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I.

Zur Topographie der Länder Schwaan und Laage.

Von

Oberlehrer Dr. Rudloff zu Schwerin.

~~~~~~~~~~~~~

G egenstand der folgenden Untersuchung ist derjenige Theil der Herrschaft Werle, welcher sich zwischen Warnow und Augraben=Recknitzthal ausbreitete und im Norden von der Herrschaft Rostock, im Süden vom Stiftslande Bützow und der Nebel begrenzt wurde. 1 )

Von den Kirchspielen dieses Gebietes hat immer Schwaan das meiste Interesse erregt, weil dasselbe am rechten Warnow=Ufer den Burgwall Werle und das Dorf Wiek mit umfaßt. Eine Pfarre in Schwaan bestand schon 1232 2 ), und den Bau der jetzigen Kirche schreibt Lisch 3 ) noch dem dreizehnten Jahrhundert zu. In Bezug auf die Filialverhältnisse ist noch eine Berichtigung nöthig, welche meines Wissens bisher nicht erfolgt ist. Nach einer Urkunde von 1249 (jetzt im U.=B. Nr. 622) nahm Lisch 4 ) an, daß Mistorf bei Werle in früherer Zeit Mutterkirche gewesen und erst später Filial von Schwaan geworden sei. Der in der Urkunde genannte Johannes plebanus de Mistisdorph, capellanus domini Burivini, befindet sich aber beim Bischof von Kamin zugleich mit anderen Geistlichen der Kaminer Diöcese; es ist daher an Mistorf im Lande Kalen zu denken, welches damals im Besitz der Rostocker Fürsten war. - Soweit die Nachrichten zurückreichen, war vielmehr Schwaan Mutterkirche für Dörfer


1) Meine Bemerkungen stützen sich zum großen Theil auf Hülfsmittel, deren Benutzung mir im Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive gestattet wurde.
2) M. U.= B. Nr. 406. Pertolldus sacerdos in Sywan.
3) Jahrb. 6 b, S. 89.
4) Jahrb. 6, S. 96. Ein Burgkaplan des Namens in Kalen kommt häufiger vor (M. U.= B. Nr. 677, 684, 713).
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auf beiden Warnowseiten. Am rechten Ufer wurden 1342 propter distantiam locorum etc. vom Schweriner Bischof Mistorf mit Wiek, Goldenitz und Rukieten als Filial abgezweigt und zugleich der Bau einer Kapelle gestattet. Schon vorher finden wir Goldenitze in parrochia Sywan (1336), und später wurde auch hier eine Kapelle gebaut, deren Verhältniß zu Schwaan eine Urkunde von 1360 ordnet. 1 ) Die Visitationsprotocolle (1552) nennen im öftlichen Theile des Kirchspiels außer den erwähnten Dörfern noch: Zeetz (auch schon in einem Heberegister von 1526), Wiendorf und Niendorf 2 ). - Ebenso wie Schwaan gehört auch Laage nur mit einem Theile seines Pfarrgebiets hierher, mit den westlich von der Recknitz gelegenen Ortschaften Kronskamp, Groß= und Klein=Lantow (so auch 1552).

An die Nordgrenze des Landes führt uns das im Osten vom Recknitzthal abgeschlossene Kirchspiel Cammin, wo in Uebereinstimmung mit den späteren, vollständigeren Angaben 1462 3 ) Weitendorf (Amts Gnoien) und Wohrenstorf, 1526 Kossow und Kätwin namhaft gemacht werden. Obwohl es an älteren Urkunden in dieser Gegend nicht fehlt, begegnet doch ein Pfarrer von Cammin nicht vor 1339 4 ). Indessen kann gegen ein höheres Alter der Kirche dies nicht geltend gemacht werden, da auch Geistliche von benachbarten Kirchspielen, zu denen Cammin damals gehört haben könnte, in den betreffenden Urkunden nicht genannt werden. Das westlich sich anschließende Kavelstorf erscheint ebenfalls als Pfarre erst 1334 5 ), während der Umfang des Kirchspiels bis 1365 garnicht nachgewiesen wird (später 1526 durch Dummerstorf und Scharstorf, 1552 durch die meisten übrigen Dörfer). Trotzdem aber bestand hier schon in sehr früher Zeit die Kirche, deren Chor (mit deutlichen Merkmalen des romanischen Stils) Lisch für das älteste Gebäude der ganzen Gegend hielt. 6 )

Ebenfalls als altes Bauwerk giebt sich die Kirche in Lüssow zu erkennen, für welche übrigens schon 1226 ein Geistlicher erwähnt wird. 7 ) Wegen der dazu gehörigen Dörfer vermag ich auch hier nur auf die Visitationsprotocolle zu verweisen, welche von der heutigen Anordnung keine Abweichung zeigen. Die Ortschaften aber, welche


1) M. U.=B. Nr. 6252. - 5660. 8740.
2) Auf dem linken Warnow=Ufer 1552: Letschow, Bandow, Vorbeck, Gr.= und Kl.=Grenz und Bröbberow. Aeltere Zeugnisse für Verbeke (M. U.=B. Nr. 8420) und Bröbberow (in einem der letzten Bände bes U.=B.).
3) Jahrb. 9, S. 477 (Nr. 16).
4) M. U.=B. Nr. 5958. Marquardus de Buren plebanus in Cammyn.
5) M. U.=B. Nr. 5511. dominus Johannes plebanus in Caboldestorp.
6) Jahrb. 31, S. 75.
7) M. U.=B. Nr. 323. Godefridus sacerdos de Lussowe. - Ueber die Kirche Jahrb. 6b, S. 87, ausführlicher 35, S. 201 f.
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außerhalb unseres Gebietes im Süden an das Kirchspiel grenzen, erscheinen, sobald sie in den Urkunden vorkommen, im Besitz des Bischofs von Schwerin: Wolken und Zeppelin (Kirchspiel Bützow) 1178 und 1246, Gülzow (Kirchspiel Parum) und Parum 1333 1 ). Von den Feldmarken der beiden letzteren wird das Pfarrgebiet von Lüssow durch die Nebel getrennt, welche weiterhin auch die Grenze bildete zwischen der Alt= und Neustadt Güstrow. Zu der Kirche von antiquum Gustrowe am nördlichen Ufer, welche im Schweriner Sprengel lag 2 ), wird das Dorf Suckow (jetzt zur Pfarrkirche Güstrow) gehört haben; am anderen Ufer war der Dom in der Neustadt zwar 1229 noch vom Schweriner, aber 1235 schon vom Kaminer Bischof abhängig. 3 )

Genau an der Ostgrenze der Kirchspiele Alt=Güstrow und Lüssow fließt der Augraben, den wir weiter aufwärts auch noch für die Pfarre Kritzkow als kirchliche Grenze betrachten können. In derselben finden wir 1552 nur angeführt: Kuhs, Zehlendorf (auch schon 1526) und Dudinghausen, aber nicht Weitendorf (Amts Güstrow). Dagegen heißt es bei der Pfarre Hohen=Sprenz, nachdem Klein=Sprenz, Sabel, Kankel, Dolgen, Striesdorf und Siemitz als Kirchspieldörfer aufgezählt sind: "Item zu Weitendorf hat er (der Pfarrer) eine Kapelle von den Vieregge," und zu dieser Kapelle gehörte auch Levekendorf, durch welches die Verbindung mit den übrigen Ortschaften der Kirche Hohen=Sprenz vermittelt wird. Beide Dörfer erreichen mit ihren Feldmarken die Recknitz, welche etwa vom gleichnamigen Orte an nach Norden abfließt, ohne von dem Thale des Augrabens, das sich zur Nebel hinabsenkt, durch eine bemerkbare Wasserscheide getrennt zu sein 4 ) Die Pfarre Weitendorf, welche bei ihrem geringen Umfange wohl niemals selbstständig gewesen war 5 ), wird 1603 (mit Levekendorf)


1) M. U.=B. Nr. 124, 583, 5472. (Ueber die Parumer Kirche verfügte der Bischof schon 1233, Nr. 420.)
2) Schon 1258 protestirte der Schweriner Bischof gegen die Zehntenerhebung von Seiten des Kaminer u. a. in Alt=Güstrow und Suckow (M. U.=B. Nr. 826), vergl. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 118, A. 10. - 1270 (M. U.=B. Nr. 1178) soll der Dekan der Bützower Kirche bannum ecclesiarum u. a. in Antiquum Ghustrowe haben, und 1346 (M. U.=B. Nr. 6701) wird die Kirche daselbst ausdrücklich zum Schweriner Sprengel gerechnet, ebenso wie die curia Sancti Georgii extra muros oppidi Gustrowe.
3) Vergl. Lisch, Jahrb. 12, S. 32. - M. U.=B. Nr. 368, 438. (Der Bischof von Kamin schenkte 1235 ecclesie in Gustrowe in nostra dyocesi plantate 60 Hufen.)
4) Boll, Meklenburgische Landeskunde, S. 258.
5) Dominus Jacobus de Weytendorp, 1334 unter den sacerdotes als Zeuge genannt (M. U.=B. Nr. 5511) ist, wie das Personenregister des U. B. gewiß mit Recht annimmt, nicht Pfarrer in Weitendorf, sondern ein Priester dieses Namens in Güstrow.
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schon als Filial von Kritzkow genannt. Die Kirchen von Hohen=Spren, und Kritzkow finden wir 1270 zuerst erwähnt, und die Grenze der beiden Pfarrgebiete (zwischen Siemitz und Kritzkow) tritt 1342 hervor, wie auch schon 1335 Cymace in parrochia - Sprentze nachgewiesen wird 1 ) In baugeschichtlicher Beziehung steht mit der Kirche in Lüssow der Chor des Gotteshauses zu Hohen=Sprenz nach Lisch 2 ) auf ganz gleicher Stufe (Anfang des dreizehnten Jahrhunderts).


In politischer Hinsicht wird das Land, ohne mit einem Namen bezeichnet zu werden, in seiner ganzen Ausdehnung urkundlich erwähnt im Jahre 1294, als Nicolaus II. von Werle dem Fürsten von Rostock und der Stadt Rostock verpfändete totam terram nostram sitam infra fluvios Warnoviam ac Rekenitzam usque ad agros et metas seu terminos civitati Guzstrow pertinentes protendentem 3 ). Der Pfandbesitz äußert sich später nur einmal, indem Nicolaus von Rostock 1295 (1. Juni) einem Rostocker Bürger das Dorf Dolgen mit der Erlaubniß verlieh, es einer Kirche oder einem Kloster zu übertragen, worauf 1298 Nicolaus von Werle, ohne des Pfandverhältnisses zu gedenken, villam Dolghen, sitam inter duo fluenta Warnowe - et Rekeniz dem Kloster zum heiligen Kreuz in Rostock überließ. 4 ) Auf dieselbe Verpfändung deutet auch wohl noch die Urkunde hin (1301), in welcher Nicolaus II. den kurz vorher mit dem König Erich von Dänemark geschlossenen Frieden zu halten verspricht. 5 ) Diesem zufolge leistete der Fürfs zu Gunsten des Königs Verzicht auf munitio Sywan cum medietate totius terre que eidem ab antiquo adjacuerat, behält dagegen für sich terram - Werle in suis terminis, sicut fuisse dinoscitur, cum domino de Rozstoc inpignorata fuerat - excepio solummodo campo Sywan adjacente. Indem ich von der terra Werle vorläufig absehe, wende ich mich zu einer Besprechung der Vogteiverhältnisse, wie sie sich im Lande zwischen Warnow und Recknitz gestalteten.

Daß, wie nach den Friedensbestimmungen anzunehmen ist, das Land Schwaan sich ehemals auch am rechten Warnow=Ufer ausbreitete,


1) M. U.=B. Nr. 1178, 6259, 5577.
2) Jahrb. 6b, S. 87 und 35, S. 207 f.
3) M. U.=B. Nr. 2302.
4) Es darf daher aus der Urkunde vom 23. März 1295 (2329) nicht geschlossen werden, daß das Land damals schon wieder in Werleschem Besitz gewesen sei, wie Stichert meint (Nicolaus II. von Werle, Programm des Rostocker Gymnasiums, 1891, S. 25, A. 1).
5) M. U.=B. Nr. 2745, 2748.
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bestätigt uns schon eine Urkunde Nicolaus II. von 1272. Dieser gestattet hier den Bewohnern des Dorfes Suckow pro munere speciali, daß sie (propter distantiam locorum) nicht wie bisher in Schwaan, sondern in Güstrow die judicia und den praeco aufsuchen und bezahlen dürfen. Die Verlegung von einer Vogtei zur anderen 1 ), welche hier als einzelne Ausnahme zugestanden wird und vielleicht auch für andere in der Nähe von Güstrow gelegene Dörfer vorgenommen wurde, sehen wir später, nach dem Verluste der Stadt Schwaan und des linken Warnow=Ufers, auf einem größeren Gebiete durchgeführt: Caboldestorp in dem lande to Guzstrowe 1347, Minor Sprenz 1365 und Nikesse 1359 in advocacia Guzstrowe 2 ); daß aber diese Umlegung nicht das ganze Gebiet bis zur Recknitz betraf, zeigt die Grenzlinie der Vogteien Güstrow und Laage, welche, soweit das vorliegende Material es gestattet, im Folgenden aufgesucht werden soll.

Da im Theilungsvertrage über die Werleschen Lande 3 ) (1316), in welchem die Namen Schwaan und Werle nicht mehr vorkommen, die Vogteien Güstrow und Laage verschiedenen Linien zugetheilt wurden, so können zur Grenzbestimmung zunächst die Verleihungs=Urkunden herangezogen werden.

Von den Dörfern der Pfarre Kavelstorf ist die Abhängigkeit von Güstrow nachzuweisen für das Kirchdorf selbst und Niex (s. oben), ferner für Damm, über welches 1353 Nicolaus III., und Klingendorf, über welches 1361 Lorenz von Werle=Güstrow Bestimmungen traf. 4 )

Aus dem Kirchspiel Hohen=Sprenz liegen unzweideutige Nachrichten vor über Kankel 1319 und die Mühle zu Klein=Sprens 1336, da die Urkunden über beide Ortschaften unzweifelhaft von dem älteren Johann (von Güstrow) herrühren; ebenso über Sabel und Groß=Sprenz, da in beiden Dörfern Nicolaus III. 1353 Eigenthum und Rechte verlieh. Ferner wurden von Johann dem Aelteren Einkünfte in Siemitz aufgelassen, welche er von seinen Vasallen daselbst gekauft hatte (1335). 5 )

Dagegen fehlt es für das Kirchspiel Kritzkow im U.=B. (bis 1365) an Angaben, welche für den politischen Connex desselben mit Sicherheit verwerthet werden können. 1342 erscheinen zwar die Herren Nicolaus und Bernhard (von Güstrow) als Lehnherren über 3 1/2 Hufen,


1) So faßt diesen Vorgang auch das Wort= und Sachregister des U.=B. auf.
