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2. Die Gründung der Stadt Plau 416 ).

Die Stadt Plau, ebenso wie Parchim an der Elde gelegen, wurde spätestens im Jahre 1226 gegründet. Zwar ist uns das Original der Stiftungsurkunde nicht überliefert, aber wir besitzen eine Bestätigung derselben aus dem Jahre 1235, die darauf hinweist, daß schon Borwin I. in Gemeinschaft mit seinem Sohn Heinrich Borwin II. die Stadt Plau gegründet hat 417 ). Da Heinrich Borwin II. am 4. oder 5. Juli 1226 starb, muß also die Stadt vor diesem Termin schon bestanden haben. Wahrscheinlich wurde sie um dieselbe Zeit wie Parchim gegründet 418 ). Das ergibt sich aus einer vergleichenden Untersuchung des Parchimer Lokationsvertrages und der Plauer Privilegienbestätigung aus dem Jahre 1235, die den Inhalt der Stiftungsurkunde wiederholt. Die Plauer Urkunde stimmt in der Aufzählung der Privilegien, abgesehen von einigen inhaltlich für unsere Frage weniger bedeutungsvollen Abweichungen 419 ), wörtlich mit dem Parchimer Lokationsvertrag


416) Vgl. Lisch, Geschichte der Stadt Plau, Schwerin 1851; Schlie a. a. O. IV, 5. 574 ff.; Bachmann a. a. O. S. 430.
417) M.U.B. I, 428.
418) Lisch a. a. O. S. 33 behauptet, "Plau ist aber jedenfalls nach Parchim gegründet".
419) Der Stadt Plau werden im Unterschied zu Parchim, das nur Weideland erhält, 60 Hufen angewiesen. Ein anderer Unterschied besteht darin, daß die Plauer Urkunde, die uns in der Plauer Ratsmatrikel vom Jahre 1553 als Kopie von einer Hand aus der (  ...  )
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überein. Nur in der Narratio besteht ein grundlegender Unterschied zwischen beiden. Die Narratio der Parchimer Urkunde hat folgenden Wortlaut: "Notum facimus, quod diuina fauente miseracione nostraque sedula promocione terram Parchem, terram inquam desertam et inuiam, terram cultui demonum dedicatam, colonis commisimus christianis, ipsos tam de longinquis quam de uicinis partibus inuitantes. In ipsa quoque prouincia ciuitatem construximus, iura ei et iudicia prestantes, que congrua, commoda et utilia terre ac ciuitatis eiusdem cultoribus uidebantur" 420 ). Die Narratio in der Plauer Urkunde lautet: "Notum facimus, quod diuina fauente miseratione patres nostri pie memorie sedula promotione terram Plawe colonis commiserunt christianis, ipsos tam de remotis quam de vicinis partibus inuitantes, in ipsa quoque prouincia ciuitatem construxerunt, iura ei et iudicia prestantes, que congrua, commoda et vtilia terre ac ciuitatis eiusdem cultoribus videbantur". Abgesehen von den besonderen Zusätzen und Umstellungen, die sich für die Plauer Urkunde aus ihrem Charakter als Bestätigung des Stiftungsbriefes ergeben, erkennt man als einzigen Unterschied zwischen beiden Urkunden, daß statt "Parchem" das Wort "Plawe" gesetzt ist, Man sieht aus dem Wortlaut der Urkunde, daß Plau ohne jede Abhängigkeit von Parchim, dessen Namen in der Urkunde überhaupt nicht erwähnt wird, gegründet wurde. Es handelt sich also bei der Plauer Urkunde gar nicht, wie Lisch gemeint hat, um eine Verleihung des Parchimer Stadtrechts an Plau 421 ), sondern nach dieser Urkunde haben die Fürsten Borwin I. und Heinrich Borwin II. in der gleichen Form wie bei Parchim das Land Plau Lokatoren zur Besiedlung übergeben und diesen auch den Auftrag zur Erbauung der Stadt Plau erteilt. Hätten die Fürsten der Stadt Plau Parchimer Recht verleihen wollen, so würde die Narratio der Urkunde, wie uns dies aus der Bewidmung Goldbergs mit Parchimer


