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II. Zur Baukunde.


Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.

Kirchliche Bauwerke.


Die

S. Nicolai=Kirche auf der Neustadt Röbel.

Ein kunstgeschichtlicher Bericht

von

G. C. F. Lisch.


Der Bau.

Die S. Nicolai=Kirche auf der Neustadt Röbel ist seit einigen Jahren einer Restauration unterworfen und im J. 1867 zur Erneuerung der Innern Einrichtung ausgeräumt. Bei dieser Gelegenheit sind mehrere Entdeckungen gemacht, welche sehr werthvoll und anziehend sind. Es wird daher nothwendig und erwünscht sein, diese Kirche noch ein Mal einer eingehenden Beleuchtung zu unterwerfen, obgleich sie schon in den Jahrbüchern VIII, B, S. 109 flgd. im Allgemeinen beschrieben ist.

Die Hallenkirche besteht aus einem einschiffigen Chor von 2 Gewölben Länge, einem dreischiffigen Schiff von 3 Gewölben Länge und einem großen Thurmgebäude. Der Bau wird von Osten nach Westen vorgeschritten sein.

Der niedrige Chor ist ganz im ausgebildeten Uebergangsstyle aufgeführt. Die rechtwinklig angesetzte, gerade Altarwand hatte drei schräge und glatt eingehende, schmale, niedrige, leise gespitzte, mit einem Rundstabe eingefaßte Fenster,

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von denen das mittlere höher ist, als die beiden andern, ganz wie sie sonst überall der Uebergangsstyl zeigt. Diese alte Construction ist in den neuesten Zeiten, angeblich wegen Mangel an Licht, vernichtet, indem die Wandungen rechts winklig ausgebrochen und dadurch die Fenster verbreitert sind, allerdings gerade nicht zur Verschönerung des Baues. Bei der gegenwärtigen Restauration sollen aber die Fenster in ihrer alten Form wieder hergestellt werden. An den Ecken des Chors stehen noch Lissenen, welche im Dachgesimse einen Rundbogenfries, einen pries von einfachen Halbkreisen, tragen. Der Giebel ist reich verziert, in der untern Hälfte durch Aufmauerung der Ziegel im Zickzack, oben durch mannichfache Blenden. Die Seitenwände des Chors haben an jeder Seite unter jedem Gewölbe ein Fensterpaar oder doch die Anlage dazu. Die Lissenen trugen hier aber einen pries von "Kreuzungsbogen", d. h. eine Reihe von doppelten, sich durchschneidenden Halbkreisen, ein im Lande selten vorkommendes, charakteristisches Kennzeichen des Uebergangsstyls (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 110). Dieser Fries ist aber bei der gegenwärtigen Restauration verschwunden und statt dessen ein einfacher Rundbogenfries eingesetzt. Die vorspringenden Ostwände der Seitenschiffe des Schiffes, welche wohl gleich mit der Vollendung des Chors ausgeführt sind, haben auch noch den einfachen Rundbogenfries, der aber den Seitenwänden des Schiffes ganz fehlt.

Da die Neustadt Röbel am 21. Jan. 1261 zu einer Gemeinde erhoben und mit dem Schwerinschen Stadtrecht bewidmet ward, so ist anzunehmen, daß der Chor um diese Zeit gebauet ward. Wir haben hier also ein ziemlich sicher datirtes Beispiel des ausgebildeten Uebergangsstyls.

Das Schiff hat im Allgemeinen auch noch Anklänge des Uebergangsstyls. Die Fenster sind noch gerade so construirt, wie die Fenster des Chors; aber sie sind schon hoch und breiter, und die Seitenwände haben schon die Maaßverhältnisse eines gotischen Baues. Der Rundbogenfries fehlt. Die beiden, in der Mitte der Seiten liegenden Pforten, an jeder Seite eine, sind schon im Spitzbogen aufgeführt. Die Pfeiler, welche im Innern die Gewölbe tragen, sind reich gothisch construirt: die Rundpfeiler sind nämlich "mit vier starken Halbsäulen als Diensten besetzt ("cantonirt"), zwischen denen ein dünnerer Rundstab steht, der von zwei verhältnißmäßig breiten Hohlkehlen begleitet ist.

Zu diesen Eigenthümlichkeiten stimmen auch die Gewölbe; denn der Chor hat Kuppelgewölbe, deren Halb=

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kugel sich durch sogenannte "Pendentifs" aus den Chorwänden entwickelt, ohne Rippen oder Grate, das Schiff dagegen hat Kreuzgewölbe mit Rippen.