2) M. U.= B. Nr. 1247. - 6779, 9399, 8653.
3) M. U.=B. Nr. 3860.
4) M. U.=B. Nr. 7710 Ausstellungsort Güstrow und die gewöhnlichen Zeugen Nicolaus III.). - 8926.
5) M. U.=B. Nr. 4054, 5715, 7710, 5577 (5624).
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von welchen 1 1/2 zu Siemitz in der Pfarre Sprenz, 2 zum Kirchdorfe Kritzkow gehörten; aber wir erfahren nicht, zu welchem der beiden Pfarrgebiete der "Vrienhof" gehörte, dessen Feldmark um jene Hufen verkleinert oder mit deren Auftheilung ganz eingegangen war. An einer politischen Grenze wird indessen der Vrienhof auch damals nicht gelegen haben, 1 ) da später nach dem Erlöschen der Goldberger Linie Zehlendorf im Kirchspiel Kritzkow, welches noch weiter nach Osten hin sich erstreckt, vom Fürsten Lorenz verliehen wurde, 2 ) also im Güstrow'schen, nicht im Waren'schen Landestheile zu suchen ist.

Daß das Gebiet der Pfarre Lüssow in seiner ganzen Ausdehnung der Vogtei Güstrow zuzuweisen ist, zeigen die Urkunden der Fürsten Nicolaus und Bernhard über Besitzungen in Oettelin 1339, über Hufen in Goldewin 1341 und Hebungen aus Sarmstorf 1345; ferner des Fürsten Nicolaus III. über Schwiesow und die Mühle zu Lüssow 1353. 3 ) Endlich gehört noch hierher die Pfarre Alt=Güstrow mit dem schon 1272 zu Güstrow gezogenen Suckow.

An die zuletzt genannten Kirchspiele grenzt östlich vom Augraben das Pfarrgebiet von Recknitz. Daß dasselbe in der Herrschaft Werle=Goldberg lag, kann nicht zweifelhaft sein, da u. a. das castrum Rossevitz dazu gehörte und es 1365 heißt: Glasevitzhe - in advocacia Lawis (mit "Pruzsekendorpe" in eadem advocacia). 4 )

Schwierigkeiten bereitet hingegen derjenige Theil der Vogtei Laage, welcher zwischen Warnow und Recknitz sich mit dem Lande Güstrow berührte, da das Urkundenbuch über diese Gegend für die Zeit von 1316 - 1365 überaus dürftig ist. Dennoch reichen die wenigen Nachrichten wohl aus, um wahrscheinlich zu machen, daß die Grenze schon damals einen ähnlichen Verlauf nahm, wie wir ihn aus späteren Mittheilungen nachweisen können.

Da die Herren von Werle=Goldberg über drei Dörfer des Namens Weitendorf zu verfügen hatten, so entsteht die Frage,


1) M. U.=B. Nr. 6250. Vergl. 6260, wo bestimmt wird, daß die Besitzer des Kritzkower Antheils bei Brüchen, welche sich auf der Feldmark Kritzkow ereignen, nach Anzahl ihrer Hufen berücksichtigt werden sollen. - Man sollte erwarten, daß, wenn es sich um verschiedene Herrschaftsgebiete handelte, dies in den beiden (freilich nur ihrem Inhalte nach durch Clandrian überlieferten) Urkunden irgendwie zum Ausdruck kommen müßte.
2) Wigger, Jahrb. 50, S. 244.
3) M. U.=B. Nr. 6120, 5993, 6489. - 7710, 7704. - 1436 Strentze - an der vaghedie to Gustrowe (Lisch, Maltzansche Urkundensammlung, 3, S. 80).
4) M. U.=B. Nr. 9325. - Aeltester Nachweis der Kirche im Testamente des Johann Frise (1269), welcher unter seinen übrigen Zuwendungen für geistliche Stiftungen auch 4 solidos in Reckenitz giebt (M. U.=B. Nr. 1153). - Beschreibung der Kirche Jahrb. 13, S. 412 (Lisch).
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welches derselben in der Urkunde gemeint ist, wo (1360) Nicolaus III. als Vormund Johannis domicelli de Werle (von Goldberg) zur Stiftung einer Vicarei dem Pastor und dem Bürgermeister in Laage außer 7 Hufen in Deutsch=Kobrow und einem dortigen Ackerstücke auch noch verleiht unam kotam in villa Weytendorp 1 ). Die Güter in Deutsch=Kobrow waren schon 1346 und 1356 vom Knappen Heinrich Schönfeld an dieselben Personen verkauft worden, und in der Folge bildeten die 7 Hufen das Heiligen Dreikönige=Lehen in der Kirche zu Laage, für welches auch jener geringfügige Besitz, den ich später 2 ) nicht besonders erwähnt finde, bestimmt gewesen sein mag. Am nächsten liegt es, an das jetzige Kirchdorf Weitendorf (bei Laage) zu denken, während der gleichnamige Ort bei Tessin schon weiter entfernt liegt und das Dorf im Amte Ivenack wohl kaum in Betracht kommen kann. Dazu kommt, daß das Werle=Goldberger Geschlecht der Nortman damals schon in Weitendorf bei Laage begütert war: Gherardus Nortman in Weytendorpe 1354, und zwar ist Joachim Nortman famulus (derselbe, welcher schon 1356 unter den Compromissores bei dem Knappen Schönfeld erscheint) Zeuge in der Urkunde von 1360 und wird als Gherardi Nortman filius bezeichnet 1365. 3 )

Es kann dagegen nicht eingewandt werden, daß 1358 Johan Zasse zu Lutken Weytendorpe 4 ) "vor seinem Lehnherrn gewesen und ihm aufgelassen sein gudt zu Weytendorpe und Zelendorpe" (Clandrian), so daß beide Dörfer zu einer Herrschaft (Werle=Güstrow) gehört hätten. Denn damals stand Johann IV. von Goldberg unter Vormundschaft seiner Vettern Nicolaus von Güstrow und Bernhard von Waren, und 1357 hatten sich diese beiden über die gemeinschaftliche Verwaltung der Länder ihres Vetters dahin geeinigt, daß "alle werlike leen in des kindes lande scole wy Clawes lenen, also wy dar vormunder to sin," und vom Lande Malchin heißt es einige Monate früher, daß "de man, borghere und lude yn deme lande ere lengud scolen untfan bynnen den jaren, dat juncher Henneke, unse veddern unmundych is, van deme eldesten - Clawese, unde deme scolen se ere plycht don." 5 )


1) M. U.=B. Nr. 8758.
2) Ueber die Schicksale dieses Lehnes s. Beyer, Geschichte der Stadt Laage. Jahrb. 52, S. 239 f.
3) M. U.=B. Nr. 8012, 9325.
4) M. U.=B. Nr. 8431. Weitendorf bei Laage bestand früher aus Groß= und Klein=Weitendorf.
5) M. U.=.B. Nr. 8404, 8310.
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Innerhalb des Kirchspiels Hohen=Sprenz läßt sich über Weitendorf hinaus, welches 1552 dazu gerechnet wird, die Grenze nach den älteren Urkunden nicht mehr verfolgen. Denn wenn 1326 Johann der Jüngere vor Johann dem Aelteren (coram patruo nostro) über streitige Ansprüche auf Hölzung und Schweinemast in Dolgen entscheidet, so ist daraus für unsere Zwecke wohl nichts zu folgern. Auch daß Denekinus de Oldenstad famulus, welcher 1362 Zeuge bei Lorenz von Güstrow ist, bei einer anderen Gelegenheit mit dem Zusatze morans in Strisdorpe bezeichnet wird, erwähne ich nur. 1 ) - Ebensowenig erhalten wir über das Vogteiverhältniß der sich östlich anschließenden Dörfer des Kirchspiels Laage in der älteren Zeit Aufschlüsse. Dieselben können indessen hier wohl am ehesten entbehrt werden, zumal ein Bürger in Laage 1330 in der dortigen Kirche aus Einkünften in "grossen Lankow u. kleinen Lankow" (Groß= und Klein=Lantow) eine Vicarei stiftete, 2 ) was wenigstens dafür spricht, daß diese Dörfer in kirchlicher Beziehung schon damals zu Laage gehörten.

Im Gebiete der Pfarre Cammin finden wir seit etwa 1276 das Geschlecht der Koß mit Besitz in Kossow und Teschow. 3 ) Der hier angesessenen Familie wird Johannes Coz de Tessecowe (miles) angehört haben, welcher 1336 in Laage bei Ankauf des halben Dorfes Vippernitz durch das Kloster Dargun als Zeuge gegenwärtig war. 4 ) In den folgenden Jahren begegnen wir dem Ritter Johann Koß in der ständigen Umgebung der Herren Nicolaus und Bernhard, und zwar häufig als miles noster bezeichnet, 5 ) nie dagegen, soweit das Personenregister des U.=B. Auskunft giebt, bei den Goldberger Herrschern. Nach der Landestheilung innerhalb der Güstrower Linie (1347) kommt Johannes Koss miles noch zweimal vor, 1349 und 1358, aber nicht bei dem älteren Bruder, sondern bei dem jüngeren Bernhard von Waren, zu dessen Gebiet weder das Land Güstrow, noch die Vogtei Laage gehörte. 6 ) Falls wir es daher in allen diesen Urkunden


1) M. U.=B. Nr. 4698, 8988, 8443.
2) M. U.=B. Nr. 5109.
3) Cotzow und Teskow cum stagno inter villam Teskow et - Kemmyn - cum prato quod extendit se super rivulum Rekeniz (Zeugen Echehardus et Herderus de Kemmyn milites). M. U.=B. Nr. 1409.
4) M. U.=B. Nr. 5679. Für Teschow im Lande Kalen (Ortsregister des U.=B.) sehe ich keinen Anlaß. - Vgl. auch Koz Teskowe 1311 (M. U.=.B. Nr. 3463 und die Anmerkung). 1310 (M. U.=B. Nr. 3379) sind zwar die beiden Namen durch ein Satzzeichen getrennt, doch kann dies leicht auf einem Versehen des Abschreibers (15. Jahrhundert) beruhen.
5) So M. U.=B. Nr. 6040, 6042, 6229.
6) M. U.=B. Nr. 6991, 7033. - Uebrigens kommt Johann Koß (famulus und advocatus) schon 1333 (5470) Bei Johann dem Aelteren vor, welcher damals über die Pfarre Schlön (in der späteren Herrschaft Waren) Bestimmungen (  ...  )
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mit derselben Person zu thun haben, läßt sich annehmen, daß Johann Koß von Teschow in die Dienste der Güstrower Fürsten trat und im südlichen, später Warenschen Theil ihres Landes Besitzungen erwarb. Jedenfalls darf trotz des Beinamens Teschow (1336) aus dem Vasallenverhältniß zu den Güstrower Fürsten nicht auf den politischen Zusammenhang der Stammgüter des Geschlechtes geschlossen werden. - Andererseits begegnet 1353 Hinric Kosse in der Zeugenreihe der Goldberger Linie, aber wieder bei Bernhard von Waren der Knappe Tydeke Cozs 1 ). - Mehr Werth für Ortsbestimmung ist der Urkunde beizulegen, welche 1339 Johann der Jüngere in Goldberg über eine Verleihung an Parchimsche Bürger ausstellte presentibus - plebano in Theterowe, Marquardo de Buren in Cammyn et Johanne Rochowen in Borborleve notariis nostris. Ein Ort "Borborleve" ist bisher in Meklenburg nicht nachzuweisen. Aber die Kirche des plebanus in Cammin wird im Goldberger Landestheile zu suchen sein. Denn 1346 werden in Goldberg bei Johann von Werle, welcher das Dorf Pinnow der Stadt Laage verlieh, unter den Zeugen (nostri fideles et dilecti) zuerst die drei Pröpste von Dobbertin, Malchow und Ivenack angeführt, hierauf die ecclesiarum rectores, und zwar Marquardus in Gamyn neben den Pfarrern von Parchim, Laage, Stavenhagen, Belitz und dem Vicar von Recknitz. Da sämmtliche andere hier genannten Orte im Goldberger Lande lagen, wird man kaum umhin können, auch Cammin dort zu vermuthen. 2 )

Den spärlichen aus den Urkunden bis 1365 gewonnenen Andeutungen entsprechen nun aber durchaus die bestimmten Angaben aus der späteren Werleschen Zeit. Die Linie Goldberg erlosch mit Johann IV., welcher vor dem 14. December 1374 starb. Nach Wigger traten die Regierung seines Landes "zunächst" Lorenz und Johann V. von Güstrow und Bernhard von Waren gemeinsam an. 3 ) Nachher müssen aber bald genauere Bestimmungen getroffen sein.


(  ...  ) traf. - 1474 verkauften Hermann und Martin Koß auf Teschow die "wüste Feldmark zu Stieten" und ihren Hof Gaarz mit 8 1/2 Hufen (bei Waren). Jahrb. 16. S. 185.)
1) M. U.=B. Nr. 7771, 8869.
2) M. U. B. Nr. 5958, 6667. Nur für Belitz läßt es sich für diese Zeit noch nicht bestimmt behaupten, die Urkunde von 1334 (4621) reicht wohl nicht dazu aus. 1314 (3721) gehört tota parra Belitz noch zum Lande Kalen. Aber auch Jahmen wird 1314 als Burglehen von Kalen erwähnt und liegt doch 1349 (7010) in der voghedige to der Lawe. Hier finden wir später (1442 - 1496) auch Belitz mit einer ganzen Reihe anderer, früher gleichfalls zu Kalen gerechneter Dörfer.
3) Jahrb. 50, S. 250.
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Da Johann V. von Güstrow nach 1377 nicht mehr vorkommt, hält Wigger (S. 245) den Fürsten Johann, welcher 1382 einen Vergleich mit dem Kloster Ivenack abschloß, für Johann VI. von Waren. Wie hiernach das Land Stavenhagen an Waren gekommen zu sein scheint, so wird auch die Vogtei Laage in den ausschließlichen Besitz der jüngeren Linie gelangt sein. 1 ) Denn in demselben Jahre verfügte Johann von Werle über den Roßdienst zu Rossewitz, Zapkendorf und Groß=Weitendorf 2 ); ferner verpfändete er 1383 höchstes Gericht und 1 1/2 Hufen zu Deperstorf (Dobistorp 1301) und 3 Hufen zu Weitendorf (wohl bei Cammin) an Henneke Moltke von Tessin. 1402 verkauften Claus und Christoph, Gebrüder zu Werle (Johanns VI. Söhne), an Claus Bassewitz alle Rechte in Lütten=Weitendorf 3 ) und Wohrenstorf, nachdem schon 1401 beide Fürsten an Curd Bützow "Wordelstorpe 4 ) und Plaweze (Plaatz, Kirchspiel Recknitz) in der Vogtei Lage" verpfändet hatten (Lehnacten).

