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IV. Zur Geschlechter= und Wappenkunde.


Wappen der Fürstin Lutgard,

Gemahlin
des Fürsten Johann I. von Meklenburg.

von

G. C. F. Lisch.

Lutgard († 1267), die Gemahlin des Fürsten Johann I. des Theologen von Meklenburg († 1264), war eine Tochter des Grafen Poppo XIII. († 1245) und eine Schwester des Grafen Heinrich († 1262) von Henneberg, welche die Stammhalter des hennebergischen Grafengeschlechts wurden. Ernst von Kirchberg bezeugt dies wiederholt in seiner Meklenburgischen Reimchronik, Cap. 124 und 140: "Als der von Mekilnburg her Johann von Hynnenberg frow Luthgarde nam". Dies muß auch Lutgards Siegel bezeugen, von dem glücklicher Weise noch ein Exemplar vorhanden ist, welches im Meklenburgischen Urkundenbuche Bd. II, S. 99, Nr. 791, zum Jahre 1257, und hier wieder abgebildet ist.

Wappen

Sie führt im Siegel ihre auf einem Sessel thronende Figur, welche in der linken Hand den Schild ihres Gemahls mit dem Stierkopf, in der rechten Hand einen queer getheilten Schild hält, welcher unten geschacht und oben mit einem halben Doppeladler belegt ist. Dieser Schild in der rechten Hand der Fürstin Lutgard ist das Familienwappen derselben.

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Man nimmt im Allgemeinen an, daß die Grafen von Henneberg ein redendes Wappen geführt haben: eine Henne auf einem Berge, wie sich dasselbe noch in dem herzoglich=sächsischen Wappen findet. Das Wappen der Grafen von Henneberg hat aber eine besondere und schwierige Geschichte, welche auch das Wappen der Fürstin Lutgard aufklären helfen wird. Der Fürst Friedrich Karl von Hohenlohe=Waldenburg zu Kupferzell, Ehrenmitglied unsers Vereins, hat die große Güte gehabt, mir zu der folgenden Darstellung vielen geschichtlichen Stoff handschriftlich zu dem mitzutheilen, was Er in den neuesten Zeiten schon in den Druck gegeben hat 1 ).

Die Grafen von Henneberg in Thüringen (bei Meiningen) führten gegen das Ende des 12. Jahrhunderts einen einfachen Adler in ihren Siegeln.

Seit dem Anfange des 13. Jahrh. führten sie aber den getheilten Schild, welcher über einem Schach einen halben Doppeladler enthält 2 ), also das Wappen, welches auch die Fürstin Lutgard führt. Ein solches Siegel führt z. B. ein Graf Poppo 3 ). Sehr merkwürdig ist das im königlich bayrischen Archive zu Würzburg aufbewahrte Doppelsiegel des Grafen Otto des ältern von Henneberg und seiner Gemahlin Beatrix an einer Urkunde vom J. 1231.

Wappen

Beide führen dasselbe Wappen, den halben Doppeladler über einem Schach. Die Gräfin Beatrix führt das hieneben abgebildete Siegel 4 ) mit der Umschrift:

Umschrift

1) Vgl. Anzeiger des German. Museums, XI, 1864, Nr. 2, S. 45, Fig. VIII.
2) Vgl. J. A. Schultes Dipl. Gesch. des Gräfl. Hauses Henneberg, II, Taf. IX, Nr. 2 und 3.
3) Abgebildet bei v. Ledebur, Archiv für Deutsche Adelsgeschichte, I. Jahrg., 1863, Heft IV, Taf. V, Nr. 9.
4) Zuerst abgebildet in des Fürsten F. K. von Hohenlohe=Waldenburg "Mittelalterlichen Frauensiegeln" im Correspondenzblatt der deutschen Geschichtsvereine, Jahrg. XI, 1863, Nr. 3, Beilage, S. 30, Nr. 45. Der Fürst von Hohenlohe hat die Güte gehabt, unserm Vereine den Holzschnitt zu der oben stehenden Abbildung zu leihen.
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Das Siegel ihres Gemahls, des Grafen Otto 1 ), enthält ganz dieselbe Darstellung, ist nur ein wenig größer und führt die Umschrift:

