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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Zeit der Hünengräber.


Streitaxt von Güstrow

Eine Streitaxt von Hornblende, auf der Oberfläche etwas verwittert, von der gewöhnlichen Form, mit schräger Schneide, ward von dem Herrn Ausschuß= und Ackerbürger Greffrath zu Güstrow geschenkt, der Sie auf seinem Acker gefunden hatte.

Streithammer von Krusenhagen.

Zu Krusenhagen, A. Redentin, bei Wismar, ward in einer Mergelgrube ein kleiner Streithammer aus Grünstein, 4 1/4 Zoll lang, gefunden und von dem Herrn Unterofficier Büsch zu Wismar erworben und dem Vereine geschenkt.

Eine Streitaxt von Gneis,

daher sehr mürbe und an der Schneide zersplittert, ward in Meklenburg von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin erworben und von demselben dem Vereine geschenkt.

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Keil von Katelbogen.

Ein Keil, aus hellgrauem Feuerstein, überall geschliffen, 7" lang, gefunden im J. 1856 zwischen Katelbogen und Baumgarten, ward geschenkt von dem Herrn Unterofficier Büsch zu Wismar.

Keil von Benz.

Zu Benz bei Wismar ward ein kleiner Keil aus grauem Feuerstein, 3 3/8 " lang, in der Mitte 1 1/2 " breit und 5/8 " dick, an allen 4 Seiten geschliffen, jedoch an mehreren Stellen ausgesprungen, wahrscheinlich zum Einsetzen in eine Keule benutzt, gefunden und von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar geschenkt.

Kleiner Keil aus Feuerstein,

3 1/2 " lang, 2 " breit, nur 3/4 " dick, in Meklenburg von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin erworben und von demselben dem Vereine geschenkt.

Keil von Hornblende,

7 " lang, 3 " breit und gegen 2 " dick, in Meklenburg von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin erworben und von demselben dem Vereine geschenkt.

Dolchgriff aus Feuerstein,

viereckig, gefunden auf dem Felde von Wolfen bei Bützow von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow und geschenkt von demselben.

Eine abgebrochene Dolchspitze aus Feuerstein,

in Meklenburg gefunden, ward von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin dem Vereine geschenkt.

Ein vierseitig zubereiteter Feuerstein,

3 " lang und 1 1/2 " dick, nach beiden Enden hin in vier Flächen zugespitzt, so daß das Ganze zwei mal vier Flächen hat, welche

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an beiden Enden zusammenstoßen, einem kleinen (nicht durchbohrten) Doppelhammer nicht unähnlich, in Meklenburg von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin erworben und von demselben dem Vereine geschenkt.

Ein Feuersteinspan,

in Gestalt eines Messers, 6 " lang, an den Kanten abgenutzt und offensichtlich gebraucht, gefunden am Mahnkenberge bei Bützow von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow und geschenkt von demselben.

Ein Feuersteinspan,

dick und roh, von der ersten Absplitterung, gefunden bei Bützow auf dem ersten Hohenfelde von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow und geschenkt von demselben.

Sieben Feuersteinspäne,

kurz und dick, gefunden bei Bützow in der Darnow in dem Kies der Eisenbahn von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow und geschenkt von demselben.

Die Fabrication der Feuersteingeräthe

zu erläutern, schenkte der Herr Staatsanwalt Rosenberg zu Bergen auf der Insel Rügen eine Sammlung charakteristischer Stücke, welche auf Fabrikstätten auf der Insel Rügen gesammelt sind, namentlich:

8 roh zugehauene Keile und Lanzen,
4 Pfeilspitzen von Schönen Formen und

über 100 Stück Späne, Spanmesser, Schleudern und andere bei der Bearbeitung der Feuersteine abgesprengte Stücke, endlich

ein Stück Harzkuchen aus einer Urne.

G. C. F. Lisch.     

Schleifstein von Rogeez.

Zu Rogeez bei Malchow ward vor mehreren Jahren ein Schleifstein aus altem rothen Sandstein aus der Stein=

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periode, 1 Fuß lang, 5 Zoll breit, 3 Zoll dick und 11 Pfund schwer gefunden und von dem Herrn Major von Bülow, auf Rogeez an die großherzogliche Alterthümersammlung geschenkt.

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Reib=, Roll= oder Klopfsteine von Friedrichshöhe.

Zu Friedrichshöhe bei Rostock, der Besitzung des Herrn Ritter, fand dieser beim Ausfahren eines Moderloches von 6 bis 7 Ruthen Ausdehnung und gegen 10 Fuß Tiefe in der Mitte, beim Ausgraben von 470 Fudern nach und nach elf Klopf= oder Reibsteine, in der Tiefe, 1 bis 2 Fuß über dem Sandgrunde, so daß in der Mitte an 7 Fuß reine Modererde aus organischen Stoffen darüber gewachsen war. Die Steine bestehen vorherrschend aus weißem, alten Sandstein, dem Material der alten Schleifsteine für die feuersteinernen Geräthe, einige auch aus dem seinkörnigsten Granit oder aus vulkanischem Gestein, sind also alle sehr hart. Man sieht aus der Reihenfolge die allmählige Abschleifung bis zur Kugel ganz klar. Einige Steine haben noch große, natürliche, glatte Bruchflächen und haben noch eine längliche Gestalt; andere sind an vielen Stellen rundlich abgerieben und zeigen nur noch wenige, kleinere, natürliche Flächen; noch andere sind vollkommen kugelförmig abgerieben. Die Steine haben einen Durchmesser von 3 bis 5 Zoll; die kleinsten sind diejenigen, die sich der Kugelgestalt nähern, also am meisten abgerieben sind; dies sind aber auch zugleich diejenigen, welche aus anderer Steinart, als aus altem Sandstein sind. Diese Steine haben offenbar zu häuslichen Zwecken in den ältesten Zeiten gedient. Man hat wohl hin und wieder gemeint, diese Steine hätten zum Zurechtklopfen der steinernen Geräthe der ältesten Zeit gedient und sie daher Klopf= oder Knacksteine genannt; hiezu mag aber die Kugelform am wenigsten passen. Es ist auch keine Spur vorhanden, aus der man schließen könnte, daß etwas Hartes damit geschlagen wäre. Dagegen ist es klar sichtbar, daß die Steine ihre Rundung durch Reiben erhalten haben. Ich möchte daher annehmen, daß diese Steine zum Zerreiben des Brotkorns in den halbmuldenförmig ausgehöhlten Mühlsteinen gebraucht worden seien, ohne mit dieser Ansicht andern entgegentreten zu wollen.

Auffallend ist es, daß einige Steine vollkommen kugelförmig sind. Die Steine sind also entweder nach und

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nach beim Gebrauch für andere Zwecke so rund gerieben, und in diesem Falle ist die Abrundung nicht absichtlich und die Steine können dann Reibsteine sein; - oder die kugelförmige Abreibung ist von vorne herein beabsichtigt, und in diesem Falle sind die noch nicht kugelförmig gestalteten Steine noch nicht vollendet und zu andern Zwecken als zum Reiben bestimmt. Ist die kugelförmige Gestaltung von vorne herein beabsichtigt, so können die Steinkugeln aus der Steinperiode 1 ) auch dazu bestimmt gewesen sein, die großen Decksteine auf die Hünengräber hinaufrollen zu helfen. Se. Majestät der König von Dänemark hat in einer in der Nordischen Gesellschaft zu Kopenhagen am 29. Mai 1857 gehaltenen Vorlesung 2 ) (vgl. Antiquarisk Tidsskrift, 1855 - 1857, Heft I, Kjöbenhaven, 1857, p. 88 flgd.) diesen Gegenstand zu einer besondern Untersuchung gewählt, da es allerdings fast unbegreiflich ist, wie die Menschen der Steinperiode ohne Maschinen so gewaltige Massen haben bewegen und heben können. Se. Majestät hat nun sehr wahrscheinlich gemacht, daß nach Aufrichtung der Tragsteine die Decksteine auf einer zum Zweck der Hinaufschaffung gefertigten schiefen Ebene bis zur Höhe der Spitzen der Tragsteine hinaufgerollt seien. Dies konnte durch Rollhölzer geschehen, meiner Ansicht nach aber auch vtelleicht durch steinerne Kugeln oder durch Mithülfe derselben. Und waren Kugeln hiezu nicht ganz zweckmäßig, so konnten sie vielleicht zur Fortbewegung auf der geraden Ebene gebraucht sein. Auch der große Denkstein am Seebade Doberan, welcher größer ist, als die größten Decksteine der Steingräber, ward auf metallenen Kugeln nach dem Seebade Doberan gerollt. Die große Menge der zu Friedrichshöhe gefundenen Steine scheint auch für diese Ansicht zu sprechen, da die Vermuthung dafür spricht, daß man sie rund reiben wollte, es dagegen nicht wahrscheinlich ist, daß auf einer Stelle so viel Mühlreibsteine mit einem Male sollten versenkt sein.

Am wenigsten glaube ich, daß diese Steine zu Schleuder=


1) Aus dem Mittelalter giebt es auch viele Steinkugeln aus Granit, welche als Geschützkugeln gebraucht und aus den "Steinbüchsen" geworfen wurden. Diese pflegen aber viel größer und wie jetzt die Bomben gebraucht zu sein.
2) Diese Abhandlung ist auch in französischer Uebersetzung besonders gedruckt, unter dem Titel:
Sur la construction des salles dites des géants par S. M. le Roi FrédéricVII. de Danemark. Copenhague. 1857.
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steinen gebraucht worden seien; denn theils brauchten diese nicht gerade ganz rund zu sein, theils wäre die Arbeit woht zu groß gewesen, Steine rund zu reiben, um sie wegzuwerfen.

In gleicher Tiefe mit den Steinen lagen in dem Moderloche auch noch große und kleine Scherben von alten Gefäßen, welche sicher heidnisch sind, da sie mit zerstampftem Granit durchknetet sind; die Scherben sind aber sehr roh geformt, haben also zum häuslichen Gebrauche gedient.

Aus der Tiefe, in welcher Alterthümer dieser Art in Torf und Moder liegen, kann man wohl schwerlich einen sichern Schluß auf die Zeit machen, in welcher diese Gegenstände versunken sind, als die Moderlöcher noch Wasser waren. Schwere Gegenstände drücken sich leicht durch, bis sie festen Grund finden.

Außerdem ward in dem Moderloche noch die Hälfte einer großen durchbohrten Scheibe (eines Netzsenkers?) von gebranntem gelben Thon, 4 " im Durchmesser und 2 1/2 " dick, gefunden, welche aber wohl einer neuern Zeit angehört.

G. C. F. Lisch.     

Ein kugelförmiger Stein

aus weißem, alten Sandstein, ungefähr 3 1/2 " im Durchmesser, an vielen Stellen so abgerieben, daß der Stein mit vielen in einander übergehenden Flächen fast kugelförmig ist, ward in Meklenburg gefunden und von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin dem Vereine geschenkt. (Vgl. die Reibsteine von Friedrichshöhe im Vorausgehenden.)


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b. Zeit der Kegelgräber.


Kegelgrab von Dabel Nr. 3.
(vgl. Jahrb, XXII, S. 279 flgd.)

Neben dem großen, merkwürdigen Kegelgrabe von Dabel Nr. 1, welches der Herr Pastor Böcler zu Gägelow im October 1856 für den Verein aufdeckte, steht, ungefähr 30 Schritte von demselben entfernt, auf derselben Erhebung ein zweites großes Kegelgrab, in gleicher Front gegen Osten, so daß beide Gräber im Zusammenhange zu einander zu stehen schienen. Der Herr Pastor Böcler trug lange den Wunsch, auch dieses Grab im Interesse der Wissenschaft in meiner Gegenwart aufzudecken; dieser Wunsch konnte am 13. und 14. October 1857 erfüllt werden, da ich mich in dieser Zeit zu Gägelow aufhielt. Der Herr Pastor Böcler zu Gägelow übernahm mit großer Bereitwilligkeit alle Lasten und Kosten des Unternehmens und der Herr Erbpächter Schmidt zu Gägelow und der Herr Pächter Dühring zu Pastin stellten eben so bereitwillig Arbeiter zur Hülfe. Die Aufgrabung geschah unter meiner Leitung, unter Beistand des Herrn Erbpächters Wiechmann zu Kadow und der genannten Herren, so wie in zeitweiser Anwesenheit vieler theilnehmenden Männer aus der Umgegend, so daß diese Aufgrabung eine große Anregung hervorbrachte.

Das Grab war dem aufgedeckten Kegelgrabe Nr. 1 sehr ähnlich und fast eben so groß. Es war ein Erdhügel mit fester Rasendecke bewachsen, jedoch auf der Spitze schon etwas abgegraben, da in diesem Hügel früher offensichtlich nach Füchsen gegraben war, wie sich denn auch im Fortschritt der Aufgrabung tief im Innern des Hügels überall Fuchsgänge zeigten. Von Steinen war im Aeußern keine Spur zu entdecken. Das Grab hatte eine kegelförmige Gestalt mit runder Basis, einen Umfang von ungefähr 160 Fuß und noch jetzt eine Axenhöhe von ungefähr 9 Fuß; die früher abgegrabene Spitze mochte 2 bis 3 Fuß betragen haben.

Die Aufgrabung ward im Osten des Grabes mit einem breiten Durchschnitt begonnen und grade gegen Westen hin

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durchgeführt; jedoch zeigte es sich im Fortschritte der Arbeit, daß die Bestattung mehr in der Richtung von Südost nach Nordwest angelegt war, weshalb gegen die Mitte hin der Durchschnitt nach Norden hin erweitert werden mußte.

Einige Fuß vom Rande im Osten fand sich bald auf dem Urboden eine Brandstätte: die Erde war stark mit Kohlen und Asche gemischt, unter welchen sich einzelne zerbrannte Knochensplitter zeigten; übrigens fanden sich einzelne Kohlen durch den ganzen Hügel zerstreut. In der Erdschicht unmittelbar über dieser Brandstätte bis zu einem Fuß Höhe fanden sich zerstreut einige größere Stücke menschlicher Gebeine, welche nicht zerbrannt waren, namentlich ein 6 Zoll langes Stück von einem Röhrenknochen, welches von Rauch schwärzlich gefärbt, also wohl nicht vom Leichenbrande ergriffen gewesen war. Nach der geringen Stärke des Knochens scheint dieses Bruchstück einer weiblichen Leiche anzugehören. Hiezu mag denn auch vielleicht stimmen, daß neben diesen Knochen ein röthlich gebrannter Spindelstein von Thon gefunden ward. Dieser Spindelstein hat jedoch eine jüngere Gestalt und scheint, nach der Regelmäßigkeit der concentrischen Ringe, gedreht zu sein. Vielleicht drehte man aber in alter Zeit die Spindelsteine auf einer Spule; vielleicht mag der Spindelstein aber auch durch eine jüngere Bestattung in das Grab gekommen sein. Die Sache ließ sich durchaus nicht genauer erforschen.

Andere Knochen werden durch die Füchse in das Grab gekommen sein, so z. B. ein bearbeiteter Thierknochen, welcher offenbar neu ist.

Die Beisetzung der Gebeine und der Geräthe war in der Mitte des Hügels geschehen. Hier lag 10 Fuß vom Ostrande entfernt auf dem Urboden ein Pflaster von Feldsteinen, 12 Fuß lang und 7 Fuß breit, von oblonger Gestalt. Die vier Seiten waren mit größern Steinen regelmäßig und fest umstellt; die vier Ecken waren ebenfalls von größeren Steinen aufgeführt, so daß die Ecken als Steinpfeiler über den Steinkegel in die obere Erde hinein ragten. Dieses Steinpflaster war 5 Fuß hoch mit fest geschichteten Feldsteinen bepackt, welche seitwärts über das Pflaster hinweg reichten, so daß das Grab im Innern einen großen Steinkegel barg, welcher überall mit Sand kegelförmig bedeckt war. Die innere Einrichtung des Grabes war also dem Innern des Grabes Nr. 1 an Einrichtung und Größe ganz gleich.

Unter diesem Steinhügel, unmittelbar auf dem Steinpflaster waren die verbrannten Leichen und deren Ge=

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räthe beigesetzt. Die Sachen waren auf die unregelmäßig geformten Steine gelegt und mit eben solchen Steinen belegt, so daß bei der Aufgrabung die Alterthümer in engen Spalten zwischen den Steinen zu liegen schienen. Durch diese Unregelmäßigkeit der Lage waren aber mehrere Alterthümer zerbrochen und schwer zu gewinnen.

Nach den Altherthümern scheinen in dem Hügel zwei verbrannte Leichen auf demselben Steinpflaster beigesetzt gewesen zu sein. Die eine Gruppe von Alterthümern lag im Osten, die andere im Westen auf dem Steinpflaster.

Osten hatten zwei Urnen gestanden, von denen die eine etwas größer war, als die andere. Die Urnen hatten neben einander gestanden; die größere war von der Last der eng gepackten Steine ganz zerdrückt und lag in Scherben breit auf den Steinen; die kleinere war umgefallen und lag wohlerhalten auf der Seite über den Scherben der andern, durch einen außerordentlichen Zufall durch fest an einander geschobene Steine geschützt, welche sie fast berührten und nur wenig beschädigt hatten. Die kleinere Urne enthielt nur Sand und Asche, war also ein cinerarium, wie gewöhnlich. Beide Urnen haben eine kugelige Gestalt, mit kaum merklichem Rande, sind schwarz, glatt und ohne Verzierungen, wie gewöhnlich die Urnen der alten Kegelgräber, welche im Innern große Kegel von kleinen Steinen enthalten. Alle Urnen aus diesen scheinbar gleichzeitigen Gräbern sind unter einander gleich.

Messer von Bronze

Einige Zoll südlich lag neben den Urnen ein sehr schönes Messer von Bronze, von sichelförmiger Gestalt (jedoch keine Sichel), 4 " lang in der Klinge, auf dem Rücken mit kleinen Buckeln und Querstrichen, am Rücken auf der Klinge auf beiden Seiten mit einem erhabenen Zickzackbande verziert. Der dünne, ausgehöhlte Griff, welcher mit Holz bekleidet war, war abgebrochen. (Vgl. den nebenstehenden Holzschnitt.)

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Nicht weit von den Urnen gegen Westen lagen in einer kleinen Höhlung zwischen den fast sich berührenden Steinen mehrere bronzene Alterthümer: zwei voll gegossene, dicke Armringe, ein dünnerer Armring, ein Halsring, ein Hütchen. Alle diese Alterthümer lagen in einer Lücke von kaum einer Faust groß zwischen den Steinen und waren eng in einander geschlungen und geschoben. Der kleine Armring ist vollständig und in seiner Form erhalten; von den beiden dickeren Armringen ist der eine in zwei Stücke zerbrochen und hat alte Rostenden; der zweite ist fast grade auseinander gezogen und an den Enden zerbrochen und war mit einem Ende an den anderen festgerostet; der Halsring war in sehr viele Stücke zerbrochen. Alle Bronzen sind stark gerostet, an vielen Stellen aufgetrieben, der Länge nach häufig gespalten und stark angegriffen, so daß sie dem Leichenbrande ausgesetzt gewesen zu sein scheinen, mit Ausnahme des kleinern Armringes, welcher wohl erhalten ist und vielleicht zu dem Röhrenknochen gehört, welcher sich auf der Brandstätte fand, und von dem Leichenbrande nicht zerstört worden zu sein scheint.

Dieses Begräbniß gehörte nach den Alterthümern offenbar einer weiblichen Leiche. Ist dieses sicher, so würde sich daraus der Schluß ziehen lassen, daß die Hütchen zum Frauenschmuck gehören.

Ungefähr 4 Fuß von den Urnen weiter gegen Westen lagen eben so zwischen die Steine verpackt andere Alterthümer, welche offenbar einer männlichen Leiche angehört haben. Jedoch war keine Spur von Urnen oder Gebeinen zu finden.

Auf der westlichen Seite des Steinpflasters lag ein schöner Dolch von Bronze, mit der Spitze gegen Osten gekehrt, als wenn er mit der Spitze nach unten hangend einer nach Osten schauenden Leiche am Gürtel gehangen hätte. Der Dolch (oder ein ungewöhnlich kurzes Schwert) ist im Ganzen 15 Zoll, die Klinge 11 Zoll, der Griff (ohne Knopf) 2 3/4 Zoll und der Knopf 1 1/4 Zoll lang. Die schmale Griffzunge läuft ohne Nietlöcher in die Klinge über. Der Knopf, welcher noch an die Griffzunge angenietet ist, hat eine rhombische Gestalt und eine öfter vorkommende Verzierung. Der Griff war von Holz gewesen, welches noch fest den hohlen Knopf füllt. Die Klinge war ein Mal durchbrochen ins Grab gelegt, da die Bruchenden alten Rost haben.

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Pfeilspitze aus Feuerstein

Zur rechten Seite des Dolches, etwas über den Knopf hinaus, lagen zwei Pfeilspitzen aus Feuerstein neben einander, mit den Spitzen gegen Westen gekehrt, so daß die Pfeile, wenn sie einer nach Osten schauenden Leiche in die Hand gegeben gewesen wären, mit den Spitzen nach dem Kopfe hin gelegen hätten. Die Pfeilspitzen sind den in den Jahrb. XXII, S. 282 und hier wieder abgebildeten gleich. Auch an diesen Pfeilspitzen war die hölzerne Schäftung noch vollkommen erhalten, an einer sogar noch festsitzend, so lang die feuersteinerne Pfeilspitze ist.

Pfeilspitze aus Feuerstein

Das dünne Holz geht allmählig in die Flächen des mit den Kanten hervorragenden Steins über und hat an beiden flachen Seiten eine sauber und fein eingeschnitzte Rille, in welche noch ein anderes Holz oder Befestigungsmaterial einfassen konnte, wie der beistehende Holzschnitt andeutet. Diese Schäftung, welche noch ganz vollkommen so, wie Sie hier abgebildet ist, erhalten war, ist bei dem hohen Alter des Pfeiles eine gewiß sehr seltene Erscheinung. Die Arbeit ist in jeder Hinsicht vortreffIich. - Durch diese Pfeilspitzen gleicht dieses Grab ganz dem seltenen Grabe Nr. 1 von Dabel.

Ueber den Dolch und die Pfeilspitzen hinaus, am westlichsten Ende des Steinpflasters, also ungefähr am Kopfende einer unverbrannt beigesetzten, nach Osten schauenden Leiche lag, fest zwischen Steine verpackt, ein faustdickes, ungefähr 1 Fuß langes Stück Eichenholz, welches man in dünnern Verhältnissen gegen Westen hin ein Ende lang verfolgen konnte. Allem Anscheine nach war dies eine nach oben gerichtete Keule von Eichenholz gewesen. Es ist noch ein ziemlich wohl erhaltenes, jedoch sehr leicht gewordenes Stück Holz von ungefähr 3 Zoll Länge, 1 Zoll Dicke und 1 1/2 Zoll Breite aus dem Grabe gerettet, allerdings eine große Seltenheit. Dieses Holz, welches unter dem ganzen Steinkegel lag, muß nothwendig bei der Bestattung eingelegt worden sein, weil die eng gefügten Steine keinen Raum zur Durchlassung einer Baumwurzel übrig ließen.

Dieses merkwürdige Grab schließt sich zunächst an das in Jahrb. XXII, S. 279 flgd., beschriebene Grab von Dabel Nr. 1 und fällt mit demselben offenbar in dieselbe Periode. Dies beweisen nicht allein die steinernen Pfeilspitzen und die hölzerne Keule, sondern auch die Beschaffenheit

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der in das Grab gelegten, dem Leichenbrande nicht ausgesetzt gewesenen Bronzen: der Dolch ist fast durch und durch von Oxyd durchdrungen und zeigt im Bruche im Innern des Mittelrückens nur noch einen dünnen Streifen röthlichen Erzes; der Rost ist nirgends mehr edel, sondern hat das Erz überall durchdrungen und an vielen Stellen in parallele Flächen gespalten.

Es leidet daher keinen Zweifel, daß dieses Grab zu den ältesten Gräbern der Bronzeperiode gehört und sich den in Jahrb. XXII, S. 286 zur Vergleichung gezogenen Kegelgräbern unmittelbar anschließt.

G. C. F. Lisch.     

Kegelgrab von Letschow.

Zu Letschow bei Schwaan ward bei einem Grabe von einem Bauern ein bronzenes Schwert ausgepflügt, welches unter Steinen, wahrscheinlich in einem niedrigen, abgepflügten Kegelgrabe lag; es ist ein Schwert mit Griffzunge, in der Klinge 21 " lang, und war beim Auspflügen nicht zerbrochen; späterhin ist es ein Mal durchgebrochen und an der Griffzunge verstümmelt. Der Herr Amtsdiätar Otto Grotrian zu Schwaan erwarb dieses Schwert und machte es dem Vereine zum Geschenke.

Framea von Proseken.

Eine Framea, mit Schaftrinne, voll gegossen, mit schönem, edlen Rost bedeckt, gefunden zwischen Proseken und Zierow, ward geschenkt von dem Herrn Unterofficier Büsch zu Wismar.

Eine Sichel aus Bronze,

6 " lang, mit Rost bedeckt, in Meklenburg gefunden, ward von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin dem Vereine geschenkt.

Hütchen von Schwerin.

Im Schloßküchengarten bei Schwerin, in dem Abhange nach dem Kalkwerder hin, ward mehrere Fuß tief in moorigem Grunde ein bronzenes "Hütchen" (wie Frid. Franc. Tab.

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XXXIII, Fig. 10), ohne Rost, von dem Herrn Hofgärtner Lehmeyer gefunden und von dem Herrn Segnitz dem Vereine geschenkt.

Eine bronzene Spule,

gefunden in der Mark Brandenburg, genau so wie die Jahrb. XIX, S. 318, beschriebene und abgebildete Spule von Viecheln, besitzt der Herr Registrator Voßberg zu Berlin in seiner kleinen, aber interessanten Alterthümersammlung. Vgl. Jahrb. XXI, S. 238.

G. C. F. Lisch.     

 


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c. Zeit der Wendengräber.


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Wendenkirchhof von Göthen.

Am Wege von Göthen nach Rutenbeck, D. A. Crivitz, liegt auf der Feldmark von Göthen, im sogenannten Streitkamp, ungefähr 1/4 Stunde in grader Richtung von dem Burgwall von Friedrichsruhe (vgl. Jahrb. XVIII, S. 273), ein Hügel, aus welchem im Winter 1856 - 57 Erde zur Uebersandung der dabei liegenden Niederung abgefahren ward. Bei dem Abgraben der Erde wurden ziemlich viele Urnen gefunden, an manchen Tagen zwei bis drei, welche aber leider fast alle in Scherben zerfielen. Nur vier derselben blieben durch die Fürsorge des Herrn Inspectors F. Prüssing zu Göthen ziemlich gut erhalten. Sämmtliche Urnen standen dem Anscheine nach unregelmäßig in der Entfernung von ein und mehreren Fußen von einander und etwa 1 Fuß unter der Oberfläche des Bodens, so daß sie vom Pfluge noch nicht berührt waren. Alle enthielten in ihrem untern Raume vom Feuer ausgeglühete Knochensplitter, während die obere Hälfte mit Erde gefüllt war. Nur in der größten der vier erhaltenen Urnen, welche am schönsten verziert ist, fanden sich vier kleine Lanzenspitzen und ein Messer, verhältnißmäßig gut erhalten. Aller Wahrscheinlichkeit nach stehen in dem noch unberührten Theile des Hügels noch mehr Urnen.

Kladow, den 26. August 1857.

Willebrand.     

Durch die Bemühungen des Herrn Pastors Willebrand zu Kladow sind diese Alterthümer von demselben erworben und dem Vereine zum Geschenke gemacht. Die vier Urnen, welche ganz die Form und Verzierung der Urnen der Eisenperiode haben, sind alle hellbraun und fast ganz erhalten; die eine derselben hat die gewöhnliche Größe, die drei übrigen sind nur klein. Die Urnen sind folgende:

eine große Urne, 7 " hoch und 11 " weit im Bauchrande, ganz von der Gestalt und ähnlichen Verzierungen, wie

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die Urne in Jahrb. XII, S. 433, Nr. 7; die Urne hat einen starken Henkel mit einer Oeffnung von dem Umfange eines Daumens;

eine kleine Urne von 5 " Höhe und 6 1/2 " Bauchweite, mit Zickzacklinien am Rande verziert, wie Jahrb. XII, S. 429, Nr. 2;

eine kleine Urne von 4 1/2 " Höhe und 7 " Bauchweite, mit Parallellinien am Rande verziert;

eine kleine Urne von 6 " Höhe und 9 " Bauchweite, kugelig und ohne Gliederung in der Form und ohne alle Verzierung.

In der größten Urne lagen folgende eiserne Alterthümer:

vier eiserne Lanzenspitzen, alle ungewöhnlich klein und dünne, jedoch gut gearbeitet und verhältnißmäßig wenig gerostet, drei 3 1/2 ", 3 1/4 " und 2 1/2 " in der Klinge lang, die vierte zerbrochen;

ein eisernes Messer, von gewöhnlicher Form, 4 " in der Klinge lang.

Späterhin hat einer der Arbeiter noch eine fast gar nicht gerostete eiserne Nadel, 2 1/2 " lang, mit rundem Knopfe, deren Spitze jedoch abgebrochen ist, abgeliefert.

G. C. F. Lisch.     

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Wendenbegräbniß von Vorbeck.

Vor etwa fünf Jahren fand ein Arbeiter beim Ausroden von Tannenstämmen auf dem Felde des Gutes Vorbeck, R. A. Crivitz, in der Nähe des Schlie=Sees zwei bronzene Hefteln mit Spiralfeder von der gewöhnlichen Gestalt der häufig vorkommenden Hefteln der Wendengräber; die eine derselben ist vollkommen wohl erhalten und hat noch Federkraft, die andere ward schon zerbrochen gefunden und ist nur noch der Bügel davon vorhanden. Ohne Zweifel hatten diese Hefteln in einer Urne gelegen, deren Scherben dabei lagen; die Wurzeln der Tanne waren durch die Urne gewachsen und hatten dieselbe zersprengt. Der Herr Uedermann auf Vorbeck macht die Hefteln dem Vereine zum Geschenk.

Kladow, den 26. August 1857.

Willebrand.     

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Wendenbegräbniß von Wotenitz.

