krämer) genannt 503 ). Ferner kann man auch aus einer landesherrlichen Bestimmung vom Jahre 1248 504 ), daß der Marktplatz nur mit Zustimmung der consules von seiner bisherigen Stelle verlegt werden könne, erkennen, wie sehr die consules am Marktleben interessiert waren, so daß sie eine Verlegung des Platzes ausschließlich von ihrer Genehmigung abhängig machten. Es kommt hinzu, daß auch der Landesherr seine tätige Mithilfe zur Förderung der Stadt nicht versagte, wie es aus der Gründung eines Domherrnstiftes im Jahre 1226 durch landesherrliche Mittel zu erkennen ist. Durch diese Stiftung des Landesherrn sollte anscheinend der örtliche Verbraucherkreis des Güstrower
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Marktes erweitert werden 505 ). Auch scheint eine Burg seit der Gründung der Stadt in Güstrow bestanden zu haben. Ihre Besatzung wird uns bei der Stiftung des Domkollegiums im Jahre 1226 zuerst genannt 506 ).
Eine andere Frage ist die nach der Herkunft der Bevölkerung der Stadt. Anscheinend bestand das Unternehmerkonsortium aus deutschen Männern; denn die Namen der sechs Bürger, die uns im Jahre 1228 genannt werden, gehören der deutschen Sprache an 507 ). Auch die neun Ratmänner, die uns im Jahre 1248 bezeugt werden, sind vermutlich deutscher Herkunft 508 ). Es führt wenigstens keiner von diesen einen slawischen Namen. Danach gewinnt man den Eindruck, daß die ersten Güstrower Bürger deutscher Abstammung gewesen sind. Daß die ersten Güstrower Ansiedler, wie aus der Verleihung des Schweriner Rechts sich zu ergeben scheint, aus Schwerin gekommen bzw. durch Vermittlung Schweriner Bürger herangezogen sind, erscheint als sehr wohl möglich, besonders weil Schwerin ja auch in der ersten Zeit seines Bestehens eine ausgesprochene Handelsstadt gewesen ist. Bedenkt man auch, daß Parchim von Heinrich von Rostock in gleicher Weise wie Güstrow durch Lokatoren, die auch dieselben Vorrechte wie die Güstrower erhielten, gegründet ist, aber Parchim nicht das Schweriner Recht wie Güstrow empfing, so liegt es nahe, diese Abhängigkeit Güstrows von Schwerin sich in persönlichen Beziehungen der Lokatoren zu Schwerin begründet zu denken.
Neben der von Heinrich von Rostock gegründeten Stadt entstand vor dem Jahre 1248 eine neue. Man hatte jedoch mit der Anlage dieser Neustadt die Gunst der Lage Güstrows und die Entwicklungsmöglichkeiten an dieser Stelle überschätzt, denn im Jahre 1248 wird den Bürgern der Altstadt gestattet, diese neue Stadt wieder abzubrechen und dafür lieber erst die Altstadt mit ansehnlichen Gebäuden auszubauen 509 ). Anscheinend wurde vor dem Abbruch der Neustadt ein Kompromiß zwischen den Bürgern der Alt- und Neustadt abgeschlossen, dessen einzelne Bestimmungen uns urkundlich nicht erhalten sind,
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dessen Vorhandensein wir aber daraus erschließen können, daß noch im 14. Jahrhundert der Güstrower Rat als der Rat der alten und neuen Stadt bezeichnet wird 510 ). Danach haben sich die beiden Ratskollegien beim Abbruch der Neustadt zu einer Körperschaft vereinigt. An welcher Stelle diese Neustadt neben der Altstadt 511 ) gelegen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls hat die Altstadt sich immer auf dem linken Ufer der Nebel befunden. Wenn Lisch meint 512 ), daß die Altstadt auf dem rechten Ufer der Nebel gelegen habe und heute vom Erdboden verschwunden sei, so verwechselt er dabei "Alt-Güstrow" (Wendisch-Güstrow) mit der "alten Stadt Güstrow" 513 ), deren Pfarrkirche, die Kirche der "alten Stadt Güstrow", auch die "Marktkirche" genannt 514 ), noch heute mitten in der Stadt liegt. Auch die Möglichkeit, daß etwa die "Neustadt" in dem heute von uns als Altstadt von Güstrow bezeichneten Stadtteil mitenthalten sein sollte, ist nicht anzunehmen, weil der Plan. dieser Altstadt von Güstrow einen so geschlossenen Eindruck macht, daß man ihn als den ursprünglichen Grundriß der Altstadt Güstrow ansprechen muß. Der Plan ist der einer Stadt aus frischer Wurzel 515 ). Ein großer rechteckiger, fast quadratischer Marktplatz liegt beherrschend im Zentrum der kreisförmig angelegten Stadt. Von seinen vier Ecken führen rechtwinklig die Straßen nach allen Seiten hin. Neben unseren urkundlichen Zeugnissen bildet also auch der Stadtplan der Altstadt Güstrow ein lebendiges Zeugnis für die Vorgänge bei der Gründung, als gegenüber dem slawischen Dorf deutsche Unternehmer die Anlage einer Stadt begannen.
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Nikolaus I., auf dessen städtefördernde Politik bereits eingegangen wurde, beginnt die Reihe seiner Stadtgründungen
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mit der Malchows am 14. März 1235 517 ). Malchow liegt auf einer Insel in der Elde an einer Stelle, wo dieser Fluß seine größte Breite erreicht. Diese Lage Malchows bringt es mit sich, daß es zu allen Zeiten ein wichtiger Übergangspunkt über die Elde gewesen ist.
Sie war jedoch nicht die früheste Siedlung, von deren Existenz an dieser Stelle uns die Quellen berichten. Schon der slawische Name Malchow läßt darauf schließen, daß zur Wendenzeit eine slawische Ansiedlung in dieser Gegend gestanden haben muß. Tatsächlich wird uns auch berichtet, daß es hier eine Burg und ein Heiligtum gegeben hat 518 ). Beide wurden zwar im Verlauf des Wendenkreuzzuges im Jahre 1147 zerstört, anscheinend aber bald darauf wieder hergestellt, da die Burg im Jahre 1160 nach dem Tode Niklots von Heinrich dem Löwen mit Ludolf von Peine als Burgvogt besetzt wird 519 ). In den Kämpfen um die endgültige Bezwingung der Wenden spielte die Burg, nunmehr im Besitz Heinrichs des Löwen, auch fernerhin eine Rolle. Nach der Schlacht bei Verchen (1164) verschwindet ihr Name aus der Geschichte. Ihre Lage vermutet Lisch "auf dem Südufer der Elde der Stadt schräge gegenüber auf einem niedrigen Vorsprung der jetzigen Laschendorfer Feldmark gegen den Fleesensee," wo ein wendischer Burgwall sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Die Bedeutung dieser Burg in slawischer Zeit war sicher nicht gering, da uns noch im 13. Jahrhundert vom Lande (terra) Malchow berichtet wird und wir aus dieser Bezeichnung schließen können, daß Malchow Mittelpunkt eines ganzen Burgbezirks war, der nach ihr benannt wurde. Es ist anzunehmen, daß außer der Burg und dem Heiligtum hier auch noch ein wendisches Marktdorf Malchow existierte. Darauf deutet anscheinend noch der Name eines Gehöftes auf dem südlichen Ufer der Elde nahe bei der Burg hin, der "Wiksol" lautet und in seinem ersten Teil den Namen für wendische Marktsiedlungen enthält 520 ). Außerdem führt auch ein Mal-
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chower Bürger im 13. Jahrhundert den Namen "de Wic", der auch auf eine Wiek bei Malchow hindeutet. Vielleicht ist uns dieses wendische Marktdorf noch in dem späteren Dorf Alt-Malchow erhalten, das der Stadtinsel an dem südlichen Eldeufer gerade gegenüber liegt und uns im Jahre 1285 als Dorf zuerst genannt wird 521 ). Zwar hat man bisher behauptet, daß Alt-Malchow ein deutsches Kolonistendorf gewesen sei, aber für diese Behauptung kann man bis heute keinerlei Beweise beibringen. Es spricht vielmehr dagegen, daß die Bezeichnung "Alt" bei Wismar und Güstrow für eine wendische Siedlung angewandt wird.
Schmaltz behauptet, daß in Alt-Malchow schon vor der Zeit der Kolonisation eine Kirche errichtet sei 522 ). Seine Vermutung vermag jedoch einer ernsthaften Kritik nicht standzuhalten. Denn Schmaltz folgert hier wieder aus der wahrscheinlichen Tatsache, daß Malchow ein Burgwardkirchspiel gewesen ist, daß damit die Alt-Malchower Kirche schon vor der Kolonisation bestanden haben muß, weil die Malchower Stadtkirche erst mit der Stadtgründung zugleich entstanden ist. Wie das Beispiel des Parchimer Kirchspiels und dessen Gründung gezeigt hat 523 ), entspricht diese Theorie von Schmaltz, daß ein Burgwardkirchspiel immer vor dem Beginn der Kolonisation gegründet wurde, nicht dem wirklichen Hergang. Abgesehen von dieser falschen Burgwardkirchspieltheorie kann Schmaltz seine Ansicht nur damit begründen, daß es ihm "undenkbar ist, daß nach der um 1235 mit der Stadt zugleich errichteten Kirche von Neu-Malchow unmittelbar vor dem Tore der Stadt noch eine zweite Pfarrkirche landesherrlichen Patronates (in Alt-Malchow) errichtet worden ist". Mir erscheint dies aber durchaus möglich, zumal wenn man annimmt, daß Alt-Malchow ein Wendendorf gewesen ist und im natürlichen Gegensatz zu der deutschen Stadt stand. Wie Alt-Malchow im Jahre 1285 zum Sitz des Landdings bestimmt wurde, das vorher in der Stadt lokalisiert war 524 ), so mag sich der Gegensatz zwischen Malchow und Alt-Malchow sehr wohl auch noch in der Errichtung einer eigenen Kirche durch den Landesherrn in Alt-Malchow ausgewirkt haben. Der Ansicht von Schrnaltz, daß
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"die Kirche von Alt-Malchow älter sein und in die Zeit vor der Kolonisation zurückreichen muß" 525 ), widerspricht auch die urkundliche Überlieferung, denn während uns die Malchower Kirche zuerst im Jahre 1256 genannt wird 526 ), begegnet uns die von Alt-Malchow erst im Jahre 1298, also ungefähr 40 Jahre später 527 ). Es kommt hinzu, daß nach dem Baustil der Alt-Malchower Kirche deren Entstehung, wenn nicht in eine spätere, so doch zum mindesten in keine frühere Zeit verlegt wird 528 ). Danach ist in Malchow die Stadtkirche, die, wie ihre Baubeschreibung zeigt, erst mit der Stadtgründung zugleich entstanden ist 529 ), die älteste Kirche, und ihr Kirchspiel umfaßte vielleicht zunächst das ganze Land Malchow.
Die Gründung der Stadt im Jahre 1235 erfolgte in der Weise, daß der Fürst Nikolaus von Werle den "cives" von Malchow Schweriner Recht verlieh 530 ). Die Stadt ist eine Gründung aus frischer Wurzel. Man erkennt dies auch daraus, daß der Stadt in der Urkunde von 1235 vierzig Hufen als Feldmark zu allem Recht und Nutzen angewiesen werden, eine Tatsache, die auf die Neusiedlung einer Gemeinde schließen läßt. Durch den Stadtplan wird dieser urkundliche Hinweis bestätigt 531 ). Zwar schrieb die dreieckige Form der Stadtinsel schon gewissermaßen durch ihre Natur den Bebauungsplan vor, indem die Straßen den drei Seiten der Insel folgten, aber die quadratische Form des "alten Marktes" deutet doch auf die planmäßige Anlage der Stadt hin.
Diese Art der Entstehung der Stadt legt die Vermutung nahe, daß auch bei der Anlage von Malchow Lokatoren tätig gewesen sind. Es erscheint in diesem Fall sehr wohl möglich, daß auch in Malchow den consules ebenso wie in Güstrow das Recht auf den Friedensschilling und die Einsetzung eines magister civium auf Grund ihrer Mithilfe an der Anlage der Stadt zugebilligt worden ist. Jedenfalls muß ja der Stadtrat, dessen Aufgaben und Rechte in Malchow durch die Gründungsurkunde festgelegt wurden und mit denen der Güstrower consules übereinstimmten, vom Landesherrn bei der Gründung
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eingesetzt sein; und es ist zu vermuten, daß die ersten Ratmänner vom Landesherrn zur Anlage der Stadt beauftragt waren und dafür die besonderen Privilegien erhielten, die den ersten Güstrower Ratsherren als Lokationsentschädigung erteilt waren. Es entspricht auch dem üblichen Hergang bei Stadtgründungen besser, daß nicht die Gesamtheit der Ansiedler (cives de Malchowe), sondern ein Ausschuß derselben mit dem Landesherrn über die Erteilung des Stadtrechtes verhandelte und die Ansiedlung leitete. Vielleicht haben wir die Lokatoren in den vier Malchower Bürgern zu erblicken, die uns in der Gründungsurkunde von 1235 genannt werden 532 ). Außer dem Landesherrn hat vermutlich auch die Stadt Güstrow bei der Gründung Malchows mitgewirkt. Die Gründungsurkunde wurde in der Stadt Güstrow ausgestellt und enthält in ihrer Zeugenreihe auch die Namen von zwei Güstrower Bürgern. Dazu kommt auch, daß Malchow seinen Oberhof in Güstrow hatte. In späterer Zeit bestanden anscheinend auch Handelsverbindungen zwischen Rostock und Malchow. Aus dem Jahre 1320 ist uns ein Tuchgeschäft zwischen zwei Malchower und einem Rostocker Bürger überliefert 533 ).
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Ein Jahr später als die Gründung Malchows erfolgte die von Malchin. Sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eroberung des Landes Malchin durch Nikolaus von Werle, der dies Gebiet im Frühjahr des Jahres 1236 den Pommernherzögen entriß 535 ). Denn bereits am 7. April 1236 wurde die Stadt von dem Fürsten von Werle durch Verleihung des Schweriner Stadtrechtes an die cives von Malchin gegründet 536 ). Er wollte mit dieser Stadtgründung das Land Malchin, das nach seiner eigenen Aussage einer Wüste glich 537 ), wirtschaftlich fördern und durch Verleihung des Schweriner Stadtrechtes an die Stadt Malchin, das er auch seinen übrigen
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Städten gegeben hatte (quod ceteris ciuitatibus nostris dedimus), diese und das neu gewonnene Gebiet an seine Herrschaft binden. Malchin liegt an der pommerschen Grenze. Es hat durch seine Lage an der Peene und am Kummerower See, der zur Hälfte zu Pommern gehört, auch geographische Verbindungen zu diesem Lande, eine Tatsache, die im Mittelalter in einer Zollbegünstigung der Malchiner Bürger in Pommern und der Zulassung der um Malchin liegenden pommerschen Dörfer zum Malchiner Markt auch wirtschaftlich ihren Ausdruck fand 538 ).
Vor der Stadtgründung hat anscheinend keine frühere Siedlung mit dem Namen Malchin bestanden, die von Menschen bewohnt war. Denn noch im Jahre 1240 beschreibt der Gründer der Stadt, Fürst Nikolaus, das Land Malchin, wie er es vorfand, als er es im Jahre 1236 von Pommern erwarb, als eine "Einöde, die hinreichend Raum hatte" 539 ).
So erklärt sich auch, daß der Stadt Malchin bei ihrer Gründung eine Feldmark zugewiesen wird, deren Begrenzung den Bürgern vom Landesherrn nicht vorgeschrieben, sondern diesen selbst überlassen bleibt 540 ). Land war also in Hülle und Fülle vorhanden, das von niemand bebaut und auf das von niemand Anspruch erhoben wurde. So mag es sich auch erklären, daß die Malchiner Pfarre im Jahre 1247 mit nicht weniger als 17 Hufen dotiert wurde 541 ). Es erscheint auch als ausgeschlossen, daß der noch heute "südöstlich von der Stadt vor dem Mühlentor in den weiten Wiesen an der Oberpeene" erhaltene "Burgwall" noch zur Zeit der Stadtgründung von einer Besatzung beschützt war, besonders weil uns urkundlich von der alten Slawenburg nichts überliefert ist und in späterer Zeit die landesherrliche Burg in der Stadt lag 542 ). Allerdings kommt der Name "Malekin" bereits in einer pommerschen Urkunde vor, die angeblich aus dem Jahre 1215 stammt 543 ). Anscheinend ist in der Urkunde mit Malchin ein slawisches Dorf gemeint, das wohl sicherlich, wie aus dem
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slawischen Wort Malchin hervorgeht, einst existiert haben wird. Die Urkunde von 1215 ist uns in zwei inhaltlich verschiedenen Ausfertigungen erhalten, die beide für echt gehalten werden. Mir scheint die Erweiterung, die die längere Fassung (B.) gegenüber der kürzeren (A.) mit der Schenkung des halben Malchiner Sees an das Kloster Arendsee enthält, ein späterer Zusatz zugunsten des Klosters Arendsee zu sein. Denn es ist auffällig, daß gerade in diesem Teil das deutsche Wort "uosgrouen" vorkommt, das im Jahre 1215 als Flurbezeichnung für die Malchiner Gegend noch nicht vorhanden gewesen sein kann, da die deutsche Kolonisation im Lande Malchin erst durch Nikolaus von Werle wirklich in Angriff genommen wurde 544 ). Weil aber das Wort Malchin nur in dieser Erweiterung der Fassung B. vorkommt, so ergibt sich, daß wir kein sicheres urkundliches Zeugnis über das Vorhandensein einer Ortschaft Malchin vor dem Jahre der Stadtgründung besitzen.
Angesichts dieser Tatsachen erscheint die Behauptung von Schmaltz, daß das Malchiner Kirchspiel, weil es anscheinend ursprünglich das ganze Land Malchin umfaßte, "fraglos" älter als die Gründung der Stadt sei, als unwahrscheinlich 545 ). Wiederum dürfte also die Theorie von Schmaltz, daß ein Burgwardkirchspiel vor der Kolonisation gegründet sei, nicht anwendbar sein. Denn wie die Malchiner Kirche erst nach dem Jahre 1236 gebaut wurde 546 ), so erfolgte auch die Grenzbestimmung des Malchiner Kirchspiels und deren Tochterkirche Basedow erst im Jahre 1247 bei der Malchiner Kirchweihe 547 ). Nimmt man dazu, daß in der Zeit vor der Stadtgründung eine Siedlung Malchin, wo ein Priester sich aufhalten konnte, offenbar nicht existierte, so hat die Behauptung von Schmaltz keinerlei Berechtigung. Mit der Stadtgründung zugleich, die den Beginn einer tatkräftigen Neubesiedlung des Malchiner Landes bezeichnet, erfolgte auch erst die Organisation des Malchiner Kirchspiels, dessen erster Pfarrer als Zeuge bei der Gründung Malchins genannt wird 548 ).
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Die Stadt Malchin selbst ist offenbar eine Gründung aus frischer Wurzel. Den Malchinern wird ebenso wie den Malchowern erst bei der Stadtgründung eine Feldmark zugewiesen. Man kann daraus schließen, daß die Malchiner Bürger vor der Stadtrechtsverleihung noch keine Feldmark in einem Dorf bebauten. Der Stadtplan bestätigt uns die urkundliche Überlieferung. Er ist bereits in dem grundlegenden Werk der Stadtplanforschung von Johann Fritz als typisches Beispiel der Anlage einer Kolonialstadt veröffentlicht worden 549 ). Die Stadt ist kreisförmig angelegt. Von dem quadratischen Marktplatz im Zentrum der Stadt gehen die Straßen rechtwinklig nach allen Seiten hin ab. Da Malchin eine Gründung aus frischer Wurzel war, ist es auch wahrscheinlich, daß bei der Anlage der Stadt Lokatoren mitwirkten. Man kann sich auch kaum denken, daß der Stadt als der Gesamtheit der Bürger das Recht verliehen worden sei, die Begrenzung ihrer Feldmark selbst vorzunehmen, wie dies in der Urkunde zum Ausdruck kommt. Wahrscheinlicher ist, daß dies vielmehr Unternehmern übertragen wurde, die im Namen des Landesherrn die Anlage der Stadt durchführten. Für ihre Tätigkeit erhielten die Unternehmer dann die Einnahmen, die im Schwerin-Güstrower Recht den Ratmännern als Lokatoren zufielen; sie wurden wahrscheinlich als Stadtrat eingesetzt. Vielleicht haben wir in den vier Bürgern von Malchin (Jugardus, Gernandus, Salemon, Lambertus), die uns in der Gründungsurkunde als Zeugen genannt wurden, die Unternehmer zu suchen. Anscheinend war die Stadt Güstrow auch an der Gründung Malchins beteiligt. Denn die Urkunde der Stadtrechtsverleihung ist in Güstrow ausgestellt und auch von zwei Güstrower Bürgern bezeugt worden. Dabei ist es auffällig, daß Dietrich von Sandow auch als Güstrower Zeuge schon bei der Gründung Malchows genannt wird. Vielleicht waren seine Beziehungen zum deutschen Mutterland weitreichend und sein Interesse an der deutschen Kolonisation besonders groß.
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Der Gründung Malchins im Jahre 1236 folgt ein Zeitraum von über 20 Jahren, in dem, wie es scheint, Nikolaus
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keine Städte gründete. Erst im Jahre 1261 setzte Nikolaus mit der Erteilung des Stadtrechtes an Neu-Röbel die Reihe seiner Stadtgründungen fort. Zwischen den Jahren 1261 und 1276 gründete Nikolaus sechs, vielleicht sogar sieben neue Städte; jedenfalls werden uns diese Orte als Städte innerhalb dieser Zeit zuerst genannt, so daß ihre Gründung auch ungefähr in diese Zeit fallen muß. Der Grund dafür, daß so lange Zeit seit der Gründung Malchins keine Stadt mehr in der Herrschaft Werle entstand, wird vermutlich darin zu suchen sein, daß der Strom der deutschen Einwanderer sich zunächst der Küste und dann erst dem Innern des Landes zuwandte. Denn während in der Herrschaft Rostock an der Ostsee eine Stadt nach der andern gebaut wurde, ruhte zur selben Zeit der Städtebau im Lande Werle und erst, als in der Herrschaft Rostock ungefähr um das Jahr 1260 die städtische Kolonisation in ihrem Aufbau beendet ist, beginnt Nikolaus von Werle von neuem damit, Städte in seinem Lande zu gründen.
Röbel liegt an der Müritz nahe der märkischen Grenze. Die Stadt hat bereits im Jahre 1926 ihre Siebenhundert-Jahr-feier festlich begangen. Aber es ist doch sehr zweifelhaft, ob die Stadtgründung bereits im Jahre 1226 erfolgte. Allerdings ist uns eine Urkunde aus dem Jahre 1261 erhalten, die ihrer Form nach nur eine Bestätigung für den Stiftungsbrief der Stadt sein will, welcher von Heinrich Borwin, der vor dem 4. oder 5. Juni 1226 gestorben ist, ausgestellt sein soll 551 ). Deutlich spricht Nikolaus es aus, daß bereits sein Vater Heinrich der "Neustadt-Röbel" das Schweriner Recht verliehen hatte. Trotzdem hat Techen es mit Recht versucht, die Bestätigungsurkunde von 1261 als den eigentlichen Stiftungsbrief der Neustadt Röbel zu erweisen, indem er darauf hinwies, daß der Text der Röbeler Urkunde auf der Güstrower Bestätigungsurkunde von 1228 beruhe und die Berufung auf Heinrich Borwin aus der Güstrower in die Röbeler Urkunde übernommen worden sei 552 ). Diese Ansicht Techens hat eine weitere Stütze in dem Ergebnis der Untersuchung von Reifferscheid gefunden, der nachwies, daß die heutige Kirche der Röbeler Neustadt erst nach 1261 entstanden sein kann, und so "auf baugeschichtlichem Wege" die Überzeugung erlangte, "daß
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die Urkunde vom 21. Januar 1261 in Wirklichkeit nicht die Bestätigung der Verleihung des Stadtrechts, sondern diese selbst darstellt 553 ). Dazu kommt, daß uns vor dem Jahre 1261 keine Spur von einer Stadt Röbel begegnet, obgleich Burg und Kirche öfters erwähnt werden und auch Urkunden in Röbel ausgestellt werden, die uns wohl Röbeler Burgleute, Vögte und Geistliche in ihren Zeugenlisten nennen, aber keine Ratmänner und Bürger der Stadt 554 ). Danach war eine Stadt vor dem Jahre 1261 noch nicht vorhanden. Röbel scheint vielmehr eine Hauptburg des alten Slawentums gewesen zu sein. Denn noch im Jahre 1256 werden uns als Burgleute von Röbel nur Slawen genannt 555 ). Die Bezeichnung Röbel wird vor der Stadtgründung für eine Burg und ein Dorf gebraucht. Die Burg wird uns bereits zum Jahre 1227 bezeugt, und zwar wird uns Vnizlauus als Burgmann von Röbel genannt 556 ). Wir sehen also aus dieser Nachricht zugleich, daß die Burg im Jahre 1227 auch von einer Besatzung beschützt wurde. Die Burg lag an der engsten Stelle zwischen See und Mönchsteich und konnte so leicht die Handelsstraße, die sich hier aus der Mark nach Mecklenburg hinzog, beherrschen. Vor der Burg lag auch ein Dorf, von dessen Existenz uns zwar unsere Quellen vor dem Jahre 1261 nicht direkt berichten, das aber nach der Bezeichnung, die es nach dem Jahre 1261 führte, Alt- bzw. alte Stadt Röbel, schon vor der Gründung der Neustadt existiert haben muß 557 ). Sicherlich wird vor dem Jahre 1261 gegenüber der Burg auch eine Kirche, die heutige Marienkirche, bestanden haben, da ein "Nicolaus prepositus de Robele" bereits zum Jahre 1239 erwähnt wird, "dessen Vorhandensein auf damals schon entwickeltere Verhältnisse am Fuße der alten landesherrlichen Burg schließen läßt". Dazu kommt, daß der Plan von Alt-Röbel sich deutlich von dem der Neustadt unterscheidet 558 ). Während Neu-Röbel nach dem Plan einer Stadtgründung aus frischer Wurzel angelegt ist, besteht der Grund-
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riß Alt-Röbels nur aus einer langen Straße, deren Richtung dem Zuge der alten Handelsstraße folgt. Wahrscheinlich haben wir in Alt-Röbel das slawische Burgdorf zu suchen, zumal da bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts die Burgbesatzung nachweislich aus Slawen bestand 559 ) und auch für die Altstadt in späterer Zeit slawische Namen häufiger bezeugt sind 560 ).
Der Grundriß der Stadt zeigt im Gegensatz zu dem von Alt-Röbel eine Form, die Meurer "die Längsplatzanlage des Marktes" nennt 561 ), und ruft so den Eindruck einer planmäßigen städtischen Grundrißbildung hervor. An der einen, die ganze Stadt in gerader Richtung durchziehenden Hauptstraße liegt der große, rechtwinklige Marktplatz, auf dessen einer Hälfte die Kirche errichtet ist. Von der Hauptstraße gehen rechtwinklig die Nebenstraßen ab. Vielleicht sind wegen dieser Art der Anlage der Stadt auch Lokatoren dabei beteiligt gewesen, die zu Ratmännern eingesetzt wurden. Die Namen der Ratmänner, die uns im Jahre 1288 zuerst genannt werden 562 ), zeigen, daß die ersten Bürger überwiegend deutscher Abstammung gewesen sind. Von fünf Ratmännern, die uns namentlich aufgeführt werden, sind drei sicher als Deutsche anzusprechen, während nur zwei nach mecklenburgischen Dörfern genannt werden, also ihre Nationalität nicht deutlich erkennen lassen. Es bestanden auch Beziehungen zwischen Lübeck und Röbel. Denn vor dem Jahre 1303 war ein Lübecker Bürger, Gödeke Vretup, mit dem Zoll in Röbel belehnt gewesen 563 ).
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Zwei Jahre später als Röbel wurde Penzlin von Nikolaus gegründet 565 ). Penzlin liegt von allen Städten Mecklenburg-Schwerins am weitesten nach Südosten zu. An der Grenze des Landes beschützte die Burg Penzlin einen wichtigen Eingangspaß nach Mecklenburg. Die Stadtgründung erfolgte am 28. Februar 1263. Den "cives" von Penzlin wurde das Schweriner
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Stadtrecht verliehen. Zwar ist auch die Penzliner Urkunde über diesen Vorgang ebenso wie die Röbeler ihrer Form nach nur eine Bestätigungsurkunde für einen angeblich bereits von Heinrich Borwin ausgestellten Stiftungsbrief der Stadt Penzlin. Aber wie bereits bei der Röbeler Urkunde von 1261 nachgewiesen wurde 566 ), daß diese ihre Beziehung auf Heinrich Borwin der Güstrower Urkunde von 1228 entlehnt hat, so ergibt sich in gleicher Weise, daß die Penzliner Urkunde diese Berufung auf Heinrich Borwin der Röbeler entnommen hat; denn die Penzliner Urkunde wurde zwei Jahre später wie die Röbeler in Röbel ausgestellt, von Röbeler Burgleuten bezeugt und gleicht fast wörtlich der Röbeler Urkunde. Der Name Penzlin begegnet uns in einer echten Urkunde zuerst 1263, nämlich in der Gründungsurkunde der Stadt. Die Brodaer Klosterurkunde, die ein slawisches Dorf "Pacelin" zum Jahre 1170 erwähnt, ist gefälscht 567 ). Trotzdem braucht die Existenz eines solchen Dorfes, worauf schon der slawische Name hinweist, nicht bezweifelt zu werden. Auch eine Kirche von Penzlin wird in einer Brodaer Klosterurkunde zum Jahre 1230 erwähnt 568 ), aber auch diese Urkunde hat sich als eine Fälschung erwiesen. Erst im Jahre 1273 wird die Penzliner Kirche uns in einer echten Urkunde genannt 569 ). Sie wird also nicht vor der Gründung der Stadt errichtet sein. Die Burg Penzlin hat jedoch vielleicht schon vor dem Jahre 1263 bestanden, da sie im Jahre 1273 eine eigene Burgkapelle besitzt 570 ). Burg und Stadt liegen nebeneinander. Die Stadt ist, wie schon aus der urkundlichen Überlieferung hervorgeht, auch nach der Art ihrer Anlage eine Gründung aus frischer Wurzel. Der Grundriß Penzlins 571 ) stimmt im allgemeinen mit dem von Röbel überein. Auch in Penzlin liegt an der einen geraden durchgehenden Straße der rechtwinklige Marktplatz mit der Kirche. Senkrecht wird die Hauptstraße von den Querstraßen geschnitten. Unter den sechs Ratmännern, die uns im Jahre 1283
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zuerst genannt werden 572 ), begegnet uns auffallenderweise auch eine Person mit slawischem Namen, während von den übrigen vier einer mit einem deutschen Familiennamen, einer nur nach seinem Vornamen, zwei nach ihrem Gewerbe (Bäcker, Schuster) und einer nach seiner Herkunft aus Malchin bezeichnet werden. Wahrscheinlich ist diese slawische Beteiligung am Rat daraus zu erklären, daß Penzlin als östlichste Stadt der Herrschaft Werle unmittelbar in der Nähe des Landes Stargard von der deutschen Einwanderung weniger stark berührt wurde. Vielleicht waren die ersten Ratmänner zugleich auch als Lokatoren an der Stadtgründung beteiligt und erhielten daraufhin die Lokationsentschädigung, die erstmalig den Güstrower Lokatoren bei der Gründung Güstrows zugebilligt war.
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Mit Penzlin ist die Reihe der Werleschen Städte, von denen uns Stiftungsbriefe erhalten sind, abgeschlossen. Man muß sich daher darauf beschränken, die Entstehung der übrigen Städte der Herrschaft Werle aus späteren Zeugnissen aufzuklären und ihr ungefähres Alter zu bestimmen. Teterow ist die Stadt, die uns in dieser Gruppe am frühesten als solche begegnet. Die Stadt liegt zwischen Güstrow und Malchin am Fuße der Heidberge. Im Jahre 1272 wird die Stadt zum erstenmal erwähnt 574 ). Anscheinend hat sie jedoch damals schon einige Zeit bestanden. Denn in diesem Jahr wird der Stadt das Dorf Baudorf mit 43 Hufen von Nikolaus von Werle verliehen. Diese Verleihung deutet darauf hin, daß der Stadt ihre bisherigen Besitzungen nicht mehr genügten, und wir können damit zugleich auch schon auf eine gewisse Blüte der Stadt schließen. Ferner erkennen wir auch aus derselben Urkunde des Jahres 1272, daß Teterow bei seiner Gründung durch Nikolaus von Werle Schweriner Stadtrecht verliehen wurde. Denn es heißt in ihr, daß die Ratmänner für sich den Friedensschilling benutzen sollten 575 ). Da dieses Teterower Ratsprivileg genau dem des Schwerin-Güstrower Rechts entspricht, so können wir daraus schließen, daß auch sonst Schwe-
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riner Recht in Teterow galt. Ob damals, als die Stadt gegründet wurde, noch andere Siedlungen hier vorhanden waren, wissen wir nicht. Anscheinend ergibt sich aus der slawischen Namensform Teterow, daß hier einst ein slawisches Dorf vorhanden war. Vielleicht war Teterow auch der Name für den wendischen Burgwall, der noch heute auf der Insel im Teterower See erhalten ist. Schmaltz behauptet, daß das Teterower Kirchspiel bereits um 1226 gegründet worden ist 576 ). Es handelt sich dabei jedoch nur um Vermutungen. Reifferscheid hat die Entstehung der Teterower Kirche nach ihrem Stil erst in die Zeit um 1270 angesetzt 577 ). Die Stadt ist, wie aus dem Stadtplan hervorgeht, eine Gründung aus frischer Wurzel 578 ). Bereits Fritz hat auf den Teterower Grundriß als Beispiel eines Kolonial-Stadtplans hingewiesen 579 ). Unter den sechs Ratmännern, deren Namen uns im Jahre 1288 genannt werden 580 ), ist anscheinend einer ein Slawe gewesen. Von den sechs Ratmännern sind drei als Deutsche anzusprechen, während wir bei den übrigen drei ihre Nationalität an ihrem Namen nicht erkennen können. Nach dieser Ratsherrnliste vom Jahre 1288 scheint die Zusammensetzung der frühesten Teterower Bevölkerung überwiegend deutscher Herkunft gewesen zu sein.
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Eine weitere Werlesche Stadt, deren Entstehung sich auf die Regierungszeit Nikolaus I. zurückführen läßt, ist Wesenberg. Die Stadt liegt an der Havel in Mecklenburg-Strelitz und ist dort die einzige Stadt, die Schweriner Recht erhalten hat. Sie gehörte bis zum Jahre 1276 dem Fürsten von Werle, dem sie in diesem Jahre durch den Markgrafen Otto von Brandenburg entrissen wurde. Vor diesem Zeitpunkt muß Wesenberg von Nikolaus I. von Werle gegründet sein. Das geht aus einer Bestätigung der Wesenberger Stadtprivilegien hervor, die Markgraf Otto im Jahre 1278 ausstellte, und in der er der Stadt "das Schweriner Recht ebenermaßen, wie ihnen vorhin ihr gewesener Herr Niklotus, wie er ihn nennt, ehe denn
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er sie ihm abgewonnen, gegeben hatte, in Gnaden erlaubt" 582 ). In welchem Jahre Wesenberg von Nikolaus gegründet ist, können wir nicht sicher bestimmen. Vielleicht erfolgte die Gründung zugleich mit der von Penzlin um 1263. Diese Stadt liegt von allen mit Schweriner Recht begabten Städten Wesenberg am nächsten. Ein Vogt in Wesenberg wird uns bereits im Jahre 1273 genannt 583 ), und den Namen des Ortes hören wir zum erstenmal im Jahre 1257 584 ). Ob mit diesem Namen damals schon die Stadt bezeichnet wurde, muß natürlich unsicher bleiben. Vielleicht war damit nur ein Dorf oder die Burg, die uns aus späterer Zeit bezeugt ist 585 ), gemeint. Schmaltz glaubt, wiederum allerdings ohne sichere Anhaltspunkte, daß das Wesenberger Kirchspiel als Dorfkirchspiel bereits nach 1240 eingerichtet wurde 586 ). Auf der Stelle der heutigen Stadt wird jedoch kaum ein früheres Dorf gelegen haben, da die Stadt anscheinend eine Gründung aus frischer Wurzel ist 587 ). Offenbar ist die brandenburgische Herrschaft und das magdeburgische Recht der benachbarten stargardischen Städte nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung des Schweriner Rechts in Wesenberg gewesen. Denn im Jahre 1336 treffen wir in Wesenberg einen Stadtschultheißen, der sich mit der grundherrlichen Gewalt und dem Rat der Stadt in die Gerichtseinnahmen der Stadt teilt 588 ). Da nun die Einrichtung eines Stadtschultheißenamtes sonst im Bereich des Schweriner Rechtes nicht bekannt ist, diese Institution sich aber sehr wohl in den benachbarten stargardischen Städten, die Magdeburger Recht gebrauchten, findet, haben wir ihre Existenz in Wesenberg vermutlich als eine lokale Einwirkung des Magdeburger Rechts auf das Schweriner unter der brandenburgischen Herrschaft in Wesenberg anzusehen.
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Eine andere Stadt, die von Nikolaus von Werle gegründet wurde, ist Krakow. Sie liegt in der Nähe Güstrows am
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Krakower See. Die Stadt wird uns als solche zuerst in einer Urkunde vom Jahre 1298 genannt; ausdrücklich weist jedoch der damalige Fürst von Werle, der die Urkunde ausgestellt hat, auf die Rechte hin, die die Stadt von seinen Vorfahren erhalten habe 590 ), und so hat schon Lisch wohl nicht mit Unrecht vermutet, daß Krakow unter dem Fürsten Nikolaus I. von Werle (1237 - 1277 gegründet sei 591 ). Der Name Krakow wird uns im Jahre 1270 zuerst genannt 592 ). Er bezeichnet an dieser Stelle den Herkunftsort eines Schulzen mit dem Namen Johannes. Ob es vor der Stadtgründung, wie aus dem slawischen Namen Krakow hervorzugehen scheint, in der Nähe der heutigen Stadt ein slawisches Dorf gegeben hat, ist uns nicht überliefert. Wir wissen nur von einem Dorf, das in der Nähe Krakows gelegen hat und einige Zeit nach der Stadtgründung untergegangen ist. Es führte den bezeichnenden Namen Oldendorf, der darauf schließen läßt, daß diese Dorfgemeinde älter gewesen ist als die Stadt. Vielleicht haben wir in diesem Oldendorf das alte Krakow zu suchen 593 ). Von einer Burg mit dem Namen Krakow, auf deren eventuelle Existenz die Burgwallinsel im Krakower See hindeutet 594 ), wissen wir sonst nichts. Bei der Stadtgründung wurde an Krakow das Schweriner Stadtrecht verliehen 595 ). Uns ist eine Urkunde erhalten, in der der Stadt Krakow ihre verbrannten Privilegien von Johann d. ä. von Werle bestätigt werden. Die Urkunde stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1317 596 ). Sie wurde bisher leider noch nicht veröffentlicht, ist aber sowohl für die Geschichte Krakows als auch für die der Entwicklung des Schweriner Rechts von großem Wert. Im Original ist die Urkunde nicht erhalten, sondern nur in Übersetzung aus dem Lateinischen (kurz vor 1600). Der Teil der Urkunde, der über das Schweriner Stadtrecht,
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wie es in Krakow gebraucht wurde, Aufschluß gibt, hat folgenden Wortlaut: "Item effte eyn yßlick der borgeren den acker eynes anderen plogede, welke nicht temelick is, edder holth affhowe der stadt, effte kulen uppe den acker deß anderen groue yn den scheden der stadt effte en ander wegen effte yn den weyden der stadt, welke dat he themeliken nicht mochte doen, effte huse edder ander buwethe uppe de schede des anderen settede, edder thune unrechter wyse hadde gethunth binnen der stadt effte buthen sunder vorloff der rathmanne, alle desse broke, de gedachten unse rathmanne ane unsen vageth mogen richten und ganßliken beholden. Vurder unse gedachten borger und Rhattmanne dath upseggenth des egendoemes yn beiden mollen belegen by Crakow unde ock upseggenth der huser der egendome, der acker, der hoeuen belegen in eren enden und scheden, scholen beholden unde ock alle ampte, uppe dudeßk geheten innynghe, so alse unse ander stede de plegen tho brukende, scholen hebben ganßlicken na stedeliker wyse und wylkor. Alle desse broke mogen se richten unde hebben uthgenamen innynge in welkerer unße vageth van achte schillingen veer schall beholden. Noch mehr, wulenwefer edder andere wanth scholen nicht sniden, sunder ith sy van willen unser rathmanne". Deutlich erkennt man aus dieser Urkunde, daß das Recht, das Krakow von Nikolaus bei der Gründung erhielt, das Schwerin-Güstrower gewesen ist. Denn "dath upseggenth", der Friedensschilling, fällt wie im Güstrower Recht ganz dem Rate zu. In dem Innungsprivileg ist aber in diesem Krakower Recht insofern schon eine Entwicklung über das Güstrower hinaus erfolgt, als hier nicht mehr der Rat an die eventuelle Einsetzung eines magister civium gebunden ist, sondern dieser vielmehr selbständig von sich aus die Aufsicht über die Innungen ausübt und die Einkünfte dieser Gerichtsbarkeit einnimmt, die er jedoch mit dem vom Landesherrn eingesetzten Vogt teilen muß. Die Institution des magister civium ist also im Krakower Recht bereits völlig verschwunden. Der Rat ist ganz an dessen Stelle getreten. Die Entwicklung, die im Schwerin-Güstrower Recht bereits angebahnt war, erscheint im Krakower als vollendet.
Ob Krakow eine Gründung aus frischer Wurzel gewesen ist oder ob die Gründung in der Weise erfolgte, daß ein Dorf Stadtrecht bekam, läßt sich bei der mangelnden urkundlichen
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Überlieferung nicht entscheiden. Fast scheint es so, als wenn die Stadt aus einem Dorf entstanden ist, weil der Stadtplan, wie er uns noch für das 18. Jahrhundert bekannt ist 597 ), große Ähnlichkeit mit einem Dorfgrundriß hat. Er entbehrt der regelmäßigen Form. Vor allem stellt der Marktplatz nur eine schlauchförmige Erweiterung der langen Straße vor der Kirche dar. Er ist kein selbständiger Platz neben der Straße. Es ist daher anzunehmen, daß das Dorf Krakow von Nikolaus von Werle durch Verleihung des Schweriner Stadtrechtes zur Stadt erhoben wurde.
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Die letzte Stadt, die noch mit einiger Sicherheit den von Nikolaus I. von Werle gegründeten Städten zuzurechnen ist, ist Waren an der Müritz. Der Ort ist heute eine der bedeutendsten mecklenburgischen Kleinstädte. Vor allem wird dies dem Einfluß der Eisenbahnlinie Berlin-Warnemünde-Kopenhagen zuzuschreiben sein, die die Stadt berührt. Aber auch die Lage der Stadt an der Müritz, die durch die Elde mit der Elbe in Zusammenhang steht, war wichtig für die Entwicklung der Stadt. Im Mittelalter führte auch eine befahrene Straße von Waren am Westufer der Müritz entlang über Röbel von Norden nach Süden in die Mark. Bei Eldenburg, wo die Elde
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aus der Müritz fließt, ganz in der Nähe Warens, war die Stelle, wo diese Straße sich über die Elde zog. Als ein bedeutendes Erbteil aus dem Mittelalter, das der heutigen günstigen Entwicklung Warens zugute gekommen ist, muß man auch den großen Grundbesitz der Stadt ansehen, der, abgesehen von dem Rostocks, der größte von allen mecklenburgischen Städten ist, allerdings auch sehr viel Wasserfläche in sich enthält. Wann und von wem der Grund zu dieser Entwicklung gelegt wurde, entzieht sich unserer Einsicht. Ein Stiftungsbrief der Stadt ist nicht erhalten. Wahrscheinlich wurde Waren vor dem Jahre 1273 von Nikolaus durch Verleihung des Schweriner Stadtrechts gegründet 599 ). In diesem Jahre wird uns die Kirche von Waren zuerst in einer Urkunde genannt 600 ). Offenbar ist darunter die Pfarrkirche der Stadt, die heutige Georgenkirche, zu verstehen, da die Marienkirche in ihrer ältesten Gestalt nur eine Burgkapelle der Fürsten von Werle gewesen ist 601 ). Wenn aber die Georgenkirche im Jahre 1273 schon bestand, wird die Stadt, deren Pfarrkirche diese war, auch schon existiert haben. Waren wird danach wie Röbel, Penzlin und Wesenberg zwischen 1260 und 1270 von Nikolaus gegründet sein. Da dieser Fürst jedoch, wie wir nachgewiesen haben, allen seinen übrigen Städten Schweriner Stadtrecht verlieh, wird er auch Waren dies Recht erteilt haben. Da wir nur wenige Nachrichten über Waren aus dem Mittelalter besitzen, weist allerdings kaum mehr eine Spur auf den Gebrauch dieses Rechtes durch die Stadt hin. Anscheinend besaß jedoch auch in Waren der Stadtrat das Innungsprivileg des Schweriner Rechts. Denn im Jahre 1334 geben die Warener Ratmänner den dortigen Leinewebern eine Zunftrolle und setzen von sich aus Bestimmungen über dies Gewerbe und die Ordnung in der Zunft fest 602 ). Daraus ist zu erkennen, daß auch in Waren den Ratmännern die Aufsicht über die Innungen und die damit verbundene Gerichtsbarkeit zustand, wie es dem entwickelteren Zustand des Schweriner Rechts, das uns für Krakow urkundlich überliefert ist 603 ), entsprach. Bevor die Stadt gegründet wurde, bestand
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neben dem Platze der heutigen Stadt ein wendisches Dorf, das wahrscheinlich in der Gegend, die heute Alt-Waren heißt, lag und dessen Bevölkerung sich noch nach der Stadtgründung in dem Kietz erhielt 604 ). Auch eine wendische Burg lag in der Nähe von Waren in der Feißneck. Bei der Stadtgründung mag der Landesherr seine Burg in die Nähe der Stadt an die Stelle der heutigen Marienkirche verlegt haben, da diese Kirche ursprünglich nur eine Burgkapelle war. Noch heute heißt die Straße, die an der Marienkirche vorbei bzw. auf diese zuführt, die große bzw. die kleine Burgstraße. Als neben der Altstadt eine Neustadt angelegt wurde, wurde die Burg mit in diese eingezogen und mag, wie es uns aus anderen Städten bekannt ist 605 ), dann auf Drängen der Bürgerschaft geschleift sein. Die Neustadt ist wahrscheinlich bald nach der Gründung der Altstadt angelegt worden, da die neue Kirche wenig jünger sein dürfte wie die alte 606 ). Urkundlich ist uns über die Entstehung der Neustadt und die spätere Vereinigung dieser beiden Städte nichts bekannt. Offenbar ist die Marktstraße, die in starker, allmählicher Verbreiterung auf den neuen Markt einmündet, der Kern der Neustadt gewesen. Sie mag wegen ihrer Form und ihres Namens schon vor der Anlage der Neustadt bestanden haben, besonders weil sie zwischen der Burg und der alten Stadt auch eine für den Handel günstige Lage hatte. Beide Städte, Alt- und Neustadt, sind Gründungen aus frischer Wurzel, wenn auch dies aus dem Stadtplan nicht so deutlich erkennbar ist, da Seen und Sümpfe, die Waren von allen Seiten einschließen, der Stadt ihre Grundrißbildung zum Teil vorgeschrieben haben 607 ). Man erkennt daher in dem Warenschen Stadtplan keinen ausgesprochenen Typus einer Stadtgründung aus frischer Wurzel. Aber die Anlage der einander gleichlaufenden Längsstraßen, von denen die Querstraßen wiederum rechtwinklig abgehen, läßt erkennen, daß der Grundriß der Stadt nicht durch ein evtl. schon vor der Stadtgründung bestehendes Dorf beeinflußt wurde. Die erste Bürgerschaft Warens war anscheinend überwiegend deutscher Ab-
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stammung. Dafür zeugen die Namen der acht Ratmänner, die uns im Jahre 1334 überliefert werden, von denen uns fünf nur nach ihrer Herkunft, drei aber mit einem deutschen Namen bezeichnet werden 608 ). Vor diesem Jahre begegnen uns schon Westfal, Kröger und Berhals als Warener Bürgernamen 609 ).
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Eine Werlesche Stadt, deren Gründung wir nicht mit Sicherheit mehr der Zeit Nikolaus I. zuschreiben können, ist Schwaan. Der Ort liegt in der Nähe Rostocks an der Warnow. Diese Nachbarschaft hat sich schon frühzeitig in der Geschichte Schwaans ausgewirkt. Im Jahre 1361 erwarb die Stadt Rostock die Münzgerechtigkeit in Schwaan 611 ). Ferner hatten Rostocker Bürger Besitzungen in der Stadt 612 ). Zu welcher Zeit Schwaan gegründet wurde, ist nicht einwandfrei zu bestimmen. Denn ob das Jahr 1276, in dem Schwaan uns als Stadt in einer Urkunde genannt wird, richtig überliefert ist 613 ), ist fraglich, da nach einer dänischen Chronik der Ort erst um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts mit Stadtrecht bewidmet wurde 614 ). Jedoch scheint Schwaan Schweriner Recht gebraucht zu haben, da es nach dem dänischen Chronisten das Recht der anderen Werleschen Städte erhielt und uns noch Akten aus dem 16. Jahrhundert erhalten sind, in denen sich ein Verzeichnis der "Ambtsstrafen" nach Schweriner Recht findet 615 ). Wahrscheinlich wird, worauf der slawische Name Schwaan hindeutet, ein slawisches Dorf mit diesem Namen schon vor der Kolonisation bestanden haben. Seine Lage und sein Verhältnis zu der späteren Stadt sind allerdings nicht mehr festzustellen. Auch eine wendische Burg Schwaan muß es gegeben haben, da ihr Name offenbar in wendischer Zeit die Bezeichnung für einen eigenen Burgbezirk gewesen ist 616 ).