Zur Ritterschaft "in deme lande tor Lawe" werden um 1425 gerechnet u. a.: Hermann und Clawes Cosse, Clawes und Vicke Nortmann, Hinrik Butzouwe. 5 )

Wir kommen zu dem Resultate, daß das Kirchspiel Cammin, soweit sich erkennen läßt, ganz, von Hohen=Sprenz wenigstens Weitendorf Bestandtheile der Vogtei Laage waren, ein Verhältniß, welches allem Anscheine nach zur Zeit der Landestheilung (1316) schon bestand.

Als nach dem Erlöschen des Werleschen Hauses (1436) die Länder desselben an Meklenburg fielen, blieben die Vogteien Güstrow imd Laage noch geraume Zeit hindurch neben einander bestehen. Für die Ausdehnung der letzteren unter meklenburgischer Herrschaft stehen verschiedene Quellen zu Gebote.

Einige Heberegister des Stiftes Schwerin (von 1535) zählen die Dörfer nach Vogteien geordnet auf. In einem derselben finden wir unter Laage folgende Ortschaften: Gr.=Wardow, Kl.=Wardow, Bresen, Gr.= und Kl.=Lantow, Gr.=Ridsenow, "der Hanen Güter zu Basedow": Kl.=Ridsenow, Wozeten, Kronskamp.


1) Nach Beyer (Jahrb. 52, S. 230) fiel Laage an Werle=Waren.
2) Weitendorf bei Laage gehörte seit Ende des 14. Jahrhunderts zum Nortmannschen, später Viereggeschen Lehen Rossewitz (M. U.=B., Anmerkung zu Nr. 4322).
3) Weitendorf bei Cammin war 1462 im Besitz der Bassewitz (Jahrb. 9, S. 477), wird daher hier trotz des Zusatzes "Lütten" gemeint sein.
4) Ueber den Namen s. Jahrb. 9, S. 219. Als Ortsnamen finde ich Wohrenstorf im U.=B. noch nicht genannt, aber 1280 Sifridus de Woroldestorpe (M. U.=B. Nr. 1552).
5) Maltzansche Urkundensammlung.
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Ein zweites Verzeichniß fügt noch Subsin hinzu. - Zur Vogtei Güstrow werden dagegen am linken Recknitz=Ufer angeführt: Damm, Cammin, Kankel, Siemitz, Kritzkow, Niendorf, Zeetz, Scharstorf 1 ), Dolgen; dazu Kossow, Kätwin, Weitendorf bei Cammin, Deperstorf, Zehlendorf.

Hiernach würde das ganze Land von der Warnow bis Recknitz und Augraben zu Güstrow gehört haben, mit Ausnahme der Dörfer des Kirchspiels Laage. Diese Angaben stehen aber nicht nur mit den älteren Nachrichten, sondern auch mit den von mir eingesehenen Roßdienstregistern in Widerspruch. In dem ältesten derselben ("Anschlag der Roßdienste im Lande zu Meklenburg, Wenden und Stargard wegen der Lübecker Händel errichtet 1506) 2 ) werden in der Vogtei Laage genannt die Besitzer von: Potrems (Johan Bülow), Zapkendorf, Gottin, Rensow, Wüstenfelde, Weitendorf (Friedrich Viereggen - nachgelaßene Wittewe), Teschow (Hermann und Achim Kosse), Cammin (Martin Kosse). - Zur Vogtei Güstrow finden wir angeführt u. a. die von Kl.=Sprenz, Oettelin, Karow, Zehlendorf und Dudinghausen. Die späteren Verzeichnisse (von 1521, 1535 und 1545) zeigen in den uns interessirenden Partieen keine wesentlichen Abweichungen. Derartige Register sind nun freilich für Ortsbestimmungen nicht ohne Weiteres zu verwerthen, da die in den einzelnen Vogteien genannten Vasallen außerhalb denselben ihren Wohnsitz haben konnten. In diesem Falle wird man indessen doch den Eindruck gewinnen, daß zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Vogtei Laage im Westen noch den alten Umfang hatte.

Der Ungewißheit hierüber machen übrigens die Bedenregister im Großherzoglichen Geheimen und Haupt =Archive ein Ende. Dieselben bestätigen und ergänzen die früheren Nachrichten und sind für die Topographie dieser Gegend von um so größerer Bedeutung, als sie bis zu den ersten Jahren der meklenburgischen Herrschaft zurückreichen. Das älteste der Verzeichnisse (1442) nennt "to der Lawe" u. a. folgende Dörfer: Striesdorf 3 ), Kätwin, Cammin, Weitendorf, Prangendorf, Kl.=Lantow.


1) Scharstorf kommt als Ortschaft in den älteren Urkunden nicht vor; aber 1309 (M. U. B. Nr. 3335, Anmerkung): Heyno de Scarstorp, Rostocker Bürger.
2) Dazu drei jüngere Copieen und ein wohl hierher gehöriges, auf Pergament geschriebenes Verzeichniß. - Das Register bei Klüver (Beschreibung des Herzogthums Meklenburg, I, S. 162 f.) ist kein Abdruck des datirten Originals. - Vergl. Beyer, Jahrb. 52, S. 214.
3) Auch im "Register der Hebungen zum Antheil des Herzogs Heinrich 1517 - 24" wird "Stritzstorp" zur Vogtei Laage gezählt, zu Güstrow u. a. Griebnitz (Kirchspiel Kavelstorf).
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In einem zweiten Register (1445) kommen hinzu: "Dolghin" (Dolgen), Potrems, Teschow, Wohrenstorf, Deperstorf, "Borrentin".

1495 werden noch beigefügt: Levekendorf und Kossow. - Alle sonst noch erwähnten Ortschaften liegen weiter östlich (u. a. Recknitz, Spotendorf 1 ) und Glasewitz); westlich vom Augraben aber, in den Kirchspielen Alt=Güstrow, Lüssow und Kritzkow, werden keine mehr genannt.

Die Abweichung der geistlichen Verzeichnisse (1535) von den weltlichen kann so erklärt werden, daß im Laufe des 16. Jahrhunderts das Gebiet von Laage eingeschränkt, das von Güstrow hingegen erweitert ward, während die späteren Roßdienstregister (1535 und 1545) noch nach dem alten Schema weitergeführt wurden. Wenigstens müßten die Heberegister schon auf sehr alter Vorlage beruhen, um ihnen für die frühere Topographie einen Werth beimessen zu können.

Von etwaigen Verschiebungen der einzelnen Feldmarkscheiden abgesehen, war demnach die alte Grenzlinie folgende:

Im Süden kann wohl unbedenklich der Augraben als solche betrachtet werden; es lagen daher in der

Vogtei Güstrow
Feldmark Güstrow, Sukow, Sarm=
storf, Kuhs, Zehlendorf.
Vogtei Laage
Glasewitz, Spotendorf, Recknitz.

Dann folgt sie aber nicht der Recknitz, sondern verläuft in nordwestlicher Richtung bis in die Nähe des Sees von Hohen=Sprenz, indem Weitendorf 2 ) dem Gebiet von Laage, ein Theil von Zehlendorf, sowie Kritzkow und Dudinghausen noch dem von Güstrow zugewiesen werden. Von hier an lassen uns aber die kirchlichen Grenzen im Stich; innerhalb des Kirchspiels Hohen=Sprenz waren das Pfarrdorf selbst, Klein=Sprenz, Sabel und Kankel von jeher Bestandtheile des Güstrower Landes (früher Schwaan); dagegen standen Weitendorf und, wenn die Angaben des Bedenregisters schon für die ältere Zeit als gültig betrachtet werden dürfen, 3 ) nicht nur Levekendorf, sondern auch Striesdorf und Dolgen mit Laage in alter


1) Zwischen Korleput und Zapkendorf genannt, daher wohl Spotendorf im Kirchspiel Recknitz.
2) An dieser ehemaligen Grenze des Kirchspiels Hohen=Sprenz liegen auch die kleinen Feldmarken von Woland und Neu=Woland, früher als Weitendorfer und Levekendorfer Woland bezeichnet. - Ersteres (jetzt zu Dudinghausen) war früher Pertinenz von Weitendorf (s. Rabe, Meklenburgische Vaterlandskunde, I, S. 554) und ist vielleicht auf dessen Feldmark angelegt.
3) Anderenfalls stände zur Erwägung, ob das jetzige Kirchspiel Weitendorf, bevor es an Hohen=Sprenz kam, von einer anderen Pfarre (etwa Laage) abgetrennt wurde.
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politischer Verbindung 1 ); so daß das Pfarrgebiet entweder auf beide Vogteien seit dem Bestehen derselben vertheilt war, oder in seiner Zusammensetzung eine uns unbekannte Veränderung erlitten hat.

Kankel berührt sich schon zum Theil mit Klein=Potrems im Kirchspiel Cammin, welches weiterhin mit Kirchspiel Kavelstorf grenzt. Hier fehlen nur für die Grenzdörfer selbst Nachweise aus der Werleschen Zeit, während wir die meisten übrigen Dörfer zu beiden Seiten der kirchlichen Scheidelinie schon damals in verschiedenen politischen Gebieten finden. Wir sind daher wohl zu der Annahme berechtigt, daß die Grenze weiter ihren Verlauf nahm zwischen

Vogtei Güstrow
(Kirchspiel Kavelstorf)
Scharstorf, Prisannewitz, Dummer=
storf.
Vogtei Laage
(Kirchspiel Cammin)
Klein=Potrems, Groß=Potrems.

Prisannewitz wird von Groß=Potrems durch ein Moor und einen See getrennt. Die Dörfer beider Landestheile berühren sich am See von Dolgen 2 ); vom Hohen=Sprenzer See (majus stagnum Majoris Sprenz) scheint aber das jetzige Kirchspiel Weitendorf durch ein Stück der Feldmark von Dudinghusen geschieden zu sein. 3 ) An dieser Stelle muß das untergegangene "Dechow" gelegen haben, wenn die Nachricht auf Wahrheit beruht, daß mit diesem Namen ein Theil der Dudinghausener Feldmark zwischen dem Hofe, Striesdorf und Friedrichshof bezeichnet wurde. 4 )

Von sonstigen im Grenzgebiete untergegangenen Dörfern 5 ) würden in der Vogtei Laage Klein=Weitendorf und Borrentin zu suchen sein. An ersteres mag noch das "Lüttendorfer Holz" nördlich vom Hofe Weitendorf erinnern. Das Feld zu "Bartin" gehörte 1466 zu Levkendorf, dessen Bauern es in der Folge bewirthschafteten, und lag


1) Eine neuere Anlage ist hier nur Friedrichshof, von diesem abgesehen, läßt sich nach den Feldmarkscheiden der genannten Dörfer die ungefähre Grenze verfolgen.
2) Dies war auch in alter Zeit der Fall: 1298 verlieh Nicolaus von Werle Dolghen cum stagno adjacente; 1320 erhielt Lutmarus de Strisdorpe Antheil an der Ficherei in stagno Dolgen; 1326 erhob die relicta Howeschildes in Sabene Ansprüche auf die Fischerei daselbst. Wahrscheinlich berührte auch Kankel schon damals den See: nemora octo mansorum ville Kankel ab illa parte rivuli qui transit de stangno ville Dolghen ad aquas molendini in Sabene. M. U.=B. Nr. 2484, 4223, (3898), 4698, 5277.
3) Zwischen Dudinghausen und dessen Pertinenz Weitendorfer Woland finde ich keine Scheide angegeben. Der Staatskalender von 1792, der erste, welcher eine kirchliche Topographie enthält, giebt hier aber die Kirchspielgrenze.
4) Lisch, Jahrb. 13, S. 398 f., wo auch der Bericht von Ahrens und Thiem.
5) Vergl Schildt, Untergegangene Dörfer, Jahrb. 56, S. 204.
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nach Angabe von 1485 in der Vogtei Laage. 1574 war es noch wüst, wurde aber nachher wieder aufgebaut. 1630 wird es mit Kronskamp zusammen genannt (als dessen Hauptgut es 1708 erscheint), im Laufe des 18. Jahrhunderts ist es zum zweiten Male untergegangen. 1 ) (Lehnacten.) Vom Hofe Levekendorf in nordöstlicher Richtung, nach Kronskamp hin, liegt nach Schmettau (Brouillon) das "Borrentin=Holz", am Recknitz=Ufer südlich von Kronskamp die "Borrentin'sche Wisch". Dagegen müssen Groß=Sprenz (ehemals zwischen Hohen= und Klein=Sprenz), sowie die benachbarte Feldmark des untergegangenen Osterfelde zur Vogtei Güstrow gehört haben. 2 )

Hoffentlich gelingt es noch, die Grenze genauer und mit größerer Sicherheit festzustellen, als es hier geschehen konnte. In ein zweifelhafteres Gebiet führt uns die Frage, in welchem Verhältniß zu dem Districte zwischen Warnow und Recknitz das Land Werle stand. Dasselbe ist in den früheren Bänden der Jahrbücher 3 ) häufiger behandelt worden, ohne daß über seine Ausdehnung sich sichere Resultate gewinnen ließen. Ob das Land, wie Wigger annahm, ursprünglich auf das rechte Warnow=Ufer beschränkt war oder von vorneherein Landstriche auf beiden Seiten des Flusses umfaßte, kann hier unberücksichtigt bleiben. Jedenfalls muß wenigstens später der Name in letzterem Sinne gebraucht worden sein, da in einer Fälschung der Bewidmungsurkunde Heinrichs des Löwen (1171ß) dem Bisthum Schwerin verliehen wird castrum Werle dictum cum terra attinenti etiam Werle dicta ex utraque parte aque Warnowe. 4 ) Dies schließt nicht aus, daß die Bezeichnung doch vorzugsweise an dem Theile des Landes haftete, in welchem das alte castrum 5 ) lag, so auch in dem


1) Im Staatskalender 1792 noch "Barentin" im Ksp. Laage, nicht mehr 1793.
2) Nach Jahrb. 51, S. 184 lag bei Kritzkow das Dorf "Peryede".
3) Von Lisch, Jahrb. 6, S. 88 f., 8, S. 220 (wo noch Niendorp in terra Werle für Neuendorf bei Rostock oder Niendorf bei Viestow gehalten wird); ferner von Wigger im Leben Bernos, Jahrb. 28, S. 264 f., und Meklenburgische Annalen, S. 108, 117 b.