Auf dem Schullehreracker zu Wotenitz bei Grevismühlen ward bei Umarbeitung des Ackers vor einer geringen Anhöhe 15 Zoll unter der Erdoberfläche gefunden:

eine Urne, halb zerbrochen, in welcher in Asche und zerbrannten Knochen

eine kleine zierliche Heftel von Bronze,

eine gleiche Heftel von Eisen, stark gerostet und zerbrochen, und

acht Glasperlen, nämlich 7 kleine und eine größere, von schmutzig weißem und von blauem Glase, lagen.

Der Herr Unterofficier Büsch zu Wismar erwarb diese Alterthümer und schenkte dieselben dem Vereine.

Urne von Dömitz.

Im Torfmoor von Dömitz ward vor einigen Jahren von einem alten Schmied eine große, wohl erhaltene Urne gefunden, von cylinderförmiger Gestalt, 15 " hoch, 13 " weit im Bauche und 8 1/2 " weit in der Mündung. Sie war mit Asche und halb verbrannten Gebeinen gefüllt und mit einem flachen, nicht bearbeiteten Granit von 1 1/2 Fuß Länge und 1/2 Fuß Breite bedeckt. Sie ist durch freundliche Bemühung von dem Herrn Rector Thiem zu Dömitz erworben und dem Vereine geschenkt.

Zwei Spindelsteine

aus gebranntem Thon, gefunden in Meklenburg, wurden geschenkt von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin.

Ein Menschenschädel,

gefunden zu Godern auf einem heidnischen Begräbnißplatze im trocknen Sande, ward geschenkt von dem Herrn Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow.

 


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2. Alterthümer des christlichen Mittelalters und der neuern Zeit.


Messingene Taufbecken von Dambeck.

Am 30. Juni 1857 wurden im Torfmoore von Dambeck bei Röbel, beim Bau der Chaussee von Plau nach Röbel, auf dem von der Chausseebau=Direction für die Chaussee erkauften Boden zwei große messingene Schalen gefunden. Unter der Einbildung, daß sie von Gold seien, ward Anfangs viel Aufhebens davon in den Zeitungen gemacht, bis sich sehr bald, wie zu erwarten stand, herausstellte, daß das vermeinte Gold nichts weiter als Messing sei. Dennoch fanden sich Kaufliebhaber, bis Se. Königliche Hoheit der Großherzog die beiden Becken für einen ziemlich hohen Preis für das großherzogliche Antiquarium anzukaufen befahl, nachdem die Chausseebau=Direction auf ihre Ansprüche verzichtet hatte Die wesentlichsten Verdienste um die Festhaltung und Erwerbung der Schalen hat der Herr Burgemeister Dr. Klitzing zu Plau, Mitglied der Direction.

Die beiden Schalen sind von der bekannten, weit und viel verbreiteten Art, mit der räthselhaften, viel besprochenen Inschrift. Im Allgemeinen haben diese Schalen keinen besonderen Werth, da sie sich, auch in Meklenburg, häufig als Taufbecken in den Kirchen finden. Man hätte daher gar kein besonderes Gewicht auf diese Schalen zu legen brauchen, um so weniger, als sie gerade keinen hohen Kunstwerth haben, wenn nicht die eine Schale eine ganz besondere Verzierung trüge und zur Bestimmung dieser viel besprochenen Geräthe beitragen könnte.

Das eine Becken ist von gewöhnlicher Gestalt und Größe, wie sich oft dergleichen finden und auch die Sammlung des Vereins für meklenburg. Geschichte ein Exemplar besitzt. Es hat einen Durchmesser von 22 Zoll im Ganzen. Auf dem Boden ist im Innern der englische Gruß (Ave Maria) in getriebener Arbeit dargestellt und umher die bekannte Inschrift mit einem Stempel eingeschlagen; auf dem Rande sind laufende Hirsche in getriebener Arbeit dargestellt. Dieses Becken ist also ganz gewöhnlich.

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Das andere Becken ist aber größer und anders eingerichtet. Es hat einen Durchmesser von 27 Zoll im Ganzen; der Boden hat 16 Zoll im Durchmesser. Der Rand ist gegen 4 3/4 Zoll breit. Der Boden hat in der Mitte eine getriebene Rundung, welche von der besprochenen Inschrift und diese wieder mit einem Rande von laufenden Hirschen umgeben ist; der Rand ist ebenfalls mit laufenden Hirschen geschmückt: den Rand mit den Hirschen auf dem Boden hat dieses Becken vor andern voraus und daher ist es auch größer, als die meisten. Was dieses Becken jedoch besonders auszeichnet, ist die Verzierung der innern Rundung des Bodens, welche ein rundes Wappen von 7 1/2 Zoll Durchmesser darstellt. Es ist der doppelte, gekrönte Reichsadler mit einem Wappen auf der Brust, welches jedoch der Untersuchung bedarf. Das Wappen 1 ) hat eine Haupteintheilung, deren Bilder sich je zwei und zwei (1 und 4, 2 und 3) wiederholen, und jedes Viertheil ist wieder in vier Felder getheilt.

Haupteinteilung des Wappens

1) Ich erfreue mich bei der Erklärung des Wappens des Beistandes meines kundigen Freundes Masch.
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Man sieht, daß die Felder 4 nicht den Feldern 1 entsprechen, sondern in jedem Hauptviertheile verschieden sind. Alles Uebrige läßt sich wohl erklären, wenn sich auch kleine Bedenken regen mögen, so ist z. B. das Wappen I, 4 (Sicilien) im Andreaskreuze in vier Theile getheilt und hat in dem obern und untern Viertheile vier Pfähle und in den beiden Seitenviertheilen eine Kugel, statt Adler. Ferner haben die Felder II, 2 und III, 2 nur drei Lilien, statt daß das Feld eingefaßt und mit Lilien bestreut sein sollte. Jedoch sind die mit Oesterreich correspondirenden Felder II, 4 und III, 4 in der Heraldik der fürstlichen Häuser nirgends zu finden: das Feld II, 4 hat drei Schilde 1 3 2 grade so wie das bekannte Maler=Wappen; das Feld III, 4 hat ein Haus mit einer Thür und mit einem runden Dache, wie ein modernes Schilderhaus.

Die Hauptelemente dieses Wappens sind die Wappen, welche die deutschen Kaiser seit Carl V. führten, denn erst unter diesem Kaiser kamen die spanisch=burgundischen Wappen in den kaiserlichen Schild. Es läßt sich also mit Sicherheit annehmen, daß dieses Becken nicht vor Carl V. gefertigt sein kann. Aber auch nach diesem Kaiser wird es nicht gemacht sein, da Ferdinand mehr deutsche Wappenbilder in seinen Siegeln führte. Das Becken wird also unter dem Kaiser Carl V. gemacht sein. Dennoch läßt sich nicht sagen, daß Carl V. grade ein solches Wappen führte; die vielen bekannten Wappen und Siegel Carls V. sind alle anders angeordnet, wenn sich auch auf allen einige Elemente von dem Wappen des Taufbeckens finden.

Man kann also nur annehmen, daß das Wappen des Beckens eine decorative Fiction, vielleicht der Nürnberger ist, wenn das Wappen in Nürnberg getrieben ist, wie denn die Nürnberger zu allen Zeiten viel Decoration gemacht haben, die grade nicht strenge historisch ist.

Zu dieser Annahme stimmen denn auch die Felder II, 4 und III, 4. Das Feld II, 4 mit den drei Schilden im Schilde soll sicher das Maler=Wappen sein (vgl. unten zur Kunstgeschichte) und das Feld III, 4 mit dem Hause muß auf irgend eine, noch unbekannte Stadt, Zunft oder Person (Künstler oder Fabricant) sich beziehen. Man wollte also durch das Wappen wohl darstellen, wie nahe die Maler oder Künstler dem Fürstenhause Oesterreich standen. Vielleicht war diese Schale zu einer Eßschüssel irgend einer Künstlerzunft bestimmt; diese Schalen sind früher und werden noch jetzt auch zu Eßschalen benutzt.

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So viel scheint durch dieses Becken festgestellt zu sein, daß die Becken dieser Art noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter dem Kaiser Carl V. als Fabrikwaare angefertigt wurden. Darauf deutet denn auch der Umstand hin, daß beide Becken denselben Fabrik= oder Handelsstempel RS mit den kleinen lateinischen Unzialen des 16. Jahrhunderts tragen.

G. C. F. Lisch.     

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Alterthümer von Marlow.

Bei Marlow in der Reknitz, da wo vor alter Zeit eine Brücke stand, wurden im Jahre 1856 folgende eiserne Alterthümer gefunden und von dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow dem Vereine geschenkt:

ein Hufeisen von ungewöhnlicher Kleinheit, nur 4 " hamb. Maaß lang und 3 1/2 " breit, mit sehr zweckmäßig gestalteten Nagellöchern, welche für die hohen, oblong gestalteten, dem Loche anpassenden Nagelköpfe so tief eingetrieben sind, daß zwischen dem Nagelkopfe und dem Hufe nur eine dünne Platte Eisen stehen bleibt, die Nagelköpfe also fast so lange halten, wie der Huf; der äußere Rand des Hufeisens ist durch das Eintreiben der Nagellöcher stark wellenförmig gestaltet;

ein Hufeisen, etwas größer, gegen 4 1/2 " breit und 4 3/4 " lang, mit eben solchen Löchern und darin passenden Nägeln;

ein Steigbügel, von alter, einfacher Form, defect;

eine Sichel, lang und schmal, in der Klinge 13 1/2 " in grader Richtung lang und ungefähr 1 " im Mittel breit, sehr beschädigt.

Einen kurzen Degen

("Rüting") von Eisen aus dem 16. Jahrhundert, gefunden zu Repnitz, schenkte der Herr von Oertzen auf Repnitz dem Vereine.

Ein eiserner Sporn,

gefunden beim Ausgraben des Wallgrabens der Festung Dömitz, ward geschenkt von dem Herrn Unterofficier Büsch zu Wismar.

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Hölzerne Teller von Güstrow.

In einem an der Nordseite des Marktes zu Güstrow belegenen alten Bürgerhause, welches früher im Besitze des Kürschners Teetz war und jetzt dem Herrn Kürschner Saß gehört, wurden bei dem Durchbau des Hauses in einem vermauerten alten Wandschranke zwei hölzerne Teller gefunden, welche der Herr Saß dem Vereine zu schenken die Freundlichkeit hatte. Diese sehr merkwürdigen Teller sind hölzerne Scheiben oder "Bricken", wie man sie jetzt nennt, von 6 1/2 " Durchmesser, und ganz flache Scheiben; der eine ist ungefähr 3/8 " dick und hat an beiden Seiten umher einen ganz niedrigen erhabenen Rand, der andere ist noch einmal so dick und ohne Randerhöhung. Wahrscheinlich haben diese Scheiben oder "Bricken" zu "Confecttellern" gedient, da sie wegen ihrer Gestalt und Verzierung nur zu trockenen Sachen gebraucht werden konnten. Beide sind, wenn auch im Style der Verzierung etwas von einander verschieden, doch ohne Zweifel von derselben Hand verfertigt, da die auf ihnen befindliche Schrift von derselben Hand ist.

Diese Teller sind durch die Art ihrer Verzierung merkwürdig und werthvoll, da sie einen klaren Blick in die Bildung der Zeit geben, in der sie verfertigt sind. Sie sind nämlich an beiden Seiten mit architektonischem Blattwerk in roth und gelb und schwarz bemalt, so daß der Grund roth, das Blattwerk gelb, die Umrisse Schwarz sind; nach der Bemalung sind die Scheiben mit einem sehr dauerhaften Lack überzogen, der noch heute vollkommen wohl erhalten ist und jeder Nässe widersteht.

Diese Scheiben sind so verziert, daß in der Mitte ein runder Schild von etwa 1 1/2 " Durchmesser mit einem Symbole Christi steht. Dieses ist von einem innern Rande mit einer Inschrift umgeben, etwa 3/4 " breit. Dann folgt ein Kreis mit architektonischem Blattwerk von 1 1/4 " Breite. Auf dem äußern Rande von ungefähr 3/4 " Breite steht eine zweite Inschrift.

Die Inschriften geben einen ziemlich sichern Maaßstab für das Alter dieser Teller. Nach dem Charakter der Schriftzüge und der reinen plattdeutschen Sprache, auch der Verzierungen, fallen sie in die Zeit von ungefähr 1480 - 1500; man wird sicher gehen, wenn man die Zeit um das Jahr 1500 als die Verfertigungszeit annimmt; die Teller können etwas älter sein, jünger wohl nicht.

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Die interessanten Inschriften dieser Teller sind folgende:

I. Erster Teller.

A. Eine Seite

1) In der Mitte:

Jesus

(d. i. Jesus).

2) Innerer Inschriftrand 1 ):

help here goth
vth aller noth
dorch dynen bytteren doth
   amen.

(Hilf Herre Gott
aus aller Noth
durch deinen bitteren Tod
   Amen.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

Vele er werth enes fwerdes how tho reke 2 )
wen ener bosen tunge steke
eyn vntruwe mynsche mit deme munde
is boser wen eyn arge bose wunde.

(Viel eher heilt ein Schwerthieb sicherlich,
als einer bösen Zunge Stich;
ein Mensch untreu mit seinem Munde
ist böser als eine arge, böse Wunde.)

B. Andere Seite.

1) In der Mitte:

Christus

(d. i. Christus).


1) Die vielen Abbreviatureb nach der mittelalterlichen Schreibeweise sind hier aufgelöset.
2) tho reke ist wohl so viel als: zu recht kommen, gesund; es heißt noch: he wert to reke: er wird gesund.
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2) Innerer Inschriftrand:

Och here vorlene vns dyne gnade
vnde gyff frede in vnssen dagen.

(Auch Herr verleihe uns Deine Gnade
und gieb Friede in unsern Tagen.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

Ayn ider late syck dar an benoghen
dat syck tho synen handel wyl fogen
werth he dar bauen tho vele begheren
ßo moth he dat grote myth deme kleynen entberen.

(Ein jeder lasse sich daran genügen,
was sich zu seinem Handel will fügen;
will er darüber zu viel begehren,
so muß er das Große mit dem Kleinen entbehren.)

II. Anderer Teller

A. Eine Seite.

1) In der Mitte:

Jesus

(d. i. Jesus).

2) Innerer Inschriftrand:

So holt men encheyt recht
wen de ene des andren borde drecht.

(So hält man Einigkeit recht,
wenn der Eine des Andern Bürde trägt.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

Wol dar bespottet my vnde de mynen
de gha tho hus vnde beße de synen
vppe dat he se den anebrek 1 )
ßo kame he balde vnde strasse myck.


1) anebrek - das was daran gebricht, Gebrechen, Mangel.
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(Wer da bespottet mich und die Meinen,
der geh nach Haus' und beseh die Seinen,
auf daß er seh, was ihm gebricht,
dann komme er bald her und schelte mich.)

oder:

(auf daß er sein Gebrechen schau
und nehm's mit Andern nicht zu genau.)

B. Andere Seite

1) In der Mitte:

Eine Kreuzrosette.

2) Innerer Inschriftrand:

he is arger wen vorgyfft 1 ) vnde fenyn 2 )
de dar vyenth ys vnde wyl frunth syn.

(Der ist ärger als Gift und Pest,
Der da Feind ist und Freund läßt.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

De fyne frunde prouen 3 ) wyl vnde schal
de proue ße in vngeual 4 )
wenthe frunde der werlt in grother noth
der gan wol ver vnde twynchtych vp ein loth.

(Wer seine Freunde prüfen will und mag,
Der prüfe sie in Ungemach;
Denn Freunde der Welt in großer Noth,
Der gehn wohl vierundzwanzig auf ein Loth.)

G. C. F. Lisch.     


1) vorgyfft - Vergiftung, Gift, nach mittelhochdeutscher Sprachweise; plattdeutsch: vergeben - vergiften.
2) fenyn - Gift, von dem lateinischen venenum, nach mittelhochdeutscher Sprachweise.
3) prouen ist im Original puen abbrevirt, d. i. probiren, prüfen.
4) vngeual - Unfall, Ungemach.
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Bronzener Henkeltopf von Gnoyen.

Zu Gnoyen ward in einer Sandgrube dicht bei der Stadt ein Henkeltopf von Bronze gefunden und von dem Herrn von Kardorff auf Remlin zu Gnoyen erworben und dem Vereine geschenkt. Der Topf ist aus mittelalterlicher Bronze oder "Grapengut" gegossen, demselben Metall, aus welchem die alten Grapen gegossen sind, hat drei dreiseitige Beine, einen großen Henkel und eine unten geöffnete Ausgußdille und ist mit den Beinen 10 1/2 " hoch, während die Beine 3 " hoch sind. Das Ganze gleicht einer modernen Kaffekanne mit drei hohen Beinen und ist ohne Zweifel zum Kochen und Ausschenken von Getränken oder Suppen gebraucht. So häufig auch die alten Bronzegrapen von jeder Größe noch vorkommen, so selten sind bronzene Henkeltöpfe dieser Art. Im Innern sind auf der Henkelseite drei Zeichen mit dem Topfe gegossen: in der Mitte steht ein Zeichen wie zwei gekreuzte Schwerter gekreuzte Schwerter , zur Linken desselben ein Zeichen wie ein  , zur Rechten desselben ein dreiseitiger, mit Kreuzstrichen schraffirter Wappenschild mit einem glatten Queerbalken, wie das Wappen der v. Peccatel, v. Plate, v. Zülow. Der Topf scheint dem 14. Jahrhundert anzugehören.

G. C. F. Lisch.     

Ein Löffel von Messing,

mit rundem Blatt, zu Kägsdorf bei Neu=Bukow an einem kleinen, runden Berge ausgegraben und von einem bützowschen Zinngießer auf dem Bukower Jahrmarkte mit altem Zinn gekauft, ward von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow erworben und dem Vereine geschenkt; der Stiel ist halb abgebrochen.

Ein Löffel von Messing,

gefunden bei Bützow, ward von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow erworben und dem Vereine geschenkt; der Stiel ist nur 2 Zoll lang und das Blatt zum größern Theile abgebrochen.

Ein Löffel von Messing,

mit rundem Blatt, am Ende des Stiels mit einer Traube, aus dem Ende des 15. oder der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammend, gekauft in Holstein, ward geschenkt von dem Herrn Rentier Wohlgemuth zu Schwerin.

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Würfel aus gebranntem Thon.

Zu Rubow ward ein großer Spielwürfel auf einer Burgstelle im Walde neben Gefäßscherben gefunden. Der Würfel, welcher die gewöhnlichen Augen hat, ist von gewöhnlicher Ziegelarbeit und 2 1/4 Zoll im Cubus groß, was dieses Stück des Mittelalters interessant macht. Der Herr Hofmaler Schlöpcke zu Schwerin, welcher den Würfel geschenkt erhalten hat, hat denselben wieder dem Vereine zum Geschenke gemacht.

Ein Henkelkrug,

von weißgelber Farbe, 7 " hoch, gefunden zu Gremmelin, 10 Fuß tief bei Asche (wahrscheinlich in einem verschütteten Keller), ward geschenkt von dem Herrn Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow.

Ein messingener Maaßstab,

gefunden zu Parchim, bei einem Hausbau in der Blutstraße im Bauschutt, ward von dem Herrn Baumeister Garthe zu Parchim dem Vereine geschenkt. Er trägt die eingeschlagene Jahreszahl 1657 und einen Stempel mit einem Thiere, wie es scheint einem Bären, ist zwei Fuß lang und zur Hälfte zum Einschlagen eingerichtet, jetzt jedoch zerbrochen. Von Interesse ist, daß die Zolle dieses Maaßstabes etwas länger sind, als die des jetzt in Meklenburg gebräuchlichen hamburger Fußmaaßes, wie folgt:

parchimscher Maaßstab parchimscher Maaßstab,

hamburger Maaß hamburger Maaß.

G. C. F. Lisch.     

Eine Wasseruhr

schenkte der Herr Ad. Heinzelmann zu Tessin. Die Uhr soll sehr alt und seit dem Jahre 1700 im Besitze der Familie des Herrn Heinzelmann gewesen sein; sie trägt eine neuere Bemalung mit der Jahreszahl 1700.

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Eine geschnitzte Verzierungsleiste

aus Lindenholz, mit geschnitzten Blättern, Blumen und Früchten, 2 Fuß lang, geschenkt von dem Herrn Rentier Wohlgemuth zu Schwerin.

Eine kleine gläseren Flasche

aus weißem Glase, künstlich gearbeitet, ohne Schleiferei, gekauft in Holstein, ward geschenkt von dem Herren Rentier Wohlgemuth zu Schwerin.

Ein Feuerschloß

in Form einer Pistole mit einem Gewehrschloß, aus dem 18. Jahrhundert, aus einem Privathause in Wismar, geschenkt von dem Herrn Unterofficier Büsch zu Wismar.

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Der Herr von Behr=Negendanck auf Semlow schenkte dem Vereine drei Gypsabgüsse von dem Reiter=Denkmale auf dem Grabe des Hofmeisters Samuel von Behr († 1621) in der Kirche zu Doberan, nämlich die Büste des Hofmeisters Samuel von Behr und die Relief=Medaillons des Mannes und der Frau an der mittlern, vordern Säule des Denkmals zu beiden Seiten des von Behr'schen Wappens, wahrscheinlich der Aeltern Samuels von Behr.

 


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II. Zur Baukunde.


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


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Die wendische Burg Lübchin
und
der Bärnim.

Die wendische Burg Lübchin und die Alterthümer des Ortes spielen eine so große Rolle in der meklenburgischen Geschichte, daß ich viele Jahre hindurch bemühet gewesen bin, Nachrichten darüber zu gewinnen, freilich vergeblich, bis es mir endlich vergönnt gewesen ist 1 ), selbst an Ort und Stelle Untersuchungen vorzunehmen und die Sache aufs Reine zu bringen. Die nordischen Schriften erzählen: um Michaelis des J. 1184 habe der König Knud von Dänemark einen Zug in die Wendenländer unternommen; er sei uach Rügen gesegelt, um sich mit den Rugianern zu vereinigen, darauf von Stralsund durch das Land Tribsees nach Tribsees, und von hier durch das Circipaner=Moor (Trebel=Thal) gezogen und endlich nach einer Stadt Lubechinka gekommen, von wo seine Völker sich zerstreut hätten, um bis gegen Güstrow hin zu verheeren; der König selbst habe zu Lubyna (Liepen?) gelagert. Darauf habe er den Rückzug angetreten.


1) Ich verdanke diese Entdeckungen der theilnehmenden Beförderung des Herrn von Behr=Negendanck auf Semlow etc. . im Interesse des Vereins.
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So erzählen die Knytlinga=Saga und Saxo Grammaticus 1 ). Der letztere nennt ausdrücklich 2 )

die Burg oder Stadt Lubechinka
(urbs Lubechinka.)

Dies kann kein anderer Ort als Lübchin sein: der Zug Knud's von Tribsees aus wird ziemlich genau beschrieben und der ganze Zug geht von Stralsund ganz grade über Tribsees nach Lübchin. Für die ungewöhnliche Bedeutsamkeit des Ortes Lübchin reden überdies noch andere Umstände. Noch im J. 1238 war Lübchin eine Burg von Bedeutung, also eine wendische Burg, da sich nicht annehmen läßt, daß so bald nach der Einführung des Christenthums in diesen wilden Gegenden schon eine große deutsche Burg erbauet gewesen sei. Am 1. März 1238 3 ) verlieh der Fürst Johann der Theologe von Meklenburg öffentlich zu Lübchin (publice in Lubichin) dem Kloster Dargun neue Gerechtsame an Gerechtsbarkeit; Zeugen dieser Verleihung waren der fürstliche Vogt Barthold zu Lübchin ("Bartholdus advocatus in Lubichin"), alle Burgmänner daselbst ("ceteri omnes castrenses ibidem") und der Kapellan Theoderich zu Lübchin ("Theodoricus capellanus in Lubichin"), wahrscheinlich ein Burgkapellan, da ein Pfarrer zu Lübchin wohl als "Pfarrer" aufgeführt sein würde. Für die große Bedeutsamkeit der Burg Lübchin redet die alte Felsenkirche zu Lübchin 4 ), welche ohne Zweifel die älteste von allen Kirchen im nordöstlichen Meklenburg und Vorpommern ist, so weit es sich bis jetzt beurtheilen läßt.

Es kam also darauf an, nach der Entdeckung der alten Kirche, die alte Burg aufzufinden. In Lübchin selbst und in unmittelbarer Nähe des Ortes ist nichts zu finden, was auf eine alte Burg hindeuten könnte. Dagegen habe ich einen großen, stadtähnlichen wendischen Burgplatz in geringer Entfernung von dem Orte gefunden.

Ganz nahe bei Lübchin liegt das Gut Grammow, so daß man von beiden Seiten jedes Gut klar sehen kann. Grade in der Mitte zwischen beiden Gütern, in grader Richtung zwischen denselben, erstreckt sich weit hin ein großes, langes


1) Die Angabe der Quellen vgl. unten bei der Beschreibung der Kirche zu Lübchin.
2) Vgl. Saxo Grammaticus I, 14.
3) Vgl. Lisch, Meklenb. Urk. I, S. 52 - 53, Nr. XX.
4) Vgl. unten die Beschreibung der Kirche zu Lübchin und die Betrachtung über die romanischen Feldsteinkirchen im nordöstlichen Meklenburg.
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Moor, jetzt tiefe Wiese, an welches an einer Seite noch jetzt Waldung grenzt, während an den andern Seiten jetzt die Waldung in Ackerland umgeschaffen ist. An einem Ende dieses Moores, in der graden Richtung zwischen Lübchin und Grammow, liegt ein ausgedehnter, wendischer Burgwall in dem Moore aufgeschüttet, nicht sehr hoch, aber weit und von großem Umfange, von stadtähnlicher Anlage. Nach Lübchin und Grammow hin liegt er nicht sehr weit vom festen Lande. Der ganze Wallbau besteht aus drei Theilen: gegen Lübchin hin liegt ein großes Viereck, wahrscheinlich die Vorburg; dahinter liegt in der Mitte ein noch größerer Wall in oblonger Form, wohl die Stadt; gegen Grammow hin, also hinter den beiden Vorburgen, wenn man den Zugang als von Lübchin her gerichtet betrachtet, liegt ein kleinerer Wall, wahrscheinlich die eigentliche Burg. Wir haben hier also die in alten Zeiten genannte wendische Burg ("urbs") oder Stadt Lubechinka oder Lübchin. In der Anlage gleicht dieser Burgwall dem Burgwalle von Werle zu Wiek bei Schwaan. Jetzt gehört der Burgwall, der von Lübchin und von Grammow gleich weit entfernt liegt, zu Grammow. Dies kann aber nicht irre machen, da Grammow (früher Grambow) Pertinenz von Nustrow war und beide Güter mit Lübchin im Mittelalter der Familie Behr gehörten, daher noch jetzt auf dem Kirchthurme zu Lübchin ein Bär als Windfahne steht. Alterthümer ließen sich für den Augenblick nicht finden; jedoch sollen solche in frühern Zeiten hier oft gefunden sein. Die Ackercultur hat hier bedeutend gewirthschaftet: alle Ringwälle sind hinuntergearbeitet und die Oberflächen sind geebnet und zu Ackerland gemacht. Aufgrabungen zeigten an mehrern Stellen in der Tiefe, daß die Erde künstlich aufgebracht sei.

Wichtig werden diese Denkmäler noch durch die Betrachtung, daß sie an der großen, graden Heerstraße von Stralsund nach Güstrow, an dem Durchgange durch die Trebelmoore bei Tribsees liegen.

Nur am westlichen Ende des mittlern Walles sind unter Gebüsch noch Erhebungen und Reste von Wällen und Gräben erkennbar, welche sich über einen Theil des Plateaus verfolgen lassen. Auf dieser Stelle soll im Mittelalter eine Burg der Behr auf Nustrow gestanden und der Platz davon der Bärnim genannt worden sein. Im J. 1838 berichtete hierüber der Herr Geheime Amtsrath Koch zu Sülz in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburg. Geschichte, III, B, S. 186: "Es befinden sich die Güter auf der Sülz gegenüber liegenden pommerschen Seite, Cavelsdorf, Semlow etc. ., noch

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in den Händen der Familie v. Behr=Negendanck. Diese Familie hatte in alter Zeit auch diesseits viele Güter, wie denn noch jetzt ein Bär statt des Hahns auf dem Thurme der Kirche zu Lübchin prangt. Diese Güter waren durch einen Damm verbunden, welchen man noch in dem sülzer Moor mit Torf überwachsen findet und der noch der Bärendamm heißt. Er verschwindet auf dem hohen Lande; man spürt ihn aber im lübchiner See, wo auch Reste von Pfählen sich finden. Die Richtung führt hier grade auf ein Holz zu, welches zu dem Gute Grammow gehört, welches noch jetzt der Bärnimm heißt, von einer Burg dieses Namens, deren Wälle und Gräben man noch im Holze findet. Füchse sollen häufig Bauschutt aus dem innern Burgplatze herausfördern und sollen auch silberne Sporen und andere Geräthe herausgegraben haben, die ein Schäfer gefunden und nach Sülz verkauft haben soll.

G. C. F. Lisch.     

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Der Burgwall von Marnitz.

Der Weg von Marnitz zum Ruhner Berge führt in seiner letzten Hälfte durch ein schönes Buchengehölz, späterhin bis zur Spitze des Berges durch Tannen. In den Buchen, östlich vom Wege sind die Quellen des bei Marnitz vorüberfließenden Baches, welcher weiter abwärts den Namen Mooster 1 ) Bach erhält. In diesen, zur großherzoglichen Forst gehörigen Buchen, etwa 1/4 Stunde links (östlich) von von dem Fahrwege, liegt, sehr zwischen Gebüsch versteckt, die s. g. "Burg". Schon der erste Anblick zeigt, daß dies ein wendischer Burgwall ist. - Rings herum läuft am Fuße des Wallringes ein verfallener, flacher Graben, dessen Umfang 265 Schritte, also etwa 50 Ruthen beträgt. Der Wallring ist kreisförmig und erhebt sich an seiner westlichen Seite am höchsten, etwa 10 Fuß, während er nach Osten hin allmählig niedriger wird und ganz im Osten kaum noch 2 Fuß über dem natürlichen Erdboden erhöht ist. Das inner=


1) "Die Mooster", ein Haidemoor bei Marnitz, hat den Namen von einem untergegangenen Dorfe "Damoster", welches zwischen Marnitz und Redlin lag. Aus dem Namen "Darmoster" ward "Demoster", später "de Moster", "Mooster". Vgl. Frid. Franc. Erläuterungen S. 97 flgd.     G. C. F. Lisch.
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halb des Wallringes liegende Plateau ist etwas vertieft, so daß der Wallring eine Art Brustwehr ringsum bildet und an den höchsten Stellen etwa um 4 Fuß das innere Plateau überragt. Leider ist der ganze Burgwall mit hohem Grase und jungen Buchen sehr überwachsen, so daß das Suchen nach Resten früherer Kultur sehr erschwert wird. Doch glückte es mir, in einem frisch aufgeworfenen Maulwurfshügel auf der Nordseite des Wallringes eine Scherbe 1 ) aufzufinden, welche wenigstens den Beweis liefert, daß die Burg nicht eine "Wallensteinsche Schanze" oder ein Werk des Mittelalters ist. Auch fanden sich hie und da einzelne Kohlenstücke, die jedoch neuern Ursprungs sein mögen, da sie, wenn freilich zerstreut, doch alle auf der Oberfläche des Bodens gesammelt wurden.