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Die Stadtgründung erfolgte in der Weise, daß ein Dorf Stadtrecht erhielt. Die Existenz eines Dorfes Schwaan muß jedenfalls als sicher angenommen werden, da ein Priester von Schwaan bereits zum Jahre 1232 genannt wird 617 ) und aus dem Baustile der heutigen Stadtkirche zu schließen ist, daß diese bereits vor der Stadtgründung als Dorfkirche gebaut wurde 618 ). Der Schwaaner Stadtplan spricht nun dafür, daß dieses Dorf durch Stadtrechtsverleihung zur Stadt Schwaan erhoben wurde. Denn deutlich erkennt man noch auf einer Stadtkarte von 1727 den alten Dorfgrundriß, der in dem Stadtplan enthalten ist 619 ). Auffällig ist jedoch, daß dieses Dorf nicht nach der Form eines Straßen- bzw. Haufendorfes angelegt wurde, sondern ein Rundangerdorf ist. Die Kirche liegt in der Mitte der Stadt. Um diese herum führt im Kreis die Hauptstraße. Von dieser führen nach vier Richtungen Straßen aus der Stadt. Der Markt besteht aus einer ungleichmäßigen Erweiterung der Hauptstraße an der Stelle, wo eine der vier Ausgangsstraßen zur Warnow hinführt. Die Annahme von Schmaltz, daß das Schwaaner Kirchspiel bereits vom ersten Bischof von Schwerin vor dem Beginn der Kolonisation gegründet wurde, entbehrt jeglicher Grundlage, da Schmaltz zum Beweise dafür lediglich auf den großen Umfang des Schwaaner Kirchspiels hinweisen kann, was jedoch keineswegs die Organisation des Kirchspiels vor der Kolonisation beweist 620 ). Die urkundliche Überlieferung und der Stil der Kirche deuten vielmehr darauf hin, daß das Kirchspiel erst der Kolonisation seine Entstehung verdankt.
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Die einzige Werlesche Stadt, von der wir mit einiger Bestimmtheit sagen können, daß sie nicht mehr von Nikolaus von Werle gegründet ist, ist Laage, eine kleine Landstadt in der Nähe Rostocks. Rostock hat deshalb schon im Mittelalter
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mancherlei Beziehungen zu seiner kleinen Nachbarstadt gehabt. So stammte das Rostocker Ratsgeschlecht der von Laage, das im 13. und 14. Jahrhundert in Rostock eine mächtige Stellung innehatte und der Lagerstraße in Rostock den Namen gegeben hat, wie aus deren Familiennamen hervorgeht, aus Laage. Noch im Jahre 1331 besaß diese Rostocker Patrizierfamilie ein Haus in ihrer Heimatstadt 622 ). Auch die Kopmanns, gleichfalls ein Rostocker Ratsgeschlecht, waren in Laage begütert 623 ). Wie aus einer Urkunde des Jahres 1216 hervorgeht, lag der Ort, der uns in diesem Jahre mit dem Namen "Lavena" zuerst genannt wird, an einer wichtigen Handelsstraße, die von Demmin über Kalen nach Rostock führte 624 ). Die Stadt wurde jedoch erst um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts gegründet. Im Jahre 1309 wird uns ihre Existenz urkundlich bezeugt 625 ). Man hat bis jetzt gemeint, daß die erste urkundliche Erwähnung der Stadt Laage bereits ins Jahr 1270 fällt; es ergibt sich jedoch gerade aus der Urkunde, durch die man das Vorhandensein der Stadt im Jahre 1270 als erwiesen annimmt, daß Laage im Jahre 1270 noch ein Dorf war 626 ). Denn in diesem Jahre wird den cives von Laage ein Moor verliehen, das sich zwischen dem Gebiet der cives von Spotendorf und Laage befindet. Indem man das Wort cives ohne weiteres als Bürger übersetzte, konnte man allerdings auch die Existenz einer Stadt Laage für das Jahr 1270 behaupten. Das Wort cives muß aber in dieser Urkunde mit Bauern übersetzt werden, weil die cives von Laage in der Urkunde mit denen von Spotendorf gleichgestellt werden. Diese aber sind alle Bauern gewesen, wie sich deutlich aus der Zeugenreihe der Urkunde ergibt, in der der Schulze Siegfried aus Spotendorf mit seinen cives als anwesend aufgeführt wird. Außerdem ist ja auch Spotendorf nie eine Stadt gewesen. Danach wird uns im Jahre 1270 einwandfrei von Laager Bauern berichtet, die ebenso, wie es bei den andern in der Urkunde genannten Bauernschaften geschah, von ihrem Schulzen vertreten sein werden. Die Stadt wurde danach erst nach dem Jahre 1270 gegründet. Nach dem slawischen Namen "Lawe oder Lavena" zu urteilen, wird es gewiß
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einst ein slawisches Dorf in der Nähe der heutigen Stadt gegeben haben, vielleicht auch eine Burg gleichen Namens, deren Wall noch heute in einiger Entfernung von der Stadt erhalten zu sein scheint. Die Gründung der Stadt erfolgte durch Stadtrechtsverleihung an ein Dorf. Der Stadtplan läßt noch heute deutlich den alten Dorfgrundriß erkennen 627 ). Die Stadt besteht im Grunde nur aus einer einzigen gebogenen Straße, die sich in ihrem Hauptkrümmungspunkt zu einem nur kleinen, unregelmäßigen dreieckigen Platz, dem Markt, erweitert. Offenbar ist dies nicht der Grundriß einer Stadtanlage aus frischer Wurzel, sondern der eines Dorfes. Wahrscheinlich wird es sich dabei um das Dorf handeln, dessen Bauern uns im Jahre 1270 genannt werden, und das im Unterschied von jenem slawischen Dorf ein deutsches Kolonistendorf gewesen zu sein scheint. Dies Dorf wird, da uns im Jahre 1253 ein Laager Priester genannt wird 628 ), schon vor diesem Jahre angelegt sein. Daß es ein deutsches Dorf gewesen ist, erkennt man daraus, daß von 14 Bürgern, die uns im Jahre 1330 genannt werden 629 ), nur einer, wie aus seinem Namen "Went" hervorgeht, slawischer Abstammung gewesen ist, während die übrigen 13, wie ihre deutschen Namen beweisen, deutscher Nationalität waren. Danach scheint Laage aus einem deutschen Kolonistendorf entstanden zu sein.
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Stavenhagen, die Geburtsstätte Reuters, wurde im 13. Jahrhundert von pommerschen Herzögen gegründet, denen das Land um Stavenhagen damals noch gehörte. Da das Gründungsprivileg nicht erhalten ist, sind wir für alle Fragen, die mit der Stadtgründung zusammenhängen, auf Vermutungen angewiesen. Die Stavenhagener Kirche wird urkundlich im Jahre 1260 zuerst genannt 630 ). Wahrscheinlich können wir
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für dieses Jahr auch schon mit der Existenz der Stadt rechnen. Denn es wird in der frühesten Bestätigung der Stadtprivilegien, die aus dem Jahre 1282 erhalten ist 631 ), der Name der Herzöge Barnim I. (1220 - 1278) und Wartislav III. (1219 - 1264) von Pommern-Demmin genannt, die der Stadt zuerst ihre Privilegien verliehen hätten 632 ). Daher muß man die Gründung Stavenhagens vor dem Jahre 1264 als dem Todesjahr Wartislavs annehmen.
Von einem slawischen Dorf, das in der Wendenzeit bei Stavenhagen etwa bestand, ist uns nichts bekannt. Der Name Stavenhagen wird im Jahre 1252 bei der Stiftung des Klosters Ivenack durch Ritter Reimbern von Stowe zuerst genannt 633 ). In "Stouenhagen" wird diese Urkunde ausgestellt. Eine alte Inschrift aus dem Jahre 1555 auf der Glocke des Ivenacker Klosters erzählt, daß Reimbern von Stowe die Burg bei Stavenhagen bewohnt habe 634 ). Danach können wir annehmen, daß dieser Ritter bei seiner Burg eine Stadt angelegt hat, die nach ihm sich Stavenhagen nannte. Aus einem Dorf ist sie anscheinend nicht erwachsen. Das erkennt man aus der bereits erwähnten Bestätigung der Stadtprivilegien aus dem Jahre 1282 635 ). Darin wird der Landbesitz der Stadt auf 71 Hufen angegeben. Da die Zahl der Hufen in einer Summe zugleich genannt wird, können wir schließen, daß die städtische Feldmark durch Erwerbung von Land in späterer Zeit nicht erst diese Größe erreichte, sondern bei der Gründung der Stadt bereits in dieser Ausdehnung verliehen wurde. Denn in Bestätigungsurkunden werden die erst nach der Städtegründung erworbenen Güter im allgemeinen einzeln nacheinander aufgezählt, da meist mit den einzelnen Erwerbungen auch verschiedene Gerechtsame verbunden sind. Danach sind also 71 Hufen bei der Gründung der Stadt an Stavenhagen verliehen worden, ein Besitzstand, der von einer bereits vorhandenen Dorffeldmark nicht übernommen sein kann, da er für eine solche zu groß ist 636 ). Die Feldmark der Stadt wurde daher
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bei ihrer Gründung erst geschaffen 637 ). Auch nach dem Stadtplan muß man annehmen, daß die Stadt nicht aus einem Dorf entstanden ist, denn wir sehen aus diesem einen quadratischen Marktplatz, von dem rechtwinklig die Straßenzüge abgehen, also eine Anlage, die beweist, daß die Stadt aus frischer Wurzel gegründet wurde 638 ).
Buch B.
Kapitel I.
Das Land Mecklenburg-Schwerin weist heute im ganzen 42 Städte auf. Von diesen sind nicht weniger als 38 (einschließlich der beiden Hansestädte Rostock und Wismar) bis zum Ende des 14 Jahrhunderts enstanden. Die Enstehung des mecklenburgischen Städtewesens gehört also im wesentlichen der Kolonisationszeit an. Nur eine Stadt ist bereits im 12. Jahrhundert nachweisbar, nämlich Schwerin selbst, die Hauptstadt des Landes. Die Gründung Schwerins und damit der Beginn der Entstehung des mecklenburg-schwerinschen Städtewesens fällt in das Jahr 1160. Später ruht die städtische Kolonisation fast über 60 Jahre und beginnt erst wieder mit der Gründung von Rostock vor dem Jahre 1218. Bis zum Jahre 1250 wurden noch insgesamt 13 639 ), von 1250 bis 1275 16 Städte 640 ) gegründet; Marlow entstand vor 1298. Das eigentliche Zeitalter der mecklenburgischen Städtegründungen ist danach mit
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dem Jahre 1275 beendet. Von den sechs Nachzüglern, die erst im 14. Jahrhundert gegründet wurden (Schwaan, Warin, Laage, Tessin, Brüel, Hagenow), erhielten die beiden letzten, Hagenow und Brüel, vor dem Jahre 1370 Stadtrecht. Wir können demnach, wenn wir die Gründung Schwerins gewissermaßen als Einleitung der städtischen Kolonisation ansehen, das 13. Jahrhundert innerhalb der Jahre 1218 - 1275 als den Zeitraum betrachten, in dem das mecklenburg-schwerinsche Städtewesen im wesentlichen entstand. In den darauf folgenden Jahren ebbt diese Bewegung wieder gewaltig ab; innerhalb eines ganzen Jahrhunderts (1275 - 1370) entstehen nur noch sieben Städte, aber auch diese bezeichnenderweise nicht zusammen innerhalb einer kurzen Zeit, sondern in größeren zeitlichen Abständen voneinander. Die städtische Kolonisation in Mecklenburg gleicht also in ihrem Verlauf gewissermaßen einer Kurvenlinie, die plötzlich ansteigt und auch ebenso schnell wieder fällt.
Diese Eigentümlichkeit tritt noch schörfer hervor, wenn wir die Zeit der Städteentstehung in den einzelnen mecklenburgischen Herrschaftsgebieten betrachten. Die älteste Stadt der Herrschaft Rostock, Rostock selbst, bestand schon vor dem Jahre 1218. Die meisten Städte der Rostocker Herrschaft, nämlich fünf 641 ), entstanden innerhalb eines Jahrzehntes zwischen den Jahren 1250 und 1260. Nur zwei Städte entstanden noch nach dieser Zeit, Marlow vor dem Jahre 1298 und Tessin um 1325. Ähnlich wie in der Herrschaft Rostock verlief die städtische Kolonisation in der Herrschaft Mecklenburg. Wismar besteht schon im Jahre 1229. Von den übrigen drei Städten begegnen uns Neubukow und Grevesmühlen fast zu gleicher Zeit, vor dem Jahre 1260 bzw. 1262, während die vierte Stadt (Brüel) erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden sein wird. In der Herrschaft Parchim werden Parchim und Plau im Jahre 1226 gegründet, Goldberg und Sternberg erhalten Stadtrecht im Jahre 1248 bzw. einige Jahre später. Von den 11 Werleschen Städten 642 ) ist nur Güstrow schon im Jahre 1226 gegründet worden. Erst im Jahre 1235 bzw. 1236 erhalten zwei weitere Städte, Malchow und Malchin, Stadtrecht. Eine neue Stadtgrün-
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dungsepoche setzt dann in den Jahren 1260 - 1275 ein, in der sechs Städte entstehen 643 ). Um das Jahr 1300 sind noch Schwaan und Laage zu Städten erhoben worden. Ein ähnliches Bild von dem Verlauf der Stadtgründungen erhalten wir in den deutschen Grafschaften Mecklenburgs. Während im 12. Jahrhundert in diesen Ländern nur Schwerin als Stadt besteht, begegnen uns in der Zeit von 1225 bis 1240 in den Gebieten der Grafschaft Ratzeburg drei Städte 644 ) und innerhalb der Jahre 1248 - 1279 in den Grafschaften Schwerin und Danneberg vier Städte 645 ). Diesen Gründungen des 13. Jahrhunderts gesellt sich im 14. Jahrhundert (vor dem Jahre 1370) noch eine Stadt (Hagenow) hinzu.
Die Tatsache, daß in der Zeit vom 12. bis 14. Jahrhundert, vor allem im 13. Jahrhundert, die meisten Städte entstanden sind, können wir außer in Mecklenburg auch in anderen deutschen Gebieten beobachten. So wurden in der Zeit von 1230 bis 1265 von den Markgrafen von Brandenburg 21 Städte 646 ), in Schlesien 63 im 13. Jahrhundert gegründet 647 ). In der Lausitz sind während des 13. Jahrhunderts 18 Städte entstanden 648 ); in der Ober-Lausitz ist die Entwicklung des Städtewesens mit deren Anfall an Brandenburg im Jahre 1253 in ihren Grundzügen bereits vollendet 649 ). "Nur einige ganz unbedeutende Orte steigen später noch zu Städten auf." Von den sieben alten Städten der Altmark entstand eine im 12., sechs entstanden im 13. Jahrhundert 650 ). In Böhmen und Mähren sind bis zum Jahre 1306 über 150 Städte gegründet worden 651 ). Im sächsischen Vogtland beginnt die Zeit der Stadtgründung mit dem Jahre 1150 652 ). Für
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das deutsche Mutterland ergibt sich aus dem bereits vorliegenden Zahlenmaterial ein ähnliches Bild der Städteentstehung wie für das koloniale Deutschland. So sind 13 oberschwäbische Reichsstädte zu "Städten im Rechtssinne" zumeist schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts geworden 653 ). Auch in der "Landschaft Hessen" sind von 137 Städten nur fünf noch im 15. Jahrhundert und gerade nur noch drei Städte im 16. Jahrhundert gegründet worden; aber 11 in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, "mehr als ein Drittel der Gesamtzahl der hessischen Städte wurde im 13. Jahrhundert gegründet 654 ). Die Gründung von Städten in der Grafschaft Cleve am Niederrhein beginnt erst im Jahre 1241 mit der Stadterhebung von Wesel 655 ). "Von den geldernschen Plätzen hat Zütphen seit dem Jahre 1190 den Namen einer Stadt, aber das Beispiel bleibt ohne Nachahmung"; erst in den Jahren 1230 bis 1237 werden nicht weniger wie sieben Städte in Geldern gegründet. Im Erzstift Köln erfolgte die früheste Stadtgründung im Jahre 1228 656 ). Auch in Bayern ist das13. Jahrhundert das eigentliche Zeitalter der Städteentstehung gewesen 657 ).
Versuchen wir nun ein Gesamtbild von dem Verlauf der Städteentstehung in Mecklenburg-Schwerin während des 12. bin 14. Jahrhunderts zu gewinnen.
Der Anlaß zur Einführung des deutschen Städtewesens in Mecklenburg war durch die Niederlage des mecklenburgischen Slawentums im Jahre 1160 im Kampfe mit Heinrich dem Löwen gegeben. Ohne diesen entscheidenden Erfolg über die Wenden errungen zu haben, hätte Heinrich die Gründung Schwerins, der ältesten mecklenburgischen Stadt, nicht unter-
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nehmen können. Indem Herzog Heinrich diese Gründung vollzog, hat er die Bahn frei gemacht für eine ungehinderte Entfaltung einer bereits bis dahin unter slawischem Recht vermutlich in Schwerin bestehenden deutschen Kaufmannskolonie. Dieses Verhältnis haben wir als den eigentlichen Ausgangspunkt der Entwicklung aufzufassen, die in der Stadtgründung Schwerins ihren Abschluß fand. Die Gründung hat hauptsächlich einen anderen Rechtszustand für die Kaufmannskolonie geschaffen; die wirtschaftlichen Grundlagen für die Existenz der Stadt dagegen waren zunächst dieselben, die bereits unter der Slawenherrschaft fremde Kaufleute zu einer Ansiedlung an dieser Stelle bestimmt hatten. Die günstige Straßenlage Schwerins, ferner die Burg, ein wichtiger Stützpunkt für die Herrschaft der Obotriten, zu der regelmäßig die slawische Landbevölkerung ihre Naturalabgaben brachte, außerdem auch eine slawische Ansiedlung neben der Burg sind als Faktoren zu nennen, die die Vorbedingungen für einen ständigen Marktverkehr schon in der Slawenzeit bildeten.
Der Gründung Schwerins folgt eine Zeit von über 50 Jahren, in der keine Städte entstehen. Seit dem Jahre 1218 aber, in dem Rostock das lübische Recht bestätigt wird, überstürzen sich förmlich die Städtegründungen, bis dann ungefähr um das Jahr 1275 auch diese Hochflut der Gründungen plötzlich abnimmt.
Die Tatsache, daß zwischen der Gründung Schwerins im Jahre 1160 und der Rostocks vor dem Jahre 1218 eine längere Zeit ohne lebhaftere Städtegründung verfließt, ist anscheinend aus der politischen Lage zu erklären. Einmal machte sich die deutschfeindliche Politik von Pribislav, dem Sohn Niklots, geltend, der im Jahre 1167 wieder eine eigene Herrschaft von Heinrich dem Löwen erhalten hatte und der, wie er sein Land deutschen Kolonisten sperrte, auch der Einführung deutschen Städtewesens hinderlich gewesen sein wird. Zum andern haben die Kämpfe, die nach dem Sturz Heinrichs des Löwen zwischen den Dänen und den Nachfolgern Heinrichs des Löwen entbrannten, keinen Anreiz zu neuen Städtegründungen gegeben, bis dann um das Jahr 1200 dieser Kampf mit einem vorläufigen Sieg der Dänen endete und damit Ruhe in dies Gebiet einzog. Diese beiden Gründe machen es durchaus erklärlich, daß eine Zeit von über 50 Jahren zwischen der Gründung Schwerins und
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dem eigentlichen Zeitalter der mecklenburgischen Städtegründungen vergehen konnte.
Hinsichtlich der treibenden Kräfte der Städtegründung besteht jedoch zunächst kein Unterschied zwischen der Gründung Schwerins und der darauf folgenden Periode der Städteentstehung. Gerade die ältesten im 13. Jahrhundert in den einzelnen Herrschaften entstehenden Städte verdanken unzweifelhaft bürgerlichem Unternehmungsgeist ihre Entstehung. Ebenso wie Schwerin gehen Rostock in der Herrschaft Rostock (vor dem Jahre 1218) und Wismar in der Herrschaft Mecklenburg (vor dem Jahre 1229) auf Siedlungen zurück, die von Kaufleuten angelegt waren. Diesen Kaufmannskolonien wurde das Stadtrecht verliehen. In gleicher Weise wurden vermutlich auch im Jahre 1226 Parchim und Plau in der Herrschaft Parchim gegründet, indem den deutschen Kaufmannssiedlungen Stadtrecht verliehen wurde 658 ). Ein ähnlicher Vorgang ist dann noch bei der Gründung Boizenburgs zu vermuten, das uns allerdings erst in den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts als Stadt begegnet. Auch die Gründung Güstrows in der Herrschaft Werle-Güstrow (im Jahre 1226) entspringt offenbar der Initiative von Kaufleuten und Gewerbetreibenden, die den Fürsten zu einer Stadtgründung an dieser Stelle veranlaßten. Die Existenz des Unternehmerkonsortiums, das die Anlage Güstrows leitete und die Verhandlungen über das Stadtrecht mit dem Landesherrn führte, läßt wenigstens auf einen maßgebenden Einfluß bürgerlicher Kräfte bei der Gründung schließen. Danach ist das treibende Moment bei der Gründung Schwerins und der ältesten Städte in den anderen einzelnen Herrschaftsgebieten Mecklenburgs wohl hauptsächlich in dem Unternehmungsgeist der bürgerlichen Elemente selbst zu suchen. Nichts ist für eine gesunde Entwicklung des mecklenburgischen Städtewesens wichtiger geworden als die Tatsache, daß der Ursprung des mecklenburgischen Städtewesens in dem entschlossenen Willen der Kaufleute und Handwerker begründet lag, die, als die politischen Verhältnisse reif dafür waren, deutsches Stadtrecht von dem Fürsten verlangten.
Besteht zwischen der Gründung Schwerins und den ältesten Städtegründungen in den anderen mecklenburgischen Herr-
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schaftsgebieten hinsichtlich der treibenden Kräfte, die die Städte entstehen ließen, ein enger Zusammenhang, so ist insofern ein Unterschied zwischen dem Gründungsvorgang von Schwerin und dem der anderen Städte festzustellen, als bei Schwerin Heinrich der Löwe, vermutlich unter Zustimmung des deutschen Königs 659 ), das Stadtrecht verlieh, bei den anderen Gründungen jedoch der betreffende mecklenburgische Landesfürst von sich aus diese Rechtshandlung vornahm. In diesem Unterschied kommt die Entwicklung zutage, die nach dem Sturz des Stammesherzogtums und der Schwächung der Königsmacht das Territorialfürstentum zum Träger der Macht in Deutschland erhob. Die Macht des Territorialfürstentums, das auf die Entstehung der ältesten Städtegründungen in den einzelnen mecklenburgischen Herrschaften zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch nicht so ausschlaggebend wie in früheren Zeiten einwirkte, kündigt sich doch schon rein formal in der Bewilligung des Stadtrechts durch den Territorialherrn auch bei diesen Städtegründungen für die Folgezeit der städtischen Kolonisation als ein entscheidender Faktor an.
Bei der Mehrzahl der Städtegründungen des 13. Jahrhunderts in Mecklenburg, die nach der Entstehung der ältesten Städte in den einzelnen Herrschaftsgebieten erfolgten, war die Förderung, die der betreffende Landesherr der Ausbreitung des Städtewesens angedeihen ließ, von entscheidender Bedeutung. Das Territorialfürstentum hat offenbar die Vorteile einer das ganze Land planmäßig überziehenden städtischen Organisation für die Entwicklung seiner eigenen Machtstellung erkannt und macht die Städtegründungen zu einem Teil seiner Politik. Die Landesherren treiben Städtepolitik vor allem aus wirtschaftlichen, dann auch aus kirchlichen Gründen, zugleich erblicken sie in ihren Städtegründungen auch ein Mittel zur Einführung des deutschen Rechts in ihr Land. Die Fürsten glaubten auch, da sie ja die entscheidende Gewalt in den Städten hatten, sich in den Städten Stützpunkte zur Durchsetzung ihrer Landeshoheit zu schaffen. Außerdem bedeuteten die Städte für die Fürsten auch militärische Sicherungen gegen die Nachbarterritorien. Wir können diese Motive, die die mecklenburgischen Fürsten zu einer Begünstigung von Städtegründungen trieben, quellenmäßig z. T. schon bei der Grün-
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dung von Parchim und Plau nachweisen. Bei diesen beiden Gründungen aus dem Jahre 1226 wirkten nämlich die beiden Triebkräfte der städtischen Kolonisation, einmal die bürgerlichen Kräfte, zum andern die durch fürstliches Interesse bestimmten unmittelbar neben einander. Wenn die Grundlagen, die diese beiden Stadtgründungen ermöglichten, auch schon durch die Existenz einer Kaufmannssiedlung vor der Gründung gegeben waren, so verpflichtete doch der Fürst bei der Gründung der Städte ein besonderes Konsortium in beiden Städten zum Ausbau der Stadt und zugleich auch zur Kolonisation des umgebenden Landes. Die Beweggründe für diese aktive Gründungspolitik des Fürsten liegen eben, wie die Urkunden über die Gründung von Parchim und Plau deutlich erkennen lassen, in den bereits aufgezählten Momenten, die ein eigenes Interesse des Fürstentums an weiteren Stadtgründungen beweisen.
Aber auch die bürgerlichen Kräfte, von denen die städtische Bewegung in Mecklenburg ausgegangen war, wirkten neben dem Landesfürstentum an der weiteren Ausbreitung des Städtewesens. Einen bestimmten Einfluß hat bei den Städtegründungen in der Herrschaft Rostock und zum Teil darüber hinaus wahrscheinlich die Stadt Rostock geübt. Ebenso mag Güstrow an der Gründung von Malchow und Malchin in der Herrschaft Werle-Güstrow und Wismar an der Gründung Neubukows in der Herrschaft Mecklenburg einen besonderen Anteil gehabt haben. Daneben ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Lübeck bei den Städtegründungen vor allem im Westen Mecklenburgs beteiligt war. Die älteren Stadtgemeinden, die einige Jahrzehnte nach ihrer Entstehung schon zum Teil bedeutende wirtschaftliche und politische Machtzentren geworden waren, förderten also auch ihrerseits die Ausbreitung des Städtewesens.
Die städtische Kolonisation, die den ältesten Städtegründungen in den einzelnen Herrschaftsgebieten folgt, wird zum Unterschied von diesen frühesten Gründungen, die überwiegend durch den Fernhandelt ins Leben gerufen waren, auch dadurch gekennzeichnet, daß die Städte dieser zweiten Entwicklungsreihe alle nach, frühestens aber zugleich mit der bäuerlichen Kolonisation auf dem Lande entstanden. Die wirtschaftlichen Grundlagen dieser Städte waren danach erst mit dem Augenblick gegeben, als eine zahlreichere Landbevölkerung in der
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Gegend sich angesiedelt hatte. Die Städte dieser Zeit waren Märkte für das umgebende Land, dessen Bevölkerung auch durch die Verlegung der Vogteien in die neugegründeten Städte zu ihnen hingezogen wurde. Der Anfang der zweiten Entwicklungsreihe der städtischen Kolonisation in Mecklenburg, die Gründung von Gadebusch und Wittenburg, fällt in das Jahr 1225 bzw. 1230. Gadebusch und Wittenburg lagen ganz im Westen Mecklenburgs in einem Gebiet, das bereits, als diese Dörfer Städte wurden, weit über 50 Jahre deutscher Einwanderung offengestanden hatte. Während die Kaufmannsstädte in den Herrschaften Mecklenburg, Rostock, Werle-Güstrow und Parchim ungefähr zu gleicher Zeit entstanden (Rostock vor 1218, Güstrow 1226, Parchim 1226, Plau 1226, Wismar vor 1229), erfolgte die Ausbreitung des weiteren Städtewesens in den Herrschaften Mecklenburg, Rostock und Parchim ungefähr zwischen den Jahren 1250 und 1260, bis die Bewegung dann anschließend (1260 - 1275) auch auf die Herrschaft Werle-Güstrow, den Südosten Mecklenburgs, übergriff. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß Malchow und Malchin, anscheinend auf bürgerliche und landesherrliche Initiative zugleich, schon im Jahre 1235 bzw. 1236 von Nikolaus I. von Werle gegründet wurden.
Nachdem auch in der Herrschaft Werle-Güstrow ein Städtewesen geschaffen war, war offenbar dem Bedürfnis des Landes nach Städten Genüge getan. Die wirtschaftlichen Grundlagen der sieben Gründungen, die am Ausgang des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert erfolgten, beruhten auf der landwirtschaftlichen Beschäftigung ihrer Bürger. Diese Städte sind nämlich alle in der Weise entstanden, daß Dörfer zu Städten erhoben wurden. Bezeichnenderweise besitzt auch heute die Stadt Warin noch keinen Platz mit dem Namen "Markt". Die Städtegründungen nach dem Jahre 1275 sind offenbar hauptsächlich aus landesherrlicher Initiative zustande gekommen. Man erkennt dies am deutlichsten daran, daß außer Marlow und Schwaan, den frühesten Gründungen dieser Zeit, keine dieser Städte mehr ein besonderes Stadtrecht empfing, sondern daß alle das Landrecht, anscheinend zum Teil in etwas veränderter Form, auch als Städte beibehielten. Die einzelnen Gründungen sind in ziemlich großen zeitlichen Abständen von einander erfolgt. So erhielt Marlow vor dem Jahre 1298, Schwaan um 1300 Stadtrecht. Darauf folgte vor
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dem Jahre 1306 bzw. 1309 die Gründung Warins bzw. Laages, danach die Tessins zwischen 1323 und 1325. Nach dem Jahre 1344 wurden Brüel und vor dem Jahre 1370 Hagenow zu Städten erhoben.
Kapitel II.
So mannigfach die Entwicklung an jedem Ort gewesen ist, die zur Gründung einer Stadt führte, so lassen sich doch nach der Art, wie die Städte entstanden sind, unter ihnen besondere Gruppen unterscheiden und danach bestimmte Städtetypen aufstellen. Neben den Städten, die durch Stadtrechtsverleihung an eine Kaufmannskolonie gegründet wurden, bzw. sich aus einer Kaufmannssiedlung allmählich zur Stadt entwickelten, sind als zweite Gruppe vor allem die Städte, die wir als Gründungen aus frischer Wurzel bezeichneten, zu nennen. Zu diesen beiden kommt noch ein dritter Städtetypus: die Städte, die aus einem Dorf erwachsen sind. Zahlenmäßig verteilen sich die 38 im 12. bis 14. Jahrhundert entstandenen mecklenburg-schwerinschen Städte auf die einzelnen Gruppen in der Weise, daß zu der ersten wahrscheinlich 6 660 ), zu der zweiten 16 661 ) und zur dritten 13 Städte gehören 662 ). Bei Neustadt-Glewe, Dömitz und Crivitz ist eine einigermaßen klare Entscheidung über die Art ihrer Entstehung nicht herbeizuführen, jedoch neigen wir dazu, sie der dritten Gruppe zuzuzählen.
Betrachten wir zunächst die einzelnen Gruppen nach ihrer Eigenart getrennt. Die Entstehung aus einer Kaufmannssiedlung vermuteten wir bei Schwerin, Parchim, Plau und Boizenburg. Ferner kommt sie auch nach den Ergebnissen der bisherigen Literatur für Rostock und Wismar in Frage. Die meisten dieser Städte wurden durch einen einmaligen Rechtsakt, die Stadtrechtsverleihung, zu Städten erhoben. Von
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Parchim und Plau sind uns sogar die Stiftungsbriefe erhalten; ebenso auch, zum Teil stark verändert, von Schwerin. Saxo berichtet uns außerdem, daß Schwerin das Stadtrecht verliehen wurde. Die Stadtrechtsverleihung durch die Fürsten von Rostock haben wir nach einer Urkunde aus dem Jahre 1218 auch für Rostock anzunehmen. Nur bei Wismar und Boizenburg ist vielleicht eine andere Entwicklung zu vermuten. Auffälligerweise wird nämlich diesen beiden Städten einige Jahrzehnte später, nachdem sie uns als Städte zuerst begegnen, erst im Jahre 1266 bzw. 1267 das lübische Recht auf ihre Bitten bewilligt 663 ). Vielleicht hat nun dies Recht aber schon früher als Gewohnheitsrecht in diesen Städten Geltung gehabt. Crull behauptet wenigstens nicht ohne Grund, daß in Wismar die Verleihung des lübischen Rechts nur der Abschluß einer Entwicklung war, durch die nichts wesentlich Neues ins Leben gerufen wurde 664 ).
Direkte urkundliche Nachrichten für die Existenz einer Kaufmannssiedlung lassen sich für keine der sechs Städte anführen. Allen ist jedoch ihre günstige Lage an den Fernhandelsstraßen gemeinsam. Während Rostock und Wismar an der Straße selbst liegen, die von Lübeck an der Ostsee entlang führt, entstanden die übrigen vier Städte an Handelswegen, die dieser Ostseestraße zustreben. So liegen Parchim und Schwerin an dem Weg, der von der Mark Brandenburg, von Stendal her nach Wismar bzw. Lübeck führt. Über Plau geht gleichfalls eine Straße aus der Mark durch Mecklenburg zur Ostsee. Von Boizenburg führen Straßen nach Lübeck und Schwerin. Dazu lassen für alle diese Orte besondere Anzeichen auf die Existenz einer Kaufmannssiedlung schließen, aus der die späteren Städte entstanden sind. Bei Schwerin führten Erwägungen über die Motive, die Heinrich den Löwen bei der Platzwahl zur Anlage seiner ersten Stadt in Mecklenburg geleitet haben mochten, und Untersuchungen über den Stadtplan zu der Annahme, daß das Stadtrecht an eine Kaufmannskolonie verliehen wurde. Auch in Rostock soll nach den Forschungen Krauses der "alte Markt", der ältere Teil der späteren Stadt, bereits von einer deutschen Kaufmannskolonie um das Jahr 1200 angelegt worden sein, der dann vor dem
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Jahre 1218 das Stadtrecht verliehen sein muß 665 ). Bei Parchim und Plau konnten wir die Existenz einer Kaufmannssiedlung nur aus der Form des Marktplatzes erschließen, der als einfacher Straßenmarkt in einem betonten Gegensatz zu der sonst regelmäßigen Anlage der Stadt stand. Nach dieser Form des Stadtgrundrisses ist die Vermutung nicht unbegründet, daß der Marktplatz ein älteres Element im Stadtplan darstellt. Dazu kommt, daß für Plau eine Urkunde aus dem 13. Jahrhundert erhalten ist, die auf eine Marktsiedlung in slawischer Zeit hindeutet 666 ). Diese Kaufmannskolonien haben wahrscheinlich das Stadtrecht empfangen, das im Jahre 1226 an Parchim und Plau verliehen wurde. Für Wismar ist die urkundliche Überlieferung insofern am günstigsten, als ein Wismarer Hafen bereits im Jahre 1209, ungefähr 20 Jahre vor der Stadtwerdung Wismars, in einer deutschen Königsurkunde genannt wird 667 ). Wahrscheinlich ist Wismar in Anlehnung an diese Hafensiedlung allmählich zur Stadt erwachsen. In Boizenburg scheint schon vor der Stadtwerdung ein Marktverkehr bestanden zu haben. Es wird uns nämlich schon im Jahre 1218 ein Boizenburger Scheffelmaß genannt. Als Ort für diesen Markthandel glaubten wir den Marktplatz der späteren Stadt in Anspruch nehmen zu können. Demnach ist die Kaufmannssiedlung in Boizenburg, wie es scheint, in allmählichem Übergang zu einer Stadt geworden. Während es jedoch für die anderen Kaufmannskolonien ohne weiteres feststeht, daß sie schon in slawischer Zeit bestanden haben, ist es für die Boizenburger Siedlung zweifelhaft, ob ihre Entstehung in die slawische Zeit zurückgeht, weil die Kolonisationsbewegung in dieser Gegend schon sehr frühzeitig begann.
Die Nationalität der ansässigen Kaufleute in diesen Kolonien wird, wenn man aus der Bevölkerungszusammensetzung der späteren Städte Rückschlüsse ziehen darf, ganz überwiegend deutsch gewesen sein. Bei Rostock kann man den nichtslawischen Charakter der Kaufmannssiedlung auch daraus erkennen, daß diese am "alten Markt" neben dem slawischen
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Marktdorf angelegt war. Beide Siedlungen waren durch die Warnow getrennt.
Die eben erwähnten Kaufmannssiedlungen standen, wie es scheint, auch in slawischer Zeit in einem bestimmten Rechtsverhältnis zur Landesherrschaft. Eine Plauer Urkunde aus dem 13. Jahrhundert läßt darauf schließen. In diesem Privileg wird der Stadt Plau die Dienstleistung mit einem Pferd und die Lieferung von einem Pfund Pfeffer erlassen, die dem Landesherrn von den Stadtländereien zustand 668 ). Augenscheinlich geht diese Verpflichtung auf die slawische Zeit zurück, deren Rechtszustand sie entspricht. Es ist uns sonst auch von keiner mecklenburgischen Stadt bekannt, daß sie in der ersten Zeit ihres Bestehens zu Naturallieferungen an den Landesherrn verpflichtet war. Bezeichnenderweise wird dieser Dienst in Plau ja auch schon im 13. Jahrhundert aufgehoben. Wenn wir danach den Ursprung dieser Verpflichtung in der slawischen Zeit anzunehmen berechtigt sind, haben wir darin zugleich einen Ausdruck des rechtlichen Verhältnisses, das zwischen Landesherrn und Kaufmannssiedlung bestand, zu erblicken. Der Landesherr hatte, abgesehen von der allgemein üblichen Dienstleistung mit einem Pferd, Anspruch auf Lieferung von einem Pfund Pfeffer, den er überhaupt nur von Kaufleuten, die mit dem Fernhandel in Verbindung standen, verlangen konnte. Die Kaufleute waren dem Landesherrn also dienst- und abgabepflichtig. Ob diese vor den anderen Landbewohnern eine rechtliche Sonderstellung einnahmen, geht aus dem Privileg nicht hervor. Es ist jedoch in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß die Kaufmannskolonien alle neben einer Burg, die auch schon in slawischer Zeit bestand, erwachsen sind. Außerdem waren sie in einer Entfernung von dem bei der Burg bestehenden Dorf angelegt. Bei Schwerin, Rostock und Wismar lag wenigstens in späterer Zeit die Stadt neben dem alten slawischen Dorf. Bei Boizenburg, Plau und Parchim können wir die Existenz eines slawischen Dorfes nur vermuten.
Auch in anderen deutschen Landschaften sind Städte in ähnlicher Art aus Kaufmannssiedlungen entstanden. Die Altstadt von Prag in Böhmen ist aus einer deutschen Kaufmannskolonie, die hier nachweislich seit dem 11. Jahrhundert bestand, emporgeblüht 669 ). Außer Prag sind dann noch mehrere andere
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Städte in Böhmen aus derartigen Siedlungen, die sich an den Straßen des Großhandelsnetzes gebildet hatten, erwachsen 670 ). Auf gleiche Art ist z. B. auch in der Oberlausitz Bautzen entstanden 671 ).
Die zweite Gruppe von mecklenburgischen Städten, die wir behandeln müssen, sind die Gründungen aus frischer Wurzel. Es sind im ganzen 16 Städte, die als solche entstanden sind 672 ). Man kann noch heute diese Art der Entstehung ohne weiteres aus dem Stadtplan ablesen. Die Regelmäßigkeit des Grundrisses verrät auch dem ungeübten Auge sofort, daß ein solcher städtischen Verhältnissen entsprechender Plan nur zustande kommen konnte, wenn kein anderes Siedlungselement seiner Ausführung im Wege stand. Uns sind in Mecklenburg geradezu Musterbeispiele von Städten erhalten, die die Aufgabe einer städtischen Gründung aus frischer Wurzel in vorbildlicher Weise gelöst haben. Denken wir nur an den Stadtgrundriß von Neukalen, der in seiner kreisrunden Form, in der die beiden Straßenzüge .in ihrem Mittelpunkt den quadratischen Marktplatz bilden, ein Ausdruck klarster städtebaulicher Gestaltung ist. Hier ist alles von dem einen Mittelpunkt, dem Marktplatz aus konstruiert. Rechtwinklig gehen vom Mittelpunkt aus die Straßen an die Peripherie der Stadt, deren Mauerring fast an jeder Stelle in gleicher Entfernung vom Marktplatz liegt. Alle Straßen, die von außen in die Stadt hineinführen, ändern vor der Stadt ihre alte Richtung, um die Toröffnung zu suchen, die der Stadtbaumeister für ihren Durchgang durch die Stadt bestimmt hat. In anderer Weise wie bei Neukalen hat man den Stadtplan in Ribnitz, Gnoien und anderen Städten 673 ) zu gestalten versucht. Während der Kalener Stadtgrundriß die letzte Vollendung der mittelalterlichen Städtebaukunst darstellt, sind die Pläne von Ribnitz u. a. gewissermaßen letzte Vorstufen zum Ende der Entwicklung. In Ribnitz und Gnoien hat man noch nicht so radikal alles von dem einen Mittelpunkt, dem Marktplatz aus entworfen. Vor allem wird die Richtung der Hauptverkehrsstraße, die durch die Stadt hindurchführt, durch den Stadtplan nicht geändert; man erkennt deren Einfluß viel-
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mehr noch darin, daß der ganze Stadtplan gegenüber der Zentralanlage eine gewisse Längstendenz hat, die auch in der rechteckigen Bildung des Marktplatzes zum Ausdruck kommt. Auch wird der ursprüngliche Zusammenhang des Marktplatzes mit der Verkehrsstraße noch dadurch kenntlich, daß dieser neben der Straße liegt. Andererseits sind aber die im Ribnitzer Stadtplan vorwärts weisenden Momente, die dann in der Zentralanlage ihren vollendeten Ausdruck fanden, nicht zu übersehen. Welches Gewicht hat doch im Ribnitzer Stadtplan schon der Marktplatz, der mit seinen weiten Dimensionen zu der Größe der Stadt in keinem Verhältnis steht. Ferner besteht ja auch schon eine zweite der Hauptstraße parallele Längsstraße, die dem Stadtplan eine größere Breitenausdehnung ermöglichte. Man bedenke dann auch, daß die Hauptstraße selbst nicht als ungepflegte Landstraße die Stadt durchzieht, sondern erst, nachdem sie in einer Richtung festgelegt und in gleicher Breite ausgemessen war, als gestaltendes Planelement in den Stadtgrundriß übernommen ist. Es ist selbstverständlich, daß nicht bei allen mecklenburgischen Städten, die aus frischer Wurzel entstanden sind, diese beiden Grundrißtypen, die wir in Mecklenburg beobachten können, gleich deutlich zur Ausführung gekommen sind. Es sind acht Städte, die wir einer der beiden Grundrißarten zuzählen können 674 ). Bei den übrigen schrieb meist ein bereits vor der Stadtgründung bestehendes Siedlungselement in der Nähe der späteren Stadt (Burg oder Dorf) oder der Platz der Stadtsiedlung mit seinen besonderen geographischen Verhältnissen, wie sie etwa auf einer Insel oder an einem Fluß oder zwischen mehreren Seen gegeben waren, die Form des Stadtplans vor. Allen diesen Stadtplänen ist es jedoch eigentümlich, daß der Marktplatz rechteckig bzw. quadratisch ist und die Straßenführung eine gewisse Regelmäßigkeit aufweist.
Es ist auch wichtig, zu beobachten, daß vermutlich alle mecklenburgischen Gründungsstädte neben slawischen Dörfern angelegt wurden. Bei allen haben wir die Existenz slawischer Dörfer aus den Urkunden bzw. aus Namen wie "Kietz" und "Wendfeld" und aus dem slawischen Namen der späteren Städte nachweisen oder wahrscheinlich machen können; auch bei Kröpelin und Ribnitz, die vermutlich neben einem slawischen
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und einem deutschen Dorf gegründet wurden, das denselben Namen trug, wie die spätere Stadt. Die Existenz einer Burg, die bereits in der Slawenzeit bestand, konnten wir bei etwa acht Städten mit einiger Sicherheit annehmen 675 ).
Beispiele für die Gründung von Städten aus frischer Wurzel lassen sich in großer Zahl auch aus anderen Landschaften Deutschlands anführen. S. Rietschel hat sogar behauptet, daß "die älteren rechtsrheinischen Städte durchweg nicht aus ländlichen Ansiedlungen hervorgegangen sind, sondern - in ihrem ältesten Teil wenigstens - auf jungfräulichem Boden als Handelsplätze neu erbaut wurden" 676 ); und andere Forscher haben Rietschels These eingehender zu beweisen versucht. Manche von ihnen - z. B. K. O. Müller und Joh. Kretzschmar - sind dabei, wie mir scheint, in zu starker Abhängigkeit von der Rietschelschen Gründungstheorie geblieben. So glaubt Müller für 13 oberschwäbische Reichsstädte nachgewiesen zu haben, daß sie alle aus Marktgründungen entstanden sind 677 ), und Kretzschmar behauptet in ähnlicher Weise, daß "die ältesten, wichtigsten und bedeutendsten Städte in den Gebieten zwischen der mittleren Saale und der Lausitzer Neiße" Neugründungen bzw. aus Märkten entstanden sind 678 ). Kretzschmar lehnt es ausdrücklich ab, daß in der Zeit vom 11. bis 13. Jahrhundert in dem von ihm behandelten Gebiet Städte aus Burgen und Burgvororten, ferner aus Landgemeinden erwachsen sind, "zumal von der neueren Forschung die Landgemeindetheorie endgültig aufgegeben worden sei". Ein Beweis für die allgemeine Geltung der Gründungstheorie ist aber in keiner Weise erbracht worden. Von 38 Städten Mecklenburg-Schwerins jedenfalls sind nur 16 Gründungen aus frischer Wurzel gewesen.
Es ist fraglich, ob die allgemein geltende Theorie, daß das Kolonialgebiet des deutschen Nordens und Ostens "das klassische Gebiet der sogenannten Gründungsstädte" gewesen ist, in dieser Allgemeinheit fortbestehen darf. Schon Rietschel hat eine Anzahl von Städten, die aus frischer Wurzel entstanden
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sind, auch für Innerdeutschland aufgezählt 679 ). Ferner hat man 75 % der Städte in der innerdeutschen Landschaft Hessen für Gründungsstädte erklärt 680 ), und auch aus Westfalen liegen mehrere Beispiele für diesen Städtetypus vor 681 ).
Die mecklenburgischen Gründungen aus frischer Wurzel sind sämtlich neben bereits vorhandenen Siedlungselementen angelegt worden. Dies Ergebnis ist insofern von Bedeutung, als man daraus erkennt, daß auch die Städte aus frischer Wurzel nicht einfach "an einer beliebigen, wohl gar zuvor öden Stelle des Landes" gegründet wurden, sondern daß mit dem Bestehen von Ansiedlungen, sei es nun einer Burg oder eines Dorfes, in der Nähe der späteren Stadt bereits wichtige wirtschaftliche Voraussetzungen für deren Gründung gegeben waren. Rietschel vor allem hat darauf hingewiesen, daß für Neugründungen ihre Anlage neben bereits bestehenden Dörfern, Burgen usw. eigentümlich ist 682 ). Dies Ergebnis seiner Forschung hat sich im allgemeinen bestätigen lassen. So ist für die Städte im sächsischen Vogtland festgestellt worden, daß ihre Gründung "in allen Fällen in Anlehnung an schon bestehende Siedlungen erfolgte, nicht nur an Burgen allein, sondern auch in Anlehnung an ältere offene Siedlungen" 683 ). Auch in Anhalt sind die Städte meist neben einer Burg entstanden 684 ). In der Landschaft Hessen sind gleichfalls "die planmäßig gegründeten Städte neben einer dörflichen Siedlung entstanden, deren Bestehen in vielen Fällen noch heute durch Flurnamen nachweisbar ist" 685 ). Auch für die Oberlausitzer Städte wird betont, "daß man immer darauf sein Augenmerk richtete, die neue städtische Siedlung an irgend eine ältere anzulehnen, so daß dann gewissermaßen die schon vorhandene örtliche Tradition auf die junge Stadt überging" 686 ). In der Altmark wurden die Städte aus frischer Wurzel in gleicher Weise "ausnahmslos neben landesherrlichen Burgen erbaut. Bei diesen Burgen lagen suburbienähnliche Ansiedlungen, Dörfer oder Kirchen" 687 ).
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Zu den Gründungen aus frischer Wurzel gesellen sich als dritte Gruppe die Städte, die aus Dörfern entstanden sind. Es sind im ganzen 13, vielleicht sogar 16 Städte 688 ), die durch Stadtrechtsverleihung an ein mecklenburgisches Dorf gegründet wurden. Wir haben diese Tatsache bei allen Städten aus den Stadtplänen, oft aber noch aus der urkundlichen Überlieferung erkennen können. Häufig handelte es sich dabei um Dörfer, die neben alten, noch aus der Slawenzeit stammenden Burgen gelegen waren. Das konnten wir bei neun Städten mit einiger Sicherheit nachweisen 689 ), während vier wahrscheinlich nicht neben einer solchen Burg gelegen haben 690 ). Man könnte nun annehmen, daß diese Dörfer, aus denen später die Städte entstanden, alte slawische Burgvororte gewesen sind. Anscheinend ist dies aber nicht der Fall gewesen. Wir können dies wenigstens bei keiner Stadt nachweisen. Dagegen haben wir bei einigen aus den urkundlichen Nachrichten Spuren aufzeigen können, die auf eine Entstehung aus einem deutschen Dorfe hinweisen. Es ist auch bezeichnend, daß für Gadebusch, Brüel und Hagenow ein Kietz, ein wendisches Fischerdorf, neben diesen Städten nachweisbar ist. Ebenso begegnet noch bei Marlow das Wort "Wiek", das auf einen wendischen Handelsplatz hinweist, und bei Goldberg der Flurname "Wendfeld" als Bezeichnung einer Stelle, die neben diesen Städten gelegen ist.
Auch sonst ist es bekannt, daß auf dem Kolonialgebiet wie auch im Inneren Deutschland Städte aus Dörfern entstanden sind. So haben z. B. die Städte in Anhalt, soweit sie in der Zeit vom 14. Jahrhundert bis zum Ende des Mittelalters städtischen Charakter erhalten, "schon lange vorher als Dörfer bestanden und werden durch fürstlichen Rechtsakt zu Städten erhoben" 691 ). Ebenso sind die jüngeren Städte in der Altmark entstanden 692 ). Auch für Böhmen ist uns die Erhebung von Bauerndörfern zu Städten bezeugt, wenn auch "das System der planmäßigen Gründungen durch Aussetzung oder Neuaussetzung von Städten seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts weitaus im Vordergrunde steht" 693 ). Im 14. Jahr-
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hundert begann man im sächsischen Vogtland "im größeren Umfang bereits vorhandene, offene Ortschaften, zum Teil Siedlungen, die sich im Anschluß an eine Burg allmählich entwickelt hatten, mit städtischen Rechten zu bewidmen" 694 ). Die Erhebung von Dörfern zu Städten ist also auch im Kolonialgebiet häufig vorgekommen. Eine Besonderheit scheint sich jedoch insofern für die mecklenburgischen Städte zu ergeben, als die Beispiele aus den sonstigen Kolonialgebieten sich meist aus dem 14. bzw. den folgenden Jahrhunderten nachweisen lassen, in Mecklenburg aber die Stadtrechtsverleihung an Dörfer bereits für den Beginn des 13. Jahrhunderts nachweisbar ist. Im ganzen sind von den 13 auf diese Art entstandenen Städten sieben bereits im 13. Jahrhundert gegründet worden 695 ). Hierin berühren sich die mecklenburgischen Verhältnisse auffälligerweise mit denen Westfalens, aus dem ja viele Kolonisten nach Mecklenburg kamen. In einer neueren Wirtschaftsgeschichte dieses Landes wird sogar ausgeführt, daß "die Marktgründungen hier zum größeren Teil in engstem Anschluß an schon bestehende Bauernsiedlungen erfolgten", und die älteren Städte sich so "in allmählichem Übergang vom Dorf zur Stadt" entwickelten 696 ). Es wird ferner betont, daß die Stadtgründungen, die in Westfalen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begannen, auch in der Weise erfolgten, daß neben Gründungen aus frischer Wurzel "auch größere Dörfer durch Rechtsakt und Befestigungen zu Städten" erhoben worden sind. "Die weitverbreitete Ansicht, die rechtsrheinischen Städte seien, von wenigen Ausnahmen abgesehen, planmäßige Gründungen oder gar Kaufmannssiedlungen gewesen", wird für Westfalen ausdrücklich abgelehnt.