Wir haben also einen Bau, der in der Grenze zwischen dem Uebergangsstyle und dem gothischen Style liegt. Und dies stimmt auch zu der Geschichte dieses Baues, welcher, wie unten gezeigt wenden wird, um das Jahr 1275 (sicher vor 1290) ganz vollendet ist.

Dies ist im Allgemeinen die Gestalt der Kirche, deren Kenntniß zur Beurtheilung der im Folgenden beschriebenen Entdeckungen notwendig ist.


Die Reliquiengruft im Altare der Kirche zu Neustadt Röbel und die Erbauung und Restauration der Kirche.

Bei der Restauration der Kirche während des J. 1867 ward beim Abbruche des steinernen Altartisches die kleine ausgemauerte "Reliquiengruft" wohl erhalten gefunden. In derselben stand ein etws bauchiges, gläsernes Gefäß von grünlichem Glase, von der Größe eines gewöhnlichen Trinkglases, 4" hoch, an der Außenseite mit 18 ziemlich großen aufgesetzten Knöpfen von demselben Glase verziert.

In dem Glase lag

1) eine kleine besiegelt gewesene Pergament=Urkunde 1 ), nach welcher Johannes, Bischof in partibus infidelium von Adramytium, Weihbischof ("in pontificalibus vicarius generalis") 2 ) des Bischofs Busso I. (v. Alvensleben) von Havelberg, am 10. Aug. 1490 den Kirchhof, die Kirche und den Altar der Kirche zu Ehren der H. Jungfrau Maria und des H. Nicolaus wieder geweihet hat ("reconsiliavit").

Der Anblick der noch stehenden alten Kirche lehrt sogleich, daß mit dieser Einweihung nicht die erste Einweihung der zuerst erbaueten Kirche gemeint sein kann, da die Kirche noch "im sehr strengen Spitzbogenstyl oder Uebergangsstyl" mit romanischen Anfängen, also sicher im 13. Jahrhundert, aufgeführt ist (vgl. Jahrb. VIII, B, S. 110). Es kann im J. 1490 nur von der Einweihung des Altars, den ich in meinem amtlichen conservatorischen Erachten über die


1) Vgl. den Abdruck in der Ablage.
2) Die erste Nachricht von dieser Entdeckung gaben die Meklenburg. Anzeigen, 1867, Nr. 7, Juli 8. Diese nennt aber nur "den Bischof Johann" ohne weitere Bezeichnung. Dies kann aber irre führen, da 1490 kein Johann, sondern Busso "Bischof" von Havelberg war.
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jetzige Restauration der Kirche, ohne die vorliegende Urkunde zu kennen, in das "Ende des 15. Jahrhunderts" gesetzt habe, und außerdem höchstens von einer Restauration der Kirche und des Kirchhofes, vielleicht nach einem Brande oder Kriege, die Rede sein; denn an der ganzen Kirche ist keine Spur vom Baustil des 15. Jahrhunderts zu finden. Dafür spricht auch die Urkunde ausdrücklich, indem in derselben nur von einer Wiedereinweihung die Rede ist ("reconsiliavimus"); denn der gewählte lateinische Ausdruck bezieht sich allein auf eine Restauration nach einer Entweihung 1 ).

Für den Styl des Altars ist aber die Urkunde von Wichtigkeit, da der Altar dadurch sicher datirt wird.

Das Siegel des Weihbischofs Johann war nicht, wie gewöhnlich, angehängt, sondern, gegen den Gebrauch, auf die Rückseite aufgedrückt und abgefallen, fand sich aber noch in dem Glase, wenn auch sehr beschädigt.

Viel wichtiger ist es, daß sich in dem Glasgefäße

2) ein zweites loses Siegel fand, welches an einer Urkunde gehangen hat, da sich noch ein abgerissenes Ende Pergamentband daran befindet, welches bräunlich und morsch ist. Ohne Zweifel ist die Urkunde, welche dieses Siegel getragen hat, im J. 1490 vermodert gefunden und man hat das Siegel zum Andenken mit in das Glas gelegt. Auch die Oberfläche dieses Siegels ist etwas verwittert und aufgelöset. Vielleicht ist die erste Urkunde ohne Glasgefäß in die ausgemauerte Reliquiengruft gelegt gewesen und dadurch vergangen. Denn das Glasgefäß gehört nach Vergleichung mit andern, ähnlich datirten Gefäßen dem 15. Jahrhundert an.