Als Curiosum mag noch angeführt werden, daß sich im Innern des Burgwalls, nahe am Nordrande, ein 8 bis 10 Fuß tiefes, rundes Loch befindet, welches vor einigen Jahren von Schatzgräbern gegraben ist. Aus der Beschaffenheit der dadurch entstandenen Erdwand ersieht man jedoch deutlich, daß das innere Plateau nicht aufgetragen, sondern (wie wohl bei den meisten Burgwällen) eine natürliche Erhöhung des Erdbodens bildet; nur die ringförmige Umwallung ist von Menschenhänden gebildet und von außen her aufgetragen.

Abweichend von anderen Burgwällen besteht die ganze nähere Umgebung aus festem Boden, nach keiner Seite hin findet sich Sumpf= oder Wiesengrund. Nur an der Westseite rieselt in der Entfernung von etwa 200 Schritten in einem schmalen Thale einer der Zuflüsse des Mooster Baches; die anscheinend etwas sumpfigen Ufer des Bächleins ließen sich jedoch im August d. J. trocknen Fußes durchschreiten. Der dichte Wald und die versteckte Lage scheinen den frühern Bewohnern dieses Burgwalls als Hauptschutzwehr gegolten zu haben; die Jagdausbeute in den Schluchten und auf den Höhen der Ruhner Berge mag ihnen hinreichende Nahrung geliefert haben. In botanischer Hinsicht fand sich weder auf, noch bei dem Burgwall irgend etwas Bemerkenswerthes.

Kladow, den 26. August 1857.

Willebrand.     


1) Die Gefäßscherbe stammt sicher aus der heidnischen Zeit, da sie stark mit Grand durchgeknetet und nur gedörrt ist.     G. C. F. Lisch.
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Der wendische Burgwall von Barth.

Die wendischen Burgwälle Pommerns sind bei einer verhältnißmäßig reichen Geschichte wohl alle durch schriftliche Nachrichten, zum Theil auch noch durch ihre Lage und Beschaffenheit bekannt; so viel ich aber weiß, sind sie noch nicht von Seiten der Alterthümer untersucht und bestimmt, obgleich dies bei vielen von hohem Interesse wäre, z. B. bei dem viel besprochenen Julin, dessen Burgwall doch noch zu finden sein dürfte. Es war von Wichtigkeit, einen wendischen Burgwall in der Nähe Meklenburgs zu untersuchen, um über dessen Grenzen hinaus die wendische Eigenthümlichkeit zu verfolgen und zu bestimmen, und hiezu gab die in der norddeutschen und auch in der meklenburgischen Geschichte oft genannte Stadt Barth willkommene Veranlassung, deren Burg zur Wendenzeit wiederholt erwähnt wird. Bei der Stadt Barth liegen mehrere alte Burgwälle.

Südlich nahe bei der Stadt, in Wiesen, welche von Festland umgeben sind, liegt ein großer mächtiger Burgwall, welcher bei den Einwohnern den Namen "Alte Burg" trägt. Auf diesem Burgwall ist keine Spur von Alterthümern irgend einer Art je gefunden und zu finden. Dies berichtet der verstorbene geschichtskundige Burgemeister Oom zu Barth in seiner Geschichte der Stadt Barth, S. 3, und mündlich dessen Schwiegersohn, der Herr Holst zu Barth, welcher als Naturforscher diesen Berg häufig untersucht hat; auch ich habe bei einer Untersuchung in Begleitung des Letzteren keine Spur von Ueberresten der Vorzeit entdecken können, obgleich die Gelegenheit sehr günstig war, da der Berg als Grandgrube benutzt, nach und nach abgegraben und in nicht sehr ferner Zeit verschwunden sein wird. Dieser Burgwall war eine Residenz der Fürsten von Rügen, jedoch schon bei deren Aussterben verlassen, da er schon im J. 1325 an die Stadt verkauft war und die Landesherrschaft einen Hof (curia) in der Stadt an der Stelle des jetzigen Klosters besaß (vgl. Oom a. a. O. S. 33 flgd.). Auch der Dr. v. Hagenow kennt diesen Wall, indem er ihn auf seiner Karte von Neu=Vorpommern, fünfte Auflage, 1856, südlich von der Stadt unter dem Namen "Schloßberg" verzeichnet.

Nördlich bei der Stadt liegt ein zweiter Burgwall. Nördlich von der Stadt, von der Schiffbauerei aus, streckt sich eine sumpfige Landzunge in das Binnenwasser der Ostsee, den

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Barther Bodden. Auf der letzten Spitze dieser Landzunge liegt ein sehr großer, hoher Burgwall in der Gestalt eines regelmäßigen Oblongums, ungefähr wie der Burgwall von Meklenburg gestaltet, jedoch etwas niedriger. Er ist von drei Seiten vom Meerwasser mit etwas sumpfigem Vorland umgeben, nach der Landseite geht der Zugang durch Wiesengrund. Dieser Wall trägt bei den Einwohnern den Namen "Burgwall". Auch dieser Wall wird gegenwärtig abgetragen, theils um den ziemlich weiten Weg zum Festlande zu erhöhen, theils um die angrenzenden Wiesenbuchten zu verbessern; er mag jetzt schon zu 1/3 oder 1/2 abgetragen und wird wahrscheinlich bald ganz verschwunden sein. Durch die Abtragung ließ sich aber die Beschaffenheit leicht und genau untersuchen. Der ganze Burgwall ist aus verschiedenartiger Erde künstlich aufgetragen. Die Oberfläche, oben auf und tiefer in die Erde hinein, ist mit zahlreichen Gefäßscherben aus der Wendenzeit, Thierknochen, gebrannten Lehmstücken etc. . bedeckt. Die Scherben sind nach heidnischer Weise bereitet, aus Thon, mit Sand oder zerstampftem Granit durchknetet, bräunlich und nur gedörrt, und mit den bekannten Wellenlinien am Rande verziert, mit denen die Scherben auf alten wendischen Burgwällen in Meklenburg verziert sind. Dieser "Burgwall" ist also ohne Zweifel der öfter genannte wendische. Burgwall von Barth und mit allen Kennzeichen eines solchen ausgerüstet. - Hin und wieder finden sich auf demselben auch die blaugrauen Scherben von Töpfen des christlichen Mittelalters, ein Beweis, daß der Burgwall auch noch nach der Wendenzeit bewohnt war. Oom berührt in seiner Geschichte der Stadt Barth diesen Burgwall nicht; auf v. Hagenow's Karte ist er jedoch an der rechten Stelle unter dem Namen "Burgwall" eingetragen. Vielleicht ist dieser Burgwall die "Wiek bei Barth", welche noch im J. 1302 von Wenden bewohnt war, als der Fürst Wizlav d. ä. sein Testament machte. ("Item volo, quod Slavi mei in vico apud Bard eandem libertatem habeant in omnibus, quam meo tempore habuerunt". Fabricius Rüg. Urk. I, p. 128.)

Wir haben also gegen Osten hin in diesem Burgwall einen vollständigen wendischen Burgwall, wie gegen Westen hin in dem alten Burgwall von Lübeck an der Mündung der Schwartau in die Trave sich dieselbe Erscheinung wiederholt, so daß man annehmen kann, daß sich die Eigenthümlichkeiten ber wendischen Burgwälle Meklenburgs auch in den benachbarten Küstenländern wieder finden.

Eine Viertelmeile westlich von Barth, am Ufer der Barthe,

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diesseit des Flusses, links am Wege nach dem Barther Holze, findet sich, nach den Entdeckungen und Mittheilungen des Herrn Holst eine dritte wallartige Erhöhung von nicht bedeutender Erhebung, jedoch mit zahlreichen wendischen Gefäßscherben mit den wellenförmigen Linien bedeckt, welche denen auf dem Burgwalle ganz gleich sind. Es war dies also auch ein wendischer Wohnort, vielleicht die alte Stadt Barth für die größere Bevölkerung.

G. C. F. Lisch.     

 


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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


a) Weltliche Bauwerke.


Burgwall zu Mestlin.

Auf der Feldmark Mestlin, und zwar in der Hufe des Erbpächters Müller, erhebt sich in einer von dem mestliner Forste begrenzten Wiesenfläche ein kleiner Burgwall, der durch die landwirthschaftliche Cultur schon bedeutend von seiner ursprünglichen Höhe verloren hat.

Bei dem Beackern sind verschiedene Gegenstände von Eisen (Stücke von Ketten, ein Sporn u. m. A.), so wie auch ein sehr gut erhaltener Boden Talg aufgefunden worden. Die Bewohner der Nachbarschaft erzählen, daß hier früher eine Burg gestanden habe, die zuletzt von einem Tempelherrn bewohnt sei. Indessen berechtigt die Lage der Höhe in einer Wiesenfläche, welche sich einst weit ausgedehnt haben muß, zu der Annahme, daß der Burgwall wendischen Ursprungs und später dann zur Anlage eines festen Wohnsitzes benutzt sei.

Wiechmann=Kadow.     

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Das frühere Dorf Rodenbek.

Zwischen den Dörfern Bistow, Kritzemow und Gr. Schwaß bei Rostock ist eine Fläche Ackers, welche in älteren Zeiten bewohnt sein mußte und erst in ganz neuerer Zeit durch ausgebauete Gehöfte der drei genannten Dörfer in Cultur genommen ist. Bei näherer Bekanntschaft mit den Bewohnern erfuhr ich, daß hier eine alte Dorfstelle mit zwei Schloß=

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bergen vorhanden sei, und glaube ich, daß dies sein anderes Dorf sein könne, als das in der Urkunde des Fürsten Heinrich von Meklenburg vom 15. Dec. 1328 (Rudloff Urk., Lief., Nr. CXXVII. und Lisch, Oertzen I, Urk. LXII.) bezeichnete Dorf Rodenbeke 1 ). Es liegt an einem Bache, welcher im Kritzemower Torfmoor entspringt (welcher aber jetzt abgegraben ist und sein Wasser größtentheils nach Rostock ergießt), diese alte Dorfstelle berührt, dann nach Gr. Schwaß, Mönchweden, Lambrechtshagen, Bargeshagen geht und bei Rethwisch in die Ostsee fließt. Das Dorf mit der Burg lag mit Gräben und Sumpfboden (Torfboden) fast rings umgeben und nur ein schmaler Landrücken südwestlich von der Burg bot einen festen Zugang; dieser konnte leicht durch einen Graben versperrt werden. Das Land weiter umher ist noch vielfach von Niederungen und Torfmooren durchschnitten. - Im Interesse unseres Vereins habe ich einen kleinen Grundriß von der Lage des Ortes entworfen, den ich hierbei zu den Sammlungen übersende.

Friedrichshöhe.

J. Ritter.     



1) Aus der citirten Urkunde von 1328 wird nicht klar, was Rodenbeke sei, da in derselben nur gesagt wird, daß "Großen Schwaß bei Rodenbeke liege" ("villa Grotentzwertze dicta apud Rodenbeke situata"), aber nicht, was Rodenbeke sei, ob ein Bach oder ein Dorf. Es kommt freilich in der meklenburgischen Geschichte eine rittermäßige Familie von Rodenbeke vor, deren Stammvater Benedict von Rodenbeke im 13. Jahrhunder aber an dem Hofe der Fürsten von Rostock erscheint; auch ist mir außerhalb Meklenburg (in Holstein, Hannover oder Westphalen) ein Dorf Rodenbeke vorgekommen, welches ich jedoch augenblicklich nicht wieder auffinden kann, von dem die Familie den Namen haben könnte. So wahrscheinlich auch die Entdeckung von Rodenbek bei Rostock ist, so ist doch die frühere Existenz einer Burg Rodenbeke nicht außer allem Zweifel. Uebrigens kommen "Rodenbeke" öfter vor, d. h. wahrscheinlich Bach im oder am Radelande.     G. C. F. Lisch.
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b) Kirchliche Bauwerke.


Die romanischen Feldsteinkirchen
im östlichen Meklenburg

von

G. C. F. Lisch.


Seit mehrern Jahren waren die in Ruinen liegenden Feldsteinkirchen von Dambeck und Papenhagen (bei Rambow) als alte Kirchen romanischen oder Rundbogen=Styls bekannt und bildeten als vereinzelte Beispiele uralter Bestrebung die Zielpuncte lebhafter Aufmerksamkeit. Die Entdeckung einer dritten Kirche dieser Art zu Gr. Wokern (vgl. Jahrbücher XXI, S. 264) im J. 1855 mußte um so mehr überraschen, als diese Kirche noch kräftig da steht und als sich trotz aöler Bemühungen keine Nachrichten von noch anderen Kirchen dieser Art gewinnen lassen wollten. Meklenburg besitzt zwar mehrere seit längerer Zeit bekannt gewesene Kirchen romanischen Baustyls; wie zu Ratzeburg, Gadebusch, Vietlübbe, Lübow, aus etwas jüngerer Zeit zu Rehna, Grevismühlen, Hagenow, Wittenburg u. s. w. Alle diese Kirchen sind aus Ziegeln gebauet und gehören dem Bisthum Ratzeburg an, mit Ausnahme der Kirche zu Lübow, welche jedoch unmittelbar an das Bisthum Ratzeburg grenzt. Diese Kirchen sind daher sicher von Ratzeburg aus gebauet. Das Bisthum Schwerin dagegen hat eine große Menge von etwas jüngeren Kirchen im Uebergangsstyle, theils aus Feldsteinen mit Ziegeln, theils allein aus Ziegeln aufgeführt. Dies läßt sich leicht dadurch erklären, daß im Bisthume Ratzeburg die Regierung der sächsischen Grafen von Schwerin und Ratzeburg jede Störung der christlichen und deutschen Bildung abwehrte, - im Bisthum Schwerin dagegen das Christenthum nach manchen Rückfällen der Wenden erst später durchdrang und feste Wurzel faßte. Es mußte daher auffallend sein, daß sich im östlichen Meklenburg Kirchen fanden, welche auf eine sehr frühe Zeit

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zurückweisen: diese Kirchen haben jedoch eine andere Beschaffenheit, als die westlichen, indem sie aus Feldsteinen oder Granitgeschieben erbauet sind, und zwar in den bisher bekannt gewordenen Beispielen ohne jede Beimischung von Ziegeln, ja sogar mit Gewölben aus rohen, unbehauenen Feldsteinen, wie zu Dambeck und Gr. Wokern. Es konnte die Bemerkung nicht entgehen, daß diese Kirchen in andern Bisthümern lagen: die Kirchen zu Gr. Wokern und Papenhagen im Bisthume Camin, die Kirche zu Dambeck im Bisthume Havelberg.

Die Entdeckung mehrerer merkwürdiger Kirchen gleicher Bauart 1 ) in den nordöstlichen Gegenden Meklenburgs und in dem benachbarten Festlande des Fürstenthums Rügen giebt nun den bisherigen Beobachtungen, wie es scheint, eine festere Grundlage und weitere Ausdehnung, und es kann sich aus diesen Entdeckungen, in Vergleichung mit den Berichten über die ältesten Begebenheiten in diesen Gegenden, vielleicht eine lebendigere Gestaltung unserer Landesgeschichte für die nordöstlichen Gegenden ergeben.

Die bedeutendste Entdeckung ist die Kirche zu Lübchin, eine Kirche im ausgebildeten romanischen Baustyle und so viel sich bis jetzt übersehen läßt, die älteste Kirche von der Burg Meklenburg (Lübow) bis Stralsund. Diese Erscheinung trifft mit den häufigen Eroberungs= und Bekehrungszügen der Dänen nach Wendenland zusammen, in denen Lübchin als ein hervorragender Ort genannt wird.

Sichere dänische Quellen, die Knytlinga=Saga und Saxo Grammaticus, geben sehr ausführliche und merkwürdige Berichte, welche bereits vielfach untersucht sind und für den gegenwärtigen Zweck keiner besondern Prüfung bedürfen. Im Allgemeinen lauten diese Berichte 2 ) folgendermaßen. Um Michaelis des J. 1184 unternahm der König Knud von Dänemark mit dem Erzbischofe Absalon einen Zug iu die Wendenländer. Er segelte zuerst nach Rügen und vereinigte sich hier


1) Ich verdanke die Entdeckung dieser Kirche und der umherliegenden im Folgenden beschriebenen Kirchen der freundlichen Beförderung des Herrn von Behr=Negendanck auf Semlow etc. . für den Verein.
2) Vgl. noch: "Die Züge der Dänen nach Wenden", von R. M. Petersen, in den Mémoires de la société royale des antiquaires du Nord, Copenhague, 1836 - 39, p. 112, und 1838 - 39, p. 314. - Waldemars und Knuts Heereszüge im Wendenlande, von L. Quandt, in den Baltischen Studien, Stettin, X, 2, 1844, S. 161. - Die Kriege Waldemar's und Knud's gegen Rügen und Pommern, aus der Knytlinga=Saga, von G. Rombst, in den Baltischen Studien, I, 1832, S. 83. - Fabricius, Urkunden des Fürstenthums Rügen, I, S. 52.
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mit 2000 Rügianern. Von dort zog er über Stralsund (Strela), wo die Schiffe liegen blieben, durch das Land Tribfees ("Tribusana provincia"), welches ihm untergeben war, nach Tribfees ("Tribudiz") und drang von hier durch daß Circipaner=Moor ("Circipenensium palus"), d. h. durch die weiten Moore des Trebel=Thales, bis zur Burg oder Stadt Lübchin ("urbs Lubechinka") und darnach weiter hinauf nach Tribiden 1 ) oder Tribedne, d. i. das Land Gnoyen gegen Güstrow hin, wo sein Heer sich zerstreuete, um zu verheeren und zu brennen. Der König wollte nach Demmin ziehen, gab jedoch dieses Vorhaben auf; auf diesem Ritt verbrannte er die "Kaufstadt" ("kaupstadr") oder ein großes Dorf ("villa") (Gnoyen?), wo große Vorräthe von Korn erbeutet wurden. Der König selbst lagerte bei Lubyna (Liepen ? 2 ) bei Sülz). Darauf sammelte sich das Heer wieder, blieb in der Gegend drei Tage liegen und nahm dann seinen Rückzug.

Ein Blick auf die Charte genügt, um einzusehen, daß alle diese Angaben ganz richtig sein müssen, da der Zug auf der gradesten Straße von Stralsund bis gegen Güstrow hin ging und alle Orte genau zutreffen. Es leidet keinen Zweifel, daß die Stadt Lubechinka, urbs Lubechinka, das jetzige Kirchdorf Lübchin ist.

Es findet sich bei dem Dorfe Lübchin nicht allein der Wall der alten wendischen Stadt Lübchin 3 ), sondern auch in dem Dorfe die älteste Kirche in der ganzen so eben beschriebenen Gegend. Die Kirche ist eine Granitfeldsteinkirche im vollständigen romanischen oder Rundbogenstyle, mit rundbogigen Pforten und Fenstern und mit einer halbkreisförmigen Altarnische, welche sich weit und breit an keiner Kirche mehr findet. Ich will grade nicht behaupten, daß die Kirche von den Dänen gegründet worden sei; aber ich glaube, daß sie unter nordischem Einflusse zu Stande gebracht, und daß die Cultur in diesen Gegenden in der ältesten Zeit von Osten her gekommen ist, da in den meisten Gegenden des östlichen Meklenburgs bis in das 13. Jahrhundert hinein große


1) Die Lage von Tribiden ist von mir bestimmt in den Jahrbüchern des Vereins für meklenb. Geschichte, XII, S. 24 - 31.
2) Auch Fabricius auf der Charte zu seinen Urkunden des Fürstenthums Rügen, I, verlegt Lubyna nach Liepen an der Reknitz, zwischen Tessin und Sülz, wo in der Nähe der "Liepener Klappe" noch alte, große Umwallungen sein sollen, so wie schräge gegenüber bei Kucksdorf.
3) Vgl. oben.
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Barbarei herrschte. Noch im J. 1248 ward den Fremden, namentlich den Dänen, im Gebiete des Klosters Eldena die Niederlassung versichert (vgl. Kosegarten Codex Pomer., I, p. 827), wie dies auch im Kloster Dargun der Fall war; noch heute heißt der Meerbusen bei Eldena die dänische Wik; und Kosegarten bemerkt a. a. O. S. 829 wohl richtig, daß der in der Nähe des Dorfes Wik bei Eldena gelegene Ort Lathebo, jetzt Ladebo, nordisch sei, von den schwedischen Wörtern lada = Scheure, und bo = Haus, wie noch heute z. B. ladugard = Scheurenhaus heißt. Um das J. 1290 werden dem Kloster unter andern auch die Dörfer: "Denschewic, Wendeschewic und Ladebu" versichert. Ich nehme keinen Anstand, den Bau der Kirche zu Lübchin noch in das Ende des 12. Jahrhunderts zu versetzen, so daß sie nicht lange nach dem Zuge des Dänenkönigs Knud vom J. 1184 in Angriff genommen sein muß. Noch im J. 1238 war Lübchin ein ansehnlicher Ort, als sich der Fürst Johann von Meklenburg dort aufhielt und am 1. März dem Kloster Dargun neue Freiheiten verlieh. Damals waren Theoderich Kapellan zu Lübchin und Barthold Vogt zu Lübchin, welche neben "allen Burgmännern" daselbst ("omnes castrenses ibidem") die Schenkung des Fürsten bezeugten (vgl. Lisch Meklb. Urk. I, p. 52 - 53). Die Insel Rügen ward schon im J. 1168 von den Dänen unterworfen und bekehrt und schon im J. 1193 ward die noch stehende, aus Ziegeln ("opere latericio") erbauete Marienkirche zu Bergen auf Rügen geweihet.

Diese Ansicht, daß in diesen östlichen Gegenden sich eine eigene Cultur entwickelt habe, welche von Osten her Beförderung erhielt, wird dadurch noch verstärkt, daß an der östlichen Seite des Circipaner Moors in Festland Rügen bei Marlow die Kirche zu Semlow ein ähnlicher Feldsteinbau ist und ungefähr in das Jahr 1200 fallen mag; etwas jünger, vielleicht um das J. 1210, ist die an Semlow grenzende Kirche zu Tribohm. Von der andern Seite ist die Feldsteinkirche zu Gr. Wokern bei Teterow der Kirche zu Lübchin im Bau gleich, steht aber der Kirche zu Semlow im Styl näher. Den ersten Uebergang zu dem neuern Styl scheint die Kirche zu Sanitz bei Tessin zu bilden.

Man sollte glauben, daß die Cultur in den nordöstlichen Gegenden Meklenburgs von dem Kloster Dargun 1 ),


1) Das Kloster Dargun stand in alter Zeit auch unter dänischem Einflusse, obgleich es von dem schweriner Beischofe Berno gestiftet (  ...  )
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welches im J. 1173 gestiftet ward, ausgegangen sei. Der Andrang der unaufhörlich aufstehenden Wenden und die Noth des Lebens war so groß, daß die Mönche sich nicht halten konnten, sondern das Kloster verlassen und in fremden Schutz flüchten mußten; es fand also eine völlige Auflösung des darguner Convents statt und an der Stelle des Klosters entstand eine "Räuberhöhle". Erst im J. 1209 wagten sich Mönche von Doberan wieder nach Dargun und erst im J. 1216 ward das Kloster förmlich wieder hergestellt und bald darauf der Ziegelbau ("opus latericium") begonnen, von welchem noch das in den neuesten Zeiten wieder entdeckte Schiff der Kirche übrig geblieben ist. Wahrscheinlich flüchteten die darguner Mönche nach dem Kloster Hilda 1 ) oder Eldena bei Greifswald. Dies mag daraus hervorgehen, daß das Kloster Dargun um das Jahr 1210 eine Pfannenstelle in der Saline zu Eldena (oder Greifswald) geschenkt erhielt 2 ). Es wäre von Wichtigkeit, die Ruinen der in Ziegeln gebauten Klosterkirche zn Eldena 3 ), welche im Kreuzschiffe noch viele alte roma=


(  ...  ) war. Daher machte auch das dänische Kloster Esrom Ansprüche auf die Paternität über das Kloster Dargun und erst im J. 1258 sprach das General=Capitel des Cistercienser=Ordens diese dem Kloster Doberan zu. Vgl. Lisch Mekl. Urk. I, S. 115. Daher erhielt auch das Kloster Dargun im J. 1174 die Freiheit, Deutsche und Dänen und Wenden nach deutscher oder dänischer Weise anzusetzen. Vgl. Lisch das., S. 10, 11, 24.
1) Dieselbe Freiheit erhielt auch im J. 1209 das Kloster Eldena; vgl. Fabricius a. a. O. II, S. 5. - Das Kloster ward zuerst von dänischen Mönchen bevölkert.
2) Vgl. Fabricius Urkunden des Fürstenthums Rügen II, S. 6, Nr. IX, und S. 3.
3) Kugler hat seiner pommerchen Kunstgeschichte, in den Baltischen Studien, VIII, 1, S. 38 flgd., und in den Kleinen Schriften zur Kunstgeschichte, I, S. 689 flgd., die Ruinen der Kirche zu Eldena im Allgemeinen richtig beurtheilt. Jedoch stellt er die "älteren Theile" der Kirche ohne Zweifel in eine zu junge Zeit, in die Zeit "um 1230". Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß in den älteren Theilen der Kirche "wesentlich abweichende Formen erscheinen", namentlich in den drei gleich starken Halbsäulen an den Pfeilern des Queerschiffes, und daß vielleicht alle Baustyle in den Ruinen vertreten sind; aber es ist auch wohl eben so sicher, daß die Bildung des Triumphbogens, der Pfeiler zwischen Chor und Langschiff rein romanisch ist. Ebenso springt für die Gurtbogen der Kreuzschiffe an denselben Pfeilern eine starke, schön geformte, hohe Halbsäule hervor, welche dasselbe Würfelkapitäl trägt, welches an derselben Stelle die romanische Marienkirche zu Bergen auf Rügen hat, und welches Kugler in den Kleinen Schriften a. a. O. S. 604 abgebildet hat. Diese beiden Kapitäler haben ohne Zweifel die Gurtbogen zwischen Chor und den Kreuzschiffen im Rundbogen getragen. Die Bildung dieser Pfeiler scheint mir der älteste und ehrwürdigste Theil der Kirche im Innern der= (  ...  )
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nische Elemente enthalten, mit dem Ziegelbau des Schiffes der Klosterkirche zu Dargun zu vergleichen, da es nicht unwahrscheinlich sein dürfte, daß Dargun Unterstützung von Eldena erhalten habe.

Die Beschreibung der im nordöstlichen Meklenburg und im westlichen Schwedisch=Pommern neu entdeckten Feldsteinkirchen romanischen Baustyls in chronologischer Ordnung möge den vorstehenden Zeilen zur Bestätigung dienen.

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Die Kirche zu Lübchin

ist ein alter Bau in romanischem Baustyl und ganz von Granitgeschiebe oder Feldsteinen ausgeführt, ohne Zuthat von gebrannten Ziegeln. Die Kirche besteht aus einem quadratischen Chor, einem etwas breiteren Schiffe und einem Thurmgebäude. Der quadratische Chor hat eine halbkreisförmige Apsis, eine für Meklenburg große Seltenheit, welche sich sonst im östlichen Meklenburg, östlich von den Kirchen zu Lübow und Vietlübbe, wohl nicht weiter finden dürfte, wenn nicht die Kirchenruine von Papenhagen zu Rambow bei Malchin noch ein halbkreisförmiges Fundament für die Apsis hat. Die Apsis hat drei, der Chor an der Südseite ein, das Schiff an jeder Seite vier Fenster. Alle Fenster sind mit schräger, glatter Laibung, ohne weitere Verzierungen, im Rundbogen gewölbt; der Kalkputz der Wölbungen ist zum Theil noch alt, gelblichweiß, glänzend und steinhart. Das südliche Fenster der Apsis ist in jüngern Zeiten erweitert und verunstaltet. An die Nordseite des Chores ist die Sakristei angebauet und daher ist diese Seite ohne Fenster. Die Pforte in den Chor und die Pforte vom Chor in die Sakristei sind rundbogig; eben so hat die Südseite des Schiffes eine rundbogige Pforte.


1) Ich verdanke die Entdeckung dieser wichtigen Kirche der freundlichen Beförderung des Herrn von Behr=Negendanck auf Semlow im Interesse des Vereines.     G. C. F. Lisch.


(  ...  ) selben zu sein und in die ersten Jahre des 13. Jahrhunderts zu fallen, also vielleicht im Vierteljahrhundert älter zu sein, als Kugler annimmt. Dazu stimmt auch der Rundbogenfries der östlichen Wand und des südlichen Giebels des noch stehenden südlichen Flügels des Queerschiffes. Die Wände des Queerschiffes sowohl, als die Halbsäulen des Triumphbogens, die ältesten Theile der Kirche, haben für den romanischen Baustyl eine ungewöhnlich bedeutende Höhe und reden für eine große Erhabenheit des Baues. Ein an dem nördlichen Pfeiler des Triumphbogens eingemauertes, mit Laubwerk geschmücktes Kapitäl aus Kalkstein ist auch noch romanisch.
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Alle Pforten sind einfach und ohne Verzierungen. Der Chor allein ist gewölbt und hat ein altes romanisches Gewölbe ohne Rippen, so daß die Gewölbekappen nur in einer Nath zusammenstoßen; die vier Gewölbenäthe des Chores laufen von den vier Ecken in den Scheitel zusammen; vom Scheitel laufen zwei Näthe in die Apsis zwischen die drei Apsisfenster hinab: die Gewölbe in der Apsis sind jedoch etwas unfertig angesetzt, als wenn in neuerer Zeit nachgeholfen wäre. Das Schiff hat eine Balkendecke.

