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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Meklenburgische Hünengräber.

Der als gediegener und aufopfernder Alterthumsforscher bekannte Baron v. Bonstetten auf Eichenbühl bei Thun in der Schweiz hat in seinem Werke: Essai sur les Dolmens, Geneve, 1865, nachgewiesen, daß die großen Steinkammern (Dolmens) über die ganze alte Welt verbreitet sind. Zur genauem Forschung ist derselbe vor einigen Jahren auch nach Meklenburg gereiset gewesen, um nicht nur die Sammlungen zu studiren, sondern auch einige der merkwürdigsten und bekanntesten Gräber der Steinzeit zu besehen und zu zeichnen, welche er auch in Holzschnitten in seinem Werke abgebildet hat. Der Herr v. Bonstetten hat nun die Freundlichkeit gehabt, uns diese Holzschnitte zur Benutzung zu leihen. Zur Anschauung folgen denn hier in Abbildungen: das Grab in der Eversdorfer Forst bei Grevesmühlen (Jahrb. XI, S. 344, v. Bonstetten S. 21), das Grab von Ruthenbek bei Crivitz (Jahrb. B. II, S. 107, und V, S. 101, v. Bonstetten S. 22), und das Grab von Naschendorf bei Grevesmühlen (vgl. Frid. Franc. Taf. XXXVI und Erläut. S. 164, v. Bonstetten, S. 6).

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Hünengrab
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Hünengrab
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Hünengrab
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Steinkisten.

Im Friderico-Francisceum Erläut. S. 10 habe ich alte Zeugnisse für alte Benennungen heidnischer Gräber gesammelt. Es ergiebt sich daraus, daß der Name "Riesenbetten" für die Gräber der Steinzeit mit den langgestreckten Hügeln so alt ist, als unsere Geschichte. Aber auch die Benennung "Steinkisten" für die frei stehenden Stein=Kammern oder Häuser ohne Hügel ist alt. In einem Feldregister des Gutes Langen=Trechow bei Bützow vom J. 1700 flgd. wird ein Ackerstück aufgeführt:

"Bey der Bahldohms=Brede. Stehnkistenberg".

Diesen Namen trug der Berg gewiß seit alter Zeit, da er sich im J. 1700 festgesetzt hatte. Ob "Bahldom" eine mythologische Bezeichnung ist, wage ich nicht zu entscheiden; sie klingt allerdings sehr mythologisch, und ich habe auch kein Mittel, sie anders zu erklären.

G. C. F. Lisch.     

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Ueber die Riesengräber
in früheren Zeiten

und über die Schatzgräberei in denselben redet folgende sehr merkwürdige Verordnung des Herzogs Gustav Adolph von Meklenburg=Güstrow:

Von Gottes Gnaden Gustaff Adolph, Hertzog zu Mecklenburg etc. .

Unsern Gnädigsten Gruß zuvor, Ehrwürdiger, Wolwürdige vnd Hochgelarte, liebe Andächtige vnd getreue. Wir geben Euch hiermit gnädigst zu vernehmen, wasgestalt Unß berichtet worden, daß bey Unserm Meyerhofe Schwiesow auff dem Felde, über einen Steinhauffen, so man sie im Lande Riesen=Gräber nennet, deren das Land hin vnd wieder voll ist, blawliche Flammen, alß ein Brennendes licht, bey nachtzeiten zum offtern sich sehen laßen, welches vor ein Zeichen daselbst in der Erde vorhandenen Goldes oder Sibers gehalten wird.

Als Wir nun Euer Bedencken, was von solchen lichtem zu halten, vnd ob man dem daselbst vermuhtenden Schatze nachzusuchen habe, gern vernehmen mögten; So werdet Ihr euch hierüber zusammen thun, vnd Unß eure Meinung mit dem for=

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derlichsten schrifftlich einschicken, die Wir euch mit gnaden gewogen verbleiben.

Datum Güstrau, den 3. September Anno 1680.

Gustaff Adolph.     

Denn Ehrwürdigen, Wolwürdigen vnd Hochgelarten, Unsern Ober= vnd Hoffpredigern vnd lieben Andächtigen vnd getreuen, sambt vnd sonders.

Seit dem J. 1681 bis in das Jahr 1683 erließ der Herzog sehr viele andere Verordnungen zur Ausrottung des Aberglaubens und leitete viele Verhandlungen und Untersuchungen darüber ein.

G. C. F. Lisch.     

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Hünengrab von Wozinkel.

Zum Bau der im J. 1867 begonnenen Chaussee von Parchim nach Sternberg wurden schon im Spätherbst 1867 zu Wozinkel, nördlich von Parchim, Steine ausgegraben, wobei auch einige alte Gräber theils zur Frage kamen, theils entdeckt wurden. Der Besitzer des Gutes, Herr v. Quitzow, erbot sich freundlich und entgegenkommend, das Ausbrechen der Steine zu überwachen und die etwanigen Funde dem Vereine zu übergeben.

Zuerst kam ein großes Grab, dem Anscheine nach der Steinzeit angehörig, an die Reihe. Der Herr v. Quitzow schildert die Eigenthümlichkeit folgendermaßen. Das Grab war ein länglicher Hügel, aus welchem oben die Spitzen großer Steine hervorragten. In dem Hügel stand eine große Steinkammer. Rund umher war bis an die Spitzen der Steine ein Hügel von Erde angeschüttet. Die Decksteine waren schon seit langen Zeiten abgetragen. Nach Wegräumung des Erdhügels zeigte sich eine große Steinkammer, welche aus ungefähr 8 großen Steinen von ungefähr 6 Fuß Höhe aufgebauet war. Der Grund des Grabes war mit einem Lehmschlag ausgefüllt, welcher reichlich mit Grand und weiß ausgeglüheten Feuersteinen vermengt war, einer Art Chaussee. Die Lücken zwischen den großen Steinen waren mit kleinen Steinen und Steinsplittern sorgsam ausgezwickt und die Kammer war inwendig unten mit gespaltenen, rothen jungen Sandsteinplatten ausgesetzt, welche jedoch "sehr mürbe waren". In der Kammer war eine nicht verbrannte menschliche Leiche sitzend beigesetzt; dies ging unzweifelhaft daraus hervor, daß sämmtliche Knochen des Rumpfes

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mit dem Schädel auf Einem Haufen, die Beinknochen aber gestreckt lagen. Die Knochen waren noch ziemlich gut zu erkennen, jedoch schon sehr ausgetrocknet und gebleicht. Eingeliefert sind 2 Bruchstücke: 1 von dem rechten Oberkiefer und 1 von dem rechten Unterkiefer, jedes mit 2 ausgewachsenen Backenzähnen. Die Zähne sind alle gesund, aber schon stark abgeschliffen. In dem Oberkiefer standen die beiden hintersten Backenzähne erst zum Durchbruch ("Weiheitszähne"). Ueber der Leiche war die ganze Kammer inwendig mit Erde und Steinen gefüllt.

An Geräthen fand man, außer einigen thönernen Gefäßscherben, auf dem Boden der Kammer in gleicher Linie mit der Unterfläche der Beinknochen nur einen sogenannten Schmalmeißel aus grauem Feuersteine, welcher allerdings sehr merkwürdig ist. Dieser Schmalmeißel, der 6 Zoll lang und 3/4 Zoll breit auf allen Seiten ist, ist nämlich nur roh, wenn auch regelmäßig in den Linien, geschlagen, und nirgends geschliffen, auch an der Schneide nicht; jedoch ist die Schneide so gut zugehauen, daß sie völlig regelmäßig und scharf ist, wenigstens eben so scharf, als wenn sie geschliffen wäre.

Nach diesen Schilderungen und Funden ist dieses Grab außerordentlich merkwürdig. Es ist in jeder Hinsicht den beiden großen Steingräbern von Alt=Sammit gleich, welche eine klare Einsicht über die Bestattungsweise in den Steinkammern geliefert haben (vgl. Jahrb. XXVI, S. 115 flgd.). Die Richtigkeit der dort vorgetragenen Beobachtungen wird durch dieses Grab von Wozinkel vollkommen bestätigt.

Zu gleicher Zeit wird man aus der Beschaffenheit des Schmalmeißels schließen müssen, daß das Grab von Wozinkel der ältesten Zeit der Steinperiode angehört, wie die beiden Gräber von Alt=Sammit, da in allen drei gleichen Gräbern die Feuersteingeräthe sehr wenig oder noch gar nicht geschliffen sind (vgl. Jahrb. XXVI, S. 115 flgd. und XXX, S. 134 flgd.).

Das Grab von Wozinkel spielt also eine hervorragende Rolle zur Erkenntniß der ältesten Ueberreste der Menschheit.

G. C. F. Lisch.     

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Feuersteingeräth=Manufactur von Damerow.
Nachtrag zu Jahresber. VII, S. 46.

Zu Damerow, am nördlichen Ufer des Kölpin=Sees, wo schon im J. 1841 eine Feuersteingeräth=Manufacturstätte

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entdeckt ward, hielt der Herr Secretair L. Fromm zu Schwerin noch eine Untersuchung und fand dort drei bemerkenswerthe Stücke, welche er dem Vereine schenkte:

1) eine abgebrochene Dolchklinge aus Feuerstein, 5" lang, schon regelmäßig, aber noch roh behauen, an der Spitze noch nicht vollendet;

2) einen zerbrochenen Schmalmeißel aus Feuerstein, 3" lang, ebenfalls noch roh behauen, aber noch nicht geschliffen und an der Spitze ebenfalls noch nicht vollendet;

beide Stücke sind ohne Zweifel während der Verfertigung zerbrochen;

3) ein spanförmiges Messer aus Feuerstein, 3" lang, augenscheinlich viel gebraucht.

An den Ufern des Kölpin= und Flesen=Sees sind Feuerstein=Manufacturen öfter entdeckt, z. B. in dem Damerow gegenüber liegenden Dorfe Jabel (vgl. Jahrb. VII, B, S. 46, und Quartalbericht XXVI, 4, S. 13) und in dem daran grenzenden Dorfe Nossentin (vgl. den folgenden Abschnitt). Dies kommt ohne Zweifel daher, daß hier der Feuerstein häufig ist, indem die obere weiße Kreide=Formation hier zu Tage tritt (vgl. E. Boll Geognosie der deutschen Ostseeländer S. 197, 211 und 139).

G. C. F. Lisch.     

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Feuersteingeräth='Manufactur von Nossentin.

Der Herr Secretair L. Fromm zu Schwerin hat bei seinen Forschungen auf den Müritzer Gewässern zu Nossentin bei Malchow eine neue Manufacturstätte für Feuersteingeräthe entdeckt. Die Stelle liegt an der nördlichsten kleinen Bucht des Flesen=Sees, hart am Ufer, nordöstlich von dem Hofe, nicht weit von dem Kriegsdenkmale. Die Feuersteinsplitter sind sehr zahlreich vorhanden, jedoch nur klein, meistentheils aus Abfall bestehend. Jedoch hat der Herr Fromm außer ungefähr

20 Feuersteinsplittern noch gefunden:

einen Feuersteinblock, gegen 3" lang, von welchem Späne abgesplittert sind,

eine Pfeilspitze, aus einem Feuersteinspan gefertigt, 2 1/4" lang, an den Rändern regelmäßig gekröselt und geschärft,

ein Stück von einem verunglückten Schmalmeißel und

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eine Topfscherbe aus der Steinperiode, stark mit grobem Granitgrus durchknetet.

Diese Manufacturstätte liegt nicht weit von den Stätten zu Damerow und Jabel; vgl. die vorhergehenden Abschnitte.

G. C. F. Lisch.     

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Feuersteingeräth=Fabrik von Plau.

Nach Zeitungsnachrichten sollten 1866 bei Plau am See über 200 "Pfeilspitzen" gefunden sein. Da mir dies sehr unwahrscheinlich zu sein schien, so suchte ich mir durch gütige Vermittelung des Herrn Burgemeisters Dr. Klitzing Aufklärung zu verschaffen. Nach den mir zur Ansicht vorgelegten proben sind, wie von vorne herein zu vermuthen stand, diese sogenannten Pfeilspitzen nur die bekannten Späne aus Feuerstein, Schlagabfälle in kleinen Exemplaren, welche meistentheils zu Messern, in kleinern Exemplaren auch wohl zu Pfeilspitzen benutzt werden konnten. Unter der großen Menge von Spänen befand sich jedoch eine aus einem Span regelmäßig und an den Rändern und der Spitze scharf bearbeitete Pfeilspitze mit Schaftzunge, ohne Widerhaken, 1 1/2 Zoll lang. Die Fundstelle ist daher wohl sicher eine Fabrikstätte zur Anfertigung von Feuersteingeräthen in der Steinzeit. Es sind mir schon früher Andeutungen über ähnliche Funde bei Plau zugegangen. Die jetzt gefundenen Späne sind im Besitze des Herrn Pastors Birkenstädt zu Plau.

G. C. F. Lisch.     

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Schleifstein von Wamekow Nr. 1.

Zu Wamekow bei Sternberg ward ein großer, zum Schleifen der Feuersteinkeile in der Steinperiode gebrauchter Sandsteinblock, ein sehr seltenes und schönes Stück, gefunden und von dem Herrn v. Bülow auf Wamekow dem Vereine geschenkt. Der Stein ist, wie immer diese Schleifsteine für die Keile, ein feinkörniger, quarziger Sandstein von der Formation des "alten rothen Sandsteins" und von hellgrauer Farbe. Er ist ungewöhnlich groß, 14 Zoll lang, 6 Zoll breit und 7 Zoll hoch. Die obere Fläche ist ganz und regelmäßig, glatt und ein wenig concav abgeschliffen; auf dem einen Seitenrande ist die Oberfläche angeschliffen.

G. C. F. Lisch.     

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Schleifstein von Wamekow Nr. 2.

Der Herr v. Bülow auf Wamekow schenkte dem Vereine einen zweiten Schleifstein aus der Steinzeit zum Poliren der Feuersteinkeile, welcher ebenfalls auf dem Felde von Wamekow gefunden ist (vgl. die voraufgehende Nachricht). Der Stein ist aus "altem rothen Sandstein", 18 Zoll lang, 6 bis 8 Zoll breit und 2 1/2 bis 3 1/2 Zoll dick und an allen vier Seiten ganz und glänzend ausgeschliffen.

G. C. F. Lisch.     

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Schleifstein von Friedrichsruhe.

Als ich am 2. Junii 1864 mit dem Freiherrn v. Bonstetten auf Eichenbühl bei Thun (vgl. oben S. 113) das große "Riesenbett" zu Friedrichsruhe bei Crivitz, welcher eines der allergrößten im Lande ist, untersuchte, fand ich auf demselben, außer mehreren gespaltenen rothen Sandsteinen der jüngsten Formation, mit denen die Grabkammern immer ausgesetzt sind, und einem ganz roh (zu einem Keile) zubehauenen Feuersteinblock, auch eine Platte von altem Rothen Sandstein, 6" lang, 5" breit und 1 1/4" dick, welche auf der einen Seite sehr regelmäßig und glatt geschliffen ist und ohne Zweifel zum poliren der Feuersteinkeile gedient hat. Diese Funde geben übrigens den Beweis, daß dieses Grab, wie die übrigen großen Gräber in der Nähe, in frühern Zeiten auch schon untersucht und wahrscheinlich ausgeräumt ist, um so mehr, da auch die Decksteine größten Theils schon fehlen.

G. C. F. Lisch.     


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b. Bronzezeit.


Kegelgrab von Wozinkel,
von
G. C. F. Lisch.

Bei dem Bau der Chaussee von Parchim nach Sternberg ward im Herbst 1867 zu Wozinkel bei Parchim mitten im Planum der künftigen Chaussee ein Kegelgrab der Bronzezeit entdeckt (vgl. auch oben S. 118), welcher schon stark abgepflügt und sehr niedrig war, und unter der Aufsicht des Hern v. Quitzow auf Wozinkel aufgegraben, der auch die gefundenen Alterthümer dem Vereine zum Geschenk überließ.

In dem Grabe fanden sich die Ueberreste einer nicht verbrannten, wahrscheinlich weiblichen Leiche; von den Arm= und Beinknochen ließen sich noch lange Stücke ausheben.

Die beigegebenen Alterthümer waren alle von Bronze, mit tiefem, hellgrünem, zum Theil edlem Rost bedeckt.

Wahrscheinlich zu den Häupten lag ein bronzenes Diadem, wie es hieneben abgebildet ist, mit zwei Reihen Spiralen verziert. Es ist schon bei der Einlegung in das Grab in drei Stücke zerbrochen gewesen, wie die gerosteten Bruchenden beweisen. Zwei Zähne sind durch Bronzeoxyd

Diadem
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hellgrün gefärbt, wahrscheinlich von dem Diadem, welches bei der Verwesung der Leiche wohl auf die Seite des Schädels gefallen ist.

Nach vielen Beobachtungen scheint dieses Diadem der älteren Bronzezeit anzugehören. Die Schweriner Sammlungen besitzen eine zur Vergleichung ausreichende Anzahl von Diademen dieser Art, welche in den verschiedensten Theilen des Landes alle in Kegelgräbern gefunden und mit demselben alten Rost bedeckt sind. Dieser Fund von Wozinkel bestätigt wieder die von mir schon längst gemachte Beobachtung, daß alle diese Diademe von schöner, uralter Form ganz gleich, oder doch wenigstens äußerst ähnlich sind, so daß sie alle in derselben Form gegossen oder doch wenigstens von demselben Künstler angefertigt zu sein scheinen. Würde sich diese Erfahrung bei ganz genauen Vergleichungen und weitern Forschungen auch in andern Ländern bestätigen, so möchte dies ein sehr helles Licht auf die Cultur der alten Bronzezeit werfen, da man dann diese Diademe wohl nur als aus der Fremde eingeführt betrachten könnte. Dieser Grund möchte schlagender sein, als mancher andere für eine fremde Cultur vorgebrachte.

Ferner fand sich ein dünner gewundener Halsring von ungefähr 3/8 Zoll Dicke. Dieser Ring wird wohl sicher ein Halsring sein, da schon ein Kopfschmuck vorhanden ist.

Endlich fand sich ein voll gegossener, mit Queerreifen verzierter Armring, wie sich dergleichen häufig im Lande finden.

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Kegelgräber von Zachow,
von
G. C. F. Lisch.

Bei dem Bau der Chaussee von Parchim nach Putlitz hatte der Herr Pächter Meyer zu Zachow bei Parchim für die Chausseebau=Direction die Lieferung der von dem Felde des Gutes erforderlichen Steine übernommen und ließ zu diesem Zwecke mehrere große "Steinklippen", Steinhügel oder Kegelgräber, in den Ackerschlägen nahe bei dem Hofe abbrechen.

Beim Abräumen dieser Gräber wurden viele Alterthümer aus Bronze gefunden, welche Herr Meyer zwar nicht nach den einzelnen Gräbern schied, aber doch sorgfältig aufbewahrte, um sie an die großherzoglichen Sammlungen abzuliefern. Um jedoch jede Zerstreuung zu verhüten, veran=

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laßte der zuständige Herr Amtsverwalter zur Nedden zu Lübz, nachdem der Fund bekannt geworden war, in Gemeinschaft mit dem Herrn Senator Beyer zu Parchim, den Herrn Meyer, die gefundenen Alterthümer baldmöglichst abzuliefern. Nach Angabe der Arbeiter haben in den größern Kegeln rings umher an dem Ringe Urnenscherben und schwarze Erde und Asche gelegen, in der Mitte hat aber jedesmal ein größeres Begräbniß gestanden, so daß sich hieraus auf Familiengräber schließen läßt.

Die zuerst gefundenen bronzenen Alterthümer sind folgende. Wenn sich auch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen läßt, welche Stücke neben einander gefunden sind, so läßt sich doch aus der Farbe des Rostes und der Art der verschiedenen Geräthe ungefähr mutmaßen, was neben einander gelegen haben mag.

Es lassen sich drei Gruppen von Alterthümern unterscheiden:

I. Alterthümer mit demselben dunkelgrünen, dicken, etwas unregelmäßigen edlen Rost:

3 Dolchklingen (vielleicht auch Lanzenspitzen), alle gleich geformt, ohne Schaftzunge, jede mit 3 Nagellöchern, und zum Theil noch mit Nägeln oder Nieten im Anfange der Klinge, alle 3 Klingen von verschiedener Länge: 12 Zoll, 9 Zoll und 8 1/2 Zoll lang, und 2 Zoll, 1 1/2 Zoll und 1 1/4 Zoll breit an den breitesten Stellen;

1 Nadel oder Bronzestab mit großem, flachem, glattem, rundem Knopf von fast 2 Zoll Durchmesser, leider zerbrochen und nicht mehr ganz vollständig, da die äußerste Spitze fehlt. Die "Nadel" ist jetzt noch 2 Fuß lang und unter dem scheibenförmigen Knopfe eine Hand breit mit erhabenen Reifen (wie zu einem Handgriffe) belegt. Diese ungewöhnlich langen, sogenannten "Nadeln" (Frid. Franc. Taf. XXIV, Nr. 1) sind noch immer nicht erklärt. Den einzigen Fingerzeig gab das Grab von Dabel, in welchem unmittelbar neben einem Bronzeschwerte eine solche "Nadel" genau von der Länge des Schwertes lag (vgl. Jahrb. XXII, S. 283). Auch die gegenwärtig beschriebene "Nadel" hat die durchschnittliche Länge der Bronzeschwerter. Es ist für den gegenwärtigen Fund zu bedauern, daß es nicht mehr sicher zu ermitteln ist, ob diese "Nadel" neben den Dolchklingen gelegen hat.

Diese sogenannten "Nadeln", gewöhnlich alle von gleicher Größe und von Schwertlänge, sind nicht allein in den nördlichen Länder, sondern auch in andern, entfernten Län=

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dem im Süden gefunden, also weit verbreitet, z. B. 2 Stück in einem Moor zu Zollikofen bei Bern in der Schweiz, welche Baron v. Bonstetten in seinem großen Recueil d'Antiquités Suisses, 1855, Pl. III, Fig. 2 et 3, in natürlicher Größe und Farbe hat abbilden lassen. Im Katalog des Berner Museums sind sie mit dem Namen "arma lusoria" (Spielwaffen, Rappiere) belegt, v. Bonstetten will sie lieber für "Stoßdegen" ("estocade" des Mittelalters) halten; er sagt p. 27: "ils rapellent plutôt l'Estocade du moyen-age (de Stock, baton), qui avoit une lame longue, sans tranchant, plate, ronde ou carrée". Im Second Supplement au Recueil d'Antiquites Suisses, 1867, Pl. V, hat v. Bonstetten wieder einen solchen "arme d'estoc" abgebildet, welcher zu Ober=Gut bei Spiez im Berner Oberlande gefunden ist. Merkwürdiger Weise ist dieses Exemplar peitschenartig verschlungen, und in die Verschlingung sind 6 bronzene Armringe und ein Ende von einer Kette eingehängt.

Auch in Oesterreich finden sie sich; vgl. v. Sacken Leitfaden S. 109. v. Sacken sagt: "Einige besonders große Nadeln von 28 Zoll Länge mit reich verzierten Knöpfen dürften aber kaum auf dem Kopfe getragen worden sin, sondern scheinen eine andere Bestimmung (vielleicht zu Zelten oder Matten) gehabt zu haben".