4) M. U.=B. Nr. 100 C, ebenso auch in der Bestätigungs=Urkunde Cölestins III., 1197 (162).
5) Beschreibung des Burgwalles 6, S. 88, von Lisch; 6 b, 6. 72, von Koch; 21, S. 59, von Lisch; Fundbericht außerdem 12, S. 415. - Nach Kirchberg c. 119 wurde die Burg Werle am Ende des 12. Jahrhunderts wieder aufgebaut (vergl. Jahrb. 6, S. 95). Nicolaus (I.) in Gustrow scribens titulum dominii sui de castro Werle (Doberaner Genealogie, Jahrb. 11, S. 14); de castro Werle primo (Parchimsche Genealogie ebd. S. 15); 1232 sacerdos in Sywan (s. o.); Boguphal (ca. 1250) nennt beide Orte neben einander: item castrum Verla - item Swanowo (Jahrb. 27, S. 128). - Jordanus miles de Werle bei Heinrich Borwin II. von Werle und Nicolaus von Meklenburg 1219 als Zeuge (M. U.=B. Nr. 258), wahrscheinlich derselbe, welcher (M. U.=B. Nr. 425 (1234?) als Jordanus de Gabene (nach M. U.=B. 4 B, (  ...  )
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Rostocker Vertrage (1301) über die Schwaaner Friedensbestimmungen, welche das Werlesche Land am linken Fluß=Ufer von dem am rechten unterscheiden wollen. Zum letzten Male wird der Name 1302 von Nicolaus II. für den ihm verbliebenen Theil des Landes Schwaan angewandt: Nyendorp in terra nostra Werle (M. U.=B. Nr. 2831), um sodann als Benennung eines Bezirkes aus unseren Urkunden für immer zu verschwinden.

Wenn die von König Erich an Nicolaus II. zurückgegebene terra Werle sich mit dem 1294 verpfändeten Lande bis zur Recknitz völlig deckte, so liegt die Annahme nahe, daß auch das ehemalige Land Schwaan im Osten die Recknitz erreichte; es würde dann das Gebiet zwischen beiden Flüssen noch vor 1316 (Landestheilung) mit seinem nordöstlichen Theile der Vogtei Laage (wie mit seinem südwestlichen der Vogtei Güstrow) zugelegt sein, so daß die Grenze erst aus dieser Zeit datiren würde. Sollte aber nicht ebensogut die Auslegung zulässig sein, daß es sich in dem Rostocker Vertrage nur um einen Theil des 1294 dem Fürsten von Rostock überlassenen Gebietes handelte, so daß der Hinweis auf die Verpfändung nur den Zweck hatte, die zurückgegebene Hälfte des Landes Schwaan im Gegensatz zu dem an König Erich abgetretenen Theil deutlicher hervorzuheben? Es fällt auf, daß nicht schon 1294 statt der etwas umständlichen Beschreibung des Landes die Bezeichnung Werle gewählt wurde.

Die Vogtei Laage wird zuerst 1297 genannt: Vippernitz - in advocacia Lawis (M. U.=B. Nr. 2429), wird aber schon früher bestanden haben. Die Herrschaft der Pommerschen Herzöge läßt sich im Urkundenbuche über Polchow hinaus nicht nachweisen. Die Orte westlich davon bis zur Recknitz erscheinen, sobald ihr politischer Zusammenhang hervortritt, im Besitz der Herren von Werle: zuerst 1253 Vippernitz, bei dessen Verleihung durch Nicolaus II. Hartvicus plebanus de Lawe Zeuge ist. 1 ) Gelegentlich der Schilderung des durch den Werleschen Vatermord verursachten Krieges erzählt Kirchberg (c. 172), Heinrich von Meklenburg habe gewonnen zu der Lawe - hus und stad. Das zur Burg gehörige Gebiet müßte, falls es vom linken Recknitz=Ufer damals ganz ausgeschlossen war, ein Landstrich von zum Theil sehr geringer Breite gewesen sein. Denn östlich von Laage werden um 1314 schon Polchow und Jahmen zum Lande


(  ...  ) S. 338 zu verbessern in Saben, d. i. Sabel im Kirchspiel Hohen=Sprenz) vorkommt vergl. Jahrb. 32, S. 20). - Schwaan als Sitz einer Vogtei zuerst 1272 (M. U.=B. Nr. 1247).
1) M. U.=B. Nr. 223 (1216), 439 (1235). - 721. Die Kirche in Laage stammt nach Lisch aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Jahrb. 12, S. 463, vergl. 52, S. 216).
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Kalen gerechnet (letzteres 1235 zur Caminer Diöcese, 1255 zu Circipanien, dagegen Vippernitz 1288 zum Schweriner Sprengel). 1 ) Im Norden war das untergegangene Depzow 1302 in Werleschem Besitz und gehörte nach einer Urkunde von 1304 u. a. mit Vippernitz und Klein=Wardow zu einem Kirchspiel des Schweriner Bisthums; über das benachbarte Goritz hingegen wurde schon 1262 von Borwin von Rostock verfügt. 2 ) - Im Rostocker Vertrage wird unter den zu brechenden Festungen auch Dobistorp (Deperstorf) neben Law genannt, aber nicht in Zusammenhang mit den Bestimmungen über die terra Werle. Da ferner bei Laage die Recknitz keine Kirchspielgrenze bildet, möchte ich trotz der ungenügend erklärten terra Werle vorläufig für wahrscheinlich halten, daß der 1294 verpfändete District zwischen beiden Flüssen das halbe Land Schwaan (resp. Güstrow) und die halbe Vogtei Laage umfaßte.

Das Haus Werle war schon in früherer Zeit (nach Nicolaus I. Tode, im Mai 1277 und bis zu Heinrichs Ermordung, 8. October 1291) in mehreren Zweigen vertreten. Da indessen die Urkunden jener Zeit eine bestimmte Theilung nach verschiedenen Herrscherlinien in der uns interessirenden Gegend nicht klar genug erkennen lassen, so können von ihnen genügende Aufschlüsse über die damaligen Vogteigrenzen kaum erwartet werden. 3 )


1) M. U.=B. Nr. 758, 1983. Vergl. S. 9, A. 2.
2) M. U.=B. Nr. 2819, 2954, vergl. 6087. - 952. Ueber das im vorigen Jahrhundert untergegangene Depzow, Jahrb. 20, S. 279.
3) Für Orte in dem Gebiete der Vogtei Laage stellte während dieser Zeit der ältere Bruder Heinrich Urkunden aus, und zwar gemeinsam mit dem jüngeren Johann 1279 über Lewkendorf, nach Johanns Tode (1283) aber allein 1284 über Spotendorf (mit Einwilligung u. a. des Neffen Nicolaus), 1285 über Dolgen und 1287 für die Bewohner Majoris Wethendorpe (?) (M. U.=B. Nr. 1509, 1730, 1792, 1897). - Dagegen sehen wir in der späteren Vogtei Güstrow Fürsten von jeder der drei Linien mehrfach für sich allein thätig: 1) Nicolaus, den Sohn Johanns, für Schwiesow 1284: und Goldenitz 1285 (unter Mitbesiegelung von Seiten des Oheims Heinrich), ferner für Kuhs 1286 und 1291, wie er auch 1284 zweimal eine Urkunde in Sprenz ausstellte (M. U.=B. Nr. 1729, 1817, 1861, 2106. - 1780, 1781); 2) Bernhard, den dritten Bruder, für Prisannewitz 1282 (1612); 3) nach Bernhards Tode (10. October 1286) auch den älteren Heinrich 1287 zweimal über Niendorf bei Schwaan, mit Zustimmung aller Erben (1919, 1925). Endlich urkunden die drei Brüder gemeinsam über Groß=Sprenz 1278 und Sukow bei Güstrow 1281 (1466, 1571). - Dieser Thatbestand würde immerhin die Annahme offen lassen, daß zwar das Land am östlichen Warnow=Ufer (mit Werle) dem ganzen Fürstenhause gemeinsam blieb, das Gebiet von Laage hingegen zu dem besonderen Antheil Heinrichs gehörte. Vergl. indessen die von Koppmann gegen die Behauptung, daß schon in dieser Zeit eine Güstrower Linie bestanden habe, geltend gemachten Bedenken. Jahrb. 56, S. 223 f.)
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Um so weniger wage ich zu entscheiden, ob die nachgewiesene Scheidelnie mit Grenzverhältnissen schon der wendischen Zeit irgendwie in Zusammenhang stand. Doch mögen einige Thatsachen bemerkt werden, welche für die Beurtheilung dieser Angelegenheit zu berücksichtigen sind.

An drei Stellen des Grenzgebietes sind Erhöhungen (nicht Burgwälle) aufgefunden worden, welche sich als wendische Ansiedelungen characterisiren, ohne daß bisher der Zweck derselben genügend aufgeklärt wäre: zwei künstliche Aufschüttungen, die eine auf einem Moore von Dummerstorf zwischen den Höfen von Groß=Potrems und Prisannewitz, die andere im nördlichen Theile des Sees von Hohen=Sprenz; dazu kommt eine von den Wenden für ihre Zwecke benutzte künstliche Erhebung ähnlicher Art, die sogenannte "Dorfstelle" (mit zahlreichen Burgwallscherben) auf der Feldmark von Zehlendorf, ganz nahe dem Augraben, also hart an der Grenze. 1 ) Auch auf der Fischer=Insel bei Wustrow, an der Grenze des Tollenser Landes, wurden 1887 wendische Ueberreste ausgegraben, welche, nach der Beschreibung zu urtheilen, vielleicht einer Anlage ähnlicher Art entstammen. 2 ) Da anderswo, soweit mir bekannt ist, derartige Werke noch nicht näher beachtet sind, die bisher aufgefundenen aber alle an der Scheide ehemaliger Länder liegen, so muß es weiteren Nachforschungen überlassen bleiben, zu entscheiden, ob hier ein Zufall obwaltet, oder ob wir es in der That mit Vertheidigungsanstalten an wendischen Landesgrenzen zu thun haben.

Der sogenannte Burgwall von Dudinghausen in der Nähe des Sees von Hohen=Sprenz (nach Pastor Thiems Beschreibung in Jahrb. 13, S. 401) ist nach Ansicht des Herrn Dr. Beltz eine neuere, vielleicht erst aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges herrührende Umwallung. Eine "alte Burg" findet sich ferner auf dem Brouillon der Schmettauschen Karte südlich vom Hofe Dolgen.


Im Süden unseres Gebietes kann mit dem Stiftslande Bützow und dem alten Lande Güstrow nur die Vogtei Schwaan, nicht auch Laage, gegrenzt haben, da zu ersterer bis 1272 Sukow gerechnet wurde, dessen Feldmark im Osten den Augraben erreicht. Die Grenzen des alten Landes Werle, welches in Urbans III. Urkunde für das Bisthum Schwerin (1186) zugleich mit der auf beiden Seiten der


1) Nach mündlicher Mittheilung von Beltz. Vergl. Jahrb. 56, Quartalberichte October 1890 und April 1891.
2) Beltz. Quartalbericht October 1890, S. 5. - Beschreibung der Funde auf der Fischer=Insel von Brückner, Jahrb. 54, S. 162.
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Nebel und bis zum Lande Tribeden sich erstreckenden terra nova genannt wird, scheinen hier infolge der Vergrößerung des Stiftslandes Bützow verwischt zu sein 1 )

Im Norden war die Herrschaft Werle bis zum Aussterben des Werleschen Hauses dem Lande Rostock benachbart. Die in hinreichender Anzahl vorhandenen Verleihungs=Urkunden von beiden Seiten (bis 1436) genügen für eine vorläufige Feststellung der Grenzlinie. In demselben berührten sich die Feldmarken folgender Ortschaften:

Herrschaft Werle
Vogtei Laage
  Herrschaft Rostock
Vogtei Tessin
Wohrenstorf, Weitendorf, Prangendorf, Cammin (Forst Cammin), Teschow, Kossow, Groß=Potrems. Tessin, Klein=Tessin (Kirchspiel=Tessin), Horst und Vietow (Kirchspiel Sanitz),
Klammer Hohen=Gubkow, Neu=Kokendorf, Lieblingshof, Göldenitz, Schlage, Pankelow,
Vogtei Güstrow
Dummerstorf (mit Klein=Dummerstorf und Waldeck), Kavelstorf. Niex, Damm. Pankelow, Bandelstorf (Kirchspiel Petschow),
Beselin, Hohen=Schwaß (Kirchspiel Kessin).

Ueber die Kirche zu Kessin führen die Nachrichten weiter zurück als über fast alle anderen Kirchen dieser Gegend, da schon bei dem älteren Nicolaus von Rostock (1189?) Hinricus capellanus de Goderac erwähnt wird, wie auch die Bezeichnung des Dorfes als villa Sancti Godehardi 1171 in der echten Urkunde Heinrichs des Löwen für das Bisthum=Schwerin auf das Vorhandensein eines Gotteshauses schließen läßt. 2 ) (1219 ecclesia in Kizsin.) Von der Ausdehnung des Pfarrgebietes geben aber ältere Urkunden ebensowenig Kunde 3 ), wie von dem benachbarten Petschow. Dieses Dorf kommt erst seit 1327 vor, ein plebanus in Petzekowe zuerst 1347. 4 ) Dagegen erscheint die Pfarre von Sanitz, deren Kirche noch bedeutende


1) M. U.=B. Nr. 141. Vergl. den Erklärungsversuch von Wigger, Jahrb. 28, S. 210.
2) M. U.=B. Nr. 147, 100. Daß die villa Sancti Godehardi (früher Goderac genannt) nicht in Goorstorf (Lisch, Jahrb. 6, S. 70 f., und Schildt, Jahrb. 56, S. 202), sondern in Kessin zu suchen sei, scheint mir von Wigger (Jahrb. 28, S. 163, Anm.) überzeugend nachgewiesen zu sein.
3) 1526 u. a. Swervitze.
4) M. U.=B. Nr. 4857, 6769. - 1526 werden im Kirchspiel genannt: Bantmerstorp, Gudow, Sclawe, Kokendorp.
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Ueberreste des romanischen Stils enthält, schon 1248, und als Dörfer derselben werden 1256 Dänschenburg, "Utessendorp", Freienholz und Wendisch=Reppelin, 1340 Teutendorf genannt. 1 ) Oestlich bis zur Recknitz erstreckt sich das Kirchspiel Tessin, dessen Existenz im Anfange des 14. Jahrhunderts bezeugt ist. 2 ) Mögen daher die Pfarren von Petschow und Tessin auch vielleicht erst später ins Leben gerufen sein, so wird doch die südliche Grenze der ältesten Circumscription der Kirchspiele entstammen und war wohl schon zur Zeit der Hauptlandestheilung vorhanden; denn die politische Grenze zeigt, soweit sie sich nach dem Urkundenbuche verfolgen läßt, keinerlei Abweichung.