Der Bau der alten Kirche hat alle Elemente des romanischen Baustyls vollständig. Die Kirche zu Lübchin ist also der gegenüber liegenden Kirche zu Semlow sehr ähnlich, nur daß dieser die halbkreisförmige Apsis fehlt und eine grade Altarwand gegeben ist. Ich möchte daher die Kirche zu Lübchin noch in das 12. Jahrhundert setzen. Im J. 1238 wird "Theoderich Kapellan zu Lübchin" (vgl. Lisch Mekl. Urk. I, p. 52) genannt; jedoch ist es möglich, daß dieser Kapellan der Burgkapelle war, indem sich der Fürst Johann von Meklenburg noch auf der Burg aufhielt und ein Burgvogt und Burgmänner auf derselben wohnten.

Der Thurm ist freilich alt, jedoch etwas jünger als die Kirche und schlechter gebauet; er hat schon einen behauenen, gegliederten Sockel. Er ist auch ganz von Feldsteinen gebauet, unten viereckig, oben achteckig, was schon an vorpommersche Kirchenbauten erinnert. Wenn unten im Thurm auch ein Fenster und eine Treppenöffnung in der Mauer und eben so die Schallöffnungen oben im Achteck des Thurmes noch rund sind, so ist doch die Hauptpforte in den Thurm und der Bogen vom Thurmgebäude ins Schiff schon spitzbogig gewölbt.

Eben so ist auch der Triumphbogen, der Gurtbogen zwischen Chor und Schiff, schon spitzbogig gewölbt. Dies ist aber auch der einzige Anklang aus einer jüngeren Zeit in der eigentlichen Kirche. Es findet sich aber oft, daß grade der Triumphbogen in romanischen Kirchen spitz gewölbt ist, vielleicht in jüngeren Zeiten.

Die Thurmhalle ist gewölbt gewesen; die Gewölbe haben sehr dünne Rippen von quadratischem Durchschnitt gehabt; jedoch sind die Gewölbeansätze an den Ringmauern noch rund. Dies alles zeugt für einen jüngern Bau des Thurmes. Der Thurm ist dem Thurme der Kirche zu Sanitz ähnlich.

Sonst ist die Kirche im Innern ganz restaurirt und nüchtern.

Auf dem Kirchhofe neben der Kirche steht ein alter, sehr

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schöner, romanischer Taufstein, welcher in neuern Zeiten in drei Stücken zusammengestellt ist; an der Schale ist jedoch schon viel ausgesprungen. Außerdem liegt auf dem Kirchhofe noch ein behauener Stein, der auch zu einem Taufstein gehört zu haben scheint.

Die mittlere Glocke hat folgende Inschrift in gothischer Minuskel:

Inschrift

An der Stelle der Punkte stehen Münzenabdrücke.

Die kleinste Glocke, welche sehr dunkel hängt, stammt aus derselben Zeit; sie hat die Umschrift, ohne Jahreszahl:

Umschrift

Vor dem Altare liegt ein Leichenstein mit dem Wappen der Behr rechts und dem Wappen der von Blankenburg links und folgender Inschrift in lateinischen Unzialen:

DIESEN STEIN VND BEGRÄBNIS HAT FRAW CATARINA VON BLANCKENBVR GEN, SEHL. HERRN CAMER IVNCKER VND DES RIBNITZER KLOSTERS PROVI SORIS HEINO BEHREN, SEHL. HERRN GEORG CHRISTOFF BEHREN SOHNS, NACHGELASSENE FRAW WITBE, VOR SICH VND IHREN SEHL. EHEHERREN VND IHRE KINDER VND ERBEN AUFF RICHTEN VND IHN DEN 15 MARTII ANNO 1695 DARIN SENGKEN LASSEN SEINES ALTERS 61 JAHR 6 MONAHT 22 TAGE.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Papenhagen

oder Domherrenhagen auf dem Felde von Rambow bei Malchin vgl. in Jahrbüchern XXI, S. 264 und 267.

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Die Kirche zu Dambeck

bei Röbel vgl. in Jahrbüchern XV, S. 283, und XXI, S. 264 und 266.

Die Kirche zu Gr. Wokern

bei Teterow vgl. in Jahrbüchern XXI, S. 264 flgd.

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Die Kirche zu Semlow
in Neu=Vorpommern.

Die Kirche zu Semlow, im Festlande Rügen oder Schwedisch=Pommern, an der Reknitz, Marlow gegenüber, ist freilich keine meklenburgische Kirche, hat aber für die Kunstgeschichte Meklenburgs einen hohen Werth, weil sie zu einer bestimmten Gruppe eigenthümlicher alter Bauten zu gehören scheint und Meklenburg sehr nahe steht.

Die Kirche besteht aus einem quadratischen Chore, einem oblongen Schiffe nnd einem ziemlich hohen Thurmgebäude. Alle diese Theile sind sehr tüchtig aus Granitgeschiebe oder Feldsteinen erbauet. Die Thür= und Fensteröffnungen sind mit großen rothen Ziegeln überwölbt. Der Chor hat eine grade Ostwand. Er hat in jeder Wand zwei gekuppelte Fenster; der Pfeiler zwischen je zwei Fenstern ist ebenfalls aus Ziegeln ausgeführt. Das Schiff hat an jeder Seite drei einfache, hoch liegende, niedrige Fenster. Die Kirche hat also im Ganzen zwölf Fenster. Alle Fenster sind gleich construirt, ohne Gliederungen, mit glatter Laibung schräge eingehend, in den Laibungen mit Kalk geputzt, alle mit einem halbkreisförmigen Bogen aus rothen Ziegeln überwölbt.

Die in der Südwand des Schiffes befindliche, jetzt zugemauerte Pforte ist ebenfalls im Rundbogen mit Ziegeln überwölbt. Die beiden andern Pforten in der Nordwand des Chores und des Schiffes sind mehr als wahrscheinlich eben so construirt gewesen; sie sind jetzt aber nicht zu erkennen, da vor etwa 15 Jahren bei der Restauration der Kirche sehr schlecht construirte spitzbogige Portale vorgebauet sind, welche hoffentlich in nächster Zeit wieder verschwinden werden.

Der Chor ist gewölbt. Das Gewölbe und die Gewölbeansätze sind rundbogig. Die Gewölbe haben noch keine Rippen, sondern die Kappen stoßen in seinen Näthen zusammen.

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Das Schiff ist nicht gewölbt, auch nicht zum Ueberwölben bestimmt gewesen, sondern mit einer Balkendecke bedeckt, welche in neuern Zeiten erneuert worden ist.

Im Uebrigen ist die Kirche im Aeußern einfach und schmucklos, ohne Friese und Lisenen; der einzige Schmuck des tüchtigen Baues besteht in den rothen Ueberwölbungen der Thür= und Fensteröffnungen.

Wir haben hier also eine vollständig durchgeführte romanische Kirche, welche zwar nicht sehr alt ist, da sie statt der halbkreisförmigen Altarnische schon eine gerade Altarwand und statt der gewöhnlichen drei Fenster in der Altarwand nur zwei hat, aber doch sicher noch innerhalb der romanischen Bau=Periode liegt.

Die einzige Abweichung von diesem Style liegt darin, daß der Triumphbogen zwischen Chor und Schiff einen alten Spitzbogen zeigt. Es ist aber sehr häufig, daß der Triumphbogen, vielleicht in jüngern Zeiten, spitz gewölbt ist, während die Bautheile umher rundbogig sind (vgl. oben S. 316).

Der ganz aus Feldsteinen erbauete Thurm hat in den obern Theilen ebenfalls noch Elemente des romanischen Styles.

Ich trage daher kein Bedenken, die Kirche zu Semlow ungefähr in das Jahr 1200 zu versetzen; sie ist die älteste Kirche des Festlandes Rügen, so weit der Sprengel des Bischofs von Schwerin über die Reknitz hinausreichte, wenn man nach dem urtheilen soll, was über die Kirchen dieses Landestheiles bis jetzt aus gedruckten Schriften oder durch mündliche Mittheilungen bekannt geworden ist.

Der Ort Semlow muß auch in früherer Zeit eine gewisse Bedeutung gehabt haben, da Johann von Semlow als der älteste Rathsherr der Stadt Stralsund schon im J. 1256 bekannt ist, und die Rathsfamilie Semlow in Stralsund eine alte angesehene Familie war, von welcher eine Hauptstraße vom Markte und ein Strandthor den Namen Semlower Straße und Semlower Thor führen.

An alten Denkmälern besitzt die Kirche zu Semlow nur noch eine Glocke mit der Inschrift:

Inschrift

Es steht durch Versehen wirklich vnbe auf der Glocke, statt vnde .

Dagegen ist die Kirche reich an Epitaphien auf die Familie von Behr mit dazu gehörenden Statuen, Leichen=

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steinen, Ahnentafeln, auf Glas gemalten Wappen u. s. w. aus dem 17. und 18. Jahrh.

Ein aus Ziegeln gemauertes Thor zum Kirchhofe aus dem 15. Jahrh, ist bemerkenswerth.

G. C. F. Lisch     

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Die Kirche zu Tribohm.

Eine halbe Stunde nördlich von Semlow, an der Straße von Tribsees über Semlow nach Damgarten, liegt Tribohm. Diese Kirche hat dieselbe Anlage, wie die Kirche zu Semlow, ist aber jünger. Sie besteht aus einem viereckigen Chor und einem etwas breitern Schiffe; das Schiff hat an jeder Seite drei, der Chor an jeder Seite zwei Fenster; sie unterscheidet sich von der semlower Kirche nur dadurch, daß in der Altarwand zwischen den beiden Fenstern ein kleines rundes oder Rosen=Fenster angebracht ist, welches jedoch kein altes Stabwerk hat. Die beiden Fenster in der südlichen Chorwand sind im 15. Jahrh. in Ziegelbau zu Einem größern Fenster umgebauet. Die Kirche hat eben so viele Pforten, wie die semlower, und an denselben Stellen: in den nördlichen Wänden eine im Chore und eine im Schiffe, in der südlichen Wand eine im Schiffe, welche jetzt zugemauert ist. Die Kirche ist ganz aus Feldsteinen erbauet, ohne Verzierungen; die schmalen, mit glatter Laibung schräge eingehenden Fenster sind im Rundbogen mit Feldsteinen überwölbt. Die Pforten sind jedoch alle schon spitzbogig, die Chorpforte mit Feldsteinen, die Schiffpforten mit Ziegeln überwölbt. Eben so ist der Triumphbogen im Innern in einem schweren Spitzbogen aufgeführt. Gewölbe fehlen ganz. Der Thurm ist von Holz. Von alterthümlichen Geräthen ist nichts mehr vorhanden. Diese Kirche hat also vom romanischen Baustyl nichts weiter als die Fenster. Die spitzbogigen Pforten weisen jedoch schon auf eine jüngere Zeit hin.

Kugler in seiner pommerschen Kunstgeschichte, in den Baltischen Studien VIII, 1, S. 37 und 46, und in den kleinen Schriften, I, S. 689 und 695, hat diese Kirche richtig beschrieben und wohl richtig um das Jahr 1210 gesetzt. Er führt sie dem Alter nach als die sechste Kirche Pommerns auf. Wir haben aber nachgewiesen, daß die Kirche zu Semlow ohne Zweifel älter ist, da diese in Fenstern, Pforten, Gewölbe und Thurm alte Elemente des Rundbogenstyls und nur den Triumphbogen spitzbogig hat. Wie es scheint, ist die

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Kirche zu Semlow das Vorbild der Kirche zu Tribohm; - Kugler sagt freilich, daß "es leicht möglich sei, daß noch mehrere Dorfkirchen dieser Art vorhanden" seien, es befremdet jedoch, daß er die Kirche zu Semlow nicht bemerkt hat, da sie mit der tribohmer an derfelben Landstraße liegt.

G. C. F. Lisch.     

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Die vorpommerschen Landkirchen zwischen Tribsees und Damgarten.

Die Kirche zu Semlow gehört ganz dem romanischen Baustyle an.

Die Kirche zu Tribohm hat noch Anklänge an den romanischen Baustyl, liegt jedoch schon in den ersten Anfängen des Uebergangsstyls.

Um die Ueberzeugung zu gewinnen, ob in der Nähe dieser Kirchen nicht noch mehr Kirchen romanischen Baustyls zu finden seien, habe ich mehrere der zunächst gelegenen Kirchen untersucht und theile hier die Ergebnisse meiner Forschungen kurz mit. Das Resultat dürfte sein, daß sich im westlichen Theile von Festland Rügen nichts weiter vom romanischen Style findet, daß sich jedoch in dieser Gegend alle Baustyle vertreten finden.

Die Kirche zu Eixen, in alten Zeiten ein Gut des Bischofs von Schwerin, ist durchweg im ausgebildeten Uebergangsstyle, wahrscheinlich im zweiten Viertheile des 13. Jahrhunderts, gebauet: Sie bildet nur ein Oblongum von hohen Verhältnissen und ist in den Wänden von Feldsteinen, in den Fenstern und Pforten von Ziegeln ausgeführt. Der Chorgiebel aus Ziegeln ist reich mit rundbogigen Nischen geschmückt.

Die Kirche zu Starkow im ausgebildeten Spitzbogenstyle, Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gebauet, ist eine ungewöhnlich große, hohe und schöne Kirche im Ziegelbau von ganz ausgezeichneter Ausführung und vielleicht eine der schönsten Dorfkirchen Pommerns. Der Chorschluß ist dreiseitig, das Schiff ist auf zwei niedrige Seitenschiffe angelegt, welche in den neuesten Zeiten vermauert sind. Die Fenster find hoch und groß, die Strebepfeiler vortrefflich. Die allerneueste, wenn auch tüchtige Restauration hat der Kirche manches Alte genommen und manches Neue gegeben. Die Farben des Anstriches in vielen Kirchen Neuvorpommems, rosa und grün, können nicht ansprechen.

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Die Kirche zu Drechow, ein Oblongum von Feldsteinen mit Ziegeleinfassungen in Thüren und Fenstern und mit Stabwerk von Ziegeln in den Fenstern, ist ein unbedeutendes Bauwerk aus dem 15. Jahrhundert.

Die Kirche zu Schlemmin ist ebenfalls ein unbedeutendes Bauwerk ungefähr aus derfelben Zeit.

Die Kirche zu Deigelsdorf (früher Düvelstorf) ist ein ziemlich gutes, aus Feldsteinen und Ziegeln vermischt ausgeführtes Bauwerk der Renaissancezeit und im Jahre 1606 vollendet, ungefähr eben so eingerichtet, wie die neuencampensche Klosterkirche zu Franzburg ausgebauet ist. Diese Kirche besitzt jedoch einen großen Schatz in dem aus dem Ende des 14. Jahrhunderts stammenden, ungewöhnlich großen und schönen, reich mit vergoldeten und bemalten geschnitzten Figuren geschmückten Flügelaltar, welcher aus der Kirche zu Dorow hierher versetzt sein soll.

Daß die ehrwürdige Kirche des Klosters Neuen=Camp, jetzt Franzburg, bis auf wenige Leichensteine und ein Epitaphium alles Alterthümliche und Charakteristische, sogar die Fenstereinfassungen, verloren hat und im Innern gänzlich modernisirt ist, daß das Kloster völlig rasirt ist und das noch Stehende einer Ruine gleich sieht, ist allerdings sehr zu beklagen.

Die Spitzbogenkirche des berühmten Ortes Kenz hat noch manchen alten Schatz, namentlich ausgezeichnete alte gemalte Fenster.

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Die Kirche zu Sanitz,

zwischen Rostock und Stettin, ist eine sehr gut gebauete Kirche 1 ), welche noch bedeutende Ueberreste des romanischen Baustyls enthält. Die Kirche ist von Granitgeschiebe oder Feldsteinen, mit behauenen Ecken, ausgeführt; die Fenster und Pforten sind mit Ziegeln gewölbt. Die Kirche besteht aus einem quadratischen Chore und einem etwas breitern Schiffe von zwei Gewölben Länge; alle Räume sind gewölbt. Der Chor hat an jeder Seite drei, das östliche Gewölbe des Schiffes zwei, das westliche Gewölbe, in der Thurmanlage, ein Fenster; die nördlichen Chorfenster sind durch die Sakristei zugebauet. Die


1) Ich verdanke die Entdeckung dieser Kirche der freundlichen Beförderung des Herrn Behr=Negendanck auf Semlow im Interesse des Vereins.      G. C. F. Lisch.
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hohen Fenster, welche in glatter, einfacher Laibung ohne Rundstäbe schräge eingehen, sind im Chore im Rundbogen überwölbt; die Fenster des Schiffes sind im Uebergangsstyle construirt. Alle Gewölbekappen sind im reinen Rundbogen an die Wände gesetzt. Der Triumphbogen ist im Uebergangsstyle gewölbt. Die Gewölbe sind ebenfalls im Uebergangsstyl aufgeführt und haben Rippen von quadratischem Durchschnitte, welche, in einem großen, runden Schlußsteine zusammentreffen. Das Gewölbe des Chores und das östliche Gewölbe des Schiffes hat acht, das westliche Gewölbe des Schiffes hat vier Rippen. Die vier mit den Seitenwänden parallel laufenden Hauptrippen des Chores haben, wie die Rippen des Schiffes, einen quadratischen Durchschnitt; die vier diagonalen rechtwinkligen Rippen des Chores sind aber mit einem ganz runden Wulste belegt. Eine kleine Pforte in den Chor ist im Uebergangsstyle gewölbt und hat einen alten eisernen Thürbeschlag, dessen Bänder an den Seiten Flügel im Halbkreise haben, welche in Vogelköpfe auslaufen. Der Chorgiebel ist bis gegen die Spitze von Feldsteinen und nur in der Spitze von Ziegeln, mit einem kleinen vertieften Kreuze verziert. Der östliche Schiffgiebel ist von Ziegeln und mit zugespitzten Nischen verziert, wie der darunter stehende Triumphbogen construirt ist. Die Thurmpforte ist in neuern Zeiten gewölbt. Der Thurm ist übrigens dem Thurme der Kirche zu Lübchin (vgl. oben) sehr ähnlich.

Von alterthümlichen Geräthen hat die Kirche nur wenig. An der Nordwand des Chores neben dem Altare ist ein gut gearbeitetes Tabernakel in der Gestalt eines kleinen Schreines mit einem Baldachine befestigt, dem Anscheine nach aus dem Ende des 14. oder dem Anfange des 15. Jahrhunderts. Auf dem Kirchenboden liegt das Crucifix von dem Triumphbogen, mit den Evangelisten=Symbolen an den Enden, von guter Arbeit, ungefähr aus derselben Zeit, wie das Tabernakel. In der Kirche steht ein jetzt nach Wehnendorf gehörender alter Kirchenstuhl, neben dem Stuhle für Reppelin, mit hübscher Schnitzerei und zwei geschnitzten schönen Wappen verziert, unter denen Inschriften stehen, in der Ansicht:

Wappen Wappen
der der
Behr. Preen.
CATRINA . BEREN. HINRICK . PREEN.
1592. GNADE . EM . GOT.
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Die Frau hat also als Wittwe den Stuhl machen lassen. Das behrsche Wappen hat auf Schild und Helm einen links gekehrten Bären mit Halsband.

Südlich neben dem Altare steht ein mit Wappen verziertes Chor. An der vordern Brüstung ist in der Mitte ein kleines Gemälde, auf welchem vor einem Crucifixe zur Rechten ein Ritter mit zwei Söhnen; zur Linken eine Frau mit zwei Töchtern kniet. In der Ansicht links davon sind die Wappen der

v. Koppelow.     v. Plessen.     v. Behr

rechts davon die Wappen der

v. Vieregge.     v. Koppelow.     v. Behr.

an der Seitenbrüstung stehen die Wappen der

v. Koppelow.     v. d. Lühe.

Die Wappen folgen in der Ansicht von der linken zur rechten in der hier aufgeführten Reihenfolge.

Im Mittelgange des Schiffes liegt ein Leichenstein mit dem Wappen der v. Koppelow ohne alle Inschrift.

Vor dem Altare liegt ein halber Leichenstein mit den Resten der Inschrift:

— — — EHRENVESTER D IETRICH B EVERNEST FURSTLICHER MEKELBURGISCHER — — — ZUR ERDEN BESTETIGET WORDEN SEINES ALTERS IM 63 IHAR.

In den noch vorhandenen zwei Ecken stehen die Wappen der von der Lühe und der vom Sehe. Dies ist ohne Zweifel der Leichenstein des Landraths Dietrich Bevernest auf Lüsewitz, welcher 1589 + 1608 Landrath war, da Lüsewitz in Sanitz eingepfarrt ist.

G. C. F. Lisch.     


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Die Kirche zu Marlow

ist für die Kunst= und Landesgeschichte ein sehr merkwürdiger Bau 1 ), welcher noch dem Rundbogen= oder romanischen Baustyle zugezählt werden muß. Die Kirche ist ganz aus


1) Ich verdanke die Entdeckung dieser Kirche der freundlichen Beförderung des Herrn von Behr=Negendanck auf Semlow im Interesse des Vereins.     G. C. F. Lisch.
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Ziegeln gebauet und besteht jetzt aus einem quadratischen Chore mit grader Altarwand und einem etwas breitern Schiffe von zwei Gewölben Länge. Daran schließt sich ein Thurmgebäude aus etwas jüngerer Zeit. Der Chor hat an jeder Seitenwand drei Fenster, das Schiff unter jedem Gewölbe an jeder Seite je zwei Fenster, welche alle mit glatter Laibung schräge eingehen. An den Ecken der beiden Haupttheile der Kirche stehen Lisenen und um die ganze Kirche läuft ein Rundbogenfries von einfachen Halbkreisbogen. Wenn auch die Kirche in ihrer jetzigen Gestalt noch am Ende des romanischen Baustyls vollendet ist, so hat doch das Schiff noch Elemente eines älteren Baues. Das Schiff ist nämlich auf ein höheres Seitenschiff und zwei niedrigere Seitenschiffe angelegt. Die Gurtbogen zwischen dem Mittelschiffe und den Seitenschiffen sind im reinen Rundbogen gewölbt und ruhen auf viereckigen Pfeilern mit einfachen Deckplatten; diese Pfeiler und Gurtbogen sind sehr niedrig. Dieser beabsichtigte Bau ist jedoch nicht zur Ausführung gekommen, sondern die Bogen vom Mittelschiffe zu den beabsichtigten Seitenschiffen sind nach der Vollendung des Mittelschiffes interimistisch zugemauert, wie man an der Außenseite der Seitenwände der jetzigen Kirche klar sehen kann. Die Kirche gleicht daher in der Anlage und Gestalt ganz der Kirche zu Neuburg (vgl. Jahrbücher XVIII, S. 287). Die nördlichen Fenster des Schiffes sind noch im Rundbogen gewölbt; dagegen erscheinen die Fenster in der südlichen Seitenwand schon etwas zugespitzt, vielleicht aus einer jüngern Bauperiode oder einer Restauration. Die Chorfenster sind dagegen, wenn auch wie die Schifffenster construirt, doch schon im Uebergangsstyle leise gespitzt.

Es scheint daher, daß in den untern Theilen des Schiffes ein alter romanischer Bau einer dreischiffigen Kirche steckt, die ganze Kirche aber in den ersten Zeiten des Uebergangsstyls in ihrer jetzigen Gestalt hergestellt ward, wobet aber die Seitenschiffe nicht erneuert wurden, vielleicht weil sie für die neue Kirche zu niedrig angelegt waren.

Den Beweis für einen etwas jüngern Ausbau und Umbau der Kirche liefert auch das Innere derselben. Die Hauptgurtbogen, die Gewölbeansätze und die Gewölbe sind alle im gespitzten Bogen des Uebergangsstyles construirt. Die hohen Gurtbogen sind in den edelsten Verhältnissen des Uebergangsstyles aufgeführt und machen einen wohlthuenden Eindruck, wie man ihn sehr selten wahrnimmt. Die Gewölbe haben einen kreisförmigen Schluß, und die Gewölberippen

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haben einen quadratischen Durchschnitt. Der Chor hat acht Gewölberippen; das östliche Gewölbe des Schiffes hat fünf Rippen, indem sich in der Mittellinie der Kirche durch die westliche Kappe die fünfte Rippe legt; das westliche Gewölbe hat vier Rippen. Das achtrippige Gewölbe des Chores hat eine Verzierung, welche ich sonst nirgends bemerkt habe: um den kreisförmigen Gewölbeschluß stehen nämlich in zwei concentrischen Kreisen viereckige Ziegel in angemessenen Entfernungen von einander aus dem Gewölbe hervor, gleichsam frei stehende, von den Gewölben hangende, kleine kubische Zahnschnitte, welche das Gewölbe nicht unschön beleben.

Das Thurmgebäude ist ein jüngerer Bau.

Westlich nahe bei der Kirche steht an der Stadt der alte Burgwall, welcher eine bedeutende Höhe und Ausdehnung hat. Er hängt nach der Seite der Kirche hin mit dem festen Lande zusammen, ist aber an den übrigen Seiten jetzt von schmalen Wiesen und Niederungen umgeben, welche an der längeren Seite noch jetzt von Wald begrenzt werden. Die Lage und Anlage hat daher sehr viel Aehnlichkeit mit dem Burgwalle und der Kirche von Gadebusch, von wo auch Marlow gegründet sein mag. Ohne Zweifel ist dieser Burgwall eine wendische Anlage, welche in der christlichen Zeit benutzt ward.

Die Geschichte von Marlow giebt vielleicht genügende Aufklärung über den Bau der Kirche. Schon im J. 1179 verlieh der Fürst Borwin von Meklenburg dem Heinrich von Bützow die Hälfte der Burg Marlow mit 9 dazu gelegenen Dörfern, um die Gegend von Marlow zu cultiviren. Aus der Geschichte der Dänenzüge in die Wendenländer läßt sich aber schließen, daß es damals mit der Cultivirung in diesen Gegenden sehr schwer hielt; sie wird also wohl einstweilen unterblieben sein. Im J. 1210 wiederholte der Fürst diese Belehnung, welche er erst im J. 1215 besiegelte. Um diese Zeit wird denn auch wohl die Kirche vollendet sein, wozu auch der Styl genau stimmt. Da Heinrich von Bützow ein Bruder des Herrn Thetlev von Gadebusch war, so läßt sich vermuthen, daß der Bau der Ziegelkirche von Baumeistern aus dem westlichen Meklenburg ausgeführt ward, während die übrigen alten Kirchen im nordöstlichen Meklenburg Feldsteinkirchen sind. Ueber die älteste Geschichte von Marlow vgl. Jahrb. XIV, S. 88 - 94 und 289 flgd.

G. C. F. Lisch.     

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Die Kirche von Thelkow

ist ein einfacher Bau von Feldsteinen mit Ziegeleinfassungen der Wölbungen im Uebergangsstyl. Sie hat einen quadratischen Chor und ein etwas breiteres Schiff von zwei Gewölben Länge. Die grade Altarwand hat drei, die übrigen Wände haben je zwei Fenster an jeder Seite unter jedem Gewölbe. Die Kirche ist gewölbt. Das Chorgewölbe ist besonders verziert. Am Gewölbeschluß sitzt ein runder Gewölbeschild mit einem Agnus Dei in Relief; jede Rippe ist mit zwei kleinen Scheiben mit einem Stern in Relief geschmückt, ähnlich wie die Kirche zu Mestlin (vgl. Jahrb. XXI, S. 276). Das westliche Schiffgewölbe ist eingestürzt. Im Thurmgebäude steht ein großer Taufstein aus Kalkstein mit romanischen Verzierungen, ganz wie der lübchiner (vgl. oben). Die Gewölberippen sind früher blau, roth und gelb bemalt gewesen. Der geschnitzte Altar ist in neuern Zeiten mit Oelfarbe überstrichen.

G. C. F. Lisch.     

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Die Kirche zu Basse

ist eine sehr gut gebauete Kirche. Der quadratische, gewölbte Chor ist im alten Spitzbogenstyle aus dem Ende des 13. Jahrh. oder etwas später aus Feldsteinen erbauet; das Gewölbe hat acht Rippen von quadtatischem Durchschnitt. Das von Ziegeln erbauete Schiff ist etwas jünger, jedoch noch alt. Es ist dreischiffig und auf Wölbung angelegt; die Pfeiler sind achtseitig und gut construirt. Gegenwärtig hat das Schiff aber nur eine Balkendecke.

Die Kirche hat mehrere geschichtliche Denkmäler.

Unmittelbar vor dem Altare liegt ein großer Leichenstein, 8 1/2 Fuß lang und 4 3/4 Fuß breit: in der Mitte steht ein großes Wappen der Familie von Bassewitz, der Schild mit vertieften Grunde, der Helm in Umrissen, in den Ecken die Symbole der vier Evangelisten. Die Inschrift in gothischer Minuskel lautet:

Inschrift
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(= Anno domini MCCCXCI (1391), feria II post octavas corporis christi (Junii 5), obiit Gherardus Basseuisse. Orate pro eo. Truda vxor sua, filia domini Hinrick Smekers militis.

Hinter diesem Leichensteine liegt ein zweiter großer Leichenstein, 7 Fuß lang und 5 1/2 Fuß breit. In der Mitte sind die lebensgroßen Bilder eines Ritters und einer Frau in hohem Relief. In den vier Ecken stehen folgende Ahnenwappen mit den darüber stehenden Buchstaben, so viel davon noch zu lesen ist:

. . . . B. A. V . . .
(v. Bassewitz.) (v. Quitzow.)
. . . . . . . . . . . .
(Hahn.) (v. Overn.)

Das Wappen der v. Quitzow hat im queer getheilten Schilde oben und unten einen Stern, das Wappen der v. Overn im Schilde zwei Rauten neben einander, wie auf dem Epitaphium auf Victor Bassewitz. Die Inschrift lautet in fracturartiger, gothischer Minuskel:

Inschrift

(Im yar MCCCCCLXXII (1572) den II Marzi starf de edle und ernveste Lutke Bassevitze, dem got gnedich. De edle und vil dogetsame Anna von Quitzowen.)

Vom Altare aus gesehen rechts oder nördlich von diesem Leichensteine liegt ein dritter bassewitzscher Leichenstein, welcher nur das Wappen der Bassewitz trägt, aber keine Inschrift, also ohne Zweifel eine jüngere bassewitzsche Familiengruft bedeckt.

Vom Altare aus gesehen links oder südlich von dem zweiten bassewitzschen Leichensteine liegt ein behauenes und neu benutztes Stück von einem sehr großen Leichensteine, 7 Fuß breit und nur 2 Fuß lang. Dieser Stein hat nur zwei kleine, eingeritzte

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Wappen
der Moltke           und            der Maltzan

und folgende Inschrift in gothischer Minuskel in zwei Zeilen:

Inschrift

(Anno MVCIII (1503), feria quarta post trium regum (Jan. 11), obiit Beate Molsaen (Moltzan), uxor Lutke Molte (Moltke).