(  ...  ) Mitte des 16. Jahrhunderts überliefert ist, statt des Ausdruckes "ius feodale, quod lenrecht uocatur" eingesetzt hat "ius feodale, quod lantrecht vocatur". Dieser Unterschied geht wahrscheinlich auf den Abschreiber des 16. Jahrhunderts zurück, dem wir die Plauer Urkunde verdanken, da nach einer Glosse des Planer Rats zu dieser Urkunde aus dem Jahre 1553 der Rat das "ius feodale" als "lantinge" erklärt.
420) M.U.B. I, 319.
421) Vgl. Lisch a. a. O. S. 35.
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Recht bekannt ist, etwa folgendermaßen gelautet haben 422 ): "Notum facimus omnibus, quod divina favente miseratione parentes nostri pie memorie sedula promotione terram Parchim colonis commiserunt christianis, ipsos tam de remotis quam de vicinis partibus invitantes. In ipsa provincia civitatem construximus ..." In dieser Goldberger Urkunde wird also das Wort Parchim nicht durch Goldberg ersetzt. Eine Verleihung von Parchimer Recht an Plau bei der Gründung der Stadt ist daher nicht anzunehmen, sondern es handelt sich um einen Lokationsvertrag für das Land Plau, der allerdings den gleichen Wortlaut hat wie der für das Land Parchim 423 ). Die wörtliche Übereinstimmung zwischen den beiden Urkunden ist wahrscheinlich in der Weise zu erklären, daß beide zur gleichen Zeit von demselben Fürsten ausgestellt wurden. Also wird auch die Plauer Stiftungsurkunde unmittelbar vor dem Tode Heinrich Borwins II. (am 4. oder 5. Juli 1226) ausgestellt sein. Danach wurde also vermutlich die Stadt Plau zur selben Zeit wie Parchim gegründet.

Die Stadt Plau wurde ebenso wie Parchim von Lokatoren angelegt, die in der Urkunde mit dem Namen "cultores" bezeichnet werden. Diese Leute waren die eigentlichen Leiter der Stadtgründung, die allerdings vom Fürsten dazu berufen waren. Den Lokatoren werden in der Urkunde für ihre Tätigkeit die Einkünfte von den Innungen und der Friedensschilling verliehen. Auch bei der Bestimmung der Rechte der Stadtbewohner hatten die Lokatoren maßgebenden Einfluß. Wie in der Parchimer, so wird auch in der Plauer Lokationsurkunde den Lokatoren die Verpflichtung auferlegt, außer der Anlage der Stadt auch das ganze Land Plau zu kolonisieren. Vielleicht erklärt sich aus der Übernahme dieser Kolonisationsaufgabe durch die Lokatoren auch die Tatsache, daß die Stadt Plau und ihre Bürger im 13. und 14. Jahrhundert in der Vogtei Plau sich einen bedeutenden Landbesitz erworben haben 424 ). Im Jahre 1332 ist auch ein Plauer Bürger, Berthold Swartepape, herzoglicher Vogt in Plau 425 ). Wie für Parchim, so


422) M.U.B. I, 599.
423) Vgl. die Ausführungen über den Parchimer Lokationsvertrag, der inhaltlich und fast wörtlich in allen Bestimmungen mit der Plauer Urkunde übereinstimmt, auf S. 92 ff.
424) Vgl. Lisch a. a. O. S. 48 ff.
425) M.U.B. VIII, 5372.
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besteht auch für Plau die Wahrscheinlichkeit, daß der Rat aus den Lokatoren sich gebildet hat. Auch in Plau können wir die Beobachtung machen, daß der Rat die Einkünfte von den Innungen, die den Lokatoren zugesprochen waren, später für sich in Anspruch nimmt 426 ). Noch im 16. Jahrhundert sieht der Rat sich als Rechtsnachfolger der cultores an, denn in einer Glosse des Plauer Rats aus dem Jahre 1553 zu der Bestätigungsurkunde des Jahres 1235 leitet der Rat seinen ganzen Aufgabenkreis aus dem § 2 der Urkunde her 427 ), der die Bestimmungen über die Einkünfte der Lokatoren enthält und der einzige Paragraph ist, der von den Lokatoren handelt. Die Lokatoren sind wahrscheinlich deutscher Herkunft gewesen. Denn die Ratmänner, die uns im Jahre 1255 zuerst genannt werden 428 ), sind, soweit wir dies festzustellen vermögen, deutscher Abstammung gewesen. Von den sieben Ratmännern sind drei nur mit ihrem Vornamen genannt, weitere drei nach ihrer Herkunft bezeichnet. Nur einer begegnet uns mit einem wirklichen Familiennamen. Dieser führt den deutschen Namen "Albertus Gese". Von den drei andern, die nach ihrer Herkunft genannt werden, stammt einer aus Gudow im späteren Herzogtum Lauenburg und ein anderer aus Kritzow bei Wismar; beide Ortschaften liegen in einer Gegend, wo die Kolonisation schon im 12. Jahrhundert in Wirksamkeit war, so daß wir die deutsche Herkunft der beiden Männer vermuten dürfen. Die Vornamen, die die Ratmänner im Jahre 1255 führen, sind sämtlich deutsch. Dann wird im Jahre 1288 als Ratmann auch Johann Marlow genannt 429 ), dessen Name schon im Jahre 1275 in Rostock als Bürgername bekannt ist; außerdem Heinrich Witte und "Hechardus de Brunswic", beides Namen, die besonders in den Seestädten von deutschen Ratsfamilien getragen werden. Ferner begegnet uns im Jahre 1284 zuerst der


426) Zunftordnung für die Fischer aus dem Jahre 1307 (M.U.B. V, 3164).
427) Lisch a. a. O. S. 258; Glosse des Plauer Rats zu § 2: "Duces ordinauerunt primitus consulatum, consulatus cetteras ordinationes: Communes: vt sint quartales; excubias diurnas et nocturnas; ordinatio, que seruari debet tempore pacis ac belli; nundinarum emptiones et venditiones; contractus nuptiarum etc.; bedellum, executorem iuris; priuate: sutorum, sertorum, fabrorum, pistorum, piscatorum, carnificum".
428) M.U.B. II, 743.
429) M.U.B. III, 1957.
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deutsche Name der Plauer Patrizierfamilie der Swartepape 430 ), die sich durch Reichtum und Einfluß auszeichnete. Die Stadtgründung wurde danach von Männern deutscher Herkunft durchgeführt.