Prüfen wir nun, ob die einzelnen mecklenburg-schwerinschen Stadttypen auch einem bestimmten Zeitraum der städtischen Kolonisation eigentümlich gewesen sind. Wir können die Feststellung machen, daß die drei Abschnitte, in denen der zeitliche Verlauf der Städtegründungen in den einzelnen mecklenburg-schwerinschen Herrschaftsgebieten erfolgte, auch
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durch je einen besonderen Stadttypus charakterisiert werden. In allen mecklenburg-schwerinschen Herrschaftsgebieten ist die aus der Kaufmannssiedlung erwachsene Stadt die älteste; wir verweisen nur auf Schwerin, Rostock, Wismar, Parchim und Plau 697 ). Darauf folgt nach einiger Zeit die eigentliche Gründungsperiode, die Anlage verhältnismäßig zahlreicher Städte, die überwiegend als Gründungen aus frischer Wurzel entstanden sind; dieser Periode gehört die große Masse der Städte an. Vollendet wird der Aufbau des Städtewesens in der Zeit von 1275 bis 1370, in der nur noch Dörfer zu Städten erhoben werden. Die einzelnen Gründungen erfolgen in dieser Periode in großen zeitlichen Abständen von einander. Danach ist tatsächlich jedem Zeitabschnitt im Verlauf der städtischen Kolonisation Mecklenburgs auch ein bestimmter Städtetypus eigen, der der jeweiligen Periode sein Gepräge gibt.
Ähnliche Beobachtungen sind auch für Böhmen 698 ), Anhalt 699 ), die Altmark 700 ), das sächsische Vogtland 701 ) und die Landschaft Hessen 702 ) gemacht worden.
Kapitel III.
Die Städte Mecklenburg-Schwerins verdanken mit Ausnahme von Schwerin, vielleicht auch von Wismar und Boizenburg, ihre Gründung wahrscheinlich den Fürsten und Bischöfen, die im 13. und 14. Jahrhundert die landesherrlichen Rechte in
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den einzelnen mecklenburgischen Herrschaftsgebieten ausübten. Schwerin wurde im 12. Jahrhundert von Heinrich dem Löwen gegründet, der vermutlich für diesen Rechtsakt die königliche Einwilligung einholte, wozu er wenigstens rechtlich verpflichtet war. Allen übrigen mecklenburg-schwerinschen Städten haben, soweit wir wissen, die Fürsten von Mecklenburg, die Grafen von Schwerin und Dannenberg und die Bischöfe von Schwerin, die in ihrem Stiftsland Bützow landesherrliche Rechte besaßen, das Stadtrecht verliehen. Sie gaben auch für alle Städte den Grund und Boden her, der zu deren Anlage nötig war. Der unmittelbare urkundliche Nachweis dafür läßt sich nur aus den Gründungsurkunden führen, die uns, wenn sie überhaupt vorhanden waren, für die Mehrzahl der mecklenburgischen Städte nicht mehr erhalten sind. Im ganzen sind es neun Städte, nämlich Rostock, Gadebusch, Parchim, Malchow, Malchin, Goldberg, Alt- und Neukalen, Röbel und Penzlin, für die aus solchen Urkunden die Gründung durch den Landesherrn hervorgeht. Eine wörtliche Bestätigung eines landesherrlichen Gründungsprivilegs besitzen noch die Städte Plau und Güstrow. Außerdem bewahren Grabow und Brüel noch gefälschte Stiftungsbriefe auf. Während die Grabower Urkunde wahrscheinlich mit Recht den Grafen von Dannenberg als Gründer von Grabow nennt, konnten wir die Angabe des Brüeler Privilegs, daß die Stadt ihre Rechte von dem Ritter von Plessen erhalten habe, als unrichtig erkennen und demgegenüber die Landesherren von Mecklenburg als die Gründer von Brüel nachweisen. Abgesehen von Brüel tritt uns auch nicht eine einzige urkundliche Spur entgegen, die auf grundherrliche Städtegründungen in Mecklenburg hindeutet. Man erkennt vielmehr aus späteren Privilegienbestätigungen, die die Städte sich von Landesherren erbitten, und aus den Abgaben, die die Städte an den Landesherrn zu leisten hatten, daß dieser für seine Städte zugleich der Stadtherr gewesen ist. War der Landesherr bei der Gründung einer Stadt noch nicht im Besitze des Grundstücks, auf dem diese erbaut werden sollte, so erwarb er es vorher von dem jeweiligen Eigentümer. Dies geschah in Mecklenburg bei der Gründung Altkalens, dessen Gebiet vor der Stadtgründung dem Kloster Dargun gehört hatte.
In andern deutschen Gebieten lassen sich bisweilen sogar in größerer Zahl grundherrliche Städtegründungen nachweisen,
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vor allem in der Lausitz, wo als markgräfliche Gründungen nur sechs Städte in Betracht kommen. "Alle übrigen Städte dürften grundherrlichen Ursprungs sein" 704 ). Auch in Böhmen sind sehr viele grundherrliche Städte bekannt 705 ). Ferner führen die vielen Zwergstädte in der Landschaft Hessen ihre Entstehung auf die zahlreichen Herrengeschlechter in dieser Gegend zurück. "So haben die Hanauer Grafen in einem Zeitraum von 70 Jahren für 11 Ortschaften Stadtrechte erworben" 706 ). Auch im sächsischen Vogtland lassen sich mehrere grundlerrliche Städte aufzählen 707 ).
Die Stadtrechtsverleihung war eine Angelegenheit der Politik der mecklenburgischen Landesherren. Die Stadtgründung selbst war ja nur der rechtliche Abschluß von Verhandlungen und Überlegungen, die der Anlage der Stadt vorhergingen. Die fürstliche Stadtgründungspolitik in Mecklenburg wird durch zwei Momente gekennzeichnet, die in ihr richtunggebend gewesen sind. Einmal stand die Städtepolitik im Dienste der fürstlichen Kolonisationspolitik, in die wir auch die Christianisierungsbestrebungen der Landesherren einbegreifen. Zum andern wurden die Städtegründungen von den Fürsten als ein Mittel zur militärischen Sicherung ihres Landes und zur Ausdehnung und Befestigung ihrer Landeshoheit angesehen. Es ist bezeichnend, daß beide Merkmale, welche als die Hauptrichtungen der fürstlichen Städtepolitik anzusehen sind, auch als Leitmotive der fürstlichen Gesamtpolitik im 13. und 14. Jahrhundert erscheinen. Die Durchführung der Kolonisation, welche die Einführung der christlich-abendländischen Kultur zur Folge hatte, war das eine Hauptziel der fürstlichen Politik. Sodann ging das Streben der Fürsten auf Bildung eines geschlossenen Territorialstaates. Diese Politik war nach der Beseitigung des alten deutschen Stammesherzogtums und der Minderung der kaiserlichen Macht den deutschen Fürsten gemeinsam.
Unsere Untersuchung soll zunächst die Städtepolitik als einen Teil der fürstlichen Kolonisationspolitik, darauf als einen Teil der fürstlichen Territorialpolitik darstellen.
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Inwiefern war die fürstliche Städtepolitik ein Stück Kolonisationspolitik? Beantworten wir dabei einleitend die Frage, ob denn die Fürsten selbst die großen Veränderungen in die Wege leiteten, welche die Durchführung der Kolonisation auf kirchlichem, völkischem, rechtlichem und wirtschaftlichem Gebiet für das Land brachte. Für die deutschen Grafen, die von Heinrich dem Löwen eingesetzt waren, können wir dies nach dem Zeugnis Helmolds ohne weiteres annehmen 708 ). Eine andere Stellung zur Kolonisation nahm jedoch das slawische Fürstengeschlecht der Obotriten ein, das einige Zeit nach seiner Niederlage Teile seiner Herrschaft wieder erhielt und während des 12. Jahrhunderts versuchte, sein Gebiet, wenn auch nicht gegen das Christentum, so doch gegen deutsche Einwanderer abzuschließen. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts können wir aber schon eine ganz andere Haltung der slawischen Fürsten zur Kolonisationspolitik beobachten. Aus den wenigen Zeugnissen, die uns aus der Frühzeit der Kolonisation von den politischen Zielen der Fürsten berichten, erkennen wir deutlich, daß deren Streben auf die Durchführung der Kolonisation gerichtet war 709 ). Die Voraussetzung für die Kolonisation und damit auch für die Entstehung eines deutschen Städtewesens war die Einverleibung Mecklenburgs in das deutsche Reich. Die Erteilung deutschen Stadtrechts durch die Fürsten ist offenbar z. T. aus der außenpolitischen Lage heraus zu erklären, in der diese sich seit der Eingliederung Mecklenburgs in den deutschen Reichsverband befanden. Denn erst nachdem die Wenden durch Heinrich den Löwen ihre staatliche Selbständigkeit verloren hatten, erfolgte gewissermaßen als innerpolitische Konsequenz die Einführung des deutschen Städtewesens und die Auflösung der alten slawischen Marktverfassung. Der Vorgang der Stadtgründung, der in der Stadtrechtsverleihung besteht, ist selbst schon ein Dokument fürstlicher Kolonisationspolitik. Bedeutete doch die Erteilung deutschen Stadtrechts in Mecklenburg zugleich auch die Aufhebung der bis dahin be-
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stehenden slawischen Marktverfassung. Mit ihr wurde der Gültigkeit des deutschen Rechtes in Mecklenburg zum Siege verholfen.
Betrachten wir im einzelnen die Entwicklung, in welcher die Einführung des deutschen Stadtrechts erfolgte. In slawischer Zeit gab es keine Städte nach deutschem Recht in Mecklenburg. Es waren aber bestimmte Plätze vorhanden, an denen Märkte abgehalten wurden, die vielleicht sogar eigenes Recht und eigene Verwaltung besessen haben 710 ). Urkundlich sind uns nur zwei slawische Marktorte für Mecklenburg überliefert, die beide dem Landesherrn gehörten. Im Jahre 1170 wird uns, allerdings in einer gefälschten Urkunde, von einem Markt in Broda 711 ) und im Jahre 1189 von einem solchen in Rostock 712 ) berichtet. Auch für Marlow und Werle ist die Existenz eines slawischen Marktortes wahrscheinlich 713 ). Ferner wird uns auch in der Knytlingasaga von einer "Kaufstadt" der Slawen im Lande Tribiden (wahrscheinlich in der Gegend von Gnoien) berichtet 714 ) und ebenso erzählt Helmold zum Jahre 1168 von einem Markttag in der Mecklenburg (Burg bei Wismar), wo 70 dänische Gefangene zum Verkauf gestanden haben. Es ist anzunehmen, daß die Zahl solcher Märkte jedoch weit größer gewesen ist, als wir heute aus unsern Quellen bestimmen können. Meist werden sie, wie es bei Rostock, Marlow, Mecklenburg und Werle der Fall gewesen zu sein scheint, bei fürstlichen Burgen gelegen haben. In der Regel war bei jedem Mittelpunkte eines Burgbezirkes wohl auch ein Marktplatz. Außerdem konnten wir noch für
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Schwerin, Rostock, Wismar, Parchim und Plau aus verschiedenen Anzeichen auf die Existenz einer deutschen Kaufmannskolonie in der slawischen Zeit schließen. Das Verhältnis dieser deutschen Kolonien zum Landesherrn scheint, wie wir einer Plauer Urkunde 715 ) entnehmen, nach slawischem Recht geregelt gewesen zu sein. Es bestand danach in slawischer Zeit eine der slawischen Wirtschaft eigentümliche Marktorganisation, der die kaufmännischen Fremdkolonien anscheinend nach slawischem Recht organisch eingegliedert waren. Diese slawische Marktverfassung wurde nach dem Sieg Heinrichs des Löwen über die Obotriten teilweise durch die Einführung des deutschen Städtewesens in Mecklenburg abgeändert. Deutlich erkennt man die politischen Zusammenhänge zwischen dem deutschen Sieg und der Begründung eines mecklenburgischen Städtewesens nach deutschem Recht bei der Gründung Schwerins. Heinrich der Löwe gründete diese Stadt unmittelbar nach seinem entscheidenden Erfolg über die Slawen. Schwerin, vorher wahrscheinlich nur eine deutsche Kaufmannssiedlung im fremden Land unter slawischem Recht, ward durch die Gründung eine deutsche Stadt mit eigenen Privilegien, eigenem Recht und eigener Verwaltung, eine Herrscherin über eingeborene Slawen. In gleicher Weise wie Heinrich der Löwe bei Schwerin, knüpften auch die Slawenfürsten bei ihren frühesten Städtegründungen an die deutschen Kaufmannskolonien aus der slawischen Zeit an. Es ist bezeichnend, daß die slawischen Marktorte, von denen wir wissen, nicht der Ausgangspunkt für die Entwicklung einer deutschen Stadt wurden, sondern daß die ältesten Städte zumeist gerade aus den kaufmännischen Fremdkolonien emporblühten. Heinrich Borwin von Mecklenburg erteilte gemeinsam mit seinen Söhnen an Rostock, Parchim und Plau das Stadtrecht. Zu gleicher Zeit erfolgte durch denselben Fürsten die Gründung von Gadebusch, wo den deutschen Bauern auf ihre Bitten Stadtrecht erteilt wurde, und die Bewilligung des Schweriner Rechts an die kaufmännischen Lokatoren von Güstrow. Man erkennt deutlich, daß die frühesten mecklenburgischen Städtegründungen von den Fürsten nicht als künstliche Schöpfungen ins Leben gerufen wurden, sondern daß die Fürsten vielmehr in den meisten Fällen sich darauf beschränkten, an bereits bestehende Siedlungen das Stadtrecht zu verleihen. Nur Güstrow macht dabei, soweit wir sehen,
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eine Ausnahme. Diese Stadt wurde nämlich von einem Unternehmerkonsortium als eine Gründung aus frischer Wurzel angelegt. Aber auch bei der Gründung Güstrows können wir die Grundzüge der frühesten fürstlichen Städtepolitik in Mecklenburg beobachten. Die Fürsten gaben lediglich durch die Bewilligung des Schweriner Rechts, dessen Auswahl offenbar auch auf den Einfluß der Unternehmer zurückzuführen ist, ihre Zustimmung zu der Stadtgründung. Die fürstliche Tätigkeit ging danach auch bei Güstrow nicht über den Rahmen der bei den andern Stadtgründungen befolgten Politik hinaus, deren bleibende Bedeutung in der Zustimmung zu der Änderung der slawischen Marktverfassung durch die Anerkennung deutschen Stadtrechtes besteht.
Die Tatsache, daß zunächst nur wenige Orte, vor allem die alten Kaufmannskolonien, Stadtrecht erhielten, beweist, daß es noch längere Zeit slawische Märkte neben den frühesten deutschen Städten gegeben haben muß. Aus diesem Grunde erklärt es sich auch, daß unsere Nachrichten über slawische Märkte erst aus der Zeit nach der Gründung Schwerins stammen. Außerdem erhält das mecklenburgisch-pommersche Kloster Dargun noch im Jahre 1252 von Swantepolk, Herzog von Pommern, die Erlaubnis, sich eine "villa forensis" auf diesem Gebiet anzulegen 716 ). Es besteht freilich die Möglichkeit, daß mit diesem "Marktdorf" auch eine Stadt gemeint ist, weil z. B. in Böhmen "villa forensis" in deutscher Zeit in diesem Sinne gebraucht wird 717 ). In Mecklenburg ist diese Bedeutung allerdings nicht festzustellen. Sicherlich können wir aber aus dem Vorkommen des Ausdruckes "villa forensis" im Jahre 1252 entnehmen, daß zu dieser Zeit die Institution der slawischen Marktdörfer noch bekannt war. Nach dieser Zeit jedoch können wir keine Spur dieser Verfassung mehr entdecken. Die große Zahl der entstehenden deutschen Städte bereitete der alten Organisation, wie es scheint, den Untergang. Wenn unsere Vermutung jedoch zu Recht besteht, daß bei jedem landesherrlichen Burgmittelpunkt in der Slawenzeit auch ein Markt bestand, könnten wir wenigstens die spätere Verteilung der deutschen Städte über das Land insofern als eine Weiterbildung der slawischen Marktverfassung auffassen, als später neben der landesherrlichen Burg einer
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Vogtei bzw. eines "Landes", der mecklenburgischen Verwaltungseinheit, die räumlich dem früheren slawischen Burgbezirk entspricht, regelmäßig auch eine Stadt gelegen war. In der Regel lag nämlich, soweit wir feststellen konnten, immer nur eine Stadt in je einer Vogtei, die von ihr den Namen erhält. Nur in zwei Fällen konnten wir zwei Städte in einer Vogtei bemerken: im Lande Marlow, wo das Landding im Jahre 1288 von Marlow nach der andern Stadt dieses Landes, Sülze, verlegt worden ist, und dann im Lande Wittenburg, in dem zu der Stadt Wittenburg am Ende des 14. Jahrhunderts noch Hagenow als Stadt hinzukam. Eine direkte Entstehung der Stadt aus einem slawischen Marktplatz konnten wir bei keiner mecklenburgischen Stadt nachweisen. Von den vorhin erwähnten, uns noch bekannten slawischen Marktorten hat nicht einer den Ausgangspunkt zur Entwicklung einer Stadt gebildet.
Die slawische Marktverfassung und das Verhältnis zwischen dieser und dem deutschen Städtewesen ist für Böhmen von Zycha untersucht worden 718 ). Auch Zycha bemerkt, daß es an Märkten im slawischen Böhmen nicht gefehlt hat. "Klar ist soviel, daß der Zufall die Zahl dieser Märkte nicht entfernt überliefert hat." Auch Zycha stellt fest, "daß gerade an den Märkten, die als die ältesten bekannt werden, die ersten Städte nicht entstanden sind, nur Prag ausgenommen, wo aber eben auch die einzige Fremdkolonie bezeugt ist". "Völlig selbständig verlief in Böhmen einerseits die noch städtelose slawische Entwicklung, andererseits an der Wende des 13. Jahrhunderts rasch einsetzend die deutsche Städtebildung."
Die Gründe, die das Landesfürstentum in Mecklenburg zur Einführung deutschen Städtewesens in ihr Land veranlaßten, sind kirchlicher, vor allem aber wirtschaftlicher Natur gewesen. Namentlich in der ältesten Zeit scheint ein kirchlicher Zweck bei den Städtegründungen mitgewirkt zu haben. Die Kultur des zugewanderten deutschen Bürgertums war eine christliche, die Berufung von deutschen Bürgern nach Mecklenburg daher zugleich von Bedeutung für die Christianisierung des Landes, die die Fürsten erstrebten. So gibt Heinrich Borwin von Mecklenburg im Jahre 1219 seinen Beweggrund für die Gründung des Klosters Sonnenkamp bei Neukloster
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mit dem Satz an 719 ): "Dies alles haben wir in freiwilliger Verzichtleistung auf unser Recht zur Errettung unserer und unserer Eltern Seelen den Dienern der Jungfrau Maria und des Evangelisten Johannes in diesem Kloster zu demselben Recht verliehen, wie wir dem Kloster Doberan ihren Besitz übertragen haben, zu dem Zweck, daß durch diese Klöster das Christentum in dieser Gegend bis in die kommenden Jahrhunderte ausgebreitet und so für deren Bedürfnisse bis ans Ende der Welt gesorgt wird." An einer andern Stelle wird ausdrücklich von dem "Willen des Fürsten gesprochen, den Besitzstand seiner Klöster zu mehren und zu vergrößern" 720 ). Dafür, daß es den Fürsten mit ihren Christianisierungsabsichten wirklich Ernst gewesen ist, spricht noch mehr das Zeugnis Bischof Brunwards von Schwerin, der ihnen gerade ihre Tätigkeit für das Christentum hoch anrechnet. Nachdem dieser Bischof zuvor berichtet hat, daß seine Diözese zum großen Teil "wegen der Wildheit der Slawen" nicht bebaut sei, schreibt er zum Jahre 1219 721 ): "Die Fürsten unseres Landes haben nicht nur Ritter und Bauern, sondern auch Geistliche zur Pflege des neuen Weinbergs der Christenheit herbeigezogen." Denn das war gerade auch der Wunsch des Bischofs, "daß durch den Einzug von Gläubigen das rohe Volk zum Glauben bekehrt würde" 722 ). Die Fürsten waren sich der Bedeutung der Herbeirufung von christlichen Bürgern offenbar wohl bewußt. In dem Parchimer bzw. Plauer Lokationsvertrag Heinrich Borwins vom Jahre 1226, der auch die Stadtgründungsprivilegien von Parchim und Plau enthält, erscheint die Einführung des Christentums als der Hauptbeweggrund zur Herbeirufung der Kolonisten und zur Gründung der beiden Städte 723 ). Um das Land, das "dem Umgang böser Geister geweiht war", seinem heidnischen Zustand zu entreißen, hat Fürst Borwin, so berichten die beiden Urkunden übereinstimmend, "von nah und fern die Ansiedler eingeladen" und "eine Stadt gebaut". Dabei bezeichnen die Urkunden Borwins die Ansiedler jedoch nicht als Deutsche, was sie, wie aus späteren Urkunden hervorgeht, zweifellos meist gewesen sind, sondern bezeichnen
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sie als "christiani". Die Fürsten benutzten die Städte auch als Stützpunkte für ihre Christianisierungsbestrebungen auf dem Lande. So wurde nach der Gründung der Stadt Güstrow sogleich neben der Stadt auch ein Kollegiatstift errichtet, das offenbar der Ausgangspunkt zur Missionierung des Südostens von Mecklenburg werden sollte.
Die Christianisierungsbestrebungen der Fürsten werden von den Forschern, die die Entstehung des Städtewesens auf dem Kolonisationsgebiet behandeln, in ihrer Bedeutung für die fürstlichen Städtegründungen kaum erwähnt. Wahrscheinlich wird jedoch die Einführung des Christentums auch in andern Gebieten für die städtische Kolonisation eine Rolle gespielt haben. Es ist wenigstens nicht vorstellbar, daß die Fürsten des Kolonisationsgebietes, für die als mittelalterliche Christen ihr christlicher Glaube die unbedingte Wahrheit war, den es unter den Heiden auszubreiten galt, die Einführung des Städtewesens ohne Zusammenhang mit ihren Missionsbestrebungen begünstigt haben.
Vor allem haben die Fürsten aus wirtschaftlichen Gründen die Kolonisation gefördert. Bei drei Städten finden wir dies auch urkundlich angedeutet. In den Stiftungsurkunden der Städte Parchim und Plau wird der Zustand der beiden Länder, in denen diese Städte entstanden, als "ungünstig, verlassen und unwegsam" (terra iniqua, deserta et inuia) bezeichnet 724 ). Auch die Gründung von Malchin hatte neben anderen einen wirtschaftlichen Zweck. Wir erkennen ihn daraus, daß Nikolaus von Werle, der Gründer Malchins, von der Einöde (solitudo) des Landes Malchin berichtet, die bestanden habe, als dies Land aus der pommerschen Herrschaft in seinen Besitz kam 725 ).
Die Fürsten wollten offenbar durch Anlage von Städten das Land bevölkern und urbar machen und infolge Vermehrung der Bevölkerung ihre Einnahmen, Zinsen und öffentliche Abgaben vergrößern. Sie benutzten die Bürger teilweise auch als Kolonisten, indem sie ihnen eine Stadtfeldmark zur Bebauung zuwiesen. Wir wissen allerdings nur von wenigen Städten die Größe der Hufenzahl, die sie bei der Gründung erhielten. Malchow wurden 40, Plau 60 Hufen zugewiesen, und Stavenhagen besaß im 13. Jahrhundert 71 Hufen. Von
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Malchin wird uns berichtet, daß es alles die Stadt umgebende Land als Stadtacker erhielt. Die Fürsten haben offenbar die Beziehungen ihrer ältesten Städte zum deutschen Mutterlande benutzt, um mit Hilfe dieser Verbindungen Kolonisten als Bauern in ihr Land zu rufen. Einen urkundlichen Beleg dafür finden wir in dem Parchimer und Plauer Lokationsvertrag, durch welchen die Lokatoren der Stadt Parchim bzw. Plau zugleich zur Besiedlung des gleichnamigen Landes verpflichtet werden. Dementsprechend enthalten die beiden Verträge neben den Stadtprivilegien auch Bestimmungen, die für das ganze Land Geltung haben sollten.
Auch aus der Tatsache, daß die Städte in wirtschaftlicher Beziehung als Mittelpunkte von Handel und Gewerbe für das Land von großer Bedeutung geworden sind, entnehmen wir, daß bei der fürstlichen Städtepolitik wirtschaftliche Gesichtspunkte entscheidend mitgewirkt haben. Bedenken wir nur, was die Bildung eines eigenen Gewerbestandes für die allgemeine Lebenshaltung der Bevölkerung in Mecklenburg bedeutete. Vor allem muß die Tuch- und Leinenweberei, die, wie es scheint, sehr viel in den Städten getrieben wurde und uns auch urkundlich schon ziemlich früh bezeugt wird 726 ), von großer Wichtigkeit für das Land geworden sein. Die Anlage der Städte nach deutscher Art gab den mecklenburgischen Fürsten überhaupt erst die Möglichkeit, einen Stand freier Gewerbetreibender und Kaufleute in ihrem Lande zu schaffen, die Geldwirtschaft allgemeiner heimisch zu machen und Wohlstand und Kultur ihrer Länder dadurch zu heben. Infolge der kaufmännischen Unternehmungen der größeren Städte entstand größerer Reichtum, der dem ganzen Lande wieder zugute kam. So erhöhten sich auch die Einkünfte der Staatsgewalt, Zölle und Steuern aus den Städten fielen den Fürsten zu.
Die Fürsten ließen sich ebenfalls von wirtschaftspolitischen Gründen leiten, wenn sie infolge der zunehmenden Bevölkerung des Landes die Gründung von Städten als Marktzentren des umgebenden Landes veranlaßten, weil die zahlreiche bäuerliche Bevölkerung nach nahen Absatzmärkten für ihre Erzeugnisse verlangte. Wir können diese Tatsache deutlich daraus erkennen, daß die große Masse der Städte, die späteren Landstädte, in allen mecklenburgischen Herrschaften erst nach der Zeit entstanden sind, als die Kolonisation des Landes mit bäuer-
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lichen Kolonisten in den einzelnen Herrschaften einen gewissen Abschluß erreicht hatte. In der Grafschaft Ratzeburg wurden die beiden Dörfer Gadebusch und Wittenburg erst im Jahre 1225 bzw. vor dem Jahre 1230 zu Städten erhoben, obgleich die Grafschaft bereits etwa 80 Jahre bestand. Ähnlich war die Entwicklung auch in den beiden andern Grafschaften Schwerin und Dannenberg, wo ebenfalls die Landstädte erst mehrere Jahrzehnte nach dem Beginn der bäuerlichen Kolonisation gegründet wurden. In der Herrschaft Mecklenburg und Rostock entstand die Mehrzahl der Städte zwischen 1250 und 1260, während die Kolonisation auf dem Lande spätestens zwischen 1220 und 1230 begann. Tatsächlich haben die Städte nach ihrer Gründung als Marktzentren des umgebenden Landes gedient. Aus einer Malchiner Urkunde vom Jahre 1257 geht z B. hervor, daß ein reger Marktverkehr zwischen dieser Stadt und den benachbarten Dörfern bestand. Wir hören, daß das Kloster Dargun den Markt der Stadt Malchin aufsuchte 727 ). Umgekehrt wird der Stadt Plau im Jahre 1255 die Erlaubnis erteilt, zu ihrem Gebrauch beliebiges Gut in einigen die Stadt umgebenden Dörfern aufzukaufen, und ihr ein Vorkaufsrecht in diesen Dörfern verliehen 728 ).
Die fürstlichen Städtegründungen haben ferner für die Einführung des deutschen Rechtes in Mecklenburg ihre Bedeutung gehabt. Nicht nur fand mit der Erteilung des Stadtrechtes ein wichtiger Teil des deutschen Rechtes in den Städten Meck-
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lenburgs seinen Eingang, die Fürsten suchten auch darüber hinaus bei ihren Stadtgründungen dem deutschen Recht allgemeinen Einfluß zu verschaffen. Die Städtegründungen haben in einigen Gebieten den Anstoß zur Einführung des deutschen Rechts auch auf dem Lande gegeben. Wir können diese Tatsache wiederum bei der Gründung von Parchim und Plau beobachten. Wie wir bereits erwähnten, sind diese beiden Stadtgründungen dadurch bemerkenswert, daß der Fürst die Lokatoren der Stadt auch für die Besiedlung des Landes zu verpflichten suchte. Die fürstliche Politik, die in dieser Maßnahme zum Ausdruck kommt, findet ihren deutlichen Niederschlag in der Anordnung, daß gleiches Gericht für Stadt und Land bestehen sollte. In § 8 des Parchimer Rechts heißt es: "Item datum est omnibus in terra morantibus, quod nullum ad concilium, quod marcdinc uocatur, sunt conpellendi; similiter ad ius feodale, quod lenrecht uocatur, sunt minime conpellendi, sed tantum ad ius (quod) mannerecht vulgo sonat". Wenn nun auch das Wort "mannerecht" selbst, das im Gegensatz zu dem "marcdinc" und "lenrecht" gebraucht wird, in seinem Inhalt nicht genau zu bestimmen ist, so wird es sich dabei wahrscheinlich doch um deutsches Recht gehandelt haben. Wir erkennen dies schon aus der deutschen Bezeichnung dieses Rechts. Vielleicht ist "mannerecht" nur eine andere Bezeichnung für "ius theutonicum" 729 ). Auch die Erbrechtsbestimmungen in den folgenden Paragraphen des Parchimer bzw. Plauer Lokationsvertrages gelten offenbar gleichmäßig für Stadt und Land. Wenn nun Heinrich Borwin dem deutschen Recht für alle Bewohner des Landes in Stadt und Land Geltung verlieh, so erkennen wir daraus, wie dieser Fürst die Erteilung von deutschem Recht an die Stadt zum Anlaß nahm, dieses Recht auch in seinem ganzen Lande für verbindlich zu erklären. Die große Bedeutung dieser Maßnahme Heinrich Borwins für die spätere rechtliche Stellung der Stadt in Mecklenburg liegt darin, daß die Stadt mit ihrem Recht nicht von dem sie umgebenden Lande getrennt wurde. Deutsches Recht herrschte in Stadt und Land. Dadurch wurde das deutsche Städtewesen
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organisch der Verfassung des gesamten Landes eingegliedert. Mag man immerhin die Einführung des deutschen Stadtrechts durch die slawischen Fürsten als die unvermeidliche Folge der Tatsache ansehen, daß das Städtewesen an sich deutsch war, die Proklamierung des deutschen Rechts als alleingültig im ganzen Land, wie es Heinrich bei der Gründung der Städte Parchim und Plau für die beiden mit den Städten gleichnamigen Länder angeordnet hat, läßt sich aus einer Zwangslage des Fürsten nicht erklären und scheint deshalb einer bewußten Absicht Heinrich Borwins entsprungen zu sein. Heinrich Borwin war ja nicht gezwungen, das deutsche Recht auch für alle Bewohner des Landes in Kraft zu setzen. In Böhmen z. B. haben die Fürsten das deutsche Stadtrecht neben dem slawischen Landrecht eingeführt. In diesem Land standen sich bürgerliches Recht und Landrecht fremd gegenüber. Wir erkennen die Tat Heinrich Borwins bei der Gründung von Parchim und Plau in ihrer ganzen Tragweite, wenn wir an die Entwicklung in Böhmen denken, wo die tschechischen Fürsten das deutsche Stadtrecht bei ihren Stadtgründungen zwar anerkannten, aber es außerhalb der Provinzialverfassung und des Landrechts bestehen ließen 730 ).
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Nachdem unsere Untersuchung die fürstliche Städtepolitik in Mecklenburg als ein Stück Kolonisationspolitik dargestellt hat, soll im folgenden zweiten Abschnitt die Städtepolitik als ein Teil fürstlicher Territorialpolitik behandelt werden.
Die Fürsten wurden zu ihren Städtegründungen auch dadurch veranlaßt, daß sie von den Städten einmal eine Sicherung ihres Landes gegen äußere Feinde und zum andern eine Mehrung ihrer Machtstellung im Innern des Landes erhofften. Einen deutlichen Beweis dafür, daß Städte aus militärischen Gründen zur Abwehr äußerer Feinde von den Fürsten angelegt wurden, erhalten wir durch den Grabower Stiftungsbrief der Grafen von Dannenberg, der zwar eine Fälschung aus späterer Zeit ist, aber gerade in der Angabe des Motivs der Stadtgründung einen echten Kern zu enthalten scheint 731 ). In dieser Urkunde erklärt der Dannenberger Graf daß er die Stadt "zur Verteidigung und Befestigung seiner Länder und zur Stärkung und Mehrung seiner Herrschaft Grabow in seiner Landesgrenze ... gegründet habe". Eine militärische Absicht bei der Gründung können wir auch bei der Gründung Malchins annehmen, das unmittelbar, nachdem das Land Malchin von Pommern an die Herrschaft Werle gefallen war, von Nikolaus von Werle gegründet wurde. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Stadtgründung hart an der Grenze Pommerns als eine Verteidigungsmaßnahme des Fürsten zur Sicherung seines neu erworbenen Gebietes gegen Pommern auffaßt. Dazu kommt, daß wir allgemein wohl bei den mecklenburgischen Grafschaften wie auch bei den mecklenburgischen Fürstentümern die Beobachtung machen können, daß die Städte in ihrer Mehrzahl mehr an den Grenzen wie im Innern des Landes verteilt liegen. Auch dafür sind zweifellos bei vielen militärische Rücksichten bestimmend gewesen. Bei dieser Grenzlage der Städte mag jedoch in gewisser Weise auch die alte slawische Burgbezirkseinteilung noch nachgewirkt haben, deren Netz in den Grenzgebieten immer am engmaschigsten war 732 ). Wenigstens liegt später, wie wir bereits an anderer Stelle erwähnten, in jeder Vogtei, deren Grenzen sich oft wahrscheinlich mit denen der slawischen Burgbezirke deckten, auch meist eine Stadt, so daß schon wegen des Fortlebens der slawischen Burgbezirkseinteilung in der Vogteiorganisation viele Städte an den
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Grenzen liegen mußten. Ob jedoch die Städte bei ihrer Gründung sogleich auch befestigt wurden, ist zweifelhaft. So wissen wir von Schwerin, daß es erst im Jahre 1340 mit der Unterstützung seiner Grafen ummauert wurde 733 ). Vorher hatte die Stadt nur eine Plankenbefestigung, von der wir jedoch auch erst im Jahre 1313 hören 734 ). Auch Sülze in der Herrschaft Rostock wird erst vier Jahrzehnte nach seiner Gründung gleichfalls mit landesherrlicher Hilfe mit einem Graben umgeben und befestigt 735 ). Das militärische Interesse der Fürsten hat sicherlich auch bei den Städtegründungen anderer Landschaften, z. B. Hessens, eine Rolle gespielt. Wenigstens behauptet Schrader, daß "das Bestreben der kleinen Fürsten, durch möglichst viele feste Städte ihr Land zu schützen, in den Jahren 1251 bis 1299 in Hessen zur vollen Auswirkung kommt" 736 ). Leider führt Schrader für diese in ihrer zeitlichen Begrenzung allerdings merkwürdig anmutende Behauptung keinerlei urkundliche Beweise an. Nachdem er den gleichfalls unbewiesenen Satz aufgestellt hat, daß "verkehrsgeographische Faktoren für die Lage und Entstehung dieser Städte keine Rolle spielen", weist er lediglich darauf hin, daß das Verhältnis dieser Städte "zu den politischen Grenzen der einzelnen Territorien eindeutig ist". Selbstverständlich ist damit die Anlage dieser Städte aus militärischen Gründen noch nicht bewiesen. In Mecklenburg liegen z. B. von den sechs Städten, die unserer Ansicht nach aus Kaufmannskolonien entstanden sind, fünf an der Grenze. Mit bei weitem größerer Sicherheit hat Seeger für die Entstehung einiger westfälischer Städte ihre Gründung als Festungsstädte nachgewiesen 737 ). Er versteht unter Festungsstädten solche, "bei deren Anlage der militärische Gesichtspunkt maßgebend war und die durch Grundriß und Entstehungsgeschichte sich als Großburgen ausweisen". Er kann den Burgencharakter von etwa 13 Städten, die er namentlich anführt, aus den Urkunden nachweisen. Ferner behauptet Ilgen, daß im Erzstift Köln mehrere Orte den Bestrebungen der Fürsten, "das zerrissene kölnische Gebiet im Niederstift durch befestigte Orte zu sichern, ihre Erhebung zu Städten
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verdanken" 738 ). Am Niederrhein sollen nach Liesegang die Städtegründungen der vielen kleinen Territorien überhaupt in ihrer Mehrzahl als Festungsbauten der Fürsten aufzufassen sein 739 ).
Einen militärischen und zugleich wirtschaftlichen Zweck glaubt Krabbo für die Städtepolitik der Markgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg feststellen zu können. "Man darf, wie er schreibt, in der Städtegründung die entscheidende Maßregel erblicken, durch die die Markgrafen ein neu gewonnenes aber unerschlossenes Land fest in die Hand zu bekommen suchten" 740 ).
In anderer Weise haben die Fürsten ihre Städtegründungen auch zur Stärkung ihrer landesherrlichen Macht im Innern ihres Territoriums verwandt. Im Stadtrecht selbst liegen gewisse Momente, die der Förderung der landesherrlichen Macht dienen. Einmal übte der Landesherr als Stadtherr, von dem die Erteilung des Stadtrechts abhängig war, durch seinen Vogt einen maßgebenden, im Stadtrecht verankerten Einfluß auf die Stadt aus, die seiner Gesamtstellung im Lande zugute kam. Zum andern erhielten gewisse Bestimmungen des Stadtrechts eine "aggressive Tendenz", die fremde Rechtsansprüche verletzen mußte, z. B. der Satz des Schweriner und Lübischen Rechts, das die meisten mecklenburgischen Städte besaßen: Stadtluft macht frei; denn dieser Satz hob durch seine Absicht, den in die Stadt einwandernden Eigenleuten fremder Herren das Bürgerrecht zu verschaffen, die älteren Rechte dieser Herren zugunsten der Stadt auf 741 ). Die Städte selbst standen danach durch ihre Rechte, die sie vom Fürsten erhalten hatten, im natürlichen Gegensatz zu innerterritorialen Gewalten, die der Ausbreitung der fürstlichen Macht widerstrebten. Nikolaus I. von Werle ist sich anscheinend bei seiner Städtepolitik dieser Vorteile der Städtegründungen für seine eigene Machtstellung, vor allem
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gegenüber seinen ritterlichen Vasallen, voll bewußt gewesen. Wir glauben dies wenigstens deutlich an einer Tatsache nachweisen zu können. Der Stiftungsbrief der Stadt Penzlin vom Jahre 1263 enthält folgenden Zusatz des Schreibers 742 ): "Insuper dominus meus contulit cunctis civitatibus tale ius, quod possit quilibet naturalem sibi debitis obligatum in qualibet ciuitate sine detrimento aduocatorum et iudicum cum iustitia obligare ..."
Dieses Recht, das nach dem Zusatz von Nikolaus seinen sämtlichen Städten verliehen ist, stellt einen starken Eingriff in die Rechtsprivilegien der fürstlichen Vasallen dar, die die Gerichtsbarkeit über ihre Hintersassen ausübten. Offen tritt Nikolaus von Werle mit dieser Rechtserteilung zugunsten der Städte auf. Es ist überaus bezeichnend, daß die Vasallen Nikolaus I. dieses städtische Privileg als eine Schädigung ihrer Gerechtigkeiten auffaßten. Kurz vor dem Tode Nikolaus I. im Jahre 1276 mußten seine beiden Söhne dem Druck ihrer Mannen gegen das von ihrem Vater den Städten verliehene Vorrecht nachgeben und dies Recht wieder zurücknehmen. Heinrich und Johann von Werle gaben für ihr ganzes Territorium die Zusicherung, daß kein Bürger einen Hintersassen schuldenhalber festhalten dürfe, wenn er diese nicht zuerst vor ihrem Herrn, unter dem sie ansässig seien, oder vor ihrem Schulzen besprochen habe 743 ). Wenn also letzten Endes Nikolaus I. in diesem Fall mit seiner Städtepolitik auch keinen Erfolg hatte, so erkennen wir doch an jener Tatsache den Willen, seine Städte zur Einschränkung der Macht seiner Vasallen und damit zum Ausbau seiner eigenen Machtstellung zu benutzen.
Die Absicht der Fürsten, ihre Städte als ein Mittel zur Sicherung und Ausbildung ihrer Landesherrlichkeit zu behandeln, kommt auch in der Organisation ihres Städtewesens zum Ausdruck, die zum Teil nach territorialpolitischen Gesichtspunkten erfolgte. Die Tendenz der Fürsten, sich in ihrem Territorium ein einheitliches, geschlossenes Städtewesen zu schaffen, ist unverkennbar. Die Landesherren suchten deshalb die Gültigkeit von nur einem Stadtrecht in ihrem Territorium durchzuführen und damit einheitliches Recht und einheitliche Verwaltung für ihr Städtewesen zu schaffen. Aus diesem Grunde haben anscheinend die Werleschen Städte alle das gleiche
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Stadtrecht, das Schweriner Recht, bei ihrer Gründung verliehen bekommen. In der Herrschaft Rostock wurde den Städten nur das Rostocker, ebenso in der Herrschaft Parchim nur das Parchimer Stadtrecht bei ihrer Gründung erteilt. Dabei ist bemerkenswert, daß der Oberhof für die Städte der aufgezählten drei Territorien nicht außerhalb, sondern innerhalb der Landesgrenzen gelegen war. So war Güstrow der Oberhof für die Herrschaft Werle 744 ), Rostock für die Herrschaft Rostock 745 ) und Parchim für die Herrschaft Parchim. Dadurch verhinderte der Landesherr den Einfluß von Oberhöfen, die außerhalb seines Territoriums lagen, auf seine Städte. Bei den deutschen Grafschaften und der Herrschaft Mecklenburg ist eine Organisation des Städtewesens nach territorialen Gesichtspunkten nicht nachzuweisen, vielmehr ist hier Lübeck der Oberhof für sehr viele Städte gewesen.
Der territorialen Organisation des Städtewesens in den drei erwähnten Herrschaften entspricht die Wirtschaftspolitik, die die Fürsten zum Schutz für ihre Städte führen. Wir erkennen die territorialpolitische Bedingtheit dieser Politik aus den Maßnahmen, die die Fürsten für ihre Grenzstädte ergreifen. Sie waren, wie es scheint, bestrebt, den inneren Markt ihres Landes mit seinen Erzeugnissen und seiner Kaufkraft für ihre Städte zu schützen. Wir können dies aus einer Urkunde des Herzogs Wartislaw von Pommern erkennen, die im Jahre 1257 ausgestellt ist 746 ). Darin wird einigen Dörfern bei Malchin, die das mecklenburgisch-pommersche Kloster Dargun sich erworben hatte, gestattet, "den Markt zu besuchen, wo die Dorfbewohner wollen und ihre Waren günstiger verkaufen können, ohne daß sie ein Einspruch eines herzoglichen Vogtes irgendwie daran hindern sollte". Wir sehen aus diesem Privileg deutlich, daß im allgemeinen der Fürst seine Vögte dahin angewiesen hatte, keinen Besuch fremder Märkte zu gestatten. Dabei macht der Landesherr auch bei dieser Ausnahme, die er für die Klosterdörfer zuläßt, noch die Einschränkung: "Wenn nicht ein allgemeines Verbot im Lande verkündet sei, keinen fremden Markt zu besuchen". Dieses Privileg des Klosters Dargun wurde im Jahre 1310 noch in erweiterter Form von den Fürsten von Werle
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bestätigt 747 ). Danach können wir, wie dies Beispiel zeigt, schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts von einer handelspolitischen Fürsorge der Fürsten sprechen, die ihrem territorialpolitischen Interesse entsprungen war. Das Territorium war also für die Fürsten auch handelspolitisch eine Einheit, die es gegenüber den benachbarten Ländern im Interesse der einheimischen Wirtschaft zu schützen galt.
Ansätze einer territorialen Organisation des Städtewesens auf dem Gebiet des Stadtrechts scheinen auch in der Mark Brandenburg, dem südlichen Nachbarn der mecklenburgischen Fürsten, bestanden zu haben. Die Markgrafen verfügen nämlich in einer Urkunde von 1232, "daß alle künftigen Städte in dem Lande Teltow und Glin und in ihrem neuen Lande Barnim sich ihr Recht in Spandau holen sollten, wie diese Stadt ihr Recht aus Brandenburg habe" 748 ).
Die Fürsten wurden zu ihrer Städtepolitik jedoch nicht nur durch ihre eigenen politischen Ziele veranlaßt, sondern auch durch andere zur Städtegründung angeregt. Besonders haben wir einen solchen Einfluß bei den frühesten fürstlichen Stadtgründungen anzunehmen. Bei der Gründung von Parchim und Plau ist die Mitwirkung der Lokatoren bei der Auswahl des Stadtrechtes ausdrücklich ausgesprochen. In dem betreffenden Satz der Urkunde heißt es nämlich, daß Borwin "der Stadt Recht und Gericht verliehen habe, das den Lokatoren der Stadt und des Landes passend, vorteilhaft und nützlich erschien". Ebenso hören wir bei der Gründung von Gadebusch, daß den Gadebuscher "cives" das lübische Barbarossa-Privileg auf ihre Bitten von Heinrich Borwin gewährt wurde. Auch bei der Bestätigung des Güstrower Stadtrechtes wird gesagt, daß sie auf die Aufforderung der Güstrower Bürger erfolge. In diesem Zusammenhang fällt auch gegenüber der späteren Tendenz der Fürsten, nur ein Stadtrecht in ihrem Territorium zu dulden, die Mannigfaltigkeit der Stadtprivilegien der ältesten Städte auf. Wahrscheinlich läßt diese Tatsache auf eine weitgehende Mitwirkung der ältesten Bürgerschaft bei der Auswahl ihres Stadtrechts schließen. So erhielt Schwerin das Schweriner, Parchim und Plau das Parchimer Stadtrecht, Gadebusch ein Lübisches Privileg, Güstrow eine veränderte Form des Schweriner Rechts, Rostock wahrscheinlich das
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Lübische Recht. Diese Verschiedenheit des Stadtrechts scheint, wie ja auch aus den bereits zitierten Urkundenstellen hervorgeht, auf einen Einfluß der ersten Bürgerschaft zurückzugehen. Später dagegen geht die Initiative zum Ausbau des Städtewesens offenbar fast ganz vom Landesherrn aus. Nur für die Stadtgründungen in der Herrschaft Rostock konnten wir eine Mitwirkung der Stadt wahrscheinlich machen. Ob wir eine ähnliche Tätigkeit auch für Lübeck in Westmecklenburg anzunehmen haben, muß einer weiteren Untersuchung vorbehalten bleiben. Das Vorherrschen des Lübischen Stadtrechtes in Westmecklenburg und der bedeutende wirtschaftliche und politische Einfluß Lübecks schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts läßt immerhin darauf schließen.
Kapitel IV.
Die mecklenburg-schwerinschen Stadtgemeinden haben verschiedenes Stadtrecht besessen: Das Lübische Recht besaßen die Städte Rostock, Gadebusch, Wismar, Wittenburg, Boizenburg, Dömitz, Kröpelin, Ribnitz, Alt- und Neukalen, Gnoien, Neubukow, Sülze, Grevesmühlen, Stavenhagen und Marlow. Das Schweriner Recht, das an Schwerin wahrscheinlich im Jahre 1160 in seiner ältesten Form verliehen wurde, galt in den Städten Schwerin, Güstrow, Malchow, Malchin, Röbel, Penzlin, Teterow, Wesenberg (Meckl.-Strelitz), Krakow, Waren, Schwaan und Bützow (?). Das Parchimer Recht, das auf den Parchimer Lokationsvertrag vom Jahre 1226 zurückgeht, erhielten Parchim, Plau, Goldberg und Sternberg. Kein bestimmtes Stadtrecht galt anscheinend in Neustadt-Glewe, Crivitz, Grabow, Warin, Laage, Tessin, Brüel und Hagenow.
Der Geltungsbereich der einzelnen Stadtrechtskreise in Mecklenburg-Schwerin wird zumeist durch die Grenzen der einzelnen Herrschaftsgebiete bestimmt.
Lübisches Recht mit dem Oberhof in Rostock gebrauchten alle Städte der Herrschaft Rostock (außer Tessin); dazu noch Gnoien, Alt- und Neukalen. Lübisches Recht mit Lübeck als Oberhof besaßen die Städte der Herrschaft Mecklenburg (außer Brüel), der Grafschaft Ratzeburg (außer Hagenow) und der
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Grafschaft Dannenberg (außer Grabow); dazu noch Stavenhagen, das von den Herzögen von Pommern gegründet wurde. Schweriner Recht, wahrscheinlich mit dem Oberhof in Güstrow, galt in allen Städten der Herrschaft Werle-Güstrow (außer Laage). Außer Schwerin selbst gebrauchte dies Recht vermutlich auch noch die Schweriner Stiftsstadt Bützow. Parchimer Recht besaßen alle Städte der Herrschaft Parchim.
Eine genauere Untersuchung über die Stadtrechte soll sich auf das Gadebuscher Privileg vom Jahre 1225 749 ), auf den Parchimer Lokationsvertrag vom Jahre 1225/26 750 ) und das Schwerin-Güstrower Recht in der Überlieferung vom Jahre 1228 751 ) beschränken. Diese drei Urkunden sind deshalb bemerkenswert, weil sie die überlieferte, jeweilig älteste Form des Lübischen, bzw. Parchimer und Schweriner Rechts darstellen. Mit diesen Urkunden sind uns die drei Arten von Stadtrechten, die überhaupt in Mecklenburg-Schwerin vorkommen, nämlich das Schweriner, Lübische und Parchimer Recht, in ihrer ältesten Gestalt erhalten.