Im Schiffe im Mittelgange liegt ein Leichenstein mit dem behrschen Wappen in einem Kranze und darüber mit der Inschrift in lateinischen Unzialen:

DIESEN . STEIN . VND . BEGRÄBNIS .
GEHORET . DENEN .
BEHREN . VON . NVSTEROW .
VND . DERO . ERBEN .
ANNO . 1698 .

An der Nordwand des Chores ist ein großes, reiches Epitaphium aus Sandstein auf Victor oder Vicke Bassewitz 1592, mit 16 Ahnenwappen.

In den Fenstern des nördlichen Seitenschiffes sind noch Reste guter Glasmalerei aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Das östliche Fenster am Ende des Schiffes, 4 Luchten hoch, hat noch drei Gemälde: oben die Jungfrau Maria, sehr schadhaft; darunter der Apostel Jacobus mit Stab und Buch; die dritte Lucht ist leer; unten ein gut gemaltes Wappen: ein rechtsgelehnter goldener Schild mit drei rothen Deckelbechern, darüber ein Helm mit zwei Pfauenfedern. Dies ist nach der Zeichnung das Wappen der von Dewitz, obgleich jetzt die Farben umgekehrt sind, auch der Helmschmuck abweicht. In einem andern Fenster sind noch Reste von Ornamenten.

Von Interesse sind einige geschnitzte Kirchenstühle aus Eichenholz aus dem 16. Jahrhundert.

An der südlichen Chorthür vor dem Altare im Anfange der Stuhlreihe im Mittelgange steht ein Kirchenstuhl von drei Reihen Sitzen, an jeder Seite mit vier Seitenstücken, an denen am Mittelgange die drei Thüren hangen. Diese Seiten=

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stücke haben Köpfe und an den vom Mittelgange sichtbaren Seiten auf denselben erhaben geschnitzte Wappen und Namen. Auf den Köpfen an der Wand stehen folgende Wappen und Namen:

an dem vordersten Stuhle auf einem breitern Seitenstücke:

1.
HEI   :   BER
GNADE   EM   GODT
ANNA               DOROTEA                ALHEIDT
BATSEWIZEN .          HANE               MOLDT
GNADE ER GODT .                     GNAD ER GODT .
ANNO 1567.

an den andern drei Köpfen an der Wand:

2.
JOCHIM BER
3.
ANNE WELTZIN
4.
DAVIT BER
GNAD EM GODT.

Auf den vier Köpfen am Mittelgange stehen folgende Wappen und Namen:

1.
GERDT BER .
2.
ILSE LEWETSO .
3.
ADAM BER .
4.
ILSE KRAKEVITZE

Alle diese Wappen, welche man vom Mittelgange aus sieht, sind erhaben geschnitzt.

Außerdem sind noch folgende Wappen angebracht, welche vertieft geschnitzt sind.

An der innern Seite des vordersten Seitenstückes, auf welchem an der äußern Seite der Name Gerdt Ber steht, steht unter dem Wappen der Name

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IASPER Ber.
(richtiger Casper Ber).

Auf der Brüstung des vordersten Stuhles stehen folgende vier vertiefte Wappen und Namen:

KATRINE ANNE MARGRETE ANGNES
BER BER BER BER

Auf den Thüren stehen Sprüche in plattdeutscher Sprache. Auf der Thür zwischen den Seitenstücken mit den namen Adam Ber und Ilse Krakewitze steht:

SOEKET : DEN : HERREN : SO :
WERDE : GI: EN : VIN : R : MOS : 5
ANO : 1567.

(d. i. 5 Buch Moses 4, 29).

Die Anordnung ist also folgende:

Anordnung der Wappen
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Dies ist also der im J. 1567 gebauete Kirchenstuhl der Kinder und Schwiegerkinder des Heine Behr auf Nustrow, Semlow etc. Der Stammbaum, wie er bis jetzt gilt, lautet also:

Stammbaum

Dies sind ungefähr die Hauptpersonen, welche auch auf den Kirchenstühlen genannt worden. Aus den Inschriften auf den Kirchenstühlen geht aber hervor, wie es auch urkundlich nachzuweisen ist, daß Heine Behr drei Frauen hatte: die erste war Anna v. Bassewitz, die zweite Adelheid Moltke, die dritte Dorothea Hahn. Bei der Erbauung des Stuhles muß Dorothea Hahn als Wittwe noch gelebt haben. - Gerdt war der älteste Sohn von der Bassewitz, Joachim der zweite Sohn von der Moltke, Adam war ein Sohn der Hahn.

Der Chorthür gegenüber, an der Wand, neben dem Altare, steht ein zweiter Kirchenstuhl von ähnlicher Beschaffenheit, mit einer Bank und zwei Seitenstücken an jeder Seite, welche innerhalb an den Köpfen Inschriften tragen. Auf dem Seitenstücke links, an der Bank, stehen auf dem Kopfe zwei Wappen mit den Unterschriften:

HEINE          ALHEIT
BEHRE          MOLTKE
GNADE   EN   GODT

Auf dem daneben an der Brüstung stehenden Seitenstücke steht:

HILF    MIR    GOD    AVS
NOT    :    ABGVNST
IS    GRODT   .   1567.

Auf dem Seitenstücke rechts, neben der Brüstung steht das v. weltzinsche Wappen und darunter

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A W (= Anna Weltzin).
ANO 1667.

An der Brüstung vor dem Stuhle steht in einer Zeile:

IS   GODT   MIT   VNS   WOL   KAN   DEN
WEDDER   .   VNs   .   ROM   .   AN   8.   A.   B.

d. i. Epistel Pauli an die Römer 8, 31. Die Buchstaben A. B. bedeuten Achim Behr.

Dieser Stuhl ward also besonders von Joachim Behr, zweitem Sohne des Heine Behr und der Adelheid Moltke, und seiner Gemahlin Anna Weltzin, ebenfalls im J. 1567, erbauet.

G. C. F. Lisch.     


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Ueber

die Grabplatten von Ziegeln

in der Klosterkirche zu Doberan


I.

Grabplatten von Ziegeln in der Klosterkirche zu Doberan,

vom

Geheimen=Regierungsrath von Quast ,
königl. Preußischen Conservator.


Mit einer Tafel in Stahlstich.


Die Kirche des ehemaligen Cisterzienser=Klosters Doberan enthält die Gräber der großen Mehrzahl aller Glieder des meklenburgischen Fürstenhauses. Der größere Theil derselben, ihren Stammvater Pribislav an der Spitze, welcher erst 1164 zum Christenthume sich bekehrte, liegt im nördlichen Kreuzarme begraben; doch fanden sich hier nur noch wenige Ziegel mit den Spuren eines Büffelkopfes geziert, als Denkmale derselben vor, bis es in neuester Zeit der Thätigkeit des Herrn Archivraths Dr. Lisch gelang, sogar die Gebeine des Urahnen wieder aufzufinden.

Einige wenige Glieder jenes Geschlechts liegen aber auch im hohen Chore begraben, wo in neuester Zeit ebenfalls der der Sarkophag des ersten Großherzogs, Friedrich Franz I., von geschliffenem Granit aufgestellt wurde. Es sind namentlich drei Monumente, welche unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, die sich zu beiden Seiten dieses Sarkophags, und das dritte zu dessen Füßen, gegen Osten, im Fußboden des Chors eingelassen, finden. Alle drei haben die gewöhnliche rechteckige Form der Grabplatten und deren Größe, bestehen aber nicht, wie diese, aus einem einzelnen Steine, dem die

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nöthige Schrift oder sonstige Bezeichnung und Ausschmückung eingegraben ist, oder aus einer ähnlich bearbeiteten Metallplatte, wie sie sonst und auch in Doberan so häufig vorkommen, vielmehr schloß man sich hier dem vorherrschenden Ziegelmateriale an und bildete die Grabplatten aus einer Mosaik kleiner Ziegelplättchen, welche, ein jedes quadratisch gebildet, in rother Grundfarbe oder mit dunklerer Glasur versehen, theilweise noch jetzt in lichterer Farbe figürliche oder ornamentale Darstellungen zeigen. Es ist zu verwundern, wie man mit so geringen Mitteln einen nicht gewöhnlichen Erfolg hat erringen können.

Die beifolgende Tafel zeigt die drei Platten in der Reihenfolge, in welcher sie sich befinden, nur daß die mittlere etwas weiter nach unten hin hätte geschoben werden müssen, während sie selbst auf der Tafel, den Platz einnimmt, den gegenwärtig der moderne Sarkophag inne hat.

Das vorzüglichste der Monumente ist das auf der Nordseite gelegene des Fürsten Heinrich des Löwen von Meklenburg. Ein größerer übereck gelegter Ziegel nimmt im Obertheile die Mitte ein. Er enthält einen schräg gelehnten Schild, auf dem noch die Spuren des gekrönten Büffelkopfs, des meklenburgischen Wappenbildes, zu sehen sind. Auf dem noch höher gelegenen Quadratsteine sind ähnliche Spuren des Helms, der von zwei Büffethörnern überstiegen wird, zu erkennen; doch scheint der Stein gegenwärtig nicht in richtiger Lage sich zu befinden, da jene Helmzier sich an der Oberseite befinden mußte. Zu den Seiten dieses Ziegels ist jederseits ein Bandstreifen, der mit Laubwerk von noch romanischer Blattbildung belegt ist, und oberhalb sind zwei nicht hohe, aber breite Felder mit Schachbrettverzierung von nur zwei Ziegeln Höhe befindlich. Der übrige Raum ist durchgehend in gleicher Weise behandelt, nur daß die Ziegel hier übereck gelegt sind, und so das ganze Feld rautenförmig geschmückt erscheint. Ein senkrechter Streifen, der von der Unterspitze des Wappenziegels nach dem Fußende des Grabes hinläuft, theilt das Ganze in zwei gleiche Hälften. Einzelne der vorgenannten kleinen quadratischen Ziegel sind mit figürlichen Darstellungen versehen, meist wirkliche oder fabelhafte Thiere enthaltend, wie sich dergleichen und zum Theil noch andere auch auf den beiden anderen Grabplatten, nicht minder auch in anderen Theilen der Kirche, so wie in der Kapelle zu Althof gefunden haben. Die auf den drei Grabplatten befindlichen sind unten auf unserer Tafel, von a - o, in vierfach größerem Maaßstabe gezeichnet. Wenn einige derselben sich unzweifelhaft wieder=

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holen, und deshalb nur einmal im Größeren dargestellt wurden, so ist dies bei anderen, wie eine genaue Vergleichung zeigt, nur in den Hauptmotiven der Fall und finden im Detail Abweichungen statt. Dr. Lisch hat in einem mit Abbildungen begleiteten Aufsatze 1 ) die große Uebereinstimmung, zum Theil sogar die Identität einiger dieser Ziegel mit den unter den Ruinen des Cisterzienser=Klosters Hovedöe bei Christiania in Norwegen gefundenen nachgewiesen, so wie den Zusammenhang dieser mit ähnlichen in England und dem nördlichen Frankreich neuerlich bekannt gewordenen, unter denen namentlich die aus Therouane (auch zu St. Omer und St. Pierre=sur=Dive) besonders hervorzuheben sind 2 ). Dennoch vermag ich meinem scharfsinnigen Freunde nicht auch bis zu dem Schlusse zu folgen, daß diese Ziegel noch etwa dem Ende des 12. Jahrhunderts angehörten. Die von ihm angeführten Beweise sind um so weniger zwingend, als diese Ziegel nirgend mehr an der Stelle eines Gebäudes liegen, welches jener Periode angehörte, vielmehr durchgehend an solchen, die anerkanntermaaßen jünger sind. Wenn nun der Ursprung jener Ziegel unzweifelhaft in dem damals tonangebenden Frankreich zu suchen ist, Herr von Caumont aber die dortigen, den Doberaner Fliesen am meisten verwandten Platten gewiß richtig erst dem 13. Jahrhundert zuschreibt, während die in Hovedöe und Doberan gefundenen an ihrer jetzigen Stelle nicht vor dem 14. Jahrhundert gelegt sein können, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch hier, wie so oft anderwärts, eine ältere Formbildung noch sehr lange Zeit hindurch, selbst Jahrhunderte lang in Uebung blieb. Thier= und Bestiengestalten von ganz verwandter phantastischer Bildung, wie die in Rede stehenden, finden wir z. B. an den Ziegelkapitälen des südlichen Seitenportals der Stadtkirche zu Woldenberg in der Neumark, die erst dem 14. Jahrhundert angehört. Das Vorkommen derselben Formen in Doberan und Hovedöe, und eventuell auch an anderen Orten, würde sich dann am besten durch die gleiche Ordensverbindung beweisen, wie solche nun schon so oft an verschiedenen Orten


1) Jahrbücher des Vereins f. meklenb. Gesch. u. Alterthumskunde. XIX. 1854. S. 148 ff.
2) Der von Dr. Lisch angenommen normännische Einfluß läßt sich bei der alten erst von Karl V. zerstörten Hauptstadt der Morinier nicht nachweisen. Wenn verwandte Bildungen auch in der Normandie vorkommen, so werden beide allerdings wohl derselben Ursache ihre Entstehung verdanken, welche deswegen aber keine ausschließlich normännische zu sein braucht, da auch anderwärts die Darstellung von Bestien überhaupt den Traditionen des germanischen, die der antiken Mythologie angehörigen Wesen, denen des antiken Heidenthumes angehört.
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nachgewiesen worden ist, namentlich bei Bildungen, welche, wie die der Ziegel, aus bestimmten, leicht zu übersendenden Formen hervorgingen. Es liegt daher auch kein zwingender Grund zu der Annahme vor, daß die gemusterten Ziegel über den vorgenannten Gräbern älter als die Zeit ihrer Errichtung seien. Dasselbe gilt ebenso von dem vorgenannten Blattwerk=Ornamente, das trotz seiner romanischen Formen doch auch nicht älteren Ursprunges sein wird. Es ist eine allgemeine Erfahrung, daß gewisse Nebentechniken oft noch sehr lange einen älteren Styl bewahren, als welchen die gewöhnliche Architektur des Steinbaues zeigt, während umgekehrt in anderen Fällen einzelne Formen bei gewissen Kunstübungen schon früher erscheinen, ehe sie zu allgemeinerer Anwendung gelangten.

Alle vier Seiten des Grabes werden von einer fort laufenden Inschrift umgeben, die aus einzelnen länglichen Ziegeln besteht, deren jeder mehrere Worte, und nur wenige deren eins enthalten. Jedes Wort ist vom folgenden durch ein : getrennt. Auffallend ist, wie schon Lisch bemerkte, daß die Inschriften an den Gräbern aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts in Minuskelschrift abgefaßt sind, welche sonst erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf Grabschriften erscheint. Man dürfte allein aus diesem Grunde auf eine spätere Anfertigung zu schließen nicht berechtigt sein, da auch in diesem Falle das ungewöhnliche Material die Abweichung erklären dürfte. Die Inschrift selbst lautet nach unserer Abschrift folgendermaaßen:

Inschrift

Dr. Lisch hat das Grab genau untersucht und beschrieben, und gab den Inhalt, so wie die Erklärung dieser Zuschrift nebst den sachlichen Erläuterungen a. a. O. IX. S. 428, auf welche wir deshalb verweisen. Später (XIX. S. 388) hat er, in Gemeinschaft mit Director Wiggert zu Magdeburg, die in leoninischen Versen abgefaßte Inschrift nochmals einer genauen Localuntersuchung unterzogen und demgemäß die von

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Wiggert vorgeschlagene Redaction angenommen, welche also lautet:

Anno milleno tricen. vicenque noueno,
natus vt est ille, quem predixere Sibille
Dicta die magne proch Hin. defungitur Agne,
Mychilburgh princeps, quem tristis obisse dolet plebs,
Huic genitrix Cristi succurrat, ne nece tristi
Demonis artetur, sed iustis congratuletur.    Amen.

Sie weicht von unserer Abschrift nur in Bezug auf die Worttheile des dritten Inschriftziegels ab, welche gegenwärtig unzweifelhaft in der von uns gegebenen Weise lauten: tenoqz : vice . Nach Dr. Lisch a. a. O. ist dieser Ziegel, der noch sehr wohlerhalten aussieht, nebst einem anderen, dessen wir später erwähnen werden, von ihm selbst bei der Aufräumung in der Tiefe des Grabes gefunden worden. Da derselbe aber den leoninischen Vers störe, so könne er nicht zu der gegenwärtigen Inschrift gehören, sei dagegen vielleicht Rest einer älteren, nicht mehr vorhandenen. Er ersetzt diese Sylben daher durch die oben genannte: vicenque, welche nach andern alten Nachrichten beglaubigt sei und dem Versmaaße entspräche. Sicher ist jedenfalls auch der anderwärts beglaubigte Sterbetag, der Tag der heil. Agnes (21. Januar) 1329. Auffallend ist es, daß der Name Heinrichs nur in der Abbreviatur wiedergegeben ist, welche allerdings allein zu dem Versmaaße paßt.

Der diesem entsprechende, auf der Nordseite befindliche Grabstein (Fig. 2) ist im Wesentlichen mit einem schachbrettartigen Muster der schon genannten dunkleren und helleren Ziegel belegt, deren noch mehrere, als bei dem Heinrichs, Muster mit Thieren und Bestien erhalten haben. Auch hier sind die correspondirenden Ziegel in größerem Maaße unter a - f, l, o dargestellt. Die Mitte des Ganzen nimmt ein quadratisches Mittelfeld ein, dem ein Andreaskreuz in dunklerer Farbe eingelegt ist, während die Zwischenräume desselben einfach gemustert erscheinen. Ein Rhombenmuster umzieht den ganzen Grabstein, und um dieses herum ist eine einfache Schrift von wechselnden hellen und dunklen Ziegeln gelegt. Die Mitte des Obertheils dieser letzeren nimmt die Inschrift ein:

Inschrift 1 ),

d. h. Vxor domini Nicolai de Werle. Es ist daraus nicht zu erkennen, ob dieselbe in sich abgeschlossen, oder ob sie, was wahrscheinlicher, nur der Rest einer größeren Inschrift ist, welche dann


1) Das letzte Wort geben wir unter p. in größerem Maaße.
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natürlich auch den Vornamen der Fürstin, ihren Todestag und Todesjahr angegeben haben wird. So bleibt es jetzt zweifelhaft, wer damit gemeint sei, da jenen Vornamen mehrere Herren von Werle führten. Dr. Lisch (a. a. O. IX. S. 431) ist der Ansicht, es werde die Gemahlin Nicolaus I. sein, der bereits 1277 zu Doberan begraben wurde, während ihn seine Gemahlin nach 44jahriger Ehe überlebte. Wegen des Parallelismus mit dem Grabe Heinrichs von Meklenburg dürfte aber doch wohl auf eine ziemlich gleiche Todeszeit beider zu schließen sein, was bei jener Annahme schwerlich zutreffen würde, weshalb ich es vorziehen möchte, an die Gemahlin des 1316 verstorbenen Nicolaus II. von Werle zu denken, des gleichfalls zu Doberan begrabenen ausgezeichneten Zeitgenossen Heinrichs von Meklenburg (a. a. O. XIX. S. 362). Wenn Lisch als Grund, sich für den erstern dieses Namens zu erklären, annimmt, daß zu seiner Zeit kein anderer dieses Namens gelebt habe, die Gemahlin dieses einen also deutlich genug bezeichnet gewesen sei, so scheint dies doch nicht ausreichend zu sein, da die Inschrift, wie schon gesagt wurde, schwerlich vollständig ist, der fehlende Theil derselben also sehr wohl die nähere Bezeichnung enthalten konnte. Auch war Nicolaus II. seiner Zeit der einzige Herr von Werle dieses Namens, ein Zweifel also gleichfalls für die Lebenden nicht vorhanden. An künftige Geschlechter pflegte man aber wohl nicht eben sehr zu denken. Gegenwärtig befindet sich am Fußende noch das Inschrift=Fragment:

Inschrift

. . . men quiuis nunc postulet 1 ). So fragmentirt sind sie keiner Erklärung fähig, und bleibt es selbst ungewiß, ob sie diesem oder einem andern Grabe angehören.

Der dritte der gezeichneten Grabsteine (Fig. 3) liegt in der Mitte der beiden, doch vor ihnen, mehr östlich, dem Altare näher. Ein großes lateinisches Kreuz, aus dunkelglasirten Ziegeln deckt das ganze Grab. Zu den Seiten des unteren längeren Armes sind quadratische Felder, jedes mit einem Andreaskreuze in dunkelglasirten Ziegeln, und mit rautenförmig gelegten helleren in den Zwickeln. Der übrige Grund der Grabplatte ist mit den kleinen Quadratziegeln, zum Theil in schachbrettförmigem Wechsel belegt. Viele dieser Ziegel zeigen noch die schon genannten helleren Thiermuster, deren größeres


1) Nach Lisch (a. a. O. XIX. 388) scheinen diese Fragmente gleich den obengenannten im Grabe Heinrichs des Löwen gefunden zu sein; doch geht dies nicht ganz deutlich aus seinen Worten hervor. Statt der ersten fragmentirten Sylbe ... men lies't er nunc. Unsere Abschrift ist aber, wie die Abbildung q. zeigt, diplomatisch getreu.
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Detail unter g - o. nachgewiesen ist. Von den größeren Ziegeln sind nur einige in den Kreuzarmen gemustert, unter denen einer ein Flügelpferd darzustellen scheint, zwei aber Band= und Laubverzierungen in ziemlich strengem Style zeigen. Eine Inschrift oder sonstige nähere Bezeichnung zeigt diese Grabplatte nicht.

Nach Dr. Lisch (a. a. O. IX. S. 432) soll hier nach der Sage Herzog Albrecht der Große, Sohn Heinrichs des Löwen, ruhen. Bei der Aufgrabung des Grundes zeigte sich aber keine Spur von einem Sarkophage oder der Beisetzung eines Todten. Er hält es daher für möglich, daß diese Stelle eine Asylstätte sei. Dem dürfte aber die ganze Anordnung, welche völlig der der anderen Gräber gleicht, widersprechen. Es dürfte daher anzunehmen sein, daß diese Grabplatte später von ihrer ursprünglichen Stelle verrückt worden sei. Vielleicht lag sie ursprünglich in der Mitte zwischen den beiden vorgenannten, wo jetzt der Sarkophag des Großherzogs Friedrich Franz aufgestellt ist. Es ist zu bedauern, daß Dr. Lisch nicht das Ergebniß seiner Aufgrabungen an dieser Stelle mitgetheilt hat, namentlich ob hier etwa die Spuren eines Grabes gefunden wurden; in diesem Falle dürfte unsere Vermuthung sich bestätigen. Sollen wir dieselbe noch weiter ausdehnen, so würden wir annehmen, daß hier etwa Nicolaus II. begraben worden sei, dem dann später seine Gemahlin zur Seite beigesetzt wurde; denn es bleibt immer auffallend, daß keins der beiden jetzt vorhandenen Gräber sich in der Mittelaxe der Kirche befindet. Auch die Aehnlichkeit in der Ornamentik dieser Grabplatte mit der der Gemahlin des Nicolaus von Werle läßt auf Zusammengehörigkeit beider schließen, während die Heinrichs von Meklenburg von beiden wesentlich abweicht.

Daß unter denen der älteren Zeit nur diese Gräber sich im hohen Chore der Kirche befinden, fern von der Gruft der übrigen Fürsten im nördlichen Kreuze, dürfte, wie Dr. Lisch schon richtig bemerkt hat, wohl vorzugsweise daher kommen, daß sich die hier Begrabenen bei Erneuerung der Kirche vorzugsweise thätig bewiesen haben. Wenn, wie wir nach dem Style der Architektur anzunehmen Ursache haben, der Bau der jetzigen, im Jahre 1368 geweihten gothischen Kirche erst nach dem Brande 1291 1 ) begonnen hat, so wird beim Tode


1) Dr. Lisch (a. a. O. IX. 414) nimmt zwar an, daß dieser Brand die Kirche nicht bedeutend ergriffen, vielmehr das Kloster verzehrt haben werde. Das "closter to dobran", welches eine Chronik vom genannten Jahre als durch Blitz verbrannt erwähnt, ist aber schwerlich (  ...  )
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Nicolaus II. von Werle (1316) derselbe vorgerückt gewesen sein, um diesen ausgezeichneten Herrn, der beim Neubau sich besonders thätig mag erwiesen haben, eine ausgezeichnete Grabstätte, und später seiner Gemahlin neben ihm, anzuweisen. Nachher wird Heinrich von Meklenburg sich neue Verdienste um die Fortsetzung des Baues erworben haben und gleicher Ehren würdig erachtet worden sein. Das Grab seines Sohnes Albrecht würde man schwerlich in der Mitte der beiden anderen Gräber erwarten dürfen, da hier nur ein älteres als diese vermuthet werden darf; im Falle er hier wirklich beigesetzt wurde, ist die Stätte wohl anderwärts zu suchen.

v. Quast.     


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II.

Erläuterungen

über

die Grabplatten von Ziegeln

in der Klosterkirche zu Doberan,

vom

Archivrath Dr. Lisch,
großherzoglich meklenburgischen Conservator.


Mein verehrter Freund, der Herr Geheime=Regierungsrath von Quast, auf und zu Radensleben bei Ruppin, Conservator der geschichtlichen Kunstdenkmäler des preußischen Staates, correspondirendes Mitglied unsers Vereins, hat die doberaner Ziegelgrabplatten seiner besonderen Aufmerksamkeit


(  ...  ) auf die Wohngebäude der Mönche zu beschränken, um so mehr, da der Blitz wohl eher die hohe Kirche, als die niederen Wohngebäude getroffen haben wird.
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für würdig gehalten und den vorstehenden Aufsatz in der von ihm und Otte herausgegebenen "Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst", Bd. II, S. 28 - 33, mit einer Abbildung der doberaner Grabplatten in Stahlstich herausgeben; er hat ferner nicht nur den Wiederabdruck dieses Aufsatzes in unsern Jahrbüchern für angemessen gehalten, theils um ihn weiter zu verbreiten, theils um mir "Veranlassung zu geben, mich über diesen Gegenstand zu äußern, wenn ich nicht ganz mit seinen Annahmen übereinstimmen sollte", sondern auch bie große Freundlichkeit gehabt, 450 Exemplare des Stahlstiches unserm Vereine für dessen Jahrbücher zum Geschenke zu verehren und den Verein zum allergrößten Danke zu verpflichten.

Ich habe daher den v. quast'schen Aufsatz nicht allein wieder abdrucken lassen, sondern mache auch von der Erlaubniß meines Freundes Gebrauch, mich in freundschaftlicher Weise über seine Ansichten zu äußern, da meine Erfahrungen über die meklenburgischen Fürstengräber in Doberan von großer Wichtigkeit für die Landesgeschichte sein dürften.

Ich habe zu beweisen gesucht, daß die in Rede stehenden gemusterten kleinen Ziegel aus der Zeit der ersten Erbauung der großen Kirche zu Doberan stammen und noch dem Ende des 12. Jahrhunderts angehören können. Der Hauptinhalt des v. quast'schen Aufsatzes zielt dagegen dahin, die Ansicht geltend zu machen, daß

"die in Hovedöe und Doberan gefundenen gemusterten Ziegel an ihrer jetzigen Stelle nicht vor dem 14. Jahrhundert gelegt sein können, da diese Ziegel nirgends mehr an der Stelle eines Gebäudes liegen, welches noch dem 12. Jahrhundert angehörte, vielmehr durchgehend an solchen, die anerkanntermaßen jünger sind".

Dieser Grund trifft nicht zu, da die allerneueste Baugeschichte uns eines andern belehrt. Die kleinen gemusterten Ziegel liegen, mit Ausnahme der Grabplatten, nicht mehr da, wo sie ursprünglich gelegen haben, sondern sind in früheren Zeiten, als man nicht das geringste Verständniß von alter Baukunst und Bau=Denkmälern hatte, ganz willkührlich von unwissenden, wenn auch wohlmeinenden Maurergesellen dahin gelegt, wo sie jetzt liegen. Jetzt liegen sie, außer auf den besprochenen Gräbern nur noch auf dem etwas erhöheten, beschränkten Altarraume, welcher allerdings in dem polygonen Chorschlusse liegt, der erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts erbauet ist und erbauet sein kann. Hierher sind sie aber erst

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in neuern Zeiten gelegt worden, weil man sie doch für absonderlich hielt, ohne eine Ahnung von ihrer Wichtigkeit zu haben. Sie lagen überall gruppenweise zerstreut im Fußboden des ganzen Chores; man brachte endlich die letzten Ueberreste zusammen und pflasterte damit den Fußboden dicht um den Hochaltar, ohne Wahl und ohne ein bestimmtes Muster herzustellen. Ich habe die von dieser Umlegung noch übrig gebliebenen Reste, welche auf dem Altarraume nicht untergebracht werden konnten, überall in der Kirche umherliegen gesehen und davon manche Stücke für die großherzoglichen Sammlungen gerettet. In den Ecken und Winkeln des hohen Chores saßen früher noch einzelne ganze und halbe Ziegel dieser Art, die man nicht ausgebrochen hatte, weil sie grade die Winkel bequem füllten. Ich habe bei den Restaurationsbauten in Doberan viel mit dem alten Maurergesellen verkehrt, welcher die Umlegung ausgeführt und mir wiederholt alles genau erzählt hat. Und solche Umlegungen sind nicht etwa ein Mal, sondern wiederholt geschehen. Ich selbst habe bei den Arbeiten an den fürstlichen Begräbnissen manche Umlegungen vorgenommen, welche nicht die ersten waren. Es ist also auf die jetzige Lage dieser gemusterten Ziegel gar nichts zu geben; man muß vielmehr tiefer in die Erde hinabsteigen.