Ueber Beselin verfügte Heinrich von Meklenburg 1321, über Hohen=Schwaß (Zweruisse) Erich von Dänemark 1305. 3 ) - Bandelstorf gehörte dem oft als meklenburgischen Vasallen genannten Preen von Bandelstorp (zuerst bei König Erich 1302). 4 ) Pankelow wurde 1328 von Heinrich von Meklenburg, Göldenitz 1332 von Erich verliehen. 5 ) In Kokendorf (an dessen Stelle jetzt Neu=Kokendorf und Lieblingshof) hatte 1344 Fürst Albrecht Bede und Gericht verpfändet, und über Schlage (dorp to der Slawe) entschied 1391 das Hofgericht des Herzogs Albrecht. 6 ) Mit Vietow belehnte letzterer nach einer allerdings gefälschten Urkunde 1418 Henneke von Kardorf, welcher das Gut von den Jork gekauft haben sollte. Schon 1362 hatte Heinrich von Jork Hebungen aus Vitecowe dem Pastor zu Sanitz überlassen, und zur Pfarre Sanitz wird auch 1534 die Kirche gerechnet, welche beim "hilligen Moore" auf der Feldmark Vietow stand. 7 ) - Tessin begegnet zuerst in Boguphals Chronik (nach Wigger um die Mitte des 13. Jahrhunderts geschrieben) unter den castra des Wendenlandes und kommt urkundlich als munitio vor seit 1301, als terra (neben den Ländern Ribnitz, Marlow, Sülz) zuerst 1322, als Stadt des dominii Rostokcensis 1323, als Name einer meklenburgischen Vogtei seit 1333. 8 ) In derselben liegen 1350 Kescyn,


1) M. U.=B. Nr. 603 (clerici: Hinricus de Zayniz), 778, 6032. Dänschenburg, Filial von Sanitz noch 1534 (Jahrb. 38, S. 48). Beschreibung der Kirche Jahrb. 23, S. 322 (Lisch).
2) 1306 Henricus sacerdos de Thessyn, 1307 Antonius plebanus in T. (M. U.=B. Nr. 3074, 3161). - Im Kirchspiel 1526 Stormestorp.
3) M. U.=B. Nr. 7294, 3022. Als Hoghen Sweruitz bezeichnet 1323 (4422).
4) M. U.=B. Nr. 2828 (nach Chemnitz).
5) M. U.=U. Nr. 4966, 5356.
6) M. U.=B. Nr. 6380. Maltzansche Urkundensammlung II, S. 403. Ueber Kokendorf, Schildt, Jahrb. 56, S. 202; Rabe I, S. 787.
7) Jahrb. 38, S. 48 f. - M. U.=B. Nr. 8840.
8) M. U.=B. Nr. 2748, 4353, 4446, 5381 (Johannis Molteken advocati nostri in terra Gnogen et Tessyn). Jahrb. 27, S. 128 (Boguphal).
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1309 außerdem Vynkenberch und Dudeschen Kusseuitze (beide damals im Kirchspiel Volkenshagen). 1 ) Hiernach zu urtheilen, muß die Herrschaft Werle an ihrer ganzen Nordgrenze von der Recknitz bis zur Warnow sich mit der Vogtei Tessin berührt haben.

Aelter sind die Nachrichten, welche über die meisten Werleschen Grenzdörfer zu Gebote stehen. Kavelstorf verdankt seinen Namen dem Werleschen Vasallengeschlechte der Cabold, welche sich zuerst 1272 wieder nach dem Dorfe nennen (Johannes et Hinricus de Kaboldisdhorpe famuli bei Heinrich von Werle. 2 ) Verleihungs=Urkunden sind vorhanden für Damm (von Johann und Heinrich, 1277), Prangendorf (von Nicolaus I., 1262ß), für Niex, welches 1304 von Heinrich Grube, einem Vasallen Nicolaus II., verkauft worden war 3 ); ferner für Kossow und Teschow, wie oben erwähnt, schon 1276. Daß Major Wethendorpe, welchem Heinrich von Werle 1287 Freiheit von Nachmessung zusicherte, Weitendorf bei Tessin sei, wird im Register des Urkundenbuches angenommen, kann aber wohl nicht mit Sicherheit behauptet werden. Auch über Wohrenstorf und Groß=Potrems fehlen ältere Belege als die oben bereits angegebenen.

Auf die Grenze der Herrschaften Rostock und Werle wird hingewiesen 1347, als Nicolaus et Stanghe fratres dicti de Gubecowe dem Doberaner Klosterdorf Prangendorf ein Torfmoor zur Ausnutzung überließen, unter der Bedingung, daß jener Verkauf non debet - dominis terrarum in suis distinctionibus seu metis esse impedimentum aliquale. Unter den Compromissores wird in dieser Urkunde noch Henninghus Svetzin de Hoghen Gubekowe genannt. Prangendorf grenzt noch jetzt mit der Feldmark Hohen=Gubkow, auf deren westlichem Theile früher Sieden=Gubkow lag. 4 ) - Um die Werle=Rostocker Grenze muß es sich auch in einer Streitigkeit zwischen den Besitzern von Hohen=Schwaß und dem Kloster Doberan als Eigenthümer von Niex gehandelt haben. Dieselbe wurde 1326 beendigt, indem die ersteren erklärten, aus Unkunde sich einer Gebietsverletzung


1) M. U.=B. Nr. 7124, 8557. Das Concept (B) hat ebenfalls Kessyn in advocatia Tessyn, aber: Vinkenbergh et Dudeschen Cusewitze in advocatia Rozstock. - Vergl. Nr. 9378: villam Sagheniz advocacie Rozstockiensis (1365); Nr. 9173: Vicke Moltke - unse vogt in dem lande to Rozstoke (1363). - Goldenisse in terra Rozstock 1379 (Nr. 5356, Anm.). - Das Heberegister (1535) zeigt die Vogtei Tessin (Rostock?) in erheblich verringertem Umfange (nur noch mit Klein=Tessin, "Gramstorf" und Helmstorf).
2) M. U.=B. Nr. 1254. Ueber das Geschlecht der Kabold Jahrb. 31, S. 73 (Lisch) und 39, S. 38 (Wigger).
3) M. U.=B. Nr. 947, 1429, 2970.
4) M. U.=B. Nr. 6769. - Schildt, Jahrb. 56, S. 202.
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schuldig gemacht zu haben; jetzt aber, eines Besseren belehrt, versprächen sie, daß villa Nikez in suis terminis et limitibus maneat quos adhuc possidet et ab antiquis temporibus dinoscitur possedisse. 1 ) - Von allgemeinerem Interesse dürfte eine in Proceß=Acten von 1570 aufgefundene Nachricht sein, auf welche mich Herr Archivar Dr. Saß aufmerksam machte:

"- Landwehr 2 ) das das landt zu Wenden und den erwenten Potrembser Feltmark vonn dem Lande zu Rostock und den Goldenitzer Felde 3 ) mit grosen scheinlichenn alten Landgreintzen und mahlen vonn alters abgesondert und gescheiden."

Sämmtliche Grenzdörfer des Kirchspiels Cammin liegen jetzt im Amte Güstrow, bis auf Wohrenstorf und Weitendorf im Amte Gnoien (so auch 1792). Die des Kirchspiels Kavelstorf gehören sonst alle zu Güstrow, wohin auch Niex und Damm (jetzt Amts Schwaan) noch in neuerer Zeit gerechnet wurden. Eine Ausnahme macht nur Dummerstorf (mit Klein=Dummerstorf und Waldeck), welches schon im 16. Jahrhundert in der Vogtei Ribnitz lag. 4 ) Gerade für diese Ortschaft, welche ich im Urkundenbuche nur einmal genannt finde, fehlt bisher der Nachweis des politischen Verbandes. Vielleicht kann aber das spätere Vogteiverhältniß daraus erklärt werden, daß das Dorf, in welchem noch 1378 die Moltke von Strietfeld Gericht und Bede besaßen, später an das Geschlecht der Preen kam, welche vorzugsweise im alten Rostocker Lande begütert waren. 1492 wurde den von Preen zu Bandelstorf, Dummerstorf, Gubkow und Wehnendorf ein Lehnbrief über ihre gesammten Güter ertheilt.

Das Gebiet zu beiden Seiten der Grenze ist großentheils von Mooren und Sümpfen durchzogen: "Gubekower Torff - Mohr", bei Dummerstorf "grosses Mohr" und östlich davon "schwartze See" nach Schmettau; Teufelsmoor, Groß= und Klein=Teufelssee auf den Feldmarken von Horst und Vietow u. a. m. Von einer angeblichen Burgstelle bei Göldenitz (die "Borg" in der Nähe eines Sees), welche Jahrb. 5 b, S. 120 erwähnt wird, ist, soviel ich weiß, seitdem nicht wieder die Rede gewesen. 5 ) Nach Krause (Alterthümer in der Umgegend von Rostock, Jahrb. 48, S. 292) soll sich in den Warnow=


1) M. U.=B. Nr. 4758, 4759.
2) Vergl. Jahrb. 5 b, S. 117 (4 b, S. 77) die Landwehren der Grafschaft Schwerin (bei Brüsewitz und Granzin); ferner Beyer, die Landwehren und Grenzheiligthümer des Landes der Redarier, Jahrb. 37, S. 50 f.
3) Groß=Potrems grenzt nördlich mit Pankelow, Schlage und Göldenitz.
4) Heberegister 1535. Auch bei Klüver "Hans Preen tho Dummerstorp" in der Vogtei Ribnitz.
5) Eine "alte Burg" bei Schmettau südlich von Tessin an der Recknitz.
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Wiesen bei Hohen=Schwaß ein alter wendischer Burgwall (?) befinden, und an der Zarnow in der Nähe des Hofes Reez liegt ein jetzt beackerter wendischer Burgwall von der Höhe desjenigen zu Teutenwinkel. Die Gegend bedürfte wohl noch näherer Untersuchung.

Wie weit nach Norden bei Beginn der christlichen Zeit sich das Land Werle erstreckte, wird nirgends bestimmt angegeben. Die Zarnow, bis zu welcher es nach Urbans III. Urkunde (1186) dem Bischof von Schwerin gehören soll, fließt, von der Kirchspielscheibe ziemlich weit nach Süden entfernt, in ihrem unteren Laufe quer über die Feldmarken Klingendorf und Reez in die Warnow 1 ), würde also, falls damit 1186 die Nordgrenze bezeichnet sein soll, den größten Theil des Kirchspiels Kavelstorf vom Lande Werle ausschließen. Diejenigen Bewidmungs=Urkunden, welche castrum Werle cum terra attinenti Werle, also jedenfalls das ganze Land, dem Bischof verliehen wissen wollen, geben eine Grenze nicht an.

Da auch den Archidiakonatsverhältnissen vielfach Werth für die ältere Topographie beigemessen wird, so sei auf Jahrb. 21, S. 21, verwiesen, wo ein Verzeichniß (aller?) Pfarren des Archidiakonates Rostock mitgetheilt wird (1471). Zwischen Warnow und Rostock werden auf Werleschem Gebiete nur Kavelstorf und Cammin, östlich vom Augraben und Recknitz überhaupt nur Laage und Recknitz genannt (vergl. auch M. U.=B. Nr. 1178). Hiernach gehörten die in der ehemals Werle=Goldbergischen, später Warenschen Vogtei Laage befindlichen Kirchen, soweit hier die Schweriner Diöcese reichte, sämmtlich damals zum Archidiakonat Rostock. Für Kavelstorf ist zu bemerken, daß im Theilungsvertrage von 1347 das Verleihungsrecht der dortigen Kirche von dem Güstrower Antheil ausdrücklich ausgenommen und der Warenschen Linie zugewiesen wurde.

Vignette

1) M. U.=B. Nr. 141, (149). Wigger (Jahrb. 28, S. 207) hält für zweifelhaft, ob diese Zarnow in der Urkunde von 1186 gemeint sei.
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II.

Rostocker Tonnen - Ausfuhr- und Einfuhr - Verbote.

Von

Professor Dr. Wilh. Stieda zu Rostock.

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Z u den Grundsätzen einer verständigen hansestädtischen Politik gehörte es, die einheimische Böttcherei gegen auswärtige Concurrenz zu schützen. Durch den Bedarf des Binnen=wie des Außenhandels an Tonnen und Fässern hatte dieses Gewerbe sich mächtig entwickelt und zählte überall zu den angesehensten und stark besetzten Aemtern. Insbesondere der von den Seestädten aus eifrig betriebene Heringsfang setzte viele fleißige Böttcher behufs Beschaffung der zur Verpackung des gesalzenen Fisches erforderlichen Tonnen in Bewegung, die in den Städten des Landes ansässig waren und nur zeitweilig "vp de Schonesche reyse" sich von ihrem Wohnsitze entfernten oder ihre Gesellen den Kaufleuten als sog. "Zuschläger" mitgaben. Die Anfertigung dieser Tonnen als einen sehr einträglichen Nahrungszweig den Städten vorbehalten zu sehen, wurde schon im Jahre 1342 beschlossen, daß in Skanör, dem Hauptplatz für den Fischfang auf Schonen, keine neuen Tonnen angefertigt und keine alten ausgebessert werden sollten. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts scheint das Verbot des Böttcherei=Betriebes dahin umgewandelt worden zu sein, daß nicht schlechthin die Anfertigung von Tonnen untersagt wurde, sondern die Arbeit auf die dazu Berechtigten beschränkt blieb. Wenigstens wurden im Jahre 1389 die schonenschen Vögte von den wendischen Städten angewiesen, nur denen die Böttcherei zu gestatten, die sich als hansestädtische Bürger oder als Knechte hansestädtischer Meister auswiesen. Und ähnlich forderten die preußischen Städte im folgenden Jahre ihren Vogt in Schonen auf, darauf zu achten, daß nur Bürger oder Einwohner einer Hansestadt zur Herstellung von Tonnen zugelassen würden. 1 )


1) Vergl. meinen Aufsatz "Hansische Vereinbarungen" in Hans. Geschichtskunde, 1886, S. 115.