Die Aufgabe der Untersuchung soll sein, das Verhältnis der landesherrlichen Gewalt in der Stadt zu der Bürgerschaft, wie es in den drei genannten Stadtgründungsprivilegien zum Ausdruck kommt, klarzulegen. Darauf soll die Frage beantwortet werden, wer der Träger der bürgerlich-obrigkeitlichen Gewalt in der Stadt war; es handelt sich hierbei vor allem um das Problem der Entstehung der Ratsverfassung in Mecklenburg.
Wie ist das Verhältnis der landesherrlichen Gewalt zur Bürgerschaft gewesen? Betrachten wir zunächst den Ursprung der bürgerschaftlich-obrigkeitlichen Kompetenzen. Wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben wurde, entspringt die Stadtrechtsverleihung dem Willen des Landesfürsten und seiner Machtvollkommenheit. Die drei erwähnten mecklenburg-schwerinschen Stadtgründungsprivilegien bringen dies deutlich zum Ausdruck. Alle drei Urkunden sind vom Fürsten ausgestellt und heben ausdrücklich hervor, daß der Fürst der Stadt ihre Rechte verleihe. Die Stadt entsteht danach als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht durch die Verhandlungen zweier gleichberechtigter Vertragspartner, sondern durch die postestas
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des Landesherrn. Bei der rechtlichen Regelung des Verhältnisses zwischen landesherrlicher Gewalt und den obrigkeitlichen Befugnissen der Bürgerschaft handelt es sich um die Übertragung einzelner Machtvollkommenheiten durch den Landesherrn an die Stadt. Die bürgerschaftliche Gewalt ist ihrer Enstehung nach aus der landesherrschaftlichen abgeleitet. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang auch, daß das Schweriner Recht als Bezeichnung für die landesherrliche Gewalt kurz das Wort "potestas" angibt, während das Gadebuscher Privileg den Vertreter dieser Gewalt, den herzoglichen Vogt (iudex) nennt 752 ). Die "Gewalt" besitzt also auch nach Stadtrecht nur der Landesherr.
Wie verteilen sich nun die obrigkeitlichen Befugnisse in der Stadt auf den Landesherrn und die Bürgerschaft im einzelnen? Als eine Folge der Auffassung, daß der Landesherr der Inhaber der potestas ist, erscheint die Tatsache, daß der Landesherr die Blutgerichtsbarkeit in Händen hat und nur ein landesherrliches Gericht die Entscheidung über Leben und Tod fällen kann. Alle drei mecklenburgischen Stadtrechte behalten dem Landesherrn die höhere Gerichtsbarkeit vor. In keinem der drei Privilegien wird dieser Satz allerdings deutlich ausgesprochen. Wir entnehmen ihn für Gadebusch dem § 2, der die Aburteilung "de crimine seu causa" dem Gericht des herzoglichen iudex überantwortet. Erst im Jahre 1271 hat Gadebusch wenigstens an den Gefällen der höheren Gerichtsbarkeit einen Anteil (1/3) erhalten. In Parchim können wir den Landesherrn aus dem Grunde als Inhaber der höheren Gerichtsbarkeit ansehen, weil der Stadt in dem Parchimer Lokationsvertrag lediglich der dritte Teil der Bußen dieses Gerichts zugesprochen wird. Auch im Schwerin-Güstrower Recht ist die höhere Gerichtsbarkeit im Besitz der potestas. Wie aus den strafrechtlichen Bestimmungen dieses Rechtes hervorgeht, hat die Stadt nicht einmal einen Anteil an den Bußen der höheren Gerichtsbarkeit gehabt. Erst im Jahre 1293 erhält die Stadt Güstrow einen Anteil an den Gefällen der Gerichtsbarkeit (1/3). Der Vorsitz in diesem Gericht wird jedoch auch noch im Jahre 1293 dem fürstlichen Vogt vorbehalten.
Während der Landesherrschaft nach allen drei Urkunden die Blutgerichtsbarkeit in den Städten zustand, lassen die
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Urkunden den Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit nicht mit der gleichen Sicherheit erkennen. In dem Satz des Gadebuscher Privilegs, daß der iudex "de crimine seu causa" zu richten habe, wird zwischen causae maiores und minores nicht unterschieden. Danach scheint es, als ob das Vogtgericht über alle Fälle, also auch über die der niederen Gerichtsbarkeit, zu urteilen hatte. Immerhin kann aber gerade in Gadebusch, das aus einem Dorf entstanden ist, ein Schulze, der bereits als Dorfrichter die niedere Gerichtsbarkeit innegehabt haben mochte, die niedere Gerichtsbarkeit auch in der Stadt besessen haben. Im Parchimer Recht sind nur die causae magnae erwähnt. Vielleicht ist daraus, daß in der Urkunde Bestimmungen über die niedere Gerichtsbarkeit nicht enthalten sind, zu entnehmen, daß diese nur von dem landesherrlichen Vogt ausgeübt und finanziell ausgenutzt wurde. Die Parchimer Urkunde verschweigt nämlich überhaupt jeden Anteil des Landesherrn an der städtischen Gewalt und zählt nur die Gerechtsame der Bürgerschaft auf. Auch nach dem Schwerin-Güstrower Recht war vermutlich die landesherrliche Gewalt Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit. Die Urkunde von 1228 läßt diese Tatsache zwar nicht erkennen, aber nach der bereits vorher erwähnten Urkunde von 1293 erwarb in diesem Jahre die Stadt neben einem Drittel der Einkünfte aus der höheren auch einen gleichen Anteil aus der niederen Gerichtsbarkeit. Danach gehörte ursprünglich die niedere Gerichtsbarkeit nach Schweriner Recht ganz dem Landesherrn.
Außer der höheren, vermutlich aber auch der niederen Gerichtsbarkeit, besaß die Landesherrschaft vor allem auch das Münz-, Zoll- und Judenregal in den Städten. In den drei Urkunden werden diese Regalien jedoch nicht berührt, mit Ausnahme der Gadebuscher Urkunde, die von dem "telonium debitum", dem Zoll, den die Kaufleute dem Landesherrn schuldeten, redet und einen "monetarius" erwähnt. Offenbar war es selbstverständlich, daß diese Hoheitsrechte, die für die Fürsten wichtige Einnahmequellen bedeuteten, dem Landesherrn zustanden. Wie aus späteren Urkunden hervorgeht, hat der Landesherr diese Regalien tatsächlich besessen 753 ).
Neben den Befugnissen der landesherrlichen Gewalt in der Stadt standen die der Bürgerschaft, die ihr vom Fürsten ver-
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liehen waren. Für die bürgerschaftlich-obrigkeitlichen Kompetenzen ist bemerkenswert, daß eine Einmischung des fürstlichen Vogtes in die garantierte Machtsphäre der civitas rechtlich nicht möglich war. Zur eigenen Verantwortung und zur bindenden Entscheidung wurden die richterlichen und verwaltungsmäßigen Aufgaben der Bürgerschaft anvertraut, die der Landesherr der Stadt bei der Gründung zuwies. Nach allen drei Stadtrechten erhalten die Bürgerschaften ihre Befugnisse, wenn auch nicht in demselben Ausmaße, so doch in dem gleichen Gebiet der städtischen Verwaltung und Rechtsprechung. Einmal ist es die Markt- und Gewerbepolizei, zum andern der Friedensschilling, der der Bürgerschaft übertragen wurde 754 ). Damit war dem bürgerschaftlichen Gericht ein Teil der speziell städtischen Gerichtsbarkeit übertragen. Die Sachkunde der Bürger in Handel und Gewerbe mußte dem Landesherrn in besonderem Maße die Gewähr für eine gerechte Handhabung der Markt- und Gewerbepolizei bieten, an der wiederum der Bürgerschaft vor allem gelegen war. Ebenso war es auch im Interesse des Landesherrn wie der Bürgerschaft, daß der Friedensschilling, mit dem die Kontrolle über den Grund und Boden der Stadt verbunden war, in die Hände der Bürgerschaft gelangte. In dem Gadebuscher Privileg ist die Übertragung der Markt- und Gewerbepolizei an die Bürgerschaft durch den Satz ausgesprochen, daß die Bürger über die Vergehen der Bäcker, Schlachter und Krüger richten und auch zwei Drittel der Einkünfte aus diesem Privileg beziehen sollten. Außerdem ist aus der Bestimmung, die den Bürgern die Hälfte des Friedensschillings zubilligt, zu entnehmen, daß sie auch die Kontrolle über den Grund und Boden der Stadt ausübten, mindestens aber dabei mitwirkten 755 ). Allgemeiner und umfassender wie die Gadebuscher spricht die Parchimer Urkunde sich über die Markt- und Gewerbepolizei der Bürger aus. Den Parchimer Lokatoren wurde "die Einkunft, welche gewöhnlich inninge genannt wird", überwiesen. Mit dieser Bestimmung wurde den Lokatoren gemäß mittelalterlicher
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Rechtsauffassung nicht nur die Abgabe, welche die Innungen zu leisten hatten, sondern auch die Aufsicht und die Regelung des Gewerbewesens und der damit verbundenen Verkaufseinrichtungen auf dem Markt zugesprochen. Dazu erhielten die Lokatoren in der Parchimer Urkunde den ganzen Friedensschilling. Damit war die Bürgerschaft in den Besitz der hiermit verbundenen Gerichtsbarkeit gekommen. Auch im Schwerin-Güstrower Recht erscheint die Aufsicht über die Innungen als eine Befugnis der Bürgerschaft. Mit diesem bürgerschaftlichen Recht hängt zusammen, was im Schwerin-Güstrower Recht ausdrücklich ausgesprochen wird, daß die Bürgerschaft von sich aus Statuten beschließen konnte, deren Übertretung sie mit 3 Mk. Strafe ahndete. Dadurch war die bürgerliche Gerichtsbarkeit nicht nur auf das Gewerbewesen beschränkt, sondern konnte auch auf andere städtische Gebiete übergreifen. Beachtung verdient jedoch in diesem Zusammenhang, daß der, welcher doppeltes Maß gebraucht, durch die Blutgerichtsbarkeit bestraft werden sollte (damnabitur sentencia capitali). Man möchte vermuten, daß gerade das Gericht über falsches Maß der Gemeinde zustände. Auch im Schweriner Recht besitzt die Bürgerschaft den Friedensschilling.
Welche Entwicklung ist nun nach den eben genannten Urkunden in dem gegenseitigen Machtverhältnis zwischen Landesherr und Bürgerschaft festzustellen? Wir sind zu dieser Untersuchung befähigt, weil das Gadebuscher Privileg vom Jahre 1225 nach seiner eigenen Aussage z. T. auf das lübische Barbarossaprivileg vom Jahre 1188 und danach vermutlich auf den "etwa 1163, kurz nach der Neugründung der Stadt Lübeck ausgestellten Freibrief Heinrichs des Löwen" zurückgeht 756 ). Ferner können wir auch das Ergebnis, das wir bei der Darstellung der Gründungsgeschichte Güstrows über das Schweriner Recht gewonnen haben, daß das Amt des magister civium als ein Bestandteil des alten Schweriner Rechts vom Jahre 1160 zu betrachten ist, zur Erkenntnis einer evtl. Machtverschiebung zwischen Landesherrn und Bürgerschaft benutzen 757 ). Hinsichtlich der landesherrlichen Blutgerichtsbarkeit liegt im Parchimer Recht von 1226 insofern eine Entwicklung über das Gadebuscher Privileg hinaus vor, als in Parchim der Bürger-
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schaft der dritte Teil der Bußen der hohen Gerichtsbarkeit zugesprochen wird, während in der Gadebuscher und auch in der Schwerin-Güstrower Urkunde, die offenbar in diesem Punkte altes Recht aufweist, die höhere Gerichtsbarkeit auch mit den Bußen ganz dem Landesherrn zukommt.
Bei weitem wichtiger für die städtische Verfassung ist die Entwicklung, die hinsichtlich der bürgerschaftlichen Gewerbepolizei festzustellen ist. Nach dem Gadebuscher Privileg steht nur "auf dem Gebiet des Lebensmittelgewerbes" der Stadt "eine von dem stadtherrlichen Gerichtsbeamten, dem Vogt, unabhängige, verwaltende und richtende Gewalt zu". Den Bürgern wurde das Richten über die Vergehen der Bäcker, Schlachter und Krüger, sowie zwei Drittel der Einkünfte aus diesem Gericht zugesprochen. Damit war nach dem Gadebuscher Privileg die bürgerschaftliche Markt- und Gewerbepolizei auf ein ganz bestimmtes Gebiet beschränkt. Ähnlich war offenbar auch im alten Schweriner Recht die obrigkeitliche Befugnis des magister civium, dem gleichfalls nur die Gewerbepolizei zustand 758 ). Gegenüber der Beschränkung der Bürger auf die Gewerbepolizei, wie sie sich im Gadebuscher und im alten Schweriner Recht findet, bedeutet die Bestimmung des § 2 des Parchimer Rechts einen bedeutenden Fortschritt. Denn das Recht der "inninge" , das hier den Unternehmern der Stadtgründung (später dem Rat) zuerkannt wird, scheint "ebenso gut auf Korbußen (Einung, Willkür) als auf Innungseinkünfte bezogen werden zu dürfen" 759 ). Durch diese Bestimmung des Parchimer Rechts war der enge Kreis gesprengt, der der städtischen Gerichtsbarkeit im Lübisch-Gadebuscher wie im alten
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Schweriner Recht gezogen war, und die Bürgerschaft konnte auch auf anderem Gebiet als der Gewerbepolizei richtend und verwaltend eingreifen. Noch deutlicher wie das Parchimer Recht spricht diese Befugnis der Bürgerschaft das Schwerin-Güstrower Recht aus, wenn es von dem Verordnungsrecht der Ratmänner und den Statuten der Bürgerschaft redet, auf deren Übertretung die Buße von 3 Mark zugunsten der Bürgerschaft ruht 760 ). Offenbar hat sich im Schweriner Recht in Anknüpfung an die bürgerschaftliche Gewerbepolizei des magister civium ein allgemeines Recht der Bürgerschaft auf Erlaß von städtischen Verordnungen herausgebildet.
Nicht so wichtig wie die Erweiterung der Gewerbepolizei ist die Entwicklung, die im mecklenburgischen Stadtrecht hinsichtlich der Einnahme des Friedensschillings und der damit verbundenen Kontrolle über Grund und Boden der Stadt sich vollzog. Nach dem Gadebuscher Recht, das den Bürgern die Hälfte des Friedenscchillings zugestand, glaubten wir auf Grund des finanziellen Anteils zum mindesten eine Beteiligung der Bürgerschaft an der Kontrolle über den Grund und Boden der Stadt annehmen zu dürfen, die im Schwerin-Güstrower und Parchimer Recht, wie aus dem Bezug des ganzen Friedensschillings durch die Bürgerschaft hervorgeht, sicher in deren Händen war.
Nun zur Frage, wer der Träger der bürgerlichen Macht in der Stadt war und von wem diese ausgeübt wurde. Wir beschränken uns im folgenden auf das Schwerin-Güstrower und Parchimer Recht. Nach dem Parchimer Recht sind nicht die Bürger in ihrer Gesamtheit, sondern die Unternehmer der Stadtgründung, der spätere Rat, die Träger der bürgerlichen Selbstverwaltung gewesen. Den cultores der Stadt wird die Einkunft der "inninge" und der Friedensschilling verliehen. Die cives werden im Parchimer Recht in ihren Gerechtsamen von den cultores deutlich geschieden. Im Schwerin-Güstrower Recht steht dem Unternehmer-Konsortium, das zugleich als Rat eingesetzt wurde, das volle Recht an der bürgerlichen Selbstverwaltung zu. Die consules beziehen den Friedensschilling; ferner ist auch von ihrer Zustimmung die Wahl eines magister
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civium abhängig, der dann die Aufsicht über die Innungen führt. Die Wahl selbst steht allerdings den cives zu. Jedoch war es jederzeit dem Rat überlassen, ob er die Wahl eines magister civium zulassen wollte oder nicht. Nach Schwerin-Güstrower Recht galten Beschlüsse des Rats als Statuten der Bürgerschaft, deren Übertretung bestraft wurde.
Welche Entwicklung läßt nun das Schwerin-Güstrower und Parchimer Recht in denjenigen Bestimmungen erkennen, die von dem Träger der bürgerschaftlichen Macht und deren Ausübung durch die Bürgerschaft handeln? Wir gehen dabei wieder von der Tatsache aus, daß das Schwerin-Güstrower Recht in seinem ältesten Teil auf das alte Schweriner Recht vom Jahre 1136 zurückgeht. Die Entwicklung der bürgerlichen Selbstverwaltung ist danach durch Vergleichung des alten Schweriner Rechts mit dem Schwerin-Güstrower und Parchimer Recht aus dem Jahre 1226 festzustellen.
Der Unterschied. zwischen dem alten Schweriner Recht einerseits und dem Parchimer und Schwerin-Güstrower Recht andererseits liegt darin, daß die Macht der Bürgerschaft von der Gesamtheit der Bürger, denen sie nach dem ursprünglichen Schweriner Recht zukam, im Schwerin-Güstrower und Parchimer Recht auf einen Teil derselben, den Rat, übergegangen ist. Während nach dem Schwerin-Güstrower und Parchimer Recht die bürgerliche Selbstverwaltung ganz in den Händen des Rats liegt, hat das alte Schweriner Recht die Verantwortung über die der Bürgerschaft übertragenen Befugnisse der Gesamtheit der Bürger anvertraut. Wie wir bereits früher nachwiesen, hat erst die Gründung der Stadt Güstrow im Schweriner Recht den Sieg des Rates über die Bürgerschaft herbeigeführt. Erst bei dieser Gelegenheit wurden die Bestimmungen, die dem Rat die Gewerbeaufsicht und den Friedensschilling zusichern, in das Schweriner Recht eingefügt. Vor der Gründung Güstrows enthielt das Schweriner Recht die Bestimmung, daß ein magister civium, der von den cives gewählt wurde, die Gewerbeaufsicht ausübte. Ein magister civium als Organ der bürgerschaftlichen Gewerbepolizei ist im alten Schweriner Recht deutlich aus dem Schwerin-Güstrower Recht nachzuweisen. Die Ansicht, daß im alten Schweriner Recht die Gesamtheit der Gemeinde der Träger der bürgerschaftlichen Macht im Gewerbegericht war, wird auch dadurch bestätigt, daß die Gesamtheit der Bürger im Schweriner Recht zum Erlaß städtischer Ver-
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ordnungen befugt war 761 ), bis dann dieses Recht durch die Bestimmung des Schwerin-Güstrower Rechts verdrängt wurde, die den Beschlüssen des Rats für die Gesamtbürgerschaft Geltung verleiht. Während nämlich der § 10 des Schwerin-Güstrower Rechts bestimmt: "Qui ciuitatis statuta infregerit, dabit tres marcas ciuitati", weist dasselbe Recht ganz am Ende seiner Bestimmungen als § 24 folgenden Satz auf: "Preterea quicquid consules civitatis ad communem usum ordinauerint, ratum ciuitas obseruabit". Der Zusatzcharakter dieser Bestimmung des Schweriner Rechts zu dem Verordnungsrecht der civitas als solcher, wie es der § 10 zum Ausdruck bringt, wird schon rein stilistisch durch die Einleitungspartikel des Satzes "pretera" gekennzeichnet. Aber auch inhaltlich kommt in der Formulierung "ratum ciuitas obseruabit" ("die Bürgerschaft soll als gültig beobachten, was der Rat zu gemeinem Wohl anordnet") der Gedanke zum Durchbruch, daß an Stelle eines von der Gesamtbürgerschaft beschlossenen Gesetzes eine Verordnung des Rates treten kann. Das Recht des Rates zum Erlaß von städtischen Willküren drängt sich durch den § 24 konkurrierend neben das im § 10 festgesetzte gleiche Recht der Gesamtbürgerschaft. Für die Entwicklung der bürgerschaftlichen Macht gegenüber der landesherrlichen mag das Willkürrecht des Rates einen Fortschritt bedeutet haben, weil damit auch die Gerichtsbarkeit über die städtischen Willküren in die Hände der Bürgerschaft gelangte, die vielleicht vorher dem landesherrlichen Vogt zustand. Aber die Gerechtsame der Gesamtbürgerschaft erlitten durch das Willkürrecht des Rates unbedingt eine Beschränkung. Auch im Willkürrecht der Bürgerschaft können wir also wie beim Recht zum Gewerbegericht im Schweriner Recht die Beobachtung machen, daß die bürgerschaftliche Macht von der Gesamtheit der Bürger auf den Rat übergeht. Vielleicht wurde die Entwicklung des Rates auch von der Gesamtbürgerschaft aus dem Grunde begrüßt, weil damit zugleich eine Erweiterung der bürgerschaftlichen Macht gegenüber der landesherrlichen verbunden war.
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Das Verhältnis zwischen staatlicher und bürgerschaftlicher Gewalt bildet, wie wir es in den vorhergehenden Erörterungen über das älteste mecklenburgische Stadtrecht dargestellt haben, den eigentlichen Inhalt des Stadtrechts.
Staats- und Stadtgewalt nahmen auch den einzelnen Bürger für sich in Pflicht und machten ihn für das Gedeihen von Staat und Stadt verantwortlich. Der Malchiner Eid, den die Urteilsfinder dieser Stadt schwören mußten und der aus dem Ende des 14. Jahrhunderts erhalten ist 762 ), enthält die Formel: "Unde wil weren myner gnedigen hern unde erer lande beste unde der stadt Malchin beste, und den hemelken rath myner gnedigen hern unde der stadt Malchin beste, unde den hemelken rath myner gnedigen hern und der stadt Malchin nicht vormelden."
Wie die Gesamtheit der Bürgerschaft selbst jedoch ihre Macht vom Staat in voller Selbständigkeit zu eigener Verantwortung erhalten hatte, war auch der einzelne Bürger bei der Ausübung seiner Bürgerpflichten auf sein eigenes Gewissen gestellt. Der Malchiner Eid verpflichtet den Urteilsfinder zu unbestechlicher Gerechtigkeit. "Dat eeth" beginnt mit den Worten: "Dar my de rath to koren heft, deme wil ick so recht dhon, deme armen alse deme riken, deme frommeden alse deme frunden, noch umme gunst, fruntschop, lieue edder gaue willen nicht laten." Die doppelte Bindung des Bürgers, einmal an Staat und Stadt, dann an sein eigenes Gewissen, erhält letzten Sinn und Kraft aus den wenigen Worten am Ende des Eides: "Dat my so godt helpe unde sine hilgen."
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A ls um die Wende des 17. Jahrhunderts im Pietismus ein neuer Geist und eine neue Frömmigkeit sich im evangelischen Deutschland regte, von Spener und Francke Anregungen nach allen Seiten ausgingen, verschloß sich die Rostocker Hochschule gegen das neue religiöse Leben und blieb eine Hüterin des alten Geistes, eine Wächterin über die Orthodoxie. Ihr führender Theologe Fecht spitzte verschiedentlich die Feder gegen Spener und erwies sich als der treueste Schildträger der Wittenberger, die ja besonders den Kampf gegen den Pietismus aufgenommen hatten. Die Haltung der Universität wirkte zurück auf das Land. Es blieb lange eine Domäne der Rechtgläubigkeit 1 ), ist von dem neuen religiösen Leben anfänglich wenig berührt worden. Doch vereinzelt sehen wir auch in ihm Freunde Franckes. Von zweien von diesen wollen die folgenden Zeilen melden, von Simon Ambrosius Hennings, dem Pastor in Recknitz, und Joh. Christian Mencke1, dem Hofprediger in Schwerin 2 ).
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Schon als Studentin Rostock fühlte sich Hennings zu Spener und Francke hingezogen. Was seine orthodoxen Lehrer ihm boten, genügte ihm nicht. Er schrieb an Spener und bat, ihm zu raten. Nach Halle wollte er pilgern, dort weiter zu studieren, es ließ sich nicht ermöglichen. Da, als ein Freund von ihm dem pietistischen Zion am Saalestrande zustrebte, und er leider zurückbleiben mußte, griff er wenigstens zur Feder, um Francke seine Verehrung, sein Sehnen kund zu tun, um Belehrung und Rat zu erbitten. Den 24. April 1705 schrieb 3 ) er aus Rostock:
"Ich hatte mir fest vorgesetzt, mit gegenwärtigem lieben Freunde zu Ihnen zu kommen, wozu mir, der ich ohnehin großes Verlangen danach trug, auch der sel. D. Spener in einer Antwort auf mein Schreiben riet. Sein Tod hat ihn gehindert, mir hierzu behilflich zu sein. Meine Vormünder, unter ihnen H. Becker, Pastor an der Jakobikirche hierselbst, der mit Ihnen zu Rostock studiert hat, wollten mir nicht willfahren, sondern widersetzten sich hart; meine Schwester bat mich mit Tränen, noch ein Jahr hier zu bleiben. Halle war ihnen von anderen verhaßt gemacht. Nur heimlich hätte ich zu Ihnen kommen können, aber ich zweifle, daß dies Gottes Wille war, seine Schickung nicht vielmehr, daß ich hier
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bleibe. Deshalb bitte ich, mir durch ein Schreiben zu eröffnen, wie ich mein theologisches Studium führen müsse, daß es Gott gefällig und der Kirche nützlich, was für Bücher die bequemsten dazu seien. Das Schreiben würde zu meiner und anderer Erbauung dienen, mir eine herzliche Freude und kräftige Stärkung sein. Denn Gott hat mich mein Elend, darin ich bisher von Jugend an gesteckt, einsehen lassen, auch stecke ich noch in großer Schwachheit und Unvermögen. Ich hätte noch viel zu schreiben, doch mein guter Freund, der meinen Zustand gar wohl weiß, hat alles mündlich zu berichten versprochen. Er wird mein Anliegen ausschütten und Ihren Rat einholen."
Nach der Treue, mit der Francke jedem Suchenden diente, antwortete er dem jungen Studenten; auch ein zweites Mal, als er wieder an ihn schrieb. 1708 wurde auch die Liebe zum "Vater in Christo", das Verlangen, ihn selbst zu sehen und zu sprechen, so mächtig in Hennings, daß er alle Hindernisse überwand und nach Halle eilte. 1710 wurde er Pastor in Recknitz (Propstei Lüssow) 4 ) und von hier berichtete er unter dem 19. Februar 1713 Francke ausführlich über sein Leben und seine amtliche Tätigkeit:
"So bald ich vor drei Jahren von Gott über all mein Vermuten zum h. Predigtamte berufen worden, habe nichts mehr gewünscht, als darin treu zu sein und nur zu suchen, was Jesu Christi ist, und deswegen Gottes Wort in aller Einfalt und Nachdruck zu predigen, den Katechismus fleißig zu treiben und die Schulen zu besuchen, sie in guten Stand zu setzen, auch bei aller Gelegenheit einen jeden zu unterrichten, zu ermahmen und zu strafen. Hierin hat mich die Gnade Gottes mächtiglich gestärkt und bis hieher erhalten, obwohl seine Kraft noch reichlicher wäre mitgeteilt worden, wenn im Gebet eifriger und fleißiger gewesen, wozu denn sonderlich bin erweckt und aufgemuntert worden durch Lesung der Fußstapfen Gottes, so Sie 1709 herausgegeben, und ein guter Freund neulich mit herunter gebracht. Dies hat mir Anlaß gegeben, Ihre anderen Schriften wieder vor Augen zu nehmen und zu sehen, ob man mit Recht einen Argwohn darauf haben könne. Da fand ich eine völlige Übereinstimmung und Einigkeit mit der teuren Lehre
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Lutheri vom Glauben und der Liebe, da wurde auch meine Liebe, die eine Zeitlang schwach geworden war, wieder erreget. Denn, daß ich mein Herz recht ausschütte, es hatten Ihre Schriften im Anfange meiner Studentenjahre mich zu einer gründlichen Erkenntnis meines Herzens gebracht und veranlaßt, zweimal an Sie zu schreiben und auch so oft geneigte Antwort erhalten lassen, bis ich vor fünf Jahren selbst hinauf reiste und die Ehre hatte, Sie zu sprechen. Unter anderem sagten Sie zu mir: ,Fahren Sie nur getrost fort und seien Sie gewiß, Gott wird Sie schon rüsten, will er Sie haben.' Ich konnte aber bei allem diesen zu keiner Kraft des Glaubens kommen, bis ich mich aller Schriften entschlug und allein Luther anfing zu lesen. Da kam ich denn zu einer rechten Gewißheit des Glaubens und Freudigkeit des Herzens, mit kindlichem Geiste vor Gott zu wandeln. Wozu uns der H. D. Siebrandt Anlaß gab des Sonntags nach der Predigt, da er uns Lutheri Predigt vorlas. In dieser Zeit habe ich zweimal respondiert bald bei dem Beschluß meines Studentenstandes unter D. Fecht de notitia Christi und unter D. Grap de donis."
"In meinem Amte habe ich Lutherum sehr fleißig gelesen und gebraucht und bin in Predigten und Katechisationen seinem Beispiele treulich gefolgt. Weil nun sehe, daß Sie mit ihm in einem Geiste stehen, hatte mir fest vorgenommen, eine Reise hinauf zu tun und mein Herz auszuschütten, mich Ihres Rats und Zuspruchs zu bedienen. Deswegen sprach ich auch den H. D. Siebrandt um das inliegende Schreiben an, damit desto eher meiner Bitte gewährt würde. Weil aber wegen der Umstände meiner Gemeinde und meines schwachen Leibes mein Vorhaben ändern müssen, wollen Sie dieses mein schlechtes Schreiben für mich selbst annehmen und, was ich darin suche, nach Ihrer sonderbaren Liebe gütigst gewähren. Ich begehre nichts mehr, als nur mich mit väterlichem Herzen zu einem Sohne in Christo anzunehmen, wie Timotheus also von Paulo erkannt ward. Bin ich gleich nicht so weit kommen als jener, so bezeuge doch vor Gott, daß eben des Sinnes bin und nicht suche, was mein ist, sondern was Christi Jesu ist. Hierin wollen mir Ihre Hochehrw. gütigst beistehen, und ich verspreche lebenslang wie ein Sohn dem Vater, also auch mit Ihnen dem Evangelio treulich zu dienen. Ich will in allem treulich und gern
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folgen und soll mir keine größere Freude sein, als zu lernen, wie ich meiner Gemeinde mehr und mehr aufhelfen könne. Insonderheit ersuche jetzund die große Güte für mich zu haben und einen guten Schulmeister zu verschaffen. Es sind vier Schulen in meiner Gemeinde und jede Schule hat gewisse Dörfer. Nun ist eine von den stärksten ledig, da wohl 40 Kinder des Winters darinnen sind. Kann er ein Handwerk, so ist es gut, wo nicht, so will doch seinen Unterhalt verschaffen. Es haben sich schon vier angegeben, ich möchte aber gern einen von Ihrem Orte haben, der in der Information daselbst erzogen oder dazu gebraucht worden, damit er hier den andern möchte ein gutes Exempel geben. Sollte ich nun gewisse Hoffnung dazu kriegen, wollte ich keinen anderen annehmen, und könnte er mit der Ostermesse herunter kommen auf unsere Unkosten, auch wenn er Frau und Kinder hätte. Er soll von mir alle Liebe und Hilfe jederzeit zu gewarten haben, und will es für meinen höchsten Schatz halten. Wenn auch ein Knabe im Waisenhause wäre, der das Seinige gelernt und sich bei anderen aufhalten wollte, möchte ihn gern selbst zu mir nehmen und. zu einem Schulmeister aufziehen."
"Hiernächst wollen Ew. Hochehrw. mir die Güte widerfahren lassen und durch jemanden ausführliche Nachricht geben lassen, wie die deutschen Schulen daselbst gehalten werden und eingerichtet sind, auch, was dazu gehöret und darin gebraucht wird, mitteilen. Da denn gern die Probe sehen möchte von den Fibeln, Katechismusbüchern, und was sonst die Kinder etwa haben, wonach die Katechisation am besten angestellt werden mag, und was Sie mir in meinem Amte zu wissen für nötig und nützlich erkennen. Es wird der H. Stieber 5 ) in Güstrow auch wegen der Korrespondenz, die monatlich geschrieben und ausgesandt wird, geschrieben haben, wo nicht, will hiermit schuldigst darum ersucht haben, sie uns monatlich mitzuteilen von diesem Jahre an. Sende darauf einen Taler auf das erste Vierteljahr, und wollen wir das Postgeld bei der Pränumerierung des zweiten Vierteljahres auch entrichten. Sollten wir die Güte haben können und das 1712. Jahr ganz erhalten können, daß wir es hier abschreiben ließen, wollten wir die vier Taler gern dafür
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geben und das überschickte auch richtig wieder zurücksenden. Denn es zu einer freudigen Aufmunterung. kräftiglich dienet. Ew. Hochehrw. nehmen nicht übel, daß noch mit einer kindlichen Bitte komme. Ich hätte gern mit der nächsten Post die kleine Apotheke für 5 T. und ein Lot von der essentia dulcis concentrata nebst dem Unterrichte des H. Richter. Auch hätte gern das Gesangbuch, die neuste Ausgabe, gebunden und die letzte gedruckte Nachricht von den Anstalten daselbst und von den Missionaren, oder was sonst Liebes und Nützliches gedruckt worden. Insonderheit bitte gar sehr von den Bibeln 50 Exemplare bis zur Ostermesse für meine Gemeinde aufzuheben. Von den neuen Testamenten hat die durchl. Prinzessin in Güstrow 200 bringen lassen, die meiner Gemeinde meist werden zu teil werden, worüber mich herzlich freue. Der H. Pastor Becker in Rostock läßt nebst schuldigem Gruße vernehmen, ob der indianische Fechtel, so er dem Waisenhause gesandt, gut angekommen ist. Nach der ersten Post werde fleißig aussehen und befehle alle meine Bitten in Ihre väterliche Liebe."
Am 26. März 1713 ist Hennings voll Dank für ein freundliches Schreiben Franckes, das ihm die Gewährung aller seiner Wünsche zusagte. Von dem Lehrer erwarte er viel, die anderen drei Lehrer in der Gemeinde bedürften gar sehr der Aufmunterung, seien ohne lebendige Erkenntnis, voller Falschheit, besonders der Küster. Er arbeite an ihnen mit aller Liebe, lasse sie dazu in der Woche zu sich kommen, bete mit ihnen, hielte ihnen ihre Pflicht mit liebreichem Ernste vor. Als am 9. Juli der Lehrer endlich eintraf, jubelte er: "Gott sei herzlich gelobt, der meine Freude hat lassen erfüllet werden!" Auf seine weiteren Briefe nach Halle wollen wir nicht näher eingehen. 1719 schreibt er wegen des Sohnes seines Patrons, des Obersten von Vieregge, der in Halle studierte; ein anderes Mal bittet er um einen Hauslehrer oder im Auftrage der Prinzessin von Güstrow zu Dargun, die gelegentlich ihrer Rückreise aus dem Bade Francke in Halle an ihre Tafel gezogen hatte, um einen frommen Juristen zum Pagenhofmeister. Interessant ist erst wieder sein Schreiben vom 12. Februar 1725, weil es uns einen Einblick in sein inneres Leben gewährt. Da läßt er sich nämlich vernehmen:
"Gott hat mich in zwei bis drei Jahren finden lassen, was ich mir bei den Schriften der Propheten besonders immer
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gewünscht habe, ein rechtes Licht von ihren großen und mächtigen Weissagungen. Ich habe es gefunden in des teuren Mannes Gottes Petersen Schriften, den auch als meinen Vater seitdem herzlich geliebt und an ihn zu schreiben angefangen so einfältig, als ich es jetzund tue, und er läßt sichs väterlich gefallen und antwortet mir. Habe auch an ihn, lieber Vater, ein oder zweimal seiner gedacht. Ich kann vor Gott bezeugen, daß es nicht aus Neugierde geschehen, da ja in Rostock schon vor 15 Jahren Gelegenheit genug dazu gehabt, auch einen guten Freund, der nun in Bremen ist und in Altdorf bei dem H. R. völlige Erkenntnis davon hatte. Habe es aber stets ausgesetzt und es nicht einsehen können, bis Gott mir die Augen geöffnet und dadurch sein Wort erst recht helle werden lassen, dadurch denn auch mein Glaube mächtig gestärkt worden. Es haben mir sonst die Erklärungen nie genügt, da man Gottes Worte so eng umspannen müssen, da ich nun ihre völlige Weite und Breite von fern erfüllt sehe. Im Vertrauen melde noch, daß H. Haller und Fr. Hansch mit mir einerlei Meinung und D. Petersens Schriften sehr lieb haben. Ersterer hat auch ein artiges Carmen auf des letzteren Schwester zu Spremberg Abschied von dieser Welt, so gern senden will, wenn es nicht vorkommen. Seine deutsche Inskription und lateinisches Karmen wird doch bekannt sein. Wir hoffen ihn dieses Jahr hier zu sehen. Ich schäme mich seiner und seiner Schriften so wenig als Gottes, denn sie sind Gottes. Der liebe Vater ist nun am Ziel und Ende seines Laufens, den Gott doch noch weiter hinaussetzen wolle zu vieler Seelen Heil. Hat P. Preißel 6 ) nicht geschrieben? Er hat Ver-
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suchungen, lebt sonst vergnügt. Der liebe Vater helfe ihm auf. Sub rosa. Hat sich sonst von D. Petersen auch vieles angeschafft, obwohl nicht seiner Meinung, wiewohl sein Patron sie auch hat. Für das Übersandte danke herzlich und kindlich. Es soll mir ein väterliches Denkmal sein."
In einem Schreiben vom 23. Februar 1727 bemerkt er:
"Im Dezember habe eine Reise zu Serenissimo nach Danzig tun müssen, doch nicht mit dem gewünschten Effekt. In Danzig habe keinen getroffen, auch nicht unterwegs, mit dem von Herzen reden können, ohne bei dem Buchführer Benghen habe was gefunden. Gott sei auch gelobt, der dem lieben H. D. Petersen in seinem höchst kümmerlichen Alter eine so gute Pflegerin beschert hat."
Diese Nachricht von Hennings Danziger Reise läßt uns des anderen Franckeverehrers in Mecklenburg gedenken, der in Danzig in die Dienste des Herzogs Karl Leopold getreten ist, des Hofpredigers Johann Christian Menckel 7 ). Im Sommer 1725 war dieser als Feldprediger des Generals Douglas und Erzieher seiner Kinder nach Rußland gegangen, ob seiner strengen pietistischen Lebensrichtung aber entlassen und nach mancherlei Enttäuschungen und Drangsalen 1729 aus dem Osten nach Danzig zurückgekehrt. In verschiedenen Briefen meldete er seinem Lehrer und väterlichen Freunde Francke seine Not. Nach dessen Tode übertrug er seine Liebe und Verehrung auf seinen Sohn Gotthilf August. Ihm meldete er unter anderem, daß durch Pastor Reichmuth in Moskau ein Ruf der dortigen deutschen lutherischen Gemeinde an ihn ergangen, ihm zugleich aber auch die Hofpredigerstelle in Schwerin angeboten sei. Er schwanke, welche Wahl er treffen solle, und bitte, ihm zu raten. Der jüngere Francke wies ihn nach Mecklenburg. Als er wenig später aber ihn für ein anderes Amt in Aussicht nahm, antwortete ihm Menckel unter dem 18. Oktober 1729:
"Mir ist jederzeit gleichgültig gewesen, wohin mich Gott senden will. Allein jetzo stehe ich nicht mehr völlig in der Freiheit zu wählen, was ich will. Denn als den 16. Sep-
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tember von dem H. Professor Callenberg schriftlich versichert wurde, daß die Herren Theologen in Halle, meine hochgeehrten und innig geliebten Herren Lehrer die Vokation ins Mecklenburgische der moskauischen vorzuziehen für gut hielten, habe ich sogleich den Leuten in Moskau abgeschrieben und die herzogliche Vokation zur Hofpredigerstelle wirklich angenommen. Der Herzog will mich nicht wieder entlassen, weil er sagt, daß nirgends so viel zu bessern und zur Ehre Gottes auszurichten wäre als in Mecklenburg. H. Wagner habe zwar auch den Antrag getan, er kann aber noch zu keiner Gewißheit und rechten Entschluß kommen. Er hat neulich wieder große Widersätzlichkeit erfahren müssen. Den 8. Oktober entschloß sich Seine Durchlaucht, sich von hier zu Schiff nach dero Landen zu begeben. Wir waren auch die Weichsel bereits hinunter auf die Reede kommen. Indem wir aber ferner in die See wollten und der Anker in die Höhe gewunden wurde, machte dieser durch einen heftigen Stoß ein Loch ins Schiff. Daher kehrten wir wieder um. Die aufgetragene Sache werde geheim halten, ich habe auch gegen meinen Bruder nichts gedacht."
So eng diese Zeilen Menckel Halle verbunden zeigen, er unterließ doch, in seiner neuen Stellung den Briefwechsel mit seinen Lehrern zu pflegen. Schwerin, den 13. Oktober 1734, entschuldigt er Francke gegenüber sein langes Schweigen:
"Den Grund hierfür werde einmal nach Gottes Willen mündlich eröffnen, wozu sich diesen verwichenen Sommer bald eine gewünschte Gelegenheit gefunden und Gott, wie ich glaube, noch inskünftige zeigen wird. Alle Väter, Gönner und Freunde in Halle bleiben unverrückt hoch, teuer und wert geschätzt in meinem Herzen. Es gehet auch fast kein Tag hin, da ich mich nicht ihrer und der in Halle an Leib und Seele vielfältig erfahrenen Wohltaten mit Freuden erinnere, des Segens und der Fürbitte der schon zur ewige n Ruhe eingegangenen und der noch lebenden getröste. Die besondere Gelegenheit zu diesem Briefe gibt ein Studiosus Köppen aus diesem Lande, der nach Halle gereist und um Empfehlung gebeten. Ich schreibe über Parchim durch einen Kandidaten Carmon, der sich in Halle die Doktorwürde will beilegen lassen. Eine Antwort könnte durch den Handelsmann Mensebier in Parchim erhalten. Der Sohn dieses Mannes hat sich einige Zeit in Halle aufgehalten und sich
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hoffentlich dort Zeit und Gelegenheit wohl zu Nutze gemacht, daß er jetzt seinem dürftigen Vaterlande heilsame Dienste leisten kann."
Am 12. Februar 1735 meldet er die Einnahme der Stadt durch die Exekutionstruppen und die Flucht des Herzogs Karl Leopold nach Wismar:
"Ich bin zurückgelassen, und haben Ihre Durchl. weder vor, noch bei oder nach der Abreise mir sagen lassen, wie ich mich verhalten solle. Mit welchem Herzen ich diese Zeit über mein Amt und Leben hier zugebracht, ist Gott am besten bekannt. Von Ihrer Durchl. Bruder, der auf der Reise hierher begriffen sein soll, werde ich wohl nicht ausgestoßen werden. Allein ich habe keine Gewißheit, ob man bleiben könne, da man doch Ihrer Durchl. verbunden ist, und ob man sie wieder verlassen könne, falls man von ihr sollte verlassen werden. Ew. Hochw. wollen doch diese Sache mit den übrigen treuen Gehilfen und Mitarbeitern Gott im Gebet vortragen und mir mit Ihrem gemeinschaftlichen Rat zur Hilfe kommen. Das Schreiben kann zur Vorsicht an den hiesigen älteren Doktor iuris H. Kütemeyer 8 ), der ein christlicher und redlicher Mann ist, gerichtet werden."
Umgehend sandte Francke am 17. Februar Menckel seine Ansicht, bot ihm wohl auch Halle als Zuflucht an. Den 8. März ist deshalb der Hofprediger voll warmen Dankes in seinen Zeilen an Francke:
"Was bis auf diese Zeiten geschehen, so würde viele Bogen auszufüllen haben, wollte ich alles schreiben. Gott weiß die Angst und den Kummer, den ich über manches, das doch nicht zu ändern war, erfahren. Wenn noch einige Hoffnung, etwas Gutes an S. Durchl. auszurichten, übrig wäre, wollte ich gern auch unter den kümmerlichsten Umständen bei ihr ausharren. Aber in dem sechsjährigen Umgang habe ich dero Gemüt also erkennen lernen, daß ich gewiß weiß, es ist ihr nicht um das rechtschaffene Wesen und um die Beförderung des Guten zu tun. Ich merkte dies zwar bald, dachte aber immer, ich irre mich, es werde noch besser werden. Ich kann auch nicht leugnen, daß sie 1730 hier eine gewaltige Erschütterung an sich empfunden und davon
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gegen andere merkwürdige Bekenntnisse getan. Allein wie es untreuen Seelen zu gehen pflegt, daß sie wohl siebenmal ärger werden, so ists auch hier ergangen. Von wahrer herzensverändernder Buße, von einem lebendigen tätigen Christentume wollen sie nichts mehr hören, sondern heißens pharisäischen Schein und Heuchelei. Im Gegenteil sind die Prinzipien, die sie für die rechten halten, so beschaffen, daß sie zu allen Schanden und Lastern die Tür öffnen. Diese wurden von den hiesigen Predigern aufgegriffen, öffentlich widerlegt und mir die Schuld beigemessen, als bringe ich sie dem Herrn bei. Daher kam eine Schmach und Lästerung nach der anderen nicht nur über mich, sondern auch über die Sache Gottes und insonderheit über Halle, weil mans die hallischen Prinzipien nennt."
Drei Tage später sendet er einen neuen Notschrei nach Halle. Er stehe zwischen Tür und Angel. Der Herzog Karl Leopold befehle ihm, sofort zu ihm zu kommen, und sein Bruder heiße ihn bleiben. "Man erstaunt, wenn man von den Exzessen höret, davon nun das Volk in Abwesenheit des Herzogs frei redet. Was habe ich nicht selber erfahren!" Und zwei Tage später klagt er:
"In all den Jahren, da ich hier bin, hat der Herzog auch nicht das geringste Gute gestiftet, nie einen wahrhaftigen Sinn dazu gehabt, wohl aber viel Böses angestellt. Alle Predigerstellen sind für Geld verkauft oder an solche gegeben worden, die sich an gewisse Weibspersonen gehängt haben und durch solche detestablen Wege emporschleichen. Und da manchmal Seine Durchl. mir zum Schein befahlen, mit einem und anderem ein Kolloquium zu halten und ihn auch befördert, so habe doch immer erfahren, daß der Grund hierzu bereits durch Geld oder auf andere Weise gelegt worden; daher ich auch verschiedentlich S. Durchl. bitten lassen, mich mit solchem Wesen zu verschonen, da ich keinen Teil daran haben wolle. - - - Und dennoch steht der arme Herr in der Blindheit und in dem Wahn, daß bei keinem die Kraft der neuen Geburt sich lebendiger als bei ihm erweise, und niemand so für das Gute, für die Aufnahme des Reiches Gottes sorge wie er. Er läßt sich hierin nicht anders überzeugen und meint, wer das rechtschaffene Wesen ernstlich treiben wolle, müsse zu ihm kommen und beständig bei ihm bleiben. Etliche meiner hiesigen guten
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Freunde warnen mich, mich in seine Hände zu begeben. So viel ist gewiß, daß man nicht nur in äußerster Gefahr, sondern auch in beständiger Gewissensmarter bei ihm leben und nie was Gutes stiften würde. Sein Herz ist mit gar zu harten Banden gegen alles Gute verwahrt. Jedoch will ich hier dem Rate Ew. Hochw. und Dero getreuen Gehilfen folgen."
Am 12. April 1735 kann Menckel melden, daß auf Grund seiner Vorstellungen bei dem General von Platen die kaiserliche Kommission ihm nicht mehr zugemutet habe zu predigen, daß er hingegen den Herzog gebeten habe, anerkannte Theologen und Juristen die Frage prüfen zu lassen, ob er zu ferneren Diensten verpflichtet sei. Ihm sei es ein rechter Trost gewesen, als er nach Empfang des Franckischen Briefes aus dem hallischen Spruchkästlein den Spruch gezogen hatte: "Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels. Die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit." Im Herbst kann er schreiben, daß Herzog Christian Ludwig ihn habe wissen lassen, daß er es gern sehen würde, wenn er bliebe. "Der D. Stieber, der sich den dargunschen Freunden sonderlich entgegengesetzt und deswegen in Wismar lange Zeit aufgehalten, ist für 2000 T. Superintendent in Güstrow, worunter Dargun auch steht, worden. Allein weil der kaiserliche Kommissarius mit Zuziehung des Herzogs zu Strelitz das Konsistorium, Superintendenten- und Predigerstellen besetzen soll, so habe unter der Hand vernommen, daß er nicht würde acceptiert werden. Gegen die dargunschen Prediger will der Herzog in Wismar nicht eher eine Untersuchung anstellen lassen, bis er wieder völlig restituiert worden, und so werden diese wohl Ruhe und Frieden behalten, Gott zu dienen und das Heil der Seelen nach Vermögen zu fördern." Über seine Stellung äußert er sich in einem Schreiben vom 12. Juni 1736: "Ich predige gewöhnlich vor der Herrschaft auf deren Verlangen, jedoch so, daß ich keine Vokation von ihr angenommen oder auch annehme oder mich vor der Hand auf irgend eine Art engagieren werde. Bei der Herrschaft verspüre ein gutes Vertrauen gegen mich. Seine Durchl. haben mir befohlen, alle Sonntage nach geschlossener Kirche zu denenselben zu kommen, da dann unterschiedenes Gute gesprochen wird. Die Freunde in Dargun sind noch hier überall sehr übel angeschrieben, und man will immer einen Exzeß nach dem anderen und allerlei Unordnung er-
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zählen, die sie anrichten sollen. Man gibt dabei vor, als sei die Prinzessin selbst nicht wohl mehr mit ihnen zufrieden. Da auch eine gewisse Person, die sie gehört, S. Durchl., dem kaiserlichen H. Kommissar, gesagt, daß ich mit ihnen einerlei Methode im Predigen hätte und es einerlei wäre, ob man jene oder mich höre, sollen sie gnädigst geantwortet haben, daß sie darum das, das von jenen erzählt würde, nicht glauben könnten, weil sie von mir nichts übles gehört noch verspürt hätten. Der Herzog in Wismar hat nichts anderes gegen mein Predigen merken lassen, als daß er den gewöhnlichen Unterhalt, den er bis auf den März dieses Jahres noch immer geschickt, zurückbehalten, womit ich gar wohl zufrieden bin. Ich genieße jetzo von der Kommission 25 T. monatlich, davon auch die anderen Bedienten des Herzogs in Wismar ihren Unterhalt empfangen. Dieser soll jetzo so wunderlich sein, daß gar kein Auskommen mit ihm ist, daher auch seine intimsten Bedienten davongehen müssen und hier ankommen sind."