Man muß sich die Umstände nur so denken, wie sie in alten Zeiten wirklich gewesen sind. Ohne allen Zweifel waren nach vielen Spuren und nach den Traditionen, wie es auch die Sache selbst mit sich brachte, in alten Zeiten der ganze Chor und die Kreuzschiffe, vielleicht die ganze alte Kirche, zu Doberan mit den kleinen gemusterten Ziegeln gepflastert, und zwar ebenfalls ohne Zweifel in bestimmten passenden Mustern, wie man es noch im nördlichen Frankreich sieht. Als aber am Ende des 13. und Anfange des 14. Jahrhunderts das Begraben unter Leichensteinen Mode ward und immer mehr einriß, wurden die alten Kirchenpflaster unzählige Male aufgerissen, die Muster zerstört, die Pflasterziegel verkannt und endlich als unbequeme Materialien ganz verworfen. Ich selbst habe oben in dem Grabe des meklenburgischen Fürsten Heinrich des Löwen die jungen Gebeine vieler doberaner Einwohner gefunden, für welche also die Grabplatten aufgenommen werden mußten. Ein Glück ist es, daß die Leichen der alten fürstlichen Personen in der Kirche zu Doberan 5 Fuß tief in dem stark wasserhaltigen "Sogsande" des Grundes begraben liegen, so daß sie von jüngern Begräbnissen, welche lange so tief nicht gingen, stets völlig unberührt geblieben sind, wie schon die

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wohl erhaltenen, aus Ziegeln aufgemauerten Sarkophage, in denen die Gerippe liegen, beweisen.

Auch der Umbau der Kirche in jüngern Zeiten scheint mir durchaus kein Beweis für das jüngere Alter der gemusterten Ziegel zu sein. Die doberaner Kirche, wie sie jetzt besteht, ist allerdings im 14. Jahrhundert umgebaut und im J. 1368 als gänzlich vollendet eingeweihet worden. Diese Spitzbogenkirche war aber keinesweges eine neue, auch keine größere Kirche, als die alte, sondern sie ward nur erhöhet und allein um den polygonen Chorschluß, d. h. um den eigentlichen Altarraum und den Umgang um denselben, verlängert. Man bauete überhaupt im 14. Jahrh. wohl nicht häufig ganz neue Kirchen, sondern man erhöhete sie gewöhnlich nur und gestaltete sie in neuem Styl um und benutzte dazu die alten Fundamente, Pfeiler und Mauern, so gut es gehen wollte. In der Kirche zu Bützow, welche ebenfalls um das J. 1368 einen polygonen Chorschluß erhielt und aus drei ganz verschiedenen Gebäuden besteht, kann jeder deutlich sehen, wie man den alten niedrigen Chor bis zur Höhe der zu beiden Seiten stehenden jüngern Bauten erhöhete. Auch die Kirche zu Doberan giebt ein redendes Zeugniß von der Erhöhung der Kirche. Die ganze Südwestecke der Kirche ist noch das alte romanische Kirchengebäude mit Rundbogenpforte und Rundbogenfries, ohne Granitsockel und ohne Strebepfeiler, welche erst in jüngern Zeiten nach Abbruch des Kreuzganges angesetzt sind; in der Nordostecke liegt der Fürst Pribislav begraben, dessen Leiche erweislich hier im J. 1219 eingesenkt ward. Wir haben hier also zwei uralte Ecken, welche den größten Durchmesser der Kirche bezeichnen und unwiderleglich beweisen, daß die alte Kirche, mit Ausnahme des Chorschlusses, grade so groß war, als die jetzt noch stehende Kirche, und daß die neue Kirche von 1368 nur auf den Ringmauern und Pfeilern der alten Kirche erhöhet und verdickt ist. Der hohe Chor, mit Ausnahme der jetzigen Altarstelle, ist also seit der Gründung der Kirche die Stelle des hohen Chores, und die Leichen des Fürsten Heinrich des Löwen und der Fürstin von Werle liegen auf dem alten Chore, früher näher vor dem ehemaligen Altare, da der alte romanische Chor ohne Zweifel viel kürzer war.

Der Chor war wohl sicher schon zu der Zeit der romamanischen Bauperiode mit den kleinen gemusterten Ziegel gepflastert. Hierauf deutet schon das Grab des Fürsten Heinrich des Löwen, welcher im J. 1329, also 40 Jahre vor der Vollendung der jetzigen gothischen Kirche, starb und hier be=

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graben ward. Dies giebt zugleich den Beweis, daß man selbst bei bedeutenden Umgestaltungen die alten Baulichkeiten nach Möglichkeit unberührt ließ.

Aber gerade das Grab des Fürsten Heinrich des Löwen giebt mir einen sicheren Beweis für das hohe Alter der gemusterten Ziegel. Man irrt gewiß sehr, wenn man annimmt, die jetzigen sogenannten "Grabplatten", was sie jetzt in dem kahlen, schlichten Fußboden auch geworden sind, seien ursprünglich zu "Grabplatten" angelegt. Im Gegentheile besteht die Bezeichnung des Grabes Heinrichs des Löwen nur in dem um die Grabstätte gelegten sehr schmalen Inschriftrande und den eingelegten Wappenziegeln. Die innerhalb des Inschriftrandes liegenden kleinen, gemusterten Ziegel sind nur Reste des alten Fußbodens, der auch um das Grab lag, also älter ist, als das Grab. Alle anderen gemusterten Ziegel umher sind verschwunden; der Inschriftrand, welcher ein Grab bezeichnete und die Ueberlieferung lebendig erhielt, rettete die Ziegel innerhalb des Inschriftrandes und machte sie zu "Grabplatten". Es scheint mir also klar zu sein, daß die gemusterten Ziegel älter sind, als die erhöheten Ringmauern der Gebäude, in denen sie jetzt liegen. Die Inschriftränder allein haben die Grabstellen geschützt. Es lebte in Doberan eine einfache Tradition, welcher auch ich bei der Aufnehmung der Gräber gefolgt bin: man machte niedrige Holzkasten und legte die aufgenommenen Ziegel in derselben Ordnung, um sie nachher in derselben Ordnung wieder in die Erde legen zu können; dabei kam es aber nie darauf an, daß man abgetretene Steine verwarf und an andern Stellen des Chores besser erhaltene Stücke ausbrach, um sie zu den "Grabplatten" zu verwenden. So erhielt sich die Bezeichnung der Grabstätten Jahrhunderte lang durch die Tradition. Aber auf die jetzige Anordnung der einzelnen Steine ist nichts zu geben, und es ist die große Frage, ob die Legung in Kreuzmustern etc. . aus alter Zeit stammt, oder nicht vielmehr eine neue Erfindung ist.

Viel wichtiger, als das, was, mit Ausnahme der Inschriftziegel und Wappenziegel, oben im Fußboden liegt, ist das, was in der Tiefe der Gräber gefunden ist: die Ziegelsarkophage in großer Tiefe mit den Gerippen und die beim Begraben der Leichen und beim Einsturze der Särge schon in alten Zeiten in die Tiefe gesunkenen Stücke der Grabbezeichnungen. Und hier muß ich wiederholt eine Erfahrung geltend machen, welche mir wichtiger ist als alle andern Andeutungen. Der Fürst Pribislav, der christliche Stammvater

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der Fürsten von Meklenburg, fiel im J. 1178 auf einem Turniere zu Lüneburg und ward dort in dem Michaeliskloster auf dem Kalkberge beigesetzt. Nach der Unterdrückung des Aufstandes der Wenden und nach Herstellung der Ruhe und gesetzlichen Ordnung bestätigte sein Sohn Borwin im J. 1218 das Kloster Doberan, dessen Kirche schon so weit im Bau vorgerückt war, daß er die Leiche seines Vaters im J. 1219 nach Doberan versetzen konnte; die alte Kirche, auf deren Fundamenten die neue steht, konnte im J. 1232 als ganz vollendet eingeweihet werden. Da man beim Kirchenbau von Osten gegen Westen vorschritt, so läßt sich wohl annehmen, daß im J. 1219 bis 1232 das Schiff und die innere Einrichtung ausgeführt wurden. Diese Ansicht wird dadurch begründet, daß an das südliche Kreuzschiff der Kreuzgang mit dem Refectorium angebauet war, dessen noch in Ruinen stehende Mittelwand den reinen Rundbogenstyl zeigt, und daß im nördlichen Kreuzschiffe Pribislav begraben ward. Bei dem Grabe Pribislav's machte ich aber eigenthümliche Erfahrungen. Das Grab hatte früher einen mit einer Messingschnittplatte belegten Leichenstein gehabt; Pribislav's Leiche lag an 6 Fuß tief unter dem Fußboden der Kirche in einem Ziegelsarkophage. Ueber diesem Sarkophage war die Erde ganz rein, also ein Beweis, daß diese Stelle immer besonders geachtet gewesen und daß an derselben in jüngern Zeiten niemand begraben war. In der Tiefe der Gruft außen an dem Ziegelsarkophage lagen nun viele von den gemusterten Ziegeln, welche je 2, 3, auch 4 Stück zusammen in Kalk gelegt und noch fast ganz neu und glänzend in der Glasur waren. Diese Stücke hatten bei dem Begräbnisse Pribislav's sicher die Ränder der Gruft gebildet und waren beim Hinablassen des Sarges losgebrochen und getreten und in die Tiefe gefallen. Da das Grab Pribislav's völlig unberührt war, so läßt sich nichts anders denken, als daß beim Begräbnisse Pribislav's 1219 der Fußboden aus den kleinen gemusterten Ziegel schon lag. Ich habe dies alles in den Jahrbüchern XIX, S. 342 flgd. und S. 157 flgd. und XXII, S. 206 flgd. ausführlich beschrieben nnd begründet.

Eben so wichtig ist auch der ganze Styl und die Technik dieser gemusterten Ziegel, welche jedenfalls älter find, als das 14. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert ging man wohl viel derber und kräftiger zu Werke und folgte nicht mehr jener feinen Zeichnung, welche der alten Miniaturmalerei nicht unähnlich ist.

Ich kann mich daher von der Ansicht nicht lossagen, daß

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die gemusterten Ziegel aus der Zeit der Erbauung der ersten Kirche zu Doberan stammen, älter sind als 1219 und dem Anfange des 13., vielleicht dem Ende des 12., Jahrh., wenn auch nur in der Tradition der Technik, angehören.

Nachdem ich meine Ansichten und Erfahrungen niedergelegt habe, muß ich zum Schlusse noch einige Einzelheiten berühren.

In der westlichen Hälfte des Chores, also in angemessener Entfernung vor dem Hochaltare der ehemaligen romanischen Kirche liegen: nördlich der Fürst Heinrich der Löwe, südlich die Gemahlin des Fürsten Nicolaus von Werle neben einander begraben. Genau zwischen beiden Gräbern steht jetzt der Granitsarkophag des Großherzogs Friedrich Franz I. Weiter gegen Osten, ungefähr in der Mitte des Chors, liegt in der Mittelaxe der Kirche eine dritte "Grabplatte" aus kleinen gemusterten Ziegeln. V. Quast sagt S. 32 (oben S. 340): "es ist immer auffallend, daß keines der beiden jetzt vorhandenen Gräber (zu beiden Seiten des Sarkophages) sich in der Mittelaxe der Kirche befindet", und: "es ist zu bedauern, daß Lisch nicht das Ergebniß seiner Aufgrabungen an dieser Stelle mitgetheilt hat". Ich habe im J. 1843 zur Fundamentirung des schweren Granitsarkophages für den Großherzog Friedrich Franz I. das westliche Ende des Chores ganz aufgedeckt und dabei die Stelle für den Granitsarkophag sehr tief ausgraben lassen, da er stark fundamentirt werden mußte. Die Ergebnisse der beiden Gräber neben dem Sarkophage habe ich in Jahrb. IX, S. 429 flgd. ausführlich beschrieben. An der Stelle, wo der Granitsarkophag steht, also in dem ganzen Raume zwischen den beiden Gräbern, ward bis zu großer Tiefe gar nichts gefunden. Deshalb habe ich auch nicht darüber gesprochen; sonst würde ich genau darüber berichtet haben. Es ist also an dieser Stelle sicher kein altes Begräbniß gewesen; vielleicht hat hier irgend ein kirchliches Geräth gestanden, welches die Stelle so lange geschützt hat; da der Laienaltar nicht weit davon im Westen stand. Daß eines der beiden Gräber nicht in der Mittelaxe der Kirche liegt, darf wohl gerade nicht auffallen. Auch im Dome zu Güstrow liegt der Stifter desselben Heinrich Borwin II. († 1226) nicht in der Mittelaxe der Kirche auf dem Chore, sondern gegen die Mitte des Raumes südlich von demselben.

Die dritte "Grabplatte" in der Mitte des Chores, nach dem Altare hin, unter welcher der Herzog AIbrecht II. begraben sein soll, wie mir der frühere Küster erzählte, halte ich für gar keine Bezeichnung eines Grabes, da sich in der Tiefe

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keine Spur von einem Begräbnisse, sowohl unter der Platte, als umher befand und auch keine Inschrift darauf hindeutet. Ich halte jetzt die Platte gar nicht für eine Bezeichnung eines Grabes, sondern nur für eine willkührliche Zusammenstellung und Begrenzung von gemusterten Ziegeln, welche vielleicht vor längerer Zeit an dieser Stelle noch zusammenlagen. Der Herzog Albrecht II. wird nach allen Andeutungen wohl in der allgemeinen fürstlichen Begräbnißstätte im nördlichen Kreuzschiffe begraben sein. Jedenfalls ist aber die etwa zu dieser Platte gehörende Leiche nicht zwischen den beiden andern Begräbnissen zu suchen und die Platte nicht gegen Osten gerückt worden, da, wie so eben gesagt ist, zwischen den beiden Gräbern keine Spur von einem Begräbnisse zu finden war.

Was die Inschriften auf den beiden Gräbern betrifft, so muß ich an meiner letzten Lesung festhalten. Die Alten haben wohl schwerlich gegen das Sylbenmaaß des leoninischen Hexameters gefehlt, und außerdem zeugen ältere Abschriften für die Richtigkeit der Lesung. Ueber die Gemahlin des Fürsten Nicolaus von Werle läßt sich wohl nicht eher etwas Besseres sagen, als bis die Grabstätten der wendischen Fürsten festgestellt sind, was mit der Zeit wohl gelingen dürfte.

Die Glasur der gemusterten kleinen Ziegel ist nie eine "dunkle" sondern stets eine durchsichtige Glasglasur. Die dunkle porphyrartige Farbe der meisten Ziegel rührt von einem auf den rothen Ziegel aufgelegten, dunkel gefärbten Thongrund her, in den die weißen Figuren eingelegt sind; darauf ist die ganze Fläche mit einer durchsichtigen oder Glas=Glasur überzogen.

Endlich bemerke ich, daß der freilich nur noch in den Umrissen deutliche Ziegel mit dem Helme der Fürsten von Meklenburg ganz richtig steht. Ich gebe hier wieder die Umrisse, in welche im Innern einige auf dem Originale noch zu verfolgende Linien zum bessern Verständniß eingetragen sind.

Ziegel mit Helm

v. Quast meint, "es seinen noch Spuren des Helms, der von zwei Büffelhörnern überstiegen wird, zu erkennen, doch scheine

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"der Stein gegenwärtig nicht in richtiger Lage sich zu befinden, da jene Helmzier, sich an der Oberseite befinden mußte". Der eigenthümliche Helm der fürstlichen Linie von Meklenburg ist unter den Fürsten Heinrich I und II. von der zweiten Hätfte des 13. Jahrh. bis gegen die Mitte des 14. Jahrh. ein rechts, gekehrter Helm, auf welchem ein von der Seite zu sehender, ausgebreiteter Pfauenwedel steht, vor welchem auf dem Helme in Schirmbrettern der meklenburgische Schild liegt, welcher nur halb zu sehen ist. Der Helm steht aufrecht, rechts gekehrt zwischen b und c; nach a hinauf steht der Pfauenwedel. Die nach c hin sichtbare Einbiegung wird also nicht durch zwei "Büffelhörner" gebildet, sondern der obere Theil der Krümmung a - c ist der hintere Theil des nach hinten hinabwallenden Pfauenwedels, der untere Theil der Krümmung nach c hinauf ist die hinauf wehende Spitze der Helmdecke.

Es freut mich, daß mein hochverehrter Freund v. Quast mich durch seine Einwürfe veranlaßt hat, mich deutlicher und ausführlicher auszusprechen und tiefer in die Sache einzugehen. Hoffentlich werden diese Verhandlungen zum gemeinschaftlichen Verständniß beigetragen haben. Jedenfalls aber ist der Verein dem Herrn v. Quast für die werthvolle Mittheilung zum großen Danke verpflichtet.

 


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Ueber den Hochaltar der S. Georgenkirche zu Parchim

Vgl. Kunstgeschichte, unten.

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Drei Denksteine aus der Umgegend von Wismar

So wie es noch heute im südlichen Deutschland Sitte ist, durch plötzlichen oder gewaltsamen Tod auf der freien Straße Umgekommenen an der Stelle des Unglücks Kreuze zu errichten, so wird es auch im Mittelalter überall gewesen sein. Da aber hölzerne Monumente, welche ohne Zweifel die Mehrzahl gebildet haben, im Laufe der Zeit zerstört sind, so haben nur die steinernen übrig bleiben können, von denen aber gewiß auch eine Menge untergegangen sind. Meines Wissens sind von dieser Art in Meklenburg bisher bekannt geworden: das Denkmal eines Grafen von Schwerin bei Wittenburg (A. X, 197), der Bernstorff'sche Stein von 1351 (B. II, 167 mit Abbildung), der Stein von Eversdorf für Lüdeke Moselenborg von 1391 (A. XI, 483. XX, 300.), der von Selow für Herman Lammeshovet von 1399 (A. X, 371), das Denkmal für Gottschalk von Köln zwischen Barnsdorf und Biestow bei Rostock von 1409 (Schröders P. M. S. 1753), und endlich der Denkstein für den Domprobst Thomas Rode in Rostock aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (Francks A. u. N. M. B. VIII, S. 242). Der wittenburger Stein ist von Granit, alle übrigen noch vorhandenen aber von Kalkstein, der aus dem Norden eingeführt, auch das Material zu Leichensteinen, Altarplatten, Fünten, Weihbecken, Säulenschäften, Kapitälern, Basen u. s. w. abgab. Er ist nicht überall von gleichen Güte; während derjenige der älteren Denkmäler von großer Härte ist, so daß man ihn leicht für Granit halten kann, ist der in jüngerer Zeit oft blätterig 1 )


1) Ein vortreffliches Mittel, um im Freien befindliche, schwer zu entziffernde, stehende Inschriften zu lesen, ist, dieselben mit einem Lederballen, der mit Kreidepulver berieben ist, zu überfahren. Obschon nicht ganz ungeübt im Lesen mittelalterlicher Schrift, habe ich doch erst mit Hülfe dieser Methode die folgenden Inschriften so weit entziffern können, was ich hier bemerke, da ich dieses Mittel noch nirgends angegeben gefunden habe.      C. D. W.
Bei liegenden Leichensteinen in Kirchen und im Freien bin ich immer am besten gefahren, wenn ich die Inschriften, ohne den Staub (  ...  )
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und von schlechter Farbe. In älterer Zeit verwandte man ausschließlich die weiße Art, im fünfzehnten Jahrhundert wählte man wenigstens zu Grabsteinen auch rothes und blaues Gestein. Mit Ausnahme des wittenburger Steins und des Denkmals für Gottschalk von Köln haben alle die Denksteine eine gleiche Form. Es sind Tafeln von 4-6 Zoll Stärke, 1 1/2 - 2 Fuß Breite und 6 - 8 Fuß Höhe, die mit einem abgerundeten Kopfe versehen sind, wie die Abbildung des bernstorffschen Steines zeigt. Franck a. a. O. nennt den Denkstein für den Domprobst Thomas Rode eine "Docke", im Mittelalter nannte man sie "Kreuze", wie man unten sehen wird. Die drei in folgendem beschriebenen "Kreuze" stehen in der Nähe von Wismar.

1. Denkstein von Wendorf.

Neben der Chaussee nach Grevismühlen auf dem wendorfer Felde, jetzt weiter als vordem, dicht an die gögelower Scheide gerückt, steht ein durch Wetter und Menschenhand arg mitgenommener Denkstein; der Kopf desselben fehlt bereits. Auf der vorderen Fläche ist ein Crucifix eingerissen, die hintere ist glatt. Die Inschrift ist auf den schmalen Seiten angebracht. Sie hat oben auf dem Kopfe begonnen und läuft die eine Seite hinunter, während die zweite Hälfte wieder auf der Spitze des Kopfes begann; wenn man diese liest, steht man dem Crucifixe gegenüber, so daß vielleicht die Seite, auf welcher dasselbe dargestellt ist, als die hintere angesehen werden muß. Was von der Inschrift noch übrig ist, lautet folgendermaaßen:

Inschrift

d. i. [Anno domini] mccclxiiii in die pentheco[stes] [obiit . . . . . . . ] Leddeg[he]. Orate deum pro eo.
= Im Jahre des Herrn 1364 am Pfingsttage (12. Mai) starb . . . . . . . Leddeghe. Bittet Gott für ihn.

Da die beiden letzten Buchstaben des Namens ausgesprungen sind, so ist derselbe nicht ganz sicher Leddeghe zu lesen. Höchst wahrscheinlich ist diese Lesart aber richtig. Die letzten


(  ...  ) aus den Vertiefungen zu fegen, so lange mit der Schuhsohle gerieben habe, bis die Inschrift weißlich geworden ist.      G. C. F. Lisch.
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Reste der beiden abgesprungenen Buchstaben passen nicht wohl anders als zu einem h und einem e , und der Name kommt, Leedeghe, Ledeghe, Leddeghe geschrieben, in und bei Wismar im 14. Jahrhundert mehrfach vor. So kaufte Otto im Jahre 1324 von dem fürstlichen Notar Hinrik Vrouwenberg ein Haus in Wismar, tritt 1344 zuerst als Rathmann daselbst auf und wird 1357 zuletzt genannt. Sein Sohn hieß Hinrik, 1349; Hinrik Ledeghe kommt auch 1329 und 1337 vor. Auch gab es einen Priester Otto Leddege, vielleicht Sohn des Rathmannes (vgl. Schröder P. M. S. 2079). Endlich verkaufen die Gebrüder Albert, Marquard und Nicolaus Ledeghe 1344 mit fürstlichem Consense dem Rathmann Johann von Kröpelin zu Wismar eine Rente aus anderthalb Hufen zu Wustrow; diese führen im Siegel einen queer getheilten Schild. Freilich geben diese Daten keinen Anhalt zur Ermittelung desjenigen, dem unser Stein errichtet worden ist.

2. Denkstein von Schimm.

Linker Hand an dem Kirchwege von Schimm nach Jesendorf steht ein sehr großer Denkstein. Auf der vorderen Fläche ist der Grund im Kopfe und die obere Hälfte des Körpers des Steines so vertieft, daß noch ein Rand stehen geblieben ist, dessen Breite der Dicke des Steines etwa gleicht. Auf der vertieften Fläche ist ein Gekreuzigter erhaben dargestellt, zu dessen Füßen ein Betender mit einem rechts gelehnten Wappenschilde vor und einem Spruchbande über sich knieet. Auf dem Spruchbande erkennt man das Wort dei (= dei). Die Inschrift beginnt etwas unterhalb der Vertiefung und läuft rings um dieselbe herum. Sie lautet also:

Inschrift

d. i. Anno domini mccccix in die trinitatis obiit dominus Nicolaus Vinke proconsul ciuitatis Wismaryensis, Orate pro eo. - Im Jahre des Herrn 1409 am Dreifaltigteitstage (2. Junii) starb Herr Nicolaus Vinke, Bürgermeister der Stadt Wismar. Betet für ihn.

Die hintere Fläche des Steines anlangend, so ist der Kopf gleichfalls hier vertieft, aber es erweitert sich die Vertiefung abwärts vom Halse parallel dem Rande, wie es auf der Vorderseite der Fall ist, nicht, sondern sie behält die Breite, welche

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sie an der engsten Stelle des Halses hat, und geht das oberste Drittel abwärts. Ungefähr das zweite Drittel nimmt eine mit einem Stichbogen geschlossene, sonst rechteckige Vertiefung ein. In der oberen ist wieder ein Crucifix ausgespart, in der unteren ein Betender mit seinem Wappen vor sich. Dasselbe besteht (wie vorne) aus einem rechts gelehnten, unten abgerundeten, quer getheilten Schilde, während der Helm ein etwas ausgeschweiftes vierseitiges, mit Federbüscheln auf den drei freien Ecken verziertes und die Schildtheilung wiederholendes Schirmbrett zeigt.

Es ist also hier der Sterbeplatz des wismarschen Bürgermeisters Nicolaus Vinke, mithin der Stein von den bis jetzt bekannten nächst dem wittenburger und dem für den Domprobst Thomas Rode der historisch merkwürdigste. Dazu kommt, daß sich auch die Art seines Todes angeben läßt, nämlich Mord, und die Namen der Thäter aufbewahrt sind, denn es findet sich in dem wismarschen Liber proscriptorum S. 65 unter dem Jahre 1409 folgende Eintragung:

Clawes Surowe heft vorvested her Otte Vereggen, her Hinrik Reuentlowen, ryddere, her Hinrik Witten, borgermestere to Rostke, Henneke Moltken to deme Strytuelde, Henneke Moltken to Zůwan, Woldemer Moltken, Otte Vereggen, Euerd Moltken, Jurges Moltken, Hartich Reschynkel, Henneke Reuentlowe, knapen, vnde alle ere medehulpere, de se bevragen konen vmme den mord vnde vmme den rof, den se hebben daen in her Vynke vnde in synen vrunden; de he myt sic hadde vp deme velde, dar se vmme synt vorwunnen myt alme Lubeschen rechte.

Nicolaus Vinke wurde (Schröders K. B. S. 37) im Jahre 1399 in den Rath erwählt und wurde 1407 Bürgermeister, als welcher er sich 1408 auf einer Tagefahrt zu Lübeck als Vertreter der Stadt befand. Da der Name in älterer Zeit in Wismar nicht vorkommt, so wird die Familie erst im 14. Jahrhundert eingewandert sein, vielleicht von Poel, wo es Bauern dieses Namens gab und von wo mehrere bedeutende wismarsche Geschlechter stammen. 1361 wird ein Nicolaus Vinke genannt, der möglicher Weise der Vater des Bürgermeisters war. Daß dieser kein unbedeutender Mann gewesen, darf man wohl daraus schließen, daß er, nachdem er erst acht Jahre im Rathsstuhle gesessen, zum Bürgermeister erwählt wurde, und selbst die Umstände seines Todes dürften diese Vermuthung unterstützen. Denn daß hier kein gemeiner

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Raubmord durch Stegreifritter stattgefunden, scheint auf der Hand zu liegen, da die Motivirung der Verfestung durch Raub offenbar nur zur Verstärkung derselben dient, während der Mord das Hauptmoment abgegeben haben wird; sicherlich ist der Raub auch nur von denen geübt, die man noch erst "erfragen" wollte, von den Knechten der Edelleute. Es spricht ferner gegen einen gemeinen Raubmord der Umstand, daß zwei Ritter sich unter den Verfesteten befinden, die, so weit meine Erfahrung reicht, sich mit Wegelagern in der Regel nicht abgaben und dies den Knappen überließen. Der Hauptgrund für die Annahme besonderer Motive zu dieser That liegt aber darin, daß ein Bürgermeister der befreundeten Stadt Rostock, Hinrik Witte, mit unter den verfesteten Thätern aufgeführt wird. Mag hier nun ein Act persönlicher Rache geübt sein, oder mag der Ueberfall dem Bürgermeister gegolten haben, das wismarsche Archiv bietet nichts mehr, was diese Angelegenheit aufklären könnte, und mag hier schließlich noch bemerkt sein, daß dieselbe später beigelegt worden ist, da die Inscription im Liber proscriptorum getilgt ist. Die Errichtung des Denksteines ist ohne Zweifel ein Theil der Sühne gewesen 1 ).

3. Denkstein von Sauensdorf

Nicht weit hinter Beidendorf an der Landstraße von Wismar nach Gadebusch steht links am Wege dem Hofe Sauensdorf gegenüber ein 6 1/2 Fuß hoher Denkstein. Der Kopf ist parallel seinem Rande vertieft, doch ist diese Vertiefung nicht rein kreisförmig, sondern sie erweitert sich in den Hals hinein noch einmal in einem geschweiften Spitzbogen (Eselsrücken), so daß die ganze Vertiefung die Fischblasenform hat. In derselben ist ein Crucifixus erhaben dargestellt; die hintere Seite des Kopfes zeigt dieselbe Verzierung. Die Schrift beginnt am Fuße des Steines und läuft an dessen rechten Rande bis zum Halse hinauf; sie setzt sich fort unter dem Halse in fünf


1) Gerd Hasenkop zahlt für den Todtschlag des Vaters Albrecht Toden 26 Mk. und verpflichtet sich, ihm ein Kreuz vor dem Dorfe Rüting zu setzen. 1480. Bruder Johann Dorow, Hofmeister zu Redentin, zahlt für den Tod Titke Bolsken 30 Mk. (und zwar 10 Mk., wenn die Hand begraben wird, was mit 50 Personen geschehen soll), und soll ein hölzernes Kreuz auf Redentiner Gebiet (domineum) an der gemeinten Straße errichten. 1483. Hans Both, Joachim v. Broke und Jaspar Both zahlen für den Todtschlag Clawes Schröders vom Broke 40 Mk. und verpflichten sich zur Setzung eines Kreuzes für ihn in das Dorf zu Kalkhorst. 1486. Lib. testimon. civ. Wism. ad a.
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wagerechten Zeilen, welche sich bis an den linken Rand desselben erstrecken, und den Rest der Inschrift enthält eine Zeile, die unter der wagerechten beginnend am linken Rande hinunterläuft. Man liest folgendes:

Inschrift

Das ist:

[Anno domini] mccccxxxix feria iij ante festum ascensionis domini obiit Johannes Steenvord ciuis Wysmariensis. Orate pro anima eius. Hanc crucem posuit hic [ . . . ] frater eius.
= Im Jahre des Herrn 1439 am Dienstage vor dem Fest der Himmelfahrt des Herrn (12. Mai) starb Johannes Steenvord, Bürger von Wismar. Betet für seine Seele. Dies Kreuz setzte hier . . . sein Bruder.

Das Datum der Jahreszahl 1439 ist nicht ganz sicher und wäre möglicher Weise auch statt XXXIX zu lesen XXXV, doch scheint jenes richtiger. Der Name des Bruders ist ganz abgesprungen. Unter den wagerechten Zeilen und zwischen den seitlichen sind die Umrisse eines Betenden eingegraben, denen auf der Rückseite ein Schild mit einem Hauszeichen entspricht.

Der Name Stenvord ist nicht selten in Wismar. Um 1300, wahrscheinlich noch vor diesem Jahre, wurde Peter, 1339 Merten von Stenvord als Bürger dort aufgenommen. Johannes Stenvord wird 1360 genannt. Endlich vertragen sich Herman Stenvord und sein Sohn Johannes 1421 wegen des letzteren müttertichen Erbtheils, verdienten Lohns und alles bis dahin gehabten Haders und Unwillens. Vielleicht war es dieser, dem unser Denkmal gesetzt ist.