Ich möchte sie Stecken nennen; sie werden, so weit sich dies schon übersehen läßt, in großen Gräbern für Männer und neben gleich langen Schwertern gefunden, und mögen in einer Nebenscheide zu der Schwertscheide getragen sein. Vielleicht haben sie als spitze Stecken zum Treiben der Pferde, oder, wie wir sagen, als "Reitpeitsche" gedient. Zum verwundenden Stoß im Kampfe sind sie zu dünne und würden sich an der Kriegsbekleidung biegen, statt sie zu durchbohren, und zum Kampfspiel sind sie zu unhandlich. Aber für Gewand= oder Haar=Nadeln sind sie jedenfalls viel zu lang; es giebt jedoch Gewand= oder Haar=Nadeln von ähnlicher Gestalt, welche aber immer die angemessene Kürze haben. Daß die langen "Nadeln" zum ganz besondern Gebrauche und nicht zu gewöhnlichen häuslichen Zwecken dienten, beweiset wohl unwiderleglich ein Exemplar in der großherzoglichen Sammlung, dessen scheibenförmiger Knopf mit Goldblech belegt oder nach uralter Weise vergoldet ist.

II. Alterthümer mit demselben hellgrünen, dichten, gleichmäßigen, festen, sehr schönen edlen Rost, weibliche Geräthe:

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1 Armring, voll gegossen, geöffnet, mit feinen, gravirten Schrägebändern auf der Oberfläche verziert;

1 Heftel mit zwei Spiralplatten, 6 Zoll lang, fast ganz erhalten, mit einem sehr feinen und schmalen, nur 3/8" breiten Bügel, welcher mit einem zarten Zickzackbande zwischen feinen Längslinien auf der Oberfläche verziert ist;

1 Nadel mit länglichem, mit Queerreifen verziertem Knopf, 4 1/2" lang, vollständig;

1 Nadel mit rundem Knopf, ungefähr 3" lang, die Spitze fehlt;

1 Pfriemen, 3" lang, vollständig.

III. Altertümer mit sehr feinem, "apfelgrünem edlen Rost, jedoch fest mit der Erde, in welcher sie gelegen, beklebt, ebenfalls weibliche Geräte:

1 Heftel mit zwei Spiralplatten, jede von nur 1/2" Durchmesser, außerordentlich zart und fein, ungefähr 3 1/2" lang, leider zerbrochen; der Bügel ist ein verzierter Drath von der Dicke der Nadel;

1 kleines Arbeitsmesser mit gebogenem Bronzegriff, im Ganzen nur 3" lang, vollständig;

1 Zange ("Pincette"), 2 1/2" lang, vollständig;

1 Armring, zur Hälfte vorhanden;

1 Armring, zum Drittheil vorhanden;

1 gewundener Halsring, Bruchstück;

1 Spiralplatte von Bronzedrath, gegen 2 Zoll im Durchmesser.

IV. Im Fortschritt der Arbeit des Steinbrechens nahm Herr Meyer ein "Steinfeld" in Angriff, welches auf der Höhe und in der östlichen Abdachung eines Höhenzuges gelegen und 50 bis 60 Quadratruthen groß war. Der Herr Amtsverwalter zur Nedden und der Herr Senator Beyer beschlossen nun, der Abtragung bei Gelegenheit beizuwohnen. Der Herr Pächter Meyer war sehr bereitwillig und stellte seine Leute zu den Aufgrabungen zur Verfügung. Der Herr Senator Beyer berichtet über diesen großen Begräbnißplatz und die Aufgrabung folgendermaßen. Der dritte Theil des Grabfeldes war schon rigolt, als die Aufgrabung begann. Der größere Rest zeigte beim ersten Anblick nur ein "wüstes Steinfeld" mit unregelmäßig hervorragenden "Steinklippen und Hügeln" und hatte den Anschein, als wenn die von den nahe liegenden Ackerflächen abgesammelten Steine hier zusammen gefahren wären. Nur bei schärferer Betrachtung waren noch Spuren von scheinbar ohne Ordnung aufgeworfenen kleinen Hügeln zu entdecken, welche 12 bis 16

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Fuß im Durchmesser hatten und von einem Graben kreisförmig begrenzt waren. Sämmtliche Kegel oder Hügel waren jedoch schon früher theils zur Hälfte zerstört, theils durch eine bis in die Mitte gehende tiefe Rinne oder in der Mitte von oben herein aufgebrochen 1 ), so daß sie in der Mitte eine tiefe Senkung zeigten.

Der Herr Senator Beyer nahm 5 der am besten erhaltenen Hügel sorgfältig in Angriff. Diese waren von verschiedener Größe und Höhe und mit größern Steinen von 1 bis 2 Fuß Durchmesser im Kreise umgeben. Innerhalb des Kreises lagen in einigen Gräbern wild durcheinander mehrere Lagen von kleinern Steinen und dazwischen flache Steine (sicher von kleinen Steinkisten), welche zum Theil noch in der hohen Kante standen und mit Urnenscherben, Kohlen und Asche umgeben waren; in andern Gräbern fanden sich gar keine Steine weiter, als diese flachen Steine.

Ein Kegel zeigte die Einrichtung noch ziemlich vollständig, obgleich auch dieses Grab schon von oben geöffnet war. In der Tiefe lag ein flacher Stein, auf welchem

eine Urne stand, welche oben zwar etwas zerbrochen, in einer Seitenansicht aber noch erhalten ist; die Urne, 8 1/2 Zoll hoch, hat ganz den Charakter der Urnen der Bronze=Periode. An den Seiten umher stand aufrecht eine doppelte Reihe von je 4 flachen Steinen, welche eine kleine Steinkiste bildeten und etwas gegen die Urne geneigt waren. Der Deckstein war bei der frühern Oeffnung schon weggenommen. Der Inhalt der Urne bestand aus Erde, Asche und zerbrannten Knochen. In dieser Urne lag auch

ein Fingerring von Bronze mit leichtem, dunklem, edlem Rost. Der Ring, welcher geöffnet ist, ist von dünnem Bronzeblech von 3/8" Breite und 3/4" weit, so daß er auf einen kleinen Finger paßt; er ist sehr elastisch und die beiden Enden greifen weit über einander. Der Rand ist mit einer feinen vertieften Linie verziert. Das von dem oben übergreifenden Ende bedeckte untere Ende ist auf der obern Fläche gar nicht gerostet.

Zwischen den Steinen dieses Grabfeldes ward auch noch

ein Messer von Bronze gefunden, welches die Arbeiter hinterher ablieferten. Es hat eine sichelförmig gebogene Klinge, einen durchbrochenen Griff und am Griffende


1) Es ist leicht möglich, daß der Hauptmann Zinck in den Jahren 1804 und 1805 hier leichte Versuche zu Nachforschungen gemacht hat, da er zu jener Zeit in diesen Gegenden viel gegraben hat.
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ein rundes Oehr; es ist dem Messer in Frid. Franc. Tat. XVI, Nr. 6 ähnlich, nur kürzer in der Klinge.

In einem Grabe ward auch noch

eine große Urne, welche freilich zerbrochen ist, gefunden. Sie ist dadurch ausgezeichnet und für die Bronzezeit sehr ungewöhnlich, daß der ganze Bauch mit sehr tief eingegrabenen Linien verziert ist, die von oben nach unten in Felder getheilt sind, welche abwechselnd senkrechte und wagerechte Linienlagen zeigen.


Dieser große Platz ist ohne Zweifel ein großer Begräbnißplatz aus der Bronzezeit für die größere Masse des Volks. Solche größere Begräbnißplätze sind früher gewiß sehr häufig gewesen, jetzt aber durch die durchgreifende Ackerwirthschaft alle längst verschwunden. Ganz gleich war aber der große Begräbnißplatz von Grabow (vgl. Jahrb. XVIII, S. 251), der einzige bisher bekannt gewordene von dieser Ausdehnung, welcher in gleicher Breite 3 Meilen westlich von Zachow lag und wohl demselben Volksstamme angehörte.


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Kegelgräber von Slate,
von G. C. F. Lisch.

In den ausgedehnten Tannenschonungen des Parchimschen Kämmereidorfes Slate bei Parchim findet sich ohne ersichtliche Ordnung eine große Anzahl hoher Sandhügel, welche vom Winde zusammengeweht schienen, wie sich solche dünenartige Hügel in Tannenwaldungen häufig finden. Der Herr Senator Beyer zu Parchim untersuchte jedoch einen dieser Hügel genauer und fand, daß derselbe ringsum mit kleinen Feldsteinen beworfen war und tiefer im Innern auch Feldsteine enthielt, also ein künstlich gebauetes Kegelgrab vermuthen ließ. Der Herr Senator Beyer ließ daher bei Gelegenheit des Baues der Chaussee von Parchim nach Putlitz im Herbst 1866 nicht nur diesen Hügel unter seiner wissenschaftlichen Aufsicht aufgraben und schenkte die dabei gewonnene reiche Ausbeute mit dem Fundberichte dem Vereine, sondern untersuchte auch mehrere andere Hügel in der Nähe, wodurch er zu der Ueberzeugung gelangte, daß alle diese Hügel künstlich aufgeführte Gräber sind und im Jnnern eine oder mehrere Urnen enthalten, welche jedoch meisten Theils ohne Alterthümer und völlig zerbrochen sind.

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Wir haben hier also, nach den aufgefundenen Alterthümern, wieder einen großen Begräbnißplatz aus der Bronzezeit für die größere Masse des Volkes, gleich den Begräbnißplätzen von Grabow (vgl. Jahrb. XVIII, S. 251) und von Zachow (vgl. oben S. 129).

Kegelgrab Nr. 1.

Besondere Ausbeute gab nur das im Eingange erwähnte größere Grab. Der runde, kegelförmige Hügel war 8 Fuß hoch über dem Erdboden und hatte an der Grundfläche einen Durchschnitt von ungefähr 30 Fuß. In der Mitte standen zwei kleine viereckige Steinkisten aus flachen Steinen, groß genug, um die in denselben stehenden Urnen bergen zu können, welche mit einem flachen Steine zugedeckt waren. Um diese beiden Steinkisten stand im Innern des Grabes ein Kreis von 16 Fuß Durchmesser von größern Steinen. Der Raum innerhalb dieses Steinkreises und um die Steinkisten war bis über die Steinkisten hinaus mit kleinern Feldsteinen gefüllt. Dann war dieser Steinhügel überall 4 Fuß hoch mit losem Sande beschüttet und diese sandige Oberfläche, um die Entblößung durch Windwehen zu verhüten, wieder mit einer Lage von Feldsteinen bedeckt, welche jedoch so dicht mit Moos und Haidekraut bewachsen war, daß man auf den ersten Blick den künstlichen Bau nicht erkennen konnte.

Der Steinhügel enthielt also zwei Steinkisten.

I. In der einen Steinkiste stand

1) eine große, hohe, cylinderförmige Urne, ohne Verzierungen, hellbraun von Farbe, 12 Zoll hoch, welche mit zerbrannten Knochen und Asche gefüllt war; leider ist die Urne im Bauchrande durchbrochen.

In dieser Urne lagen sehr viele bronzene Alterthümer, welche alle mit einem dicken, dunkelgrünen Rost belegt sind, nämlich:

2) zwei ganz gleiche, dünne, gewundene Halsringe (oder Kopfringe?), 4 1/2 Zoll im Durchmesser weit;

3) zwei enge Armringe aus Bronze, nur 1 3/4 Zoll weit, mit den Enden zusammenstoßend;

4) zwei enge Armringe aus Bronze, eben so weit, mit den Enden überfassend;

5) ein Armring von Bronze, 2 Zoll weit, mit den Enden zusammenstoßend, schmal und dünne;

6) ein Armring aus Bronze, 2 Zoll weit, mit den Enden überfassend, dick und breit;

7) zwei Spiralfingerringe von Bronzedrath in 5

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Windungen, für Finger einer erwachsenen weiblichen Person passend, 3/4/Zoll weit;

8) zwei flache, dünne Knöpfe aus Bronze, mit großen, platten Scheiben, 1 5/8 Zoll im Durchmesser, mit einem kleinen Oehr auf der untern Seite;

9) ein hieneben in der Oberfläche und in der Seitenansicht abgebildeter großer Doppelknopf von Bronze, oben mit einer dicken, gewölbten Schmuckscheibe, 1 7/8 Zoll im Durchmesser, unten mit einem kleinern, nicht verzierten Knopf, 3/4 Zoll im Durchmesser, im Ganzen ungefähr 3/4 Zoll hoch. Das Ganze ist aus Bronze gegossen.

Doppelknopf

Die obere, gewölbte Scheibe ist durch Vertiefungen zwischen erhabenen Bronzestreifen geschmackvoll verziert: innerhalb eines Bronzerandes liegt vertieft ein fünfstrahliger Stern mit spitz auslaufenden Strahlen, welche zwischen Bronzerändern liegen; diese fünf Sternstrahlen und die fünf durch dieselben gebildeten, dazwischen liegenden, vertieften Dreiecke der Oberfläche sind mit einem Kitt ausgefüllt, welcher noch glatt und völlig wohl erhalten und jetzt braun von Farbe, während die Bronze stark oxydirt ist. Es geht hieraus wieder hervor, daß die Ausfüllung vertiefter Flächen der Bronzen durch farbigen Kitt, welche ich auch Emaillirung genannt habe, in der Bronzezeit nicht ungewöhnlich gewesen sein wird; vgl. Jahrb. XXVI, S. 147; XXVII, S. 176; XXX, S. 150 und die Dose von der Klues unten S. 137. Auch in Dänemark kommt diese braune Kittfüllung vor. Herr Kammerrath Strunk zu Kopenhagen schreibt: "Was die "Ausfüllung oder Einlegung mit einer dunkelbraunen Masse in den Ornamenten auf Sachen des Bronzealters betrifft, so ist dieselbe auch seit verschiedenen Jahren beobachtet, z. B., außer vielen andern, auch auf den in Worsaae Nordiske Oldsager (Afbildninger, 2. Aufl.), 1859, abgebildeten Bronze=Alterthümern:

einem Schwert p. 30, Nr. 125,
einem Dolch p. 32, Nr. 141,

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"einem Buckel p. 45, Nr. 207,
einer Dose p. 62, Nr. 283",

also grade auf denselben Gegenständen, welche auch in Meklenburg mit Kitt ausgelegt sind und zu den ältern, verzierten Bronzen gehören, welche Nilson für phönizische hält. Strunk schreibt weiter: "Dieser braune Kitt ist auch gründlich untersucht, z. B. wenn ich mich recht erinnere, von "dem ausgezeichneten Chemiker Berlin, nach dessen Untersuchung der Kitt besteht aus Birkenrinde und Harz,vielleicht Birkentheer und Bernstein, welcher im Bronzealter auf verschiedene Weise angewandt ward und welcher auch in ziemlich großen und dicken, durchbohrten Scheiben vorkommt und früher als Räucherwerk aufgeführt ward". - Mögen diese Scheiben von Räucherwerk, von denen auch Bruchstücke in Meklenburg in Urnen aufgefunden sind, viel Aehnlichkeit mit dem Kitt haben, so ist das harzige "Räucherwerk" in Meklenburg immer in Urnen gefunden, welche sicher jünger sind, als die Bronzezeit.

10) ein kleiner Doppelknopf von Bronze mit aufstehender Spitze, wie Jahrb. XXX, S. 149; endlich

11) eine Nadel von Bronze und

12) eine Heftel von Bronze mit plattenförmigen Scheiben, Bruchstücke, beide Stücke mit hellgrünem Rost und wahrscheinlich in anderer Lage gefunden.

II. In der andern Steinkiste stand

13) eine hellbraune Urne, oben unter dem Rande mit großen Knöpfen und Perpendiculairlinien dazwischen verziert, eine Art von Verzierung, welche in den mitteldeutschen Ländern oft vorkommt, in Meklenburg aber noch nicht beobachtet ist. Leider sind nur Bruchstücke von dieser Urne gerettet.

III. Zwischen den beiden Steinkisten lag auf dem Grunde des Grabes

14) ein Schwert von Bronze, zweischneidig, ziemlich grade, mit Längslinien verziert, in der Klinge 23 Zoll lang, mit kurzer Griffzunge mit Nietlöchern, beim Einlegen in das Grab in 4 Stücke zerbrochen, da die Bruchflächen alten Rost haben, mit edlem Rost bedeckt, welcher eine mehr hellgrüne Farbe hat, als die übrigen Alterthümer.

Wir haben hier offenbar mehrere Begräbnisse in Einem Hügel. Das Hauptbegräbniß, für einen Mann, scheint das Schwert (III) in der Mitte des Hügels auszu=

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machen, wozu vielleicht die Urne II gehören mag, da sie keine Alterthümer enthielt. Die Urne I diente ohne Zweifel zur Aufnahme der Gebeine weiblicher Personen, da sie nichts als Schmuck enthielt. Es ist auch wahrscheinlich, daß sie die Reste zweier weiblichen Leichen aufnahm, da die Kopfringe (oder Halsringe) und die Armringe Nr. 2-4 zu klein für eine ausgewachsene Person sind, dagegen die Fingerringe, zwei Armringe und die Knöpfe Nr. 5-10 einer älteren Person angehört haben können. Vielleicht hat in dieser sehr großen Urne eine zweimalige Bestattung stattgefunden.

Kegelgrab Nr. 2.

Nach der kunstgerechten Aufdeckung der im Vorstehenden behandelten Begräbnisse haben drei Arbeiter im Herbst 1866 noch mehrere Steinhügel in den Slater Tannen zum Bau der Chaussee von Parchim nach Putlitz abgetragen, jedoch nur in einem derselben Alterthümer gefunden. Nach dem Berichte des einen Arbeiters aus Slate lag der Hügel zwischen den andern Hügeln und war im Aeußern und Innern diesen ganz gleich. Geräthe von Metall wurden in diesem Hügel nicht gefunden, wohl aber 3 Pfeilspitzen von Feuerstein, von denen jedoch bis jetzt nur eine aufbewahrt ist;

Pfeilspitzen

die beiden andern sollen die beiden andern, fremden Arbeiter mitgenommen haben. Diese eine Pfeilspitze ist von weißlichem, durchscheinendem Feuerstein, sehr gut gearbeitet, von der Gestalt der hieneben abgebildeten Pfeilspitze aus dem Kegelgrabe von Dabel, jedoch um ein Drittheil kürzer und mehr herzförmig.

Es ist dem Finder nicht erinnerlich, ob die Pfeilspitzen zwischen Knochen, Asche und Urnenscherben gelegen haben; jedoch erinnert er sich ganz genau, daß die 3 Pfeilspitzen in gleicher Richtung neben einander lagen. Sie waren, wie sie da lagen, am Schaftende alle von einer schwärzlichen Masse lose umgeben, welche er für die Reste von hölzernen oder knöchernen "Stielen" gehalten habe, die jedoch beim Berühren wie Asche auseinander gefallen seien. Der ganze Eindruck sei der Art gewesen, daß man sie unbedenklich für Pfeile habe halten müssen. Die Schaftung der Pfeilspitzen ist also ohne Zweifel eben so

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gewesen, wie die Schaftung der Pfeilspitzen in den Kegelgräbem von Dabel.

Der Verein verdankt die vorstehenden Nachrichten und die eine Pfeilspitze den sorgsamen Bemühungen des Herrn Senators Beyer zu Parchim.

Dieser Fund hat eine große Wichtigkeit, indem diese Erscheinung ganz dem Funde in den Kegelgräbern von Dabei gleicht.

Die Kegelgräber von Slate gehören alle der Bronzezeit an. Die zwei Gräber von Dabel, deren wissenschaftliche Aufdeckung in den Jahrb. XXII, S. 282, und XXIII, S. 283 genau beschrieben ist, enthielten Alterthümer aus Bronze, auch Gold, und daneben feuersteinerne Pfeilspitzen mit hölzernen Schaften. Gerade So ist es zu Slate befunden. Es er= giebt fich hieraus wieder, daß die sehr brauchbaren feuerstei= nernen Pfeilspitzen bis in die Bronzezeit fortdauerten. Andere Geräthe von Stein sind aber in den zahlreichen Kegelgräbern der Bronzezeit in Meklenburg bis jetzt noch nicht gefunden.

Kegelgrab Nr. 3.

In einem andern Grabe lag in einer zerbrochenen Aschenurne ein Messer von Bronze, mit dunkelgrünem, edlem Rost, mit Bronzegriff und einem festen Ringe am Ende des Griffes.

Messer

Die Klinge ist sichelförmig nach innen gebogen und ist auf der rechten Seite am Rücken mit kleinen Halbkreisen und einer abgrenzenden Punctiinie leicht verziert. Das Messer ist also dem in Jahrb. XXIII, S. 281 und hier wieder abgebildeten Messer aus dem Kegelgrabe von Dabel sehr ähnlich, nur daß dieses an Arbeit, Verzierung und Rost einen derbern, vielleicht ältern Charakter an sich trägt.

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Kegelgrab Nr. 4.

In einem vierten Grabe fand sich in einer zerbrochenen Urne

ein Armring von Bronze, vollgegossen, mit dichte, hellgrünem, glänzendem Rost bedeckt, mit Querstrichen und Querbändern verziert.

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Alterthümer von Parchim.

Bei dem Bau der Chaussee von Parchim nach Putlitz im J. 1866 wurden bei Parchim, wahrscheinlich in der Gegend von Slate, nicht sehr ferne von den oben beschriebenen Kegelgräbern

eine bronzene Lanzenspitze, mit Schaftloch und zwei Nagellöchern, mit dunkelgrünem, edlem Rost bedeckt, und

sechs kleine, scheibenförmige Bernsteinperlen, von guter, regelmäßiger Arbeit gefunden und ebenfalls von dem Herrn Senator Beyer zu Parchim dem Verein geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

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Begräbnißhügel von Marnitz.

Beim Bau der Chaussee von Parchim nach Putlitz ward im Frühling des J. 1867 bei dem Dorfe Marnitz, südlich von Parchim, ein großer kegelförmiger "Berg" abgetragen, welcher im Innern ganz aus "Feldsteinen" (Granitfindlingen) bestand und aus welchem zum Chausseebau 10 "Bank" Steine gebrochen wurden, jede "Bank" zu 2 "Schachtruthen" rheinländ., à Schachtruthe 144 Kubikfuß, gerechnet, also 1440 Kubikfuß oder mindestens 50 Fuder. Beim Abtragen des Hügels ergab es sich, daß derselbe ein großes Kegelgrab der Bronzezeit oder Familiengrab war, indem sich auf dem Urboden 12 Begräbnisse erkennen ließen. Es wurden darin an verschiedenen Stellen 10 Urnen wahrgenommen, von denen jedoch 8 zerbrochen waren und zerfielen. Alle waren mit zerbrannten Knochen und Asche gefüllt. Andere Alterthümer wurden aber nicht gefunden.

Zwei große Urnen in den Formen der Urnen der Bronzezeit, von hellbrauner Farbe, ohne Verzierung und Henkel, wurden für die Schweriner Sammlungen erhalten:

eine Urne von ungewöhnlicher Größe, gegen 14" hoch und gegen 14" weit im Bauchrande und 10 1/2" weit in der Oeffnung, im Innern ganz und im Aeußern in der obern Hälfte glatt mit geschlämmtem Thon überzogen, in der un=

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tern Außenwand noch rauh, ungefähr von der Gestalt, wie Jahrb. XI, S. 356;

in dieser Urne stand eine Kinderurne, ebenfalls ohne Verzierungen und Henkel, nur 3 1/2" hoch und 3 1/2" weit;

eine Urne, ebenfalls von bedeutender Größe, 8 1/2" hoch und 11" weit in der Oeffnung, von mehr cylindrischer Form, wie Jahrb. XI, S. 357.

Der Herr Senator Beyer zu Parchim hat die Güte gehabt, den vorstehenden Bericht nach seinen Beobachtungen und die Urnen dem Verein zu schenken.

G. C. F. Lisch.     

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Bronze=Alterthümer von Klues,
von
G. C. F. Lisch.