Leider hören wir über den Darguner Streit nichts näheres in den Briefen Menckels. Am 4. Juli 1739 sendet er eine längere Klage gegen den Pastor Richter, der ein mißratener Schüler Halles sei, an Francke und bemerkt dabei:
"Vor einiger Zeit vernahm von dem H. Schleeff, der vorm Jahre in Dargun gewesen, daß die dortigen Prediger in den Gedanken stünden, als wäre ich ihnen hier entgegen. Ich bin gewiß, daß H. Richter den redlichen Leuten dies eingebildet hat, um sie gegen mich einzunehmen. Als 1736 fast allenthalben im Lande und auch in dieser Stadt gegen die Herren Darguner und ihres Gleichen auf den Kanzeln intoniert wurde, ließ sich H. Richter auch tapfer mit Warnen vor solchen Irrlehren hören, damit er ja den Schein vermeiden möchte, als stehe er mit ihnen in einer Sinnesgemeinschaft. Ich erinnerte ihn deswegen und bat ihn, wo er ja vor Irrtümern zu warnen hätte, möchte er jetzo öffentlich nicht mit einstimmen, da alles gegen die Unschuldigen in Alarm wäre. Er leugnete aber, etwas gedacht zu haben, ob es gleich mehr als zu wahr war. So hat er sich auch mehr wie einmal nicht entblödet, den leidigen Mitteldingskram, an dem die Leute hiesiger Lande so sehr hängen, zu verteidigen und mich deswegen als einen eigensinnigen und morosen Menschen vorzustellen, der ich hier andere Meinung
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hege. Wenn mir dergleichen zu Ohren kam und ich ihn deswegen mündlich erinnerte, leugnete er alles und gab unter den höchsten Beteurungen vor, daß er mit mir eines Sinnes wäre, ob ich wohl des Gegenteils genug versichert war. Und so ist er auf mancherlei Weise in seiner Heuchelei offenbar geworden. Hierunter leidet das Gute und wird auf mancherlei Weise verlästert, auch stärkt Richter die, denen seine verdächtige Lebensart nur gar zu sehr in die Augen leuchtet, in ihrer falschen Meinung, als gebens die Hallschen äußerlich gut vor, liebten aber dabei doch heimliche Sünden und Irrwege."
Der letzte Brief, der von des Hofpredigers Hand an Francke vorliegt, ist vom 1. Juni 1745 datiert. In ihm bekundet er seine Freude über den Besuch, den er von den Judenmissionaren Stephan Schultz 9 ) und Muthmann empfangen hatte. Die Unterredung mit ihnen sei ihm sehr erwecklich gewesen:
"Von hiesigen Umständen melde kürzlich. Gott ist noch mit uns und gibt in verschiedenen Gegenden dieses Landes kräftige Erweckungen. Auch hier lassen sich verschiedene hinzuführen. Die durchl. Prinzen stehen in dem Herrn und lassen sich sein Werk einen rechtschaffenen Ernst sein. Ihr Beispiel fällt manchem zur Erweckung in die Augen. Dabei gehets denn, wie es immer zu gehen pflegt. Gott sei in allem gelobt! Die Herrnhuter suchen wie in anderen so auch in hiesigen Gegenden, wo sich etwas Gutes blicken läßt, Verwirrung anzurichten. Es sind von ihnen auch einige verschiedentlich in unserem Orte gewesen. Doch weil man sie ziemlich kennt, finden sie nicht, was sie suchen. So fängt auch an anderen Orten an, ihr unlauterer Grund mehr wie bisher offenbar zu werden. Gott steuere diesem Unwesen und lasse sein Werk und Reich bei uns und allen Orten gefördert, befestigt und ausgebreitet werden!"
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D urch die Prinzessin Augusta hatte in Dargun und Umgegend der hallische Pietismus Boden gewonnen. Wir kennen die Pastoren, die ihn pflegten, wir wissen von dem Streite über die Bekehrung, über den Bußkampf, zu dem sie Anlaß gaben. Er ist von Walch im fünften Bande seiner "Historischen und theologischen Einleitung in die Religionsstreitigkeiten der lutherischen Kirche" und von WiIhelmi im Mecklb. Jahrb. 48 ausführlich dargestellt. Zu den Freunden Halles in Dargun gehörte auch der Hofkantor Jakob Rudolph. Unter dem jüngeren Francke hatte er einst an der Saaleuniversität studiert, mit ihm blieb er in Verbindung, als er im Mecklenburgischen ein Amt gefunden hatte. Er hat von hier manchen Brief an ihn gerichtet, ihm von seinen Erfahrungen und den Verhältnissen in Dargun gemeldet. Aus diesen Schreiben, welche die Staatsbibliothek in Berlin aufbewahrt, wollen wir schöpfen. Da läßt er sich unter dem 6. Mai 1737 vernehmen:
"Ich habe eine ziemlich starke Schule und viele Arbeit in ihr, weil ich die Jugend ganz unwissend in allen Stücken gefunden. Jedoch hat es mir viele Erleichterung gewährt, daß ich mich der in den hallischen Schulen eingeführten Methode bedient. Schon merke ich, wie die Kinder im Äußerlichen viel zugenommen haben. Ich danke Ew. Hochehrw. nochmals, daß ich durch Ihre Fürsorge nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer im Waisenhause habe sein können. Was nun das Geistliche bei meinen Kindern anlanget, so geht es mir wie sonst gewöhnlich, daß es mehr zu glauben als zu sehen gibt. Gott schenkt mir aber rechte Lust und Freudigkeit, an der mir anvertrauten Jugend zu arbeiten. Im Leiblichen hat mich Gott auch recht wohl versorgt. Meine gnädigste Fürstin hat mir zum jährlichen Salario 40 T. nebst anderen zur Unterhaltung nötigen Viktualien gewährt, da mein Vorgänger nur 9 T. jährlich bekommen und nur vom Schulgeld mit seiner großen Familie leben müssen. Ich habe auch die Schule in zehnmal besserem Stande als er. Unsere durchlauchtigste Fürstin ist noch recht munter, wie auch alle anderen erweckten Seelen. An Verfolgung und Verspottung fehlts bei uns eben nicht. Unsere
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Herren Prediger, H. Ehrenpfort 1 ), H. Schmidt 2 ), H. Hövet 3 ), sind neulich einer nach dem anderen im Konsistorio gewesen, und haben die Herren Rostocker ihr Heil an ihnen probiert, aber wenig ausgerichtet. Denn unsere Herren Pastoren haben die Wahrheit treulich bekannt, sonderlich H. Pastor Ehrenpfort, dem sie auch in ihrem schriftlichen Bescheid, den sie ihm erteilet, seine sonst in seinem Hause gehaltenen Betstunden verboten und ihm untersagt, etwas wieder drucken zu lassen, ob sie gleich immer eine Schmähschrift nach der anderen gegen ihn und seine Traktate drucken lassen, ob sie schon noch nichts wahrhaftiges Unrechtes finden können, welches nur einen Schein hätte. Sie handeln recht tückisch und gottlos in der Sache und wollen es nur dahin bringen, daß man glauben soll, bürgerliche Ehrbarkeit sei genug und von groben Schanden und Lastern abstehen wahre Gottseligkeit. Hingegen machen sie wahre Buße und Glauben zu einem solchen Spektakul, daß sie nicht mehr als Segen und Gnade, sondern ärger als Zuchthaus und Festungsbau dem armen Pöbel vorgemalt wird. Auf solche ihre Schriften fällt das arme Volk mit Gewalt, weil Adam sein gutes Futter darin findet. Denn äußerliches Kirchen- und Abendmahlgehen und bei unbekehrtem Herzen verrichtete gute Werke werden dem lieben Gott schon hoch angerechnet. Man hätte in Mecklenburg lange das Wort kräftig gepredigt. Die neue Buße mache tolle Leute und was dergleichen mehr, damit nur die armen Leute zurückgehalten werden. Dem allen ungeachtet gelingts doch dem Argen nicht allezeit, sondern Gott reißt immer einen nach dem anderen heraus aus ihren Stricken. Noch neulich ist ein gewisser Prediger nahe bei Rostock der Wahrheit beigetreten und scheut keine Verachtung. Ich hoffe, Gott wird noch große Proben seiner Gnade in Mecklenburg zeigen. Ich finde bei meinen Kindern dergleichen Ärgernis. Die Eltern sind ihnen sehr hinderlich, und ihre Sorge geht nur dahin, daß sie mit der neuen Lehre nicht angesteckt werden
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und, wenn sie im Äußerlichen bei mir nichts lernten, sollte meine Schule ziemlich leer sein. Allein Gott wird helfen, er wird dennoch helfen!"
Leider sind die folgenden Briefe des Hofkantors nicht erhalten. Das nächste Schreiben seiner Feder, das vorliegt, ist vom 8. Februar 1740 datiert. Drin meldet er:
"Meine Arbeit setze ich im Namen Gottes noch fort, obwohl unter Beschwerung des mali hypochondriaci. Ob ich nun an den armen Kindern sehr wenig Segen merke, gebühret mir doch, nicht faul, sondern desto ernstlicher und fleißiger zu sein, damit ich mein Gewissen rette. Oft denke ich zwar, daß ich ganz untüchtig zur Schule sei, doch glaube ich, daß es oft mehr eine Anfechtung als Wahrheit sei, wiewohl ich nicht viel Geschick an mir finde, so sehe ich doch, wie Gott ja immer noch Kraft dem Leibe und der Seele nach gönnet, meine Arbeit fortzusetzen, und eher kann ich meinem Herzen nicht glauben, bis Gott mir die erforderlichen Kräfte nicht mehr gibt. Und was die Schwachheit meines Leibes oft nicht zuläßt, wird er in Gnaden übersehen. Ich wollte es ja gern besser machen, wenn ich es nur könnte. Ich lerne nun durch Gottes Gnade mehr und mehr, was es heißt, aus Gnaden gerecht sein. Je älter ich werde, je mehr sehe ich mein Nichts. Aber nun sind die Worte: ,Aus Gnaden seid ihr selig worden' und dgl. von eben der Art mir Zucker, und der Saalfeldische Auszug aus Lutheri Schriften ist fast meine tägliche Kost. Der liebe H. Becker 4 ) schickte mir vor etlichen Tagen das Examenbüchlein über ,Christus gestern und heute'. Ich schreibe vor Gott, als ich es las, freute sich mein Herz, und zwei Tage darauf war ich so freudig, daß ich hüpfen mußte. Ich hatte den Spruch mein Lebenlang so lebendig nicht an meiner Seele erfahren. Ei, Jesus mache doch seine Unveränderlichkeit alle Tage groß in meiner Seele, so soll gewiß kein Umstand vorfallen, worin nicht besonderer Trost aus dieser unveränderlichen Liebe Jesu haben werde. Was sonst unser liebes Mecklenburg betrifft, so scheint das Licht immer in finstern Orten und macht doch viele hell. Seit Weihnachten hat der liebe Gott viele zur Versicherung seiner Gnade gebracht. Es ist was sonder-
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liches, wenn Seelen erweckt werden. Da bleibt es nicht bei Erweckung, sondern es geht in einem ernstlichen Gefühl des Elends bis zu Christo, und ruhen sie nicht eher, bis sie in ihren Seelen recht versichert sind. Die ihr Christentum nicht bis dahin bringen, bleiben nicht lange beständig, denn Verfolgung und Lästerung ist gleich mit bei. Unsere lieben Prediger stehen in großem Ernst und Hunger nach Seelen. Die groben Lästerungen werden immer mehr offenbar, daß auch viele einsehen, daß es Lügen sind, und Beifall geben. Gott helfe, daß wir das liebe Kreuz nicht einbüßen! Ich zweifle, daß wir gute Tage vertragen."
Fast umgehend, schon am 22. Februar, antwortete ihm Francke und bat um eingehenderen Bericht. Diesen erstattete Rudolph erst am 16. Juni:
"In unserem armen Mecklenburg siehet es bisher noch sehr schlecht aus, sonderlich unter den armen Geistlichen. Man sollte es fast nicht glauben, daß in einem solchen weiten Bezirk so gar wenige die Wahrheit erkennen, lieben und bekennen. Die allermeisten sind recht unverschämte grobe Lästerer, daß sie auch die allerunverantwortlichsten Lügen nicht nur billigen, sondern auch ihren beständigen Elenchum sein lassen und auf eine ganz greuliche Art die armen Seelen recht betäuben, der göttlichen Wahrheit nicht Raum zu lassen. Wenige sind wohl etwas überzeugt von der Wahrheit, allein Menschenfurcht und -gefälligkeit, wie auch die Begierde nach fleischlichen Tagen verhindert sie durchzubrechen. Diese hüten sich vor groben Lügen und Lästerungen, predigen mehr Wahrheiten, und doch, wenn mans recht besieht, sind sie mehr wider als für die Sache Gottes, indem ihr Leben und Lehre ganz konträre Dinge sind. Unsere fünf redlichen Prediger müssen also freilich in manchen sauren Apfel beißen und manchen Verdruß von den Übelgesinnten hinnehmen. Dem allen ungeachtet fahren sie fleißig fort, als treue Haushalter ihr Amt zu verwalten. Mein wertester Herr Hofprediger ist bisher dem Leibe nach immer unpäßlich gewesen, daß er seine Arbeit oft anderen überlassen müssen, findet sich aber jetzo merklich gestärkt. Unsere teuerste Fürstin befindet sich noch in gutem Wohlsein und ist noch recht wacker, auch wohl bereit, Gut, Ehre, Leib und Leben um der Ehre Christi willen aufzuopfern. Es werden durch das Wort Gottes immer noch Seelen über-
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zeugt, zur wahren Buße gebracht und zur Versicherung der Vergebung der Sünden geleitet. Zwei Exempel eines Kuhhirten und eines Schäfers sind besonders bemerkenswert. Da vielleicht mein lieber H. Merk von dem Kuhhirten Ihnen Nachricht gegeben, will ich einiges von dem Schäfer melden: Er ist in Mecklenburg geboren, hernach ins Schwedisch-Pommersche gezogen, hat die Schafe gehütet und seinem eigenen Geständnis nach eine sodomitische Sünde begangen. Darauf hat ihm Gott sein Gewissen sehr unruhig gemacht, er ist ganz tiefsinnig geworden, daß er seinen Beruf verlassen müssen und in Angst und Schwermut seines Herzens beständige Unruhe empfunden. Er ist zu den Predigern gegangen, die ihm bald Bußpsalmen bald Bußlieder gezeigt, daran er sich halten sollte, welche aber alle kein Genüge tun wollen. Oft hat man ihm Medikamente oder Lustbarkeiten gebracht, aber die Seele hat diese Kuren nicht empfunden, sondern ist wie ein beständig unruhiges Meer gewesen. Er ist in Stralsund bei dem Generalsuperintendenten gewesen und hat gemeint, dieser große gelehrte Mann würde was für seine bekümmerte Seele wissen. Allein er gibt ihm ein Buch von der Melancholei. Als er darinnen liest, findet er eine Stelle, wo der Verfasser geschrieben, wer reich werden wolle, müsse 60 Jahre nicht denken, daß er eine unsterbliche Seele habe. Dies nimmt ihm alles Vertrauen zu dem Buche, und er gibt es wieder zurück. Endlich sagt der Generalsuperintendent, er solle es nicht achten. Der Satan fechte ihn auch oft mit Sünden an, dafür wäre Christus gestorben. Aber er muß also ohne Trost sich von ihm begeben. Er denkt endlich, er will eine Mordtat ausüben oder eine andere Übeltat, damit man ihm das Leben nehme. Dann würde sein nagend Gewissen stille werden. Er geht hierauf zu dem Prediger, der ihn zum Abendmahl vorbereitet hatte, und bittet, es zu vermitteln, daß er der Obrigkeit in die Hände gegeben werde, daß sie ihn am Leben strafe. Dieser schickt ihn ohne Trost nach dem Konsistorio in Greifswald. H. D. Rusmeyer 5 ) versuchts auch mit etlichen Sprüchen, die von Vergebung der Sünden handeln, und will ihn damit trösten. Als aber der Trost nicht gleich haften will, sagt er ihm, er müsse nach Mecklenburg
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gehen, an den Ort, wo er geboren, und sich sein Recht tun lassen. Da reist er auch gleich fort, kommt nun zu einem Edelmanne, dem H. von Viereck, der in Halle studiert und oft bei uns ist, die Wahrheit wohl erkennt, aber wenig danach tut. Als er zu ihm kommt, erzählt er, wie ihm alle Prediger nicht zu helfen wüßten, darum so wollte er sich hiermit in sein Gericht geliefert haben und bittet, ihn bald dem Tode nahe kommen zu lassen. Allein der H. von Viereck sieht wohl, daß er noch schlecht zubereitet ist, verspricht ihm zwar, ihn anzunehmen, man wisse nicht, was Gott tun könne. Kein Prediger aber will sich an ihn machen, er wird als ein Malefikant gehalten. Es läßt der Edelmann auch H. Pastor Hennings holen, weil der in sonderem Rufe stehet. Aber er fährt wieder weg, wie er gekommen, und redet nicht ein Wort mit ihm. Als der Edelmann sieht, daß sich niemand seiner annehmen will, schreibt er an unseren H. Oberhofmeister von Maltzan und erkundigt sich, ob sich unsere Prediger des armen Mannes annehmen würden. Da er die Versicherung erhält, schickt er ihn nach Dargun und gibt Kostgeld für ihn. Als er zu uns kam, weinte er bitterlich, als er hörte, daß er in Dargun wäre, weil ihm der Ort längst verhaßt gemacht war. Als er aber mit in die Erbauungsstunde ging, ward er ganz lebendig, als er nur die Ordnung hörte, wie ein armer Sünder aus Gnaden um Christi willen gerechtfertigt werde, wenn er nur im Glauben das Verdienst Christi sich aneigne. Er ist ganz freundlich, ist auch mit ihm wohl umzugehen. Seinen Bart hat er nie geschoren, denn er meinte, darin bestünde etwas. Er trägt auch nur Leinenkleider und von Schafsfellen, welches ihm auch noch ziemlich anhängt. Den Bart schneidet er sich nun ab, von Kleidern wird er auch schon noch loskommen. Es fehlt ihm nichts mehr, als daß er noch nicht recht fest ist in der Gnade. Wir haben aber das Vertrauen zu Gott, er werde ihn zur völligen Freude und Siege des Glaubens bringen."
Recht ausführlich ist des Hofkantors Bericht vom 25. Januar 1747:
"Da Ew. Hochehrw. von mir begehren, einige specialia von unserem Prinzen Friedrich zu überschreiben, habe solches nicht ermangeln wollen. Als die ganze hochfürstliche Herrschaft von Schwerin einmal bei uns war, ist der Prinz also
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als eine redliche Seele offenbar geworden. Er gab nicht nur alles recht, was von wahrer Buße gelehret und gepredigt wurde, sondern erzählte auch, daß er ebendergleichen an seiner Seele erfahren hätte. Weil er aber von den sogenannten Mitteldingen, Tanzen und Spielen, noch nicht gänzlich los war, wurde ihm damals noch nicht völlig getraut, daß er eine wahre Rechtfertigung erfahren. Eines Tages aber kommt er sehr spät zu unserem H. Oberhofmeister auf sein Gemach und redet allerlei Gutes mit ihm in Meinung, der H. Hofmeister solle ihn zum Gebete nötigen, weil ihm sehr viel daran gelegen gewesen, mit Kindern Gottes auf den Knien zu beten. Allein der H. Hofmeister läßt ihn ohne Gebet aus Respekt von sich, worüber der teure Prinz in große Not gerät. Vor Kummer kann er fast die ganze Nacht nicht schlafen, kommt frühmorgens zeitig wieder zu dem H. Hofmeister von Maltzan aufs Gemach und redet wieder viel Gutes. Endlich fragt er, ob es nicht gut sei, wenn man mit anderen oft sich im Gebet vereinige. Als der H. Hofmeister es bejahte, spricht er: ,Ei, so wollen wir doch auch mit einander beten.' Sie fallen also nieder, und schüttet der teure Prinz sein Herz recht frei vor Gott aus. Hernach spricht er, nun sei er den Stein vom Herzen los, nun wolle er durch Gottes Gnade alles, was er mit Schlägen seines Gewissens aus Furcht vor dem Vater getan, von Herzen abandonieren und erzählet vieles, was Gott auf seiner Reise bereits in fremden Landen getan, wie Gott an ihm gearbeitet und vor ungefähr etlichen Wochen bei Genuß des h. Abendmahls ihn seiner Gnade mit himmlischer Freude und süßem Trost im Herzen versichert. Da er nun in Dargun so viel deutlicher höre, wie es mit der wahren Bekehrung zu Christo gehen müsse, könne er in allen Punkten nur ja und amen dazu sagen. Er hätte einen solchen Hunger nach Gottes Wort, daß er gern mit in des H. Hofpredigers Haus zur Repetition der Predigt und anderen Erbauungen gegangen wäre. Es wurde ihm aber nur einmal erlaubt. Zu anderer Zeit haben unsere gnädigste Fürstin die Erbauung im Tafelgemach halten lassen oder sind persönlich mit in des H. Hofpredigers Hause gewesen, damit der Prinz die Gelegenheit auch dazu hätte. Das Wort Gottes wäre ihm so teuer, daß er jährlich 200 T. darauf wenden wollte, wenn des H. Hofpredigers Predigten könnten nachgeschrieben
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werden, welches aber aus Mangel der Leute nicht möglich war. Er hat auch dem Spiel und Tanzen gleich abgesagt und allen Unwillen übernommen, daß er darüber oft in Ungnaden gekommen und mit harten und schimpflichen Worten sich deshalb müssen bestrafen lassen. Er fährt fort in dem angefangenen Guten, und da durch sein Beispiel schon manche Seele erweckt, auch zur wahren Bekehrung durch Gottes Gnade gebracht worden ist, so ruhet der Teufel freilich nicht, ihn zu verlästern. Er soll seinen Bissen Brot mit Seufzern essen, weil ihm bei der Tafel fast auf jedem Bissen ein Dorn mitgegeben; und weil er den kindlichen Respekt gegen seinen Vater beweisen muß, muß er manche bittere Pille verschlucken. Er soll nicht einmal recht sicher sein, einen Brief zu schreiben, weil ihn der Vater oft überfällt, und wo er was findet, ihn hart anläßt. Briefe an ihn müssen oft durch Freunde an ihn gelangen, daß sie ihm nicht entzogen werden. Denn es wird gar nicht gern gesehen, daß er solche erbauliche Korrespondenz führt, weil man meint, das sei nicht fürstlich. Sein Vater bezeuget ihm oft, daß er die einzige Ursache seines Mißvergnügens sei, weil er so ein Leben führe, mit dem niemand zufrieden sei und im ganzen Lande zum Spott und Hohn werde. Es werden andere mit ihrer List und Schalkheit an ihn gebracht, ihm allerlei üble Gedanken von den bekehrten Predigern und anderen Seelen beizubringen, allerlei Lügen und Lästerungen werden ihm vorgebracht. Allein er weist sie getrost ab und weiß, daß es Lügen sind. Er soll oft in solches Gedränge kommen, daß er sich wie ein Wurm vor Gott schmieget und die Verheißungen nur immer zu seinem Schilde machet. Er muß Sehen, wie am schwerinschen Hofe durch Komödianten der Eitelkeit die Tür geöffnet, auch gar gute Seelen mit Ernst dazu angehalten werden beizuwohnen bei Vermeidung fürstlicher Ungnade, wie denn wirklich ein gläubiges Fräulein deshalb ihre Entlassung vom Hofe erhalten hat. Sein Vater legt ihm öfters auf, die Streitschriften zu lesen, die wider die Lehrer der wahren Bekehrung geschrieben. Er braucht aber, wie er selbst bezeugt, den Vorwand, er habe es nicht nötig. Er habe ja alles in seiner Seele selbst erfahren und wäre davon göttlich überzeugt. Weshalb solle er da erst fragen oder aus menschlichen Affekten geschriebene Schriften lesen. Solle denn ein Lebendiger in Büchern nachforschen, ob er lebe."
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"Bei seiner Durchreise durch Bützow war eine fürstliche Person krank. Er fiel bei ihr auf seine Knie und betete um ihr Wohl herzlich, welches ihm vor despektierlich ausgelegt wurde. Allein er gab ungefähr die Antwort: Es schicke sich eher, vor Gott die Knie zu beugen, als wenn man sie bei anderer Gelegenheit als Gesundheitstrinken beuge. Als er mit dem Herzog in Güstrow auf dem Landtage war, schärften die Herren Prediger ihre Schwerter gegen ihn ziemlich. Einer, der die Ursachen des schlechten Zustandes unseres Landes anführte, brachte auch diese mit ein, daß man die Bekehrung so lasse überhand nehmen und ihr nicht steure, auch gar, daß selbst hohe Häupter endlich nicht mehr frei blieben, sondern daran teilnähmen. Darauf hat der Herzog den Prinzen angesehen, dieser aber geantwortet: ,Das sind Lügen.' Der Herzog versetzt: ,Er ist doch ein Knecht Gottes.' Der Prinz: ,Er ist ein Knecht des Teufels.' Der Herzog: ,Ei, behüte Gott. Bitte ja Gott diese Sünde ab.' Der Prinz: ,Wäre er von Gott, würde er anders predigen.' Ein anderer Prediger in Schwerin hatte den Prinzen fast mit Namen auf der Kanzel genannt. Er läßt ihn rufen. Der Prediger will anfänglich nicht kommen. Als er aber kommt, leugnet er, daß er ihn damit gemeint. Der Prinz erzählt ihm, was Gott an ihm getan, worüber der Prediger seine Freude bezeugt. Er sagt dem Prediger auch die Wahrheit. Allein er ist nur froh, daß er von ihm kommt. Der Prinz bittet ihn, ihn oft zu besuchen, allein er entschuldigt sich, er wäre nicht sein Beichtvater. Bei der Vermählung des Prinzen, die ja mehr nach Willen des Herzogs als nach seinem Willen eingerichtet, wiewohl Gott alles weiß gut zu machen, schrieb er gar beweglich, Kinder Gottes sollten doch dem lieben Gott seine Verheißungen vorhalten, damit sich Gott der ganzen Sache annähme. Als einmal der Herzog in Gegenwart eines gläubigen Kammerjunkers ihm hart zuredet, davon abzustehen, beruft sich der Prinz auf Gottes Wort. Der Herzog sagt, andere wären doch auch Christen und legten doch so nicht alles bei Seite. Er wäre ja auch ein wahrer Christ. ,Ist es nicht wahr, Booth?', sagte er zum Kammerjunker. Der Kammerjunker antwortete: ,Ihre Durchl., wo wären Sie zum wahren Christentume gekommen? So und so haben Sie gelebt, und man hat nie gehört, daß Sie eine wahre
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Bekehrung erfahren. Wie können Sie ein wahrer Christ sein?' Darauf wird er still und geht davon."
"So gehts auch einmal in Bützow, wo vor etlichen Jahren sich ein recht heroischer und munterer Prediger zu Gott bekehrte. Dieser ist auch bei Hofe und tritt mit auf des Prinzen Seite. Der Herzog verlangt von ihm zu wissen, ob ers auch mit den Dargunschen hielte. Er antwortet, mit der Lehre, die in Dargun gepredigt und gelehrt wird, hielte er es von ganzem Herzen, und so hätte er es auch an seiner Seele erfahren. Der Herzog: ob er auch glaube, daß Tanzen, Spiel usw. Sünde sei, wie die dargunschen Prediger. Er bittet, der Herzog wolle ihn damit verschonen. Aber der Herzog dringt auf eine Antwort. Hierauf antwortet er, es falle ihm hierbei ein, was von dem sel. H. Prof. Francke in Halle ihm erzählt sei. Als diesen auch einmal eine Standesperson um diese Dinge befragt habe, habe er zur Antwort gegeben: ,Der Herr bekehre sich nur erst, alsdann wollen wir wohl damit übereinkommen.' Worauf der Herzog genug hat und geht fort. Mehreres anzuführen, macht meinen Brief zu groß. Ew. Hochehrw. werden schon hieraus abnehmen, daß man sich mit Recht gute Gedanken von unserem teuersten Prinzen macht. Was ich aber von unserem Herzog geschrieben, steht mir ja freilich nicht wohl an. Obwohl alles wahr ist, würde es doch nicht für gut ausgelegt werden, und wenn ich es nicht in sichere Hände überschickte, würde Bedenken tragen. Wollten aber Ew. Hochehrw. von einem und anderen deutlicheren Bescheid haben, bitte es mir zu benennen. Wenn ich mir Mühe gebe, kann ich alles erfahren von unserem H. Hofmeister und dem H. Hofprediger. Ich wollte auch manche Sachen, welche sehr wunderseltsam aussehen, berichten, was hier und da passiert, wo Ihnen nicht zu weitläufig würde. Sonderlich ist ein jetzt landskundiges Spektakul (mags wohl so nennen) in Untersuchung."
Noch liegt ein Schreiben Rudolphs vom 6. Oktober 1756 vor. Nach dem Tode der Fürstin 6 ) wolle der jetzt regierende Herzog 7 ) ihn nach Schwerin an eine kleine Schule versetzen. Der Hofprediger sei Superintendent in Parchim geworden und habe 110 Prediger unter sich. Die fürstlichen Lakeien seien
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zu Küstern in den Städten und auf dem Lande, auch zu Kastellanen auf fürstlichen Häusern gemacht. In Neustadt werde wohl ein Waisenhaus angelegt, auf dem gute Schulmeister ausgebildet werden sollen. "Es lassen der durchl. Herzog gewiß keine Gelegenheit vorbei, wo etwas Gutes zu schaffen, und wird jetzo in unserem Lande die Lästerstimme wenig gehört. Es will jetzt alles fein und gut sprechen. Ach, daß man ein solches Herz hätte. Der H. Flörke ist Prediger in hiesigem Amte zu Alt Kalden 8 ), der Pagenhofmeister Buck 9 ) wird Prediger im Städtchen Schwan. Man hat mir gesagt, daß der H. M. Döderlein 10 ) solle zum Professor der Theologie in
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Rostock berufen werden. Alle die, denen ich in Ihrem Namen die malabarischen Nachrichten überreicht, haben mich allezeit gebeten, wenn ich schreibe, herzliche Grüße nicht zu vergessen." Noch hören wir, daß Rudolphs Sohn damals in Halle studierte. "So viel mir möglich, will ich ihm helfen. Doch in unserer hochseligen Fürstin ist mir eine gute Mutter abgestorben, welches jetzt schon ziemlich fühle."
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Als älteste Urkunde ist die Zehntverleihung Bischof Bernos vom 1. Februar 1177 1 ) überliefert worden. Das Original ist nicht mehr erhalten. Im Doberaner Diplomatar aus dem Ende des 13. Jahrhunderts ist sie nicht aufgezeichnet worden. Überliefert ist sie nur in einer Abschrift des Schweriner Staatsarchivs vom 16. Dezember 1343, die durch mehrere Geistliche und Notare beglaubigt worden ist. Sie befand sich also zu der Zeit, als das Diplomatar angefertigt wurde, offenbar noch nicht im Besitz des Klosters. Nachrichten darüber, wie sie später in das Kloster gekommen ist, sind nicht erhalten. Dennoch reicht die Begründung, daß eine solche Urkunde Bernos sicher beim Brande des Klosters vom Jahre 1179 vernichtet worden sei, nicht aus, den überlieferten Text von vorneherein als Fälschung abzuurteilen 2 ), wenn nicht andere wesentliche Verdachtsgründe hinzukommen. Außer M.U. 122 ist aus den ersten Jahrzehnten der Abtei noch eine zweite Zehntverleihung überliefert, die noch im Original erhalten ist und keinerlei Anlaß zum Verdacht bietet, die Urkunde des Bischofs Brunward von Schwerin vom 3. Oktober 1232 3 ). In ihr bestätigt er den Besitz des Klosters an Zehnten und anderen geistlichen Rechten, wie sie von Bischof Berno verliehen worden seien, und fügt neue Verleihungen hinzu. Brunward beruft sich in der Narratio ausdrücklich auf ein Privileg des Klosters, das seiner Urkunde bei ihrer Abfassung zugrunde gelegt worden sei.
Zunächst müßte man annehmen, daß M.U. 122 diese Vorurkunde sei, und darauf deuten auch manche Wendungen in der Narratio hin, wie der folgende Vergleich zeigt:
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M.U. 122. | M.U. 406 (3. Okt. 1232). |
Cum enim Pribizlaus ... instinctu nostro ... numerum terminumque prediorum vel possessionum ... circumquaque constituisset, quoniam ad nos decime spectabant, nos pro voluntate ducis Heinrici cum consensu tocius ecclesie nostre in eisdem prediis et possessionibus decimas eciam contulimus. ... | Nam cum Pribislauus ... iam dicti pontificis (Bernonis) consilio et instinctu ... circumquaque possessiones et predia designasset, quoniam ad episcopum decime spectabant et iura ecclesiastica, pro voluntate pii principis Heinrici ducis Saxonie et consensu ecclesie Zuerinensis de prediis et possessionibus decimas obtulit. ... |
Quod si quicquam ex hiis prediis ... subtractum fuerit, decime tamen nichilominus illis perpetuo permanebunt | si forte ... quicquam ex ipsis prediis abalienari contingeret, decime tamen ... perpetuo permanerent. |
In der Liste der Ortschaften, deren Zehnten verliehen werden, weichen sie aber so auffällig voneinander ab, daß die Annahme, Brunward habe für M.U. 406 die überlieferte Urkunde M.U. 122 benutzt, fallen gelassen werden muß. Die Listen nennen in:
M.U. 122. | M.U. 406. |
Doberan, Parkantin, villa Slavica Doberan, Putecha, Stulue, Raducle, Crupelin, Wilsne, quatuor ville in Cubanze, scilicet villa Bruze, Germari et due ville Brunonis; et est terminus ad occidentem Dobimerigorca, ad aquilonem vero terminat mare. | decimam loci ipsius, in quo prefatum monasterium situm est, cum omnibus pertinentiis suis, decimam Doberan, Domastiz, Parkentin, Wlisne, Putechowe, Stvlouue, Radekle, decimam quatuor villarum in Cobanze, scilicet Crupelin, Brusouue et duarum villarum Brunonis; estque terminus ad occidentem collis, qui slavica lingua dicitur Dobimerigorca, ad aquilonem terminum facit mare. |
Auch hier finden sich auffallende Übereinstimmungen, wie etwa zum Schluß die Grenzbestimmungen. Bezeichnend ist dabei aber für M.U. 406, daß es Dobimerigorca erklärend einleitet mit: collis, qui slavica lingua dicitur, da der
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Sinn des Namens offenbar 1232 schon nicht mehr überall verstanden wurde. Dies Streben, alte Namen zu erklären oder durch neuere gebräuchliche zu ersetzen, scheint auch bei Aufstellung der übrigen Liste in M.U. 406 maßgebend gewesen zu sein. Dahin weist der auffallende Unterschied in den Namen der Dörfer der Landschaft Cobanze. M.U. 122 nennt als die vier Dörfer, deren Zehnten Berno dem Kloster übertragen habe: villa Bruze, Germari et due ville Brunonis; M.U. 406 setzt statt dessen: Crupelin, Brusowe et duarum villarum Brunonis. M.U. 122 wie M.U. 406 heben in der Narratio besonders hervor, daß diese erste Zehntverleihung Bischof Bernos für ewige Zeiten erfolgt sei. Wenn M.U. 406 in Cobanze auch nur vier Dörfer aufführt, deren Zehnten Berno dem Kloster geschenkt habe, und die angebliche Verleihungsurkunde Bernos von 1177 auch nur vier Dörfer nennt, von denen die beiden zuletzt genannten in beiden Urkunden gleich lauten, so bleibt kein anderer Schluß, als daß auch die beiden anderen Dörfer trotz verschiedener Namen in beiden Urkunden dieselben sind. M.U. 406 hat hier nur die Änderung vorgenommen, die alten Namen der Bernourkunde durch die 1232 gebräuchlicheren zu ersetzen. Auf Zusammenhänge zwischen beiden Urkunden an dieser Stelle deutet auch das bei beiden einleitende scilicet und die gleiche Stellung der beiden Brunodörfer in der Anordnung hin. Danach muß villa Bruze, Germari von M.U. 122 mit Crupelin und Brusowe von M.U. 406 identisch sein. Verhältnismäßig einfach ist die Gleichung villa Bruze = Brusowe. Hindernd stand dieser Annahme bisher eine Glosse im Wege, die sich im Doberaner Diplomatar zur Urkunde des Jahres 1192 bei dem Worte Bruze findet: Bruze in slavico est Thidericus in theutonico 4 ), und der Umstand, daß M.U. 152 die villa Bruze und Brusowe als zwei verschiedene Dörfer aufführt. Die Berufung auf M.U. 152 ist hinfällig, wenn diese Urkunde als gefälscht oder wenigstens als stark interpoliert sich erweist 5 ). Das Glossar Bruze = Thidericus reicht aber allein nicht aus, Bruze mit "Dietrichshagen oder einem ostwärts in der Nähe belegenen Dorf" 6 ) gleichzusetzen; schon der zweite
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Bestandteil Hagen des Dorfnamens spricht dagegen. Ist villa Bruze aber mit Brusowe identisch, so wird villa Germari der ältere Name der späteren Stadt Kröpelin sein oder wird die spätere Stadt Kröpelin auf der Dorfflur des ehemaligen Germersdorf entstanden sein. Dafür spricht auch der Umstand, daß die Namen villa Bruze und villa Germari nur in M.U. 122 und der sich als Fälschung auf Grund von M.U. 122 und 406 erweisenden Urkunde M.U. 152 5) vorkommen.
Für die Kritik von M.U. 122 ist entscheidend, daß in ihm Kröpelin und das eben besprochene Germersdorf als zwei verschiedene Ortschaften aufgefaßt werden, von denen nur die eine, nämlich Germersdorf, in die Landschaft Cobantze verlegt wird. Zum letzten Male taucht der Name Cobantze in mecklenburgischen Urkunden 1232 auf; daraus, daß er später nie wieder erwähnt wird, ist zu schließen, daß er nicht mehr gebräuchlich war; vielleicht trug die Entwicklung Kröpelins zur Stadt mit dazu bei, ihn allmählich verschwinden zu lassen. Dann wird M.U. 406 erst niedergeschrieben worden sein, als die klare Vorstellung vom Lande Cobantze geschwunden war, also nach 1232; aber es haben ihm Aufzeichnungen aus älterer Zeit zugrunde gelegen, aus denen die in ihm verwendete Formulierung über die vier Dörfer in Cobantze entnommen worden ist. Auffällig ist ferner die Stellung des Dorfes Wilsen in M.U. 122, das hinter Crupelin vor die Cobantzedörfer gestellt worden ist, während es M.U. 406 auf Parkentin folgt. M.U. 406 wandert in seiner Aufzählung von Osten nach Westen und richtet sich nach der geographischen Lage der einzelnen Ortschaften. M.U. 122 folgt sonst demselben Grundsatz, ausgenommen ist davon nur Wilsen. Im Hauptarchiv in Schwerin befindet sich eine Urkunde vom 8. April 1189 7 ), nach der das Gut Wilsen nicht von Pribislav, sondern von Niklot von Rostock geschenkt worden ist. Diese Schenkung wäre, wenn M.U. 147 echt ist, erst nach der ersten Dotation durch Pribislav erfolgt 8 ). In der ältesten Zehntverleihung Bernos, die sich auf die Schenkungen Pribislavs bezog und bei Gründung des Klosters erfolgt sein mag, werden daher die Zehnten und die geistliche Gerichtsbarkeit von Wilsen nicht mit aufgeführt worden sein, sondern erst in einer zweiten Urkunde aus der Zeit von 1172 bis 1179 8 ). Vielleicht ist
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darauf die auffällige Stellung von Wilsen in M.U. 122 zurückzuführen. M.U. 122, das sich an den Wortlaut der älteren Aufzeichnung hielt, gab zunächst die alte Liste und fügte dann das später hinzugekommene Wilsne an, während M.U. 406 von sich aus Wilsen dort in die Liste einsetzte, wo es sich geographisch am besten einordnen ließ.
Fast wörtlich stimmen beide Urkunden überein in der Bewidmung des Klosters mit den übrigen geistlichen Rechten in den angeführten Ortschaften:
M.U. 122. | M.U. 406. |
Ecclesiarum autem disposicio infra loca predicta et sacerdotum constitucio vel baptismus ac sepultura mortuorum, necnon et ius sinodale, quod bannum vocatur, ad abbatis curam pertinebit. | Ecclesiarum vero dispositio infra terminos constitutos et sacerdotum constitutio vel baptismus et ius synodale, quod bannum vocant, ad abbatis providentiam pertinebit. |
M.U. 122 kann wegen der Liste der zehntpflichtigen Ortschaften nicht die Quelle von M.U. 406 gewesen sein. Dennoch finden sich in beiden so auffällige Anklänge, daß eine Verwandtschaft nicht geleugnet werden kann. Die einzige Möglichkeit für eine Erklärung dieser eigentümlichen Erscheinung bleibt, daß beide auf eine ältere Aufzeichnung zurückgehen. M.U. 406 hat den alten Text modernisiert, M.U. 122 hat die ursprüngliche Form nach Möglichkeit beibebalten, aber in dem Verzeichnis der zinspflichtigen Ortschaften Interpolationen vorgenommen, wie das Beispiel Kröpelins und Wilsens zeigt. Die ursprüngliche Liste, auf die beide zurückgehen, wird demnach gelautet haben:
Doberan, Parkentin, villa slavica Doberan, Putecha, Stulue, Raducle, quatuor ville in Cubanze, scilicet villa Bruze, Germari et due ville Brunonis.
Für die Bestimmung der Zeit, wann vielleicht M.U. 122 entstanden sein kann, bietet eine weitere Handhabe die Verleihung von Zehnten an das Kloster Dargun durch Bischof Berno 9 ). Daß ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Urkunden besteht, zeigt deutlich die beiden gemeinsame eigentümliche Form der Salutation: omnibus successoribus suis et omnibus (Christi) fidelibus salutem in perpetuum.
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Kunkel 10 ) nimmt an, daß vor omnibus successoribus suis die Adresse des Abtes etwa in der Form abbati N. et ausgefallen sei; er übersieht dabei, daß die erhaltenen Urkunden dieser Zeit in solchen Fällen fast stets eius und nicht suis gebrauchen. Wesentlich für diese Untersuchung ist aber, daß dieselbe auffällige Salutation sich in Urkunden zweier verschiedener Klöster findet. Als das Doberaner Diplomatar aufgezeichnet wurde, war M.U. 122 im Kloster Doberan noch nicht bekannt; daß die Doberaner Mönche sich aber in Dargun Rat geholt haben sollten darüber, wie wohl die Eingangsformeln der Berno-Urkunde gelautet haben möchten, ist nicht anzunehmen. Anders war die Lage, als 1258 das Generalkapitel der Zisterzienser in Citeaux die Ansprüche des Klosters Esrom an das Kloster Dargun abwies und dem Kloster Doberan zusprach 11 ) und als am 7. Juni 1259 Kloster Esrom infolge Schiedsspruchs des Abts von Clairveaux alle das Kloster Dargun und die Paternität über dasselbe betreffenden Urkunden an das Kloster Doberan gegen eine Zahlung auslieferte 12 ). Über die Narratio und die Dispositio der ursprünglichen Berno-Urkunde waren in Doberan noch alte Aufzeichnungen vorhanden; es fehlte aber ein Muster für die Intitulation und die Salutation. M.U. 125, die Zehntverleihung Bernos für das Kloster Dargun, die damals vielleicht von Esrom mit nach Doberan gesandt wurde, leistete den Doberaner Mönchen die gewünschten Dienste.
Für diese Annahme spricht auch die Zeugenliste von M.U. 122. Sie lautet folgendermaßen: Berno, Remigius, Gregorius, Herebertus, Guncelinus, Reinerus, Sigero, Samuel, Johannes et tres filii eius Heinricus, Bertoldus et Johannes. Jede weitere Bezeichnung fehlt in der Liste. Die Namen klingen alle deutsch, und man würde daher annehmen müssen, daß ihre Träger in naher Beziehung zum Bischof Berno standen. Für einige von ihnen gibt Auskunft die Darguner Urkunde Bernos M.U. 125 zum Jahre 1178, wo als Schweriner Kanoniker Heribertus, Remigius und Berno aufgezählt werden; dann wird man auch den Gregorius als Domherrn ansprechen können. Der Name Sigero kommt bis 1200 in Mecklenburg und Holstein nur noch einmal vor.
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Es handelt sich hierbei um einen Ministerialen der Bremer Kirche, der in der Zeugenliste einer Urkunde des Erzbischofs Baldwin von Bremen vom 1. Juli 1174 für Neumünster unmittelbar nach Graf Gunzelin von Schwerin und seinem Sohne Heinrich genannt wird. Ist der Sigero von M.U. 122 mit diesem Bremer Ministerialen identisch, so würde Gunzelinus dem Schweriner Grafen Gunzelin entsprechen. Reinerus wäre dann weltlicher Zeuge; ob er aber mit dem Schweriner Ritter Reinbertus oder dem Schweriner Bürger Reingerus von M.U. 125 gleichzusetzen ist, läßt sich auf Grund des vorhandenen Quellenmaterials nicht entscheiden. Für die anderen Zeugen fehlt jede weitere Nachricht. Möglich ist also, daß die Zeugenliste von M.U. 122 wie die Dispositio und die Narratio auf ältere Aufzeichnungen zurückgeht. Sonderbar bleibt aber auch für die Zeit von 1177 ihre Form. Vielleicht hatte man in dem angenommenen Exzerpt nur die Namen der Zeugen verzeichnet 13 ). Der Umstand, daß die bestimmbaren Zeugen von M.U. 122 sich gerade in M.U. 125 finden, läßt allerdings noch die Möglichkeit offen, daß auch sie erst aus M.U. 125 übernommen worden sind.
Dann wäre der Terminus a quo für M.U. 122 erst das Jahr 1259. Der Terminus ad quem würde sich ergeben, wenn es gelänge, den Zweck ausfindig zu machen, dem diese Fälschung dienen sollte. Einen Fingerzeig in dieser Hinsicht gibt vielleicht der Schlußsatz der Narratio. Es heißt dort: die Zehnten sollten den Mönchen unter allen Umständen verbleiben, auch wenn eins dieser Güter ihnen in Zukunft durch Böswilligkeit auf dem Wege der Kirchenschändung entzogen werden sollte 14 ). M.U. 406 setzt hier den milderen Fall, daß überhaupt einmal der Besitz eines dieser Dörfer dem Kloster genommen werden könnte 15 ). Es scheint also, als ob M.U. 122 hergestellt worden sei, um mit seiner Hilfe einen drohenden Angriff auf einen dieser Zehnten abzuwehren.
Von Bedeutung für den Terminus ad quem ist eine Untersuchung der Urkunde Borwins I. vom Jahre 1192 für das Doberaner Kloster 16 ).
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M.U. 152 enthält keine Verleihung von Zehnten, sondern eine Bestätigung von Landbesitz durch Borwin I.; aber es steht in nahen Beziehungen zu M.U. 122 und M.U. 406. Das ergibt zunächt schon ein Vergleich der Narratio und der Dispositio der drei Urkunden:
M.U. 122. | M.U. 152. | M.U. 406. |
Cum enim Pribizlaus ... princeps Slavorum instinctu nostro omnipotenti deo et beate Marie predium in Doberan ad construendam abbaciam optulisset et numerum terminunque prediorum vel possessionum ad usum fratrum inibi deo serviencium circumquaque constituisset. | qualiter ad instinctum primi episcopi Bernonis Magnopolensis predictus princeps (Pribizlaus) omnipotenti deo et beate atque perpetue virgini Marie predium in Doberan ad construendam abbatiam obtulerit et numerum terminumque abbatie in prediis et possessionibus ad usum fratrum inibi deo servientium circumquaque constituerit ... | Nam cum Pribislauus Slavie dominus et princeps Magnopolensis iam dicti pontificis consilio et instinctu |
... locum moasterii in Doberan Cysterciensis ordinis ad dei omnipotentis servicium eiusque piissime genitricis famulatum pro nostra nostrorumque heredum qualitate delictorum ... renovando. | pro suorum qualitate delictorum ad dei omnipotentis servitium eiusque piissime genitricis famulatum abbatie Doberan construende circumquaque possessiones ... designasset. |
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Drei Möglichkeiten für eine Erklärung sind vorhanden:
1. M.U. 152 geht hier auf die alten Aufzeichnungen zurück, die M.U. 122 und 406 zugrunde lagen;
2. M.U. 152 ist das Muster für M.U. 122 und M.U. 406 gewesen;
3. M.U. 152 ist nach dem Vorbild von M.U. 122 und M.U. 406 hergestellt worden.
In der Narratio von M.U. 152 war berichtet worden, daß Pribislav auf Bernos Veranlassung hin ein Gut in Doberan (Althof) zum Bau einer Abtei geschenkt und Zahl und Grenzen der dem Kloster verliehenen Güter und Besitzungen bestimmt habe. Infolge des Wendenaufstandes habe er aber seinen Plan nicht durchgeführt. Sein Sohn Borwin habe aus besonderer Zuneigung zum Kloster das, was der Vater begonnen hatte, beendet und dem Kloster den vom Vater beabsichtigten Besitz und die damals vorgesehenen Rechte erneuert. Mit Zustimmung seiner Söhne Heinrich und Nikolaus habe er deshalb das Kloster mit Gütern und Besitzungen ausgestattet, "in deren Gesamtheit sowohl seines Vaters wie seine eigene Gabe enthalten sei" .
Die Deutung dieser Erzählung stößt auf Schwierigkeiten. Zunächst nimmt es wunder, daß Pribislavs Sohn Borwin anscheinend nicht weiß, daß sein Vater schon vor der Wendenerhebung gestorben ist; er verunglückte am 30. Dezember 1178 auf einem Turnier in Lüneburg. Nur sein Tod kann ihn verhindert haben, sein Vorhaben hinsichtlich Doberans zu Ende zu führen, aber nicht die Erhebung der Wenden. Die letztere könnte höchstens für Borwin selbst zur Entschuldigung dienen, daß er erst so spät daran gegangen sei, seines Vaters Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Offen bleibt ferner die Frage, ob die verliehenen Güter schon alle oder nur zum Teil vom Vater für das Kloster bestimmt waren, und wenn letzteres der Fall war, welche Güter Heinrich über Pribislavs Plan hinaus von sich aus dem Kloster geschenkt habe. Die zuerst erwähnte Unklarheit macht nicht gerade wahrscheinlich, daß die Urkunde zu einer Zeit abgefaßt ist, als die Erinnerung an die Ereignisse von 1178 und 1179 noch lebendig war, wie man für das im Eschatokoll angegebene Jahr 1192 erwarten könnte.
Ernsthafter sind die Bedenken, die sich gegen die Dispositio von M.U. 152 erheben. Auszugehen ist bei ihrer Untersuchung von M.U. 191, der Bestätigung Innocenz' III. für das Kloster
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vom 25. November 1209, die im Orginal erhalten ist und durchaus den Eindruck der Echtheit macht.
