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Die wendische Burg Lübchin
und
der Bärnim.

Die wendische Burg Lübchin und die Alterthümer des Ortes spielen eine so große Rolle in der meklenburgischen Geschichte, daß ich viele Jahre hindurch bemühet gewesen bin, Nachrichten darüber zu gewinnen, freilich vergeblich, bis es mir endlich vergönnt gewesen ist 1 ), selbst an Ort und Stelle Untersuchungen vorzunehmen und die Sache aufs Reine zu bringen. Die nordischen Schriften erzählen: um Michaelis des J. 1184 habe der König Knud von Dänemark einen Zug in die Wendenländer unternommen; er sei uach Rügen gesegelt, um sich mit den Rugianern zu vereinigen, darauf von Stralsund durch das Land Tribsees nach Tribsees, und von hier durch das Circipaner=Moor (Trebel=Thal) gezogen und endlich nach einer Stadt Lubechinka gekommen, von wo seine Völker sich zerstreut hätten, um bis gegen Güstrow hin zu verheeren; der König selbst habe zu Lubyna (Liepen?) gelagert. Darauf habe er den Rückzug angetreten.


1) Ich verdanke diese Entdeckungen der theilnehmenden Beförderung des Herrn von Behr=Negendanck auf Semlow etc. . im Interesse des Vereins.
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So erzählen die Knytlinga=Saga und Saxo Grammaticus 1 ). Der letztere nennt ausdrücklich 2 )

die Burg oder Stadt Lubechinka
(urbs Lubechinka.)

Dies kann kein anderer Ort als Lübchin sein: der Zug Knud's von Tribsees aus wird ziemlich genau beschrieben und der ganze Zug geht von Stralsund ganz grade über Tribsees nach Lübchin. Für die ungewöhnliche Bedeutsamkeit des Ortes Lübchin reden überdies noch andere Umstände. Noch im J. 1238 war Lübchin eine Burg von Bedeutung, also eine wendische Burg, da sich nicht annehmen läßt, daß so bald nach der Einführung des Christenthums in diesen wilden Gegenden schon eine große deutsche Burg erbauet gewesen sei. Am 1. März 1238 3 ) verlieh der Fürst Johann der Theologe von Meklenburg öffentlich zu Lübchin (publice in Lubichin) dem Kloster Dargun neue Gerechtsame an Gerechtsbarkeit; Zeugen dieser Verleihung waren der fürstliche Vogt Barthold zu Lübchin ("Bartholdus advocatus in Lubichin"), alle Burgmänner daselbst ("ceteri omnes castrenses ibidem") und der Kapellan Theoderich zu Lübchin ("Theodoricus capellanus in Lubichin"), wahrscheinlich ein Burgkapellan, da ein Pfarrer zu Lübchin wohl als "Pfarrer" aufgeführt sein würde. Für die große Bedeutsamkeit der Burg Lübchin redet die alte Felsenkirche zu Lübchin 4 ), welche ohne Zweifel die älteste von allen Kirchen im nordöstlichen Meklenburg und Vorpommern ist, so weit es sich bis jetzt beurtheilen läßt.

Es kam also darauf an, nach der Entdeckung der alten Kirche, die alte Burg aufzufinden. In Lübchin selbst und in unmittelbarer Nähe des Ortes ist nichts zu finden, was auf eine alte Burg hindeuten könnte. Dagegen habe ich einen großen, stadtähnlichen wendischen Burgplatz in geringer Entfernung von dem Orte gefunden.

Ganz nahe bei Lübchin liegt das Gut Grammow, so daß man von beiden Seiten jedes Gut klar sehen kann. Grade in der Mitte zwischen beiden Gütern, in grader Richtung zwischen denselben, erstreckt sich weit hin ein großes, langes