In dem Forstrevier des Forsthofes Klues bei Güstrow wurden in der sogenannten Hütung, einer großen torfigen Niederung, welche das Forstrevier in den sogenannten Alten und Neuen Dewinkel durchschneidend theilt, im J. 1866 beim Ziehen eines Entwässerungsgrabens durch das Torfmoor einige bronzene Alterthümer gefunden und von dem Herrn Jagdjunker und Forstauditor v. Lübbe mit den Fundberichten und Beobachtungen an die großherzoglichen Sammlungen eingesandt. Die sogenannte Hütung ist früher wohl ein großer Sumpf gewefen und noch jetzt für Pferde und Wagen fast unfahrbar, und der Torf steht in demselben überall 20 Fuß tief und noch tiefer. Nur in der Richtung, in welcher die Alterthümer gefunden find, scheint früher eine Art Straße gewesen zu sein, denn hier steht der Torf nur 4 bis 5 Fuß tief; nach der Beobachtung des Herrn v. Lübbe nimmt auch alles Wild, welches vom Neuen Dewinkel nach dem Alten Dewinkel hinüberwechselt, seinen Wechsel gerade über diese Stelle, selbst wenn es genöthigt ist, große Umwege zu machen.

Die wohl erhaltenen, rostfreien Alterthümer waren ein Schwert und zwei Dosen von Bronze. Sie lagen an der oben bezeichneten seichten Stelle des Moors 4 1/2 Fuß tief, also auf dem festen Moorgrund, in gleicher Tiefe 2 1/2 Fuß von einander entfernt, gehören also wohl sicher in eine und dieselbe Zeit. Die beiden Dosen waren in einander gestülpt, so daß die kleinere bis auf den Rand in die größere hinein paßte, wie ein schlecht passender Deckel; die größere stand unten und war beim Auffinden mit Wasser gefüllt.

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Diese Dosen sind solche Gefäße, welche ich als Schmucksdosen der Bronzezeit erkannt habe; sie haben jedoch einen spitzigen Boden und ihnen fehlen die Deckel, welche beim Hineinfallen in das Moor auch gewiß nicht vorhanden gewesen sind, da die kleinere in die größere gestülpt war. Die größere hat gegen 5", die kleinere gegen 4" im Durchmesser; beide sind gegen 2" hoch. Die kleinere gleicht der hieneben abgebildeten Schmuckdose von Parchim (vgl. Jahrb. X, S. 281), nur daß der Deckel fehlt.

Dose

Die Dosen sind auch den offenen Hängeurnen sehr ähnlich (vgl. Jahrb. XXIX, S. 191), jedoch sind diese letztern immer sehr große Gefäße, während die Schmuckdosen immer sehr klein sind. Der Guß der Dosen ist ziemlich gut, nur hat die größere ein Loch im Rande und bei der kleinern ist der Guß an einer Stelle des Randes so schwach geworden, daß von innen zwei Klümpchen Bronze gegen den Riß gegossen sind. Die Dosen sind auf dem ganzen Boden verziert. Zwar sind einige wenige Verzierungen noch alt, z. B. die Zickzackverzierung am Rande. Andere Verzierungen haben jedoch einen unzweifelhaft jungem Charakter, namentlich die auf der kleinen Dose, indem die Enden der nach oben geöffneten Kreise einem krumm gebogenen Halse gleichen, also entfernt an die nie fehlenden Drachenverzierungen der Hängeurnen erinnern. Eine tief gehende Verzierung von 7 Lappen um einen Knopf auf der größern Urne ist mit einem festen, jetzt braunen Kitt ausgefüllt; für Torf kann man die Füllung nicht halten, da sie völlig fest und glatt ist. (Vgl. auch oben S. 131.)

Ich erkenne daher in diesen kleinen Gefäßen Schmuckdosen aus der jüngern Zeit der Bronze=Periode.

Und hiezu scheint auch das Schwert zu stimmen, welches

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nur eine Griffzunge mit Nietlöchern für einen Holz= und Ledergriff hat. Das Schwert ist, wie alle Schwerter der Bronzezeit, zweischneidig und hat einen erhabenen Mittel rücken, welcher von verzierenden Linien begleitet ist. Auch ist der Griff noch kurz, 3" lang. Aber die Klinge ist länger, als die Klingen der Schwerter, welche nach Arbeit und Rost aus sehr alten Gräbern stammen, nämlich gegen 29" lang, während die Klingen alter Schwerter nur ungefähr 20" messen. Ferner sind die Schneiden der Klinge ganz gerade, während die Klingen der alten Bronzeschwerter in der untem Hälfte in den Schneiden löffelförmig nach außen gebogen sind.

Da nun die Dosen nach den Verzierungen einer jüngern Zeit anzugehören scheinen, so dürfte man auch zu dem Schlusse kommen, daß die langen und geraden Bronzeschwerter der letzten Zeit der Bronze=Periode angehören.

Jedenfalls wird aber der ganze Fund in eine verhältnißmäßig junge Zeit der Bronze=Periode fallen.


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c. Eisenzeit.

Erste Eisenzeit.


Begräbnißplatz von Neu=Stieten,
von
G. C. F. Lisch.

Am Ende des Monats November 1865 ließ der Herr v. Sittmann auf seinem Gute Neu=Stieten bei Wismar (auf dem Außenschlage Nr. 5) eine Abtragung vornehmen und fand bei dieser Gelegenheit einige Urnenscherben und zerbrannte Knochen. Hiedurch aufmerksam gemacht, veranstaltete er genauere Nachgrabungen und entdeckte dadurch einen Begräbnißplatz der Eisenzeit mit mehreren Urnen und eisernen Alterthümern. Der Platz, eine ebene Fläche bildend, ist sandig und liegt ungefähr 10 Minuten vom Hofe, an der Grevesmühlenschen Landstraße, ungefähr 10 Minuten von der Chaussee von Schwerin nach Wismar. Auf die Nachricht von diesem Funde begab sich der Sergeant Büsch aus Wismar nach Neu=Stieten, welcher von dem Herrn v. Sittmann für den Verein nicht nur die gefundenen Alterthümer zum Geschenk, sondern auch die Erlaubniß erhielt, an der Fundstelle weiter nachzugraben. Dieser fand freilich den Fund bestätigt, indem er noch Scherben von 4 bis 5 zerbrochenen Urnen und einen Ring und eine Schnalle von Eisen fand, mußte aber die Arbeit aufgeben, indem der Boden zu naß und die Witterung zu ungünstig war. Der Herr v. Sittmann hat daher Aussicht gemacht, daß die Nachforschung in günstigem Jahreszeiten fortgesetzt werden könne.

Die Urnen standen alle ungefähr 1 1/2 Fuß tief in der ebenen Erde.

Die gefundenen Alterthümer sind folgende:

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1) eine große hellbraune Urne, 9" hoch und 11" im Bauchdurchmesser, ohne alle Verzierungen, von mehr cylinderförmiger Gestalt und mehr den Urnen der Bronzezeit sich nähernd, ziemlich gut erhalten, mit den zerbrannten Gebeinen eines erwachsenen Menschen;

2) Scherben von einer großen hellbraunen Urne, welche ganz mit den charakteristischen eingedrückten Punctlinien verziert gewesen ist;

3) Scherben von einer großen, ganz dunkelbraunen Urne, welche ebenfalls mit Punctlinien, namentlich am Rande mit hammerförmigen Verzierungen geschmückt gewesen ist;

4) eine kleine braune Urne, von der vorherrschenden schalenförmigen Gestalt der Urnen der ersten Eisenzeit, 4 1/2" hoch und 8" im Bauchdurchmesser, mit eingeritzten Parallellinien am Bauche und Fuße verziert und am Bauchrande außerdem mit Halbkreisen aus eingedrückten Punctlinien, herabhangenden Guirlanden gleichend, ziemlich gut erhalten, mit den zerbrannten Gebeinen eines Kindes;

5) Scherben einer hellbraunen schalenförmigen Urne, nur mit eingeritzten Parallel= und Zickzacklinien verziert;

6) Scherben einer hellbraunen schalenförmigen Urne, ohne Verzierungen;

7) Scherben einer ähnlichen Urne;

8) eine ganz dunkelschwarze Urne, mit einem sehr weiten, hoch liegenden, scharfen Bauchrand, tief eingezogenem, spitzigem Untertheil und sehr kleinem Boden, wie Frid. Franc. Taf. XXXIV, Fig. 9 und 10, und Jahrb. XII, S. 435, 8" hoch, 10" weit im Bauchdurchmesser und 3 1/2" im Bodendurchmesser, mehr als zur Hälfte erhalten, über dem Bauchrande mit einer eingeritzten Zickzacklinie verziert, welche an beiden Seiten von eingestochenen (nicht eingedrückten) Puncten begleitet ist, mit zerbrannten Knochen eines erwachsenen Menschen; die Urne gleicht also der Urne Fig. 9 im Frid. Franc, a. a. O.;

9) eine gleich geformte und gleich große, dunkelschwarze Urne, über dem Bauche mit eingeritzten Parallellinien im Zickzack und unter dem Bauche mit eingeritzten Perpendiculairlinien verziert, ähnlich wie Jahrb. XII, S. 435, zur Hälfte vorhanden, mit zerbrannten Knochen eines erwachsenen Menschen;

10) eine gleich geformte und gleich große dunkelschwarze Urne, über dem Bauchrande mit Zickzacklinien und unter dem Bauche mit eingeritzten Perpendiculairlinien,

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welche so flach sind, daß sie kaum bemerkt werden, verziert, also wie Jahrb. XII, S. 435, nur in einem Bruchstück in ganzer Höhe vorhanden.

In den verschiedenen Urnen lagen auf den zerbrannten Menschengebeinen folgende Alterthümer:

11) 1 Heftel aus Bronze, sehr klein und zierlich gearbeitet, ungefähr wie Jahrb. XXVII, S. 180, jedoch noch kleiner;

12) 1 Schnalle aus Bronze an einem kurzen, zum Aufnieten bestimmten Bronzeblechstreifen, ganz wie die in Jahrb. XXVII, S. 180, unten, abgebildete, jedoch mit rundem Schnallenbügel;

13) 1 kleines Drathgewinde aus Bronze, unbekannter Bestimmung;

14) 2 Hefteln aus Eisen, stark gerostet und zerbrochen;

15) 2 Schnallenbügel aus Eisen, wie der bronzene oben, zerbrochen;

16) 4 spitze Messer aus Eisen, stark gerostet;

17) 1 breite Messerklinge aus Eisen, zur Hälfte vorhanden, fast gar nicht gerostet;

18) 4 Sicheln aus Eisen, zerbrochen;

19) 4 Lanzenspitzen aus Eisen, von denen nur eine noch ziemlich vollständig ist;

20) 1 Stück Blech aus Eisen, Bruchstück mit einem Nietloch, unbekannter Bestimmung;

21) 1 Schildnabel aus Eisen, wie gewöhnlich die Schildnabel dieser Zeit, mit langer, starker Spitze;

22) 2 Blechhefte aus Eisen, an den Enden rund geschweift, gegen 2 1/2" lang, ähnlich wie die bei Hagenow gefundenen und zum Jahresbericht VIII, Lithographie Taf. II, Fig. 12 abgebildeten;

23) 4 Niete aus Bronze, oben mit einem rund gearbeiteten Knopf aus Bronzeblech von 3/4" Durchmesser; zwei haben Spuren von Eisenrost von andern eisernen Alterthümern, eines ist noch auf ein Stück abgerundetes Eisenblech genietet, welches den Enden der 2 eisernen Blechhefte gleich ist;

wahrscheinlich gehören diese eisernen Blechhefte und bronzenen Niete, deren Köpfe sonst wohl Eichelform haben, zum Schildbeschlage;

24) 1 hieneben abgebildeter, großer, massiver Ring aus Eisen, ungefähr 3/8" dick im Eisen und 2 1/2 bis 2 3/4" weit im innern Durchmesser, fast wie ein mittelalter=

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Ring

licher Pfortenring; auf den großen Ring ist ein kurzer, mit 2 Querrinnen verzierter, schmaler Ring aus Eisen aufgeschoben, welcher 1 1/2" lang ist und 1 1/2" äußern Durchmesser hat. Der Ring gleicht also ganz dem bisher allein bekannten, bei Hagenow mit römischen Alterthümern gefundenen, zum Jahresbericht VIII, S. 45, Nr. 19, auf der Lithographie Taf. II, Fig. 11 abgebildeten Ringe, nur daß der Hagenower Ring 3 1/4" innern Durchmesser und der übergeschobene Ring eine größere Breite und mehr Rinnen hat, also im Ganzen etwas größer ist. Wozu der Ring gedient hat, ist mir nicht ganz klar. Milde meint, es könne eine Art Spange oder Schnallenring sein; und wirklich findet sich an dem übergeschobenen Ringe nach der innern Oeffnung des großen Ringes ein in dem Holzschnitte angedeuteter Höcker, welcher

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nicht aus aufgeworfenem Rost bestehe sondern einen metallischen Kern hat.


Dieser Fund, welcher freilich noch nicht groß ist, ist von großer antiquarischer Wichtigkeit, indem er ein bedeutsames Glied in der Kette der Alterthümer aus der ersten Eisenzeit bildet. Ich habe in den Jahrb. XXVI, 1861, S. 161 flgd., für das nordöstliche Deutschland als das wichtigste Kennzeichen der ersten Eisenzeit die kohlschwarz gefärbten und dunkelbraunen Urnen hingestellt, welche mit eingedrückten, aus viereckigen Runden gebildeten Linien, vorherrschend in Hammerform, reich verziert sind und diese erste Eisenzeit durch vielfache Vergleichungen bis wenigstens in das erste Jahrhundert nach Christi Geburt zurück versetzen können. Der reiche Begräbnißplatz von Wotenitz (Jahrb. XXV, S. 252 flgd., und XXVI, S. 161 flgd.) giebt ein anschauliches Bild von dem Bildungszustande dieser Zeit; ihm schließen sich zahlreiche andere Begräbnißplätze ähnlicher Art an. Mitten darin steht der in den vorstehenden Zeilen beschriebene Begräbnißplatz von Neu= Stieten, welcher ebenfalls diese mit Punctlinien verzierten Urnen aufweiset. Durch die an den Bronzestreifen genietete Bronzeschnalle (Nr. 12) und die Bronzeheftel gewinnen wir durch den Begräbnißplatz von Bützow (Jahrb. XXVII, S. 180) die Ueberzeugung, daß der Begräbnißplatz von Neu=Stielen in die Zeit fällt, in welcher das Hakenkreuz heiliges Sinnbild war, wie auch eine Urne von dem großen Begräbnißplatz von Kothendorf mit demselben Hakenkreuz verziert ist. Der Fund von Neu=Stieten ist aber durch die große Mannigfaltigkeit der Urnen bemerkenswerth. Er enthält noch eine große hellbraune Urne (Nr. 1), welche noch stark an die Bronzezeit erinnert, außerdem aber, außer den schalenförmigen, mit Punctlinien verzierten Urnen (Nr. 2 bis 7), noch dunkelschwarze, mit eingeritzten Linien und eingestochenen Puncten verzierte Urnen, welche im untern Theile stark eingezogen sind und daher einen sehr spitzen Fuß haben. Diese Urnen gehören, wie schon früher vermuthet, aber in Meklenburg noch nicht bewiesen war, ebenfalls der ersten Eisenperiode an. Der Fund von Neu=Stielen erhält aber auf eine überraschende Weise Bestätigung durch den Begräbnißplatz von Rothenbek im Sachsenwalde, welchen Justus Brinkmann im XXIV. Bericht der Schl.=Holst.=Lauenb. Gesellschaft, 1864, S. 23 flgd., entdeckt und gewissenhaft beschrieben und durch eine

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gute Tafel mit Abbildungen der Urnen erläutert hat. Alle Urnenformen, und auch vorherrschend die Verzierungen, sind dort wie hier genau dieselben, so daß man die Tafel fast als Abbildung der Urnen von Neu=Stieten gebrauchen könnte.

Der Begräbnißplatz von Neu= Stieten läßt sich aber durch eine Entdeckung beinahe in eine bestimmte Zeit bringen. Denn höchst merkwürdig ist der starke eiserne Ring mit einem aufgeschobenen Ringe (Nr. 24), welcher hier gefunden ist. Dieser Ring ist ganz dem erwähnten Ringe gleich, welcher mit vielen römischen Alterthümern, theilweise mit römischen Fabrikstempeln, bei Hagenow, und sonst noch nirgends in Meklenburg, gefunden ward. Der Fund von Jagenow fällt aber sicher in das 1. oder 2. Jahrh. nach Christi Geburt (vgl. Jahrb. XXVI, S. 166).

Auf diese Weise ist der Fund von Stieten im Stande, sich in die Mitte vieler Funde von großer Wichtigkeit zu stellen.

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Begräbnißplatz von Köchelstorf.

Der Herr Graf von der Schulenburg entdeckte auf seinem Gute Köchelstorf bei Wismar, in der Pfarre Beidendorf (nahe bei Neu=Stieten), bei Abräumen und Ausroden eines Tannenkamps, einen großen Begräbnißplatz mit sehr zahlreichen Urnen, welche aber, so weit jetzt gegraben ist, alle durch die Tannenwurzeln zersprengt sind. Nach der Beschreibung des Herrn Grafen sind die Urnen, welche mit dem Rande kaum 1 Fuß tief unter der Erdoberfläche im Sande stehen, groß, schüsselförmig, weit geöffnet, mit niedrigem Rande, auch mit ganz kleinen Henkelchen, vorherrschend dunkelschwarz von Farbe, jedoch auch braun, mit zerbrannten Menschengebeinen gefüllt. An Alterthümern hat sich bis jetzt nur ein kleines Stück verrostetes Eisen gefunden, dessen Bestimmung nicht zu erkennen war.

Es leidet wohl keinen Zweifel, daß hier ein großer Begräbnißplatz aus der ersten Eisenzeit vorhanden ist, welcher dem im Vorstehenden beschriebenen auf dem ganz nahe liegenden Gute Neu=Stielen völlig gleich ist.

G. C. F. Lisch.     

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Goldener Eidring von Granzin.

Als in den ersten Monaten des J. 1867 der Häusler Bumann zu Granzin, Amts Lübz, einen auf dem Acker

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liegenden großen Granitstein sprengen wollte und zu dem Zwecke denselben an den Seiten umher von der angehäuften Erde frei grub, fand er beim Auswerfen einiger Schaufeln Erde dicht neben, jedoch sicher nicht unter dem Steine, einen massiven sogenannten "Eidring" von reinem Golde. Der Ring ist oval gebogen und so groß, daß eine mittelgroße Hand bequem hinein fassen kann, geöffnet und nach den Enden hin dünner auslaufend und an den Enden mit 2 gegenüber stehenden hohlen Halbkugeln versehen, vor diesen ein Ende lang mit feinen Querstrichen verziert. Er ist genau 6 1/5 Loth Zollvereinsgewicht schwer. Der Finder überbrachte den Ring sogleich dem Herrn Pastor Malchow zu Granzin, welcher ihn mir zur Darreichung an Se. K. H. den Großherzog übersandte: Se. Königl. Hoheit hat geruht, den Ring für die großherzoglichen Sammlungen anzunehmen und dem Finder den vollen Werth zu vergüten.

Der Ring gleicht in jeder Hinsicht den früher zu Woosten und Wohlenhagen gefundenen goldenen sogenannten Eidringen (vgl. Jahrb. XVI, S. 268, und XXX, S. 142), namentlich ganz dem Ringe von Wohlenhagen, welcher jedoch etwas schwerer ist. Auch ist er bei einem großen Steine gefunden; in dieser Hinsicht gleicht die Auffindung ganz der des Silberschatzes von Schwaan, welcher auch neben einem großem Steine nicht tief unter der Erdoberfläche gefunden ward (vgl. Jahrb. XXVI, S. 241 flgd.). Der Stein von Granzin ist also wahrscheinlich auch wohl nur ein "Merkstein" gewesen.

G. C. F. Lisch.     


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2. Alterthümer des christlichen Mittelalters.


Schwert von Neu=Kalen.

Im Sommer 1865 ward bei der Stadt Neu=Kalen aus dem Pene=Fluß, nahe bei dessen Einmündung in den Cummerower See, durch den Bagger ein eisernes Schwert herausgehoben, welches dabei leider zerbrach und die Spitze von vielleicht 3" Länge verlor. Der Herr Burgemeister Mau schenkte es dem Vereine. Die Klinge ist, wenn man die verloren gegangene Spitze hinzu denkt, ungefähr 2' 10" lang gewesen, von 2 1/4" bis 1 1/4" breit, zweischneidig, an jeder Seite mit einer Längsfurche oder "Blutrinne", welche fast bis zur Spitze hinab läuft. Der Griff ist 4 1/2" lang; der eiserne Knopf ist "mandelförmig", oben schmal und unten breit; die Parierstange, in Form einer einfachen, viereckigen, etwas breiten eisernen Stange von 1/4" bis 1/2" Dicke, ist 10" lang. In den obern Theil der Längsfurche, nicht weit vom Griffe, sind an einer Seite drei Linien │││ eingetrieben. Das Schwert gleicht den in Worsaae Nordiske Oldsager, 2. Aufl., Taf. 164 abgebildeten Schwertern. Wahrscheinlich gehört es der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an. Diese alte Art von Schwertern ist bis jetzt in Meklenburg außerordentlich selten. Die Sammlungen besitzen außerdem nur noch 4 ähnliche Schwerter, mit kurzem Griff; namentlich ist das in Jahrb. IX, S. 397 flgd. beschriebene Schwert von Schwaan bekannt, welches eine von Bronze eingelegte lateinische Inschrift an derselben Stelle hat, wo das Schwert von Neu=Kalen die eingestempelten drei Linien zeigt. Wahrscheinlich stammt auch das Schwert von Neu=Kalen aus der Zeit der Züge der Dänen nach Wenden, namentlich aus dem Zuge des Königs Waldemar von Tribsees aus in die Waldgegend des Landes Hart (bei Neu=Kalen) bis Teterow im J. 1171 (vgl. Jahrb. XXVI, S. 187). - Vgl. im folgenden Abschnitt das gleiche Schwert von Friedrichsdorf.

G. C. F. Lisch.     

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Schwert von Friedrichsdorf.

Zu Friedrichsdorf bei Neu=Bukow ward im Frühling 1866 in einem Kiesberge nahe beim Hofe 4 Fuß tief ein menschliches Gerippe gefunden, neben welchem ein eisernes Schwert lag. Das Gerippe ist zum größten Theile vorhanden, der Schädel aber leider beim Ausgraben vielfach zerbrochen. Nach den Untersuchungen der Herren Dr. Crull und Dr. Techen zu Wismar zeigt das Gerippe einen zarten Bau, jedoch kräftige Muskelansätze; die Schädelknochen sind sehr verdickt, die Zähne, so viel deren gerettet sind, sind alle gesund, jedoch schon ziemlich stark abgeschliffen. Das Schwert hat eine dünne, breite (durchschnittlich 2"), wenig zugespitzte Klinge, welche ungefähr 2 3/4' oder ungefähr 34" lang gewesen sein mag, mit breiter Blutrinne; die Spitze ist leider abgebrochen und verloren gegangen, so daß der vorhandene Rest nur noch 28" lang ist; der Griff ist sehr kurz 1 ), nur höchstens 3 1/4" lang; der Knopf ist stark und hat eine "mandelartige" oder die Form eines nach oben abgeschrägten Drittelkreisausschnittes mit der dickem Rundung nach unten gekehrt; die einfache, viereckige Parierstange ist 9 1/4" lang. Nach der Beschaffenheit der Klinge und der Kürze des Griffes möchte man das Schwert noch der heidnischen Zeit zuschreiben können; aber die Länge der Klinge und die lange Parierstange, auch die Beschaffenheit des Knopfes reden für eine etwas jüngere Zeit. Nach Allem muß man das Schwert wohl in die erste Zeit des Christenthums in Meklenburg, in die Zeit der Züge der Dänen nach Wenden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts setzen, und aus dieser Zeit sind bisher Waffen nur sehr selten gefunden. Der Gutsbesitzer Herr Ihlefeld auf Friedrichsdorf hat das Schwert und das Gerippe mit aufmerksamer Theilnahme gerettet und beides dem Vereine geschenkt.