Dieses Siegel ist ein großes, rundliches Siegel, welches nicht völlig rund, sondern ein wenig länglichrund ist und dadurch von sehr vielen gleichzeitigen, ähnlichen Siegeln leicht unterschieden werden kann. Man muß es auf den ersten Blick in das 13. Jahrhundert setzen. Die Darstellung ist alt. Auf einem Stuhl, wie es scheint mit Hundeköpfen an den Seiten, sitzt ein Bischof, welcher mit der rechten Hand einen gerade stehenden Bischofsstab hält und auf dem ausgestreckten linker Arme ein offenes Buch trägt. Von der Umschrift ist noch zu lesen:

Umschrift

1) "Reconciliari ecclesia dicitur, cum scelere aliquo violata ac polluta, vel a paganis aut haereticis obtenta, rursum ab episcopo consecratur". Du Fresne Gloss. med. latin., nach vielen ausführlichen Beweisstellen .
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Das Siegel ist dadurch besonders gekennzeichnet, daß es innerhalb des Umschriftrandes um die Bischofsgestalt noch einen zweiten schmalen Verzierungsrand hat, welcher durch seine Linien quer gestrichelt ist.

Das Siegel führte also ein Bischof von Havelberg, unter dem seit 1252 die Neustadt Röbel stand, während die Altstadt zum Sprengel des Bischofs von Schwerin gehörte (vgl. Jahrb. XIX, S. 403). Es war die Frage, welchem Bischofe das Siegel zuzuschreiben sei.

Im großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin finden sich nun 2 Abdrücke desselben Siegels, welche an den Kloster Reinfeldschen Urkunden vom 22. Febr. 1271 und 5. April 1273 hangen (Vgl. Meklenburg. Urk. Buch II, Nr. 1217 und 1280). Die "Ausfertigung" oder Abschrift dieser Urkunden ist zwar falsch, d. h. nicht gleichzeitig (Vgl. Meklenburg. Urk. Buch I, S. XXXIV); aber es ist wohl sicher, daß die Personen und Zeitangaben, so wie der sachliche Inhalt, alten ächten, vielleicht früh vermoderten Originalen entnommen und die alten Siegel den falschen Ausfertigungen wieder angehängt, also ächt sind. Nach den vorliegenden Exemplaren lautet die vollständige Umschrift:

Umschrift

Die Aechtheit des Siegels wird auch durch die Nachricht des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz mit einem beigefügten Gipsabguß bestätigt, daß dasselbe Siegel auch an einer ächten Original=Urkunde vom J. 1277 im königlichen Staats=Archive zu Berlin hängt.

Es ist daher unbezweifelt sicher, daß das abgerissene Siegel aus der Reliquiengruft der Neu=Röbelschen Kirche dem Bischofe Heinrich II. von Havelberg gehört, welcher 1270-1290 regierte und zu Witstock, nahe bei Röbel, zu residiren pflegte (vgl. Riedel Cod. dipl. Brandenburg. I, Bd. 2, S. 403).

Das Siegel wird daher an der Urkunde gehangen haben, durch welche der Bischof die Einweihung des ersten Baues bezeugte.

Die Kirche ist also in der Zeit 1270-1290 fertig geworden, wahrscheinlich in den ersten Zeiten dieses Zeitraums, etwa um das Jahr 1275, da der Bau, wenn auch schon hoch strebend, doch noch viele Eigenthümlichkeiten des romanisirenden Uebergangsstyls an sich hat.

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Die Einweihungsurkunde von 1490 giebt auch noch an, daß die alte Kirchweih ("dedicatio") am Sonntage nach dem Feste Viti (15. Juni) gefeiert ward.

Diese Annahme hat auch deshalb viel für sich, weil der Fürst Nicolaus von Werle am 21. Jan. 1261 die Neustadt Röbel zu einer eigenen Stadtgemeinde erhob und mit dem Schwerinschen Stadtrecht begnadigte (vgl. Meklenburg. Urk. Buch II, Nr. 911). Die Kirche kann also immer schon im Anfange der siebenziger Jahre des 13. Jahrhunderts fertig geworden sein.