1) Die Angabe der Quellen vgl. unten bei der Beschreibung der Kirche zu Lübchin.
2) Vgl. Saxo Grammaticus I, 14.
3) Vgl. Lisch, Meklenb. Urk. I, S. 52 - 53, Nr. XX.
4) Vgl. unten die Beschreibung der Kirche zu Lübchin und die Betrachtung über die romanischen Feldsteinkirchen im nordöstlichen Meklenburg.
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Moor, jetzt tiefe Wiese, an welches an einer Seite noch jetzt Waldung grenzt, während an den andern Seiten jetzt die Waldung in Ackerland umgeschaffen ist. An einem Ende dieses Moores, in der graden Richtung zwischen Lübchin und Grammow, liegt ein ausgedehnter, wendischer Burgwall in dem Moore aufgeschüttet, nicht sehr hoch, aber weit und von großem Umfange, von stadtähnlicher Anlage. Nach Lübchin und Grammow hin liegt er nicht sehr weit vom festen Lande. Der ganze Wallbau besteht aus drei Theilen: gegen Lübchin hin liegt ein großes Viereck, wahrscheinlich die Vorburg; dahinter liegt in der Mitte ein noch größerer Wall in oblonger Form, wohl die Stadt; gegen Grammow hin, also hinter den beiden Vorburgen, wenn man den Zugang als von Lübchin her gerichtet betrachtet, liegt ein kleinerer Wall, wahrscheinlich die eigentliche Burg. Wir haben hier also die in alten Zeiten genannte wendische Burg ("urbs") oder Stadt Lubechinka oder Lübchin. In der Anlage gleicht dieser Burgwall dem Burgwalle von Werle zu Wiek bei Schwaan. Jetzt gehört der Burgwall, der von Lübchin und von Grammow gleich weit entfernt liegt, zu Grammow. Dies kann aber nicht irre machen, da Grammow (früher Grambow) Pertinenz von Nustrow war und beide Güter mit Lübchin im Mittelalter der Familie Behr gehörten, daher noch jetzt auf dem Kirchthurme zu Lübchin ein Bär als Windfahne steht. Alterthümer ließen sich für den Augenblick nicht finden; jedoch sollen solche in frühern Zeiten hier oft gefunden sein. Die Ackercultur hat hier bedeutend gewirthschaftet: alle Ringwälle sind hinuntergearbeitet und die Oberflächen sind geebnet und zu Ackerland gemacht. Aufgrabungen zeigten an mehrern Stellen in der Tiefe, daß die Erde künstlich aufgebracht sei.

Wichtig werden diese Denkmäler noch durch die Betrachtung, daß sie an der großen, graden Heerstraße von Stralsund nach Güstrow, an dem Durchgange durch die Trebelmoore bei Tribsees liegen.

Nur am westlichen Ende des mittlern Walles sind unter Gebüsch noch Erhebungen und Reste von Wällen und Gräben erkennbar, welche sich über einen Theil des Plateaus verfolgen lassen. Auf dieser Stelle soll im Mittelalter eine Burg der Behr auf Nustrow gestanden und der Platz davon der Bärnim genannt worden sein. Im J. 1838 berichtete hierüber der Herr Geheime Amtsrath Koch zu Sülz in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburg. Geschichte, III, B, S. 186: "Es befinden sich die Güter auf der Sülz gegenüber liegenden pommerschen Seite, Cavelsdorf, Semlow etc. ., noch

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in den Händen der Familie v. Behr=Negendanck. Diese Familie hatte in alter Zeit auch diesseits viele Güter, wie denn noch jetzt ein Bär statt des Hahns auf dem Thurme der Kirche zu Lübchin prangt. Diese Güter waren durch einen Damm verbunden, welchen man noch in dem sülzer Moor mit Torf überwachsen findet und der noch der Bärendamm heißt. Er verschwindet auf dem hohen Lande; man spürt ihn aber im lübchiner See, wo auch Reste von Pfählen sich finden. Die Richtung führt hier grade auf ein Holz zu, welches zu dem Gute Grammow gehört, welches noch jetzt der Bärnimm heißt, von einer Burg dieses Namens, deren Wälle und Gräben man noch im Holze findet. Füchse sollen häufig Bauschutt aus dem innern Burgplatze herausfördern und sollen auch silberne Sporen und andere Geräthe herausgegraben haben, die ein Schäfer gefunden und nach Sülz verkauft haben soll.

G. C. F. Lisch.