Das Schwert gleicht in jeder Hinsicht dem im Vorhergehenden beschriebenen Schwerte von Neu=Kalen und ist ohne Zweifel zu derselben Zeit gefertigt; nur ist an dem


1) Es ist in neuern Zeiten zum Beweise für den fremden Urspruug der bronzenen Schwerter der Bronzezeit geltend gemacht, daß sie sehr kurze Griffe haben, also nur für kleine, orientalische Hände paßten; die Griffe der Bronzeschwerter sind 2 3/4 bis 3 1/4" lang. Dagegen ist zu bemerken, daß die Griffe der eisernen Schwerter aus dem frühen Mittelalter eben so kurze Griffe haben, wie das vorliegende Schwert beweiset. Auch ist keinem Militair der Neuzeit die Kürze der Griffe der Bronzeschwerter beim Handhaben je unbequem gewesen, wenn auch die Kürze beim ersten Anblick auffallend erschien.
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Neu=Kalenschen Schwerte der Griff und die Parierstange ein wenig länger und der Knopf ein wenig kleiner, jedoch in derselben Weise geformt.

Möglich ist es, daß die unten beschriebene angelsächsische Münze des Königs Ethelred mit zu diesem Begräbniß gehört. Sie ist nämlich in der Dorfstraße auf dem Wege gefunden, auf welchem Kies aus dem Kiesberge nach dem herrschaftlichen Garten gefahren ward.

G. C. F. Lisch.     

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Schwert von Maßlow.

Der Herr Keding auf Maßlow bei Wismar schenkte dem Vereine ein vollständig erhaltenes, eisernes, zweifäustiges Schwert, welches im Februar 1867 zu Maßlow unter einer ungefähr 200 Jahre alten Buche gefunden ist und wohl aus dem 14. Jahrhundert stammt. Die Klinge ist gerade, schmal, zweischneidig, mit erhabenem Mittelrücken, läuft regelmäßig spitz aus und ist 3' 1" lang; der Griff, welcher einen langen und dicken Knopf hat, ist 1' 2" lang; die 6" lange Parierstange ist einfach und viereckig und mit den Enden nach unten gebogen.

G. C. F. Lisch.     

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Thönerner Krug von Gevezin.

In dem Hofgarten von Gevezin bei Neu=Brandenburg ward durch die Tagelöhner ein vollständig erhaltener Krug aus blaugrauem oder schwärzlichem Thon ausgegraben. In demselben lag bei der Ablieferung in der in demselben befindlichen Erde ein seltener, kleiner, silberner Bracteat, ein halber Pfenning, mit gestrahltem oder gekerbtem Rande und mehrere kleine Stückchen Silberblech; das Bild ist leider sehr unklar, jedoch nach zwei stark hervorragenden kleinen Kugeln oder Augen scheint es der meklenburgische Stierkopf zu sein (Vinkenogen). Hiernach würde der Krug ungefähr der Mitte des 14. Jahrhunderts angehören, wozu auch Form und Arbeit stimmt. Herr Pogge auf Gevezin hat Krug und Münze dem Vereine zu schenken die Güte gehabt.

G. C. F. Lisch.     

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II. Zur Baukunde.


Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.

Kirchliche Bauwerke.


Die

S. Nicolai=Kirche auf der Neustadt Röbel.

Ein kunstgeschichtlicher Bericht

von

G. C. F. Lisch.


Der Bau.

Die S. Nicolai=Kirche auf der Neustadt Röbel ist seit einigen Jahren einer Restauration unterworfen und im J. 1867 zur Erneuerung der Innern Einrichtung ausgeräumt. Bei dieser Gelegenheit sind mehrere Entdeckungen gemacht, welche sehr werthvoll und anziehend sind. Es wird daher nothwendig und erwünscht sein, diese Kirche noch ein Mal einer eingehenden Beleuchtung zu unterwerfen, obgleich sie schon in den Jahrbüchern VIII, B, S. 109 flgd. im Allgemeinen beschrieben ist.

Die Hallenkirche besteht aus einem einschiffigen Chor von 2 Gewölben Länge, einem dreischiffigen Schiff von 3 Gewölben Länge und einem großen Thurmgebäude. Der Bau wird von Osten nach Westen vorgeschritten sein.

Der niedrige Chor ist ganz im ausgebildeten Uebergangsstyle aufgeführt. Die rechtwinklig angesetzte, gerade Altarwand hatte drei schräge und glatt eingehende, schmale, niedrige, leise gespitzte, mit einem Rundstabe eingefaßte Fenster,

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von denen das mittlere höher ist, als die beiden andern, ganz wie sie sonst überall der Uebergangsstyl zeigt. Diese alte Construction ist in den neuesten Zeiten, angeblich wegen Mangel an Licht, vernichtet, indem die Wandungen rechts winklig ausgebrochen und dadurch die Fenster verbreitert sind, allerdings gerade nicht zur Verschönerung des Baues. Bei der gegenwärtigen Restauration sollen aber die Fenster in ihrer alten Form wieder hergestellt werden. An den Ecken des Chors stehen noch Lissenen, welche im Dachgesimse einen Rundbogenfries, einen pries von einfachen Halbkreisen, tragen. Der Giebel ist reich verziert, in der untern Hälfte durch Aufmauerung der Ziegel im Zickzack, oben durch mannichfache Blenden. Die Seitenwände des Chors haben an jeder Seite unter jedem Gewölbe ein Fensterpaar oder doch die Anlage dazu. Die Lissenen trugen hier aber einen pries von "Kreuzungsbogen", d. h. eine Reihe von doppelten, sich durchschneidenden Halbkreisen, ein im Lande selten vorkommendes, charakteristisches Kennzeichen des Uebergangsstyls (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 110). Dieser Fries ist aber bei der gegenwärtigen Restauration verschwunden und statt dessen ein einfacher Rundbogenfries eingesetzt. Die vorspringenden Ostwände der Seitenschiffe des Schiffes, welche wohl gleich mit der Vollendung des Chors ausgeführt sind, haben auch noch den einfachen Rundbogenfries, der aber den Seitenwänden des Schiffes ganz fehlt.

Da die Neustadt Röbel am 21. Jan. 1261 zu einer Gemeinde erhoben und mit dem Schwerinschen Stadtrecht bewidmet ward, so ist anzunehmen, daß der Chor um diese Zeit gebauet ward. Wir haben hier also ein ziemlich sicher datirtes Beispiel des ausgebildeten Uebergangsstyls.

Das Schiff hat im Allgemeinen auch noch Anklänge des Uebergangsstyls. Die Fenster sind noch gerade so construirt, wie die Fenster des Chors; aber sie sind schon hoch und breiter, und die Seitenwände haben schon die Maaßverhältnisse eines gotischen Baues. Der Rundbogenfries fehlt. Die beiden, in der Mitte der Seiten liegenden Pforten, an jeder Seite eine, sind schon im Spitzbogen aufgeführt. Die Pfeiler, welche im Innern die Gewölbe tragen, sind reich gothisch construirt: die Rundpfeiler sind nämlich "mit vier starken Halbsäulen als Diensten besetzt ("cantonirt"), zwischen denen ein dünnerer Rundstab steht, der von zwei verhältnißmäßig breiten Hohlkehlen begleitet ist.

Zu diesen Eigenthümlichkeiten stimmen auch die Gewölbe; denn der Chor hat Kuppelgewölbe, deren Halb=

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kugel sich durch sogenannte "Pendentifs" aus den Chorwänden entwickelt, ohne Rippen oder Grate, das Schiff dagegen hat Kreuzgewölbe mit Rippen.

Wir haben also einen Bau, der in der Grenze zwischen dem Uebergangsstyle und dem gothischen Style liegt. Und dies stimmt auch zu der Geschichte dieses Baues, welcher, wie unten gezeigt wenden wird, um das Jahr 1275 (sicher vor 1290) ganz vollendet ist.

Dies ist im Allgemeinen die Gestalt der Kirche, deren Kenntniß zur Beurtheilung der im Folgenden beschriebenen Entdeckungen notwendig ist.


Die Reliquiengruft im Altare der Kirche zu Neustadt Röbel und die Erbauung und Restauration der Kirche.

Bei der Restauration der Kirche während des J. 1867 ward beim Abbruche des steinernen Altartisches die kleine ausgemauerte "Reliquiengruft" wohl erhalten gefunden. In derselben stand ein etws bauchiges, gläsernes Gefäß von grünlichem Glase, von der Größe eines gewöhnlichen Trinkglases, 4" hoch, an der Außenseite mit 18 ziemlich großen aufgesetzten Knöpfen von demselben Glase verziert.

In dem Glase lag

1) eine kleine besiegelt gewesene Pergament=Urkunde 1 ), nach welcher Johannes, Bischof in partibus infidelium von Adramytium, Weihbischof ("in pontificalibus vicarius generalis") 2 ) des Bischofs Busso I. (v. Alvensleben) von Havelberg, am 10. Aug. 1490 den Kirchhof, die Kirche und den Altar der Kirche zu Ehren der H. Jungfrau Maria und des H. Nicolaus wieder geweihet hat ("reconsiliavit").

Der Anblick der noch stehenden alten Kirche lehrt sogleich, daß mit dieser Einweihung nicht die erste Einweihung der zuerst erbaueten Kirche gemeint sein kann, da die Kirche noch "im sehr strengen Spitzbogenstyl oder Uebergangsstyl" mit romanischen Anfängen, also sicher im 13. Jahrhundert, aufgeführt ist (vgl. Jahrb. VIII, B, S. 110). Es kann im J. 1490 nur von der Einweihung des Altars, den ich in meinem amtlichen conservatorischen Erachten über die


1) Vgl. den Abdruck in der Ablage.
2) Die erste Nachricht von dieser Entdeckung gaben die Meklenburg. Anzeigen, 1867, Nr. 7, Juli 8. Diese nennt aber nur "den Bischof Johann" ohne weitere Bezeichnung. Dies kann aber irre führen, da 1490 kein Johann, sondern Busso "Bischof" von Havelberg war.
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jetzige Restauration der Kirche, ohne die vorliegende Urkunde zu kennen, in das "Ende des 15. Jahrhunderts" gesetzt habe, und außerdem höchstens von einer Restauration der Kirche und des Kirchhofes, vielleicht nach einem Brande oder Kriege, die Rede sein; denn an der ganzen Kirche ist keine Spur vom Baustil des 15. Jahrhunderts zu finden. Dafür spricht auch die Urkunde ausdrücklich, indem in derselben nur von einer Wiedereinweihung die Rede ist ("reconsiliavimus"); denn der gewählte lateinische Ausdruck bezieht sich allein auf eine Restauration nach einer Entweihung 1 ).

Für den Styl des Altars ist aber die Urkunde von Wichtigkeit, da der Altar dadurch sicher datirt wird.

Das Siegel des Weihbischofs Johann war nicht, wie gewöhnlich, angehängt, sondern, gegen den Gebrauch, auf die Rückseite aufgedrückt und abgefallen, fand sich aber noch in dem Glase, wenn auch sehr beschädigt.

Viel wichtiger ist es, daß sich in dem Glasgefäße

2) ein zweites loses Siegel fand, welches an einer Urkunde gehangen hat, da sich noch ein abgerissenes Ende Pergamentband daran befindet, welches bräunlich und morsch ist. Ohne Zweifel ist die Urkunde, welche dieses Siegel getragen hat, im J. 1490 vermodert gefunden und man hat das Siegel zum Andenken mit in das Glas gelegt. Auch die Oberfläche dieses Siegels ist etwas verwittert und aufgelöset. Vielleicht ist die erste Urkunde ohne Glasgefäß in die ausgemauerte Reliquiengruft gelegt gewesen und dadurch vergangen. Denn das Glasgefäß gehört nach Vergleichung mit andern, ähnlich datirten Gefäßen dem 15. Jahrhundert an.

Dieses Siegel ist ein großes, rundliches Siegel, welches nicht völlig rund, sondern ein wenig länglichrund ist und dadurch von sehr vielen gleichzeitigen, ähnlichen Siegeln leicht unterschieden werden kann. Man muß es auf den ersten Blick in das 13. Jahrhundert setzen. Die Darstellung ist alt. Auf einem Stuhl, wie es scheint mit Hundeköpfen an den Seiten, sitzt ein Bischof, welcher mit der rechten Hand einen gerade stehenden Bischofsstab hält und auf dem ausgestreckten linker Arme ein offenes Buch trägt. Von der Umschrift ist noch zu lesen:

Umschrift

1) "Reconciliari ecclesia dicitur, cum scelere aliquo violata ac polluta, vel a paganis aut haereticis obtenta, rursum ab episcopo consecratur". Du Fresne Gloss. med. latin., nach vielen ausführlichen Beweisstellen .
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Das Siegel ist dadurch besonders gekennzeichnet, daß es innerhalb des Umschriftrandes um die Bischofsgestalt noch einen zweiten schmalen Verzierungsrand hat, welcher durch seine Linien quer gestrichelt ist.

Das Siegel führte also ein Bischof von Havelberg, unter dem seit 1252 die Neustadt Röbel stand, während die Altstadt zum Sprengel des Bischofs von Schwerin gehörte (vgl. Jahrb. XIX, S. 403). Es war die Frage, welchem Bischofe das Siegel zuzuschreiben sei.

Im großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin finden sich nun 2 Abdrücke desselben Siegels, welche an den Kloster Reinfeldschen Urkunden vom 22. Febr. 1271 und 5. April 1273 hangen (Vgl. Meklenburg. Urk. Buch II, Nr. 1217 und 1280). Die "Ausfertigung" oder Abschrift dieser Urkunden ist zwar falsch, d. h. nicht gleichzeitig (Vgl. Meklenburg. Urk. Buch I, S. XXXIV); aber es ist wohl sicher, daß die Personen und Zeitangaben, so wie der sachliche Inhalt, alten ächten, vielleicht früh vermoderten Originalen entnommen und die alten Siegel den falschen Ausfertigungen wieder angehängt, also ächt sind. Nach den vorliegenden Exemplaren lautet die vollständige Umschrift:

Umschrift

Die Aechtheit des Siegels wird auch durch die Nachricht des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz mit einem beigefügten Gipsabguß bestätigt, daß dasselbe Siegel auch an einer ächten Original=Urkunde vom J. 1277 im königlichen Staats=Archive zu Berlin hängt.

Es ist daher unbezweifelt sicher, daß das abgerissene Siegel aus der Reliquiengruft der Neu=Röbelschen Kirche dem Bischofe Heinrich II. von Havelberg gehört, welcher 1270-1290 regierte und zu Witstock, nahe bei Röbel, zu residiren pflegte (vgl. Riedel Cod. dipl. Brandenburg. I, Bd. 2, S. 403).

Das Siegel wird daher an der Urkunde gehangen haben, durch welche der Bischof die Einweihung des ersten Baues bezeugte.

Die Kirche ist also in der Zeit 1270-1290 fertig geworden, wahrscheinlich in den ersten Zeiten dieses Zeitraums, etwa um das Jahr 1275, da der Bau, wenn auch schon hoch strebend, doch noch viele Eigenthümlichkeiten des romanisirenden Uebergangsstyls an sich hat.

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Die Einweihungsurkunde von 1490 giebt auch noch an, daß die alte Kirchweih ("dedicatio") am Sonntage nach dem Feste Viti (15. Juni) gefeiert ward.

Diese Annahme hat auch deshalb viel für sich, weil der Fürst Nicolaus von Werle am 21. Jan. 1261 die Neustadt Röbel zu einer eigenen Stadtgemeinde erhob und mit dem Schwerinschen Stadtrecht begnadigte (vgl. Meklenburg. Urk. Buch II, Nr. 911). Die Kirche kann also immer schon im Anfange der siebenziger Jahre des 13. Jahrhunderts fertig geworden sein.

Diese Zeitbestimmung ist nun für die Geschichte des Baustyls in Meklenburg außerordentlich wichtig, indem sie lehrt, daß neben den Anfängen der Gothik manche Eigenthümlichkeiten des Uebergangsstyls, z. B. die schmalen, romanisirenden Fenster, der Rundbogenfries, die Ecklissenen u. s. w. sich noch bis gegen das letzte Viertheil des 13. Jahrhunderts erhielten.

Dieses Ergebniß wird durch eine andere neue Entdeckung bestätigt, welche erst nach der Vollendung der ersten Abtheilung (Bd. I-IV) des Meklenburgischen Urkundenbuches gemacht ist. Auch die Kirche auf der Neustadt Parchim ward nach einer Urkunde über die Feierlichkeit am 19. Juni 1278 eingeweihet ("dedicata") 1 ). Nun ist aber diese Kirche der in der Neustadt Röbel außerordentlich ähnlich und hat auch noch alle oben berührten Eigenthümlichkeiten des romanisirenden Uebergangsstyls (vgl. Jahrb. VIII, B, S. 105 flgd.).

3) Die Reliquien in der Reliquiengruft des Altars, welche in keinem Altare fehlten, werden auch vergangen sein. Es fanden sich in dem Glase noch hin und wieder einige Stückchen Moder, die sich jedoch nicht erkennen ließen.


Wandmalereien auf dem Triumphbogen.

Sehr ausgezeichnet und merkwürdig ist die künstlerische Verzierung der dem Schiffe zugekehrten niedrigen Wand des Triumphbogens 2 ) über demselben, die auf den rohen


1) Vgl. die nächstfolgende Abhandlung.
2) In den vielen kleinen Landkirchen des Uebergangsstyls, welche einen niedrigen Chor haben, scheint die Bemalung der Wandfläche des Triumphbogens, welche in Folge der Construction sehr groß zu sein pflegt, herkömmlich zu sein. In großen und hohen gotischen und (  ...  )
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Ziegeln mit sehr schöner, alter Wandmalerei 1 ) bedeckt ist, welche, von der Kalktünche befreiet, leider nicht mehr ganz zu erkennen war 2 ).

In der Mitte thront auf einem Sessel ein Bischof, von unten in Lebensgröße erscheinend, mit Bischofsmütze und Bischofsstab, die rechte Hand zum Segnen erhebend, wie es scheint; es sind von der Hand, welche wie zum Schwören gegen das Gesicht aufgerichtet scheint, nur drei Finger zu sehen. Die Kleidung ist sehr reich in glänzenden Farben. Nach allen Andeutungen scheint dies der H. Nicolaus zu sein, der Schutzpatron der Kirche.

Rechts neben ihm knieet eine weibliche Gestalt in dunkelm Gewande mit Kopftuch, etwas darreichend oder empfangend.

Hinter dieser Figur steht ein Knabe mit wenig gebogenen Knieen.

Links hinter dem Bischofe steht ein Werk mit Thürmchen und andern Verzierungen, jedoch etwas unklar, wie eine Monstranz oder eine Kirche.

Wappenschild

Dahinter, also im Zwickel rechts in der Ansicht, ist rechts gelehnt der hierneben abgebildete Wappenschild 3 ) von alten, großen Formen, 33" hoch und 25" im Schildeshaupt breit: in goldenem Felde zwei gekreuzte schwarze Lilienstäbe und in dem dadurch gebildeten untern Winkel drei schwarze Sterne enthaltend.

Dieser Wappenschild 4 ) war ganz sicher zu erkennen und


(  ...  ) gothisirenden Kirchen, in denen die Wandfläche des Triumphbogens gewöhnlich nur sehr niedrig ist, scheint hier Malerei sehr selten vorzukommen.
1) Im J. 1867 ward auch im Dome zu Schwerin an gleicher Stelle eine ähnliche Wandmalerei entdeckt.
2) Leider ist diese ganze Malerei, welche allerdings schlecht erhalten war, bei der Restauration des Triumphbogens im Herbst 1867 mit Kalk überputzt.
3) Der ausführende Architekt Herr Genzke hat die Güte gehabt, dem Vereine eine Contur=Pause dieses Wappens zu schenken.
4) Auch in der Kirche zu Alt=Röbel fand sich unter der Kalktünche über den Fenstern der südlichen Chorwand ein eben so großer und gleich gemalter Wappenschild mit dem fürstlich werleschen Stierkopfe, welcher wohl sicher auch aus dem letzten Viertheil des 13. Jahrh. stammen und von demselben Maler herrühren kann; vgl. Lisch in Jahrb. XVII, 1852, S. 380 und 383 flgd , und Lisch in der Zeitschrift für Bauwesen, Berlin, 1852, August, mit Abbildungen.
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gut und vollständig erhalten. (An die zwei gekreuzten Bischofsstäbe im Wappen des Bisthums Havelberg ist nicht zu denken.)

Es steht zur großen Frage, wem dieses Wappen gehört. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß es das Wappen des Bischofs Heinrich II. von Havelberg ist, der nach dem Vorstehenden die Kirche geweihet hat. Woher stammte aber dieser Bischof Heinrich? Mooyer in seinem "Verzeichnisse der deutschen Bischöfe", S. 47, nennt ihn "Heinrich II. von Sternberg". Aber weder bei Riedel, noch irgend einem andern brandenburgischen Geschichtsforscher ist eine Spur von seiner Herkunft zu finden.

In Stein's "Beschreibung aller Bischöffe zu Havelberg" in Küster Collectio Opus., Bd. II, Stück 13, 1733, S. 57, steht: "Henricus II. ist von Cunrado de Sterneberg dem 23ten Erzbischoffe zu Magdeburg ein geweihet worden "anno Christi 1270 und gestorben 1290". Vielleicht ist es ein Versehen von Mooyer, daß er den Familiennamen des Erzbischofs von Magdeburg für den des Bischofs von Havelberg angesehen hat. - Die 3 Sterne auf dem Schilde in der Röbelschen Kirche deuten aber allerdings auf einen Namen wie Sternberg. Aber alle alten adeligen Familien von Sternberg haben ein anderes Wappen: die ausgestorbenen Grafen von Sternberg, zu denen ohne Zweifel der Erzbischof Conrad von Magdeburg gehörte, hatten einen Stern im goldenen Schilde; die alten böhmischen Freiherrn und Grafen von Sternberg hatten einen Stern im blauen Schilde, wie der zu dieser Familie gehörende Schwerinsche Bischof Albrecht, 1356-1363 (vgl. Jahrb. XI, S. 228); die Küchenmeister von Sternberg hießen gewöhnlich nur Küchenmeister und die von Ungern= Sternberg in alter Zeit nur Ungern, und führten beide auch andere Wappen. Es ist also für das Röbelsche Wappen kein Anhalt in der Wappenwissenschaft zu finden. Möglich ist es, daß es einem früh ausgestorbenen adeligen Geschlechte der Mark Brandenburg oder der meklenburgischen Länder angehört, aber auch möglich, daß es gar kein adeliges Wappen ist. Wenn der Bischof Heinrich II. wirklich Sternberg hieß, so finden sich allerdings einige geschichtliche Anhaltspuncte. Im J. 1300 war Mathias Sterneberch Pfarrer zu Wilsnack (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, Bd. 2, S. 121). Johann Sterneberg war 1350-1359 Domherr zu Güstrow (vgl. Meklenb. Jahrb. XXIV, S. 46) und Gerdt Sterneberg 1389 Priester (vgl. daselbst S. 248).

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Einstweilen läßt sich also nichts weiter sagen, als daß das unbekannte Wappen in der Kirche zu Neu=Röbel wahrscheinlich das Familienwappen des einweihenden Bischofs Heinrich II. von Havelberg ist.

Die Laibung des Triumphbogens war gegen alle Erwartung ohne Malerei.