Diese Zeitbestimmung ist nun für die Geschichte des Baustyls in Meklenburg außerordentlich wichtig, indem sie lehrt, daß neben den Anfängen der Gothik manche Eigenthümlichkeiten des Uebergangsstyls, z. B. die schmalen, romanisirenden Fenster, der Rundbogenfries, die Ecklissenen u. s. w. sich noch bis gegen das letzte Viertheil des 13. Jahrhunderts erhielten.

Dieses Ergebniß wird durch eine andere neue Entdeckung bestätigt, welche erst nach der Vollendung der ersten Abtheilung (Bd. I-IV) des Meklenburgischen Urkundenbuches gemacht ist. Auch die Kirche auf der Neustadt Parchim ward nach einer Urkunde über die Feierlichkeit am 19. Juni 1278 eingeweihet ("dedicata") 1 ). Nun ist aber diese Kirche der in der Neustadt Röbel außerordentlich ähnlich und hat auch noch alle oben berührten Eigenthümlichkeiten des romanisirenden Uebergangsstyls (vgl. Jahrb. VIII, B, S. 105 flgd.).

3) Die Reliquien in der Reliquiengruft des Altars, welche in keinem Altare fehlten, werden auch vergangen sein. Es fanden sich in dem Glase noch hin und wieder einige Stückchen Moder, die sich jedoch nicht erkennen ließen.


Wandmalereien auf dem Triumphbogen.

Sehr ausgezeichnet und merkwürdig ist die künstlerische Verzierung der dem Schiffe zugekehrten niedrigen Wand des Triumphbogens 2 ) über demselben, die auf den rohen


1) Vgl. die nächstfolgende Abhandlung.
2) In den vielen kleinen Landkirchen des Uebergangsstyls, welche einen niedrigen Chor haben, scheint die Bemalung der Wandfläche des Triumphbogens, welche in Folge der Construction sehr groß zu sein pflegt, herkömmlich zu sein. In großen und hohen gotischen und (  ...  )
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Ziegeln mit sehr schöner, alter Wandmalerei 1 ) bedeckt ist, welche, von der Kalktünche befreiet, leider nicht mehr ganz zu erkennen war 2 ).

In der Mitte thront auf einem Sessel ein Bischof, von unten in Lebensgröße erscheinend, mit Bischofsmütze und Bischofsstab, die rechte Hand zum Segnen erhebend, wie es scheint; es sind von der Hand, welche wie zum Schwören gegen das Gesicht aufgerichtet scheint, nur drei Finger zu sehen. Die Kleidung ist sehr reich in glänzenden Farben. Nach allen Andeutungen scheint dies der H. Nicolaus zu sein, der Schutzpatron der Kirche.

Rechts neben ihm knieet eine weibliche Gestalt in dunkelm Gewande mit Kopftuch, etwas darreichend oder empfangend.

Hinter dieser Figur steht ein Knabe mit wenig gebogenen Knieen.

Links hinter dem Bischofe steht ein Werk mit Thürmchen und andern Verzierungen, jedoch etwas unklar, wie eine Monstranz oder eine Kirche.

Wappenschild

Dahinter, also im Zwickel rechts in der Ansicht, ist rechts gelehnt der hierneben abgebildete Wappenschild 3 ) von alten, großen Formen, 33" hoch und 25" im Schildeshaupt breit: in goldenem Felde zwei gekreuzte schwarze Lilienstäbe und in dem dadurch gebildeten untern Winkel drei schwarze Sterne enthaltend.

Dieser Wappenschild 4 ) war ganz sicher zu erkennen und


(  ...  ) gothisirenden Kirchen, in denen die Wandfläche des Triumphbogens gewöhnlich nur sehr niedrig ist, scheint hier Malerei sehr selten vorzukommen.
1) Im J. 1867 ward auch im Dome zu Schwerin an gleicher Stelle eine ähnliche Wandmalerei entdeckt.
2) Leider ist diese ganze Malerei, welche allerdings schlecht erhalten war, bei der Restauration des Triumphbogens im Herbst 1867 mit Kalk überputzt.
3) Der ausführende Architekt Herr Genzke hat die Güte gehabt, dem Vereine eine Contur=Pause dieses Wappens zu schenken.
4) Auch in der Kirche zu Alt=Röbel fand sich unter der Kalktünche über den Fenstern der südlichen Chorwand ein eben so großer und gleich gemalter Wappenschild mit dem fürstlich werleschen Stierkopfe, welcher wohl sicher auch aus dem letzten Viertheil des 13. Jahrh. stammen und von demselben Maler herrühren kann; vgl. Lisch in Jahrb. XVII, 1852, S. 380 und 383 flgd , und Lisch in der Zeitschrift für Bauwesen, Berlin, 1852, August, mit Abbildungen.
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gut und vollständig erhalten. (An die zwei gekreuzten Bischofsstäbe im Wappen des Bisthums Havelberg ist nicht zu denken.)