Es sein zunächt die Angaben über Besitzungen des Klosters nebeneinander gestellt, die sich in den Urkunden der Zeit von 1192 bis 1231 finden:
M.U. 152. | M.U. 191. | M.U. 239. | M.U. 258. | M.U. 391 |
(25. Nov.1209) | (1218). | (1. Aug. 1219) | (28. Okt. 1231). | |
locus ipse, in quo monasterium situm est in Doberan, cum omnibus pertinenciis suis,item Doberan, Wilsna, Stubelowe, Parkentin, Stulowe, Domastiz, Putekowe, Brusowe, Radecle, Crupelin, Boianeviz, quatuor ville in Cubanze, scilicet villa Bruze, Germari et due ville Brunonis ... Preterea donavimus ... Rybeniz, Virpene, Radentin, Polaz, Koneredam, Glyne ac predium in Pole. | locum ipsum, in quo prefatum monasterium situm est, cum omnibus pertinentiis suis, Doberam, Parketin, Wilsna, Stubelowe, Ribbenizze, Putechowe, Stulowe, Brusowe, Radeclhe, Boianewiz, Wirpena, Radotene, Lubesdorf, Glina et tria novalia, que Indagines nominantur. | locus ipse, in quo prefatum monasterium situm est, cum omnibus pertinenciis suis, Doberan, Parkentyn, Wilsna, Stubelowe, Stulowe, Domastiz, Putechowe, Brusowe, Radecle, Boianeviz, Rybeniz, Virpene, Radentin, Polaz, Kuneredam, Gline. | claustrum, Doberan, Parkentin, Wilsna, Stubelowe, Ribeniz, Domastiz, Stulowe, Putechowe, Brusowe, Radecle, Boianewiz, Verpene, Konerdam, Polas, Radentin, Gline. | claustrum, Doberan, Parkentin, Wilsna, Stubelowe, Domastiz, Stulowe, Putechowe, Brusowe, Radecle, Boianeviz, Verpene, Konerdam, Polas, Radentin, Gline. |
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Die letzten vier Urkunden sind in ihren Angaben zweifellos abhängig voneinander; bis Stubelow ist in allen die Reihenfolge der Aufzählung gleich, ebenso von Brusow bis Virpena. Verschiedenheit der Anordnung findet sich in der Mitte bei den Dörfern Ribbenitze, Putechowe, Stulowe, Domastiz und zum Schluß bei Polaz, Kuneredam und Radentin. Daß Lubesdorf in M.U. 239, 258 und 391 nicht wieder erwähnt wird, ist darauf zurückzuführen, daß es sich in den drei letzten Urkunden um Bestätigungen der mecklenburg-rostockschen Fürsten handelt, die dem Kloster nicht den Besitz eines Dorfes bestätigen konnten, das zur Schweriner Grafschaft gehörte. Die Aufzählung geht von Doberan aus in südöstlicher Richtung nach Parkentin, Wilsen, Stäbelow; es folgen dann nach Westen hin Putechow-Hohenfelde, Stülow, Brüsow, Reddelich und Jennewitz. Zum Schluß werden die abgelegeneren Besitzungen des Klosters, Farpen und Redentin (nö. Wismar), Lübsdorf (n. Schwerin) und Gallin (7 km nö. Lübz) aufgezählt. Auffällig ist die Stellung von Ribbenizze, den Fischkaten bei Redentin, zwischen Stäbelow und Hohenfelde, bzw. Domastiz-Ibendorf in M.U. 191 und M.U. 258, während M.U. 239 es vor Farpen setzt, wohin es geographisch gehört. M.U. 391 erwähnt Ribbenizze nicht mehr, das von nun ganz aus der mecklenburgischen Urkunde verschwindet. Es wird in Redentin aufgegangen sein. Die Reihenfolge Putechowe-Stulowe von M.U. 191 wird in den folgenden Urkunden durch das Hinzutreten von Domastiz-Ibendorf ins Schwanken geraten sein. Neu sind gegen M.U. 191 ferner in M.U. 239, 258 und 391 Polaz und Kuneredam. Es ergibt sich aus alledem, daß der Besitz des Klosters sich in der Zeit von 1209 bis 1218 um Domastiz, Polas und Kuneredam vermehrt hat. Die wendischen Namen wenigstens der beiden letzteren Ortschaften sprechen dafür, daß diese Dörfer weitere Zuwendungen Borwins an Doberan und nicht Neugründungen auf bereits im Besitz des Klosters befindlichem Boden waren. Polas liegt bei Hof Redentin, die Lage von Kuneredam ist nicht mehr bekannt; aus dem Platz, den es in der Aufzählung einnimmt, müßte man auf die Umgegend von Redentin schließen.
Daraus, daß nach der Zehntverleihung des Bischofs Brunward dem Kloster erst 1232 bzw. 1230 17 ) die Zehnten von Gallin, Stäbelow, Redentin, Polas, Farpen, Schulenburg
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und Kuneredam verliehen werden, folgt ferner, daß diese Dörfer nicht zur ursprünglichen Schenkung Pribislavs gehörten, da sonst vermutlich schon Bischof Berno die Zehnten dieser Güter dem Kloster abgetreten hätte. Da sie aber schon 1209 als Besitz des Klosters genannt werden, wird man sie als Schenkungen Borwins aus der Zeit zwischen 1186 18 ) und 1209 ansprechen können. Noch genauer ergibt sich der Termin bei Gallin und Stäbelow, die erst nach dem Tode Niklots II. von Rostock, nach dem 25. Mai 1200, in Borwins Besitz gelangt sein oder wenigstens von ihm als Besitz des Klosters bestätigt werden konnten. Schwieriger zu beantworten ist die Frage bei Domastiz-Ibendorf, das noch nicht in M.U. 191, sondern erst M.U. 239 unter den Besitzungen des Klosters genannt wird, während die Zehnten des Dorfes ihm laut M.U. 406 schon durch Bischof Berno verliehen sein sollten. Es ist immerhin möglich, daß es auf einem Teil der früheren Dorfgemarkung Putechow angelegt worden ist. Die zu Ende des 13. Jahrhunderts erfolgte Änderung des wendischen Namens Domastiz in das deutsche Ibendorf läßt annehmen, daß die Besiedelung durch Deutsche erfolgt war, die sich in größerer Anzahl auf einem anfangs noch slawisch bezeichneten Ort, Domastiz, in der Feldflur von Putechowe niederließen. Über Vermutungen wird man aber bei dem Mangel weiterer Quellen nicht hinauskommen 19 ).
Vergleicht man mit dem so gewonnenen Ergebnis für die Zeit nach 1209 die Angaben von M.U. 152, so zeigt sich, daß über M.U. 191 hinausgehend als Verleihungen Pribislavs angeführt werden: Domastiz, Kröpelin und die vier Dörfer in Cobantze, und als Verleihung Borwins I.: Polaz, Kuneredam und ein predium auf Poel. Über Domastiz ist schon oben gehandelt worden. Es fehlt in der Zehnturkunde M.U. 122. Wäre M.U. 122 die Vorlage von M.U. 152 gewesen, so würde es in M.U. 152 nicht als Gabe Pribislavs, sondern Borwins aufgeführt worden sein. Ginge umgekehrt M.U. 122 auf M.U. 152 zurück, so würde man Domastiz in M.U. 122 finden müssen. Daraus ergibt sich, daß M.U. 152, auch wenn die
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M.U. 122 und 406 als gemeinsame Grundlage seiner Dispositio vorgelegen hat, noch eine weitere Quelle benutzt haben muß, aus der vor allem die Namen derjenigen Dörfer stammen, die nach M.U. 191 noch nicht Besitz des Klosters waren, es aber später wurden. Domastiz, Polas und Kuneredam finden sich schon in M.U. 239 vom Jahre 1218. Kröpelin und die vier Dörfer in Cobantze werden aber in keiner der späteren fürstlichen Bestätigungen wieder genannt; sie tauchen nach 1209 aber wieder auf in der Zehnturkunde des Bischofs Brunward vom 3. Oktober 1232, M.U. 406.
Über das Mißverständnis von M.U. 122 hinsichtlich Kröpelins ist schon oben gehandelt worden 20 ). Im M.U. 152 tritt ein zweites Mißverständnis ganz ähnlicher Art hinsichtlich Brusows hinzu, das zweimal genannt wird, als Brusow und als villa Bruze unter den vier Cobantze-Dörfern, während M.U. 406 Brusow an Stelle des villa Bruze unter die Cobantze-Dörfer einreiht. Es gilt daher für M.U. 152 dasselbe wie für M.U. 122. Es kann erst entstanden sein, als der Name Cobantze nicht mehr gebräuchlich war, also nach 1232. Kröpelin ist wohl nie Besitz des Klosters gewesen; 1209 gehörte es dem Kloster sicher nicht mehr, aber es unterstand, wie M.U. 406 zeigt, schon seit Bernos Zeiten der geistlichen Gerichtsbarkeit des Klosters und war ihm zehntpflichtig.
Wie kam nun aber M.U. 152 zu der Behauptung, daß Kröpelin 1192 Besitz des Klosters gewesen sei? Die Erklärung geben M.U. 122 und 406, die hier auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen. M.U. 406 heißt es: "Als Pribislav ... zur Erbauung der Abtei Doberan ringsumher Besitzungen und Landgüter bestimmt hatte, hat Bischof Berno, da die Zehnten und die geistliche Gerichtsbarkeit ihm zustanden, ... dem Kloster die Zehnten von den Gütern und Besitzungen gegeben".
Der Verfasser von M.U. 152, der die gemeinsame Quelle und auch, wie sich im folgenden erweisen wird, M.U. 406 kannte, mochte hieraus schließen, daß alle die Dörfer, deren Zehnte Berno verliehen hatte, vorher auch von Pribislav dem Kloster geschenkt worden seien.
Die verschiedene Anordnung der Dörfer in den beiden Urkunden M.U. 152 und M.U. 406 scheint zunächst gegen Beziehungen zwischen ihnen zu sprechen; es ist bei M.U. 152
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nicht möglich, das Prinzip bei Aufstellung der Besitzliste herauszufinden. Aber die sprachliche Form der Grenzbestimmungen in M.U. 152: Et est terminus abbatie ad occidentem collis, que lingua slavica Dobimerigorca vocatur, et inde contra septentrionem usque ad mare protenditur, und die schon oben gezeigten Anklänge 21 ) beider Urkunden in der Narratio zeigen, daß irgend welche Beziehungen zwischen ihnen bestehen müssen. Und zwar ist M.U. 406 älter als M.U. 152. Das beweist einmal die ausführliche Beschreibung der Ostgrenze in M.U. 152, die M.U. 406 ganz fehlt, wohl weil die Ostgrenze 1232 noch nicht genau festgelegt war; dafür spricht ferner die Ansicht von M.U. 152, daß es sich bei villa Bruze und Brusowe, bei villa Germari und Crupelin um verschiedene Dörfer handele, und schließlich die Erwähnung des predium in Pole, von dem M.U. 406 noch nichts weiß.
Gegen die Echtheit von M.U. 152 spricht auch M.U. 239 aus dem Jahre 1218. Es ist bezeichnend, daß M.U. 239 die Bestätigung vom Jahre 1192 gar nicht erwähnt, und daß sich in ihm entgegen dem Brauch, der sonst bei solchen Bestätigungen üblich war, kein einziges Anzeichen findet, das irgend eine Bekanntschaft seines Diktators mit M.U. 152 verrät. Das ist besonders auffällig deshalb, weil M.U. 239 eine Bestätigung durch denselben Borwin I. darstellt, von dem angeblich auch M.U. 152 herrührt. M.U. 239 widerspricht aber in der Narratio geradezu M.U. 152. In M.U. 239 bezeichnet Borwin Doberan als seine eigene Stiftung, ohne seinen Vater auch nur mit einem Worte zu erwähnen, während M.U. 152 behauptet, daß Pribislav die umfangreiche Schenkung schon geplant, aber wegen des Wendenaufstands nicht zu Ende geführt habe. Das Kloster war ein Trümmerhaufen, als Borwin die Herrschaft antrat. Mit einer gewissen Berechtigung konnte daher Borwin sich 1218 selbst als den Stifter des 1186 wieder errichteten Klosters bezeichnen. Weshalb tat er es nicht schon 1192? Schwerwiegender sind aber die Folgerungen aus den weiteren Bestimmungen des Dispositio. Laut M.U. 152 verzichtete Borwin in dem Gebiet, das er dem Kloster geschenkt hatte, zugunsten Doberans auf alle Abgaben (petitiones et exactiones), auf alle Dienstleistungen (servitia) und auf die Gerichtsbarkeit. Kein fürstlicher Richter oder Vogt solle
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irgendwelche Amtsgewalt über die Abtei Doberan oder ihre Einkünfte haben. Sondern wenn irgend ein Einschreiten (correctio) nötig sei in einer Angelegenheit der großen oder der kleinen Gerichtsbarkeit, bei der Leben oder Hand verwirkt sei, so solle es durch den vom Abt eingesetzten Richter geschehen. Die Leute der Abtei sollten frei sein von der Verpflichtung zum Burg- oder Brückenbau, von der Abgabe von Steuern und Zöllen und vom Zwang zum Kriegsdienst mit Ausnahme der Landwehr. Und auch diese Pflicht wird noch eingeschränkt. Wenn sie drei Tage vergebens auf den Feind gewartet hätten, solle ihnen das Recht zustehen, am vierten wieder zu ihrem Wohnort und zu ihrer Beschäftigung zurückzukehren. Auffällig ist die Anordnung dieser Befreiungen. Nachdem die Urkunde dem Verzicht auf die servicia Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit hat folgen lassen, kehrt sie wieder zu Befreiungen von Diensten zurück. Borwins Bestätigung vom Jahre 1218, M.U. 239, enthält auch Bestimmungen über das Verhältnis der Klosterleute zum mecklenburgischen Fürsten. Das Kloster erhält hier das Recht, Kolonisten ohne Einschränkung auf ihre Herkunft oder ihren Beruf in das Gebiet der Abtei zu ziehen und dort anzusiedeln; und Borwin befreit sie von jeder Bedezahlung an die Grafen, Vögte und Richter, vom Burgwerk, von allen Abgaben an Steuern und Zöllen und von jeglicher Verpflichtung zur Heerfahrt, so daß sie nur Gott allein und dem Kloster dienstbar seien. Von einer Verleihung der Gerichtsbarkeit wie in M.U. 152 ist in M.U. 239 nirgends die Rede. Und Heinrich II. von Mecklenburg bestätigt am 1. August 1219 dem Kloster die Freiheiten, die es seit seiner Gründung (a primordiali institucione) besessen habe und die es durch päpstliche Autorität sich besonders habe schützen lassen, und wiederholt sonst in seiner Urkunde, M.U. 258, nur fast wörtlich die Einzelbestimmungen seines Vaters vom Jahre 1218. Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang die Nachricht in M.U. 258, daß dem Kloster schon gleich bei seiner Gründung vom Fürsten Rechte verliehen worden seien. Die Bestätigungsurkunde der Söhne Heinrichs II. vom 28. Oktober 1231, M.U. 391, wiederholt nur fast wörtlich die Bestimmungen von M.U. 258, ohne etwas hinzuzusetzen. Entscheidend für die Kritik dieses Teils der Narratio von M.U. 152 ist der Umstand, daß in den folgenden Urkunden von einer Verleihung der vollen Gerichts-
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barkeit nirgends die Rede ist. Über rechtliche Verhältnisse äußert sich erst M.U. 463 vom 15. Februar 1237. In dieser Urkunde setzt Borwin III. sich mit dem Kloster wegen Streitigkeiten auseinander, die zwischen beiden hinsichtlich der Befugnisse des fürstlichen Vogts entstanden waren. Diebstahl von mehr als 8 solidi Wert,Brandstiftung, Totschlag, Frauenschändung oder Frauenraub behält der Fürst seinem Gericht vor und überläßt dem Kloster nur die niedere Gerichtsbarkeit. Dieser Entscheid ist dann noch einmal am 27. März 1257, M.U. 792, von Johann von Wismar wiederholt worden. Jetzt ist klar, weshalb die hohe Gerichtsbarkeit in M.U. 239, 258 und 391 gar nicht erwähnt wird; sie war eben trotz M.U. 152 dem Kloster noch gar nicht verliehen worden. Der früheste Termin dafür und damit auch für die Abfassung von M.U. 152 in der überlieferten Form ist also der 28. März 1257.
Auffällig ist in M.U. 152 ferner die eigenartige Beschränkung der Landwehrpflicht, die sich sonst in keiner Bestätigung mecklenburgischer Fürsten an das Kloster bis 1300 wiederfindet. Etwas Ähnliches enthält aber eine Urkunde des Pommernherzogs Sambor II. vom 10. Juli 1258 über die an die Doberaner Zisterzienser übergebene Kirche von Samburia, M.U. 828. Die Bestimmungen über die Freiheiten der Kirchenleute werden fast wörtlich in der Form gegeben, in die sie auch M.U. 239 und 258 gefaßt sind. Dann folgen Bestimmungen über die Landwehrpflicht, die sehr denen von M.U. 152 ähneln. Sie lauten:
M.U. 152. | M.U. 828 (10. Juli 1258). |
ab expedicione qualibet, nisi in terre defensione, ita quod terram non exeant, sed infra terram contra inimicos terre, si comparuerint, expedicionem faciant; quod si per triduum in expedicione positi inimicos exspectaverint et non venerint, die quarto unusquisque ad sua redire poterit. | necnon ab omni expedicione, nisi in terre defensione, cum videlicet ab extraneo domino impetitur, et hoc per triduum tantum infra terram, si aparuerint inimici; si vero non coparuerint infra terram, unusquisque ad sua redire poterit. |
M.U. 828 ist Empfängerurkunde, also in Doberan oder von Doberaner Mönchen aufgesetzt und dann dem Herzog zur Besiegelung vorgelegt. Wäre für die Beschränkung der Landwehrpflicht auf drei Tage im Klosterarchiv schon eine feste
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Formel oder ein Vorbild wie M.U. 152 vorhanden gewesen, so würde man in Doberan wohl auf sie zurückgegriffen haben, wie man es hinsichtlich der vorhergehenden Bestimmungen auch getan hat. Ein Vergleich zwischen den beiden Fassungen von M.U. 152 und M.U. 828 zeigt, daß letztere Urkunde die knappere, aber gelegentlich, wie in dem mit videlicet beginnenden Satze, eine etwas unklare Form hat. M.U. 152 ist hier ausführlicher und klarer und macht den Eindruck einer verbesserten Form von M.U. 828. M.U. 828 hat als stilistisches Vorbild in seinen anderen Teilen M.U. 792 und M.U. 463. In beiden Urkunden heißt es, daß die Hintersassen des Klosters befreit werden sollen ab omni expedicione, nisi in terre defensione, cum videlicet terra ab extraneo domino impetitur. Und M.U. 792 fügt ausdrücklich hinzu: secundum quod in privilegio domini Burewini, aui nostri, continetur 22 ). Burwin hat also über die Gefolgspflicht bei Heeresaufgebot und bei Landwehr Bestimmungen getroffen, aber andere als M.U. 152 vorbringt. In M.U. 239 sind solche Bestimmungen nicht enthalten. Es muß also noch eine heute nicht mehr erhaltene Verleihung von Gerechtsamen durch Borwin I. an das Kloster vorhanden gewesen sein. Die Einschränkungen der Landwehrpflicht in M.U. 152 können erst aus der Zeit nach 1257 stammen und fallen in ihrer Tendenz zusammen mit der Urkunde Sambors II. für Doberan.
Es ist aber immerhin möglich, daß M.U. 152 in einer ursprünglicheren Form, ehe die nachträglichen Interpolationen hinzutraten, diese erste Bestätigung gewesen ist. Hier muß eine Untersuchung der rein formelhaften Teile des Protokolls Klarheit schaffen.
Wenn man auch bei den Urkunden Borwins I. noch nicht mit einer streng kanzleimäßigen Form rechnen kann, so tauchen in ihren Protokollen doch manche Wendungen auf, die denselben Diktator vermuten lassen. Für die Doberaner Urkunden wird die Untersuchung allerdings dadurch erschwert, daß sie von Empfängerhand stammen. Auffällig ist in M.U. 152 zunächst die Intitulatio: Nos dei gratia Heinricus Burwinus Magnopolitanorum et Kyzzenorum princeps. Der Plural Nos statt der sonst bei Borwin I. üblichen Form Ego findet
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sich nur noch M.U. 299, in einer Urkunde des Fürsten an das Domkapitel von Havelberg. Ernsthafteres Bedenken muß aber der Titel Magnopolitanorum et Kyzzenorum princeps hervorrufen, der in dieser Form nur noch in der ebenfalls an Doberan gerichteten Urkunde M.U. 239 vom Jahr 1218 erscheint. 1218 hatte dieser Titel seine volle Berechtigung, aber nicht 1192. Bis zum 25. Mai 1200 war Niklot II. princeps Cuscinorum et Kissinorum 23 ), und erst nach seinem Tode fiel das Kessiner Land an Borwin I. In M.U. 152 ist also der Fürst mit einem Titel bezeichnet, der ihm erst von 1200 ab gebührte. Es ist daher ausgeschlossen, daß die Intitulatio von M.U. 152 auf eine Originalurkunde aus dem Jahre 1192 zurückgeht; sie ist vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach erst der Urkunde M.U. 239 entnommen worden. Dasselbe scheint der Fall zu sein in der Inskriptio, die mit der charakteristischen Wendung sancte matris ecclesie filiis in perpetuum in einer Doberaner Urkunde Borwins II. vom 1. August 1219 wiederkehrt.
Das Datum von M.U. 152 steht unter den Urkunden Borwins I. ganz isoliert da. Die Zeitrechnung anno ab incarnatione verbi findet sich sonst in den Doberaner Urkunden erst seit dem 6. Juni 1243. Auch die zweite Hälfte des Datums taucht in der Form von M.U. 152 für die sonstige Doberaner Urkunde erst um 1243 auf, in M.U. 552 vom 29. Dezember 1243, wie folgende Nebeneinanderstellung zeigt:
M.U. 152. | 1) M.U. 546 v. 6. Juni 1243: |
Datum anno ab incarnatione verbi 1192, presidente cathedre Romane sedis Celestino papa huius nominis tertio, pontificatus eius anno secundo. | Datum anno ab incarnatione verbi 1243, indictione prima, VIII. idus Junii. |
2) M.U. 552 v. 29. Dezbr. 1243: | |
Datum in Guzstrowe anno dominice incarnacionis 1244.., IV. kal. Januarii presidente cathedre Romane sedis pio papa Innoccncio, huius nominis IV to , pontificatus eius anno primo. |
Ähnliche Formulierungen der Zeitangabe finden sich noch in Doberaner Urkunden bis 1273 mehrfach wieder, so z B. in
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M.U. 591 von 1247 und in M.U. 1297 von 1273. Wir haben es also mit einer Zeitmode der Jahre 1243 bis 1270 zu tun. Es ist daher nicht anzunehmen, daß M.U. 152 Muster für M.U. 546 und dessen Nachfolgerinnen gewesen ist; sein Datum wird erst in der Zeit zwischen 1243 und 1270 entstanden sein.
An der Spitze der Zeugenliste von M.U. 152 stehen drei geistliche Herren: Bischof Berno und die Pfarrer Marsilius von Lübow und Hartmann von Bukow. Weder Marsilius noch Hartmann erscheinen in späteren Urkunden wieder; M.U. 254 zeigt aber, daß Pfarreien in Lübow und Bukow sicher schon 1219 bestanden, da hier als Zeugen die Priester Walter von Bukow und Ovo von Lübow auftreten. Anstoß hat schon Kunkel 24 ) an dem Titel episcopus hinter dem Namen Brunwards genommen. Der Streit um das Bistum zwischen Brunward und Propst Hermann von Hamburg wurde erst 1195 entschieden. Hermann, der als Kandidat des Domkapitels und Bruder des Schweriner Grafen dem Schützling der wendischen Fürsten, Brunward, gegenüber zunächst die größeren Aussichten hatte, nennt sich noch 1194 25 ) nur electus Zuerinensis. Es ist deshalb nach Kunkels Meinung zu erwarten, daß auch Brunward sich Zurückhaltung auferlegt und sich bis 1195 des bischöflichen Titels enthalten habe. Man wird demgegenüber aber einwenden können, daß der angebliche Aussteller von M.U. 152 einer der besonderen Förderer Brunwards war, und daß Brunward den bischöflichen Titel in M.U. 152 schon antizipiert haben könnte, um Borwin nicht zu verletzen.
Als weitere Zeugen sind folgende Slavi aufgezählt: Venciko, Woywoto, Martinus, Damascho, Paliz, Cusiz, Vriz. Noch tragen sie alle ihre wendischen Namen mit Ausnahme des Martinus. Die Zeugenliste stammt also aus einer Zeit, da die deutsche Kultur am Hofe Borwins I. sich gerade erst Eingang zu verschaffen begann. Ein Vergleich der Zeugenliste von M.U. 152 mit denen der späteren Urkunden Borwins läßt deutlich erkennen, daß in seiner Umgebung der deutsche Einfluß dauernd zunahm. Der erste Schritt in dieser Hinsicht war wohl die Annahme eines zweiten kirchlichen Namens durch die wendischen Großen. Es ist daher möglich, daß der eine oder der andere der Zeugen von M.U. 152 in späteren Urkunden mit seinem Taufnamen auftritt und deshalb für uns nicht mehr
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wieder zu erkennen ist. Die Bestimmung der wendischen Zeugen stößt daher auf große Schwierigkeiten. Ein Wende Woywote taucht als Zeuge auch M.U. 258 vom 1. August 1219 auf, aber als fünfter von sechsen. Es ist nicht anzunehmen, daß es sich hier um dieselbe Person wie in M.U. 152 handelt, zumal fast dreißig Jahre zwischen dem Erlaß der beiden Urkunden liegen, falls die Echtheit der Zeugenliste von M.U. 152 angenommen wird. Besser bezeugt ist Damascho. In dem Vertrage des Bischofs Dietrich von Lübeck mit Borwin I. über die Zehnten von Poel werden als Laienzeugen, in denen man wohl Gefolgsleute des mecklenburgischen Fürsten erblicken muß, genannt: de laicis Heinricus, Damase Slauus, Uffo et frater eius Jerdagh. Über die fünf weiteren Zeugen schweigt die Überlieferung.
Das Ergebnis der Untersuchung über M.U. 152 ist folgendes: Es ist möglich, daß die Zeugenreihe auf eine ältere Urkunde Borwins zurückgeht, in der dem Kloster bald nach seiner Neugründung 1186 die Rechte seiner Hintersassen genau bestimmt worden waren. Alle anderen Teile der Urkunde stammen aber erst aus späterer Zeit. In Ermangelung älterer Nachrichten über die erste Ausstattung des Klosters nahm der Verfasser hinsichtlich der ersten Besitzverleihungen seine Zuflucht zu der Zehnturkunde des Bischofs Brunward vom 3. Oktober 1232 26 ), hinsichtlich der näheren Bestimmungen über die Pflicht der Landwehr zur Urkunde Sambors II. vom 10. Juli 1258 27 ), hinsichtlich der Intitulatio zu M.U. 239 vom Jahre 1218 und hinsichtlich des Datums zu Urkunden des Klosters aus der Zeit nach 1243 28 ). Man wird daher den Terminus a quo in das Jahr 1258 setzen.
Was mag der Anlaß für die Fälschung von M.U. 152 gewesen sein? In M.U. 152 wird als Besitz des Klosters ein predium in Pole genannt, von dem in keiner anderen Urkunde die Rede ist. Von Beziehungen des Klosters auf der Insel Poel berichtet nach M.U. 152 zuerst wieder eine Eintragung in das Wismarsche Stadtbuch aus dem Jahre 1275 29 ), wonach der Abt von Doberan dem Abbo von Poel eine Leibrente von 30 Drömt Getreide jährlich zu zahlen hat, die vielleicht der
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Entgelt für die Überschreibung von Abbos Besitz auf Poel an das Kloster waren. Mehr wissen wir aber auch über diesen Poeler Besitz nicht. Immerhin trägt das Zusammentreffen der Zeit der Erwerbung auf Poel mit der aus dem Text zu schließenden Zeit der Fälschung überhaupt dazu bei, die Ansicht zu stärken, daß M.U. 152 erst in der Zeit zwischen 1258 und 1275 entstanden sein kann.
M.U. 152 enthält aber noch eine das Meer betreffende Verleihung, die zum Teil auf altes Urkundengut zurückzugehen scheint. Borwin verleiht nach unserer Urkunde dem Kloster auch alles Uferrecht innerhalb der genau angegebenen Grenzen, sowohl "hinsichtlich des Heringsfangs wie des Strandrechts". Dieselbe Bestimmung findet sich auch in einer anderen Doberaner Urkunde, die nach ihrem Ausstellungsdatum in fast die gleiche Zeit zu setzen ist wie M.U. 152, nämlich in M.U. 148.
Beide Urkunden stammen nach ihrer Angabe von Niklot II. von Rostock, dem Sohn des von Heinrich dem Löwen 1164 gehängten Wratislav. Sie sind beide im angeblichen Original erhalten.
M.U. 147 ist 25,4 cm lang und 19,4 cm breit, von gelblich grauem Pergament; die Schrift ist teilweise stark abgescheuert, die Urkunde selbst ist unliniert. Hinter dem letzten Namen der Zeugenliste, Prelle, sind der Rest der Zeile und der Raum der nächsten Zeile freigelassen. Da hinter Prelle der Punkt fehlt, scheint der Schreiber die Absicht gehabt zu haben, noch weitere Namen hinzuzufügen, was aber aus nicht mehr erweisbaren Gründen unterblieben ist. Die Schrift weist auf den Beginn des 13. Jahrhunderts und ist älter als die aller sonst erhaltenen Doberaner Urkunden. Auffallenderweise sind bei den Namen Thieduigus de Rotstocke und Heinricus de Goderac die Amtsnamen capellanus, bei Heinricus Buruwe de Michelenburc der Titel princeps darübergeschrieben. Ursprünglich hat also die Zeugenliste wie bei M.U. 122 nur aus Namen bestanden, die vielleicht in einem Exzerpt
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überliefert waren, dann aber von dem Schreiber der Urkunde nachträglich mit näheren Bestimmungen versehen wurden.
Die Plica fehlt. Das runde einseitige Siegel hängt an leinenen Fäden, die zweimal durch das Pergament gezogen sind, und ist aus festem gebräuntem Wachs. Es zeigt das Bild des Fürsten als Reiter mit Sturzhelm auf einem nach links dahin sprengen den Rosse. In der einen Hand schwingt er ein breites, mit Blutrinne versehenes Schwert, mit der anderen hält er vor der Brust einen spitz-ovalen Schild, wie er auch bei dem Reiterwappen des Grafen Albrecht von Orlamünde und Holstein von 1206 bis 1225 vorkommt 30 ). Ein Wappenbild ist auf ihm nicht zu erkennen. Es ist das einzige Reitersiegel, das unter den mecklenburgischen Fürstensiegeln des 13. Jahrhunderts überliefert worden ist. Die Umschrift, die ohne feste Abgrenzung das Reiterbild umschließt, lautet + Nicolavs de Roztoc in groben Unzialen. Das Siegel ist roh gearbeitet und fällt gegen die feine Kunst etwa des Siegels Borwins I. erheblich ab. Sonderbarerweise ist in M.U. 147 und M.U. 148, die sich im Siegel und der Art seiner Anbringung genau gleichen, das Siegel verkehrt angebracht, so daß der Reiter auf dem Kopfe steht. Da beide Urkunden dieselbe Eigentümlichkeit haben, scheint ihr irgend eine Absicht zugrunde gelegen zu haben, die sich heute aber nicht mehr sicher bestimmen läßt. Vielleicht glaubte man, dadurch den Eindruck besonderer Altertümlichkeit hervorzurufen.
M.U. 148 ist anscheinend von derselben Hand geschrieben wie M.U. 147, aber nicht in einem Zuge. Vom Schlußsatz der Dispositio ab, der mit Insuper beginnt, ist die Tinte erheblich dunkler als im ersten Teile. Vor dem Datum ist wie bei M.U. 147 eine Zeile frei gelassen. Beide Urkunden machen den Eindruck, als seien sie zur selben Zeit von demselben Schreiber hergestellt worden. M.U. 148 ist 24 cm lang und 18,5 cm breit. Das Pergament und die Schrift sind dieselben wie bei M.U. 147, die Urkunde ist unliniert. Die sehr engen Beziehungen der beiden Urkunden zueinander ergeben sich auch aus ihrem Protokoll. Die Salutatio: In nomine sancte et individue trinitatis, die von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Ende des 13. am häufigsten auftritt, leitet nur M.U. 147 ein. M.U. 148 beginnt gleich mit der beiden Urkunden gemeinsamen Intitulatio: Ego Nicolaus dei gratia
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Slavorum princeps. Als Niklots II. Titel ist 1219 in M.U. 258 princeps de Roztoc überliefert worden, wozu auch die Inschrift des beiden Urkunden angehängten Siegels: Nicolaus de Roztoc gut passen würde. Der Ausdruck "Fürst der Slawen" beansprucht aber für Niklot einen so umfassenden Herrschaftsbereich, wie er wohl selbst in den Jahren nicht besessen hat, als Borwin I. in dänische Gefangenschaft geraten war. Gemeinsam sind beiden Urkunden die auffallend kurze Arenga, die ungewöhnlich knappe Promulgatio Unde und das Datum: Datum Rotstoc (M.U. 148: Rotstoch), VI. idus Aprilis anno ab incarnatione domini MCIX, indictione VII., tempore Clementis pape, regnante Friderico imperatore piissimo. Clemens III., der allein in Frage kommen kann, regierte vom Dezember 1187 bis zum März 1191. Da Kaiser Friedrich I. am 10. Juni 1190 starb, würde die Urkunde in der Zeit vom Dezember 1187 bis zum Juni 1190 aufgesetzt worden sein; aus der Indiktionszahl wäre auf 1189 zu schließen. Mit diesen Bestimmungen ist aber unvereinbar die beiden Urkunden gemeinsame Inkarnationszahl 1109, die dann später in 1160 verbessert worden ist 31 ). Die Annahme Lischs, M.U. I, S. 143, daß bei der Schreibung die Zehner ausgefallen seien und man eigentlich MCLXXXIX lesen müsse, erscheint aber angesichts der Tatsache, daß beide Urkunden denselben Fehler aufweisen, so kompliziert, daß es schwer wird, ihr zuzustimmen. Die seltene Form tempore findet sich in der mecklenburgischen Urkunde bis 1218 nur noch in M.U. 122 und in der Pluralform temporibus in der echten Borwinurkunde an Doberan von 1218, M.U. 239. Beiden Urkunden fehlt eine Narratio. Eine Poenformel und eine Zeugenliste finden sich nur in M.U. 147; die Poenformel ähnelt auffällig denen von M.U. 122 und 239:
M.U. 122. | M.U. 147. | M.U. 239. |
Quisquis igitur his contraire temptaverit, divine ultioni non inmerito subiacebit. | Quisquis igitur aliqua de his, que diximus, infringere temptaverit, ultionis divine sententiam non immerito subibit. | Quisquis hiis contraire temptaverit, eterne maledictioni subiaceat. |
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Als Zeugen werden M.U. 147 genannt: Bischof Berno von Schwerin, die Kapellane Thiedwigus von Rostock und Heinrich von Goderac (heute Kessin), Fürst Heinrich Buruwe von Mecklenburg und die wendischen Gefolgsleute Sirizlaf, Retis Wolkouiz (Sohn des Wolkow), Uencegur, Rademir, Bruno de Chubanze, Gerardus Prelle. Ein Retis wird als dominus am 18. Juni 1262 in einer Urkunde Borwins III. von Rostock 32 ) und als miles am 14. Juni 1264 in einer zu Güstrow ausgestellten Urkunde des Fürsten Nikolaus von Werle 33 ) unter den Zeugen angeführt; da sich auch ein Ritter Johann von Kröpelin unter den Zeugen beider Urkunden findet, wird es sich bei Retis ebenfalls um dieselbe Person handeln. Der Name Retis ist unter den Wenden in dieser Zeit verhältnismäßig selten, so daß man vermuten kann, daß der Retis von M.U. 147 ein Ahnherr des gleichnamigen Ritters von 1262 ist. Ein Rademar kommt 1271 34 ) als Bruder des Jerezlaus dictus de Kalant vor. Sie sind Söhne des Dominus Lippold, der im Dienste Borwins III. von Rostock zur Besatzung der Burg Kalen gehörte; auch hier ist möglich, daß der 1271 anscheinend schon verstorbene Rademar ein Nachkomme des M.U. 147 erwähnten ist. Bruno de Chubanze ist durch die due ville Brunonis in Cubantze 35 ) glaubwürdig für diese Zeit bezeugt. Die anderen Namen finden sich in mecklenburgischen Urkunden dieser Zeit nicht wieder; Befremden erregt aber der Doppelname Gerardus Prelle, der auf einen deutschen Träger schließen läßt und für diese Zeit, soweit es sich nicht um ein Patronymikon handelt, ungewöhnlich ist.
Wenn sich im Protokoll auch einige anstößige Stellen wie tempore pape, princeps Slavorum, das falsche Inkarnationsjahr und der Name Gerardus Prelle finden, so reichen sie allein doch nicht aus, um die Echtheit des gesamten Inhalts der Urkunden in Frage zu stellen. Die Zeugenliste scheint zum mindesten auf ein altes echtes Zeugenverzeichnis zurückzugehen.
Gemäß der Dispositio der Urkunde 147 schenkte Niklot II. dem Kloster Doberan das predium Wi1sne mit aller Nutz-
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nießung an Wasser, Wiese und Wald nach demselben Recht, nach dem sein Oheim Pribislav den Doberaner Mönchen Besitz verliehen hatte; es solle nämlich weder ein Graf noch ein Vogt noch irgend eine andere weltliche Gewalt über das Eigentum des Klosters an Sachen und Menschen sich irgend ein Recht anmaßen dürfen ohne Zustimmung des Abtes, der allein in diesem Gebiet das Recht habe, zu verordnen und zu richten und diese Befugnisse auf Leute seiner Wahl zu übertragen. Der Satz: eodem iure, quo patruus meus Pribizlaus omnia bona ... contulit, ist um die Wende des 12. Jahrhunderts nur so zu verstehen, daß Pribislav noch unter den Lebenden weilt. Andernfalls wäre dem Namen noch eine nähere Bestimmung wie etwa bone memorie hinzugefügt worden. Die Vorlage für M.U. 147 müßte danach noch vor dem 28. Dezember 1178 36 ) erlassen sein, womit allerdings das Datum von 1189 nicht übereinstimmt. Eine weitere Schwierigkeit für die Beurteilung bietet in der Aufzählung der Personen, die dem Kloster die von Niklot gegebenen Rechte verkümmern könnten, die Erwähnung des Grafen. Pribislav und Niklot konnten in dieser Weise doch nur verfügen, wenn Doberan in einer von den Wendenfürsten abhängigen Grafschaft lag. M.U. 152 schützt das Kloster daher auch nur gegen Übergriffe der Richter und Vögte, M.U. 239 befreit aber wie M.U. 147 von allen Auflagen seitens der Grafen, Vögte und Richter. Von M.U. 259 ab sind dann die Grafen durch Fürsten (principes) ersetzt worden, die den tatsächlichen mecklenburgischen Verhältnissen eher entsprechen. Die Aufzählung der Grafen in M.U. 239 vom Jahre 1218 macht aber irgendwelche Beziehungen zwischen den Urkunden M.U. 147 und M.U. 239 wahrscheinlich.
M.U. 147 verfügt weiter: "Die Leute aber, die die Ländereien der Klosterbrüder bebauen oder in ihren Dörfern auf ihnen wohnen, sollen vom Bau der Burg und der Brücke vor der Burg und von anderen Arbeiten, die den (fürstlichen) Untertanen befohlen werden, befreit sein, damit sie desto besser den Brüdern dienen können." M.U. 152 enthält auch eine Befreiung der klösterlichen Hintersassen vom Burg- und Brückenbau, doch ist hier nicht mehr nur von einer Brücke, sondern von Brücken überhaupt die Rede. In den folgenden Urkunden bis
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1232 wird die Befreiung vom Brückenbau überhaupt nicht wieder erwähnt. Die Angabe einer bestimmten Brücke - es kann sich hier nur um eine Brücke bei der Rostocker Burg handeln - in M.U. 147 zeigt, daß es sich hier um altes Urkundengut handelt.
Schließlich verfügt Niklot II., das jährlich aus der Schenke von Goderac 6 Mark dem Kloster zu zahlen seien, und schließt mit dem kurzen zusammenfassenden Befehl, daß den Mönchen alles gewahrt sein solle, was immer gerecht sei (ut quecunque iusta sunt, illis servari precepi). Diese Rente von 6 Mark wird in späteren Bestätigungen nicht wieder erwähnt und auch nicht mehr vom Kloster beansprucht. Eine Fälschung zugunsten eines schon 1218 aufgegebenen Anspruchs hätte nach 1218 keinen Sinn mehr gehabt. Daher wird auch diese Bestimmung über die Goderacer Rente auf eine ältere echte Urkunde zurückgehen.
Es ergibt sich aus der bisherigen Untersuchung des Textes von M.U. 147 folgendes: Die Urkunde steht in Beziehungen zu M.U. 122 und M.U. 239 in der Poenformel und im Datum, zu M.U. 239 allein in der Erwähnung des Grafen. Sie enthält außer dem Datum keinerlei Bestimmung, welche die Möglichkeit ausschließt, daß sie noch zur Zeit Pribislavs, also vor 1178 entstanden sei.
Laut M.U. 148 hatte Niklot Mannen, die ihm durch Podaca, eine Geldschuld, verpflichtet waren, in die Klosterdörfer entsandt und mit dem Schutz der Einwohner betraut. Diese Geldschuld und die Dienste, die mit ihr verbunden waren, tritt Niklot jetzt an das Kloster ab. Namentlich werden ein Dalik mit einer Schuld von 2 Mark und ein Nivar mit einer Schuldsumme von 1 Mark aufgeführt. Bei der schwankenden Schreibweise der wendischen Namen in den Urkunden des beginnenden 13. Jahrhunderts ist es wahrscheinlich, daß der Name Nivar identisch ist mit Newoper (M.U. 254), Niwopek (M.U. 258), Neopra (M. U. 260), Niewopre (M.U. 282). Der Träger der letzten vier Namensformen ist um 1220 Gefolgsmann Borwins I. von Mecklenburg. Der Name Nivar spricht also nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Verfügung von M.U. 148. Da auch diese Schenkung an das Kloster später nie wieder erwähnt wird, kann sie nicht die Veranlassung zu einer Fälschung gewesen sein; sie wird also tatsächlich durch Niklot erfolgt sein. Weiter verfügt Niklot in ausdrücklicher Übereinstimmung mit
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Borwin von Mecklenburg für alle diejenigen, die in ihrem Herrschaftsbereich durch Diebstahl, Raub oder andere Freveltat den Mönchen Schaden zugefügt hätten, aber ihre Tat leugneten, daß sie dem Gottesurteil mit neun Pflügen unterworfen würden. Bei Vergehen gegen Hausleute oder deutsche Siedler des Klosters, also gegen Laien, sollte beiden aufgeführten Vergehen das Gottesurteil durch das Handeisen angewandt werden. Daß auch in anderen Gegenden des Kolonisationsgebietes und in Holstein in ähnlicher Weise verfahren wurde, wenn Wenden im Verdacht standen, sich gegen die Kirche oder ihre Einrichtungen vergangen zu haben, zeigt das Vorgehen des Bischofs Gerold von Lübeck in Wagrien 37 ) und ein Vorfall in Holstein aus den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts 38 ). Alle Verfügungen dieser Art wurden aber hinfällig, nachdem Erzbischof Hartwich II. 39 ) von Hamburg die mißbräuchliche Anwendung des Gottesgerichts verboten hatte 40 ). Von da ab war dies Recht also für das Kloster wertlos und konnte ihm daher von Niklot nicht mehr verliehen werden. Deshalb wird auch dieser Teil der Urkunde auf eine Vorlage zurückgehen, die vor 1207 schon vorhanden gewesen sein muß.
Hinsichtlich des Handels auf "unserem" Markt, womit wohl nur Rostock gemeint sein kann, erhalten die Mönche selbst unentgeltlich Zollfreiheit für Ein- und Verkauf, während die Leute des Klosters: Händler, Pelzer, Schuster, Kaufleute und Angehörige anderer "Künste" (vel aliarum artium) für das Recht zollfreien Handels auf dem Markt 6 Denare jährlich zahlen müssen. Alle späteren Urkunden gestehen den Leuten des Klosters Freiheit von jeglichen Zöllen, also auch von den Marktzöllen zu. Es lag also schon 1218, zur Zeit der zweiten,
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echten Borwin-Urkunde, gar nicht mehr im Interesse des Klosters, etwa in einer gefälschten Urkunde die Erinnerung an den ungünstigeren Zustand einer früheren Zeit wach zu halten. Ist M.U. 148 eine Fälschung, so muß sie doch schon vor 1218 entstanden sein.
Zum Schluß schenkt Niklot dem Kloster an der Meeresküste, soweit sie dem Kloster gehört, den Zoll vom Heringsfang, das angetriebene Schiffsgut 41 ) und allen sonstigen Ertrag von der See. Die Bestimmung über die örtliche Ausdehnung dieses Rechts ist noch sehr primitiv. Die östliche Grenze wird durch den Ausdruck: "gegenüber der Grenze von Wilsen", die westliche durch: "gegenüber der Grenze von Dobimerigorca" umschrieben. Eine ähnliche Bestimmung enthält auch M.U. 152:
M.U. 148. | M.U. 152. |
Insuper teloneum in captura allec (!) et aplicationem navium, necnon et omnem proventum maris, quod in aquilonari parte abbatie situm est, incipiens ipsius maris terminus in oriente contra terminumWilsne et extendens se in occidentem contra terminum, qui dicitur Dobimerigorca, perpetuo condonavi possidendum. | Et est terminus abbatie ad occidentem collis, que lingua slavica Dobimerigorca vocatur, et inde contra septentrionem usque ad mare protenditur; in parte autem orientali est terminus abbatie a quercu, que sita est iuxta viam in terminis Wilsne, et iterum protenditur contra septentrionem usque ad mare recto tramite. Omnem etiam proventum maris vel utilitatem infra hos terminos racionabiliter distinctos tam in captura allec (!) quam in periclitatione navium concessimus ecclesie Doberanensi ... iure perpetuo possidendum. |
Das gemeinsame Contra und die Form allec statt allecium zeigen, daß die Wortanklänge in beiden Urkunden nicht nur auf die Besonderheit der behandelten Gegenstände zurückzuführen sind. Das Recht am Heringsfang wird in den späteren
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Urkunden nicht wieder erwähnt, das Strandrecht ist aber von Borwin I. am 2. August 1220 in seinem Herrschaftsbereich aufgehoben worden 42 ). Es ist also ausgeschlossen, daß er es nachher noch an Doberan verliehen haben sollte. Also muß diese Bestimmung aus der Zeit vor 1220 stammen.
Alle Angaben der Dispositio weisen also in die Zeit vor 1220, die über das Gottesurteil gehen sogar bestimmt auf die Zeit vor 1207 zurück.
Wie sind nun die Beziehungen der beiden Urkunden M.U. 147 und 148 zu M.U. 122, 152 und 239 und die unmögliche Datierung zu erklären? Schon die Schrift verbietet, M.U. 147 und 148 etwa in die Zeit um 1260 hinaufzusetzen. Es erscheint daher als ausgeschlossen, daß diese Urkunden irgendwie M.U. 122 als Vorlage benutzt haben könnten. Es ist aber zu Anfang dieses Aufsatzes versucht worden, nachzuweisen 43 ), daß M.U. 122 sich in seinen sachlichen Bestimmungen aufbaut auf älteren Aufzeichnungen, die auf eine echte Urkunde aus der Zeit der ersten Klostergründung Doberans von 1171 bis 1179 zurückgehen. Die Art und Weise, wie Pribislav M.U. 147 erwähnt wird, läßt annehmen, daß auch die sachlichen Bestimmungen dieser Urkunde auf die Zeit vor 1179 zurückgehen. Dem Verfasser der echten Zehntverleihung Bernos, die sich auch ausdrücklich auf die Schenkung Pribislavs beruft, wird also eine Schenkungsurkunde Pribislavs bekannt gewesen sein, ebenso wie dem Verfasser der echten Urkunde Niklots. Die Originale der vier Urkunden werden bei der Zerstörung des ersten Klosters durch die Wenden 1179 vernichtet worden sein. Es sind aber kurze Auszüge aus ihrem Inhalt auf irgend eine Weise, vielleicht auf dem Wege über das Mutterkloster Amelungsborn, woher auch die Mönche der zweiten Klostergründung kamen, durch die Zerstörung hindurchgerettet worden. Vor allem werden in ihnen die sachlichen Bestimmungen und in einer Zeit, wo der Beweis durch die Zeugen noch den Vorrang vor dem Siegelbeweis hatte, die Zeugenlisten überliefert worden sein. Da die Zeugen zu der Zeit, da die Exzerpte vorgenommen wurden, noch allgemein bekannt waren, hat man in ihnen auf die Beifügung ihres Titels verzichtet.
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Die Bestimmungen über den Heringsfang und das Strandrecht von M.U. 152 werden auf M.U. 148 zurückgehen. Leider ist es nicht gelungen, die Veranlassung zu erkennen, die zur Herstellung von M.U. 152 führte. Diese Urkunde faßt alle Rechte zusammen, die Borwin I. der zweiten Klostergründung in Doberan verliehen haben soll, und hatte sichtlich den Zweck, rechtliche Ansprüche des Klosters, für die Borwins Urkunde von 1218, M.U. 239, nicht ausreichte, zu beweisen. Es wurden in ihr daher alle Rechte zusammengefaßt, die dem Kloster bis 1232 verliehen worden waren, und weitere Rechte beansprucht, wie die Einschränkung der Landwehr und Überlassung der hohen Gerichtsbarkeit; deshalb nahm man in sie auch die Bestimmungen Niklots über Heringsfang und Strandrecht auf, die man in der neu wieder hergestellten Urkunde M.U. 148 vorfand.