Zu bemerken ist, daß dieser Stein, diese "Docke" Francks, in der Inschrift crux, Kreuz, genannt wird. Es geht daraus hervor, daß wo im Mittelalter bei uns von steinernen Kreuzen als Denkmälern die Rede ist, Steine dieser Art zu

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verstehen sein werden, welche ihre Benennung wohl von dem auf dem Steine angebrachten Crucifixe tragen. Solche Kreuze sind nicht ganz selten. So wird im wismarschen Stadtbuche um das Jahr 1290 eine crux auf der Stede des von der Stadt 1279 angekauften und zur Stadtfeldmark gelegten Dorfes Dargetzow erwähnt. 1333 wird "Cillinges krutze" genannt, welches, wie ich glaube, vor dem meklenburger Thore stand. In der wismarschen Friedensurkunde von 1430 wird Art. 4 bestimmt, daß man "eyn stenene cruce" auf den Markt setzen solle, wo der Bürgermelster Johann Bantzekow und der Rathmann Hinrik v. Haren enthauptet wurden; Reimar Kock kannte dasselbe als "eine stenen docke" (Grautoffs Lüb. Chron., Bd. II, S. 684). Auch in dem Vertrage zwischen dem Bischofe von Schwerin und der Stadt Rostock wegen der Domhändel wurde festgesetzt, daß die Stadt dem erschlagenen Probste ein steinernes Kreuz errichten sollte, das gegenwärtige Monument nennt Franck aber, wie bereits oben bemerkt, gleichfalls eine Docke.

C. D. W.     


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Ueber die große Glocke zu Hohenkirchen,

welche eine schöne und seltene Umschrift führt, ist im Jahresbericht III, S. 182 bis 185 sehr ausführlich die Rede gewesen. Nach ziemlich sichern Zeichnungen lautet die Inschrift:

am obern Rande:
Inschrift

 

oben auf dem Helme:
Inschrift

Ich versuchte 1838 statt der vielen andern Erklärungen, welche nicht zutreffen konnten, a. a. O. S. 184, Note, folgende Abtheilung und Erklärung, welche im Allgemeinen ziemlich richtig sein mußte:

vas deus hoc signa plebs salva statura benigna.

und nahm an, daß: vas = Glocke, und signa = segne, bedeute, in pelb das l, statt plebs, versetzt und dahinter ein

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s ausgefallen sei und endlich statura sc. sit für maneat oder sit stehe, so das der Sinn sei:

Segne, o Gott, diese Glocke; das gerettete Volk sei glücklich.

Nun theilt Otte in seiner Schrift: Glockenkunde, Leipzig, 1858, S. 81, Note 3, dieselbe seltene Anschrift mit, welche auch auf einer Glocke zu Wiesenburg bei Belzig, ebenfalls in Majuskelschrift, steht und also lautet:

Vas, deus, hoc signa; plebs sancta et aura benigna.

Mit Hülfe dieser Inschrift wird sich die Inschrift der Glocke zu Hohenkirchen mit ziemlicher Sicherheit erklären lassen. Ich lese jetzt nämlich:

Inschrift

und bemerke dabei: daß mehr als wahrscheinlich: SIN s N A für SI s N A steht, wie im Mittelalter häufig ein N vor GN eingeschoben wird; daß in PELB das L versetzt und das schließende S wegen des folgenden S ausgefallen ist, das Wort also PLEBS hätte lauten müssen; daß ST abbrevirt für S l T, d. sit steht; man könnte auch annehmen, daß in ST der erste Buchstabe beim Abschreiben falsch gelesen sei und das Wort e T (et) heißen müsse, jedoch ist diese Abweichung nicht bedeutend. Ich lese daher die hohenkirchensche Inschrift also:

Inschriftskreuz Vas, deus, hoc signa; plebs salva sit, aura benigna.

(d. i. Segne, o Gott, diese Glocke; das Volk sei wohl, die Luft gesund.)

G. C. F. Lisch.     

 


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III. Zur Münzkunde.


Der Münzfund von Boek.

Zu Anfang des Decembers 1857 ward auf dem Gute Beek in der Nähe von Waren beim Pflügen eine Anzahl Münzen gefunden und vom Herrn Landrath Baron Lefort wurden diejenigen, welche die Sammlung des Vereins noch nicht besaß, derselben gütigst überwiesen.

Derjenige Theil der Feldmark, wo diese Münzen gefunden wurden, wird von den Leuten die Müritzfläche, oder kurzweg "de Flaeke" genannt. Es ist ein Areal von etwa 150,000 []R. neuen Landes, früher alten Seebodens, welcher seit der ersten Senkung der Müritz, die vor ungefähr 60 Jahren stattfand, allmälig trocken geworden ist. Stellenweise ist dieses Land schon früher in Acker umgewandelt, im Ganzen hat es jedoch lange als Weidefläche dagelegen, neuerdings wird immer mehr davon urbar gemacht. Nach Zurücktreten der Müritzgewässer entstand auf dem neuen Felde eine dichte Decke kurzer, aber sehr nahrhafter Gräser, deren Wurzelgewebe dort, wo der Pflug noch nicht hingekommen, eine ungemein zähe und filzige Narbe bildet. Unmittelbar unter dieser Narbe haben die Münzen auf einer kleinen Stelle beisammen gelegen und ist seine Spur von Kiste, Büchse oder Beutel, worin das Getd etwa verschlossen gewesen, aufgefunden worden. Der Wirthschafts=Inspector war zugegen, als die Münzen ausgepflügt wurden, hat alle aufgefundenen Münzen zu sich genommen, auch sofort weiter nachgraben lassen, ohne jedoch tiefer im Lande des alten Seebettes irgend etwas mehr zu finden. -

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Die Leute erzählen sich übrigens, daß schon früher in derselben Gegend der Fläche alte Kessel und Grapen aufgefunden worden sind.

Die Anzahl der Münzen war 224 und ihr äußeres Ansehen bewies, daß sie im Wasser gelegen hatten, sie hatten nicht die Grünspan=Oxydation der Funde im Lande, sondern waren größtentheils ganz schwarz (Schwefelsilber), haben aber durch kunstmäßige Reinigung ihr volles Ansehen wieder erhalten.

Die neueste Münze ist von 1635 und weiset also bestimmt genug auf die Zeit hin, wo dieser Vorrath eines nicht unbemittelten Mannes in die Tiefe des Sees geborgen wurde, auf die letzten Zeiten des dreißigjährigen Krieges. Dies spricht sich in der Menge der verschiedenen Münzstätten aus, welche hier ihren Beitrag geliefert haben, nicht allein deutsche, sondern auch fremdländische, wie es denn überhaupt der Charakter aller Münzfunde aus den unruhigen Zeiten ist, die da Menschen aus den fernsten Gegenden umhertreiben und ihr vaterländisch Geld mit ihnen, welches sich dann, wenn es auch gar nicht den Währungen gemäß ist, wo es umlief, doch hinein fügen muß, wie es z. B. hier mit den englischen Sixpencestücken der Fall ist, welche sicherlich den halb Reichsorten gleich gerechnet wurden. Ferner ist zu bemerken, daß von den schwerern Münzen, die vor dem Kriege in Umlauf waren, nur sehr wenige vorkommen, die waren damals schon in den Tiegel zurück gegangen, jedoch eigentliche Kipper= und Wippermünzen, welche die Zeit in Menge hervorbrachte, finden sich nicht.

Wenden wir uns nun zu dem Einzelnen, so hat Meklenburg sowohl in der schwerinschen Linie Adolph Friedrich, wie in der güstrowschen Hans Albrecht, mit den beiden Städten Rostock und Wismar die meisten Stücke geliefert (70), jedoch ist keine größere Münze darunter, wiewohl von beiden Herzogen nach ihrer Rückkehr ins Land Thaler geschlagen wurden, die auch von beiden Städten vorhanden sind. Die Münzen, die sich hier vorfanden, waren die bekannten Schillinge und Sechslinge aus den Jahren 1621 - 24, dann schweriner Dütchen von 1632 und 33. Von Rostock und Wismar gleiche Werthe aus denselben Jahren, ein halb Reichsort von Rostock von 1634 (Evers II, 374. 4) war die größte vaterländische Münze. Aus den frühern Zeiten hatten sich 2 Schillinge erhalten, einer von Herzog Johann Albrecht von 1552 und ein wismarscher von 1553, und bot also diese Classe wenig bemerkenwerthes dar, und ist das Zahlverhältniß derselben:

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halb Ort. Dütchen. Schillinge. Sechslinge.
Fürstliche - 9 29 10
Rostock 1 2 13 -
Wismar - - 5 1
----- ----- ----- -----
1 11 47 11

Die Münzen von Lübeck fallen in die Zeit von 1620 bis 1632; es waren: ein halber Thaler von 1629 (Schnabel, p. 93), 2 Ortsthaler von 1623 und 1632 (das. p. 86 und 87), 3 halbe Ortsthaler von 1622 (das. p. 80), ein Dütchen von 1629 (das. p. 59), ein Schilling von 1620 (ein Gepräge, das bei Schnabel p. 50 fehlt, denn es hat civitatis und die volle Jahreszahl 1620,) und 15 Sechslinge von 1621, 22 und 24, im Ganzen also 23 Stück.

Hamburg gab den Thaler von 1622 (Hamb. Münzen, II, S. 248. n. 412), einen halb Reichsort von 1621 (das. S. 266 n. 614) und einen ältern Sechsling von 1597, dessen Gepräge (AV) a. a. Orte S. 309 nicht vorkommt.

Pommern war mit 8 Münzen vertreten, nämlich es fand sich ein älterer Ortsthaler des Herzogs Johann Friedrich von 1582 mit Brustbild und Wappen, 2 Doppelschillinge von Philipp Julius von 1610, deren einer mit dem Stempel von Stralsund bezeichnet war, 2 Groschen von 1622 und desgleichen von 1623. Von Herzog Ulrich war ein Dütchen von 1622 vorhanden. - Stralsund gab 3 alte Schillinge und 11 Dütchen aus den Jahren von 1628 - 1631 in bekannter Form.

Der Thaler des Herzogs Augustus zu Sachsen (Lauenburg) von 1622 war die einzige Münze aus diesem Lande in der bekannten Form bei Madai I, 1313, der aber diesen Jahrgang nicht anführt.

Vom Bischof zu Ratzeburg, Augustus, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, war der bekannte halbe Ortsthaler von 1635 (die jüngste Münze des Fundes) vorhanden, von seinem Bruder, Christian zu Minden, 4 halbe Ortsthaler von 1627, 28 und 32.

Aus dem Hause Braunschweig=Lüneburg fanden sich ein halber Thaler des Herzogs Heinrich Julius und ein Ortsthaler desselben, beide von 1612 mit Wappen und Wildmann, welche sich beide in dem Numophyladum Brunsvico-Luneburgense von Nicol. Seeländer nicht finden, wiewohl er die ganzen Thaler iu dieser Gestalt von verschiedenen Jahren anführt. Von Herzog Friedrich Ulrich ist der Thaler von 1631 da, welcher mit dem behelmten Wappen und dem Wildmann

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in verschiedenen Jahren vorkommt (Madai I, n. 1124), von ihm war auch ein halber und ein OrtsthaIer, beide von 1632, vorhanden, mit gekröntem Wappen und Wildmann. Von Herzog Wilhelm fand sich ein halb Ortsthaler von 1622.

Aus dem Hause Sachsen waren vom Churfürst Moritz 4 Ortsthaler da, aus den Jahren 1545, 48 und 50, von Churfürst August ein gleicher von 1555. Der Thaler von Churfürst Christian mit seinen beiden Brüdern, der eine Reihe von Jahren hindurch geschlagen ward (Madai I, n. 517) war hier vom Jahre 1597, desgleichen auch ein Ortsthaler der drei Brüder von 1609. Vom Churfürsten Johann Georg waren ganze Thaler von 1624 und 1630 da, desgleichen ein halber von 1612, alle mit Brustbildern und Wappen in bekannter Gestaltung. Aus dem Hause Altenburg war der Thaler des Herzogs Johann Philipp und seiner Brüder von 1623 da (Madai I, n. 1465), so daß also aus dem Hause Sachsen sich 11 größere Münzen fanden.

Von Würtemberg war ein sehr zierlicher halber Thaler des Herzogs Johann Friederich von 1624 da, der entsprechende ganze ist bei Madai I, 1629, desgleichen Köhler Münzbelust. III, p. 321 zu finden. Ein Kreuzer des Herzogs Ulrich mit den Wappen von Würtemberg und Teck auf der einen und dem montfortschen auf der andern gehört einer frühern Zeit 154. an. Der gräflich erbachsche Thaler, der zu den seltneren gerechnet wird (Köhler Münzbel. VII, p. 57, Madai I, n. 1684), war hier von 1624 und der gräflich mansfeldsche, den Madai 1804 von 1624 anführt, von 1625 vorhanden, der gräflich schlicksche Thaler von 1526 war von einem andern Gepräge als der von Madai II, 4370 angeführte, denn in der Umschrift steht nicht ET, sondern nur E und die Jahrszahl ist verkürzt 26 und nicht voll ausgeschrieben. Vom Grafen Johann von Stolberg war der halbe Thaler - von 1609 da, dessen ganzer von Madai I, n. 1417 angegeben ist.

Herzog Johann Adolf von Schleswig=Holstein ward durch einen Sechsling von 1615 in bekannter Form repräsentirt.

Von Städtemünzen fanden sich aber folgende:

Kaufbeuren ein sehr zierlicher Ortsthaler von 1543 mit dem Bilde und der Umschrift Kaisers Carl V. auf der einen und dem Stadtwappen auf der andern Seite, wovon der entsprechende Thaler bei Madai II, 4963 zu finden ist.

Nürnberg gab einen Thaler von 1627 in der Form,

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wie ihn Madai II, 5058 von 1624 anführt und dabei bemerkt, daß er von verschiedenen Stempeln und Jahren vorhanden sei.

Werden ein halber Thaler von 1545. hat das Brustbild des Kaisers mit der Umschrift CAROLVS ° V ° ROM . IMP ° SEMP ° AVG Blumenvignette und auf der Rückseite den gekrönten Reichsadler mit einem Schilde auf der Brust, worin ein W. Umschrift MO ° NO ° ARGE ° CIVI ° SVE ° WERD 45.

Worms hat einen halben Thaler von 1614, wo über dem Stadtwappen ein Drache hervorragt, im übrigen aber dem Thaler von 1617 bei Madai I, 2355 entspricht.

Der Ortsthaler von Braunschweig hat keine Jahrszahl, ist aber, da er Carls V. Namen trägt, in die frühere Zeit zu stellen; der halbe Reichsort von Hannover von 1625 hat die Werthangabe, und beide sind mit dem Stadtzeichen geziert, auch der halbe Thaler von Halberstadt von 1629 (Madai II, 4904 hat den entsprechenden ganzen) zeigt das Stadtwappen, aber auch das Bild des h. Stephan mit Buch und Palmzweig und den Namen in der Umschrift.

Aus dem deutschen Kaiserhause Oesterreich ist ein Ortsthaler des Königs Ferdinand mit Brustbild und einköpfigem Adler vorhanden. Von dem Erzherzog Albert und seiner Gemahlin Elisabeth fanden sich 3 viertel Kreuzthaler, einer von 1601, die andern ohne Jahrszahl, alle mit dem burgundischen Kreuze bezeichnet, und ist der entsprechende ganze Thaler bei Madai II, 3860 zu finden. - Von Erzherzog Ferdinand war der bekannte Thaler ohne Jahrszahl (Madai II, 3858) vorhanden. - Von Böhmen zeigte sich ein Viertelthaler des Königs Ferdinand II. von 1624 mit dem stehenden Bilde des Kaisers, und von Ungarn ein Viertelthaler des Königs Rudolph II. von 1588 und ein ganzer Thaler des Königs Matthias von 1614 (v. Schultheß = Rechberg I, n. 2442, Madai II, 2722 mit Bemerkung der Seltenheit).

Von den Münzen der Niederlande fand sich ein halber Thaler der Generalstaaten, mit einem Schilde, in dessen sechs Feldern die Wappen der Staaten, und auf der Rückseite ein Geharnischter mit 7 Pfeilen von 1590. Von Seeland war em Thaler von 1619, von Westfriesland dergleichen von 1624 (wie Madai II, 4643), von Utrecht ein halber Thaler von 1620 vorhanden und außerdem noch 2 abgegriffene, wie denn überhaupt die niederländischen Münzen weniger schön sind.

Von König Philipp von Spanien sind verhältnißmäßig viele Münzen in diesem Funde: 4 viertel und 10 achtel Piaster, welche sich in die Orts= und halben Ortsthaler einfügen

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mußten. Die hier vorkommenden sind, so weit sie erkennbar waren, aus den Jahren 1562 -1572 und für die niederländischen Besitzungen geschlagen, wie sich aus dem burgundischen Kreuze, auf dem das Wappen liegt, ergiebt, und es ist bekannt, wie wenig diese Münzen zu dem Reichsfuße paßten.

Der Sixpence - Stücke von England fanden sich drei, eins von Elisabeth von 1570 und zwei von Jacob von 1604 und 1621, mit Brustbild und Wappen.

Mit Ausnahme der zuerst angeführten meklenburgischen Münzen waren fast alle größere Sorten, und es scheint also, als ob damals das kleine fremde Geld, das sich im Münzfund von Slate (Jahrb. XIX, 414) in so verschiedenen Geprägen fand, schon wieder aus dem Umlaufe verschwunden war. Außer den angegebenen fanden sich nur noch dänische kleinere Münzen, drei von König Friedrich II. von 1562 und 83, und 32 von König Christian IV. von 1596 - 1630, sowohl in 4, als 2 und 1 Skilling-Danske-Stücken, welche sich allerdings den Groschen, Schillingen und Sechslingen der norddeutschen Münzherrn leidlich anschlossen, und fast ein Jahrhundert lang ihren Weg in diese Gegenden nahmen, bis sie endlich bei dem schwereren Münzfuß unmöglich wurden.

Es befanden sich aber in dem Vorrathe, den der Mann gegen das Ende des 30jährigen Krieges in der Müritz verbergen wollte: 15 Thaler, 13 halbe Thaler, 23 Ortsthaler, 25 halbe Reichsorte oder Achtelthaler, 4 Vierschillingsstücke (dänische), 24 Dütchen, 24 Groschen (18 dänische 2=Skillingstücke eingeschlossen), 69 Schillinge (15 dänische 1=Sk. eingeschlossen) und 27 Sechslinge.

G. M. C. Masch.     

 


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IV. Zur Kunstgeschichte.


Der Hochaltar
der S. Georgen=Kirche zu Parchim,

von

G. C. F. Lisch,
Archiv=Rath und Conservator.


Die S. Georgen=Kirche in der Altstadt zu Parchim hatte einen für die Kunstgeschichte höchst merkwürdigen Altar aus dem Mittelalter. Im J. 1842 stand dieser Altar noch (vgl. Jahrbücher des Vereins für meklenb. Geschichte, VIII, S. 109) innerhalb der mit reichem Schnitzwerk verzierten Altarschranken, nebst vielem andern alten Schnitzwerk 1 ). Seitdem ist die Kirche im J. 1844 gründlich "restaurirt" und damit alles alte Schnitzwerk aus der Kirche entfernt. Von dem alten Hochaltare sind die 12 Apostel abgebrochen und zu beiden Seiten eines auf Leinewand gemalten Christusbildes auf einem neuen Altarschreine angebracht, dessen zwei Pfeiler außerdem mit zwei weiblichen Heiligen von dem alten Altare verziert sind.

Da ich im J. 1842 die Einrichtung des Altares aufgenommen habe, so kann ich jetzt noch eine Beschreibung des=


1) Welchen Reichthum an Kunstwerken die S. Georgen=Kirche zu Parchim besessen haben muß, beweiset die Thatsache, daß sie 35 Neben=Altäre hatte.
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selben liefern. Der Altar war ein Flügelaltar mit doppelten Flügeln. Die Vorderseite war mit vergoldeten und bemalten geschnitzten Figuren unter Baldachinen besetzt.

Die Mitteltafel war in der Vorderansicht in drei Abtheilungen getheilt. In der Mitte stand der dornengekrönte Christus (Ecce homo), über den zwei Engel den Königsmantel hielten; neben demselben standen in zwei Reihen über einander die zwölf Apostel. Die beiden Flügel waren in der Vorderansicht queer auch in zwei Abtheilungen getheilt: in jedem Flügel standen oben vier männliche, unten vier weibliche Heilige, also in den Flügeln zusammen sechszehn Heiligenbilder. Die Hinterseiten waren, wie gewöhnlich, mit Malereien auf Goldgrund geschmückt. Oben über der Verzierungsleiste stand ein alter Wappenschild: auf grünem Grunde ein schwarzer Queerbalken mit drei goldenen Weintrauben.

Dieser Altar ist in neuern Zeiten hart mitgenommen worden. Zuerst wurden am Ende des 17. Jahrhunderts die Malereien auf den Flügeln dem Untergange geweihet. Sei es, daß sie hinfällig geworden waren, sei es, was glaublicher ist, daß kirchliche Eitelkeit sich überhob und an die Stelle des Guten etwas recht Schlechtes im Geiste der Zeit setzte: im Jahre 1699 wurden die alten Gemälde mit schlecht gemalten neuen Passionsgemälden bedeckt. Cleemann berichtet (Chronik der Vorderstadt Parchim, 1825, S. 278): daß die Flügel "1699 auf Gregor Liedlich's und Jacob Brasch'ens Kosten bemalt" worden seien. Diese Nachricht, welche auch auf die Flügel gemalt war, ist jetzt nicht mehr mit Bestimmtheit zu entziffern. Auf der Rückseite der Flügel ist noch zu lesen: "Zur Ehre Gottes und Zierde dießer Kirchen hadt dieße Paßiohn Seite vermahlen laßen . . . . . . . . . ch und seine Hausfrauw Elisabeth Foß. - - 1699". Diese Bilder sind in Oel auf Leinewand gemalt und fest auf die Flügel genagelt, so daß durch die Absperrung von Luft und Licht die alten Bilder darunter sicher dem Verderben preisgegeben sind, wenn noch etwas vorhanden war, was allerdings zu glauben ist.

Die Restauration der jüngsten Zeiten zerriß und vernichtete theilweise den ganzen Altar. Die Täfelung der Mitteltafel ward vernichtet, der Christus ward verworfen, die zwölf Apostel wurden zu dem nur einfach architektonisch construirten Altare verwandt und neu bemalt und vergoldet. Aus den Flügeln nahm man die Heiligenbilder und warf sie mit vielem andern Schnitzwerk auf ein in der ehemaligen Sacristei erbauetes jüngeres Grabgewölbe. Die Flügel selbst wurden in der Thurmhalle so an die Wande genagelt, daß die Vorder=

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seiten mit den Baldachinen an die Wand gekehrt und die schlecht gemalten Passionen von 1699 zur Schau gebracht wurden.

Da der Altar eine besondere Wichtigkeit hat, so unternahm ich im J. 1857 eine Untersuchung und Herstellung, so weit die letztere noch möglich war. Ich ließ die Tafeln wieder umkehren, so daß der Goldgrund mit den Baldachinen wieder ans Tageslicht kam, suchte die Heiligenbilder von dem Sacristeigewölbe wieder hervor und setzte sie unter ihre Baldachine; sie fanden sich glücklicherWeise auch alle (14) wieder und konnten an ihre alte Stelle gesetzt werden, mit Ausnahme der beiden weiblichen Heiligenbilder, welche zur Verzierung der Pfeiler des neuen Altars verwandt sind. Eine weitere Untersuchung ergab, daß die alten Malereien auf den Flügeln unter den aufgenagelten jüngern Passionsgemälden völlig abgefallen waren; es waren nur noch ganz geringe Ueberreste vorhanden, aus denen sich aber ergab, daß die alte Malerei in lebhaften und kräftigen Farben ziemlich gut ausgeführt gewesen war.

Die auf der Rückseite mit Zeichen bezeichneten Heiligenbilder konnten genau wieder an ihre alte Stelle gesetzt werden. Die Anordnung ergab folgenden Zusammenhang.

Es standen:

auf dem Flügel zur Rechten:

oben: vier männliche Heilige:

der H. Gregor, als Papst;
der H. Hieronymus, mit Kardinalshut und Buch;
der H. Georg im Harnisch, mit Schild und Lirndwurm;
der H. Victor (Gereon? oder Mauritius?), ein geharnischter Ritter mit einem Rittergürtel;

unten: vier weibliche Heilige mit einer Krone auf dem Haupte:

die H. Barbara, mit dem Thurm im linken Arme;
die H. Agnes, mit dem Lamm im linken Arme;
die H. Katharina, mit einem Rade (ohne Speichen, oder einer Scheibe?);
die H. Dorothea (?), mit einem Korbe oder Henkeltopfe in der Hand;

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auf dem Flügel zur Linken:

oben: vier männliche Heilige:

der H. Nicolaus von Bari (?), ein Diakon mit drei Broten (?) im rechten Arme;

der H. Rupert (?) von Salzburg, als Diakon, mit einem Satzfasse, welches ganz wie noch jetzt die gewöhnlichen hölzernen Küchen=Salzfässer gestaltet ist;

der H. Antonius (? oder Johannes Elemosinarius?) mit einem viereckigen Beutel in der Hand;

der H. Veit, als Bischof, in einem Grapen stehend, mit einem Buche im Arme;

unten: vier weibliche Heilige:

die H. Maria Magdalena, im Schleier und einer goldenen Büchse im Arme, steht an einem Pfeiler des neuen Altars;

die H. Anna (?), deren beide Arme ganz abgebrochen sind;

die H. Maria (?) (Elisabeth?), im Schleier, mit einer Schüssel mit zwei Fischen im rechten Arme;

die H. Christine (?), mit goldener Mütze und langem Haar und einem Buche im Arme, steht an einem Pfeiler des neuen Altares.

Die Anordnung ist daher aus folgender Uebersicht anschaulich:

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Altarmalerei
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Die ganze alte Arbeit ist von mittlerer Beschaffenheit und wie gewöhnlich die Altäre in den größern Kirchen; die Bildschnitzerei der Figuren ist ziemlich gut. Die Baldachine sind nicht reich und nicht fein; das Thurmwerk derselben ist nur bemalt; allein die Bogenverzierungen sind vergoldet. Die Malerei auf den Flügeln scheint recht brav gewesen zu sein.

Dieser Altar hat nun eine besondere Wichtigkeit für die ganze Kunstgeschichte dadurch, daß über die Anfertigung desselben ein Contract vom Jahre 1421 im großherzoglichen Staats=Archive zu Schwerin aufbewahrt wird, der hier am Schlusse mitgetheilt ist.

Am 19. November 1421 schloß der "Maler Henning Leptzow zu Wismar" ("Hennyngh Leptzowe, eyn meler, wonaftich tho der Wisiner," und: "pictor et opidanus opidi Wismariensis,") mit den Vorstehern der S. Georgen=Kirche zu Parchim (dem Pfarrer, dem Vikar, dem Officianten und einem Rathsherrn) einen Contract über die Anfertigung eines Altarschreins ("tafel") für den hohen Altar der S. Georgen=Kirche zu Parchim zur Ehre Gottes, der Jungfrau Maria und des heiligen Ritters Georg; er verpflichtete sich darin, auf die Tafeln 30 geschnitzte Bilder ("snedene bilde") 1 ) mit den dazu gehörenden Pfeilern und Baldachinen zu setzen, die Tafeln und Figuren mit seinem Golde und mit Farben zu belegen und auf die Flügel so viele und diejenigen "Materien" zu malen, welche die Kirchenvorsteher haben wollten und den Grund zu vergolden, so daß jeder Meister des Malergewerkes sagen müsse, daß er Gott und seiner Pflicht Genüge geleistet habe; er verpflichtete sich ferner, alles Holz= und Bildwerk und die ganze Arbeit auf seine Kosten zu übernehmen und den Altar fertig abzuliefern, auch zu nächsten Pfingsten seine Wohnung in Parchim aufzuschlagen und nicht von Parchim zu ziehen und keine andere Arbeit vorzunehmen, bis der Altar vollendet sei, es sei denn mit Erlaubniß der Kirchenvorsteher. - Für diesen Altar versprachen die Kirchenvorsteher dem Maler Henning Leptzow zu geben: freie Wohnung in Parchim, das Holzwerk und (geschnitzte) Bildwerk, das schon in der Kapelle stand, das Holz zu dem Altarfuße, alles Eisenwerk, 210 lübische Mark Pfenninge, drei Fuder Holz und zwei Seiten Speck; das Geld sollte von Zeit zu


1) Der Ausdruck: "snedene bilde" - geschnittene oder geschnitzte "Bilder" scheint sehr charakteristisch zu sein; man wollte "Bilder" haben, jedoch geschnitzte (nicht flach gemalte), um ihnen mehr Leben zu geben. Die geschickte Bemalung und Vergoldung der Figuren war daher eine große Hauptsache und allgemein verbreitet.
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Zeit während der Arbeit ausgezahlt werden, und wenn nach Vollendung der Arbeit 20 bis 30 Mark rückständig sein sollten, so versprach der Maler, dieselben ein halbes Jahr lang zu stunden.

Dies ist der wesentliche und vollständige Inhalt des Contracts, aus welchem hervorgeht, daß ihn ein Maler übernahm, der den Altar nicht allein in Malerei und Vergoldung, sondern auch in Bildschnitzerei, ja selbst in der Handwerksarbeit an Tischlerarbeit und Schmiedearbeit zu vollenden versprach; aus den Andeutungen des Contracts ist zu entnehmen, daß schon einige Figuren fertig waren, deren Benutzung dem Maler gestattet ward.

Wahrhaft rührend ist die Einfachheit und auf Rechtlichkeit und Gottesfurcht gegründete Zuverlässigkeit des Contracts. Hier ist nicht von Höhe und Breite, nicht von Quadratfußen Vergoldung, nicht von Rissen und Kartons die Rede; der Maler verspricht nur, den Altar so herzustellen, daß "jeder Meister des Malergewerkes sagen müsse, daß er seinem Herrn Gott und seiner eigenen Redlichkeit Genüge gethan habe"; er verspricht nur, Alles so zu machen, "wie es sich von Rechts wegen gebührt", und erbietet sich, "auf die Flügel zu malen, welche und wie viele Materien sie darauf haben wollen": und mit diesen Verheißungen begnügen sich dann auch die Kirchenvorsteher.