Es steht zur großen Frage, wem dieses Wappen gehört. Ich zweifle keinen Augenblick daran, daß es das Wappen des Bischofs Heinrich II. von Havelberg ist, der nach dem Vorstehenden die Kirche geweihet hat. Woher stammte aber dieser Bischof Heinrich? Mooyer in seinem "Verzeichnisse der deutschen Bischöfe", S. 47, nennt ihn "Heinrich II. von Sternberg". Aber weder bei Riedel, noch irgend einem andern brandenburgischen Geschichtsforscher ist eine Spur von seiner Herkunft zu finden.

In Stein's "Beschreibung aller Bischöffe zu Havelberg" in Küster Collectio Opus., Bd. II, Stück 13, 1733, S. 57, steht: "Henricus II. ist von Cunrado de Sterneberg dem 23ten Erzbischoffe zu Magdeburg ein geweihet worden "anno Christi 1270 und gestorben 1290". Vielleicht ist es ein Versehen von Mooyer, daß er den Familiennamen des Erzbischofs von Magdeburg für den des Bischofs von Havelberg angesehen hat. - Die 3 Sterne auf dem Schilde in der Röbelschen Kirche deuten aber allerdings auf einen Namen wie Sternberg. Aber alle alten adeligen Familien von Sternberg haben ein anderes Wappen: die ausgestorbenen Grafen von Sternberg, zu denen ohne Zweifel der Erzbischof Conrad von Magdeburg gehörte, hatten einen Stern im goldenen Schilde; die alten böhmischen Freiherrn und Grafen von Sternberg hatten einen Stern im blauen Schilde, wie der zu dieser Familie gehörende Schwerinsche Bischof Albrecht, 1356-1363 (vgl. Jahrb. XI, S. 228); die Küchenmeister von Sternberg hießen gewöhnlich nur Küchenmeister und die von Ungern= Sternberg in alter Zeit nur Ungern, und führten beide auch andere Wappen. Es ist also für das Röbelsche Wappen kein Anhalt in der Wappenwissenschaft zu finden. Möglich ist es, daß es einem früh ausgestorbenen adeligen Geschlechte der Mark Brandenburg oder der meklenburgischen Länder angehört, aber auch möglich, daß es gar kein adeliges Wappen ist. Wenn der Bischof Heinrich II. wirklich Sternberg hieß, so finden sich allerdings einige geschichtliche Anhaltspuncte. Im J. 1300 war Mathias Sterneberch Pfarrer zu Wilsnack (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, Bd. 2, S. 121). Johann Sterneberg war 1350-1359 Domherr zu Güstrow (vgl. Meklenb. Jahrb. XXIV, S. 46) und Gerdt Sterneberg 1389 Priester (vgl. daselbst S. 248).

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Einstweilen läßt sich also nichts weiter sagen, als daß das unbekannte Wappen in der Kirche zu Neu=Röbel wahrscheinlich das Familienwappen des einweihenden Bischofs Heinrich II. von Havelberg ist.

Die Laibung des Triumphbogens war gegen alle Erwartung ohne Malerei.


Gewölbemalereien.

Bei der Abnahme der Kalktünche während der Restauration ergab es sich, daß auch die Gewölbe mit Malereien geschmückt waren, welche ohne Zweifel bei der Vollendung der einzelnen Theile aufgetragen wurden.


Gewölbemalereien im Chor.

Die Gewölbe des Chors waren in dem Style des Gemäldes auf dem Triumphbogen zum Theil mit figürlichen Darstellungen bemalt, welche also ohne Zweifel auch noch aus dem 13. Jahrhundert stammten und in denen der Sohn Gottes als Weltenrichter zu erkennen war.