Die Untersuchung kommt also zu folgendem Schluß: Die ältesten Urkunden sind die Verleihungen Niklots II. Sie gehen auch in der überlieferten Form noch in die Zeit vor 1207 zurück und bauen sich auf Exzerpten auf, die verloren gegangenen Urkunden aus der Zeit der ersten Klostergründung entnommen waren. Neu ist in ihnen sicher das Datum und vielleicht auch die Intitulatio. In ihren übrigen Teilen scheinen sie echtes Urkundengut zu enthalten. M.U. 147 und 148 wurden hergestellt zu einer Zeit, da der urkundliche Beweis vor dem einfachen Zeugenbeweis immer mehr an Bedeutung gewann, und hatten wohl nur den Zweck, alte bestehende Rechte durch nachträglich noch einmal hergestellte Urkunden zu stützen. M.U. 122 ist unter Herbeiziehung alter Aufzeichnungen und der Urkunde M.U. 406 erst gegen 1260 entstanden, um gefährdete Zehntrechte zu verteidigen. M.U. 152 ist ungefähr um dieselbe Zeit aufgesetzt worden unter Benutzung von M.U. 122, 406 und 148, um dem Kloster die Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit in seinem Gebiet zu erstreiten.
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Alle Urkunden stimmen darin überein, daß das Kloster Doberan noch von Pribislav gegründet worden ist. In dem Wunsche, die christliche Lehre auch unter den Wenden immer mehr auszubreiten, fanden Pribislav und Schwerins großer Bischof Berno sich zusammen, und der Überredungskunst des Bischofs mag es schließlich zu verdanken gewesen sein, daß Pribislav zur Tat schritt und den für kolonisatorische Zwecke geeignetsten Orden, die Zisterzienser, in sein Land rief. Bischof Berno, der wahrscheinlich selbst Mönch in Amelungsborn gewesen war 44 ), holte Brüder aus diesem Kloster herbei, die 1171 45 ) unter Abt Konrads Führung in Pribislavs Herrschaft eintrafen und von ihm auf seinem Gut Althof, östlich des Doberbachs angesiedelt wurden.
Von Anfang an scheint Pribislav das Kloster mit reichem Besitz ausgestattet zu haben. Der Wendenfürst rüstete sich zur gefahrvollen Fahrt nach dem Heiligen Lande, die er Anfang 1172 in Heinrichs des Löwen Gefolge antrat. Es entsprach der Denkungsart jener Tage, daß man sich in solcher Lage für alle Fälle die göttliche Gnade durch reiche Schenkungen zu sichern suchte. Der Klosterhof selbst (das heutige Althof), wendisch Doberan (das heutige Doberan), Parkentin, Hohenfelde, Stülow und Reddelich werden dem Kloster gleich bei seiner Gründung von Pribislav geschenkt worden sein. Fraglich ist bei den vier Dörfern in der Landschaft Cobantze, ob sie schon von Pribislav dem Kloster geschenkt worden sind, oder ob ihm nur vom Bischof der Zehnte dieses Gebiets überwiesen
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wurde. Für die erste Ansicht spricht, daß Brusow, eins der in dieser Landschaft gelegenen Dörfer, auch später immer als Doberaner Besitz genannt wird; die zweite Ansicht würde sich darauf berufen können, daß die beiden Dörfer des Bruno und Kröpelin später als Besitz des Klosters nie wieder auftauchen, daß aber Kröpelin wenigstens in kirchlicher Hinsicht noch 1230 46 ) Doberan unterworfen war. Bischof Berno ergänzte des Fürsten reiche Schenkung, indem er dem Kloster in diesen Dörfern auch den bisher dem Bischof zu zahlenden Zehnten überließ, dem Abt das Recht zusprach, in ihnen Kirchen zu errichten, Priester einzusetzen, Taufen und Beerdigungen vorzunehmen und ihm den geistlichen Bann über alles Klostergut verlieh. Noch in die Zeit der ersten Klostergründung, d. h. bis 1179, fällt auch die Schenkung des Dorfes Wilsen und von 6 Mark Rente aus der Kessiner Schenke seitens Niklots II. von Rostock. Die Schenkungsurkunde dieses Fürsten, der sich bei seinen Verleihungen ausdrücklich auf Pribislavs Vorbild beruft, gewährt einen guten Einblick in die Art, wie die Mönche in die Abtei eingewiesen wurden. Ein Unterschied zwischen hoher und niederer Gerichtsbarkeit scheint damals im wendischen Gebiet noch nicht gemacht worden zu sein und sich erst bei zunehmender Germanisierung herausgebildet zu haben. So wird dem Abt alles Recht auf Klosterboden übertragen; selbst die auf Grund der Podaca-Verpflichtung 47 ) mit dem Schutz der klösterlichen Siedler beauftragten wendischen Kriegsleute werden an das Kloster abgetreten. Die Hintersassen des Klosters werden von den lästigen Pflichten des Burgen- und Brückenbaus befreit. Das Kloster wie die aus Deutschland herbeigeholten Ansiedler erhalten besonderen Schutz des Fürsten gegen Übergriffe ihrer heidnischen Nachbarn; Verdacht, sich gegen die Anhänger des neuen Gottes vergangen zu haben, wird unter die Feuerprobe des Gottesurteils gestellt. Wenn die Wendenfürsten die Mönche selbst von allen Zöllen befreiten und ihren zugewanderten Hintersassen, vor allem den Händlern und Handwerkern bedeutende Erleichterungen für ihren Handel auf ihren Märkten gewährten, so handelten sie wohl im eigenen Interesse, um durch diese Träger höherer, deutscher Zivilisation dem Handwerk der
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wendischen Untertanen neue starke Antriebe zu geben und die Bedürfnisse ihrer eigenen Hofhaltung zu befriedigen, die durch den allmählich sich anbahnenden Verkehr mit den benachbarten deutschen Fürsten sich dauernd steigern mochten.
Noch einmal gewann 1179 die heidnische Reaktion die Oberhand. Das Kloster wurde durch wendische Raubscharen zerstört, die Mönche wurden ermordet, und zwischen Pribislavs Sohn Borwin und Fürst Niklot II. von Rostock tobte wilde Fehde um die Herrschaft im nördlichen Mecklenburg. 1184 geriet Borwin in die Gefangenschaft der Rugier, die ihn dem Dänenkönig überlieferten. Erst 1186 scheinen die beiden Fürsten - Niklot war in die Gefangenschaft des Herzogs Bogislav von Pommern gefallen - der Freiheit wiedergegeben worden zu sein 48 ). Der Preis für die Freiheit war die Unterwerfung unter die dänische Oberhoheit. Zum Dank für die Errettung aus allen diesen Fährnissen mag dann Borwin I. die Gründung seines Vaters erneuert haben. Er holte wieder Mönche aus Amelungsborn, dem alten Mutterkloster Doberans, herbei, siedelte sie an der Stätte des alten Klosters in Althof an, bestätigte ihnen die Rechte, die ihnen schon sein Vater verliehen hatte, und fügte dem alten Besitz bis 1209 Stäbelow, Ribenitz bei Redentin, Jennewitz, Farpen, Redentin und nach 1200 auch Gallin hinzu. Die Einnahme des Klosters aus der Kessiner Schenke und die Rechte, die dem ersten Kloster am Strand verliehen waren, scheinen aber von Borwin und Niklot nicht wieder erneuert worden zu sein und auch hinsichtlich der Gerichtsbarkeit scheinen sie sich den deutschen Gewohnheiten angepaßt und die hohe Justiz für sich beansprucht zu haben, während sie die gänzliche Befreiung von Steuern und Zöllen auch auf die Hintersassen des Klosters ausdehnten. In die Zeit von 1209 fällt die Erwerbung von Polas und Cuneredam, vielleicht auch von Domastiz-Ivendorf; immerhin ist bei letzterem Ort möglich, daß es sich um eine Neusiedlung auf Boden handelte, der dem Kloster schon vorher gehört hatte. Die
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Zehnten von Ivendorf müssen dem Kloster nach M.U. 380 schon vor 1230 verliehen worden sein. Da eine solche Zehntverleihung aber nicht überliefert ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß sie schon in der des Bischofs Berno eingeschlossen war, als Domastiz noch einen Teil der Dorfflur einer Ortschaft bildete, die wie Putecha-Hohendorf schon in M.U. 122 aufgezählt worden war. Die Zehnten von Gallin, Stäbelow, Redentin, Polas, Farpen, Schulenburg und Conerdam wurden dem Kloster erst 1230 von Bischof Brunward von Schwerin verliehen 49 ).
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D ie folgenden Angaben sind einem Tagebuch der Auguste Francke, einer Tochter des 1841 verstorbenen Kirchenrats Francke 1 ) in Boitin, entnommen. Ihr Bruder Heinrich Francke, der als freiwilliger Jäger an den Freiheitskriegen selbst teilgenommen hat, ist der Verfasser von "Mecklenburgs Not und Kampf vor und in den Befreiungskriegen". Das Tagebuch, das durch Erbschaft in die Hände unserer Familie gekommen ist, reicht bis 1826. Es gibt bei aller Kürze einen interessanten Einblick in das Leben eines Pfarrhauses damaliger Zeit. Man staunt über die Fülle von Arbeit, die die Pfarrfrau mit ihren Töchtern zu erledigen hatte, man spürt aber auch nicht ohne Neid, wieviel friedlicher und ebenmäßiger das Leben damals verlief als heute. Das gilt nun allerdings nicht von den Jahren 1811 - 1815, von denen hier die Rede sein soll. Die kriegerischen Ereignisse der Zeit warfen ihre Wellen auch in die Pfarrhäuser.
Schon im Jahre 1811, als Auguste Francke sich noch im Haus ihrer Eltern in Boitin befand, hören wir von allerlei Einquartierung französischer Truppen. Es waren wohl Truppen, die sich bereits auf dem Marsch zur russischen Grenze befanden. So ist vom 21. Jan. bis 5. Febr. ein Franzose im Pfarrhaus einquartiert, vom 28. April bis 4. Mai ein Italiener mit Namen Guidon. Am 30. April kam französische Kavallerie nach Boitin. Das Pfarrhaus erhielt "mit Mühe" zwei Mann davon. Wie der Ausdruck zu verstehen ist, ist nicht ganz klar. Sollte man sich damals noch um französische Einquartierung bemüht haben, oder soll das Gegenteil damit gesagt werden? Nachdem die Kavallerie am 2. Mai abgezogen war, folgten nacheinander vom 9. bis 17. Mai ein Italiener namens Allietto, vom 3. bis 7. Aug. ein Kapitän mit Frau und einem Franzosen und schließlich am 3. Febr. 1812 21 Franzosen auf einmal.
Inzwischen kam Auguste Francke zu ihrem Onkel, dem Pastor David Joachim Francke 2 ), nach Eldena und erlebte
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dort die großen Ereignisse der Jahre 1813 - 1814 mit. Am 10. März 1813, dem Tage, an dem Friedrich Wilhelm III. das Eiserne Kreuz stiftete, zeigte sich in Eldena zum erstenmal ein Russe, "welcher Kunststücke machte". Am 12. März rückten die Kosaken in dem benachbarten Grabow ein. Am 3. April ritt Prinz Karl, Sohn Friedrich Franz I., durch Eldena. "Es liefen hier keine erfreulichen Nachrichten ein, es wurden grämliche Gesichter gemacht." Sicherlich erfuhr man an diesem Tage in Eldena von der Einnahme Lüneburgs durch ein französisches Korps unter General Morand und wußte nicht, daß die Stadt schon am 2. April durch preußische und russische Truppen zurückerobert und das französische Korps gefangen genommen war. Die erste Einquartierung erfolgte am 4. Mai: vier Jäger, wahrscheinlich von der Abteilung freiwilliger Jäger, die in den Tagen von Güstrow aufgebrochen war und am 5. Mai Dömitz erreichte 3 ). Am 6. Mai folgte den Jägern meckl. Kavallerie, von der drei Mann ins Pfarrhaus gelegt wurden. Es werden reitende Jäger gewesen sein, die auf dem Marsch zur Elbe waren 4 ). Am 11. Mai folgten fünf preußische Offiziere mit vier Bedienten, von denen nicht gesagt wird, wie lange sie blieben, und am 14. Mai sechs Offiziere und sieben Bediente, die schon am 15. in großer Eile abzogen.
Während des Waffenstillstandes, der nach den Schlachten von Großgörschen und Bautzen geschlossen wurde und vom 4. Juni bis zum 10. August dauerte, fand zweimal eine Truppenschau auf der Heide statt. Am 21. Juni führte Dörnberg seine Truppen der Erbprinzessin vor, am 4. August war Parade vor dem Kronprinzen von Schweden. Es hatte sich nun auch schon die Landwehr gestellt. Am 18. Juli wird darüber berichtet mit der kurzen Bemerkung: "Sonderbare Anstalten." Am 24. und 29. Juli zogen Dessauer Truppen durch, am 29. auch Engländer. Vom 30. Juli bis 2. August war ein Leutnant mit zwei Bedienten in Quartier, vom 4. bis 8. August wiederum ein Leutnant.
Nach Ablauf des Waffenstillstandes folgte eine Flut von Einqartierungen bis zum Schluß des Jahres. Mitte August kamen Engländer, die am 15. abmarschierten. Am 15. abends rückte Landwehr ein. Es herrschte "furchtbarer Specktakel die Nacht hindurch". Auf die Landwehr folgten vom 16. bis
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18. August drei Offiziere der hanseatischen Legion mit Bedienten. Am 18. August kam die Landwehr zurück. Am 23. August hören wir wieder von Hanseaten. Sechs hanseatische Jäger speisten im Pfarrhaus zu Mittag. Viel Militär marschierte durch. Es war der Tag, an dem die verbündeten Truppen, die schon in der Nacht vom 21./22. August die Linie Camin-Vellahn aufgegeben und sich bis auf die Höhe von Hagenow zurückgezogen hatten, bis Neustadt zurückwichen. Drei Verwundete aus den Rückzugsgefechten wurden am 24. August im Pfarrhaus untergebracht und noch vor der Nacht weiter befördert.
Mit dem Vormarsch der verbündeten Truppen Anfang September begannen wieder die Durchmärsche und Einquartierungen. Am 6. Sept. berichtet das Tagebuch von "fürchterlich viel Durchmärschen". "Unsere Engländer kommen auch durch." Vom 6. Sept. bis 2. Okt. waren dort ein Leutnant Wittkrieg mit einigen Landwehrleuten einquartiert. Am 8. Sept. "furchtbarer Aufruhr. Es hieß, die Franzosen seien uns nahe, alles saß auf." Die Sorge war unbegründet. Am 9. Sept. wiederum Durchmarsch von Truppen, diesmal von der russisch-deutschen Legion. Sechs englische Offiziere waren im Pfarrhaus in Quartier. Am 12. Sept. (13. nach Trinitatis) mußte zum erstenmal der Gottesdienst ausfallen, weil die Kirche als Pulvermagazin benutzt wurde. An demselben Tage kam ein Hauptmann mit seiner Frau und einem Kommissär in Quartier. Der Hauptmann reiste am 23. mit einem Teil Pulver fort, der Kommissär blieb bis zum 2. Okt. Am 18. Sept. wurde in Eldena eine starke Kanonade gehört. Es wird der Kanonendonner aus dem Gefecht bei Zarrentin gewesen sein, das an diesem Tage stattfand. Am 5. Okt. war ein verwundeter Offizier vom Preußischen Jägerkorps zu Mittag Gast. Am 10. Okt. (17. nach Trinitatis) begann der Gottesdienst wieder, das Pulver lagerte also nicht mehr in der Kirche. Vom 18. Okt. bis 27. Nov. waren vier Offiziere und ein Bedienter in der Pfarre einquartiert. Am 16. Nov. marschierten viele englische Truppen durch. Am 20. Nov. kam zu den vier Offizieren noch ein Stallmeister vom Tettenbornschen Korps mit seiner Frau in Quartier. Es folgten dann im Dezember, als der Kriegsschauplatz bereits von Mecklenburg tief nach Schleswig-Holstein hinein verlegt war, folgende Einquartierungen: am 5. Dez. ein Leutnant, am 15. ein Feldwebel von
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der russisch-deutschen Legion mit Bedienten, am 17. eine Abteilung von vier Kosakenoffizieren und 11 Gemeinen und um Weihnachten ein Oberst, der seinen Wirten dadurch ein besonderes Vergnügen bereitete, daß er anläßlich des Weihnachtsmarktes einen Punsch ausgab.
Inzwischen war am 15. Dez. mit dem Waffenstillstand zwischen Dänemark und Schweden der Feldzug in Schleswig-Holstein beendigt. Die Truppen der Nordarmee zogen Anfang 1814 nach Frankreich. Auch in dieser Zeit hörte die Einquartierung nicht auf. Am 24. Jan. war ein Leutnant Löper in Quartier, am 14. Febr. ein Wachtmeister. Große Unruhe brachte die Einquartierung eines Obersten am 16., der Frau, Tochter, vier Bediente und zwei Kammerjungfern bei sich hatte. Es "war viel Mirakel, Großmutter und Tante sollten aus ihrer Stube verjagt werden". Als der Oberst mit seinem Anhang am 18. abgezogen war, kam am 22. ein Offizier von den russischen Dragonern in Quartier. Am 4. März marschierte viel Militär von der russisch-deutschen Legion durch, am 13. April war der Oberst mit seinem Anhang wieder auf eine Nacht da. Schon war man dem Ende des Krieges nahe. Am 17. April wurde ein Dankfest für den Einzug der Verbündeten in Paris gefeiert. Am 22. Mai enthält das Tagebuch die Bemerkung: "Napoleon nach der Insel Elba eskortiert; die Nordarmee ging auseinander". Am 27. Mai waren dann fünf schwedische Offiziere einquartiert, am 5. Juni zwei Mann von der zweiten Schwadron der Meckl. Reitenden Jäger. Diese Schwadron war wegen ihrer großen Verluste im Gefecht bei Sehestedt nicht sogleich mit der Meckl. Brigade nach Frankreich gezogen, sondern zunächst in Rostock zurückgeblieben 5 ). Sie brach dann im März nach Frankreich auf, erhielt aber in der Gegend von Celle den Befehl, wieder umzukehren. Am 5. Juni erreichte sie Dömitz 6 ) und Eldena, wo schon an demselben Tage Mannschaften der Schwadron nachzuweisen sind. Am 6. Juni waren drei schwedische Offiziere in Quartier, die am Abend hübsch sangen. Am 29. kehrte der Landwehrmajor v. Bülow im Eldenaer Pfarrhaus ein. Es war der spätere Oberstleutnant und Kommandant von Dömitz, der von Fritz Reuter in "Ut mine Festungstid" erwähnt wird. Nach der Heimkehr der meckl. Truppen im Juli gab es dann am 23. August noch ein-
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mal Einquartierung. Es war ein Oberst von der russischen Garde mit Bedienten. Dann ging das Leben im Pfarrhaus wieder seinen gewohnten geregelten Gang.
Während der kriegerischen Ereignisse des Jahres 1815 finden wir Auguste Francke bereits wieder im Hause ihrer Eltern in Boitin. Einige kurze Bemerkungen des Tagebuches zu den damaligen kriegerischen Ereignissen seien hier wiedergegeben. Am 2. Juli hörte man in Boitin eine starke Kanonade von Bützow her, "welches aus Freude wegen der Niederlage Bonapartes (Schlacht bei Waterloo am 18. Juni) geschah". Am 3. Juni traf nacheinander viel Besuch in Boitin ein, auch der Pastor der Nachbargemeinde Tarnow kam herüber; "alle führten die schönen Nachrichten her, alle Extrablätter wurden gelesen". Am 4. August wurden die Gemüter noch einmal in Angst versetzt durch das Gerücht, der König von Preußen sei erschossen. Am 19. Okt. hören wir von allgemeiner Feier der Schlacht bei Leipzig. Von Boitin aus waren 14 Freudenfeuer sichtbar, die rings herum an hochgelegenen Stellen abgebrannt wurden.
Blicken wir zum Schluß noch einmal zusammenfassend auf die Tagebuchaufzeichnungen zurück. Von Interesse ist die große Zahl von Einquartierungen im Eldenaer Pfarrhaus. Es waren im Laufe von zwei Jahren nicht weniger als 48 Offiziere, die dort für kürzere oder längere Zeit in Quartier lagen, darunter drei Oberste, ein Major und ein Hauptmann. Bei den übrigen ist der Rang meist nicht angegeben. Sie waren begleitet von 23 Bedienten. Die geringe Zahl der Bedienten erklärt sich daraus, daß die englischen und schwedischen Offiziere sowie die Kosakenoffiziere keine Bedienten hatten. Außer den Offizieren waren dort je ein Wachtmeister, ein Feldwebel, ein Stallmeister und ein Komissär einquartiert. Dazu kam noch eine ganze Anzahl Gemeine. Obendrein brachten die Offiziere in einigen Fällen noch ihre Frauen mit. Wie wir hörten, begnügte sich ein Oberst nicht damit, seine Frau bei sich zu haben, sondern ließ sich auch noch von seiner Tochter und zwei Kammerjungfern begleiten. Kein Wunder, daß es bei dieser Einquartierung nicht ohne Reibereien abging. Auch die Landwehr scheint keine sehr angenehme Einquartierung gewesen zu sein. Man hatte gewiß mit der vielen Einquartierung aus allerlei Völkern - neben Preußen, Mecklenburgern, Dessauern und Hanseaten werden Schweden, Engländer und Russen genannt - mancherlei
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Arbeit und Mühe. Aber sie wurde offenbar gern getragen um der großen Sache willen. Vaterländische Gesinnung leuchtet aus den kurzen Tagebuchblättern hervor. Mit regem Interesse wurden alle Nachrichten über den Gang des Krieges verfolgt, man zupfte Scharpie, schrieb Lieder, die von Hand zu Hand gingen, ab. Auguste Francke nahm in ihrer Begeisterung sogar Unterricht bei einem Bombardier. Es wird ein eigener Unterricht gewesen sein! Bei der vaterländischen Gesinnung, die im Eldenaer Pfarrhaus herrschte, knüpften sich auch manche persönliche Beziehungen zu einzelnen Offizieren des Heeres. Mehr als einmal wird berichtet, daß dieser oder jener zu kurzem Besuch wieder im Hause weilte. Nicht überall fand sich eine solche Gesinnung. Nach einem Besuch bei Eldenaer Bekannten schrieb Auguste Francke voll Empörung in ihr Tagebuch: "Ärgerte mich über alle Franzosenfreunde." Und das war noch am 14. Okt. 1813, also kurz vor der Schlacht bei Leipzig. Selbst zu der Zeit gab es noch Franzosenfreunde im Lande. Etwas, was uns heute sehr fremd anmutet, ist die Langsamkeit, mit der damals die wichtigsten Nachrichten befördert wurden. Die Nachricht von der Verbannung Napoleons nach St. Elba traf erst am 22. Mai in Eldena ein. Etwa drei Wochen vorher, am 3. Mai, war Napoleon schon in St. Elba gelandet. Von der Schlacht bei Waterloo, die am 18. Juni stattfand, erfährt man in Bützow und Boitin erst am 2. und 3. Juli. Diese langsame Verbreitung der Kriegs- und Siegesnachrichten ist wohl mit ein Grund dafür, daß noch am 4. Aug. 1815 das Gerücht aufkommen konnte, der König von Preußen sei erschossen. Wie mögen erst in den Wochen, als das Kriegsglück schwankte, die Herzen in Furcht und Hoffnung geschwebt haben, zumal der Feind eine Zeitlang in unmittelbarer Nähe stand.
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S chon seit längerer Zeit beschäftigte mich der Gedanke an einen Versuch, die Auswanderung aus Mecklenburg-Schwerin in überseeische Länder, besonders nach den Vereinigten Staaten, darzustellen. Ich war darauf gekommen, als ich im wismarschen Ratsarchiv auf Akten stieß, die, bis in das erste Drittel des neunzehnten Jahrhunderts zurückgehend, die Auswanderung aus Wismar und Umgebung betrafen. Mit einer Beschränkung auf Wismar schien mir aber doch der Rahmen für eine erfolgreiche Untersuchung zu eng gespannt; ich entschloß mich daher, die gesamte Auswanderung aus Mecklenburg-Schwerin in den Kreis meiner Nachforschungen zu ziehen.
Zunächst habe ich mit der Durcharbeitung des Materials begonnen, das das Geheime und Haupt-Archiv in Schwerin enthält, und zwar der Spezialakten über Auswanderung (Auswanderungs-Konsense). Meine Absicht ist, im Laufe der Zeit alles, was an Auswanderungsakten in Mecklenburg-Schwerin erreichbar ist, zu bearbeiten.
Die Frage war nun, welches die Form und das Ziel der Untersuchung sein sollte: Sollte sie sich beschränken auf statistische Zusammenstellungen oder sollte sie darüber hinausgehend auch die Persönlichkeiten der Auswanderer selbst behandeln? Von dem Gedanken, nur Statistisches zu geben, bin ich abgekommen trotz der Gefahr, daß der äußere Umfang der Untersuchung sehr erheblich werden würde. Als Begründung für meinen Entschluß möchte ich einige grundsätzliche Bemerkungen einfügen.
Es wird im allgemeinen keiner besonderen Begründung bedürfen, warum eine Arbeit über die Auswanderung besonders nach Amerika berechtigt, ja, ich möchte ohne Einschränkung sagen, durchaus notwendig und auch gerade im jetzigen Augenblick notwendig ist. Die ungeheure historische Bedeutung jener Wanderung, die sehr viele deutsche Volksgenossen in die Neue Welt hinüberführte, ist uns in den letzten Jahrzehnten immer mehr zum Bewußtsein gekommen. Was würden wir darum geben, wenn wir heute in der Lage wären, mit
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einem gleich umfangreichen und brauchbaren Material etwa die Geschichte unserer ostdeutschen Kolonisation erhellen zu können! Eine wenn auch nicht gleich, so doch ähnlich wichtige und bedeutungsvolle Erscheinung ist aber die Auswanderung nach Amerika. Hier muß also aus Gründen der historischen Erkenntnis eines überaus wichtigen und, man kann wohl sagen, weltgeschichtlichen Ereignisses die Aktenforschung einsetzen.
Dazu aber kommt ein zweites: ich möchte dies die nationale Bedeutung einer derartigen Untersuchung nennen. Wir haben es überaus schmerzlich empfunden, daß die Bande gemeinsamen deutschen Volkstums zwischen uns und den Deutsch-Amerikanern stark gelockert und oft gänzlich zerrissen sind. Wollen wir diese Bande wieder knüpfen und festigen, dann wird ein Nachweis über die einzelnen Persönlichkeiten, die über See gegangen sind, die beste Gelegenheit dazu bieten. Und ich möchte geradezu sagen: Es ist fast der letzte Augenblick, um hier noch mit einiger Aussicht auf nennenswerten Erfolg zu arbeiten. Noch mag drüben dieser und jener leben, der als Kind etwa in den sechziger Jahren mithinübergegangen ist; mindestens aber wird man annehmen und hoffen können, daß bei den Nachkommen die Erinnerung an die Herkunft ihrer Vorfahren noch lebendig ist. Andererseits weiß man ja, wie schnell gerade der Deutsche sich dem Lande, das ihm Erfüllung seiner Wünsche und Hoffnungen gab, anzupassen wußte, wie schnell und vollständig der Deutsche z. B. amerikanisiert wurde. Will man also an noch lebende Persönlichkeiten oder noch lebendige Tradition (etwa durch die deutschen Vereine in den Vereinigten Staaten) anknüpfen, dann darf man beinahe kein Jahr mehr ungenützt verstreichen lassen.
Diese grundsätzlichen Erwägungen, die mir persönlich überdies die Dringlichkeit einer Untersuchung über die Auswanderung am deutlichsten beweisen, gaben auch die Entscheidung über Ziel und Methode der Arbeit: Ich durfte mich nicht mit statistischen Untersuchungen begnügen, wenngleich auch diese gewiß auf Interesse rechnen dürfen, zumal in heutiger Zeit, deren historische Forschung ganz besonders das Gebiet der Wirtschaftsgeschichte bearbeitet. Ich mußte auch und sogar zunächst einmal in erster Linie die Namen der Auswanderer selbst veröffentlichen. So kann man hoffen, daß es vielleicht doch noch möglich sein wird, in der neuen Heimat der Auswanderer die
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Erinnerung an diese und jene Vorfahren wieder lebendig werden zu lassen und so unmittelbare persönliche Beziehungen herzustellen oder zu befestigen.
Zugleich aber glaube ich, daß es auch für manchen von uns heutigen Mecklenburgern von Interesse sein wird, die Namen derer, die einst von hier ausgewandert sind, zu durchmustern. Hier und da mögen sich Anknüpfungspunkte finden; es mag wohl geschehen, daß der Name manches verschollenen Familienmitgliedes wieder auftaucht. Und damit ist zugleich ja auch hingewiesen auf die allgemeine Bedeutung einer solchen Zusammenstellung für die Familienforschung.
Schwierigkeiten macht natürlich der Umfang des Materials, das sich so zur Veröffentlichung bietet. Ich habe diesen Schwierigkeiten zu begegnen versucht durch Abkürzungen der Vornamen und überhaupt durch möglichst starke Zusammenpressung der Angaben der Akten.
Die nachfolgenden Zusammenstellungen selbst sind nur als allererstes Stück, sozusagen als Probestück gedacht. Hoffentlich wird es möglich sein, im nächsten Jahr erheblich größere Partien zu veröffentlichen. Es ist also auch nicht das Forschungsergebnis über einen bestimmten Zeitabschnitt, sondern nur soviel veröffentlicht, wie auf den wenigen zunächst zur Verfügung stehenden Seiten untergebracht werden konnte.
Auch noch einige äußerliche Bemerkungen seien gemacht: Die Reihenfolge der Angaben ist: Name, Beruf, Herkunftsort, Geburtstag, [Datum der Konsens-Erteilung], (abgekürzte Aktennummer), Bemerkungen. Wo Angaben, z. B. über Geburtsdaten, fehlen, fehlen sie auch in den Akten. Die Angabe "unverheiratet" ist nur bei weiblichen Personen gemacht. Leider ist nur zum ganz geringen Teil in den Akten der Ort angegeben, nach dem die Auswanderer wollten; wo diese Angaben sich finden, gebe auch ich sie natürlich. Die Namenschreibung der Ortschaften und die Bezeichnung der Ämter ist nach den Akten, also nach dem damaligen Stand der Dinge erfolgt. Die Auswanderer sind nicht durchnumeriert, dafür aber die Aktennummern abgedruckt zwecks leichterer Auffindung der einzelnen Belege. Personen- und Ortsregister werden nach Veröffentlichung eines längeren Abschnitts folgen, ebenso auch statistische Zusammenstellungen. Nicht unerwähnt sei, daß die Auswanderungsakten des Geheimen und Haupt-Archivs nicht ganz vollständig zu sein scheinen.
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Auch darüber seien ein paar Worte gesagt, weshalb ich nur die Auswanderung über See behandele. Ein Grund liegt natürlich in dem Umfang des Materials, das zu stark anschwellen würde. Dazu aber kommt, daß mir im Augenblick aus den oben erwähnten Gründen eine Untersuchung über die überseeische Auswanderung wichtiger scheint als z. B. über die Auswanderung in andere deutsche Länder, die nächst der überseeischen in erster Linie in Frage käme. Doch sei ausdrücklich festgestellt, daß ich mich nicht auf die Vereinigten Staaten allein beschränkt habe: Auch die Auswanderung nach Brasilien und Australien z. B. habe ich in die Untersuchung hineingezogen. Wo sich bei mir keine besondere Notiz über das Auswanderungsziel findet, steht in den Akten nur "Amerika", was wohl so gut wie immer "Vereinigte Staaten" bedeuten wird, oder es steht ausdrücklich da "Vereinigte Staaten" bzw. "Nordamerika".
Zum Schluß möchte ich an einem Beispiel aus vielen zeigen, welchen großen Umfang die Auswanderung aus Mecklenburg, auch aus den Städten genommen hat: Aus der Stadt Crivitz erhielten Auswanderungskonsense 1864. V. 9. ein Bäckermeister mit Frau und vier Kindern; V. 10. eine Witwe; V. 23. ein Kaufmann mit Frau und fünf Kindern, ein Schustermeister mit Frau und einem Kind; VI. 1. ein Ackerbürger mit Frau und zwei Kindern; VI. 2. ein Ackerbürger mit Frau und drei Kindern; VI. 4. ein Müllergeselle; VI. 6. zwei unverheiratete Schwestern; VI. 18. ein Mädchen mit unehelichem Kind; VII, 19. ein Bäckermeister mit Frau und vier Kindern; insgesamt also 37 Personen, die aus der einen kleinen Stadt im Lauf von gut zwei Monaten den Konsens erhielten! Man stelle sich vor, welchen Eindruck heute eine gleiche Auswandererziffer machen und wie sie wirken würde! Das ist aber nur eins von den sehr vielen Beispielen, die ich bei den späteren statistischen Untersuchungen zusammenstellen werde. Zunächst beschränke ich mich darauf, für alles, was Statistik und Einordnung der Auswanderung in die geschichtliche Entwicklung Mecklenburgs angeht, auf die überaus inhaltreiche und wertvolle Arbeit des damaligen Referendars, heutigen Amtsgerichtsrats Lindig in Wismar über "Entwicklung und gegenwärtiger Zustand des Auswanderungswesens in Mecklenburg" (Zeitschr. d. Vereins f. Sozialpolitik Bd. 52) zu verweisen.
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A = Anna.
Ad = Adolph.
Al =
Albert.
Am = Amalie.
An = Anton.
Au = August.
Aug = Auguste.
B =
Bertha.
Be = Bernhard.
C = Carl
(Karl).
Ca = Catharine.
Car = Caroline
(Karoline).
Char = Charlotte.
Chri =
Christian.
Christ = Christoph.
Christi
= Christiane.
Con = Conrad (Konrad).
D
= David.
Da = Daniel.
Di =
Dietrich.
Do = Dorothea.
Ed =
Eduard.
Eli = Elise.
Elis =
Elisabeth.
Em = Emil.
Emi =
Emilie.
Er. = Ernestine.
Ern =
Ernst.
Fe = Ferdinand.
Fra =
Franz.
Fri = Friedrich.
Frid =
Friderike.
Frie = Frieda.
Fried =
Friederike.
Ge = Georg.
Go =
Gottlieb.
Gu = Gustav.
Ha =
Hanna.
Har = Hartwig.
He =
Helene.
Hed = Hedwig.
Hei =
Heinrich.
Hel(l) = Hel(lmuth.
Hen =
Henrike.
Henr = Henriette.
Herm =
Hermann.
Hs = Hans.
I = Ida.
Ja =
Jakob.
Il = Ilse.
Jo = Johann.
Joa = Joachim.
Joh = Johanna.
Ju =
Julius.
Jü = Jürgen.
Lou = Louise
(Luise).
Lu = Ludwig.
Ma = Marie.
Mag = Magdalene.
Mar = Margarete.
Mi =
Mi(n)na.
Mt = Martin.
O = Otto.
P
= Peter.
Pa = Paul.
Ph = Philipp.
Ru = Rudolph.
So = Sophie.
Th =
Theodor.
W = Wilhelmine.
Wi = Wilhelm.
A = Amerika.
K = Kind(er).
S =
Sohn.
T = Tochter.
verh. = verheiratet.
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Stiegmann, Jo Fri C, Knecht, Tressow A. Neustadt, * 1834. XII. 24. [1861. V. 4.] (4670). Hat angeblich "das benötigte Reisegeld im Überflüsse von seinen in Amerika befindlichen Verwandten erhalten".
Praeger, Ma, unverehelicht, Krassow A. Güstrow, * 1834. III. 29 [1861. VIII. 3.] (4676).
Schröder, Hei Chri, Weber, Mönchhagen A. Toitenwinkel, * ? [1862. X. 6.] (4681). In A. sind zwei Töchter verheiratet und zu gutem Auskommen gelangt. Schröder selbst ist mittellos. [Akt.-Nr. 4680.]
Schröder, So Do, geb. Harder, Ehefrau, Mönchhagen A. Toitenwinkel, * ? [1862. X. 6.] (4681).
Schröder, Do Christi Eli, Tochter, Mönchhagen A. Toitenwinkel, * 1836. IX. 1. [1862. X. 6.] (4681).
Schröder, Jo C Hei, Sohn, Mönchhagen A. Toitenwinkel, * 1840. V. 6. [1862. X. 6.] (4681).
Schröder, Jo Joa Fri, Sohn, Mönchhagen A. Toitenwinkel, * 1843. IX. 24. [1862. X. 6.] (4681).
Schröder, Hei Fri Chri, Sohn, Mönchhagen A. Toitenwinkel, * 1850. VI. 3. [1862. X. 6.] (4681).
Burmeister, Hei, Schneider, Schlieffenberg A. Güstrow, * ? [1861. V. 29.] (4688). Wandert erst 1863 aus.
Burmeister, He, geb. Becker, Ehefrau, Schlieffenberg A. Güstrow, * ? [1861. V. 29.] (4688). Wandert 1863 aus.
Seegert, Frie u. Lou, Töchter der Frau Burmeister, Schlieffenberg A. Güstrow, * ? [1861. V. 29.] (4688).
Lorenz, Henr, unverehelicht, Stavenhagen * 1835. VII. 10 [1863. VIII. 1.] (4690).
Herm Hei Fri, * 1855. XII. 19., und Fried, * 1859. II. 6., deren Kinder, Stavenhagen [1863. VIII. 1.] (4690).
Raethke, Henr Fried Car, unverehelicht, Poppentin Kl.-A. Malchow, * 1838. X. 30. [X. 8.] (3002).
Rohde, Jo Joa Chri, Knecht, Krusenhagen A. Redentin, * 1838. IX. 13. [X. 8.] (03).
Spencker, Joa Chri Th, Knecht, Lehnenhof A. Dargun, * 1846. XII. 12. [X. 8.] (04). Stockton in N.-A.
Saubert, Go, Knecht, Malchin, * 1841. III. 15. [X. 8.] (07).
Saubert, So, unverehelicht, Malchin, * 1843. X. 10. [X. 8.] (07). Eine Schwester, in Chikago verheiratet, hat etwas Geld für Überfahrt geschickt.
Maaß, Joa Fri Lu, Knecht, Levitzow A. Neukalen, * 1836. XII. 1. [X. 8.] (08).
Schröder, Jo Fri Th, Knecht, Ritzerow A. Stavenhagen, * 1835. III. 15. [X. 8.] (09/10).
Schröder, Fri Lu Hell, Knecht, Ritzerow A. Stavenhagen, * 1838. XII. 27. [X. 8.] (09/10).
Schröder, Chri Fri Ern, Ritzerow A. Stavenhagen, * 1846. I. 3. [X. 8.] (09/10).
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Schröder, Fri Wi Christ, Ritzerow A. Stavenhagen, * 1848. XII. 24. [X. 8.] (09/10).
Schröder, C Jo Fri, Ritzerow A. Stavenhagen, * 1851. IV. 30. [X. 8.] (09/10).
Schröder, Mine Ma So Christi, unverehelicht, Ritzerow A. Stavenhagen, * 1832. X. 2. [X. 8.] (09/10). Mit ihrem Kind Fri C Chri Schröder, * 1858. II. 17.
Österreich, Joh Ma Frid., unv., Kleth D.-A. Wredenhagen, * 1841. I. 16. [X. 8.] (09/10).
Kühl, Jo Joa Fri, Knecht, Dipperow D.-A. Wredenhagen, * 1831. XII. 25. [X. 8.] (12).
Schabbel, Elis, unv. Schlachtermeisterstochter, Röbel, * 1838. X. 15. [X. 8.] (13).
Picker, Jo Joa Fri, Knecht, Jelln Kl.-A. Dobbertin, * 1830. XII. 30. [X. 8.] (14).
Marcks, C, verabsch. Dragoner, Görries D.-A. Schwerin, * ? [X. 8.] (16). Auf Allerhöchsten Befehl zwecks Auswanderung nach Amerika verabschiedet.
Rukiek, Chri Joa, Zieglergeselle, Driespeth D.-A. Schwerin, * 1829. III. 29. [X. 7.] (17).
Posthof, C Jo, Arbeitsmann, Schwaan, 40 Jahre alt [X. 9.](18). Eli, geb. Töllner, dessen Ehefrau, Schwaan, * ?, [X. 9.] (18).
Lüthke, Hei D, Holländersohn, Kittendorf A. Stavenhagen, 32 Jahre alt [X. 9.] (20).
Sturm, C, Einwohner, Benzin D.-A. Lübz * ? [X. 9.] (22). W, geb. Schleede, dessen Ehefrau, Benzin D.-A. Lübz, * ? [X. 9.] (22). W, dessen Tochter, Benzin D.-A. Lübz, * 1858. VIII. 4. [X. 9.] (22). Ma, dessen Tochter, Benzin D.-A. Lübz, * 1860. XII. 20. [X. 9.] (22).
Molzahn, Jo C Fri, Knecht, Lanken A. Lübz, * 1814. I. 25. [X. 9.] (23). Heiratet die folgende.
Jarchow, Christi, unv., Barkow D.-A. Lübz, * 1838. I. 21. [X. 9.] (23). W So Ha, der. Tocht., Barkow D.-A. Lübz, * 1860. V. 15. [X. 9.] (23). Fri Chri Jh, der. Sohn, Barkow D.-A. Lübz, * 1863. IX. 26. [X. 9.] (23).
Brinckmann, geb. Stoll, Ww., Brütz A. Goldberg, 63 Jahre alt, [X. 9.] (25).
Brinckmann, C Fri Al An, Knecht, Brütz A. Goldberg, * 1835. XI. 18. [X. 9.] (25).
Brinckmann, Wi C Jo, Knecht, Brütz A. Goldberg, * 1838. II. 1. [X. 9.] (25).
Brinckmann, So, unv., Brütz A. Goldberg, 23 J. alt, [X. 9.] (25).
Mulsow, Joh Do Christi, unv., Lanken A. Lübz, 26 Jahre alt [X. 9.] (25). Braut des C. Brinckmann.
Völkert, So Fried Car Helmine, unv., Weitendorf A. Ivenack, * 1836. V. 9. [X. 9.] (26).
Völkert, Jo Fri Wi, deren Sohn, Weitendorf A. Ivenack, * 1860. I. 26. [X. 9.] (26).
Roeseler, Elis, geb. Kremer, Ww., Picher D.-A. Hagenow, etwa 65 Jahre alt [X. 10.] (27).
Roeseler, Jo Hei Chri, deren Sohn, Picher D.-A. Hagenow, * 1836. VI. 19. [X. 10.] (27).
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Geyer, A Ma Hed, unv., Glashagen D.-A. Doberan, * 1825. X. 13. [X. 10.] (28).
Geyer, W Joh Fried, deren Tochter, Glashagen D.-A. Doberan, * 1856. III. 27. [X. 10.] (28).
Griewan, So, unv. Kl.-Nieköhr A. Gnoien, 24 Jahre alt, [X. 10.] (30).
Lembcke, Jo Fri Mt Ad, Knecht, Neustadt, * 1841. IV. 29. [X. 10.] (32).
Becker, Ma, 14 Jahre alt, W, 11 Jahre alt, Fried, 8 Jahre alt, Töcht. d. 1858 ausgew. Tagelöhn. Fri Becker, Balow A. Grabow [X. 10.] (33). Becker ist vor fünf Jahren nach dem Tode seiner Frau nach A. ausgewandert, besitzt jetzt mit seinem schon vor ihm ausgewanderten Bruder gemeinschaftlich eine Farm in Maderiwell im Staate Indiana. Jetzt holt er seine Kinder nach.
Steinmüller, So Fried Christi, unv., Walkendorf A. Gnoien, * 1829. VIII. 14. [X. 10.] (34).
Steinmüller, C Joa Fri, deren Sohn, Walkendorf A. Gnoien, * 1856. III. 9. [X. 10.] (34).
Jürß, Jo Hei Christ, Schneidergeselle, Wustrow A. Bukow, * 1837. V. 27. [X. 10] (35). Kann hier im Lande kein Meister werden, weil keine Stadt ihn rezipieren wird, da er kein Vermögen hat.
Peters, Fri Hei Chri, Jäger, Rögnitz A. Wittenburg, * 1831. XII. 11. [X. 10.] (36).
Meyer, Jo Hei Fri, Knecht, Pingelshagen A. Schwerin, * 1838. I. 13. [X. 12.] (37).
Ahrens, So Do Ha, unv., Krusenhagen A. Mecklenburg-Redentin, * 1837. XII. 12. [X. 12.] (38). Wandert mit ihrem Bräutigam, dem Kutscher Tegtmeier aus Müggenburg, zusammen aus.
Ahrens, A So Christi, deren Toter, Krusenhagen A. Mecklenburg-Redentin, * 1861. X. 19. [X. 12.] (38).
Bartels, Jo Wi Christ Joa, Knecht, Rosenow A. Stavenhagen, * 1836. IX. 12. [X. 13.] (41). Nimmt Braut und Kind mit.
Göllnitz, Ca Elis Do, unv., Vellahn A. Wittenburg, * 1823. XII. 8. [X. 12.] (42).
Bauch, Jo Fri, Tagelöhner, Dölitz A. Gnoien, * 1808. XII. 7. [X. 14.] (44).
Kähler, Ca Do So, unv., Pokrent A. Gadebusch, * 1834. XI. 22. [X. 14.] (45). Will heiraten und dann auswandern.
Gühlstorf, Au, Tagelöhner, Schimm A. Mecklenburg, * ? [X. 15.] (47). Mit seinen drei Söhnen Joa, Fritz, C.
Würdenhof, Joa, Tagelöhner, Briggow A. Stavenhagen, 50 Jahre alt [X. 15.] (48). Mit seiner Ehefrau Car (52 Jahre) und seinen Kindern Fried (15), Fritz (9), Miene (8).
Schröder, Chri, Tagelöhner, Walow A. Lübz, 47 Jahre alt, [X. 15.] (49). Mit seiner Ehefrau, geb. Viestädt, seinen Kindern So (25), Wi (23), Fri (21), Christi Fried (9) und einem Kinde der So namens W (2).
Drews, Jo, Tagelöhner, Woldzegarten A. Lübz, 34 Jahre [X. 15.] (50). Mit seiner Ehefrau (35), geb. Viestädt, u. Tochter Fried (3).
Müller, W Fried Elis, unv. Vahrenholz A. Ivenack, * 1837. VII. 10. [X. 15.] (52).
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Pommerenke, Chri Christ, Arbeiter, Kl.-Rogahn A. Schwerin, * 1816. III. 16. [X. 15.] (53). Heiratet die folgende.
Kremer, Do, geb. Rahn, Ww., Meteln A. Schwerin, 38 Jahre [X. 15.] (53). Mit Sohn Jo Hei Wi Th, * 1860. XII. 27.
Niemann, Jo, Arbeiter, Kriesow A. Stavenhagen, * 1837. III. 18. [X. 16.] (54).
Camenz, Joa C Hei, Tagelöhner, Plau, * 1821. IV. 25. [X. 16.] (55). Mit seiner Ehefrau, geb. Laesch, und einer Tochter W. (* 1852. III. 10.).
Laesch, Fri, Plau, * 1845. III. 10. [X. 16.] (55). Außerehel. Sohn der Frau Laesch.
Stoll, Jo Christ Th, Knecht, Bukow A. Neukalen, * 1840. VIII. 11. [X. 16.] (57).
Marien, Jo Fri, Tagelöhner, Lübchin A. Gnoien, * ? [X. 16.] (58). Mit seiner Ehefrau sowie drei Kindern: 1. So Christi Fried, * 1837. I. 13. 2. Christ Jo Wi Mt, * 1841. V. 22. 3. Chri Jo Christ, * 1850. I. 9., sowie einem Kinde der So: Joh W Fried Lou. So heiratet den auswandernden Knecht Wi Ahrens gen. Kröger aus Repnitz.
Husfeldt, Jo Hei Fri, Knecht, Rosenow A. Gadebusch, * 1833. I. 5. [X. 17.] (59).
Schwaß, Er Joh Fried, unv., Tangrim A. Gnoien, * 1838. V. 17. [X. 17.] (60).
Hillmann, Fried, unv., Gützkow A. Stavenhagen, 25 Jahre, [X. 17.] (62).
Schröder, Lu, Tagelöhner, Rahnenfelde A. Stavenhagen, 56 Jahre [X. 17.] (63). Will wegen d. kürzl. Todes s. Frau mit seinen beiden Söhnen, die bereits Konsens haben, zu seinen schon in Amerika befindlichen beiden Kindern auswandern.
Reimer, Chri Lu Joa, Knecht, Wasdow A. Gnoien, * 1839. VI. 16. [X. 17.] (64).
Möller, Joa D Fri, gen. Geu, Knecht, Dütschow A. Neustadt, * 1837. VIII. 8. [X. 17.] (65).
Hoodt, Jo C Chri, ehem. Chausseewärter, Pampow A. Stavenhagen [X. 19.] (67). Mit Ehefr. Mag Do, geb. Never, u. 3 K.: 1. Christi Ma Do, * 1846, 2. Aug Joh W, * 1849, 3. C Lu Christ, * 1852.
Dierk, Chri Joa Hs, Knecht, Trams A. Mecklenburg, * ? [X. 19.] (68).
Langmann, Jo Fri Wi, Knecht, Wahlsdorf A. Lübz, * 1835. VI. 10. [X. 20.] (70).
Wittmann, Ed C Fri, Ökonom, Basedow A. Stavenhagen, * 1836. VI. 29. [X. 19.] (71).
Österreich, C Fri Wi, Ökonom, Kleth A. Stavenhagen, * 1863. X. 11. [X. 20.] (72). Mutter s. Akt. -Nr. 3009/10.
Zölck, Fri, Tagelöhner, Hägerfelde, 31 Jahre [X. 20.] (73/5). Mit Ehefr. u. 3 Kindern (Sohn 9; T. 4; Sohn 41/2 Mon.).
Schultz, Fri, Tagelöhner, Schwiggerow, 49 Jahre [X. 20.] (73/5). Mit Ehefr. u. 5 Kindern (T. 18; S. 13; T. 9; T. 6; S. 4).
Schröder, Wi, Knecht, Hägerfelde A. Güstrow, * 1840. III. 16. [X. 20.] (73/5).
Schmidt, Ma Do Joh, unv., Dargun, 26 Jahre [X. 20.] (76).
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Bruhn, Jo Fri Chri Arbeitsm., Waren, * 1830. XII. 26. [X. 20.] (80). Mit Ehefrau So Fried Eli, geb. Brasch, 41 Jahre, nach Brasilien. S. 3091.
Pingel, Ma, unv., Prestin A. Sternberg, 35 Jahre [X. 20.] (81). Mit K.: 1. C Chri Fri, * 1857. VI. 15. 2. Jo Fri C, * 1861.V. 11.
Peters, Jo Fri Wi, Knecht, Satow A. Lübz, 33 J. [X. 21.] (83).
Heller, Wi Jo Fri, Tagelöhner, Retzow A. Stavenhagen, * ? [X. 21.] (84). Mit Ehefr. geb. Dabbert, u. 2 Töcht. (5 bzw. 3 J.).
Möller, Jo Chri Lu Ju, Knecht, Zietlitz A. Goldberg, * 1831. VII. 13. [X. 22.] (85). Vater ist vor einigen Jahren nach A. ausgewandert.
Zanzig, Ma Do Car Fried W, unv., Ritzerow A. Stavenhagen, 1834. VI. 10. [X. 22.] (90).