Gewölbemalereien.

Bei der Abnahme der Kalktünche während der Restauration ergab es sich, daß auch die Gewölbe mit Malereien geschmückt waren, welche ohne Zweifel bei der Vollendung der einzelnen Theile aufgetragen wurden.


Gewölbemalereien im Chor.

Die Gewölbe des Chors waren in dem Style des Gemäldes auf dem Triumphbogen zum Theil mit figürlichen Darstellungen bemalt, welche also ohne Zweifel auch noch aus dem 13. Jahrhundert stammten und in denen der Sohn Gottes als Weltenrichter zu erkennen war.

In dem Kuppelgewölbe im Osten, über dem Altare, war an der Ostseite Christus mit zwei Schwertern am Munde, nach Offenb. Joh. 1, 16: "Und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert". Jedoch thronte Christus nicht in der Mandorla (Osterei), einer Ellipse in den Regenbogenfarben. Aber die Gestalt war an vier Ecken von den vier Evangelisten=Symbolen umgeben 2 ). Ueber Christus schwebt ein Engel; beide haben das Gesicht gegen Westen gewandt. An jeder Seite Christi sitzen 2 Apostel auf Bänken. Die übrigen 8 Apostel sitzen auf Bänken, je 4 zusammen, an den beiden Hauptseiten des Gewölbes rechts und links.

Das westliche Chorgewölbe enthielt in der Kuppel nur Linienornamente. Jedoch schwebten in den Zwickeln oder Pendentifs Engel mit Posaunen.

Alle diese Malereien haben nicht erhalten werden können, theils weil der alte Putz oft bei der leisesten Berührung


1) Diese Nachrichten über die Chorgemälde verdanke ich dem ausführenden Architekten Herrn Gentzke. Ich selbst habe sie nicht gesehen, da die Restauration von Westen gegen Osten vorrückte und die Chorgemälde erst nach der Restauration des Schiffes entdeckt wurden.


2) Dieselbe Darstellung fand sich auch in der Kirche zu Bernit; vgl. Jahrb. XXVI, S. 237.
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abfiel, theils weil zur Restaurirung der Gemälde die Mittel fehlten.


Gewölbemalereien im Schiff.

Das Schiff ist dreischiffig und gewölbt. Die Gewölbe ruhen auf gut und reich gegliederten Pfeilern.

Alle Gewölbe werden von Rippen getragen und sind durch Malereien auf weißem Putzgrunde verziert. Von jedem Schlußstein aus wächst eine große, verschiedenfarbige heraldische Lilie in jede der 4 Kappen eines jeden Gewölbes hinein. Gegenüber wächst von jeder breiten Seite der Gewölbekappen von den Schildbogen eine gleiche Lilie gegen die vom Mittelpuncte kommende Lilie hinan. Unten in den Zwickeln sitzen große, groteske Köpfe allerlei Art, welche jedoch meistentheils nicht mehr zu erkennen sind. Die Gewölberippen werden von Linien begleitet, auf denen kleine, nach den Gewölbekappen hin geöffnete Halbkreise stehen, auf deren Verbindungspuncten Kleeblätter stehen, wie die Verzierungen geschnitzter Baldachinbogen. Alle diese Rippenverzierungen sind roth.

Alle diese Ornamente sind gut erfunden, jedoch etwas leicht ausgeführt.

Von den Köpfen in den Zwickeln sind zwei besonders bemerkenswerth.

In dem Gewölbezwickel links zunächst über der nördlichen Mittelthür des schiffes ist ein gekrönter stierkopf mit weit auseinander stehenden, sehr kräftigen, halbmondförmigen Hörnern, welche lebhaft an die siegel der Fürsten von Werle aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erinnern.

In dem schräge gegenüberstehenden Gewölbezwickel links zunächst über der südlichen Mittelthür des Schiffes ist ein ungekrönter Stierkopf mit kräftigen, aber mehr gebogenen, mit den spitzen fast zusammenstoßenden Hörnern und einem starken Haarwulst auf der Stirne zwischen den Hörnern, ähnlich dem Stierkopf auf dem Siegel der Stadt Parchim.


Wandmalereien.

Alle Seitenwände der Kirche haben nach sichern Zeichen in alten Zeiten im Rohbau gestanden und keine oder nur wenig Verzierungen in Malerei gehabt.

Im Chor waren die Steine der Schildbogen abwechselnd blau und weiß bemalt.

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Im Chor war zwischen je zwei Fenstern eine kleine geputzte Fläche, auf denen ein Weihkreuz stand.

Nur auf der Wand des südlichen Seitenschiffes links neben der Eingangsthür gerade unter dem westlichsten Fensterpaar war eine Fläche mit Kalk geputzt und mit figürlichen Darstellungen bemalt. Wahrscheinlich hat dieser Schmuck früher neben einem Nebenaltare gestanden. Die Darstellung enthält 3 fast lebensgroße weibliche Heiligenfiguren.

In der Mitte war eine weibliche Figur im Kopftuch mit einer kindlichen Figur auf jedem Arme, also ohne Zweifel die H. Anna mit der Jungfrau Maria und dem Christkinde ("sulfdrudde").

Zur rechten Hand derselben ist eine weibliche Figur, welche auf dem linken Arme ein Kind hält und mit der rechten Hand etwas (einen Apfel?) hinreicht, also ohne Zweifel wohl Maria mit dem Christkinde.

Zur linken Hand der H. Anna stand eine schöne, gekrönte Jungfrau mit langem, wallendem Haar, mit einem Stabe oder Schwerte in der linken Hand und etwas (einem Rade?) auf dem rechten Arme, mehr als wahrscheinlich die H. Katharina, die "Braut des Christkindes".

Die Figuren und Attribute waren nicht mehr ganz zu erkennen, jedoch die Gesichter noch ziemlich gut erhalten und sehr fein und lieblich gezeichnet.

Es wird also neben diesem Bilde ein Annen=Altar gestanden haben.

Ueber dem Bilde hatte eine Inschrift in 2 Reihen in kräftiger gothischer Minuskel gestanden, von der jedoch leider nichts mehr zu erkennen war, als höchstens m oder nn.

Rechts neben derselben Thür unter dem östlichsten Fenster ward auch ein bischöfliches Weihkreuz bloß gelegt: auf einem weißen, runden Schilde mit rother Einfassung ein einfaches rothes Kreuz, wie häufig.


Der Altar der Kirche zu Neustadt Röbel.

Der Altar ist ein Flügel=Altar mit doppelten Flügeln, 6' hoch und mit den aufgeschlagenen Flügeln 14' breit, auf der Vorderseite mit geschnitzten und bemalten und vergoldeten Heiligenfiguren geschmückt. Er ist zwar nur einfach und nicht sehr ausgezeichnet, aber doch würdig und gut und der Kirche angemessen. In meinem conservatorischen Er=

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achten hatte ich den Altar für ein Werk 1 aus dem Ende "des 15. Jahrhunderts" erklärt. Diese Annahme hat sich auch bewahrheitet, indem nach der voraufgehenden Abhandlung der Altar am 10. August 1490 geweihet ist.

Die Ausschmückung des Schreins ist folgende.

In der Mitteltafel steht in der Mitte, in durchgehender, großer Figur

Maria, in der Sonne, auf dem Monde und unter der Krone, mit dem Christkinde auf dem Arme, umgeben von Wolken mit musicirenden und anbetenden Engeln.

Zu den Seiten stehen 24 Heilige, nämlich die 12 Apostel, 6 Heilige, welche zum Theil mit Maria und mit der Kirche in näherer Verbindung stehen, und 6 Nothhelfer.

Noch auf der Mitteltafel stehen, an jeder Seite der Maria in zwei Abtheilungen, 8 Heilige übereinander;

rechts, oben:
S. Anna, "selbdritte", mit der Maria und dem Christkinde auf den Armen;
S. Nicolaus, ein Bischof, segnend, der Localheilige der Kirche; Attribut ist abgebrochen;

rechts, unten:
S. Magdalena, mit großer Salbenbüchse;
S. Georg, auf dem Drachen stehend, Nothhelfer;

links, oben:
S. Katharina, mit dem Rade, Nothhelferin;
S. Christoph, das Christkind tragend, Nothhelfer;

links, unten:
S. Erasmus, Bischof in einem Grapen stehend; das Attribut, eine Winde, ist abgebrochen; dies ist der Heil. Erasmus (vgl. Jahrb. XXIV, S. 344), nicht der Heil. Veit, wie für den Alt=Röbelschen Altar (Jahrb. XXI, S. 291) angenommen ist, Nothhelfer;

S. Barbara, gekrönte Jungfrau, mit dem Thurme im Arme, Nothhelferin.

In den Flügeln stehen:

zur rechten, oben:
4 Apostel;

zur rechten, unten:
4 Apostel;

zur linken, oben:
4 Apostel;


1) Dieser alte Altar ist zurückgesetzt und zum Andenken in der Thurmhalle aufgerichtet.
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zur linken, unten:
S. Antonius, mit einem Schwein zu den Füßen; dieser Heilige hatte auch in der Marien=Kirche der Altstadt einen Altar (Jahrb. XXI, S. 292);
S. Margaretha (?), gekrönte Jungfrau, das Attribut fehlt, Nothhelferin;
S. Mauritius (?), Ritter, im Harnisch, mit einem Schilde in der Hand;
S. Helena (?) oder S. Hedwig, gekrönte weibliche Gestalt, mit einer Kirche im Arme.

Die Rückseiten der Flügel sind bemalt. Die Malerei ist ziemlich gut und recht gut erhalten. Jeder Flügel ist, wie gewöhnlich, in 4 Abtheilungen getheilt. Die äußern Flügel enthalten Mariä Freuden, die innern Flügel Christi Leiden.

Auf den äußern Flügeln ist dargestellt:

zur rechten, oben:
Mariä Verkündigung;
Mariä Heimsuchung;

zur rechten, unten:
Christi Geburt;
Christi Beschneidung;

zur linken, oben:
Christi Anbetung durch die Weisen;
Christi Darstellung im Tempel;

zur linken, unten:
Christus lehrt als Knabe im Tempel;
der Heiligen Familie Flucht nach Aegypten.

Auf den innern Flügeln ist dargestellt:

zur rechten, oben:
Christi Gebet am Oelberge;
Christi Gefangennehmung (Christus heilt dem Knechte das abgehauene Ohr an);

zur rechten, unten:
Christi Ausstellung, Ecce homo;
Christi Kreuztragung;

zur linken, oben:
Christi Verspottung;
Christi Geißelung;

zur linken, unten:
Christi Kreuzigung;
Christi Dornenkrönung.

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Eingemauerte Töpfe.

Nach dem Berichte des Herrn Architekten Genzke waren im Chor zwischen je zwei Fensterbogen mittelalterliche (blaugraue), sehr feste Töpfe eingemauert, mit der Oeffnung nach außen, wohl zur Erleichterung des Mauerwerks, welche früher offenbar leer gewesen, später aber mit Schutt gefüllt und zugemauert sind. - Eine gleiche Erscheinung zeigte sich auch in der Kirche zu Vipperow, welche in dem bischöflichen Sprengel von Havelberg der Neu=Röbelschen Kirche südlich zunächst liegt und mit dieser von gleichem Alter sein mag (vgl. Jahrb. XIX, S. 404). Vielleicht kam diese Bauweise aus der Mark Brandenburg, da sich in der Altmark Beispiele davon finden.

Eiserne Grabplatte.

Am Ostende des südlichen Seitenschiffes der Kirche der Neustadt Röbel liegt ein seltener, großer "Leichenstein" aus Gußeisen, über 6' lang und 3' 10" breit. Die Platte ist mit vielen Ornamenten und Inschriften bedeckt. In der Mitte steht folgende Hauptinschrift:

Inschrift

(Dann folgen noch ausführliche Nachrichten über Aeltern, Frauen und Kinder und deren Tod und Begräbniß.)

Inschrift

Neben dieser Inschrift ist der Verstorbene in Predigertracht stehend und betend in kleiner Figur 4 Male dargestellt.


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Anlage.

Johann, Bischof von Adramytium, Weihbischof des Bischofs Busso von Havelberg, weihet auf's Neue den Kirchhof, die Kirche zu S. Nicolai und den Altar der Neustadt Röbel, früher Havelbergischen Stiles.

D. d. Röbel. 1490. Aug. 10.

Nos frater Johannes, dei et apostolice sedis gracia episcopus ecclesie Adramitensis et in pontificalibus ecclesie Hauelbergensis vicarius generalis, notum facimus, quod sub anno domini millesimo quadringentesimo nonagesimo, ipso die Laurencii, reconsiliauimus (!) cimiterium, ecclesiam et hoc altare in honore Marie virginis et sancti Nicolai confessoris, cuius dedicacio peragetur dominica post Viti.

Nach dem im Altarlische der Nicolai=Kirche zu Neustadt Röbel bei der Restauration im J. 1867 in einem gläsernen Gefäße gefundenen Originale, auf einem kleinen Stück Pergament, in einer kleinen, gedrängten Minuskel. Links auf der Rückseite ist auf einem sehr dünnen Wachsplättchen das kleine, parabolische Siegel des Weihbischofes Johannes aufgedrückt gewesen, welches, 2" hoch, die Kreuztragung darstellt. Von der Umschrift ist nichts mehr zu lesen. Das Siegel war abgefallen und lag noch in dem Glasgefäße, jedoch an den Rändern sehr zerbrochen und verwittert. -Der Weihbischof Johannes war wohl Bischof in partibus infidelium von Adramytium an der Westküste von Klein=Asien.


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Die

S. Marien=Kirche auf Neustadt Parchim.

Von

G. C. F. Lisch.


Die Marienkirche auf der Neustadt zu Parchim ist im Innern zwar sehr verbauet, trägt jedoch im Innern und Aeußern noch viele Kennzeichen des romanisirenden Uebergangsstyls, und habe ich daher den Bau noch in die erste Hälfte des 13. Jahrh. versetzen zu müssen geglaubt; vgl. Jahrb. VIII, S. 105 flgd.

Nach einer in den neuesten Zeiten, nach Herausgabe der ersten Abtheilung des Meklenburgischen Urk. Buchs (bis 1300), im großherzogl. Geheimen= und Haupt=Archive entdeckten Urkunde 1 ) ist dies nun nicht ganz richtig, sondern die Kirche ist ungefähr 40 Jahre jünger, als ich bisher angenommen habe.

Nach dieser Urkunde bestätigte der Bischof Hermann I. von Schwerin, Graf von Schladen, (1263-1292), die Dotation der Kirche auf der Neustadt Parchim mit 10 Hufen in Böken, 6 Scheffeln Roggen aus Damerow und der Burgkapelle und den altstädter Schulen, so wie es sein Bruder Ludolf, früher Bischof von Halberstadt, bei der Einweihung ("consecratione") der Kirche am 19. Juni 1278 öffentlich ausgesprochen hatte. Die Sache hat ihre Richtigkeit. Ludolf II., Graf von Schladen, ward 1253 Bischof von Halberstadt, aber 1257 abgesetzt. Er hielt sich seitdem vorherrschend bei seinem Bruder Hermann in dessen Sprengel auf, 1258-1265 (vgl. Meklenburg. Urk. Buch II, Nr. 985, und IV, Nr. 2671 und 2688) und versah hier oft in dessen Auftrage die Dienste eines Weihbischofs, namentlich in der Zeit 1270-1278 (vgl. Meklenb. Urk. Buch


1) Vgl. den Abdruck in der Anlage. - Eine Regeste dieser Urkunde theilt schon Schröder Pap. Mekl. I, S. 750, nach Chemnitz mit, welcher also die Acten gekannt haben wird.
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II, Nr. 1197, 1200, 1221, 1304, 1361). Am 6. April 1289 war er vor nicht langer Zeit gestorben (vgl. Meklenb. Urk. Buch III, Nr. 2016). Die Urkunde, welche nur in alter Abschrift vorhanden ist, ist also nach dem sachlichen Inhalt, den Bischöfen und den Zeugen, sicher richtig.

Eine Kirche und Pfarre auf der Neustadt Parchim bestand zwar schon im J. 1249, indem der Fürst Pribislav am 20. Septbr. 1249 dazu die Burgkapelle zu Parchim mit 6 Hufen in Böken legte (vgl. Meklenb. Urk. Buch I, Nr. 633). Aber die jetzige Marienkirche auf der Neustadt stand damals sicher noch nicht; vielmehr mußte der Gemeinde einstweilen wohl die Burgkapelle oder ein anderer interimistischer Bau zum Gottesdienste genügen, und der Bau der Kirche ward erst nach dieser Verleihung begonnen. Am 28. Septbr. 1270 verlieh der Graf Gunzelin von Schwerin der Kirche das Eigenthum dieser 6 Hufen und am 12. Juli 1274 verlieh der Graf Helmold 4 Hufen dazu (vgl. Mekl. Urk. Buch II, Nr. 1201 und 1336). Dies sind die 10 Hufen in Böken, welche der Kirche im J. 1278 bestätigt wurden.

Diese Weihungs= und Bestätigungsurkunde des Bischofs Hermann ist nun von großer Wichtigkeit, indem sie durch die noch stehende Kirche bezeugt, daß noch im J. 1278 der romanisrende Uebergangsstyl in Meklenburg in Anwendung kam, wenn sich auch zugleich oder bald darnach die ersten Beispiele des ausgebildeten gothischen Stys finden. Die Urkunde wird aber dadurch noch wichtiger, daß es urkundlich beglaubigt ist, daß auch die Kirche auf der Neustadt Röbel, welche mit der neustädter Kirche zu Parchim in gleichem Styl erbauet ist, aus derselben Zeit stammt und ungefähr im J. 1275 eingeweihet ist; vgl. die voraufgehende Abhandlung über Röbel.


Anlage.

Der Bischof Hermann von Schwerin bestätigt die Bewidmung der Marien=Kirche auf der Neustadt Parchim, so wie sie durch den ehemaligen Halberstädter Bischof Ludolf öffentlich verkündigt ist bei der Einweihung der Kirche am 19. Juni 1278.

In nomine dei. Amen. Hermannus, dei gratia episcopus Swerinensis, uniuersis, ad quos he litere peruene-

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rint, salutem in domino sempiternam. Notum esse volumus, quod anno domini M° CC° LXXVIII, die dominica proxima ante festum sancti Johannis baptiste de consensu nostro et voluntate dedicata fuit ecclesia de noua ciuitate Parchem per venerabilem in Christo dominum Ludolfum, episcopum quondam Halberstadensem, fratrem nostrum, que inquam ecclesia dotata fuerat decem mansis in Boke cum omni utilitate et fructu ac sex modiis siliginis, quos plebanus eiusdem ecclesie, qui pro tempere fuerit, de villa Damerow percipiet annuatim, cum capella castri et scholis ciuitatis antique, que per eundem plebanum noue ciuitatis in diuinis officiis et rectore scholarium perpetuo disponentur. Nos igitur dotationem eiusmodi in dicta consecratione publica per dictum episcopum nominatim expressam ratam habentes et firmam, dicto plebano suisque successoribus, prout hec omnia rationabiliter et iuste possidet, auctoritate ordinaria confirmamus ac presentis scripti patrocinio communimus. Nulli ergo hominum liceat, hanc nostre confirmationis paginam infringere uel ei ausu temerario contraire; si quis autem hoc attemptare presumpserit, indignationem omnipotentis dei et ultionem canonicam se nouerit incursurum. Acta sunt hec presentibus: Hedenrico, capellano nostro, Jordano, plebano in Wamekow, Henrico, plebano de Gargevitz, Jo[hanne], plebano de Vrowenmarck, et Segebando, plebano de Moderiz, clericis, item Nicolao de Belowe, Siffrido de Kerkdorp et Nicolao de Bruseviz, militibus, item Olemanno, Bernardo Stuten, Jo[hanne] de Boycenborch, Jo[hanne] de Molenbeke, Gerardo de Stenbeke, Tiderico Molendinario et Henrico de Scolenen, laicis, et reliqua fidelium multitudine copiosa. Datum per manum Gerardi, notarii nostri, canonici Swerinensis.

Nach einer Abschrift aus dem 16. Jahrh. im H.=A. zu Schwerin, (Eccl. Parchim Vol. IX.) Vgl. Wegen der Zeugen Meklenb. Urk. Buch B. II, Nr. 1336 auch III, Nr. 2203 und 2204.


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Die Kapelle von Bergrade

bei Parchim ist ein sehr kleines, verfallenes Gebäude aus Holzfachwerk mit Lehmschlag=Füllungen ("Klehmstaken"), welche dazu noch außerordentlich schlecht sind. Sie ist wohl das schlechteste kirchliche Gebäude im ganzen Lande und daher zum Abbruch bestimmt, nachdem im J. 1867 eine neue Kapelle aus Ziegeln im gothischen Styl erbauet ist.

Die alte Kapelle ist wahrscheinlich in den ärmlichen Zeiten des dreißigjährigen Krieges erbauet worden, nachdem die noch ältere Kapelle wohl durch eben diesen Krieg untergegangen war. Im J. 1649 scheint sie noch ziemlich neu gewesen zu sein. Es heißt nämlich in dem Kirchen=Visitations=Protocolle vom J. 1649:

"Bergrade. Das Kirchengebeuwde ist von sechß gebindten, gantz von Holtze gebauwet, die Wende gekleibet".

"Mitten in der Kirchen ein neuwer Predigstuhl von Holtze gemacht".

Merkwürdig ist jedoch, daß die Kirche einen alten gothischen Flügelaltar mit geschnitzten, stark vergoldeten Figuren besitzt, welcher aus der Zeit ungefähr um das Jahr 1500 stammt und einer ältern Kirche angehört haben muß. Das Visitations=Protocoll sagt weiter:

"In der Kirchen ein Altar von Bildern, als die Historia von den Heiligen Drei Königen vndt ziemlich starck vergüldet, mit zwenen Flügeln".

Dieser Altar, welcher noch eben so steht und im Mittelstück ziemlich gut erhalten ist, ist, namentlich auf Wunsch der Gemeinde, auf Kosten Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs 1867-1868 unter meiner Leitung restaurirt 1 ) und in die neue Kapelle übertragen worden.

Der Altar ist ein kleiner Flügel=Altar, 5 1/2' hoch und im Mittelstück 4' und in jedem Flügel 2' breit.

Die Mitteltafel stellt in durchgehenden, großen Figuren die Anbetung der Heiligen Drei Könige dar, wie gewöhnlich in reicher Anordnung und Ausstattung und Vergoldung, und noch ziemlich gut erhalten. Den Hintergrund bildet eine Art fünfseitiger Kapelle mit fünf durch Silber dargestellten gothischen Fenstern und einem vergoldeten Gewölbe; zwei schmale ähnliche Fenster stehen an den geraden


1) Die Restauration ist von dem Herrn Maler C. Drefahl zu Parchim zur Zufriedenheit und mit Fleiß ausgeführt.
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Seiten. In der Mitte sitzt die Jungfrau Maria mit dem nackten Christkinde auf dem Schoße. Vor und vorne neben ihr sind die Heiligen Drei Könige, von denen der mittlere, älteste knieend die Gaben darreicht. Hinten, dicht neben Maria, steht eine männliche Gestalt mit bloßem Haupte, wahrscheinlich Joseph darstellend. Im Hintergrunde rechts und links stehen zwei männliche Figuren mit bedecktem Haupte, wahrscheinlich, wie gewöhnlich, das Gefolge der Heil. Drei Könige darstellend; die eine Figur rückt die Mütze.

Die Flügel enthalten 8 Apostel in kleinen Figuren in anderm, schlechterm Styl, in zwei Reihen über einander, nach den Unterschriften:

S.Thomas.  S. Bartholomäus.    ║ S. Andreas.  S.Mathias.
S. Johannes.  S. Jacobus d. ä.     ║ S. Simon.  S. Jacobus d. j.