Eine andere Hauptwahrnehmung ist der Preis, welcher dem Maler für die Vollendung zugebilligt ward; die freie Wohnung war ihm zu einem so großen Werke unumgänglich nothwendig; die drei Fuder Brennholz und die zwei Seiten Speck sind kaum der Rede werth. Der eigentliche Lohn für Arbeit und Material des ganzen Altars sind also 210 lübische Mark, welche im J. 1421 einen höhern Werth 1 ) haben mochten, nach jetzigem Silberwerthe aber nur ungefähr 370 Thaler pr. Cour. werth sind. Diese Summe ist allerdings nicht bedeutend und ein Beweis für die große Gewandtheit der Künstler damaliger Zeit, die den Styl beherrschten. Bemerkenswerth ist die Bedingung, daß der Maler seine Wohnung in Parchim nehmen solle, ohne Zweifel um das fertige Werk vor jeder Beschädigung sicher zu stellen.


1) So sagt noch der Procurator und nachmalige Rathsverwandte und Secretair Bartholomäus Sastrow zu Stralsung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, daß "in seiner Haushaltung ihm, das eine Jahr weniger, das andere mehr, jedes Jahr 300 Gulden aufgegangen sei". Vgl. Barth. Sastrowen Herkommen, herausgegeben von Mohnike, III, S. 16, vgl. S. 7 ("daß man ein Jahr mit 100 Mark haushalten könne").
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Der Altar dieses Contracts ist nun ohne Zweifel der oben beschriebene ehemalige Hochaltar der S. Georgen=Kirche. Der Maler hatte sich verpflichtet, "30 geschnitzte Bilder" auf der Vorderwand anzubringen; der alte Altar hatte jedoch 31 Figuren: 1 Christusbild, 2 Engel, 12 Apostel und 16 Heilige. Wahrscheinlich ist die Darstellung des Christusbildes mit den zwei Engeln erst nach dem Abschluß des Contractes entworfen, oder die Christusfigur war schon vorhanden, oder der Maler rechnete die zwei Engel für eine Figur.

Von Interesse ist die Beschreibung der Bildsäulen und ihrer Einfassungen. In dem Contracte wird gesagt, daß Henning Leptzow liefern wolle: "druttich snedene bilde myd eren huseten, pilren, simborien vnde maschelrygen". Diese Ausdrücke sind dunkel und schwer zu erklären; ich will eine Erklärung versuchen:

husete sind die "Häuser", in welchen die Figuren stehen, ein allgemeiner Ausdruck für die äußere Einrahmung und Umkleidung der Figuren, der durch die folgenden besonderen Ausdrücke erläutert wird; besonders aber mögen auch die vergoldeten Hintergründe mit zu Häusern gerechnet sein.

pilre sind die "Pfeiler", in Form von Strebepfeilern, welche die einzelnen Figuren trennen.

simborien sind die ciboria oder Baldachine, welche die Figuren bedecken; ciborium oder cimborium war eine bedeckte Nische oder ein mit einem Thürmchen bedeckter Säulenbau über dem Altare, auch Tabernakel genannt; späterhin gebrauchte man das Wort überhaupt für eine Nische mit einer Krönung oder für die Krönung selbst, wie die Nischen des Hochaltars zu Doberan, in welchen die Figuren standen, im J. 1461 Cimborien genannt wurden: "imagines sanctorum, que continentur in cimborio summi altaris (vgl. Jahrb. XIX, S. 392). Auch in einer am 29. September 1399 von dem Fürsten Balthasar von Werle geschehenen Transfumirung einer darguner Urkunde vom 29. April 1313 im pommerschen Archive zu Stettin wird gesagt, daß auf dem Siegel des Dom=Capitels zu Camin unten: "fünf Figuren unter Ciborien ("inferius quinque ymagines super capitibus simboria") stehen. Das alte Siegel selbst (z. B. 1272 und 1274) zeigt unten fünf Figuren, über welchen drei einfache Rundbogen stehen; es werden also 1399 sogar einfache Bogen oder Wölbungen ohne Thürchen Ciborien genannt.

maschelrygen sind wahrscheinlich die Attribute der

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Heiligen, plattdeutsch verderbt aus dem dem Italiänischen entlehnten mittellateinischen Worte massaritia = Geräth, Werkzeug, Hausrath, wohl von mansio (französisch maison) hergeleitet.

Aus dem ganzen Contracte geht aber hervor, daß Henning Leptzow, Bürger zu Wismar ("opidanus opidi Wismariensis"), in Wismar wohnhaft, sicher ein Meklenburger war und daß die Altäre von Einheimischen gemacht wurden, was bei der sehr großen Anzahl solcher Arbeiten auch nicht anders zu erwarten ist. Die Künstler für große Werke hatten ihren Sitz freilich wohl nur in großen Städten, wie die Kirchenvorsteher in Parchim sich zur Anfertigung eines Hochaltars einen Maler aus Wismar kommen lassen mußten.

Von Wichtigkeit würde die Zeichnung und Vervielfältigung einer Figur dieses Altars mit Pfeilern und Baldachin sein, um einen ganz bestimmten Anhaltspunct für den Styl der Zeit 1 ) zu gewinnen.

Es folgt nun hier der Contract selbst.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

1) Der aus Lübeck stammende, jetzt wieder geöffnete, große Altar in der Kirche zu Grabow mit 56 Heiligenbildern ist auch datirt vom J. 1379 (vgl. Jahrb. X, S. 319).
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Contract.


Der Maler Henning Leptzow zu Wismar schliesst mit den Vorstehern der S. Georgen=Kirche zu Parchim einen Contract über die Anfertigung eines Hochaltars für die S. Georgen=Kirche zu Parchim.

D. d. (Wismar), 1421, Nov. 19,

mit dem Notariats=Instrumente über den Abschluss

d. d. Wismar, 1421, Nov. 30.

Nach dem Original=Notariats=Instrumente im grossherzogl. meklenburg. Geheimen= und Haupt=Archive zu Schwerin.


In nomine domini Amen. Anno natiuitatis eiusdem m. ccccxx primo, indictione xiiii, pontificatus sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini Martini, diuina prouidentia pape quinti, anno quinto, mensis Nouembris die vltima, in domo habitacionis honorabilis viri Johannis Vresen, consulis opidi Wismariensis, Raceburgensis diocesis, hora nona vel quasi, in mei notarii publici testiumque infrascriptorum presencia personaliter constituti discreti viri dominus Hinricus de Pritze, presbiter Zwerinensis diocesis, pro se et nomine honorabilium virorum dominorum Hermani Willer, plebani ecclesie sancti Georgii, Johannis Subus, officiantis ibidem, et Hinrici Rolof, consulis opidi Parchimensis, dicte dioceste Zwerinensis, et Hennynghus Leptzowe, pictor et opidanus opidi Wismariensis, dicte Raceburgensis diocesis, quandam cedulam papiream in manibus eorum tenuerunt, produxerunt et legi fecerunt in bec verba:

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In godes nâmen Amen. Vôr allen cristen lû, de desse schrift zê, hôren edder lezen, bekenne ik Hennyngh Leptzowe, eyn meler, wônaftich tho der Wismer, dat ik na den iâren godes vêrteynhundert iâr inme eynvndetwynteghesten iâre dârna, in sunte Elizabet dâghe der hilghen vrûwenâmen, hebbe mâket vnde iêghenwardich mâke in desser schrift êne êndracht myd den êrbâren heren vnde lûden, alze her Hermen Willer kerkheren, her Hinrik van Pritze vicario, her Johann Subus offiante der kerken sunte Jurien vnde myd Hinrick Rolof, râdman der stadt to Parchem, vmme êne tâflen to mâkende vp dat hôghe altare in der suluen kerken sunte Jurien to Parchem in de êre des almechteghen godes, syner lêuen môder Marien vnde des hilgnen ridders sunte Jurien in sodâner wise, alze hîr nâ screuen steyt, dat ik Hennyng vôrscreuen schal vnde wil to paschen nêghest thôkômende thên tho Parchem wônen in êne wônynghe, de my desse vôrbenômeden prêstere vnde lûde vrîg dâr tho scheppen scholen, vnde schal desser tâflen beghynnen to mâkende, dârinne stân scholen druttich snedene bilde myd eren hûseten, pîlren, simbôrien vnde maschelrygen, alze zyk dat dâr tho van rechte bôrt, vnde ik schal de bilde vnde tâflen thôvâten myd varwen vnde myd finen gholde vorgholden vnde belegghen bynnen vnde bûten, alze syk dat ghebôrt, vnde in de vlôghele desser tâflen schal ik mâlen, watte matêrien vnde wo vele matêrien ze dâr in hebben wyllen, vnde de ôk myd fynem gholde belegghen bynnen vnde bûten, alze vôrscreuen is, vnde hôuen alle dinck schal ik desse tâflen mâken bynnen vnde bûten, alzo dat eyn iêwelk werkman des melewerkes zegghe, dat ik vnseme lêuen heren gade vnde myner reddelcheyt vôr de pennynghe, de ze my hîr vôre gheuen scolen, vul ghedân hebbe, wan desse tâfle gantzeken rêde mâket is, vnde ik Hennyngh schal desse tâflen mâken vp myne êghene koste, vnde ik schal dâr tho scheppen alle holtwerk vnde alle bylde, bôuen dat holtwerk vnde bilde, de alrêde to Parchem in der capellen stân, behaluen dat holtwerk, dat to deme vôte desser tâflen hôrt vnde nutte is, dat scholen ze my scheppen, vnde ik schal den vôet hôwen vnde mâken lâten vp myne koste; ok alle yzerwerik, dat hîr tho hôrt, dat scholen desse heren vnde lûde my scheppen vp ere koste, vnde ik Hennyngh en-

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schal, noch enwil van Parchem nicht wônen thôn, id enzy dat desse tâfle gantzeken rêde zy. Ok enschal ik anders nyn mâlewerk vôre nemen to mâlende edder tho mâkende, êr desse tâfle rîde is, id enzy, dat ik dat dů na desser vôrbenômeden heren râde vnde willen. Hîr vôre scholen my desse heren vride lûde gheuen twêhundert lubesche mark pennynghe, alze tho der Wismer ghenge vnde gheue synt, vnde teyn lubesche mark pennynge, alze tho Parchem ghenge vnde gheue synt, drê vôder holtes vnde twê syde speckes. Desse twêhundert lubesche mark vnde teyn mark schalen desse heren vnde lûde my berêden bynnen Parchem edder bynnen der Wismer, vp ere êuentûre, wôr ik de berêdinghe lêuest hebben wil, van tyden to tyden allentêlen alze ik de tâflen berêde vnde mâke. Wêret ôk wan desse tâfle rêde is, dat dessen heren vnde lûden twyntich mark edder druttich mark enbrôke, alzo dat ze my de nicht rede gheuen konden, wan de tâfle rêde is, der pennynghe schal ik dach geuen vnde en der beyden myd ghû e den willen eyn half iâr. Alle desse vôrscreuen stucke vnde artikele vnde eyn iêwelk besunderghen lôue ik Hennyngh Leptzowe myd mynen eruen dessen vôrbenômeden heren vnde prêsteren, alze her Herman Willer, her Hinrick van Pritze, her Johan Subus, Hinrik Rolof, radman to Parchem, alze vôrstenderen desser tâflen vnde werkes, vnde tho erer vnde des suluen ghodeshûses sunte Jurien to Parchem trûwer hand den borghermêsteren vnde râdmannen dârsulues to Parchem stede vnd vast tho holdende in ghûden lôuen.

Post cuius quidem cedule productionem predicti dominus Hinricus de Pritze et Hennyngh Leptzowe omnia et singula in dicta cedula conscripta grata et rata habere et firmiter obseruare promisserunt, requirentes me notarium infrascriptum, vt ipsis super premissis vnum vel plura publicum vel publica conscriberem instrumentum vel instrumenta. Acta sunt hec anno, indictione, pontificatu et aliis quibus supra, presentibus honorabilibus viris dominis Jacobo Hoghenkerken, Gherardo Kos, presbiteris, Laurencio Manderowen, rectori scholarum apud beatam virginem, JohanneVresen, consule, Georgio Belowen, prothonotario, consulibus opidi Wismariensis

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antedicti et Johanne Bolten, laico, Zwerinensis et Raceburgensis diocesis sepedicte, testibus ad premissa vocatis et rogatis in testimonium omnium premissorum.

(L. Sign.)
Nicolaus
Craghe .
Et ego Nicolaus Craghe, clericus Zwerinensis diocesis, publicus auctoritate imperiali notarius, quia huiusmodi cedule productioni, lectioni omnibusque aliis et singulis, dum sic, vt premittitur, fierent et agerentur, vna cum prenotatis testibus presens interfui eaque sic fieri vidi et audivi, me aliis occupato negociis per alium fidelem conscribi feci et in hanc publicam formam redegi signoque et nomine meis solitis et consuetis signaui rogatus et requisitus, in euidens testimonium omnium et singulorum premissorum
 

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Das Amt und Wappen der Maler und Glaser

und

das Künstlerwappen,

von

G. C. F. Lisch,
Archiv=Rath und Conservator.


In neuern Zeiten ist oft Rede von einem Künstlerwappen, welches der Kaiser Maximilian I., oder nach andern der Kaiser Carl V., dem Mater Albrecht Dürer verliehen haben und welches das Wappen der "Künstler" geworden sein soll. Ganz abgesehen davon, daß zu Carl's V. Zeiten der allgemeine Begriff eines "Künstlers" im heutigen Sinne noch gar nicht ausgeprägt und geltend war, sondern jeder Künstler sich nach der Kunst, die er übte, wie z. B. Peter Vischer sich nur "Rothgießer" titulirte, so muß man die Forschung über diese Wappen in die Zeit der strengen Zünfte, in das Mittelalter hinaufführen, in welcher auch jede Kunst zünftig und einem Handwerk angelehnt war. Ohne auf Dürers Wappen eingehen zu wollen, ist es doch sicher, daß das sogenannte Dürer= oder Künstler = Wappen sehr viel älter als Dürer, und sehr weit verbreitet ist.

Das Wappen mit

einem Schilde, welcher drei kleinere Schilde trägt,

ist nämlich, so weit es sich verfolgen läßt, das Siegel der Zunft der Glaser und Maler, welche seit alter Zeit an sehr vielen Orten zu Einer Zunft oder Einem Amte vereinigt waren. Ursprünglich mag das Wappen den Malern allein gehört haben; es soll der Sage nach vom Kaiser Sigismund, nach Andern schon vom Kaiser Karl IV. den Malern verliehen worden sein. Hiefür mag auch das Wappen selbst sprechen, welches ein sogenanntes redendes Wappen ist. Da in alten Zeiten die Maler sich viel mit Bemalung von Schilden,

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d. i. mit Wappenmalerei 1 ) beschäftigten, auch die Malerei, mit Ausnahme der allgemein verbreiteten Monumental=Malerei, vorherrschend Miniatur=Malerei war, so wurden die Mater schon früh im Mittelalter 2 ) Schilder, Schildener oder Schilderer genannt; schon der Bischof Rudolf von Magdeburg (1192 + 1205) soll eine Schilder=Innung gestiftet haben 3 ). Von dieser Benennung mag es gekommen sein, daß die Maler oder Schildener. drei Schilde im Wappen führten. Erst später mögen sich die Glaser mit den Malern zu Einem Amte vereinigt haben, theils weil die Glaser in schildähnlichen Formen arbeiteten, theils weil Maler und Glaser in der Kunst der Glasmalerei zusammentrafen, welche in den letzten Zeiten allein von den Glasern ausgeübt ward.

Sehr klar werden diese Verhältnisse in den neu entdeckten und so eben bekannt gemachten 4 ) "Rechten der S. Lucas=Zeche zu Wien" aus dem 15. Jahrh. geschildert, da in dieser Zunft alle zeichnenden Künstler und die ihnen dienenden Handwerker vereinigt werden". In einem alten "Maler=Recht" (vor dem J. 1430) werden die "schilter und geistlichen maler" zusammengestellt und "ir arbeit" ist "was zu dem leib herrn, rittern vnd knechten zu schimph oder zu ernst gehort, es sein stechezeug, turneisezeug oder wie es genant ist". Im J. 1410 waren die "schilter, geistlichen maler, glaser, goltslacher vnd slechten glaser" in der S. Lucas=Zeche zu Einer Zunft vereinigt. Von dem "schilter" wird gefordert, "daz er mit sein selbs hand vier new stuch mach, einen stechsatel, ein prustleder, ein rosskopf, ein stechschilt, vnd daz er auch das malen chunn, als es herren, ritter vnd knechte an in vordernt". "Ein geistlich maler sol zuberaiten ein tauel mit prunirten gold vnd sol darauf malen ein pild. Ein glaser sol machen ein stuck von glaswerch mit pilden, daz sol darin geprant sein. Es sullun auch alle die, die slechts glaswerich arbaitend vnd gebrants werch


1) Die alte Heraldik des Mittelalters ist daher für die Geschichte der alten Kunst viel wichtiger, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist.
2) Vgl. Ziemann, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, unter dem Worte: "schiltäre. Schiltenäre" (schon im Parzival).
3) Frisch, Teutsch=Lat. Wörter=Buch. Vgl. Script. Rer. Brunsv. III, p. 356. "MCCVI (?). In dussem jare starff bischopp Ludeleff; - - he makede ock der schilder innien".
4) Vgl. Albert Camesina: Die ältesten Glasgemälde des Chorherrenstiftes Klosterneuburg und der Cistercienserabtei Heiligenkreuz, Wien, 1857, S. 29 - 34.
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"nicht kunnen, auch vor den maistern beweisen, ob sy des slechten glaswerich maister mugen sein oder nicht." Im J. 1442 erhielten die "maister schilter, maler vnd glaser vnd goldslaher" bestätigt, "das sich kain schilter, maler noch glaser, goltslaher, noch slechter glaser, der prants werich nicht kan, ze maister nicht seczen sol, er hat denn sein kunst vor den andern maistern ee beweist". Im J. 1446 waren die "maler, seidennater, schilter, glaser, goltslacher vnd aufdrukcher" vereinigt. "Ein seidennater sol stechen ain pild von seiden vnd ain pild erheben, als das zu perln gehöret vnd ain silt verwappen mit eim stechen von seiden." "Ein goltslaher sol slahen gold vnd silber, das die recht prait hab, vnd gesponnen arbait machen." "Ein aufdrukcher, der erhaben oder flache ding drukchen wil, der sol das auch erweisen vnd aufdrukchen." Im J. 1468 vereinigten sich die "maler, seydennater, goldtschlager vnd ausstruckher in einer zech". Im J. 1525 war auch "die karttenmacher in sand Lucas bruderschafft".

Diese S. Lucas=Zeche zu Wien ist wohl die weiteste Ausdehnung einer Künstlerinnung im Mittelalter. Gewöhnlich aber waren nur die Maler und Glaser zu Einer Zunft vereinigt, und diese beiden zusammen, oder die Maler und die Glaser allein führten immer drei Schilde im Schilde im Siegel.

In Rostock waren die Maler und Glaser schon früh zu Einer Zunft vereinigt; schon im J. 1400 hatten die Glaser und Maler zusammen 2 Mann Bewaffnete auszurüsten 1 ). Im J. 1533 beabsichtigte der Abt von Doberan, die Vorfahren des Herzogs Heinrich von Meklenburg "durch die glaser und maler" auf die Fenster des Kreuzganges malen zu lassen 2 ). Die Glaser und Maler hatten zusammen einen Altar und eine Vikarei in der Marienkirche und übten das Besetzungsrecht noch sehr spät. Noch am 24. August 1557 präsentirten die "Aelterleute des Glasergewerkes und Maleramtes zu Rostock" ("olderlude des glesewerkes vnnd melerampts to Rostock"), nach Ableben ihres letzten Vikars Matthäus Katte, den Magister Lucas Randow, Prediger an der Kirche des Heiligen=Geist=Hospitals, dem Herzoge Ulrich, als Administrator des Bisthums Schwerin,


1) Vgl. Jahrb. XXI, S. 43, Note 2.
2) Vgl. Jahrb. II, S. 38.
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zur Bestätigung durch die unten mitgetheilte Pergament=Urkunde 1 ), welche durch das "gewöhnliche Siegel" des vereinigten Amtes bekräftigt ist. Dieses runde Siegel, welches augenscheinlich im Anfange des 16. Jahrhunderts gestochen ist, enthält einen großen Schild, auf welchem drei kleine Schilde stehen, und auf einem in Falten umhergelegten Bande die nicht ganz klare und am Ende nicht mehr deutlich zu lesende Umschrift:

Umschrift

Das Glaseramt zu Rostock führt noch jetzt ein Siegel mit einem Schilde, auf welchem drei Schilde stehen, und der Umschrift:

S. D. GANTZEN. AMDTES. D. GLASER. THO. ROSTOCK.

Auch in Stralsund waren die Maler und Glaser in Einem Amte vereinigt und hatten ebenfalls eine eigene Capelle in der Marienkirche. In der aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammenden Beschreibung der 44 Altäre dieser Kirche durch Franz Wessel († 1570) heißt es 2 ):

"44. Dat lateste is der meler und glaser capell, dar hefft Peter Badendick vast vele in gestifftet, wie men findt in einer matricel. Man kan auerst by dem gedachten ampte nicht vormercken, dat sie idt im gebruke gehatt hebben. Die gleser bekennen, dat sie men 50 Mk. houetstohls capellengeldt hebben; dat is nu in Kösters des oldermannes hende gekamen, dar schal idt ovel tho redden wesen" etc. .

In Lübeck, wo in atter Zeit alles eine größere Gestalt hat und noch heute ehrwürdig fortlebt, waren zur Zeit der größten Kunstblüthe der Stadt die Maler noch von den Glasern getrennt. In Lübeck ist noch ein altes, großes, rundes Siegel vorhanden, welches einen Schild mit drei Schilden und über dem Schilde einen Helm enthält, auf welchem zwischen zwei Hirschhörnern eine wachsende Jungfrau steht, welche die beiden Hörner mit den Händen faßt, mit der Umschrift:


1) Die Mittheilung dieser Urkunde mit der Beschreibung des Siegels zur vaterländischen Kunstgeschichte ist ein Hauptzweck dieser Zeilen.
2) Vgl. die ehemaligen Altäre der S. Marienkirche zu Stralsund, von Franz Wessel. Herausgegeben von Dr. Ernst Zober, in der Sundine, 1839, S. 244.
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DER . MALER . AMPTS . WAPEN . IN . LVBECK . 1425.

(mit der Jahreszahl 1425 in der Umschrift des Siegels).

In der S. Katharinenkirche steht noch der aus dem J. 1487 stammende Altar der Maler, welcher den H. Lukas enthält und das Wappen mit drei silbernen Schilden im rothen Schilde.

Darauf bildeten die Maler und Glaser auch in Lübeck Ein Amt. Sie haben sich aber im 17. Jahrh. zur Zeit der bürgerlichen Streitigkeiten wieder getrennt. Aus dieser Zeit stammt denn wohl das Siegel der Glaser, welche noch das alte Siegel führen: ein aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammendes, kleines rundes Siegel, mit einem Schilde, auf welchem drei Schilde stehen, und einem Cherubimkopfe (wohl nur eine Verzierung) über dem Schilde und der Umschrift:

DER GLASER AMPTS SIEGEL IN LVBECK.

Die Glaser haben im Kreuzgange der Katharinen=Kirche noch ihr Versammlungszimmer und schenken dahin beim Meisterwerden noch gemalte Glasfenster. Innerhalb des Zimmers ist auf der Thür im vorigen Jahrhundert der H. Lukas gemalt, neben demselben ein rother Schild mit drei silbernen Schilden. Dieselben Farben hat ein neueres Schenkfenster in dem Saale. An dem alten Altare der Maler in der Katharinen=Kirche steht dasselbe Wappen mit denselben Farben.

Was nun die Farben des Maler= und Glaser=Wappens, oder des sogenannten Künstlerwappens, betrifft, so sind sie allgemein (mit wenigen, vielleicht neuern Ausnahmen).

in Deutschland roth für den Hauptschild und silbern für die drei kleinen Schilde,

wie sie in Lübeck noch heute überliefert sind. In den Niederlanden und Frankreich ist jedoch die Farbe des Hauptschildes blau und die der drei kleinen Schilde silbern. Diese Farben scheinen in neuern Zeiten von dem Auslande in einige deutsche Malerzünfte übertragen zu sein.

Die Vereinigung des Glaser= und Maler=Amtes hat an vielen Orten gute Früchte getragen, namentlich auch in Rostock, indem Glaser und Maler hier eifrig die Glasmalerei trieben. Noch im J. 1515 malten rostocker

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Meister für die Kirche zu Doberan Fenster (vgl. Jahrb. II, S. 38); namentlich ward mit dem Fenstermacher Hans Goltschmidt zu Rostock verabredet, daß er für eine "vermalte Tafel" einen halben Gulden und für eine "unvermalte Tafel" sieben Schilling lübisch haben sollte. In Rostock ward auch noch sehr spät Glasmalerei von den Glasern getrieben. Im Anfange des vorigen Jahrhunderts lebte in Rostock der Glaser Jürgens, welcher der letzte glasmalende Glaser in Meklenburg gewesen zu sein scheint. Mantzel erzählt in seinen Bützowschen Ruhestunden, Th. VI, 1762, S. 30:

"Ist die Kunst, Bilder, Gold und Silber, auch andere Farben in Glaß zu brennen, würcklich verlohren? Diese Frage kömmt hierher, wegen einer besondern Rostockschen Geschichte. Man sagte, vor etwa 50 Jahren, der Letzte, welcher die Kunst verstünde, wäre der damals schon hochalte Glaser Jürgens. Der diß schreibt, kann so viel bezeugen, daß, als er, vor gedachten halben Jahrhundert, des wolseel. und unvergeßlichen Herrn D. Weidners Hauß= und Tisch=Genoß gewesen, derselbe den alten Mann ermahnet, das Geheimniß doch nicht mit sich sterben zu lassen, sondem es seinem Sohn, der von gleicher Profeßion, zu lehren, welches aber der Eigensinn nicht zulassen wollen. S. die Gel. Neuigk. 1750, S.440, woselbst man wil, daß die Kunst wieder entdeckt sey. S. Neri de arte vitriaria."

Dr. Johann Joachim Weidener, Professor der Theologie, war 1699 Diakonus und 1715 Pastor an der Marienkirche zu Rostock, bis 1733. Um das Jahr 1712 war also der Glaser Jürgens ein alter Mann.

Hiemit stimmen denn auch die noch vorhandenen Ueberreste überein. Die Gegend von Rostock ist sehr reich an neuern Glasmalereien gewesen und die Sammlungen des Vereins für meklenb. Geschichte besitzen einige große Wappen, welche, nach dem Datum auf denselben, im Anfange des 18. Jahrh., sehr brav gemalt sind, wenn auch nur vorherrschend in schwarz auf hellem Glase mit etwas grün und gelb, selbst noch roth. So z. B. besitzt der Verein zwei große rostocker Wappen mit den Namen "Hinrich Fridrich Hülsenbeek 1715" und "Anna Elisabet Hülsenbecken gebohrne Tarnauen".

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Das Amt der Glaser und Maler zu Rostock präsentirt dem Herzoge Ulrich von Meklenburg, als Administrator des Stifts Schwerin, nach dem Ableben des Priesters Matthäus Katte den Magister Lucas Randow, Prediger an der Kirche zum Heil. Geist daselbst, zu einem dem Amte zustehenden Lehn m der Marien=Kirche zu Rostock.

D. d. Rostock. 1557. Aug. 24.

Nach dem Originale im Archive der Kirchen-Oekonomie zu Rostock.


Wy Albrecht Graue vnd Hans Euerdes, olderlûde des glesewerkes vnnd melerampts to Rostock wunsschen dem durchluchtigen hochgeborn fursten vnnd hernn hern Vlrichen, hertogen to Mekelnborg, fursten to Wenden, grauen vnd administrator des stiffts to Swerin, Rostock vnd Stargerde der lande hern, vnserm gnedigen hern, nach vnsern vnderdenigen, verplichtsculdigen deinsten erbêdunge ewigen heyel in godt den hern vnd allest gûtt. Gnediger furste vnd her. Am iungesten is eine geistliche commende edder lêneken belegen in vnser lêuen frûwen kercken to Rostock durch den d oe th zeligen her Mattheus Katten, des suluen lesten bositters, entleddiget worden, dâr to wy, so vâken dat vacêrt, wârafftige patronen syn vnd de belêninge hebbenn, syn denne durch den werdigen vnd achtbarn hern magistrum Lucam Randouwenn, godtliches wordes predikern in der kercken thôm hilligen geiste alhîr to Rostock, vmmhe êrlike erholdinge synes standes, condition vnnd hennekumpstes durch godt dat sulue to vorlênende flîtlich vnnd bittlich besocht vnd angefallen, Demnha vmme sodâner syner flîtigen, bitlichen ansôkinge, ôck syns standes, condition vnd êrlichen ampts bewâgen worden, hebben ene dat sulue eindrechtlichen vorlênt vnd dâr tho erwelt vnd presentêrt, wie wy ôck iêgenwerdigen in krafft disses vnses brêues dâr to erwelen, verlênen vnnd presentêrn, vnderdenichlich supplicirende vnnd biddende, den suluen van iwer furstlichen gnâden edder der suluen beuel-

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hebber dâr to instituerende vnd inuestierende, ôck andere vnd îsliche to rechte edder sunsth vth wânheit hîr inne van nôden to dônde vnd gebrûkende vnd ene diessuluen J. F. G. canonicam institutionem vth gnâden mithdêlen, dâr vôr dath lôen van dem allemechtigen to iênner tidt die allest gûder belôner rîchlick enttangende werden, dem wy J. F. G. in langer gesuntheit vnd rowsâmen regimentt êwich dôn beuelen. Tho mêrer ôrkunde vnnd tûchenisse hebbe wy disse vnse presentation mith gûdem willen vnd vulbôrde gedachten vnses ampts mith vnserm gewôntlichen segele hîr vnder angehangen eindrechtlichen versegelt vnd beuestet, de gegeuen vnd schreuen is toRostogk int iâr na gades gebôrt dûsent vîffhundert vnnd sôuen vnd vefftich, dinxtedâges dede was die dach des hilligen Bartholomei apostoli.

Nach dem auf Pergament in Cursive geschriebenen Originale im Kirchen-Oekonomie-Archive zu Rostock. An einem Pergamentstreifen hängt ein Wachssiegel mit einem Schilde, auf welchem drei leere Schilde Schild stehen; umher liegt ein verschlungenes Band mit der Umschrift:

Umschrift

 

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