In dem Kuppelgewölbe im Osten, über dem Altare, war an der Ostseite Christus mit zwei Schwertern am Munde, nach Offenb. Joh. 1, 16: "Und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert". Jedoch thronte Christus nicht in der Mandorla (Osterei), einer Ellipse in den Regenbogenfarben. Aber die Gestalt war an vier Ecken von den vier Evangelisten=Symbolen umgeben 2 ). Ueber Christus schwebt ein Engel; beide haben das Gesicht gegen Westen gewandt. An jeder Seite Christi sitzen 2 Apostel auf Bänken. Die übrigen 8 Apostel sitzen auf Bänken, je 4 zusammen, an den beiden Hauptseiten des Gewölbes rechts und links.

Das westliche Chorgewölbe enthielt in der Kuppel nur Linienornamente. Jedoch schwebten in den Zwickeln oder Pendentifs Engel mit Posaunen.

Alle diese Malereien haben nicht erhalten werden können, theils weil der alte Putz oft bei der leisesten Berührung


1) Diese Nachrichten über die Chorgemälde verdanke ich dem ausführenden Architekten Herrn Gentzke. Ich selbst habe sie nicht gesehen, da die Restauration von Westen gegen Osten vorrückte und die Chorgemälde erst nach der Restauration des Schiffes entdeckt wurden.


2) Dieselbe Darstellung fand sich auch in der Kirche zu Bernit; vgl. Jahrb. XXVI, S. 237.
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abfiel, theils weil zur Restaurirung der Gemälde die Mittel fehlten.


Gewölbemalereien im Schiff.

Das Schiff ist dreischiffig und gewölbt. Die Gewölbe ruhen auf gut und reich gegliederten Pfeilern.

Alle Gewölbe werden von Rippen getragen und sind durch Malereien auf weißem Putzgrunde verziert. Von jedem Schlußstein aus wächst eine große, verschiedenfarbige heraldische Lilie in jede der 4 Kappen eines jeden Gewölbes hinein. Gegenüber wächst von jeder breiten Seite der Gewölbekappen von den Schildbogen eine gleiche Lilie gegen die vom Mittelpuncte kommende Lilie hinan. Unten in den Zwickeln sitzen große, groteske Köpfe allerlei Art, welche jedoch meistentheils nicht mehr zu erkennen sind. Die Gewölberippen werden von Linien begleitet, auf denen kleine, nach den Gewölbekappen hin geöffnete Halbkreise stehen, auf deren Verbindungspuncten Kleeblätter stehen, wie die Verzierungen geschnitzter Baldachinbogen. Alle diese Rippenverzierungen sind roth.

Alle diese Ornamente sind gut erfunden, jedoch etwas leicht ausgeführt.

Von den Köpfen in den Zwickeln sind zwei besonders bemerkenswerth.

In dem Gewölbezwickel links zunächst über der nördlichen Mittelthür des schiffes ist ein gekrönter stierkopf mit weit auseinander stehenden, sehr kräftigen, halbmondförmigen Hörnern, welche lebhaft an die siegel der Fürsten von Werle aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erinnern.

In dem schräge gegenüberstehenden Gewölbezwickel links zunächst über der südlichen Mittelthür des Schiffes ist ein ungekrönter Stierkopf mit kräftigen, aber mehr gebogenen, mit den spitzen fast zusammenstoßenden Hörnern und einem starken Haarwulst auf der Stirne zwischen den Hörnern, ähnlich dem Stierkopf auf dem Siegel der Stadt Parchim.


Wandmalereien.

Alle Seitenwände der Kirche haben nach sichern Zeichen in alten Zeiten im Rohbau gestanden und keine oder nur wenig Verzierungen in Malerei gehabt.

Im Chor waren die Steine der Schildbogen abwechselnd blau und weiß bemalt.

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Im Chor war zwischen je zwei Fenstern eine kleine geputzte Fläche, auf denen ein Weihkreuz stand.

Nur auf der Wand des südlichen Seitenschiffes links neben der Eingangsthür gerade unter dem westlichsten Fensterpaar war eine Fläche mit Kalk geputzt und mit figürlichen Darstellungen bemalt. Wahrscheinlich hat dieser Schmuck früher neben einem Nebenaltare gestanden. Die Darstellung enthält 3 fast lebensgroße weibliche Heiligenfiguren.

In der Mitte war eine weibliche Figur im Kopftuch mit einer kindlichen Figur auf jedem Arme, also ohne Zweifel die H. Anna mit der Jungfrau Maria und dem Christkinde ("sulfdrudde").