Der Grund und die Figuren der Flügel sind schlechter erhalten, als das Mittelstück, und schlecht übermalt. Fast alle Attribute und alle Baldachine fehlen.

Die Malereien auf den Rückseiten sind ganz abgefallen.

Nach einer in Parchim herrschenden Sage, welche sich freilich lange (sicher seit 1649) erhalten haben muß, soll dieser Altar ein Nebenaltar in einer der Kirchen Parchims gewesen und nach Bergrade geschenkt sein. Dies ist auch sehr wahrscheinlich, da in Parchim eine Heil. Drei=Königs=Gilde ("Trium Regum") bestand, welche ihren Altar in der Kirche auf der Neustadt hatte, aber sonst nicht bedeutend war und wenig Schriftliches hinterlassen hat. Jedoch sind im Staats=Archive noch Einnahme=Register dieser Gilde von 1543 flgd. vorhanden, welche die Ueberschrift führen:

"Registrum contuberniae Trium Regum tho Parchim".

Im Kirchen=Visitations=Protocoll von 1563 wird unter den Neben=Altären und deren Hebungen noch aufgeführt:

"Altar Trium Regum. Dazu ist der Pastor auf der Newenstadt Patron".

Auch Cleemann, Chronik der Stadt Parchim, führt S. 343 diese Gilde auf: "Die Gilde der heiligen 3 Könige, 1352, 1457", sagt aber nicht mehr darüber.

G. C. F. Lisch.     


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Der Altar der Krche zu Lübbersdorf
(bei Friedland),

von

G. C. F. Lisch.

Im Spätsommer 1866 erhielt ich Nachricht von dem alten, geschnitzten Altar der Kirche zu Lübbersdorf, früher Lehn der ausgestorbenen Familie von Lübbersdorf, welcher von dem Kirchenpatron Herrn Schloßhauptmann von Oertzen auf Lübbersdorf dem Herrn Maler Greve zu Malchin zur baldigen Restaurirung übergeben war, und im Haupttheile eine merkwürdige Darstellung enthalten sollte, die wahrscheinlich auf Ereignisse aus dem Leben des Stifters Bezug haben dürfte, um so mehr, da offenbar dieser am Fuße der Darstellung knieend angebracht war; es ließ sich vor allen Dingen, wie man meinte, im Mittelpuncte die Jagd auf ein weißes Pferd erkennen. Der innere Zusammenhang war nicht schwer zu vermuthen. Als ich bald darauf selbst nach Malchin kam, erkannte ich in dem gehetzten Thier sogleich ein Einhorn, welches freilich das Horn verloren, aber in der Stirn noch das Loch hatte, worin es befestigt gewesen war, und in der ganzen Darstellung die alte Versinnbildlichung der Menschwerdung Christi.

Nicht lange darauf ward eine andere werthvolle Entdeckung gemacht. In der Allerheiligen=Bibliothek der Marienkirche zu Danzig entdeckte der Herr Prediger Bertling in einer alten handschriftlichen lateinischen Uebersetzung des Neuen Testaments aus der Zeit 1470-1480 auf der Innenseite des vordem Deckels aufgeklebt einen sehr alten, merkwürdigen "Metallschnitt in geschrotener Manier" (nicht Holzschnitt), oder "Schrotblatt", welcher fast dieselbe Darstellung enthält, die der Lübbersdorfer Altar zeigte so daß man fast glauben könnte, jenes habe diesem zum Vorbilde gedient, wenn dieser nicht in einigen Stücken abwiche. Der Fund ist bekannt gemacht in der "Altpreußischen Monatsschrift (Neue Folge der Preußischen Provinzial=Blätter), 1867, November - December, S. 723 flgd., unter dem Titel: Die Jagd des Einhorns auf einem Schrotblatte des 15. Jahrhunderts, von R. Bergau". Außerdem hat Professor Dr. Piper zu Berlin die Kunstvorstellungen dieser Sage in seinem "Evangelischen Kalender", 1859, S. 36 flgd. eingehend behandelt.

Der Lübbersdorfer Altar ist ein ganz kleiner, einfacher Flügel=Altar aus der letzten Zeit des Katholicismus

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in Norddeutschland, jedenfalls aus dem Anfange des 16. Jahrhunderte mit beginnenden Anklängen an die Renaissance, in gefälliger, wenn auch gerade nicht strenger Kunstausführung.

Die Mitteltafel enthält die oben angedeutete Darstellung in reicher Ausführung unter zwei großen Baldachinen und (noch auf der Mitteltafel) an jeder Seite zwei Heiligenfiguren über einander unter kleinen Baldachinen. Jeder Flügel enthält über einander zwei Gruppen in Bezug auf die Geburt Christi.

Der Lübbersdorfer Altar enthält folgende Darstellungen. Mitteltafel. In einer Gebirgsgegend (auf dem Danziger Schrotblatt: in einem verschlossenen Garten) sitzt links in der Ansicht in einer eigenen, offenen, gewölbten Halle, welche vorne durch Schranken oder ein Thor geschlossen ist, Maria mit großem Diadem und Heiligenschein, mit einem sehr faltenreichen Mantel bekleidet. Zu ihr hat sich das gejagte Einhorn geflüchtet, welches die Vorderbeine auf ihren Schoß legt. Rechts vor den Schranken der Halle ist der Erzengel Gabriel, mit großen Flügeln, ebenfalls im langen Mantel, welcher sich vor Maria auf ein Knie niedergelassen hat; er hält im linken Arme einen Jagdspieß und mit der linken Hand an zwei Leinen zwei laufende Jagdhunde (darstellend Tugenden als Eigenschaften Gottes, welche das Einhorn vom Himmel in den Schoß Maria gejagt haben), von denen der eine die Vorderfüße auf das Thor legt; mit der rechten Hand hält er ein Jagdhorn an den Mund. (Die Spruchbänder, welche auf dem Schrotblatte neben den Köpfen der Maria, des Engels und der Hunde angebracht sind, sind hier nicht vorhanden. Auf dem Schrotblatt hat der Engel, der keine Flügel hat, drei Hunde an der Leine. Hier steht auf dem Spruchbande des Engels an dem Jagdhorn: "Ave, gracia plena, dominus tecum.) Links neben Maria an den Schranken, zwischen ihr und dem Engel Gabriel, steht ein hoher, viereckiger Pfeiler, auf welchem eine kleine Kirche, oder vielleicht richtiger ein Reliquienschrein in Form einer Kirche steht, welche die Lade des Alten Testaments darstellt, in Beziehung auf Hebr. IX, 4. Im Hintergrunde der Nische links neben Maria, zwischen dieser und der Lade, steht ein kleiner Altar, auf welchem zwischen zwölf Lichtern die grünende Ruthe Aarons steht. Andere Beigaben, z. B. das Vließ Gideons, die segnende Hand Gottes, die Taube, fehlen jetzt, obwohl sie nach einigen Andeutungen vorhanden gewesen sein mögen.

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Durch diese Darstellung wird die Menschwerdung Christi und die unbefleckte Empfängniß der Jungfrau Maria versinnbildlicht. Bergau sagt in der Altpreuß. Monatsschrift: "In diesem Bilde der Jagd des Einhorns durch einen Jäger mit Hunden ist der Rathschluß der Menschwerdung Christi symbolisch dargestellt. Gott selber wurde als der Himmelsjäger betrachtet, welcher sein Kind auf die Erde trieb. Nach einer alten Sage sollte das fabelhafte Einhorn von solcher Stärke sein, daß es durch keine Tapferkeit der Jäger gefangen werden könne. sobald es sich aber einer Jungfrau nähere, lasse es von aller Wildheit ab und lege den Kopf in ihren Schoß, worauf es wie wehrlos gefangen werde. Diese Sage mit Anwendung auf die Menschwerdung Christi und seine Geburt von der Jungfrau findet sich seit dem 11. Jahrhundert. seit dem 14. bis 16. Jahrhundert ist das Einhorn das geläufige Bild für Christus".

Dies erklärt auch die Unterschrift des Danziger Blattes:

Otus conclusus soror mea sponsa,
Ortus conclusus fons signatus.

(Hohelied IV, 12. "Meine Schwester, liebe Braut, Du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born".)

Im Hintergrunde der Tafel sind oben in gebirgiger Landschaft in perspectivischer Haltung zwei alttestamentliche Typen dargestellt, welche Bezug auf das Hauptbild haben: links in der Ansicht hinter und über Maria: Moses, die Schuhe ausziehend (2. Mos. III, 5), und rechts, über Gabriel: Ezechiel vor dem verschlossenen Thor knieend (Ezech. XLIV, 2), Typen zu der Verkündigung Mariä und der Geburt Christi; vgl. den Doberaner Altar Jahrb. XIV, s. 363 flgd.

Unten links zu den Füßen der Maria knieet eine betende Rittergestalt im Harnisch, den abgelegten Helm neben sich, welche ohne Zweifel den Schenker, einen Herrn von Lübbersdorf, vorstellen soll, da das Gut Lübbersdorf zur Zeit der Verfertigung des Altars noch im Besitze dieser jetzt ausgestorbenen Familie war.

Zu den Seiten der Hauptdarstellung, noch auf der Mitteltafel, stehen an jeder Seite zwei Heiligenfiguren unter Baldachinen über einander: oben: zur Rechten: (links in der Ansicht) die H. Katharina (die "Braut" Christi) mit Rad und Schwert; zur Linken: die H. Anna "selbdritte" (die

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Mutter Mariä) mit dem Christkinde auf dem rechten Arme und einer kleinen Maria links neben sich; unten: zur Rechten: der H. Georg, den Drachen überwindend; zur Linken: der H. Christoph, das Christkind durch das Wasser tragend.

Die Flügel enthalten jeder zwei gruppirte Darstellungen über einander, jede mit mehreren Figuren: in der Ansicht:

oben:
     rechts: die Verlobung Mariä,
     links: die Geburt Christi,

unten:
     rechts: die Anbetung der H. Drei Könige,
     links: die Beschneidung Christi.


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III. Zur Münzkunde.


Mittelalter.


Angelsächsische Münze von Friedrichsdorf.

Zu Friedrichsdorf bei Wismar fand der Gutsbesitzer Herr Ihlefeld in der Dorfstraße eine kleine Silbermünze, welche er durch den Herrn Dr. Crull zu Wismar an den Verein zum Geschenk einsandte. Die Münze ist ein angelsächsischer Denar des Königs Ethelred (978-1016):

H.S.   Brustbild des Königs:
          . . . . . LRED . . . . . . . . .
R.S.   Ein durchgehendes Doppelkreuz
           angelsächsischer Denar

Die Münze hat eine angenietete silberne Oese, ist also zum Tragen als Schmuck benutzt worden. Da sie Spuren von Vergoldung zeigte welche zur heidnischen Zeit in Meklenburg nicht vorkommt, so wird sie im christlichen Mittelalter gefunden und zum Tragen bearbeitet worden sein. Die Münze ist übrigens etwas abgescheuert und auf der Hauptseite stellenweise oxydirt, daher nicht ganz erkennbar. - Vielleicht gehört die Münze zu dem in der nahen Kiesgrube gefundenen Gerippe mit dem Schwerte (vgl. oben S. 147).

G. C. F. Lisch.     


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Der Münzfund von Zarnekow.

Vom
Archivrath, Pastor G. M. C. Masch
zu Demern.

Eine Reihe von Münzfunden ist dem Verein seit seinem Bestehen zur Untersuchung gekommen, und es ist Nachricht davon in den Jahrbüchern gegeben; das aber ist das Erfreuliche bei diesen Funden, daß jeder von ihnen einen Ueberblick über ganze Classen geben und die Münzkenntniß für Norddeutschland wesentlich bereichern konnte. Von den Münzfunden von Remlin und von Schwan an, welche die ältesten Münzen, die in hiesiger Gegend umliefen, brachten, bis zum Münzfunde von Schwiesow, mit dem man die mittelalterlichen Münzen abschließen kann, sind alle Zeiten zur Anschauung gekommen und nicht in einzelnen Stücken, sondern in ganzen Classen, so daß nur noch einzelne Lücken auszufüllen übrig bleiben.

Eine solche Lücke wird nun durch den Münzfund von Zarnekow ausgefüllt. Im Frühling des J. 1864 ward auf dem Felde von Zarnekow bei Wismar ein Haufen von Granitgeschiebe ("eine Steinklippe") weggeräumt. Unter demselben fanden die Arbeiter einen, jetzt am Halse zerbrochenen, braunen Krug von gebranntem Thon, in welchem ungefähr 400 kleine Silbermünzen lagen. Der Herr Hintz auf Zarnekow hat die Freundlichkeit gehabt, den Fund dem Vereine sogleich zur Untersuchung zuzusenden und den größten Theil gegen Erstattung des Metallwerthes zu überlassen, auch den Krug, der sich durch die Münzen datiren läßt, herbei zu schaffen und dem Vereine zu schenken. - Der Herr Hintz hat nur 37 Stücke von den im Funde häufig vorkommenden Geprägen der Städte Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund zum Andenken zurück behalten.

Der Fund bietet uns Wittenpfennige zu vier Pfennigen des 14. Jahrhunderts in den aus dem Münzfunde von Ruest (Jahrb. XV, S. 335 flgd.) bekannten Formen und Münzstädten (es kommt als neu hier Kiel und Neustadt hinzu), bietet aber auch zugleich eine ansehnliche Anzahl einzelner

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Pfennige der angegebenen Zeit, welche bisher noch in keinem Funde uns zur Untersuchung vorgekommen sind und dem gegenwärtigen eine besondere Bedeutung geben.

Die einzelnen Pfennige, wenn gleich nicht ganz unbekannt, sind die am seltensten vorkommenden Münzen des 14. Jahrhunderts: natürlich, diese kleinen Stücke von etwa 13 MM. Durchmesser wurden am wenigsten vergraben, auch scheinen sie überhaupt nicht in großer Anzahl ausgeprägt zu sein.

Sie entsprechen in ihren Formen den mit ihnen gleichzeitigen Wittenpfennigen zu 4 Pfennigen, über die in Jahrbüchern XV sowohl hinsichtlich der Bilder, wie der aus diesen zu ermittelnden Prägejahre ausführlich gesprochen ward. Sie haben auch auf der einen Seite das Kreuz, und in der Gestaltung desselben liegt die Zeitbestimmung, also daß die mit reinem Kreuze vor 1379 und die mit einem Sterne nach diesem Jahre oder nach 1381 geprägt wurden, insofern sie aus den durch Münzrecesse verbundenen Städten Hamburg, Lübeck, Wismar, denen im letzteren Jahre Rostock und Stralsund beitraten, herstammen. Diesen schlossen sich in ihren Ausmünzungen Parchim, Güstrow, Kiel, Ripen, Flensburg, Oldeslo, Neustadt an, und man hat von diesen allen Wittenpfennige, von mehreren der Orte auch einzelne Pfennige aufzuweisen, jedoch hat sich von Rostock, Stralsund und Lüneburg (so viel mir bekannt) noch kein einzelner Pfennig gefunden, wie denn auch in dem bezüglichen Receß von 1381 (Grautoff Hist. Schriften III, S. 180) von einzelnen Pfennigen nicht die Rede ist.

Im Receß von 1379 (Grautoff III, S. 176) ist nun von den Städten Hamburg, Wismar und Lübeck beschlossen,

dat se wyllen slan enen penningh van vere penninghen unde enen penningh van enen penningh

und ferner:

unde de lutteke penningh scal ok plat wesen unde den schal men spisen uppe IX Lot sulvers VII Lot kopperes.

Hieraus ergiebt sich nun, daß das Korn derselben 9löthig ist. Der Schilling hatte auch damals 12 Pfennige, und war bestimmt, daß die Mark zu 43 Schillingen ausgemünzt werde. 43 Schillinge sind also 516 Pfennige, diese wiegen 16 Loth = 512/32 Loth, also wird der einzelne Pfennig zu knapp 1/32 Loth ausgeschrotet sein.

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In unserm Funde haben wir nun

einzelne Pfennige

1) von Lübeck. (Ueber dieselben habe ich in der Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte, II, S. 359, eine Mittheilung gegeben.) Es waren bereits einige Exemplare davon bekannt, auch besaß die Lübeckische Münzsammlung ein solches, aber undeutliches und deswegen von Schnobel Lüb. Münzcabinet S. 32 falsch beschriebenes Exemplar. - Von den in diesem Funde vorgekommenen sind 5 (4 ganze und 1 zerbrochenes) in Folge des Recesses von 1379, also mit einem Stern in der Mitte des Kreuzes, geschlagen, jedes Stück wiegt 1/32 Loth und schwankt der Abgang zwischen 1-3 Aß (9 1/2 Aß = 1/32 Loth). Nach der Strichprobe des Lübecker Wardeins fand sich der Gehalt zwischen 10 und 11 Loth, also besser, als vorgeschrieben. - In Folge des Recesses von 1403 (Dreyer Lübeck. Verord. S. 593), wo der Adler auf beiden Seiten erscheint, sind 2 Exemplare vorhanden, 1/32 Loth schwer, mit Abgang von 1 und 3 Aß.

2) von Hamburg. Gädechens Hamb. Münzen, II, S. 320, nennt diese Münzen Blafferte oder Zwei=Pfennigstücke; der Grund dafür ist nicht ersichtlich; durch die bekannten Recesse ist er nicht begründet und auch die von ihm angegebenen, sehr genauen Wägungen berechtigen nicht zu dieser Annahme. Die Hamburger Wittenpfennige zu 4 Pfennige wiegen nach seiner Angabe = 0,085-0,090 Loth, die Hälfte würde also 0,045 sein, seine s. g. Blafferte aber 0,027, also etwas mehr als 1/4 der Wittenpfennige; man kann sie also nur als einzelne Pfennige ansehen. - Hier haben wir einen Pfennig von 1379, also mit vollem Kreuze (Gädechens Nr. 1122), = 1/32 Loth + 1 Aß, und zwei nach 1379, Sterngeld, (Gädechens Nr. 1228), beide zu 1/32 Loth weniger 1 Aß.

3) von Wismar sind bereits die Pfennige in Folge des Recesses von 1379 mit dem Stern und 1387 mit dem Rundele bekannt. (S. Evers II, S. 437 und 438, der sie als Dreilinge, jedoch mit dem Bemerken, daß sie als Pfennige Werth gehabt haben, aufführt.) Hier sind nur die ersteren, und zwar 18 an der Zahl, vorgekommen. Sie sind an Gewicht denen von Lübeck gleich mit einem Abgang von 1 - 4 Aß; die 18 vorhandenen sind 15/32 Loth schwer. Daß dies Minus Evers bestimmt hat, sie zu 1/64 Loth anzugeben, ist wohl gewiß, obgleich durch diese Angabe das Gewichtsverhältniß gestört wird.

Außerhalb dieser Recesse, aber sich ihnen anschließend, sind nun die Pfennige.

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4) von Parchim. Davon hat Evers II, 20 einen Pfennig angegeben zum Gewicht von 5 Aß; es kann sein Exemplar so leicht gewesen sein, denn die vorliegenden 11 Stücke (= 9/32 Loth) sind sehr ungleich gestückelt (von 6 Aß bis 1/32 Loth = 9 1/2 Aß). Es konnten also diese Stadtpfennige immer mit denen der verbundenen Städte umlaufen.

5) Von Güstrow ist nur ein Pfennig vorhanden, welcher ein volles Kreuz hat, sich also der frühesten Form anschließt; er wiegt 1 Aß über das Normalgewicht 1/32 Loth (ein Exemplar meiner Sammlung ist ein Aß darunter).

6) Von Oldeslo ist der Pfennig, von dem hier 4 Stempel sich fanden, bereits bekannt und in Grote Blätter für Münzkunde, 1835, T. 21, Nr. 268 abgebildet. Da das Kreuz mit keinem Durchbruch versehen ist, so muß er wohl der älteren Zeit, d. h. vor 1379, beigelegt werden. Das Gewicht von 1/32 Loth hat 2-4 Aß Abgang erlitten.

Da dieser Fund, dessen Zeit sich aus den Lübecker Münzen nach 1403 ergiebt, in der Nähe von Wismar gemacht ward, so ist es natürlich, daß diese Stadt, dann Lübeck und Rostock am zahlreichsten vertreten sind, während manche andere Münzstätte ihr Gepräge in die Handelsstadt sandte. Die aus demselben erworbenen 320 Wittenpfennige wogen gereinigt 28 8/32 Loth. Die 43 einzelnen Pfennige 1 5/23 Loth; man kann annehmen, daß hier 2 marcae denar. Lubicens. vorliegen.

Zahlenverhältniß.

Münzfund
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Beschreibund der Münzen


I. Lübeck.

Wittenpfennige.

1) Vor 1379 (75 Stück = 6 27/32 Loth)

Wittenpfennige

2) Von 1379.1387 (8 Stück = 7/16 Loth)

Wittenpfennige

4) Von 1403 (2 Stück = 1/8 Loth + 4 Aß)

Wittenpfennige

Anm. Diese auch später in manchen Stempeln vorkommende Münze ist keine der bekannten Münzrecesse in ihrer Form angemessen, auch paßt das Gewicht 1/16 Loth nicht zu den Wittenpfennigen. Man kann sie wohl als eine eigentliche Stadtmünze zu 2 Pfennigen ansehen.

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Pfennige.

1) Von 1379-1387 (5 Stück = 1/8 Loth).

Pfennige

2) Von 1403-1410 (2 Stück = 1/16 Loth - 4 Aß).

Pfennige

II. Hamburg.

Wittenpfennige.

1) Vor 1379 (33 Stück = 2 29/32 Loth).

Wittenpfennige

2) Von 1379-1387 (3 Stück = 9/32 Loth).

Wittenpfennige
Pfennige.

1) Vor 1379 (1 Stück = 1/32 Loth)

Pfennige

(S. Gädechens Nr. 1222).

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2) Von 1379-1387 (2 Stück = 1/16 Loth - 2 Aß)

Pfennige

(S. Gädechens Nr. 1228).

III. Wismar.

Wittenpfennige.

1) Vor 1379 (86 Stück = 8 1/16 Loth).

Wittenpfennige

2) Von 1379-87 (22 Stück = 1 29/32 Loth).

Wittenpfennige
Pfennige.

Von 1379-1387 (18 Stück = 15/32 Loth - 3 Aß).

Pfennige
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IV. Lüneburg.

Wittenpfennige.

1) Vor 1381 (1 Stück = 3/32 Loth).

Wittenpfennige

2) Nach 1389 (2 Stück = 6/32 Loth).

Wittenpfennige

V. Rostock.

Wittenpfennige.

1) Vor 1381 (57 Stück = 4 1/2 Loth.)

Wittenpfennige

2) Von 1381-1387 (4 Stück = 3/8 Loth - 5Aß)

Wittenpfennige

VI. Stralsund.

Wittenpfennige.

1) Vor 1381 (20 Stück = 1 25/32 Loth).

Wittenpfennige
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2) Nach 1381-1387 (3 Stück = 1/4 Loth + 5 Aß).

Wittenpfennige

VII. Parchim.

Wittenpfennige.

(1 Stück = 3/32 Loth).

Wittenpfennige
Pfennige.

(11 Stück = 9/32 Loth).

Pfennige

VIII. Güstrow.

Wittenpfennige.

(1 Stück = 3/32 Loth).

Wittenpfennige
Pfennige.

(11 Stück = 1/32 Loth).

Pfennige

IX. Ripen.

Wittenpfennige.

(1 Stück = 1/16 Loth + 7 Aß).

Wittenpfennige
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X. Kiel.

Wittenpfennige.

(2 Stück = 3/16 Loth — 2 Aß).

Wittenpfennige

S. Grote Münzblätter I, T. 21, 266.
Verzeichniß der Kieler Münzsammlung S. 14, Nr. 3.

XI. Oldeslo.

Pfennige.