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War es in diesem Falle darauf abgesehen, sich vor der dänischen Concurrenz zu schützen oder wollte man vielleicht vermeiden, daß deutsche Geschicklichkeit zur Entfaltung eines blühenden Erwerbszweiges im Auslande Veranlassung wurde, indem hansische Böttcher sich auf Schonen niederließen, so wurde in späterer Zeit, als der Bund zerfallen war, es üblich, daß die einzelnen Städte sich gegen einander abschlossen und ihren Handwerkern den örtlichen Absatzkreis zu erhalten bemüht waren. So erklärt die Rostocker Polizei=Ordnung von 1576 ausdrücklich, es nicht "vor unbillich zu erachten, dass unsere Bürger und Einwohner den einwonenden Böttichern vor auslendischen das Gelt gönnen" und verbietet daher, "bei den Auslendischen" Tonnen oder Fässer zu bestellen, machen zu lassen und in die Stadt zu bringen. Die "Auslendischen" waren jetzt nicht mehr Personen, die nicht zum Hansebunde gehörten, sondern das Interesse verlangte, sich Jeden, der nicht auf dem einheimischen engen Gebiete ansässig war, vom Halse zu halten.

Indeß scheint in Rostock die Aufrechterhaltung dieses schutzzöllnerischen Grundsatzes auf die Dauer nicht möglich gewesen oder, was wahrscheinlicher ist, mit anderen mächtigeren Interessen in Collision gerathen zu sein. Es ist möglich, wenn auch keine Anzeichen dafür vorliegen, daß die Rostocker Böttcherei gegen Ende des 16. Jahrhunderts zurückging. Jedenfalls gab es eine Zeit, wo bei dem lebhaften Betriebe der Brauerei diese nicht genug Tonnen oder nicht zu ansprechenden Preisen geliefert bekommen konnte und daher Fässer von auswärts bezog. Insbesondere ließ man sich von Lübeck Gebinde schicken und schien die dagegen sprechende Vorschrift der Polizei=Ordnung vergessen zu haben. Gegen das Jahr 1597 hatte diese Einfuhr so starken Umfang gewonnen, daß, wie ein Eintrag in ein auf dem Rostocker Stadtarchiv aufbewahrtes Rollenbuch besagt, die Aelterleute des Böttcheramts dem Rath die Bitte um ein Einfuhrverbot unterbreiteten. Indeß wurde ihnen bedeutet, daß ohne Vorwissen der Brauer ein solches nicht erlassen werden könnte, und es ist nicht anzunehmen, daß die Brauer zu ihrem eigenen Nachtheil darin gewilligt haben werden.

Später kam aus zur Zeit nicht erklärbaren Ursachen das alte Einfuhrverbot der Polizei=Ordnung von 1576 wieder zur Geltung. Nach einem Rathsdecret vom 7. Juli 1610 1 ) soll kein Schiffer, weder aus Lübeck, noch aus Wismar, neue Tonnen in Rostock einbringen,


1) Dieses wie die anderen folgenden noch Papieren aus der Amtslade der Rostocker Böttcher gegenwärtig im Besitz des Vereins für Rostocks Alterthümer.
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und wurden auf Ansuchen der Böttcher diverse "frembde" auf der Ober=Warnow befindliche Biertonnen confiscirt. Dieser Beschluß wurde drei Jahre später, am 9. April 1613, erneuert und im Jahre 1618 ein großer Feldzug gegen "alle frembde tunnen, so zu Warnemünde in heusern, buden und schuten vorhanden sein" eröffnet. Der uns über die Ausführung des Auftrages erhaltene Bericht des Vogtes Peter Lange zu Warnemünde giebt an, daß bei dieser Gelegenheit 57 Last und 3 Tonnen, d. h. 687 Tonnen, weggenommen wurden. Davon gehörten 133 Tonnen dem Schiffer Peter Witte aus Lübeck, 144 einem Brauer in Rostock, die anderen zwei Schiffern in Rostock. Alle solche Maßregeln verhinderten nicht, daß immer wieder von Neuem auswärts gemachte Tonnen in Rostock Eingang fanden.

Im Mai des Jahres 1632 brachten die Aelterleute des Böttcheramts beim Gewett zur Anzeige, daß aus dem Keller eines gewissen Hans Behrens Bier in lübeckischen Tonnen ausgeführt sei. Man könnte die Tonnen noch in der im Hafen vor Anker liegenden Schute sehen. Im November desselben Jahres aber verklagten sie wieder einen Schiffer, der Tonnen aus Wismar mitgebracht hatte und sich damit auszureden suchte, daß er sie als Ballast ins Schiff genommen und in Rostock den Böttchern zum Kaufe angeboten hätte, die sie aber nicht gewollt hätten. Wie die Obrigkeit sich in diesen Fällen stellte und ob sie wirklich den Import gemäß der alten Polizei=Ordnung bestrafte, wissen wir nicht. Erst gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts hören wir von einem Kaufmanne Reinhold Zander, der dafür, daß er in Lübeck Tonnen eingekauft und nach Rostock gebracht hatte, mit drei Thalern bestraft wurde. 1 ) Die Tonnen erlaubte man ihm zu behalten und zu gebrauchen.

Wie es nach diesen Mittheilungen den Anschein hat, verfuhr der Rath mit den Böttchern nach Gutdünken mit einer gewissen Willkür. Hatten die Brauer und Kaufleute starken Bedarf an Tonnen, so gestattete man trotz der Einsprache der Böttcher, die in solchem Falle viel zu verdienen hofften, die Zufuhr von auswärts. In anderen Jahren aber ging man auf die Klagen der Handwerker ein und berücksichtigte ihre berechtigten Beschwerden. Von einer festen Verfolgung des ursprünglichen Schutzgedankens hatte man sich allmählig entfernt. Schlimmer aber als dieses Vorgehen - und von unserem heutigen Standpunkte aus ganz unverständlich - war, daß der Rostocker Rath im Jahre 1652 ein Verbot der Ausfuhr von Tonnen erließ. Der hierüber zwischen den Böttchern, dem Rathe und dem


1) 1687, October 13.
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Herzog Adolph Friedrich von Meklenburg=Schwerin, an den sich die ersteren hülfesuchend gewandt hatten, vom 16. Juli 1652 bis 9. October 1653 vor sich gegangene Schriftenwechsel läßt folgende Zustände erkennen.

Die Brauerei war zu jener Zeit, vielleicht durch den 30 jährigen Krieg mitgenommen, speciell durch ein dänisches Biereinfuhrverbot arg getroffen, tief gesunken. Wohl bestanden noch 249 Brauhäuser, aber nur 25 waren regelmäßig "im Gebrauche des Biers", und selbst diese thätigen Brauer führten den kleinsten Theil ihres Erzeugnisses aus, waren vielmehr froh, im Ausschank "bey Kannen vnd Stübichen" ihren Absatz am Orte zu finden. Daraus folgte für die Böttcherei eine sehr gedrückte Lage, der die Handwerker in vermuthlich übertreibender Weise wiederholt kräftigen Ausdruck verliehen. In normalen Verhältnissen, wenn von den 249 Brauberechtigten auch nur 200 brauten, hatten sie alle Hände voll zu thun. Denn für jedes Gebräu wurden 4 Last Tonnen gebraucht; jetzt aber wurde dieselbe Tonne 3, 4, auch 5 Mal benutzt. Dazu sank bei mangelnder Nachfrage der Preis auf 3 bis 4 Gulden pro Last. Unter diesen Umständen konnten die Böttcher nichts verdienen - einige von ihnen hatten sich bereits als Hirten aufs Land hinaus verdungen, um nicht Hungers zu sterben - und versuchten vernünftiger Weise einen Absatz ins Innere des Landes nach anderen meklenburgischen Städten zu organisiren. Insbesondere legten sie sich auf die Fabrikation von Fässern zur Aufnahme von Mumme und sandten sie nach Wismar, wo man sie mit 6, 7, auch 8 Gulden pro Last bezahlte. Theils vermittelten Schiffer diesen Verkehr, theils waren sie direct im Auftrag Wismarscher Kaufleute und Brauer thätig.

Hätte man nun eigentlich in Rostock hiermit nur zufrieden sein können, denn die Allgemeinheit zog von einem blühenden Gewerbe immer Vortheil, so wußten doch die sich beeinträchtigt fühlenden Brauer beim Rathe ein Verbot der Ausfuhr von Tonnen durchzusetzen. Die Brauer behaupteten, daß für sie bei solcher Sachlage nicht genug Tonnen vorhanden wären, daß aller verfügbare Holzvorrath aufgebraucht werden würde und sie dann zu hohe Preise für das Fabrikat zahlen müßten. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, daß auf diese Weise fremdes Bier in Rostocker Band (d. h. Tonnen) geriethe und dadurch der Ruf des Rostocker Bieres zu Schaden käme. Die Wahrheit war, daß man Wismar, wo die Bereitung von Mumme einen erfreulichen Aufschwung genommen hatte und von wo insbesondere nach Kopenhagen eine schwungvolle Ausfuhr stattfand, beneidete und, indem man dieser Stadt den Export erschwerte, die Dänen zwingen wollte, wieder auf das Rostocker Bier zurückzugreifen.

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Die Böttcher waren unglücklich; sie beschworen den Rath, das Ausfuhrverbot zurückzunehmen und wandten sich, als sie nicht einmal eine Antwort erhielten, an den Herzog Adolph Friedrich. Vermittelnd schlug dieser vor, den Böttchern die Ausfuhr zu gestatten, wenn 100 Last Tonnen in Vorrath wären, wovon der Rath sich durch Abgesandte jeweilig überzeugen sollte. Dann könnten die einheimischen Brauer nicht leicht in Verlegenheit gerathen und alles, was sie über 100 Last Tonnen erzeugten, würde auswärts vortheilhaft zu Gunsten der Böttcher Absatz finden. Es war vergeblich. Das Einzige, wozu sich der Rath am 27. Juli 1653 schließlich verstand, war, den Böttchern die Ausfuhr von 40 Last Tonnen zu gestatten, auch dieses nur ein Mal - "diese vergönstigung nicht in consequentz ziehen sollen" - und erst nachdem 8 Tage vorher sie den Brauern zum Ankauf angeboten waren.

Wir wissen leider nicht den officiellen Schluß der Uneinigkeit. Augenscheinlich ist es beim Ausfuhrverbot geblieben. Wenigstens hebt ein Gesuch der Böttcher an den Rath von 1687, sie mit städtischen Oneribus und Contributionen so lange zu verschonen, bis es ihnen ein wenig besser gehe, unter den Ursachen ihrer Armuth den Umstand hervor, daß sie in die Fremde keine Tonnen ausführen dürften. Es ist kein freundliches Bild, das sich auf diese Weise von den damaligen Zuständen offenbart. Eine gewisse Interessenpolitik ist unverkennbar, und Herzog Adolph Friedrich dürfte Recht gehabt haben, wenn er in einem Rescript zu Anfang des Jahres 1653 1 ) an den Rath diesem vorhält, "es entstehen fast viele unordnungen und Misstrawen daher, daß der Rath gutentheilss mit Brawern besetzt und wan andere Zunffte und Aempter etwas anzutrawen haben, so wider die Brawer und deroselben Vorteil lauffen möchte, sie eben dieselbe, die in effectu ihr contrepart sein, zu Richtern im Rhat haben müssen." Er meinte daher, daß wenn Bürgermeister und Rathsherren das Brauwerk betrieben, sie sich in dergleichen Fällen des Votirens enthalten sollten.

Im 18. Jahrhundert ist von Ausfuhrverboten nicht mehr die Rede. Wahrscheinlich legten die Brauer und Kaufleute in dem Maße, als die Brauerei mehr und mehr einschrumpfte und der Handel sich verringerte, selbst kein Gewicht darauf. Dafür aber waren es jetzt die Böttcher, die unter Berufung auf die Polizei=Ordnung von 1576 sich jede Concurrenz fern zu halten suchten und verschiedene Male sich beim Gewett über die nach ihrer Ansicht widerrechtliche Einfuhr auswärts hergestellter Tonnen beschwerten. Nicht immer fanden ihre


1) Siehe den Abdruck weiter unten.
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Klagen hier geneigtes Gehör. Eine 1736 gegen den Kammerjunker von der Lühe angestrengte Klage wegen der Einfuhr neuer Tonnen wurde zwar dahin beschieden, daß dieser sich in Zukunft des Imports enthalten sollte. Aber bei einem 1762 mit der Kaufmannscompagnie begonnenen Streit, der zu einem mehrjährigen Proceß führte, zogen sie den Kürzeren. Die Böttcher hatten sich in diesem Falle zur Selbsthülfe verleiten lassen, von den Kaufleuten eingeführte leere Tonnen an sich genommen und verweigerten ihre Herausgabe. Daraufhin veranlaßte dann ein von der Leipziger Juristenfacultät erbetenes Gutachten den Rath, die Angelegenheit zu Ungunsten der Böttcher zu entscheiden. Er verurtheilte die Ruhestörer zur Herausgabe der Tonnen, zur Bezahlung aller aufgelaufenen Unkosten und untersagte ihnen "alle ferneren tarbationen bey zwanzig Thaler Strafe." Wie es scheint, beruhigten sich die Handwerker bei diesem Urtheil nicht und wenn ein aus dem Jahre 1773 herrührendes Schriftstück, in dem der Rath für die Kaufleute und Böttcher einen "Termin zum Versuch der Güte" anberaumt, sich auf diesen Vorfall bezieht, was bei der Lückenhaftigkeit der Acten nicht mit Sicherheit festzustellen ist, so hatte sich ein langjähriger Proceß abgewickelt.

In einem anderen Falle nahm sich der Rath der bedrängten Böttcher besser an. Ein Schiffer Fredland hatte im Jahre 1780 von Stettin 96 leere Apfeltonnen eingeführt, die von Rostock wohlgefüllt die Reise nach Rußland antreten sollten. Auf die Beschwerde der Böttcher verurtheilte ihn das Gewett zu einer Zahlung von 2 Schillingen pro Tonne an die Böttcher "als eine Ergötzlichkeit statt des entzogenen Verdienstes" und untersagte ihm bei 25 Thaler Strafe in Zukunft die weitere Einfuhr. Auch nachdem der Beklagte appellirte, blieb der Rath in seinem Erkenntniß vom 9. Februar 1784 dabei, daß "in erster Instanz wohl gesprochen und übel appelliret worden."