Umschrift

In der Urkunde, an welcher dieses Doppelsiegel hängt, nennt er sich Graf Otto von Botenlouben. Die Grafen von Henneberg nannten sich nämlich zuweilen nach ihrer noch in Ruinen stehenden Burg auch von Botenlauben (bei Kissingen, im Hochstifte Würzburg, südlich von Henneberg). Der Graf Otto († 1244) ist der unter dem Namen Otto von Botenloube bekannte "Minnesänger" der jüngern Zeit. In der zu Stuttgart aufbewahrten alten Weingartner Liederhandschrift der Minnesänger ist Otto von Botenloube mit seinem Wappen in Farben dargestellt 2 ). Er führt hier ebenfalls den getheilten Schild: unten in vier Reihen roth und blau geschacht, oben einen schwarzen Doppeladler im goldenen Felde, und auf dem Helme eine goldene, nach oben greifende Adlerklaue, mit der Ueberschrift:

Ueberschrift

Jenes Doppelsiegel ist auch dadurch sehr merkwürdig, daß sich auf demselben der älteste deutsche Doppeladler findet 3 ).

Der Graf Poppo von Hanensten (früher fälschlich Hamersten) oder Hanstein (1141-1156) gehörte ohne Zweifel zum Henneberger Geschlecht 4 ).

Die an den Fürsten Johann von Meklenburg vermählte Gräfin Lutgard, eine Nichte dieses Grafen Otto von Botenlaube oder Henneberg, führt nun auch noch den Schild mit dem halben Doppeladler mit dem Schach, welcher also sicher noch bis zum J. 1257 reicht. Sie führte dieses Siegel ohne Zweifel seit ihrer Vermählung (1229).

Ueber die heraldische Bedeutung des Doppeladlers fehlen urkundliche Erläuterungen. Die Annahme, daß der Adler sich auf das deutsche Reichswappen 5 ) bezieht, wird durch


1) Der Fürst von Hohenlohe hat die Güte gehabt, dem Vereine Gypsabgüsse von beiden Siegeln zu schenken.
2) Eine farbige Abbildung ist wiedergegeben in der Bibliothek des literarischen Vereins zu Stuttgart, Bd. V, 1843, S. 28.
3) Vgl. des Fürsten F. K. von Hohenlohe=Waldenburg "Beitrag zur Geschichte des heraldischen Doppeladlers in dem Anzeiger des German. Museums", 1864, März, Nr. 3, S. 81.
4) Vgl. v. Ledebur Archiv a. a. O., Heft II, S. 197.
5) Vgl. Fürst von Hohenlohe=Waldenburg im Anzeiger des German. Museums XI, 1864, Nr. 1 flgd.
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das kaiserliche Burggrafenamt unterstützt. Hofrath Bechstein zu Meiningen schreibt im J. 1857: "Es ist dieses Wappen das Wappen des (an die Grafschaft Henneberg grenzenden) Burggrafenthums von Würzburg, mit welchem der Henneberger Grafenstamm beliehen war, folglich ein Amtswappen, dessen sich auch die Frauen bedienten 1 )".

Um die Mitte des 13. Jahrh. ward aber von den Grafen von Henneberg das Wappen mit dem halben Doppeladler aufgegeben, und es erscheint das bekannte redende Wappen mit der Henne auf einem Berge. Diese Annahme fällt in eine Zeit, in welcher die Wappen mitunter noch veränderlich waren. So viel bekannt ist, erscheint dieses redende Wappen zuerst auf dem runden Siegel des Grafen Poppo vom J. 1240 und darnach auf dem Grabsteine des Grafen Otto von Botenlauben vom J. 1244 2 ), und ist seitdem immer gebraucht.

Jedoch erscheint das Wappen mit dem halben Doppeladler in jüngern Zeiten wieder. Auf dem großen, runden Amtssiegel aus dem 15. Jahrhundert, welches, nach Schultes Geschichte des Grafen von Henneberg, der Graf Wilhelm IV. im J. 1459 führte, mit der Umschrift:

Umschrift

führt der darauf zu Pferde abgebildete Reiter im Schilde die Henne, auf dem Banner aber das Wappen mit dem halben Doppeladler; dies würde wohl einigermaßen für ein Geschlechtswappen und ein Amtswappen sprechen.

Gegen das Ende des l 5. Jahrhunderts ward das Wappen mit dem halben Doppeladler in den jetzt quadrirten Schild wieder aufgenommen und bis zum Absterben des Geschlechts in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts fortgeführt, und zwar so, daß im 1. und 4. Felde die Henne, im 2. und 3. Felde der Schild mit dem halben Doppeladler steht. Auf Siegeln des 16. Jahrh. ist über dem Doppeladler eine Krone angebracht.


1) Vgl. auch Bechstein: Ueber den Grafen Otto von Botenlauben.
2) Vgl. v. Hefner=Alteneck, Trachten des christlichen Mittelalters, I, Taf. 59.