Die Lokatoren übten vielleicht auch auf die Auswahl des Platzes für die Stadtanlage einigen Einfluß aus, da es auffällig erscheint, daß Plau nicht neben dem alten Burgmittelpunkt des Landes angelegt wurde, sondern in einer Entfernung von diesem, die ungefähr 5 krn beträgt. Diese Burg wird uns noch 1264 als "borchwal Quetzin" genannt und wurde auch schon 1160 von Heinrich dem Löwen mit einer deutschen Besatzung geschützt 431 ). Vielleicht haben wir den Grund dafür, daß die Stadt in einiger Entfernung von der Burg angelegt wurde, darin zu suchen, daß den Lokatoren die Lage der Stadt an ihrer heutigen Stelle günstiger erschien.

Wahrscheinlicher ist jedoch, daß die Lokatoren in der Platzauswahl durch eine an dem Eldeübergang bereits bestehende Marktsiedlung bestimmt wurden, deren Existenz nicht so unmöglich erscheint. Betrachtet man nämlich den Stadtplan von Plau aus dem Jahre 1756 432 ), so wird man bemerken, daß man damals noch keinen Marktplatz in Plau dem Namen nach kannte. Der heutige Markt hieß damals die Breite Straße "Wohl gab es aber damals eine "Markt-Straße", über die der Verkehr, der aus der Mark nach Mecklenburg ging, durch Plau weitergeleitet wurde. Zunächst folgt die Marktstraße genau der bisherigen Richtung dieser Landstraße und wendet sich dann in starkem Bogen der Elde zu. Bezeichnenderweise wird sie vor der "Breiten Straße" erheblich weiter. Wahrscheinlich spielte sich auf diesem Platz der Hauptmarktverkehr ab. Vermutlich ist nun die Existenz der Marktstraße in der eben beschriebenen Richtung und Form, die einer nach einem einheitlichen Stadtplan angelegten Straße nicht entspricht, daraus zu erklären, daß man sie bereits vorfand, als die Stadt gegründet wurde. Weil man daran gewöhnt war,


430) M.U.B. III, 1754. Vgl. Lisch a. a. O. S. 43 ff.
431) M.U.B. II, 1016. Helmold, Chronica Slavorum I cap. 87 M. G. SS. XXI, S. 81.
432) Plan von der den 6. Mai des Jahres 1756 innerhalb der Ringmauer, bis auf die Kirche, die Mühle und einer bey der Mühle an der Mauer gelegenen Bude, Balthasar Stüdemann gehörig, gäntzlich abgebrannten Stadt Plau, nach ihrer vormaligen Einrichtung. "(Im Besitz der Stadt Plau.)
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Plan der Stadt Plau vor dem Brande vom 6. Mai 1756.
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die Marktstraße als Marktplatz zu benutzen, verzichtete man bei der Gründung der Stadt auf die Anlage eines regelmäßigen Marktplatzes.

Auch in einer Urkunde aus dem 13. Jahrhundert läßt sich vielleicht eine Spur von einer vor der Stadtgründung bestehenden Kaufmannssiedlung entdecken. Im Jahre 1299 erläßt nämlich Nikolaus von Werle der Stadt Plau die Lieferung von einem Pfund Pfeffer 433 ). Es ist möglich, daß diese Abgabe, die für die hier behandelten mecklenburgischen Städte sonst beispiellos ist, aber zu der slawischen Fronhofwirtschaft 434 ) sehr gut paßt, eine Steuer einer Kaufmannssiedlung war, die sich schon vor der Stadtgründung von Plau an der Marktstraße gebildet hatte. Dafür spricht auch, daß man Lieferung von Pfeffer doch nur von Kaufleuten verlangen konnte.

Bei der Anlage der Stadt richtete man sich offenbar nach der Lage der Marktstraße, die den Stadtplan mit der Elde zusammen ungefähr begrenzt. Das Gebiet, das so umfaßt wurde, ist in regelmäßigem Straßennetz, dessen Richtung durch die Elde und die Marktstraße bestimmt wird, erschlossen worden.


433) M.U.B. IV A, 2585.
434) Über die slawische Fronhoforganisation in Mecklenburg vgl. H. F. Schmid, Die sozialgeschichtliche Auswertung der westslavischen Ortsnamen (Siedlungsgeschichtliche Forschungen. Rudolf Kötzschke zum 60. Geburtstag dargebracht. Leipzig und Berlin 1927), S. 193.