(4 Stück = 3/32 Loth).

Pfennige

Die bei Grote a. O. T. 21, Nr. 268 gegebene Münze ist von einem verschiedenen Stempel.

XII. Neustadt.

Münze

Eine Münze von dieser Stadt Neustadt, früher Neu=Crempe in Wagrien, welche im Stadtsiegel einen Kahn mit 2 Männern und darüber ein Nesselblatt führt (Milde, Siegel des Mittelalters, Heft I, Taf. 5, Nr. 20 und 21), ist bisher noch nicht bekannt geworden.


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Der Münzfund von Glasow.

Vom
Geheimen Archivrath Dr. G. C. F. Lisch.

Im Juni 1866 ward auf einem Bauergehöft zu Glasow bei Dargun beim Abräumen des Holzhofes ein blaugrauer thönerner Krug voll kleiner Silbermünzen gefunden und durch die Bemühungen des Herrn Amtshauptmanns von Pressentin zu Dargun zur wissenschaftlichen Untersuchung gebracht.

Die Münzen waren 608 Stück Wittenpfennige, ohne hohles Geld (Bracteaten) und ohne großes Geld. Der Fund ist ganz dem in der vorstehenden Abhandlung beschriebenen Funde von Zarnekow und dem frühem in den Jahrbüchern XV, S. 335 flgd. beschriebenen Funde von Ruest ähnlich, sowohl an Inhalt, als an Zusammensetzung, so daß eine genaue Beschreibung der einzelnen Münzen überflüssig ist und nur ermüdend sein würde. Jedoch ist vorweg zu bemerken, daß der Fund von Glasow ungefähr 20 Jahre älter ist, als der Fund von Zarnekow. 12 Stück wogen voll 1 Loth Zollvereinsgewicht.

Eine allgemeine Beschreibung des Fundes wird aber von Werth und willkommen sein. Die Münzen sind zum größten Theil Wittenpfennige der Städte Stralsund, Rostock, Wismar und Lüneburg; weniger vertreten sind Hamburg und Lübeck; Seltenheiten sind nur in wenigen Exemplaren vorhanden. Das Geld wird also wahrscheinlich von Rostock oder Stralsund ausgegangen sein.

Von Wichtigkeit ist die Zeitbestimmung. Die Münzen werden vor dem J. 1403 vergraben sein, da sich in dem Funde keine einzige Münze mit dem Stadtwappen auf beiden Seiten oder einem durchgehenden Kreuze auf der Rückseite findet. Bei weitem die meisten Münzen haben auf der Rückseite entweder ein ganz glattes Kreuz oder ein einfaches Kreuz mit einem kleinen Vierblatt oder Vierpaß in der Mitte, oft mit einem Punkt in dem Vierpaß, sind also vor dem J. 1379 geschlagen. Die geringere Anzahl der Münzen hat in dem Kreuze eine Rundung (Rundel) mit einem Stern und einen Stern in dem Anfang der Umschriften, ist also 1381 -1387 geschlagen. Münzen, welche eine leere Rundung im

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Kreuze haben, also nach 1387 geschlagen wären, sind in dem Funde nicht vertreten. Die jüngsten Münzen sind einige wenige von Lüneburg mit einem kleinen Löwen in dem Rundel des Kreuzes, welche nach 1389 geschlagen sind. Der Fund mag also um das Jahr 1390 vergraben worden sein. Die Zusammensetzung der Münzen ist folgende:

1) Lübeck. Einige mit Vierblatt, andere mit Stern im Rundel des Kreuzes 12
2) Hamburg. Theils mit glattem Kreuz mit einem Nesselblatt in jedem Winkel, theils mit einem Stern im Rundel des Kreuzes   21
3) Lüneburg. Meist mit einem einfachen Kreuze mit einem Vierblatt in der Mitte, einige mit 4 Löwen in den Kreuzwinkeln, einige mit einem Stern im Rundel, wenige mit einem kleinen Löwen im Rundel  90
4) Wismar. Wenige mit einem einfachen Kreuze mit einem Vierblatt in der Mitte, die meisten mit einem glatten Kleeblattkreuz, mehrere mit einem Stern im Rundel des Kleeblattkreuzes 119
5) Rostock. Meist mit Kreuz mit Vierblatt, oft mit einem Punkt, wenige mit einem Stern im Rundel 128
6) Stralsund. Meist mit einem ganz glatten Kreuz und einem Stral im rechten Oberwinkel, einige wenige mit einem Stern im Rundel. 225
7) Güstrow 2
8) Parchim 4
9) Kiel 3
10) Flensbur 2
11) Neustadt in Holstein  1
12) Schweden 1
--- ----
608

Die seltenern Münzen von Nr. 7-12 müssen hier eine genauere Beschreibung finden.

7) Güstrow 2.

Münzen
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8) Parchim 4.

Münzen

9. Kiel 3.

Münzen

Auch im Funde von zarnekow waren 2 gleiche Münzen.

10) Flensburg 2.

Münzen

Es ist auf beiden Exemplaren deutlich FL e N SBVR S

mit einem S zu lesen. - Münzen von Flensburg sind vor diesen in Meklenburg noch nicht gefunden. In dem von Thomsen beschriebenen Funde von Ruhwinkel in Holstein, welcher ungefähr dem Funde von Zarnekow gleich ist, fanden sich 40 Münzen dieser Art, welche Thomsen jedoch nicht näher beschreibt, da sie sehr undeutlich waren, und außerdem 8 nach 1403 geprägte Stücke, welche das Schleswigsche Wappen auf beiden Seiten hatten. Thomsen liest auf den letztern Münzen FL e NBVR e . Vgl. Vierter Bericht der Königl. Schlesw. Holst. Lauenb. Gesellsch. 1839, S. 59.

11) Neustadt 1.

Münzen
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Diese Münze, mit einem Rundel im Kreuze, dürfte also mit den jüngsten Lüneburgern in dieselbe Zeit, nach 1389, fallen. Münzen von der holsteinschen Stadt Neustadt in Wagrien waren bisher noch nicht bekannt. Die erste fand sich in dem Funde von Zarnekow; vgl. oben S. 183. Die Stadt Neustadt, früher Neu=Crempe, führt sicher seit der Mitte des 14. Jahrh. im Stadtsiegel ein Boot, in welchem zwei Männer stehen, an jedem Ende einer, und darüber ein Nesselblatt; vgl. Milde, Siegel des Mittelalters, Heft I, Taf. 5, Nr. 20 und 21. Auf den Münzen ist aber ganz sicher und klar eine niedrige Mauer mit einem Stadtthor und an jeder Seite am Inschriftrande ein höherer Thurm mit Zinnen zu sehen.

12) Schweden 1.

Münzen

Der Anfang der Umschrift auf der H.=S. ist sehr zerdrückt und unleserlich. Diese Münze giebt auch eine Andeutung über die Zeit des Fundes, da sie vor 1389 geschlagen sein muß, indem der König Albrecht von Schweden, Prinz von Meklenburg, am 24. Febr. 1389 in der Schlacht bei Arenwalde gefangen genommen ward und den schwedischen Thron verlor.


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Münzfund von Schwechow.

Vom

Archivrath, Pastor G. M. C. Masch.
zu Demern.

Zu Schwechow bei Hagenow sind im Frühling 1864 ungefähr 4 Fuß tief unter einer alten Buche in einem Beutel ungefähr 400 oder mehr silberne Bracteaten gefunden, von denen 207 ganze und 4 zerschnittene in die Hände des Gutsbesitzers Herrn Kammerherrn v. Laffert auf Schwechow gekommen sind, welcher sie dem Vereine zur Untersuchung und Auswahl (von 52 Stückend freigestellt hat.

Diese Bracteaten sind in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zu stellen, wo bereits der strahlenförmige Rand auf den norddeutschen Hohlmünzen gebräuchlich geworden, während noch die etwas älteren mit glattem Rande in Umlauf waren. Die Mehrzahl von ihnen gehört nach Hamburg, nur 4, mit einem Löwen bezeichnet, sind braunschweigische, eine andere größere Zahl ist mit einem gekrönten Kopfe bezeichnet.

Die letztere Form fehlt in keinem Funde in Meklenburg, welcher Hohlmünzen aus dem Ende des 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ans Licht gebracht hat. Sie haben entschieden die Fabrik der norddeutschen Hohlmünzen, starkes Blech, erhabenen Mittelrand, der das Bild einschließt, und ist der äußere Rand glatt oder gestrahlt, das Gepräge ist grob, das Gewicht stimmt zu den übrigen Hohlmünzen = 1/32 Loth. Es ist bereits oftmals von ihnen die Rede gewesen; während ich sie früher, wie es oft geschehen, nach Dänemark verwies (auch Schweden hat man sie zuschreiben wollen), habe ich später aus dem in Jahrbüchern XVII angegebenen Gründe Greifswald als Prägeort angenommen.

Das Vorkommen einer verhältnißmäßig großen Zahl dieser Form - 51 Stück - unter lauter Hamburger Pfennigen kann allerdings Bedenken gegen die Annahme Greifswalds erregen, aber eine Entscheidung kann dieser Umstand wohl nicht bringen: der Umlauf des Geldes hängt von gar vielen Zufälligkeiten ab, und der Gedanke liegt nahe genug, daß ein Greifswalder Kaufmann einem Hamburger eine Schuld in seiner Stadtmünze ausgezahlt, und daß letzterer

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seine Baarschaft bei einer herrannahenden Gefahr eiligst verborgen habe; außer der Straße von Greifswald nach Hamburg liegt der Fundort nicht.

Die Betrachtung des vorliegenden Vorraths hat aber zu folgenden Wahrnehmungen geführt:

1) daß sie entschieden derselben Fabrik angehören,

2) daß entschieden kein gekrönter Stierkopf in dem Bilde angenommen werden kann, denn die charakteristischen Hörner fehlen sicher,

3) daß der gekrönte Kopf auf der Mehrzahl ein Menschenkopf zu sein scheint, unförmlich freilich, aber doch bestimmbar als solcher,

4) daß aber auf 8 Exemplaren der Kopf ein, dem Stierkopf und den Meklenburgischen Hohlmünzen ähnlich, weit geöffnetes Maul hat, so daß dadurch der Kopf einem Leopardenkopfe gleicht.

Das Zahlverhältniß dieses Fundes, so weit er zur Untersuchung gekommen, ist folgendes:

     I. Hamburg
a. glatter Rand in 7 verschiedenen Typen 103
b. gestrahlter Rand in 5 verschiedenen Typen                     43
     II. Lüneburg
a. im glatten Rande in verschiedenen Typen 6
b. im gestrahlten Rand 1
     III. Kopf=Bracteaten
a. mit Menschenkopf 43
b. mit offenem Maule 9
unkenntlich 2
--- ----
207
zertheilte 4

Beschreibung der Münzen.

I. Hamburg.

a. Pfennige mit glattem Rande.

1) Nesselblatt in einem Portale aus 2 oben abgerundeten Säulen und einer sich dazwischen erhebenden Spitze mit Knopf gebildet. (40 Exempl.)
Gädechens, Hamb. Münzen, S. 330, Nr. 1265.

2) Zwischen den beiden Säulen ein gerader Abschluß und Spitze, besetzt mit einem Knopfe. (19 Exempl.)
Daselbst Nr. 1285.

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3) Hufeisenartiges Thor, aus dem sich oben eine Spitze mit einem Knopf erhebt, zu beiden Seiten der Spitze schwebt eine Kugel. (9 Exempl.)
Daselbst Nr. 1279.

4) Brückenbogen, in dem ein Nesselblatt, und darüber ein Nesselblatt. (1 Exempl.)

5) Im glatten Rande ein H, dem oben und unten zwei Nesselblätter eingeschoben sind. (9 Exempl.)
So hat Gädechens a. a. O. Nr. 1420 das Bild beschrieben, ich glaube aber, daß hier kein Buchstabe, sondern einfache bis an den Rand gehende Säulen dargestellt sind.

6) Nesselblatt in einem Thurm, dessen Seitenpfeiler bis an den Rand gehen, mit einem dazwischen stehenden Thürmchen mit 3 Zinnen. (21 Exempl.)
Gädechens Nr. 1344 nennt und bildet einen Dreizack, es ist aber sicher ein Thurm.

7) Desgleichen, die Zinnen stehen an einem Stiele auf dem Querbalken. (4 Exempl.)
Gädechens Nr. 1346.

b. Pfennige mit gestrahltem Rande.

1) Das Nesselblatt in einem Thor mit geraden bis an den Rand reichenden Seitenpfählen, zwischen denen sich oben ein Giebel mit einer Kugel erhebt, (16 Exempl.)
Gädechens S. 333, Nr. 1307.

2) Thor mit Giebel, dessen 3 Ecken durch Kugeln gebildet werden. (6 Exempl.)
Das. Nr. 1293.

3) Die Säulen gehen durch, statt der Kugel ein Stab. (1 Exempl.)

4) Die Säulen gehen durch, sind mit einem Balken verbunden, auf dem ein Thürmchen mit 3 Zinnen. (19 Exempl.)

5) Gerades Thor, über dem ein Thurm. (1 Exempl.)
Das. Nr. 1358.

II. Lüneburg.

a. Im glatten Rande.

1) Ein Löwe. Mehrere Stempel. (5 Exempl.)

2) Ein Löwe über einem Halbkreise zwischen den Pranken. (1 Exempl.)

b. Im gestrahlten Rande.

1) Ein Löwe.

III. Kopf=Bracteaten.

Sämmtlich mit gestrahltem Rande. (S. Einleitung.)

1) Ein gekrönter Menschenkopf, vorwärts gekehrt. (43 Ex.)

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2) Ein gekrönter Kopf mit offenem Maule. (9 Exempl.)

Unkenntlich waren 2 Münzen, zerschnitten 4 Stück, eine Hälfte und 3 Viertel.


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Münzfund von Schwaberow.

Vom Geheimen Archivrath Dr. G. C. F. Lisch.

Fast zu gleicher Zeit mit dem im Vorstehenden beschriebenen Bracteaten=Funde von Schwechow ward in dem ungefähr eine halbe Meile davon entfernten Dorfe Schwaberow bei Hagenow beim Ausroden eines Baumes von dem Erbpächter Herrn Gebel ein Fund von vielen silbernen Bracteaten gemacht, welcher dem Funde von Schwechow ganz gleich und gleichzeitig gewesen sein wird. Der Herr Rector Römer zu Grabow hat die Nachricht über diesen Fund gegeben und 3 Bracteaten aus demselben geschenkt, von denen 2 Hamburger glattrandig sind und ein Nesselblatt im Thor zeigen, 1 Kopf=Bracteat mit gestrahltem Rande ist.


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Münzfund von Belsch

Vom
Geheimen Archivrath Dr. G. C. F. Lisch.

In einem Garten zu Belsch, Amts Lübtheen, wurden im Spätherbst 1865 beim Rajolen folgende 76 Reichsthaler gefunden, von denen die Jüngern in das Jahr 1655 fallen, der jüngste ein Reichsthaler des Kaisers Ferdinand III. vom Jahre 1656 ist. Die Münzen sind also wahrscheinlich um das J. 1656 in dem Kriege gegen Schweden vergraben, in welchem das kaum wieder auflebende Land von Durchmärschen außerordentlich zu leiden hatte.

Die Thaler waren folgende:

           Stück
Oesterreich o. J. und von     1595 bis 1656 13
Spanien 1620 und 1635 2
Niederlande 1618 bis 1655 35
Dänemark 1655 1
Schweden 1643 1
Polen 1629 1
Sachsen o. J. und 1580 2
Braunschweig=Lüneburg 1623 und 1644 2
Salzburg, Erzbisthum  (1609) und 1624 2
Frankfurt a. M.  1650 1
Nürnberg 1623 bis 1638 4
Hamburg 1611 bis 1637 3
Magdeburg 1620 1
Lüneburg 1586 1
Erfurt  1617 2
Stralsund 1640 1
Danzig  1649 1
Thorn 1640 1
------
76

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IV. Zur Geschlechter= und Wappenkunde.


Wappen der Fürstin Lutgard,

Gemahlin
des Fürsten Johann I. von Meklenburg.

von

G. C. F. Lisch.

Lutgard († 1267), die Gemahlin des Fürsten Johann I. des Theologen von Meklenburg († 1264), war eine Tochter des Grafen Poppo XIII. († 1245) und eine Schwester des Grafen Heinrich († 1262) von Henneberg, welche die Stammhalter des hennebergischen Grafengeschlechts wurden. Ernst von Kirchberg bezeugt dies wiederholt in seiner Meklenburgischen Reimchronik, Cap. 124 und 140: "Als der von Mekilnburg her Johann von Hynnenberg frow Luthgarde nam". Dies muß auch Lutgards Siegel bezeugen, von dem glücklicher Weise noch ein Exemplar vorhanden ist, welches im Meklenburgischen Urkundenbuche Bd. II, S. 99, Nr. 791, zum Jahre 1257, und hier wieder abgebildet ist.

Wappen

Sie führt im Siegel ihre auf einem Sessel thronende Figur, welche in der linken Hand den Schild ihres Gemahls mit dem Stierkopf, in der rechten Hand einen queer getheilten Schild hält, welcher unten geschacht und oben mit einem halben Doppeladler belegt ist. Dieser Schild in der rechten Hand der Fürstin Lutgard ist das Familienwappen derselben.

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Man nimmt im Allgemeinen an, daß die Grafen von Henneberg ein redendes Wappen geführt haben: eine Henne auf einem Berge, wie sich dasselbe noch in dem herzoglich=sächsischen Wappen findet. Das Wappen der Grafen von Henneberg hat aber eine besondere und schwierige Geschichte, welche auch das Wappen der Fürstin Lutgard aufklären helfen wird. Der Fürst Friedrich Karl von Hohenlohe=Waldenburg zu Kupferzell, Ehrenmitglied unsers Vereins, hat die große Güte gehabt, mir zu der folgenden Darstellung vielen geschichtlichen Stoff handschriftlich zu dem mitzutheilen, was Er in den neuesten Zeiten schon in den Druck gegeben hat 1 ).

Die Grafen von Henneberg in Thüringen (bei Meiningen) führten gegen das Ende des 12. Jahrhunderts einen einfachen Adler in ihren Siegeln.

Seit dem Anfange des 13. Jahrh. führten sie aber den getheilten Schild, welcher über einem Schach einen halben Doppeladler enthält 2 ), also das Wappen, welches auch die Fürstin Lutgard führt. Ein solches Siegel führt z. B. ein Graf Poppo 3 ). Sehr merkwürdig ist das im königlich bayrischen Archive zu Würzburg aufbewahrte Doppelsiegel des Grafen Otto des ältern von Henneberg und seiner Gemahlin Beatrix an einer Urkunde vom J. 1231.

Wappen

Beide führen dasselbe Wappen, den halben Doppeladler über einem Schach. Die Gräfin Beatrix führt das hieneben abgebildete Siegel 4 ) mit der Umschrift:

Umschrift

1) Vgl. Anzeiger des German. Museums, XI, 1864, Nr. 2, S. 45, Fig. VIII.
2) Vgl. J. A. Schultes Dipl. Gesch. des Gräfl. Hauses Henneberg, II, Taf. IX, Nr. 2 und 3.
3) Abgebildet bei v. Ledebur, Archiv für Deutsche Adelsgeschichte, I. Jahrg., 1863, Heft IV, Taf. V, Nr. 9.
4) Zuerst abgebildet in des Fürsten F. K. von Hohenlohe=Waldenburg "Mittelalterlichen Frauensiegeln" im Correspondenzblatt der deutschen Geschichtsvereine, Jahrg. XI, 1863, Nr. 3, Beilage, S. 30, Nr. 45. Der Fürst von Hohenlohe hat die Güte gehabt, unserm Vereine den Holzschnitt zu der oben stehenden Abbildung zu leihen.
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Das Siegel ihres Gemahls, des Grafen Otto 1 ), enthält ganz dieselbe Darstellung, ist nur ein wenig größer und führt die Umschrift:

Umschrift

In der Urkunde, an welcher dieses Doppelsiegel hängt, nennt er sich Graf Otto von Botenlouben. Die Grafen von Henneberg nannten sich nämlich zuweilen nach ihrer noch in Ruinen stehenden Burg auch von Botenlauben (bei Kissingen, im Hochstifte Würzburg, südlich von Henneberg). Der Graf Otto († 1244) ist der unter dem Namen Otto von Botenloube bekannte "Minnesänger" der jüngern Zeit. In der zu Stuttgart aufbewahrten alten Weingartner Liederhandschrift der Minnesänger ist Otto von Botenloube mit seinem Wappen in Farben dargestellt 2 ). Er führt hier ebenfalls den getheilten Schild: unten in vier Reihen roth und blau geschacht, oben einen schwarzen Doppeladler im goldenen Felde, und auf dem Helme eine goldene, nach oben greifende Adlerklaue, mit der Ueberschrift:

Ueberschrift

Jenes Doppelsiegel ist auch dadurch sehr merkwürdig, daß sich auf demselben der älteste deutsche Doppeladler findet 3 ).

Der Graf Poppo von Hanensten (früher fälschlich Hamersten) oder Hanstein (1141-1156) gehörte ohne Zweifel zum Henneberger Geschlecht 4 ).

Die an den Fürsten Johann von Meklenburg vermählte Gräfin Lutgard, eine Nichte dieses Grafen Otto von Botenlaube oder Henneberg, führt nun auch noch den Schild mit dem halben Doppeladler mit dem Schach, welcher also sicher noch bis zum J. 1257 reicht. Sie führte dieses Siegel ohne Zweifel seit ihrer Vermählung (1229).

Ueber die heraldische Bedeutung des Doppeladlers fehlen urkundliche Erläuterungen. Die Annahme, daß der Adler sich auf das deutsche Reichswappen 5 ) bezieht, wird durch


1) Der Fürst von Hohenlohe hat die Güte gehabt, dem Vereine Gypsabgüsse von beiden Siegeln zu schenken.
2) Eine farbige Abbildung ist wiedergegeben in der Bibliothek des literarischen Vereins zu Stuttgart, Bd. V, 1843, S. 28.
3) Vgl. des Fürsten F. K. von Hohenlohe=Waldenburg "Beitrag zur Geschichte des heraldischen Doppeladlers in dem Anzeiger des German. Museums", 1864, März, Nr. 3, S. 81.
4) Vgl. v. Ledebur Archiv a. a. O., Heft II, S. 197.
5) Vgl. Fürst von Hohenlohe=Waldenburg im Anzeiger des German. Museums XI, 1864, Nr. 1 flgd.
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das kaiserliche Burggrafenamt unterstützt. Hofrath Bechstein zu Meiningen schreibt im J. 1857: "Es ist dieses Wappen das Wappen des (an die Grafschaft Henneberg grenzenden) Burggrafenthums von Würzburg, mit welchem der Henneberger Grafenstamm beliehen war, folglich ein Amtswappen, dessen sich auch die Frauen bedienten 1 )".

Um die Mitte des 13. Jahrh. ward aber von den Grafen von Henneberg das Wappen mit dem halben Doppeladler aufgegeben, und es erscheint das bekannte redende Wappen mit der Henne auf einem Berge. Diese Annahme fällt in eine Zeit, in welcher die Wappen mitunter noch veränderlich waren. So viel bekannt ist, erscheint dieses redende Wappen zuerst auf dem runden Siegel des Grafen Poppo vom J. 1240 und darnach auf dem Grabsteine des Grafen Otto von Botenlauben vom J. 1244 2 ), und ist seitdem immer gebraucht.