Zur rechten Hand derselben ist eine weibliche Figur, welche auf dem linken Arme ein Kind hält und mit der rechten Hand etwas (einen Apfel?) hinreicht, also ohne Zweifel wohl Maria mit dem Christkinde.

Zur linken Hand der H. Anna stand eine schöne, gekrönte Jungfrau mit langem, wallendem Haar, mit einem Stabe oder Schwerte in der linken Hand und etwas (einem Rade?) auf dem rechten Arme, mehr als wahrscheinlich die H. Katharina, die "Braut des Christkindes".

Die Figuren und Attribute waren nicht mehr ganz zu erkennen, jedoch die Gesichter noch ziemlich gut erhalten und sehr fein und lieblich gezeichnet.

Es wird also neben diesem Bilde ein Annen=Altar gestanden haben.

Ueber dem Bilde hatte eine Inschrift in 2 Reihen in kräftiger gothischer Minuskel gestanden, von der jedoch leider nichts mehr zu erkennen war, als höchstens m oder nn.

Rechts neben derselben Thür unter dem östlichsten Fenster ward auch ein bischöfliches Weihkreuz bloß gelegt: auf einem weißen, runden Schilde mit rother Einfassung ein einfaches rothes Kreuz, wie häufig.


Der Altar der Kirche zu Neustadt Röbel.

Der Altar ist ein Flügel=Altar mit doppelten Flügeln, 6' hoch und mit den aufgeschlagenen Flügeln 14' breit, auf der Vorderseite mit geschnitzten und bemalten und vergoldeten Heiligenfiguren geschmückt. Er ist zwar nur einfach und nicht sehr ausgezeichnet, aber doch würdig und gut und der Kirche angemessen. In meinem conservatorischen Er=

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achten hatte ich den Altar für ein Werk 1 aus dem Ende "des 15. Jahrhunderts" erklärt. Diese Annahme hat sich auch bewahrheitet, indem nach der voraufgehenden Abhandlung der Altar am 10. August 1490 geweihet ist.

Die Ausschmückung des Schreins ist folgende.

In der Mitteltafel steht in der Mitte, in durchgehender, großer Figur

Maria, in der Sonne, auf dem Monde und unter der Krone, mit dem Christkinde auf dem Arme, umgeben von Wolken mit musicirenden und anbetenden Engeln.

Zu den Seiten stehen 24 Heilige, nämlich die 12 Apostel, 6 Heilige, welche zum Theil mit Maria und mit der Kirche in näherer Verbindung stehen, und 6 Nothhelfer.

Noch auf der Mitteltafel stehen, an jeder Seite der Maria in zwei Abtheilungen, 8 Heilige übereinander;

rechts, oben:
S. Anna, "selbdritte", mit der Maria und dem Christkinde auf den Armen;
S. Nicolaus, ein Bischof, segnend, der Localheilige der Kirche; Attribut ist abgebrochen;

rechts, unten:
S. Magdalena, mit großer Salbenbüchse;
S. Georg, auf dem Drachen stehend, Nothhelfer;

links, oben:
S. Katharina, mit dem Rade, Nothhelferin;
S. Christoph, das Christkind tragend, Nothhelfer;

links, unten:
S. Erasmus, Bischof in einem Grapen stehend; das Attribut, eine Winde, ist abgebrochen; dies ist der Heil. Erasmus (vgl. Jahrb. XXIV, S. 344), nicht der Heil. Veit, wie für den Alt=Röbelschen Altar (Jahrb. XXI, S. 291) angenommen ist, Nothhelfer;

S. Barbara, gekrönte Jungfrau, mit dem Thurme im Arme, Nothhelferin.

In den Flügeln stehen:

zur rechten, oben:
4 Apostel;

zur rechten, unten:
4 Apostel;

zur linken, oben:
4 Apostel;


1) Dieser alte Altar ist zurückgesetzt und zum Andenken in der Thurmhalle aufgerichtet.
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zur linken, unten:
S. Antonius, mit einem Schwein zu den Füßen; dieser Heilige hatte auch in der Marien=Kirche der Altstadt einen Altar (Jahrb. XXI, S. 292);
S. Margaretha (?), gekrönte Jungfrau, das Attribut fehlt, Nothhelferin;
S. Mauritius (?), Ritter, im Harnisch, mit einem Schilde in der Hand;
S. Helena (?) oder S. Hedwig, gekrönte weibliche Gestalt, mit einer Kirche im Arme.