Hatten die Böttcher in diesem Falle gesiegt, so war es bei dem Wechsel der Grundsätze, die ihnen gegenüber zur Anwendung kamen und da sie zur Wahrung ihrer Rechte auch zu Processen hatten schreiten müssen, erklärlich, daß sie eine neuerliche endgültige Regelung der Angelegenheit wünschten. Noch im Jahre 1795 hatte ihnen ein Schiffer Engelhard, der aus Helsingör leere Tonnen mitbrachte, in der Absicht, sie mit Branntwein gefüllt wieder mitzunehmen, Verdrießlichkeiten und Schreibereien verursacht, und ehe der Proceß entschieden, war der Schiffer wieder weggegangen. So unterbreiteten sie denn am 9. December 1795 dem Rathe ein Gesuch, öffentlich bekannt machen zu lassen, "dass sich Niemand, wer er auch sey, und unter keinem Vorgeben unterstehen solle, neue Tonnen oder

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sonstige Gefässe, deren Fertigung dem Amte der Böttcher zustehet, anhero zu bringen, unter dem unausbleiblichen Nachtheil der Confiscation und anderen scharffen Einsehens." Indeß lehnte der Rath dieses Ansinnen ab. Unter dem 13. Januar des nächsten Jahres ertheilte er den Bescheid, "dass die Einbringung der ledigen Tonnen und Gefässe von auswärts, um selbige gefüllt wieder mit sich zu nehmen, als eine Beeinträchtigung ihrer Amtsbefugnisse, wobey man belobtes Amt sonst gerne zu schützen geneigt sey, füglich nicht möge geachtet werden, mithin die Beschränkung dieser Freiheit durch Erlassung eines allgemeinen Verboths deren Ein - und Abführung billiges Bedenken finde."

Diese ablehnende Haltung des Rathes stand im Einklang mit der schon einige Jahrzehnte früher im Landtage gegen ähnliche schutzzöllnerische Tendenzen der herzoglichen Regierung zu Tage getretenen Opposition. Man hielt damals allgemein in Meklenburg an dem Grundsatze der Handelsfreiheit fest. Wenn auch im Laufe der Jahrhunderte das Handwerk hier und da Schutz erfahren hatte, im Ganzen überwogen in der städtischen Politik doch die Interessen des Handels.

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Anhang.

Herzog Adolph Friedrich zu Mecklenburg an Bürgermeister und Rhat der Stadt Rostock; 1653, Febr. 7.

Nach einer Abschrift in der Amtslade der Böttcher zu Rostock. 1 )

Von Gottes Gnaden Adolph Friedrich, Hertzog zu Meckelnburg u. s. w.

Unsern gnedigen gruess zuvor, Ersahme liebe getrewe, Wass auf Euren den 1 Septembris abgewichenen Jahrs eingegebenen Jegenbericht, Aelterleute und semptlicher Ampts - Brüder der Bötticher in Rostogk replicando sub dato Rostogk den 28 Octobris selbigen Jahrs wider eingewand, Solches habt ihr hierbey gnedig zu empfangen. Und alss wir dann auss allen hinc inde ergangenen Actis fast So viel ersehen, dass Ihr einem stand vor dem andern in etwas mehr gratificirt │: da man doch in allen wolbestaltem Regiment dahin alles


1) Unverändert, bis auf die Interpunction.
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absehen billig richten muss, dass dem einen Orden Zwar geholffen, Aber doch der ander nicht gahr unterdrücket werde :│ Maassen es wol scheinet, dass ihr hierin den Brawern, alss dem mehrentheil Eurer Rhatsfreunde, etwas beifelliger, alss den Armen Böttichern gewesen, So haben wir diese nachfolgende rechtmessige Verordnung gemacht, Dass so lang Hundert last Tüchtiger Tonnen beim Ampt der Bötticher Vorhanden │: welche dan zu besehen Ihr Zwey aussm Ampt der Bötticher Verordnen, und dass Sie in estimirunge des holtzes und der Arbeit auch der Tonnen unparteilich, weder ihren Amptsbrüdern zu lieb, noch den Brawern zu leide Verfahren sollen mit sonderbahren Special Eiden belegen möget : │, Ihr dem Bötticher - Ampt Unser Erbunterthenigen Statt Rostogk nicht Verweigern sollet, entweder Wissmarsche Mummenfesser, oder anderer Reich und Stette wie auch Rostogker Band zu verfertigen und selbige in quantitate Verschiffen, Verführen und Verkauffen zu lassen, Dahingegen dass Bötticher Ampt gehalten sein soll, bey noch Zur Zeit befindlichen biers abgangk Vorbesagte 100 last guter mit Wraker Marck gezeichneter Tonnen allezeit in Vorrhat zu haben und selbigen Vorrhat allewege Volzuhalten, auch von sölchen mit dem Wraker Marck approbirten Tonnen die last nicht teuerer alss Sechs gulden zu geben. Und weil wir in vielen sachen befinden, dass bei unser Erbunterthenigen Statt Rostogk Regiment fast Viele unordnungen und Misstrawen daher entstehen, dass der Rhat gutentheilss mit Brawern besetzt und wan andere Zunffte und Aempter etwas anzutrawen haben, so wider die Brawer und deroselben Vorteil lauffen möchte, Sie ebendieselbe, die in effectu ihr contrepart sein, zu Richtern im Rhat haben müssen, Alss wollen wir Euch Burgermeister und Rhatmänner Unser Erbunterthenigen Statt Rostogk, die ihr dass Brawwerk zugleich mittreibet, hiemit erinnert haben, daß bey solchen Vorfallenheiten Ihr von selbsten aufstehen und Euch allen Votirens in solcher Sachen enthalten sollet, Euch andern auch, die Ihr Euch keiner Brawerey gebrauchet, aufn fall Sie nicht von sich selbsten Euch entweichen wollen, Selbige aufzustehen und dieser Unser Rechtmessigen Verordnung sich gemeess zu verhalten, ernstlich zu vermahnen, hiemit gnedigen ernstes anbefohlen haben, Wornach Ihr Euch zu richten. Und sind Euch mit gnaden gewogen. Datum Schwerin den 7 Febr. a. 1653.

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III.

Aus dem Amtszeugebuche der Wismarschen Wollenweber.

Von

Dr. F. Techen zu Wismar.

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D as Wismarsche Rathsarchiv bewahrt bei den Acten des Wollenweberamtes zwei in grobes Pergament geheftete Bücher in kleinem Quart, deren eins aus achtzehn, das andere aus zwölf Lagen von meist drei Bogen besteht. Beide sind 1481 in Gebrauch genommen. Das stärkere ist bis auf wenige Seiten zumeist mit den im Anfange ausführlicheren, seit Michaelis 1489 eng zusammengezogenen vierteljährlichen Abrechnungen der Werkmeister, die bis 1582 Michaelis reichen, gefüllt. Das dünnere bietet zuerst Abrechnungen, wie sie in jenem seit 1489 Michaelis erscheinen, bis Johannis dieses Jahres reichend, sodann aber Aufzeichnungen über des Amtes Recht und Brauch, wichtigere im Amte vorgefallene Sachen, Inventare und Listen. Die letzte Einzeichnung stammt aus dem Jahre 1580, obwohl es an unbeschriebenem Papiere nicht gebrach. Im 16. Jahrhunderte wird es öfter des Amts tugebok genannt.

Aus diesem Buche sollen hier einige Stücke mitgetheilt werden, die in einer Sammlung der Amtsrollen nicht wohl einen Platz finden könnten, aber, weil sie einen selten vergönnten Einblick in das Leben und Denken der Handwerker gewähren, mich der Veröffentlichung nicht unwerth dünken.

Das Amt der Wollenweber, dem auch Nicolaus Jesup 1 ), der bekannte Führer der Handwerker gegen den Rath, angehörte, war im 15. und noch im 16. Jahrhunderte eins der bedeutendsten in Wismar.


1) Irrthümlich habe ich im Jahrb. 55, S. 62 Anm. behauptet, er käme in den erhaltenen Stadtbüchern nach 1430 nicht vor. Es begegnet ein Nicolaus Jesup im niederen Stadtbuche (Zeugebuch) p. 39 1446 und seine Wittwe Greteke ebend. p. 52 1451. Diese Schrift deutet wieder nach Poel, vergl. a. a. O., S. 30 Anm.
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Es zählte 1481 dreißig Selbstherren 1 ) (Meister), die vorwiegend an der Faulen Grube (früher Vogtsgrube, jetzt Wilhelmsstraße), in der Baustraße und den angrenzenden Theilen der Lübschen Straße ansässig waren. Dem Amte standen zwei auf seine Bitte vom Rathe auf Lebenszeit eingesetzte Werkmeister vor. Diese hatten die im Amte verfertigte Arbeit auf ihre Güte zu prüfen und je nach Befunde unter Beihülfe der jährlich vor Pfingsten erwählten Siegler zu siegeln. Ihnen unterstand die Walkmühle (jetzt Papiermühle), für die das Amt dem Rathe jährlich in vier Raten 80 Mark (seit 1538 Weihnachten 60 Mark) Heuer zahlte, dergestalt daß sie Walker und Fuhrleute annahmen und bezahlten und daß sie die nothwendigen Bauten anordneten. Alle Vierteljahre hielten sie Abrechnung, bis 1489 Ostern, wie es scheint, unter einander, 2 ) und zwar abwechselnd ein Jahr - von Johannis bis Ostern - im Hause des einen, das andere im Hause des andern 3 ), und sie scheinen auch den Betrag festgesetzt zu haben, der für das Walken des Lakens zu zahlen war. In den Amtsversammlungen führten sie den Vorsitz und hatten die Leitung. Um ihre Vorschläge zu besprechen trat das Amt ab und erklärte danach durch einen Wortführer seinen Entschluß. Die kirchlichen Lehen des Amts hatten sie außer der eigentlichen Wollenweber=Vicarei, zu der auf ihren Vorschlag das Amt den Vicar präsentirte, zu vergeben, eins im Wechsel mit dem Pfarrer von St. Jürgen.

Ihnen zur Seite stand ein Ausschuß von vier Meistern, die bald die Aeltesten 4 ), bald Vorsteher, bald Mühlenherren genannt werden. Sie scheinen auf Zeit gewählt zu sein 5 ) und über ihre Befugnisse ist


1) Sie verfertigten 1481 - 90 jährlich im Durchschnitte 2320, 1491 - 1500 2192 (neunjähriger Durchschnitt), 1501 - 10 1923 (neunjähriger Durchschnitt) Laken, dann schwankt nach jähem Absturz 1511 - 70 der zehnjährige Durchschnitt zwischen 1265 und 1108 Laken, um 1571 - 80 auf 919 zu sinken. Im Anfange des 17. Jahrhunderts heißt es hier nach einer Mittheilung Herrn Dr. Crulls schon "arm wie ein Wollenweber". - Die Größe des Wismarschen Lakens ist bisher nicht ermittelt und von andern Städten aus nicht zu erschließen, da die Ellenzahl an den verschiedenen Orten und vielleicht in den verschiedenen Zeiten sehr ungleich war.
2) 1488, Joh.: item, so hebbe ik Hinrik Peters myneme kumpan Reymer Ghartmanne rekenschop dan, dat ik uthe gheuen hadde u. s. w. Zeugebuch fol. 8 v , vergl. Jahrb. 57, S. 215.
3) Seit 1546 Ostern ward mit kurzer Unterbrechung im Wollenweberkruge in der Papenstraße gerechnet.
4) Vergl Jahrb. 55, S. 55 Anm. und Jahrb. 57, S. 205, 206, 207 f., 212 u. s. w.
5) 1481 Weihn. item ok hebbe wy (die Werkmeister) ghebort V 1/2 mark vnde II. ß. van den ver vorstenderen, de des amptes ghelt hadden, Tytke Stormer Clawes Ryke Rikehoff vnde Marquart Rike Zb. fol. 4 v . - 1486 Weihn. item bebbe wy (die Werkmeister) vnfanghen (  ...  )
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wenig bekannt. Der letzte Name deutet auf Beziehungen zur Walkmühle, wie sie auch im 16. Jahrhunderte im Verein mit den Werkmeistern Walker angenommen und abgesetzt haben. Wir werden in ihnen wohl die eigentlichen Vorsteher der Wollenweberbrüderschaft, in die auch andere als Wollenweber aufgenommen wurden, zu erblicken haben. Sicher haben sie eine Kasse verwaltet, aus der Gelder an die Werkmeister für Zwecke des Amts gegeben wurden. Ob sie auch bei der Annahme von Lehrjungen und der Aufnahme neuer Selbstherren hervorragend mitgewirkt haben? Bezeugt ist, daß sie zusammen mit den Werkmeistern in Gesellensachen zuständig waren und insbesondere mit jenen die Buße auszusprechen hatten, wo die Strafgewalt der Gesellenschaft nicht ausreichte, während allerdings bei wichtigen Sachen das Amt berufen werden mußte. Mit ihnen pflegten die Werkmeister sich ins Einvernehmen zu setzen, bevor sie ihre Vorschläge an das Amt brachten. Einer der vier war der Worthalter des Amts.

1489 Johannis erlangte das Amt außerdem zwei Beisitzer, die die Vierteljahresrechnung der Werkmeister entgegennehmen sollten. Von diesen sollte, wie es bei den Rathsämtern üblich war, jährlich einer zurücktreten, der bleibende aufrücken und ein neuer eintreten. In der That aber blieben der Regel nach die einmal erwählten Beisitzer in ihrem Amte, bis sie zu Werkmeistern berufen wurden oder starben. Häufig scheinen übrigens die Beisitzer zugleich auch Mühlenherren oder Aelterleute gewesen zu sein. Hatte das Amt zeitweilig nur Einen Werkmeister, so begegnen wohl drei Beisitzer, oder es wurden sonst noch ein oder zwei Meister zur Rechnungsablage zugezogen. Nicht ersichtlich ist der Grund, weshalb dasselbe 1531 Johannis bis 1533 Weihnachten geschehen sein mag.

Der Ort, wo das Amt sich zu den Morgensprachen und andern wichtigen Verhandlungen vereinigte, war seine Kapelle in S. Jürgens=Kirche auf der Südseite neben dem Thurme. 1448 hatte das Amt sie käuflich erworben (S. P. M. S. 2049) und wohl selbst ausschmücken lassen. Erneuert sehen wir noch jetzt an der Thurmwand Maria mit dem Christkinde zwischen den Heiligen Barbara und Dorothea. Die Flächen der breiten Pfeiler am Eingange aber bedeckt ein weitverzweigtes, von zwei Männern mit gewöhnlichen Zügen getragenes Rankenwerk, das links vom Eintretenden durch Bischof Sever, den Schutzheiligen des Amtes, mit dem Wollbogen, rechts durch Christophorus abgeschlossen wird. 1492 veranstalteten die Werkmeister zu ihrem Altare eine


(  ...  ) van Glawe[s] Ryke, Clawes Damelow, Hans Bolte vnde Tytke Brun VII marck myn I ß., de des amptes ghelt hadden. Zb. fol. 7 r . Vergl. den unten folgenden Bericht S. 42, Zeile 22 f.