Jedoch erscheint das Wappen mit dem halben Doppeladler in jüngern Zeiten wieder. Auf dem großen, runden Amtssiegel aus dem 15. Jahrhundert, welches, nach Schultes Geschichte des Grafen von Henneberg, der Graf Wilhelm IV. im J. 1459 führte, mit der Umschrift:

Umschrift

führt der darauf zu Pferde abgebildete Reiter im Schilde die Henne, auf dem Banner aber das Wappen mit dem halben Doppeladler; dies würde wohl einigermaßen für ein Geschlechtswappen und ein Amtswappen sprechen.

Gegen das Ende des l 5. Jahrhunderts ward das Wappen mit dem halben Doppeladler in den jetzt quadrirten Schild wieder aufgenommen und bis zum Absterben des Geschlechts in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fortgeführt, und zwar so, daß im 1. und 4. Felde die Henne, im 2. und 3. Felde der Schild mit dem halben Doppeladler steht. Auf Siegeln des 16. Jahrh. ist über dem Doppeladler eine Krone angebracht.


1) Vgl. auch Bechstein: Ueber den Grafen Otto von Botenlauben.
2) Vgl. v. Hefner=Alteneck, Trachten des christlichen Mittelalters, I, Taf. 59.
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Wappen der Herzogin Katharine,

Gemahlin
des Herzogs Johann IV. von Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.

Das große Siegel der Herzogin Katharine von Meklenburg, 1416-1448, ist dadurch merkwürdig, daß dasselbe nicht allein, wie gewöhnlich, zwei Schilde zeigt, nämlich den Schild ihres Gemahls und ihres Vaters, sondern daneben auch noch einen dritten Schild mit zwei Löwen führt, also dreischildig ist.

Wappen

Der Fürst Friedrich Karl von Hohenlohe=Waldenburg zu Kupferzell hat daher auch dieses Siegel in seinen "Mittelalterlichen Frauensiegeln", im Correspondenzblatt der deutschen Geschichts=Vereine, 1864, Nr. 2, Beilage S. 20, zur Untersuchung gezogen, daselbst Nr. 63 in Holzschnitt abbilden lassen und diesen hier oben wieder dargestellten Holzschnitt unserm Vereine zur Benutzung mitgetheilt.

Die Herzogin Katharina von Meklenburg war eine Tochter des Herzogs Erich IV. von Sachsen=Lauenburg und der Herzogin Sophie, einer Tochter des Herzogs Magnus von Braunschweig. Sie war im J. 1416 dem Herzoge Johann IV. in zweiter Ehe vermählt, welcher jedoch schon im J. 1422 starb und ihr zwei minderjährige Söhne Heinrich und Johann hinterließ, über welche sie als Landesregentin sicher bis in das Jahr 1436 die Vormundschaft führte. Seit ihrer Vermählung bis zu diesem Jahre braucht sie das oben abgebildete Siegel sehr häufig.

Die Herzogin führte dieses Wappen sicher mit Vorliebe. Auch in den kunstreich geschnitzten Schranken der achteckigen Heil. Grabes=Kapelle hinter dem Hochaltare der Klosterkirche zu Doberan, welche ohne Zweifel bald nach dem Tode ihres Gemahls, wahrscheinlich an dessen Begräbnißstätte, ausge=

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führt wurden, ist dieses Wappen in Holzschnitzerei angebracht; vgl. Jahrb. XIII, S. 419 flgd., und XIX, S. 367 flgd.

Das Siegel der Herzogin ist dreischildig und hat oben rechts den meklenburgischen Stierkopf, oben links den sächsischen Rautenschild, unten zwei rechts gekehrte Löwen über einander.

Die beiden obern Wappen sind die Schilde ihres Gemahls und ihres Vaters. Der untere Schild mit den zwei Löwen ist ohne Zweifel der Schild ihrer Mutter, Herzogin von Braunschweig. Dies ist schon in den Jahrb. XIII, S. 419 vermuthet, aber durch den Fürsten von Hohenlohe a. a. O. zur Gewißheit erhoben, indem er S. 19, Nr. 61, das Siegel der Pfalzgräfin Clara von Tübingen vom J. 1356 mit drei Wappen in Abbildung mittheilt und 4 andere aus dem Zeiträume von 1308 bis 1357 anführt. Es scheint vorzüglich in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. nicht sehr selten vorzukommen, daß auf Frauensiegel auch das Wappen der Mutter aufgenommen wird. Schon im J. 1272 führte die Gräfin Elisabeth von Wölpe, eine Enkelin des Fürsten Johann I. von Meklenburg, auf ihrem hierneben abgebildeten Siegel neben dem Schilde ihres Gemahls und ihres Vaters auch den Schild ihrer Mutter; vgl. Meklenb. Urk. Buch II, Nr. 1256, S. 436.

Wappen

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Siegel des Marschalls Heinrich von Pappenheim.

Im Mai 1867 ward zu Dänschenburg bei Marlow in einer Sandgrube der bronzene Original=Stempel des Siegels des Marschalls Heinrich von Pappenheim gefunden und von dem Herrn Burgemeister Lüders zu Marlow erworben und dem Vereine geschenkt. Das Siegel ist rund und hat 1 3/8 Zoll oder 3 1/4 Centim. im Durchmesser. Es hat als Siegelzeichen im leeren Felde einen rechts gekehrten Mannskopf mit einer Binde um das Haar und die Umschrift:

Umschrift
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Im Siegelbilde stimmt dieses Siegel mit dem ältesten Pappenheimschen Siegel von (1206) überein, welches in des Fürsten F. K. von Hohenlohe=Waldenburg Sphragistischem Album, Heft III, abgebildet ist. Nach den Buchstaben der Umschrift stammt unser Siegel aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Es ist jedoch noch nicht nach datirten Abdrücken ermittelt, welchem Heinrich von Pappenheim, deren es zu jener Zeit mehrere hinter einander gab, angehörte. Unerklärlich ist es bis jetzt, wie dieses Siegel nach Meklenburg gekommen ist, wo in alter Zeit nie von einem Pappenheim die Rede ist.

Der Herr Archivar Dr. Herberger zu Augsburg, den ich über die Bestimmung der Zeit um Rath gefragt habe, giebt folgende Aufklärung. Die Siegel der Marschälle aus dem 13. Jahrhundert haben alle 4 Reihen Zinnen im Schilde und nicht den Manneskopf. Die ersten Siegel mit dem Haupte haben wieder: 1351 "Sifrid von Babbenhain, Truchsezz von Küllental" und 1355 "Johannes der Marchalk von Bappenhain von Rechberg genant". Wie von Einer Hand gearbeitet erscheint nun das Siegel Siegfrieds von 1351 mit dem zu Dänschenburg gefundenen Siegel. Am 4. Juli 1349 erscheint nun "Heinrich der Marschalk von Pappenhaim", welcher am 25. Nov. 1336 als "Marschalk Heinrich von Bappenhain von Rechberg genant" mit seinem Bruder, dem oben genannten Johann, das gemeinschaftliche Eigenthum theilte, nach der Original=Urkunde im Pappenheimschen Archive. Das Siegel wird also in das zweite Viertheil des 14. Jahrhunderts fallen, und es ist möglich, daß Heinrich Pappenheim mit einem der Söhne des Königs Ludwig des Baiern oder im Dienste Kaisers Carl IV. nach Norden ging und hier das Siegel verlor.

G. C. F. Lisch.     


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Siegel des Günther von Lewetzow.
Nachtrag.

In den Jahrbüchern XVII, (1852), S. 405, ist ein Originalstempel eines Siegels des Knappen Günther von Lewetzow von Willershagen, mit der Umschrift in zwei Reihen:

Umschrift

welcher zu Klewerhof bei Dargun gefunden ist, als dem

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Vereine geschenkt, behandelt und dasselbe der ersten Hälfte des 14. Jahrh. zugeschrieben, da es in der zweiten Hälfte verloren sein wird. Damals war "ein Abdruck des Siegels an einer alten Urkunde noch nicht bekannt". Seitdem sind jedoch 2 Urkunden aufgefunden, an denen dieses Siegel des "Knappen" (armigeri) Günther v. Levetzow von Willershagen hängt: vom 7. Jan. 1329 über Kassebohm im Archive zu Rostock und vom 23. Nov. 1339 über eine Rentenverschreibung an Engelke Baumgarten im Archive zu Schwerin. Die in den Jahrbüchern a. a. O. aufgestellten Vermuthungen haben sich also als richtig bewährt.

G. C. F. Lisch.     


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Die ältesten Siegel der adeligen Familie Voß,

von
G. C. F. Lisch.

Mit acht Holzschnitten

Die adelige Familie Voß (latein. Vulpes) erscheint Zuerst im 13. Jahrhundert im Osten von Meklenburg, östlich um den Cummerower See, namentlich auf der pommerschen Burg Demmin und auf der Burg Stavenhagen, welche damals auch noch pommersch war, und bei dem Kloster Ivenack.

Es sind aus dem 13. Jahrhundert noch viele Urkunden dieser ältesten Voß übrig geblieben und an diesen noch ungewöhnlich viele Siegel erhalten. Wenn diese auch gerade nicht zu neuen geschichtlichen Aufschlüssen Veranlassung geben, so sind sie doch immer bei der großen Seltenheit adeliger Siegel aus dem 13. Jahrhundert ein seltener Schatz und für die Betrachtung der künstlerischen Formen jener alten Zeit von Werth. Der Herr Graf Voß auf Gr. Giewitz hat daher alle alten Siegel seiner Familie zunächst für das Meklenburgische Urkundenbuch auf seine Kosten zeichnen und in Holz schneiden lassen. Wir hoffen auf Dank, wenn wir zur großem Verbreitung diese Holzschnitte auch hier in den Jahrbüchern mittheilen.

Das Meklenburgische Urkundenbuch wird für die älteste Familiengeschichte reichen Stoff bringen, eben so das pommersche Urkundenbuch. Hier sollen nur zur Erläuterung der ältesten Siegel einige Fingerzeige gegeben werden.

Die ältesten Voß wohnten östlich am Cummerower See, südlich von Demmin. Ein Zweig wandte sich nach der Ge=

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gend von Stavenhagen und mehrere Generationen waren seit dem letzten Viertheil des 13. Jahrhunderts um die Ausbildung der Burg Stavenhagen und des Klosters Ivenack verdient. Der Stammbaum dieses Zweiges gestaltet sich ungefähr also:

Stammbaum

Die Siegel dieser Linie sind folgende:

Am 25. Mai 1284 erscheinen die Brüder 3. Friedrich, 4. Heinrich und 5. Conrad in einer Urkunde des Klosters Dargun auf der Burg Stavenhagen. Sie waren Söhne des Ritters Johann Voß, welcher damals schon todt war, und verhandelten damals über das Leibgedinge ihrer noch lebenden Mutter Hadwig. An der Urkunde hängt:

1. Das hieneben abgebildete Siegel eines Johann Voß, welcher in der Urkunde nicht genannt wird. Dies ist entweder das Siegel ihres verstorbenen Vaters Johann oder ihres Vetters Johann, Burgmannes zu Demmin. Dieses Siegel ist vielleicht das älteste Siegel der Familie.

Siegel

2. Dieselbe Urkunde besiegelt auch der Pfarrer Reyner Voß zu Dukow mit dem hierneben abgebildeten Siegel. Er war ein Oheim ("avunculus") der genannten drei Söhne und ohne Zweifel ein Bruder des Johann Voß. Das Siegel kommt 1284 und 1293 vor, und zeichnet sich vor vielen dadurch aus, daß auf demselben schon das Voßische Wappen abgebildet ist, für jene Zeiten auf geistlichen Siegeln noch eine Seltenheit.

Siegel
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3. Friedrich Voß, der älteste der genannten drei Brüder, führt an derselben Urkunde von 1284 das hierneben abgebildete Siegel, welches dem Siegel seines Vaters sehr ähnlich ist. Er wird früh gestorben sein, da seine beiden Söhne schon 1300 neben ihren Oheimen als Burgmänner von Stavenhagen vorkommen.

Siegel

4. Heinrich Voß, der zweite der genannten drei Brüder, führt 1293 und 1300 das hierneben abgebildete Siegel. Er wird von 1293 bis 1304 wiederholt Burgmann ("castellanus") von Stavenhagen genannt.

Siegel

5. Von Conrad Voß, dem dritten der genannten Brüder, welcher auch immer Burgmann von Stavenhagen genannt wird, ist kein Sieael erhalten. Der Ritter Friedrich hinterließ zwei Söhne, Heinrich und Johann, welche im J. 1300 und später wiederholt Burgmänner von Stavenhagen genannt werden.

6. Von Heinrich ist kein Siegel erhalten.

7. Von Johann Voß ist das hierneben abgebildete Siegel an einer Ivenacker Urkunde vom 2. Juni 1300 zu Stavenhagen erhalten. Er nennt sich selbst in der Umschrift des Siegels: Johann Voß von Stavenhagen (S. Jo[hannis Vo]s de Stouenhagen).

Siegel
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8. Eine Tochter Friedrichs Voß, Elisabeth, ward 1300 Nonne im Kloster Ivenack.

9. Von Henning Voß und

10. von Siegfried Voß, welche 1319 auch Vögte ("advocati") von Stavenhagen genannt werden und wahrscheinlich Heinrichs von Stavenhagen Söhne waren, sind bis jetzt keine Siegel bekannt geworden.

Ein anderer Zweig der Familie, auf Lindenberg, Kenzlin u. s. w. gesessen, gab Burgmänner zu Demmin. Es werden 1284 und später zwei Voß, Friedrich und Heinrich, wahrscheinlich Brüder, als Vettern ("patrui") der drei Söhne, also Brudersöhne des Johann Voß, angegeben; ein Johann Voß, welcher 1293-1304 vorkommt, mag ein Bruder derselben gewesen sein. Alle waren Burgmänner ("castrenses, castellani") zu Demmin und standen mit dem Zweige zu Stavenhagen in den engsten Beziehungen. Der Stammbaum gestaltet sich also:

Stammbaum

Die Personen sind wegen des oft vorkommenden Vornamens Heinrich schwer zu unterscheiden.

11. Friedrich Voß, welcher schon 1284 vorkommt, führt 1293 und 1300 das hierneben abgebildete Siegel, welches sich von dem oben abgebildeten Siegel seines gleichzeitigen Vetters 3. Friedrich wesentlich unterscheidet.

Siegel

12. Von Heinrich Voß und

13. von Johann Voß sind bis jetzt noch keine Siegel entdeckt.

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14. Heinrich Voß, welcher in einer Urkunde vom 29. Juni 1293 Sohn des Ritters Friedrich Voß genannt wird, führt 1293 und 1300 das hierneben abgebildete Siegel, welches dem Siegel seines Vaters ähnlich ist.

Siegel

15. Von Heinrichs Sohn Heinrich ist kein Siegel bekannt.

Alle diese Siegel sind Schildsiegel. Es war bisher noch kein Voß'sches Helmsiegel bekannt. Alte Siegel mit Schild und Helm sind sehr selten. Es kommt in alten Zeiten oft wohl ein Helm allein auf einem schildförmigen Siegel vor. Aber alte Helmzeichen zu Siegeln, welche ein Thier im Wappen haben, sind überhaupt selten, da man voraussetzen kann, daß sich das Schildzeichen auf dem Helme wiederholt. Es ist jedoch gelungen, im Archive zu Schwerin auch das hieneben abgebildete Helmsiegel des Knappen Hermann Voß an einer Urkunde des Ritters Heine Holstein, Vogtes zu Penzlin, vom 10. Juli 1330 zu entdecken. Es zeigt auf dem Helme einen laufenden Fuchs und es scheint hieraus hervorzugehen, daß diese Gestaltung des Wappenzeichens die älteste und richtigste ist.

Siegel

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V. Zur Naturkunde.


Fossiler Elephantenzahn von Bartelsdorf.

Der oft besprochene Begräbnißplatz von Bartelsdorf bei Rostock (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 301, flgd. Jahrb.), welcher der allerjüngsten Zeit der Eisenperiode angehört, mag nicht allein wegen der in der obersten Erdschicht liegenden heidnischen Alterthümer, sondern auch in geognostischer Hinsicht merkwürdig sein. Die Grube geht nämlich sehr tief und es lassen sich in den Durchschnitten sehr viele wellenförmige Schichten von feinem Diluvial=Gerölle erkennen. Ich habe daher immer die Vermuthung gehabt, daß man hier in großer Tiefe auf antediluvianische Alterthümer stoßen könnte. Nun hat auch der Herr Otto Ahlers zu Rostock, welcher fleißig sammelt, im J. 1865, in der Tiefe der Grube schon ein Bruchstück von einem zerfallenen antediluvianischen Elephantenzahn gefunden, das ich selbst bei ihm gesehen habe. Es kann daher nicht unmöglich sein, daß sich hier mit der Zeit noch mehr Alterthümer dieser Art finden.

G. C. F. Lisch.     


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Rennthiergeweih von Grapen=Stieten.

Der Herr Ehlers zu Grapen=Stieten bei Wismar schenkte dem Verein ein daselbst vor ungefähr zwei Jahren gefundenes Rennthiergeweih, welches sich vor allen andern in den Schweriner Sammlungen befindlichen dadurch auszeichnet, daß der obere Schädel bis an die Nasenbeine (ohne Zähne) noch vorhanden ist und beide Hörner noch fest auf dem Schädel sitzen, während der Verein bisher nur einzelne abgeworfene oder abgebrochene Stangen hat gewinnen

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können. Die Eissprießel und die Kronen sind abgebrochen, wie es scheint schon vor der Auffindung. Das Ganze ist ausgedörrt, mürbe, leicht und von Farbe grau.

Für die Bestimmung alter Rennthiergeweihe aus der sogenannten Rennthierzeit ("Ersten Postdiluvial=Periode") ist die Kenntniß des Lagers außerordentlich wichtig. Das Rennthiergeweih von Grapen=Stieten ist wie alle andern bisher bekannten auch im Moder gefunden. Herr Ehlers theilt über die Auffindung folgende genaue Nachrichten mit. Nach der Aussage alter Leute ist die Fundstelle vor ungefähr 30 Jahren eine feste Wiese gewesen. Unmittelbar unter der Wiesendecke hat Torf gestanden. Darauf hat ein früherer Besitzer des Gutes den Torf rein ausstechen lassen, bis man auf ein tiefes Moderlager unter dem Torf gestoßen ist. In Folge dieser Ausstechung hat sich in dem Becken lange Zeit Wasser über dem Moder angesammelt gehabt. Nachdem es nun dem Herrn Ehlers gelungen ist, das Wasser abzulassen, hat er den Moder zur Ackerverbesserung ausgraben lassen und ungefähr 1000 Schachtruthen Moder aus der Tiefe gewonnen. In diesem Moder ist das Rennthiergeweih gefunden, welches jedenfalls sehr tief gelegen hat.

Bei dieser Gelegenheit theilt Herr Ehlers noch mit, daß vor nicht langer Zeit auch zu Cordshagen bei Rostock ganze Rennthiergeweihe gefunden sind, welche jedoch in Privatbesitz über der Rose abgesägt und auf künstlichen Köpfen befestigt sind.

G. C. F. Lisch.     

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Rennthierhorn von Blüssen.

Der alterthumskundige Küster Herr Splitter zu Lübsee bei Rehna schenkte dem Vereine ein Rennthierhorn, welches zu Blüssen bei Schönberg im meklenburgischen Fürstenthume Ratzeburg sehr tief in einem Moderloche gefunden ist. Das Horn ist grau=weiß von Farbe und gleicht den früher in Meklenburg in Moderlöchern und Mooren gefundenen Rennthierhörnem (der "ersten Postdiluvial= oder Rennthierzeit"). Die Krone und die Schaufeln sind abgebrochen; die Stange ist jetzt noch 2 Fuß lang.

G. C. F. Lisch.     

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Eine Elenschaufel

von einem jungen Thier, gefunden im Moder zu Grapen=Stieten, schenkte Herr Ehlers zu Grapen=Stieten.

G. C. F. Lisch.     


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Eine Elenschaufel,

gefunden zu Kleefeld bei Schwerin im Moor, ward geschenkt von dem Herrn Oekonomen Putzky.

G. C. F. Lisch.     

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Das fossile Hirschgeweih von Gr. Nieköhr,

welches in den Jahrb. XXXI, S. 113, aufgeführt ist, ist von dem Herrn Secretair L. Fromm dem Verein mit dem folgenden genauem Bericht geschenkt.

"In einer Wiese an der Landstraße von Demmin über Gnoien nach Güstrow lag ein großer Hügel, welcher im Volksmunde "der Schloß= oder Burgplatz" hieß. Derselbe bestand aus sandiger Erde, zwischen welcher sich viele Kohlen, Backsteinstücke und unzählige Reste älterer Bauwerke befanden (nach Aussage der Arbeiter). Daß diese Erde aufgeschüttet gewesen, wird von Allen behauptet und die ursprüngliche Form des Walles als "länglich rund" bezeichnet. Lange ist vom Wallhügel Erde zum Ueberkarren der Wiesen abgefahren; vor einigen Jahren ist er fast ganz - bis auf einen unwesentlichen Rest - abgetragen. In der Erde dieses Walles ist das Hirschgeweih gefunden; die fehlenden Stücke sind leider von den Arbeitern mit der Hacke zertrümmert".

Schwerin, den 9. März 1867.

L. Fromm.     


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Biber von Fresenbrügge.

Im Sommer des J. 1867 wurden beim Ausheben der Baugrube für eine Fangschleuse in dem neuen Eldekanal durch die Wiesen des rechten Eldeufers bei Fresenbrügge unterhalb Grabow mehrere Knochen eines Bibers, wahrscheinlich mit seinem Bau, runden und von dem ausfüh=

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renden Herrn Bau=Conducteur Ahrens zu Parchim zum Theil gerettet und an den Verein eingesandt.

Die Knochen lagen 8 bis 10 Fuß tief unter der jetzigen Grasoberfläche unter der Wiesenerde in reinem, wasserhaltigen Sande ("Saugsand", plattd. "Sogsand"), nahe an der vorbeifließenden Elde. Die Knochen, von brauner Farbe, von einem großen Thier, sind folgende: ein vollständiger Schädel, ein vollständiges Becken, des Rückgrats hinterer Knochen, ein Schulterknochen, ein Beinknochen.

In gleicher und geringerer Tiefe lag viel Holz, wahrscheinlich von dem Bau. Die Erlen und Weiden waren so weich, daß man sie ohne Mühe mit dem Spaten durchstechen konnte, die Tannen waren ziemlich, die Eichen noch ganz fest.

Ohne Zweifel sind dies Ueberreste von einem in den ältesten Zeiten in seinem Bau gestorbenen Biber, der nach und nach durch die Elde hoch überschwemmt und hoch überwachsen ist.

Nach der Mecklenburg. Zeitung 1867, Aug. 24, Nr. 197, sollen außerdem in einiger Entfernung davon in gleicher Tiefe noch zwei ziemlich gut erhaltene Hirschgeweihe gefunden sein.

G. C. F. Lisch.     


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Fossiles (?) Holz von Rastorf.

Herr Hillmann auf Rastorf schenkte dem Verein 2 Stücke Holz, welche auf dessen Gute Rastorf bei Wismar 50 Fuß tief beim Graben eines Brunnens gefunden sind. Es sind zwei, offenbar zusammen gehörende, gespaltene, dünne Späne, wie Brettchen, 9 Zoll lang, 3 Zoll breit und ungefähr 1/8 Zoll dick, welche zusammen gesessen haben. Die Außenseiten sehen wie Rinden, die Binnenseiten wie Holz aus. Die Stücke sind nicht "versteinert", aber zähe und fest und mögen wohl in einem diluvialen Lehmlager gelegen haben. Der Herr Professor Braun zu Berlin urtheilt darüber so, daß das Holz mikroskopisch den Bau der Nadelhölzer zeige und wahrscheinlich Kiefernholz sei.

G. C. F. Lisch.     

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