Die Rückseiten der Flügel sind bemalt. Die Malerei ist ziemlich gut und recht gut erhalten. Jeder Flügel ist, wie gewöhnlich, in 4 Abtheilungen getheilt. Die äußern Flügel enthalten Mariä Freuden, die innern Flügel Christi Leiden.

Auf den äußern Flügeln ist dargestellt:

zur rechten, oben:
Mariä Verkündigung;
Mariä Heimsuchung;

zur rechten, unten:
Christi Geburt;
Christi Beschneidung;

zur linken, oben:
Christi Anbetung durch die Weisen;
Christi Darstellung im Tempel;

zur linken, unten:
Christus lehrt als Knabe im Tempel;
der Heiligen Familie Flucht nach Aegypten.

Auf den innern Flügeln ist dargestellt:

zur rechten, oben:
Christi Gebet am Oelberge;
Christi Gefangennehmung (Christus heilt dem Knechte das abgehauene Ohr an);

zur rechten, unten:
Christi Ausstellung, Ecce homo;
Christi Kreuztragung;

zur linken, oben:
Christi Verspottung;
Christi Geißelung;

zur linken, unten:
Christi Kreuzigung;
Christi Dornenkrönung.

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Eingemauerte Töpfe.

Nach dem Berichte des Herrn Architekten Genzke waren im Chor zwischen je zwei Fensterbogen mittelalterliche (blaugraue), sehr feste Töpfe eingemauert, mit der Oeffnung nach außen, wohl zur Erleichterung des Mauerwerks, welche früher offenbar leer gewesen, später aber mit Schutt gefüllt und zugemauert sind. - Eine gleiche Erscheinung zeigte sich auch in der Kirche zu Vipperow, welche in dem bischöflichen Sprengel von Havelberg der Neu=Röbelschen Kirche südlich zunächst liegt und mit dieser von gleichem Alter sein mag (vgl. Jahrb. XIX, S. 404). Vielleicht kam diese Bauweise aus der Mark Brandenburg, da sich in der Altmark Beispiele davon finden.

Eiserne Grabplatte.

Am Ostende des südlichen Seitenschiffes der Kirche der Neustadt Röbel liegt ein seltener, großer "Leichenstein" aus Gußeisen, über 6' lang und 3' 10" breit. Die Platte ist mit vielen Ornamenten und Inschriften bedeckt. In der Mitte steht folgende Hauptinschrift:

Inschrift

(Dann folgen noch ausführliche Nachrichten über Aeltern, Frauen und Kinder und deren Tod und Begräbniß.)

Inschrift

Neben dieser Inschrift ist der Verstorbene in Predigertracht stehend und betend in kleiner Figur 4 Male dargestellt.


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Anlage.

Johann, Bischof von Adramytium, Weihbischof des Bischofs Busso von Havelberg, weihet auf's Neue den Kirchhof, die Kirche zu S. Nicolai und den Altar der Neustadt Röbel, früher Havelbergischen Stiles.

D. d. Röbel. 1490. Aug. 10.

Nos frater Johannes, dei et apostolice sedis gracia episcopus ecclesie Adramitensis et in pontificalibus ecclesie Hauelbergensis vicarius generalis, notum facimus, quod sub anno domini millesimo quadringentesimo nonagesimo, ipso die Laurencii, reconsiliauimus (!) cimiterium, ecclesiam et hoc altare in honore Marie virginis et sancti Nicolai confessoris, cuius dedicacio peragetur dominica post Viti.

Nach dem im Altarlische der Nicolai=Kirche zu Neustadt Röbel bei der Restauration im J. 1867 in einem gläsernen Gefäße gefundenen Originale, auf einem kleinen Stück Pergament, in einer kleinen, gedrängten Minuskel. Links auf der Rückseite ist auf einem sehr dünnen Wachsplättchen das kleine, parabolische Siegel des Weihbischofes Johannes aufgedrückt gewesen, welches, 2" hoch, die Kreuztragung darstellt. Von der Umschrift ist nichts mehr zu lesen. Das Siegel war abgefallen und lag noch in dem Glasgefäße, jedoch an den Rändern sehr zerbrochen und verwittert. -Der Weihbischof Johannes war wohl Bischof in partibus infidelium von Adramytium an der Westküste von Klein=Asien.