Bruhn, Joa Da Fri, Arbeitsm., Waren, 65 J. [X. 22.] (91). Nach Brasilien. Konsens f. d. Sohn: 3080.
Waetcke, Ca (Mi), unv., Dalberg A. Schwerin, * 1842. XI. 30. [X. 22.] (92).
Meuser, Joh Do Car, unv., Blankenhagen A. Ribnitz, * 1840. VI. 24. [X. 23.] (93).
Lüders, So, unv., Moltow A. Mecklenburg, 22 J. [X. 23.] (96).
Breuel, Jo Joa Fri, Zimm.-Ges., Kronskamp A. Neustadt, * 1826. I. 1. [X. 23.] (99).
Wichmann, Au Chri Lu Th, Arbeiter, Speck A. Neustadt, * 1831. II. 5. [X. 23.] (3100).
Burmeister, C Hei Fri, Schäferknecht, Nieglewe A. Güstrow, * 1836. I. 7. [X. 24.] (04).
Blohm, Ad Hei Chri, Knecht, Waren, 31 J. [X. 24.] (07).
Rohde, Ma So Car, unv., Satow A. Lübz, 23 J.[X. 24.] (08).
Schmeling, C Fri Jo, Arbeiter, Woserin A. Sternberg-Warin, * 1826. IV. 17. [X. 26.] (09).
Viehstädt, Christi Fried, unv., Borkow A. Sternberg, * 1833. IX. 21. [X. 26.] (10). Mit Sohn Fri Au Wi Th, * 1857. X. 25.
Peters, J Henr Christi, unv., Lanken A. Lübz, * ? [X. 26.] (11). Will zu ihrer Schwester nach A. auswandern.
Lex, Chri Jo Fri, gen. Lüssow, Knecht, Levitzow A. Neukalen, * 1837. V. 20. [X. 27.] (12). Geht mit seinen Verwandten hinüber, den Tagelöhner Zölck'schen Eheleuten.
Bahl, Fried, unv., Marin A. Neustadt [X. 27.] (13). Geht mit ihrem Bräutigam hinüber, dem Knecht Jo Töpper aus Bütow.
Wendt, Ma Do So Car. unv., Hof Mecklenburg, * 1835. VII. 24. [X. 28.] (21). Mit Sohn Jo Hei C, * 1858. IX. 6.
Fischer, Jo Fri Wi, Neu-Schlagsdorf A. Mecklenburg, * 1839. IV. 11. [X. 28.] (22).
Proehl, Ern Hei Wi, Maur.-Ges., Lübtheen, 52 J. [X. 29.] (23).
Schleiermacher, A Lisette Henr, unv., Rostock, 28 J. [X. 29.] (25). Nach Australien. Will den Arbeiter Fri C Th Hecht aus Stavenhagen, z. Zt. in Hamburg, heiraten.
Pingel, Jo Fri Chri Mt, Knecht, Wamekow A. Crivitz, * 1833. X. 23. [XI. 2.] (35).
Niebuhr, Ma, unv., Neu-Rutenbeck A. Crivitz, * 1838. II. 25. [XI. 2.] (36). Mit Sohn Ad, * 1863. VII. 9.
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Fahl (Pfahl), Christ Wi Jo C, Knecht, Pankelow A. Ribnitz, * 1835.VIII. 19. [XI. 3.] (39).
Wittmann, Herm Gu Fri Lu, Ökonom, Basedow, * 1843. I. 28. [XI. 3.] (40).
Lübeck, Do, unv., Necheln A. Mecklenburg, * ? [XI. 4.] (51).
Haß, Ge C Mt, Knecht, Brunshaupten A. Bukow, * 1842. III. 2. [XI. 4.] (52).
Westphal, So Henr Christi, unv., Brunshaupten A. Bukow, * 1837. IV. 27. [XI. 4.] (53).
Herbst, Wi, Knecht, Kreien A. Lübz, * 1847. VI. 28. [XI. 4.] (54).Will sich zu seinem natürl. Vater auf dessen Wunsch begeben (Ilkert); dieser bezahlt auch die Passage.
Busch, Hei Fri Ja Chri, ?, Techentin A. Grabow, * 1835. VII. 7. [XI. 5.] (57).
Lichtwark, Jo Joa Mt, Knecht, Kneese A.Sülze, * 1837. XII. 17. [XI. 5.] (58).
Schönfeldt, W Christi Joh, unv., Steinhagen A. Bukow, * 1848. I. 21. [XI. 5.] (60).
Malchow, Lisette So Car, unv., Steinhagen A. Bukow, * 1841. IV. 19. [XI. 5.] (60). Mit Tochter W Joh Char, * 1860. VIII. 18. S. 3167.
Malchow, Hen Joh Lou, unv., Steinhagen A. Bukow, * 1843. IX. 10. [XI. 5.] (60).
Henning, Hs Joa C, Knecht, Techentin A. Grabow, * 1823. IX. 23. [XI. 6.] (63).
Schweder, Jo C Chri Hei, Knecht, Satow A. Doberan, * 1835. IX. 10. [XI. 7.] (67). Will mit seiner Braut "El. Malche" aus Steinhagen auswandern. S. 3160.
Rehn, Fri Ern Chri, Knecht, Satow A. Doberan, * 1841. V. 6. [XI. 9.] (70).
Jahncke, Hei Chri Lu, Knecht, Darz A. Lübz, * 1829. I. 1. [XI. 9.] (72).
Possehl, Jo Joa Wi Andreas, Knecht, Hohwisch A. Neustadt, * 1842. VII. 11. [XI. 9.] (73).
Schröder, Chri Gu Fri, Knecht, Krummendorf A. Toitenwinkel, * 1839. XII. 25. [XI. 10.] (77).
Bastian, C Fri Jo, Schäferknecht, Lelkendorf A. Neukalen, * 1842. IX. 27. [XI. 10.] (78).
Gundlach, Fri Mt Th, Knecht, Gülzow A. Stavenhagen * 1831. VII. 13. [XI. 10.] (79).
Niemann, So Ma Car, unv. Fresendorf, * 1840. XI. 26. [XI. 10.] (80). Mit Tochter So Ma Car, * 1861. II. 20.
Fretwurst, Fe C Hei, Klempn.-Ges., Amt Bukow, * 1834. XI. 9. [XI. 10.] (81, 84).
Ulrich, C Au D, Handl.-Diener, Neukalen, * 1836. III. 28. [XI. 13.] (90).
Östreich, Jo Fri Hei, Knecht, Schönhof A. Schwerin, * 1836. I. 26. [XI. 14.] (94).
Griese, So Car Do, unv., Wüstenmark A. Grevesmühlen, * 1833. XII. 20. [XI. 17.] (3201). Mit 5 Jahre altem Sohn in Begleitung des Bräutigams, des Schneiderges. Österreich aus Schönhof.
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Fick, Hei Au Wi, Schneiderges., Pritzier A. Wittenburg, * 1842. III. 11. [XI. 30.] (29). Nach Australien.
Vick, Fri Chr, Stellmacher, Cambs A. Schwerin, * 1840. III. 24. [XII. 1.] (33). Verlobt mit der folgenden.
Markwardt, Ma So Ca, unv., Rüting, * 1838. III. 16. [XII. 1.] (33). Mit Sohn Fri Jo C Wi, * 1863. VI. 13.
Wiech, Jo Hei Chri, Tagelöhner, Neuendorf A. Gadebusch, [XII. 23.] (89). Mit Sohn Joa Fri Jo, * 1847. VIII. 22. Läßt Frau zurück.
Baumgarten, Fri, Statthalter, Bobzin A. Lübz, 60 J., 1864. [I. 22.] (3339). Mit Ehefr. Char, geb. Stier (58 J.), u. 18 J. alter Tochter Doris. Drei Söhne von ihm wohnen schon in N.-A.
Körner, Ad Wi, Gärtner, Rosenhagen A. Grevesmühlen, * 1834. III. 16. [I. 23.] (41).
Ribbcke, Chri, Tagelöhner, Langhagen A. Stavenhagen, * ? [I. 26.] (45). Mit Ehefr. Car, geb. Hansen, u. 3 Söhnen: 1. C (7 J.), 2. Fri (3 J.), 3. Hei (im 1. J.).
Hennings, Jo Joa, Katenmann, Amt Sülze, * 1807. IX. 30. [II. 2.] (58). Mit Ehefr. Läßt Sohn in Gnoien zur.
Schwiesow, Joh Lou So, ?, Tesmannsdorf, * 1833. XI. 3. [II. 3.] (62).
Schwiesow, C Wi Joa, ?, Tesmannsdorf, * 1800. XI. 22. [II. 3.] (62).
Lange, Ma So Eli, ?, Rakow, * 1844. I. 8. [II. 3.] (62).
Lange, A Ma Do, ?, Rakow, * 1850. I. 18. [II. 3.] (62).
Lange, Emi Do So, ?, Tesmannsdorf, * 1848. VII. 27. [II. 3.] (62).
Lange, So Car Henr, ?, Tesmannsd., * 1845. XI. 17. [II. 3.] (62).
Kirschenstein, Christ, Schäferknecht, Bernitt, * 1838. V. 22. [II. 10.] (71). Verlobt mit der folgenden, wollen heiraten. Will nach A., "woselbst er sich goldene Berge träumt", und läßt sich nicht davon abbringen (Drost von Liebeherr-Steinhagen).
Brincker, Do, unv., Jörnstorf [II. 10.] (71).
Lange, Wi Fri Christ, Tagelöhner, Rakow, * ? [II. 10.] (77). Mit Ehefr. A Ma Christi, geb. Kitzerow, u. 3 Töcht.: 1. Ma So A Do, * 1843, 2. So Car Eli, * 1852, 3. Car Fried Ma, * 1854.
Kitzerow, A So Mag, geb. Reincke, Ww., Rakow, *? [II. 10.] (77).
Lange, Wi Jo C, Knecht, Tesmannsdorf, * 1842. I. 28. [II. 10.] (77).
Schmidt, C Hei Fri, Knecht, Rakow A. Bukow, * 1842. II. 19. [II. 10.] (77).
Möller, alias Passehl, Jo Joa Fri, ?, Garvsmühlen A. Bukow, * 1847 III. 3. [II. 9.] (79). Mutter vor mehreren Jahren nach A. ausgewandert, hat ihm Überfahrtskarte gelöst u. Reisegeld geschickt. Watertown.
Bornhöft, Ern Jo Fri, Knecht, Penzin A. Crivitz, * 1831. VIII. 29. [II. 11.] (82).
Beckmann, Elis W Ma Fried, unv. Schustertochter, Zarrentin, * 1842. V. 19. [II. 12.] (84).
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Meierhof, Joa Jo Fri, Tagelöhner, Lieblingshof A. Ribnitz, * 1830. XI. 14. [II. 12.] (85). Mit Ehefr. So Ma Fried Christi, geb. Kölzow, * 1836. IX. 2., u. Sohn Jo Ge Fr, * 1862. VI. 3., sow. voreh. Tocht. s. Ehefr. Mi So Do Kölzow, * 1859. XI. 19.
Schlorf, Jo C Th,. Knecht, Stavenhagener Amtsbrink, * 1841. X. 4. [II. 13.] (89).
Schlorf, Lou Ma Do, unv., Stavenhagener Amtsbrink, * 1843. IX. 1. [II. 13.] (89).
Döscher, Chri Fri Christ, Knecht, Goldenbow A. Crivitz, * 1837. III. 31. [II. 13.] (90).
Koch, Ca Ma Do, unv., Neuendorf A. Gadehusch, * 1834. X. 5. [II. 13.] (92). Mit Kindern: 1. Jo Hei Joa, * 1857, 2. Ha Joa Hei, * 1859, 3. Joa C Fri, * 1862. - Ihre Pflegeeltern Köhn u. ihr älterer Bruder sind vor einigen Jahren vorausgereist u. haben die Koch wiederholt brieflich aufgefordert, nachzukommen.
Pann, Jo, früh. Schmied, Glasow, * 1786. II. 9. [II. 15.] (96/7). Mit Tochter So (einige 30 J. alt). Panns Kinder leben in Rochester u. haben sich verpflichtet, ihn lebenslängl. zu ernähren.
Reimer, Jo Joa, Knecht, Schlutow A. Dargun, * 1833. VIII. 1. [II. 15.] (96/7).
Hennings, Jo, Schneid.-Mstr., Gnoien, 32 J. [II. 16.] (98). Mit Ehefr. So, geb. Vogt, einem So C (3 J.) und einem Sohne seiner Ehefr. aus 1. Ehe Hei Hahn (6 J.).
Hahn, Hei, Arbeitsm., Gnoien, * ? [II. 16.] (3399/400). Mit Ehefr., geb. Gleve, u. 2 Söhnen: 1. Fri (8 J.), 2. Wi (6 J.).
Kopperschmidt, Fried, unv., Gnoien, * 1832. II. 6. [II. 16.] (3399/400). Mit Sohn Mt C Chri, * 1854. V. 15.
Mahlow, Jo Gu Fri, Knecht, Malckwitz Kl.-A. Malchow, * 1827. IV. 6. [II. 16.] (01).
Böckmann, Ha Hei, Kuhhirte, Harkensee A. Grevesm., * 1800. II. 5. [II. 17.] (11). Mit Ehefr. Ca Mar Do, geb. Westphal, * 1803. VIII. 22. Nach Australien.
Johannsen, Wi Hei Chri, Tagelöhner, Harkensee A. Grevesm., * 1834. IX. 27. [II. 17.] (11). Mit Ehefr. Christi So Do, geb. Böckmann, * 1836. X. 14. Nach Australien.
Böckmann, Jo Fri Da, Knecht, Harkensee A. Grevesm., * 1834. VII. 22. [II. 17.] (11). S. 3414. Nach Australien.
Gaetk, Joa Lu Christ, Knecht, Verclas A. Dömitz, * 1836. IV. 23. [II. 18.] (13).
Bibow, Mar Fried Elis, unv. Broock A. Grevesm., * 1826. VII. 25. [II. 20.] (14). Mit Sohn Jo Wi Chri, * 1857. X. 25. [Sohn d. Joh Böckmann, s. 3411.] Nach Australien (Neuseeland).
Timm, Wi Fri Th, Knecht, Boitin A. Bützow, * 1836. VII. 7. [II. 22.] (16).
Eckstein, Ca Ma Fried, unv., Conow A. Grabow, * 1842. II. 4. [II. 22.] (18).
Mett, Jo Hei Au, Müll.-Ges., Dutzow A. Gadeb., * 1838. VII. 3. [II. 22.] (19).
Hänsel, C Fri, ?, Grammow A. Gnoien, * 1839. IX. 15. [II. 22.] (21).
Kammann, Au C Hei Wi, Tischl.-Ges., Kavelsdorf A. Schwaan, * 1831. XII. 21. [II. 24.] (32). Nach Maschutt (sic!) in N.-A.
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Zarmstorf, Do, unv., Roggow A. Güstrow, * 1831. IV. 28. [II. 24.] (33). Mit Sohn Ern 3, gen. Selpin, * 1855. IV. 22.
Anders, C Joa Hei, Tagelöhner, Kruckow A. Stavenh., 53 J. [II. 24.] (34). Mit Ehefr. A So Do, geb. Pasalk (52 J.), u. drei K.: 1 Ma Frid Car, * 1846. II. 14., 2. C Lu Fri, * 1850. III. 14., 3. Joh Ma Fried, * 1856. VII. 17.
Stieger, Joa, Knecht, Conow A. Grabow, * 1837. VI. 21. [II. 25.] (35/6).
Feindt, Ca, unv., Bresegard A. Grabow, * 1837. XII. 21. [II. 25.] (35/6).
Timm, Jo C Jü, Schäfer, Mühlengeez A. Schwaan, 44 J. [II. 25.] (37). Mit zweiter Ehefr. (25 J.) u. vier K. erster Ehe: 1. Jo Fri Th, * 1844. IV. 5., 2. Chri Fri Hei, * 1849. III. 22., 3. So Ma Car, * 1852. XI. 8., 4. Do Henr Christi, * 1856. X. 22., sowie 3 j. T. zweit. Ehe. Hat in A. zwei Brüder mit reichlichem Auskommen, die ihn zur Auswanderung aufgefordert haben.
Schultz, Da, Tagelöhner, Prützen A. Schwaan, 51 J. [II. 25.] (37). Mit Sohn Jo Chri Hei Fri, * 1842. I. 29., u. 18 j Tochter.
Stapelfeldt, Jo Fri, Einlieger, Wessentin A. Lübz, 56 J. [II. 25.] (38). Mit Ehefr. Fried, ge. Puls, u. 2 K.: 1. Fried, 23 J., 2. So, 19 J.
Pägel, Wi, Knecht, Crivitz, * 1839. VI. 11. [II. 26.] (40). Vater vor Jahren ausgew.; wünscht, daß Sohn nachkommt.
Jensen, W, unv., Grambzow A. Güstrow, 24 J. [II. 26.] (41).
Schmidt, Hei, Stellm.-Lehrl., Röbel, * 1846. V. 21. [II. 26.] (42).
Sperling, Wi Jo Fri, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesmühlen, * 1819. X. 24. [II. 27.] (43/6). Mit Ehefr. So Ma Do, geb. Oeser, * 1827. IV. 13; 4 K. 1. Ehe: 1. Car A Do, * 1852. II. 15., 2. Do Car Ma, * 1853. X. 15., 3. So Do Christi, * 1857. I. 30., 4. Ma A Fried, * 1860. V. 24. Ferner voreh.: Jo Hei Fri Oeser, * 1855. V. 22.
Oldenburg, Har Joa Fri, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1826. XII. 22. [II. 27.] (43/6). Mit Ehefr. A Elis Ilsabe, geb. Potlitz, * 1822. X. 2., u. K.: 1. Fritz C Chri, * 1858. X. 4., 2. Mi A So, * 1861. VIII. 15.
Mittelburg, W So Do, unv., Ziphusen A. Grevesm., * 1838. XI. 18. [II. 27.] (43/6).
Mittelburg, Elis Christi Do, unv., Ziphusen A. Grevesm., * 1842. IV. 15. [II. 27.] (43/6).
Piel, Jo Hei, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1823. IX. 28. [II. 27.] (43/6). Mit Ehefr. A Ma Elis, geb. Nevermann, * 1825. I. 12., u. K.: 1. Jo Th Fri, * 1850. II. 20., 2. Chri Christ Hei, * 1856. XI. 2., 3. So Do Fried, * 1860. X. 19., 4. Fri Jo Hei, * 1863. IX. 12.
Nevermann, Ma Do Augustine, unv., Ziphusen A. Grevesm., * 1837. VIII. 24. [II. 27.] (43/6).
Westphal, Jo Joa Lu, Knecht, Brunshaupten A. Bukow, * 1836. V. 16. [II. 27.] (48). S. Konz.-Ert. 3610.
Dankert, C Chri Christ, Tagelöhner, Zwiedorf A. Stavenh., 30 J. [II. 29.] (52). Mit Ehefr. Ma Car Henrica, geb. Hillmann, u. K.: 1. Lu Fri Chri Jo, * 1860. XII. 23., 2. So Ma Fried Christi, * 1863. VII. 9.
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Scharping, Chri, Tagelöhner, Dargun, 35 J. [III. 1.] (57). Mit Ehefr. Lou, geb. Weidt, u. K.: 1. C 6 J., 2. Wi 3 J., 3. Fritz 3/4 J.
Schult, Chri C Hei, Knecht, Tatow A. Bukow, * 1834. X. 26. [III. 2.] (65).
Schult, Fri Joa Lu, Knecht, Tatow A. Bukow, * 1839, X. 14. [III. 2. (65).
Dubbe, Jo Jü, Knecht, Göhlen, * 1837. I.. 12. [III. 2.] (66/8).
Düde, Chr, Knecht, Glaisin, * 1831. I. 9. [III. 2.] (66/8).
Oldenburg, Jo Fri Chri, Knecht, Glaisin A. Grabow, * 1838. IX. 27. [III. 2.] (66/8).
Bremer, Fri, Tagelöhner, Ave A. Neustadt, 41 J. [III. 2.] (69/70). Mit Ehefr. So, geb. Peters, 39 J., u. K.: 1. W, * 1849. IV. 21., 2. Car, * 1857. I. 10., 3. Jo, * 1862. II. 10.
Bremer, C, Tagelöhner, Ave A. Neustadt, 37 J. [III. 2.] (69/70). Mit Ehefr. Ma, geb. Rathsack, 36 J., u. K.: 1. C, * 1856. XII. 25., 2. Fritz, * 1861. V. 18.
Nevermann, Jo C Fri, Tagelöhner, Gressow A. Grevesm., * 1826. X. 7. [III. 3.] (72). Mit Ehefr. A So Ca, geb. Schove, * 1828. VIII. 31., u. K.: 1. A Do So, * 1855. II. 11., 2. Jo Joa Hei, * 1856. IV. 17.
Evert, Jo Fri Hei, Knecht, Langhagen A. Goldberg, * 1837. VI. 2. [III. 3.] (74).
Evert, geb. Krüger, Ww. (dessen Mutter), Langhagen A. Goldberg, * ? [III. 3.] (74).
Radmann, Lou Mar Joh, unv., Peenhäufer A. Stavenh., * 1838. VI. 30. [III. 3.] (74). Verlobt mit Jo Evert.
Suhr, Joh So Do, unv. (deren Stiefschw.), Peenhäuser A. Stavenh., * 1842. IV. 25. [III. 3.] (74).
Holz, Job So Fried, unv. Peenhäuser A. Stavenh., * 1841. XI. 26. [III. 3.] (74). Beabsichtigt zu Verwandten in A. zu gehen.
Holz, Jo Hei Chri, ?, Peenhäuser A. Stavenh., * 1847. V. 13. [III. 3.] (74). Beabsichtigt zu Verwandten in A. zu gehen.
Holz, Joh Christi Car Fried, unv., Peenhäuser A. Stavenh.,1849. XII. 22. [III. 3.] (74). Beabs. zu Verw. in A. zu gehen.
Groth, Hel, Statthalter, Zahren A. Neustadt, 39 J., [III. 4.] (77). Mit Ehefr. Fried, geb. Wulff, 35 J., u. 3 K.: 1. Car 13 J., 2. C 9 J., 3. Fri 5 J.
Tunn, Jo Fri Th, Tagelöhner, Gr.-Kelle A. Wredenhagen, 47 J. [III. 5.] (81). Mit Ehefr., geb. Tiedt, 46 J., u. T.: Fried 24 J., Zwillinge So und W 20 J., Car 18 J., Do 15 J., Joh. 12 J.
Tiedt, geb. Suderow, Christi, dessen Schwiegerm., Gr.-Kelle A. Wredenhagen, 75 J. [III. 5.] (81).
Voß, Hei Chri Fri, Schust.-Ges., Schwaan, 26 J. [III. 5.] (83/4). Verlobt mit der folgenden.
Bitter, Henr Ma So, unv., Neubukow, 27 J. [III. 5.] (83/4).
Dettmann, So Ca Elis, unv., Driespeth A. Schwerin, * 1824. I. 27. [III. 5.] (86).
Wiedow, Jo Joa Wi, Knecht, Liepe A. Grabow, * 1838. VIII. 9. [III. 7.] (88).
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Wittkopp, Christ P Th. Kutscher, Wustrow A. Bukow, * 1829. X. 27. [III. 8.] (89/92). Mit Ehefr., geb. Rath, * 1838. II. 24.; K.: Lou Ma Henr, * 1858. VII. 18; Ma So Car Henrika, * 1861. I. 30.; Fri Hei Jo Chri, * 1863. V. 12.
Rath, Hel Ph C, Tagelöhner, Wustrow A. Bukow, * 1797. VI. 17. [III. 8.] (89/92). Mit T. Henr Elis Do, * 1823. XI. 20.
Rohde, Jochen Hei, Vogt, Wustrow A. Bukow, * 1817. X. 24. [III. 8.] (89/92). Mit Ehefr., geb. Wittkopp, * 1823. XI. 30., u. K.: 1. Ma So Henrika Christi, * 1845. II. 15., 2. Christi So Joh Christiane, * 1848. I. 12., 3. Joa Ern Jo Chri Th, * 1850. II. 24., 4. Ca Lou Joh Car, * 1853. XII. 14.
Rohde, Lu Jo Joa Christ, Knecht, Kägsdorf A. Bukow, * 1839. IX. 20. [III. 8.] (89/92).
Rehmer, So W Christi Fried, unv., Rittermannshagen A. Stavenh., * 1842. XII. 24. [III. 8.] (96/7). Mit Bräut. Schäferkn. C Stahl zu Basebow.
Schöttler, Joa Fri Chri, Tagelöhner, Faulenrost A. Stavenh., [III. 8.] (96/7). Mit Ehefr. Fried Car Am, geb. Schwinkendorf, u. K.: 1. Fri Jo C, * 1855. I. 29., 2. Lou Joh Fried, * 1859. IV. 5.
Bühring, Jo Hei Chri Fri, Tagelöhner, Faulenrost A. Stavenh. [III. 8.] (96/7). Mit Ehefr. Fried So Hen W, geb. Brümmer, u. K.: 1. Wi Jo Hei, * 1859. X. 16., 2. J Joh Fried, * 1861. XI. 13.
Brümmer, Joa Hel C, Altenteiler (dessen Schwiegerv.), Faulenrost A. Stavenh., * 1801. XII. 15. [III. 8.] (96/7).
Brümmer, C Fri Wi, Schäferknecht (dessen Sohn), Faulenrost A. Stavenh., * 1833. IX. 23. [III. 8.] (96/7).
Brümmer, Fried So Henrike W, unv. (dessen Schwester), Faulenrost A. Stavenh., * 1838. IV. 29. [III. 8.] (96/7).
Schröder, Hei Lu Th, Knecht, Demzin A. Stavenh., * 1839. X. 19. [III. 8.] (96/7).
Alle zu Akt.-Nr. 96/7 genannten Personen haben sich "durch Vorstellungen und Warnungen vor den Gefahren des in Amerika herrschenden Krieges" nicht zurückhalten lassen (obrigkeitl. Bericht).
Hamann, Fri Ju Th Lu, Knecht, Prützen A. Schwaan, * 1836. IX. 25. [III. 9.] (99).
Hamann, So Joh Christi, Ww. (dess. Mutter), Prützen A. Schwaan, * 1801. VII. 1. [III. 9. (99)
Schwieger, Do Fried, unv., Prützen A. Schwaan, * 1844. III. 25. [III. 9.] (99).
Witt, A Ma Do, unv., Neu-Göhren A. Grabow, * 1845. I. 22. [III. 8.] (3502).
Kohl, Jo Joa Th, Knecht, Dörgelin A. Dargun, * 1839. X. 9. [III. 8.] (03/4).
Hamp, So, unv., Kämerich A. Dargun, 25 J. [III. 8.] (03/4). Mit 3j. S. Fritz.
Wulf, Joa Fri, Tagelöhner, Müggenburg b. Wismar, * ? [III. 8.] (06). Mit Ehefr. Do So Christi, geb. Schütt, u. 4 K.: 1. Wi C Jo Fri Joa Lu, * 1849, 2. Jo Joa Chri Fri, * 1851, 3. W Christi So Joh, * 1857, 4. A So W, * 1860.
Schröder, Fri, Tagelöhner, Bülow A. Crivitz, 36 J. [III. 9.] (07). Mit Ehefr. Ma, geb. Bleeck, 32 J., u. T.: Ma Schröder, 11/2 J.
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Schröder, So, geb. Topp, Tagelöhnerww., dessen Mutter, Bülow A. Crivitz, 61 J. [III. 9.] (07).
Schröder, Ern, Stellm.-Ges., deren Sohn, Bülow A. Crivitz, * 1837. IV. 11. [III. 9.] (07).
Schröder, Ern, Bülow A Crivitz, 5 J. [III. 9.] (07). Uneh. Sohn d. vor 4 J. verst. Do Schröder.
Haack, Joa Fri Hei, Knecht, Gorlosen A. Grabow, * 1838. VIII. 27. [III. 9.] (11).
Hagen, Ma Lou Elis, unv., Scharbow A. Wittenburg, * 1835. V. 4. [III. 9.] (12).
Köster, Jo Wi Hei, Knecht, Grapenstieten A. Grevesm., * 1838. IX. 15. [III. 9.] (13).
Woller, Ma Er Fried, unv., Samow A. Gnoien, * 1840. X. 9. [III. 9.] (14). Wandert mit Bräut. aus.
Dabbert, Jo Fri, Paddockswärter, Basedow A. Stavenh., * 1798. VIII. 31. [III. 9.] (17). Mit Ehefr. Christi Ca Do Fried, geb. Schröder, * 1803. II. 2., u. S.: Hei Chri Jo Fri, * 1841. III. 23.
Zarndt, Jo Joa Fri, Tagelöhner, Neubasedow A. Stavenh., * 1832. I. 8. [III. 9.] (17). Mit Ehefr. Henr Fried Luise So, geb. Schwinkendorf, * 1834. X. 22, u. S.: Wi Chri Lu, * 1859. III. 19.
Koß, Jo Joa C, Knecht, Gessin A. Stavenh., * 1836. VII. 31. (III. 9.] (17).
Stahl, C Fri Th, Schäferknecht, Schwarzenhof A. Stavenh., * 1837. IX. 15. [III. 9.] (17).
Kai, Jo Joa, Tagelöhner, Lansen A. Stavenh., * 1794. IV. 15. [III. 9.] (17). Mit Ehefr., geb. Schröder.
Bührt, Joh So Ma, geb. Kätzel, Lansen A. Stavenh., * 1821. X. 18. [III. 9.] (17).
Lembcke, Ern Hei Chri, Knecht, Schwinkendorf A. Stavenh., * 1838. I. 4. [III. 9.] (17).
Kambs, Jo Fri Chri, Knecht, Ulrichshusen A. Stavenh., * 1832. II. 7. [III. 9.] (17)
Kai, Jo Fri Wi, Tagelöhner, Lansen A. Stavenh., * 1828. I. 1. [III. 9.] (17). Mit Ehefr. So W Christi, geb. Bührt, u. K.:1. Fried Christi Ma, * 1858. VIII. 9., 2. C Jo Fri, * 1856. I. 25., 3. Fri Wi Mt Bührt (unehel.), * 1848. II. 19.
Timm, geb. Schütt, Tagelöhnerww., Jürgenstorf A. Stavenh., 64 J. [III. 10.] (23). Zieht einem Sohn nach.
Baarß, Fri, Kutscher, Bülow A. Stavenh., * 1825. V. 13. [III. 10.] (25). Mit Braut Mi Jensen aus Grambzow.
Harloff, Hs Joa Fri Fra, Einwohner, Gr.-Laasch A. Grabow, * 1802. I. 6. [III. 11.] (27). Mit Ehefr. So Ma Mag Elis, geb. Saffan, * 1797. VIII. 3, u. S.: Jo Joa Chri Fri, * 1824. III. 6.
Broecker, Hei Jo Fri, Knecht, Hartwigshof A. Stavenh., * 1837 [III. 11] (29).
Zülke, Joh Ma Lou, unv., Faulenrost A. Stavenh., * 1843. IX. 16. [III. 11.] (30).
Zülke, Hen Do Elis, unv., Faulenrost A. Stavenh., * 1846. XI. 25. [III. 11.] (30). Die beiden Schwestern sind von Verwandten aufgefordert, ihnen nachzukommen.
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Niemann, C, Arbeitsm., Barnin A. Crivitz, * ? [III. 11.] (31). Mit Adoptivt. Ma Car Joh Niemann. * 1842.
Kähler, Jo Fri, Knecht, Barnin A. Crivitz, * 1839. VII. 12. [III. 11.] (31).
Köhncke, Jo Joa Fri, ?, Camin A. Wittenburg, 45 J. [III. 12.] (33).
Lenschow, Jo Fri Ern, Stellm.-Ges., Techentin A. Grabow, * 1835. I. 6. [III. 14.]. (37).
Oldenburg, Chri Hei, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1806. IV. 7. [III. 14.] (38/41). Mit Ehefr. So Do A Car, geb. Benthin, * 1805. I. 11., u. 2 K.: 1. Joa Jo C, * 1838. VII. 1., 2. A Ma Elis, * 1842. I. 25.
Oldenburg, Christ Ad Hs, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1800. XI. 29. [III. 14.] (38/41). Mit Ehefr. Ca Ma Do, geb. Ehlers, * 1811. III. 22., u. 2 K.: 1. Ma Elis A, * 1850. IX. 3., 2. W So Christi, * 1858. IV. 13.
Frahm, Jo Fri Chri, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1826. IX. 14. [III. 14.] (38/41). Mit Ehefr. Ma So Car, geb. Köhn, * 1822. X. 26., u. 2 K.: 1. A Do Ma, * 1857. VII. 19., 2. C Jo Chri Th, * 1860. II. 18.
Froh, Agneta Christi W, geb. Oldenburg, Wwe., dessen Tante, Ziphusen A. Grevesm., * 1793. X. 4. [III. 14.] (38/41).
Tretow, D Jo Chri, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1826. VIII. 5. [III. 14.] (38/41). Mit Ehefr. Do Christi, geb. Köhn,* 1828. VIII. 31., u. 2 K.: 1. C Jo Joa Hei, * 1858. VII. 30., 2. A Ma Do, * 1861. IV. 18.
Köhn, Jo Joa Christ, Tagelöhner, Ziphusen A. Grevesm., * 1799. XII. 30. [III. 14.] (38/41). Mit Ehefr. Ca Ma Elis, geb. Dopp, * 1798. IX. 17. Verwandte der Tagelöhnerfamilie Oldenburg sind vor Jahren nach A. ausgewandert.
Pauls (Pulzen), So Ma Do, unv., Ziphusen A. Grevesm., * 1837. I. 14. [III. 14.] (38/41).
Caßbohm, Jo C Fri Chri, Knecht, Gielow A. Stavenh., * 1839. VIII. 22. [III. 14.] (44).
Caßbohm, Fried W Ma, unv., Gielow A. Stavenh., * 1845. IX. 19. [III. 14.] (44).
Bieberitz, Ha So Fried, unv., Gülzow A. Stavenh., * 1839. VIII. 24. [III. 14.] (46).
Meier, Chri Jo, gen. Ohms, Knecht, Boeken A. Schwerin, * ? [III. 14.] (49).
Bremer, Hei Jo, Knecht, Weitendorf A. Güstrow, * 1841. VII. 31. [III. 15.] (51).
Hagen, Do, unv., Glaisin A. Grabow, * 1842. II. 18. [III. 15.] (52).
Rieck, Ern Hei Herm, Kürschn.-Ges., Boizenburg, * 1839. III. 6. [III. 15.] (53). Nach New York.
Schuldt, C, Tagelöhner, Gr.-Vielen A. Neustadt, * 1834. IV. 3. [III. 15.] (54). Mit Frau, geb. Kutzbach, * 1838. VII. 18., u. S Joa, * 1863. VI. 16.
Lücht, Chri, Tagelöhner. Gr.-Vielen A. Neustadt, * 1830. III. 4. [III. 15.] (54). Mit Ehefr., geb. Wolter, * 1828. VIII. 1., u. K.: 1. Joh, * 1843. IX. 4., 2. Fri, * 1849. VII. 16.
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A
delsrecht 210.
Albrecht (König v.
Schweden) 11.
B
ang (Ludw.) 187.
Bard
(Oberkirchenrat) 25.
Barlach (Ernst) 180 -
185.
Bauerndorf 117.
Bauernfamilien
(Ratzeburger) 22.
Bauernhaus (niedersächs.)
99 f. 137.
v. Blücher (Feldmarschall)
26.
Boitin (Land) 13.
Boizenburg
122.
Boll (Gebrüder) 27.
Boltenhagen
123.
Brückner (E. Th. Joh.) 217.
Bruhns (Fam.) 28.
Burgdorf (Fam.) 29.
Burgwälle 3 f.
Busch (Baumeister) 173.
C ronskamp 103.
D
ade (Heinr.) 30.
Denkmäler
(Gefallenen-) 179.
Dobbertin 124.
Doberan 125 - 130. 159.
E
rdkunde 62 f.
Eschenbach (Fam.)
31.
Estherrolle 176a.
F
amiliengeschichte 22 ff.
Flurnamen
102 ff.
Freischulzen 196.
Friedland
131 ff. 162. 195.
Friedrich Wilhelm III.
(König v. Preußen) 19.
Fürstenhaus 17 ff.
G
einitz (Eugen) 32.
Geologie 65
ff.
Georg (Großh.) 18.
Gerichtswesen
201 f.
Geschichte 9 ff. 40.
Gillhoff
(Joh.) 34 ff. 222.
Gillhoff (Vater d.
Schriftst.) 33.
Grabow 136.
H
aupt (Bürgermeister in Wismar) 38.
Hausbrief 197 f.
Haustüren 127. 178.
Heinrich (d. Löwe) 9.
Heise (Wilh.) 218.
J uden (Familiennamen) 23.
K
arten 58 - 61.
Katechismus
157.
Kirche 157.
Kirchenbau 167 -
170.
Klützer Ort 13.
Knut VI. (König
v. Dänem.) 10.
Köppen (Joh.) 39.
Kreditwesen (rittersch.) 119.
Kriegs- u.
Militärgesch. 10. 190 ff.
Krüger
(Friederike) 135.
Kulturgeschichte 95
ff.
Kunst- u. Kunstgewerbe 167 ff.
L
andeskunde 58 ff.
Landtag 209.
Langfeld (Staatsminister) 40.
Lauremberg
(Joh.) 215.
Lehnswesen 196. 204.
Lindow 102.
Literaturgeschichte 215
ff.
Lübtheen (Salzstock) 72.
Ludwigslust 173.
Luise (Königin) 19.
20.
Lüttmann (Fam.) 41.
v. Lützow
(Fam.) 42.
M
endelssohn (Moses) 43.
Monstranzen
176.
Mühle (Papier-) 138.
Musikwesen
113. 139. 154.
N eubrandenburg 139.
O
berländer (Ernst) 186.
Ortsgeschichte 122 ff.
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v.
P
entz (Fam.) 44 f.
Pferderennen
128.
Pfingstbräuche 111. 115.
Pflanzen
76 f.
Pflug 101.
v. Plessen (Fam.)
13.
Polizei 205 f.
Pries (Joh.
Friedr.) 46.
Prillwitz 21.
v.
R
abe (Fam.) 48.
Ratzeburg (Domhof)
140. - (Land) 14.
v. Raven (Fam.) 47 -
49.
Recht 195 ff.
Reincke-Bloch
(Hermann) 50.
Rettich (Meno) 51.
Reuter (Fritz) 219 f.
Riemann (Heinr. Arm.)
52. 134.
Rieps 103.
v. Ritzerow (Fam.)
48.
Rossewitz (Schloß) 172.
Rostock
Bauten 167. 168. 171.
Heide (Jagd) 144.
Lebensmittelpolitik
142.
Seeschiffahrt u. Seehandel
143.
Stadtbild 145.
Verfassung
141.
Rundhäuser 98.
Rundling 97.
S
achsenberg 146.
Sagen 12. 96.
132.
Schmidt (Max, Hofprediger) 53.
Schröder (Helmuth) 221.
Schulen 133. 158
ff.
Schwerin
Augustenstift
147.
Gymnasium 160 f.
Siedlung
121a. 208.
Sprachwissenschaft 212 -
214.
Stannius (Herm., Prof.) 54.
Stieda (Wilh., Prof.) 55.
v. Stove (Fam.)
48.
Strandrecht 203.
Sülsdorf 104.
T
änze 113.
Thandorf 104.
Theater (Wismar) 154.
Tierwelt 77 ff.
Torisdorf 102.
U niversität 54.
V
erfassung 141. 195.
Verwaltung 142.
200. 208.
Volkskunde 95 ff.
Volkslied
223.
Volksschullehrer 163.
Vorgeschichte 1 ff. 131.
Voß (Joh. Heinr.) 216.
W
aldemar I. (König v. Dänem.) 10.
Wappenkunde 211.
Wendorf (Ratzeb.)
104.
Winkel (Friedr.) 56.
Wirtschaftsgeschichte 116 ff. 143.
Wisente
78.
Wismar
Bauten 152 f. 167 f.
171.
Bucht u. Hafen 149.
Bürgermeister Haupt 38.
Geschichte
129. 150.
Kunst 154.
Stadtname
151.
Schule 158.
Woermann (Hedwig)
188.
Woldegk (Kirche) 155.
Wölfe 88.
Z
eitungen 224 f.
Zeppelin (Graf)
57.
Zittow (Kirche) 156.
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vom 1. Juli 1929 bis 30. Juni 1930.
Wir haben im verflossenen Vereinsjahre 15 Mitglieder durch den Tod verloren, von denen vier auf eine außergewöhnlich lange Mitgliedschaft von über vier Jahrzehnten hatten zurückblicken können. Es sind dies der Justizrat Felix Löwenthal in Schwerin (Mitglied seit 1882), der Geh. Hofrat Bürgermeister i. R. Adolf Pries in Neubrandenburg (Mitglied seit 1883), der Museumsdirektor Geh. Reg. -Rat Prof. Dr. Paul Seidel in Berlin (Mitglied seit 1885) und der Landesbischof D Dr. Heinrich Behm in Schwerin (Mitglied seit 1887). Nach fast 37jähriger Mitgliedschaft verstarb der Geh. Oberschulrat i. R. Gustav Ebeling in Schwerin, nach 33jähriger Mitgliedschaft der Kirchenrat Wilhelm Langbein in Schwichtenberg. Von den übrigen Verstorbenen war der Propst i. R. Paul Sandrock in Friedrichsthal 29 Jahre Mitglied gewesen, über 20 Jahre hindurch der Mühlenbesitzer Georg Moncke in Neubrandenburg, der Regierungsrat Magnus Maßmann in Schwerin und der Major a. D. Alexander v. Levetzow auf Lelkendorf.
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Beförderer ist geworden das Mecklenburg-Schwerinsche Amt Schwerin. Ferner sind eingetreten 19 ordentliche Mitglieder, ausgetreten 22. Der Verein zählt am Schlusse des Geschäftsjahres 1929/30 5 Ehrenmitglieder, 7 korrespondierende Mitglieder, 9 Beförderer und 575 ordentliche Mitglieder. Vgl. Anl. A.
Daß die 1929 vom Staate für das Mecklenburgische Urkundenbuch bewilligten Mittel uns in den Stand gesetzt haben, mit dem Drucke des langersehnten Nachtragsbandes zu beginnen, ist bereits im vorigen Geschäftsbericht mitgeteilt worden. Die Arbeit hat seitdem gute Fortschritte gemacht. Eine angenehme Pflicht ist es uns hervorzuheben, daß auch für das Rechnungsjahr 1930 dankenswerter Weise Landeshülfen für das Urkundenbuch und für unser Jahrbuch, und zwar 4000 Mk. und 500 Mk., zur Verfügung gestellt sind.
Am 3. Juli 1929 unternahm der Verein unter Führung des ersten Sekretärs und unter Beteiligung von 30 bis 40 Mitgliedern den auf der vorigen Hauptversammlung beschlossenen Ausflug nach Dömitz und Neu-Kaliß. Besichtigt wurden in Dömitz die alten Festungsanlagen und die Kirche, in Neu-Kaliß die kürzlich erbaute Kirche und die Papierfabrik von Schoeller & Bausch.
An Vortragsabenden sind für das Berichtsjahr vier zu verzeichnen. Es sprachen am 23. Oktober 1929 Studienrat Staack aus Rostock über Zauberspruch und Hexenbann in Mecklenburg; am 27. November Pastor D Dr. Schmaltz aus Schwerin über die Anfänge der evangelischen Kirche in Mecklenburg; am 5. Februar 1930 Dr. Dettmann aus Bremen über die kunst- und kulturgeschichtlichen Beziehungen zwischen Mecklenburg und den drei Hansestädten (Lichtbildervortrag); am 5. März Museumsdirektor Prof. Dr. Lauffer aus Hamburg über das Niederdeutsche in der bildenden Kunst (Lichtbildervortrag).
Die Hauptversammlung des Berichtsjahres, die am 11. April 1930 an gewohnter Stelle, im Schweriner Archivsaal, unter der Leitung des Vereinspräsidenten stattfand, war die fünfundneunzigste seit der Gründung des Vereins. Wir hatten uns auf ihr eines Vortrages unseres korrespondierenden Mitgliedes, des Stadtarchivdirektors Prof. Dr. Reinecke aus Lüneburg, zu erfreuen, der auf Grund der Bestände seines
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Archivs die politischen, wirtschaftlichen und familiengeschichtlichen Beziehungen schilderte, die im Laufe der Jahrhunderte zwischen Mecklenburg und Lüneburg bestanden haben. Es wurden dann in üblicher Weise der Geschäftsbericht über das laufende Vereinsjahr vom Unterzeichneten und der Kassenbericht für das Jahr 1928/29 (vgl. Anl. B) vom Rechnungsführer unter Vorlegung der geprüften Rechnung erstattet, ferner auf Antrag des ersten Sekretärs der Beschluß gefaßt, am 9. Juli 1930 einen Ausflug nach Dobbertin und Goldberg zu machen. Die satzungsgemäß ausscheidenden Vereinsbeamten wurden für das folgende Vereinsjahr wiedergewählt. Einstimmig genehmigte die Versammlung einen Vorschlag des Präsidenten, den Archivrat Dr. Friedrich Techen in Wismar, der am 12. Juni 1929 seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hatte, wegen seiner Verdienste um die mecklenburgische Geschichtsforschung und besonders um die Arbeiten des Geschichtsvereins die Ehrenmitgliedschaft zu übertragen. Dr. Techen, dessen Name in den Kreisen der Historiker und Geschichtsfreunde hochgeachtet ist, gehört unserem Verein seit 1886 an. Außer einer großen Zahl von Aufsätzen aus den Gebieten der Stadtgeschichte und Rechtsgeschichte verdanken wir ihm den musterhaften Registerband XVII des Mecklenburgischen Urkundenbuches nebst den Wort- und Sachregistern der Bände XIX bis XXII. Auch bearbeitete er die Chroniken des Klosters Ribnitz in Band I unserer Mecklenburgischen Geschichtsquellen und gab die Bürgersprachen der Stadt Wismar (Hansische Geschichtsquellen N. F. Bd. III) und das älteste Wismarer Stadtbuch heraus. Als sein eigentliches Lebenswerk aber darf man seine umfangreiche Geschichte der Seestadt Wismar bezeichnen, die er 1929 zur Wismarer Siebenhundertjahrfeier hat erscheinen lassen und mit der er sich zugleich von seinem Amte und seiner Vaterstadt verabschiedete, um seinen Lebensabend in Wandsbek zu verbringen. Nachdem wir Dr. Techen die Absicht, seine Wahl zum Ehrenmitgliede vorzuschlagen, schon an seinem 70. Geburtstage hatten verkünden lassen, wurde ihm die Nachricht von der vollzogenen Ernennung am letzten Tage seiner dienstlichen Tätigkeit in Wismar vom ersten Vereinssekretär persönlich überbracht.
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Präsident: Staatsminister i. R. D Dr. Langfeld, Exz.
Vizepräsident: Ministerialdirektor i. R. v. Prollius.
Erster Sekretär: Staatsarchivdirektor Dr. Stuhr.
Zweiter Sekretär: Staatsarchivrat Dr. Strecker.
Rechnungsführer: Rechnungsrat Sommer.
Bücherwart: Direktor der Landesbibliothek Dr. Crain.
Bilderwart: Rechtsanwalt Reg.-Rat Dr. Wunderlich.
Repräsentanten: Ministerialdirektor Dr. Krause,
Generaldirektor Gütschow,
Staatsarchivdirektor i. R. Geh. Archivrat
Dr. Grotefend, Ehrenmitglied,
Generalleutnant a. D. v. Woyna, Exz.
Der zweite Vereinssekretär.
W. Strecker.
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Anlage A.
Ernannt; Archivrat Dr. Friedrich Techen, Wismar, am 11. April 1930. Ordentliches Mitglied seit dem 7. Juli 1886.
Eingetreten: das Meckl.-Schwerinsche Amt Schwerin, am 21. Juni 1930.
Eingetreten sind: 1. Amtsgerichtsrat i. R. Carl Mehlhardt, Schwerin. 2. Studienrat Hermann Dowe, Neukloster. 3. Ministerpräsident Karl Eschenburg, Schwerin. 4. Studienassessor Dr. Hans Georg Müller, Neubrandenburg. 5. Oberpostrat Heinrich Giese, Schwerin. 6. Dr. phil. Anna Marie Floerke, wissenschaftl. Hilfsarbeiterin an der Landesbibliothek, Schwerin. 7. Pastor Dietrich Timm, Proseken. 8. Hermann Victor Hübbe, Hamburg. 9. Oberregierungsrat Dr. Willi Brandt, Schwerin. 10. Nervenarzt Dr. Walter Rohardt, Schwerin. 11. Rechtsanwalt Heinz Joachim Passow, Schwerin. 12. Oberpostrat a. D. Karl Voß, Schwerin. 13. Dr. med. Kurt Gestewitz, prakt. Arzt, Satow. 14. Rechtsanwalt Heinr. Chr. Thormann, Schwerin. 15. Kaufmann Arnold Schneider, Brunshaupten. 16. Alexander Goßrau, Bützow. 17. Oberkirchenrat Julius Sieden, Schwerin. 18. Dr. med. Franz Meyersohn, prakt. Arzt, Schwerin. 19. Die Volksbücherei in Grabow.
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Gestorben sind: 1. Justizrat Felix Löwenthal, Schwerin, am 5. Aug. 1929. 2. Oberregierungsrat i. R. Emil Roscher, Schwerin, am 5. Okt. 1929. 3. Museumsdirektor Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Paul Seidel, Berlin, am 5. Dez. 1929. 4. Generaldirektor Richard P. Weger, Plau, am 9. Dez. 1929. 5. Major a. D. Alexander v. Levetzow, Lelkendorf, am 12. Dez. 1929. 6. Propst i. R. Paul Sandrock, Friedrichsthal, am 16. Dez. 1929. 7. Konteradmiral a. D. Friedrich v. Bülow, Ratzeburg, am 21. Dez. 1929. 8. Geh. Oberschulrat i. R. Gustav Ebeling, Schwerin, am 29. Dez. 1929. 9. Regierungsrat Magnus Maßmann, Schwerin, am 14. Jan. 1930. 10. Mühlenbesitzer Georg Moncke, Neubrandenburg, am 1. März 1930. 11. Landesbischof D Dr. Heinrich Behm, Schwerin, am 11. März 1930. 12. Geh. Hofrat Bürgermeister i. R. Adolf Pries, Neubrandenburg, am 15. Mai 1930. 13. Kirchenrat Wilhelm Langbein, Schwichtenberg, am 21. Mai 1930. 14. Studiendirektor Dr. Friedrich Galle, Schwerin, am 5. Juni 1930. 15. Kreisbaumeister i. R. Oskar Albrecht, Wittenberge.
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Anlage B.
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Der Rechnungsführer.
Sommer.