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neue Tafel 1 ), worauf die Passion des St. Sever gemalt ward; sie ist verloren, ebenso wie das Gestühl 2 ), das man 1482 beschaffte. Dagegen hat sich ein vom Amte unter den Werkmeistern Jürgen (Georg) Peters und Jochim Gammelkern (das bedeuten die Buchstaben G. P., J. G. K.) 1581 gestifteter Arm erhalten, ist aber jetzt hinter dem Chore befestigt. 3 ) Alle Sonn= und Festtage war der Vicar des Amts verpflichtet, dort eine Messe zu halten, und jeden Mittwoch ward eine Messe zu Ehren der heiligen Jungfrau gesungen. Daß damit der in dieser Kapelle regelmäßig gefeierte Gottesdienst sich nicht erschöpfte, ist zwar sicher, doch ist Genaueres nicht bekannt 4 ) Von der kirchlichen Feier des Festes des heiligen Sever wird nachher zu reden sein. Den ausgiebigen durch Reimar Gartman in Rom von sechs Kardinälen erlangten Ablaß kennen wir leider nur durch eine dürftige Nachricht. 5 ) In der schönen Kapelle Marien zur Weiden auf dem Marienkirchhofe unterhielt das Amt nach mehrfachen Zeugnissen in seinem Rechnungsbuche jedesfalls ein Licht.

Mit jeder Rechnungsablage verband sich ein Schmaus, hauptsächlich für die Werkmeister und diejenigen, mit denen sie abrechneten; für die Amtsbrüder waren nur die Reste, und diese setzten 1489 eine


1) item leten desse suluen werkmester maken I tafele in er kappelle in der norder siide, dar geuen se vor XXXVI mark vnde deden em wedder de olden tafele vnde den olden vot. item geuen se em noch IIII rynsche gulden vor sunte Seruers! passenal to malende bauen de vordingynge. dat was to sammende XLII mark. item dyt gelt nemen se nicht vvt des amptes lade, men se sammelden dat vt dem ampte, de dar wat to geuen wolde myt willen. Ok hadden se welke ander hulpe, dat dar to geuen was etc. XCII iar. Zb. fol. 15 v .
2) 1481 Weihn. item I ß. Thomas vnde Beckere gadesghelde den kunto[r] makeren. Rechnungsbuch fol. 2 v . 1482 Mich. item Dickmanne (er war Fuhrmann) II ß. brede tho voren tho den docken in [der] kappellen. ebd. fol. 4 r . Möglicher Weise stammt die Docke in St. Jürgen (Stuhl Nr. 63, Ostseite) mit dem Wollenweberwappen - über rechts gelehntem unten geschweiftem Schilde mit Wollbogen zwischen 3 Karden ? ein Helm, dessen Zimir zwei gekreuzte Wollbogen zwischen 3 Lilienstäben ausmachen - hierher.
3) Er kostete dem Amte 10 M. 8 ß. und war vor dem Altare der Gesellen angebracht. Rechnungsbuch fol. 193 r . 1492 stand im Hause Reimar Gartmans eine jährliche Rente von 2 1/2M. für Lichte "vp dem bekken vor dem altar", Zb. fol. 10 r . Hierauf wird die Notiz in der Uebersicht der geistlichen Lehen zu St. Jürgen gehen: candelabrum in cap. lan. 50 M. Reimar Gartman . . . 1489 visit. Marie. 1504 Viti ward für 100 M. eine Rente zu Lichten im Hause des Werkmeisters Hans Iserberner gekauft.
4) Die Messe vom Leiden Christi, deren Patrone die Wollenweber waren, scheint am Frühmessenaltar mitten in der Kirche gesungen zu sein.
5) I bref . . to dem aflate in der kappelle, alle verdendel iars alse VI c yar affelates dat Reymer Gartman vorworven hadde to Rome van darüber steht was) VI kardenale. Zb. fol. 9 r .
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starke Einschränkung durch. Größere Festlichkeiten fielen am Tage des heiligen Sever, zu Fastnacht und Pfingsten vor. Der Schwerpunkt des ersten Festes lag, nach Ausweis eines Protokolls im Zeugebuche, in der Kirche 1 ); vom andern wissen wir nur, daß das Amt regelmäßig vorher zusammenkam, um zu berathen, wie man es mit Fastnacht halten wollte, über das dritte gibt ein, sagen wir Denkzettel von 1492, im Zeugebuche fol. 21 einige Auskunft:

Item des pynxste dages, wen dar in dem gilde sint vrowen vnde man, so plegen de werkmester af to seggende, dat sik ieder man war vor broke.

Item in dat erste, we olt hat myt dem anderen heft, de schal dat nicht reppen, it sy vrowe edder man; de dat deyt, wer[t] dar hadder af, dat schal de dat reppet heft wedden myt I tunt bers. Item dat ander. Dar schal numment nene poke edder ander wer in den gylde dregen by I tunt bers. Item dat III stukke. Dar schal numment dem anderen to drinken mer wen he mach by I tunt bers. Item schal hiir numment nene geste in dessen gilde bringen, he hebbe orlof van den schafferen.

Item queme dar wol, dede werf hadde to eme, deme mach me wol ens schenken; men let he ene sitte[n] gan, so schal he var em betalen vor I dach.

Item ok schal numment nene beruchte personen hiir inbringen by enre tunnt bers.

Item ok schal malk den sinen sturen, dat dem werde nen vngevoch sche in sime krude oft in sime glasewerke oft glese oft in anderen kannen edder wat dat were by I tunnt bers.

Item vortmer bede wy, dat gy sin horsam vnsen schafferen, it sy noch vrowe edder man, by enre tunnt bers.

Item dar mede maket iw guden hagen, vnde wat hiir na mal mer to seggend[e] wert, dat werdet iwe schaffer wol seggende.


1) Item sunte Seuerys fest kostet in dat erste dem kappelane I ß., dat he dar af preddeke sin passenal. Item noch I ß. den klokken - luderen, II  to lychten. Item XX presteren vnde de koster mede gerekent, XX personen X ß. vnde IIII  des auendes tor vilge. Item ok so vele des anderen dages tor selemisse: X ß. vnde IIII  . Item dem groten koster IIII ß. Item dem scholemester IIII ß., dat he de missen singen let myt den scholren. Item noch II ß. vor 1/2 punt wassen! myt dem makelone. Item VI  der selemanreschen, VI  vor brot vnde II kanne bers, II wytte dem kerkheren. Summa II mark vnde II 1/2 ß. Item noch I tunt bers in der Hege, de kostede vryg XXIII ß. XCII iar. Summa III 1/2 mark vnde XVIII  , item noch IIII ß. dem orgelistken. Item noch IIII ß. dem kerkheren: IIII mark vnde XVIII  . Zb. fol. 16 r .
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1491 ward dies Fest in des Werkmeisters Hause gefeiert, und geräumig genug wird bei den Wollenwebern Haus und Hofplatz 1 ) gewesen sein. 1480 besaß das Amt übrigens ein Haus in der Lübschen Straße auf der Nordseite zwischen der Faulen Grube und der Neustadt, das, nachdem viel Geld darin verbaut war, 1482 verkauft ward 2 ); und ob der Krug in der Hege, der in den achtziger Jahren desselben Säculums mehrfach erwähnt wird, nicht vielleicht auch zu den Amtsfestlichkeiten benutzt ist, läßt sich nicht sagen. Im folgenden Jahrhunderte hatte das Amt seinen Krug erst in der Lübschen Straße (1543), dann sicher seit 1546, wie vorher schon erwähnt ist, in der Papenstraße.

Daß die Gesellen (Knappen, Knechte) Pfingsten bis 1489 zusammen mit den Selbstherren feierten, ist bezeugt. Sonst wissen wir wenig von ihnen. Auch sie hatten ihren Verband, an dessen Spitze die mesterknapen standen, die die Gesellschaft zu berufen und ihr Anliegen beim Amte anzubringen und zu vertreten hatten. Das eigene Strafrecht der Gesellenschaft scheint bis zu 1 ß. Buße sich erstreckt zu haben. Der Altar der Gesellen befand sich an der Südseite von St. Jürgens=Kirche, aber nicht in oder neben der Kapelle des Amtes.


Unzufriedenheit herrschte gegen das Ende der achtziger Jahre des funfzehnten Jahrhunderts im Amte gegen die Werkmeister, deren Rechnungen man beargwöhnte und über die man sich beklagte, weil der Satz des Walkgeldes immer höher, die Kosten der Rechnungsablage immer größer und der Antheil des Amts an den Rechnungskösten immer geringer ward. Mißgestimmt war man daneben, weil die Gesellen manchem feiner empfindenden Meister die Pfingstfreude durch unanständiges Betragen verderbten. Beides löste ein Vorfall aus, der an sich unbedeutender als unbebeutend war. Zwei Gesellen beschuldigen einen Kumpan, er habe Bier übergeschüttet. Das ist verpönt, aber sie können ihre Behauptung micht erweisen: so werden sie selbst straffällig, und die Gesellenschaft verhängt über beide eine Strafe von 3 Schillingen. Sie weigern sich zu zahlen - doch wozu das im Einzelnen erzählen? Man lese den gleichzeitigen niederdeutschen Bericht. Es kommt zu einem allgemeinen Zwiste zwischen Meistern und Gesellen, und als diese zum Nachgeben sich genöthigt sehen, wollen jene, voran der Werkmeister Reimar Gartman, die Gelegenheit benutzen, die Gesellen von ihrer Pfingstfeier auszuschließen. Da die


1) Dat dem werde nen vngevoch sche in sime krude! Vergl. Hansische Geschichtsbl. 18, Seite 68.
2) Zb. fol. 57 r .
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Gesellen dagegen sich sträuben, ändert Reimar Gartman seine Meinung und gibt sich dabei eine Blöße, die geschickt benutzt wird. Man weiß den Bürgermeistern die Nothwendigkeit einer besseren Rechnungsablage einleuchtend zu machen und erlangt die Einsetzung von Beisitzern. Der zweite, ältere Werkmeister tritt zurück und Reimar Gartman vollendet nach zwei Jahren seinen Sturz bei dem Versuche, die Beisitzer abzuschütteln.

Wer diesen Bericht, der im Zeugebuche fol. 23 r - 28 r füllt, verfaßt und geschrieben hat, ist unbekannt. Man vermuthet natürlich des Amtes Vicar, Herr Hinrik Hurße. Doch bleibt die Sache aus dem Grunde äußerst zweifelhaft, weil offenbar gleichzeitig zwei Hände in des Amtes Büchern damals thätig waren.

Durch einige Anmerkungen bemühe ich mich, Einzelnheiten zu erklären und das Verständniß zu erleichtern. Die übrigen Stücke, weit unbedeutender dem Inhalte nach, erheischen keine weiteren einleitenden Bemerkungen. Ich bemerke schließlich, daß ich nur Ein den hier gebotenen gleichartiges Protokoll zurückhalte, einmal weil es gar zu langweilig abgefaßt ist, dann aber, weil das Wesentliche daraus bei einer Zusammenstellung der Amtsrollen und Statuten seinen Platz finden muß. Zwei Stücke sind endlich in den Anmerkungen S. 45 verarbeitet.

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Die Zerwürfnisse des Jahres 1489.

fol. 23.

Item. En(en) ghes[c]hechte dat schach in den iaren vnses [heren] MCCCCLXXXIX. Do weren de wullenweuer twedrachtich. Dat quam tho van knapen, sunderghen van den mesterknapen. Also weren dar II knapen de wolden tughen, dat dar en knape wesen hadde, de dar hadde enen pot bers 5
gheghaten. Dat konden se nicht vullenbringhen. Do mosten se darvor boten. So worden dar IIII vmme ue tghesant. De makeden, dat se scholden gheuen III ß. Dat wolden se nicht don, se wolden bliuen by des amptes ghesette. Dat ampt hadde ghesettet, dat de knapen nicht richten scholden hogher wen 10
I ß. eneme iewelken, dede gote I p oe t bers vnvorwa[re]ndes vnde ock dede spigede, wen dar nen tunnenber 1 ) wer. Weret dat

1) tunnenber. In Wismar hatte man Mumme, Bier, Tafelbier, Convent. Tonnenbier ist im 17. Jahrhundert hier gleichbedeutend mit Bier. Ich verstehe den Satz übrigens nicht. Eine rasche Durchsicht der Rollen verwandter Städte gab nur folgende vergleichbare Stellen: Riemenschneider in Lüneburg 1411, Pantoffelmacher ebd. 1525, Tischler ebd. 1609 (Bodemann, (  ...  )
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dar hogher brake ville, dat scholden de mesterknapen soken vor den warckmesteren vnde vor den oldesten in deme ampte, de scholden dat vinden also, dat it reddeliken thoghinghe.
Do dyt schach, dat se de III ß. nicht ue tgheuen wolden, do vordrunken de mesterknapen der beyden knapen hoyken 1 )
5
vor VI ß. Do ghinghen │ de mester der beyden knapen tho 23 v
vnde klagheden dat den werckmesteren vnde den oldesten in deme ampte. Do worden de mesterknapen vorbadet, vnde de werckmester vnde de molenheren makeden, dat de twe knapen scholden ue tlegghen de III ß., de em de IIII knapen hadden 10
thodeghedinghet. Dat wolden de mesterknapen nicht don. 2 )
Do quam dat ampt dar vmme thohope vnde worden des ens, dat de mesterknapen nicht arbeyden scholden so langhe, wente se wedder horsam weren den werckmesteren, den molenheren vnde deme gansen ampte. Done ghinghen de mester-
15
knapen tho vnde vorbadeden thohope de gantsen selschop vnde vorbunden dat vnder sick thohope ieghen dat ampt, dat dar numment scholde arbeyden in deme ampte, men scholden tho ber ghan myt den mesterknapen. Dat warde man I dach, do hadde de hupe nen ghelt mer vnde de mester wolden en nicht 15
don. 3 ) Do ghinghen de knapen wedder tho arbeyde, vnde de mesterknapen de ghinghen noch leddich. So sunnen 4 ) se gnade.
Do quam dat ampt darvmme thohope. Er dat ampt darvmme sprack, do nam Gartman 5 ) │ de oldesten des amptes in de
24 r
cappelle vnde gaf em dat vor, dat se de knapen nicht wolden 25
manck sick hebben in deme pinxsten. Des worden de IIII oldesten des amptes ens. Dar vochaftich 6 ) dat ampt in de

11 de: ursprünglich den.


(  ...  ) Zunfturkunden, S. 183, 171, 246), Schwertfeger in den wendischen Städten 1555 (Rüdiger, Handwerksgesellendocumente, S. 60). Vergl. unten S. 40, Zeile 31 f. und Jahrb. 57, S. 236.
1) hoike=Mantel.
2) Sie hatten nach der Weigerung der Gesellen die Buße verdoppelt und den Mantel als Pfand genommen. Nun waren sie es nicht mehr zufrieden, daß ihr erster Ausspruch bestätigt ward.
3) don ist noch jetzt im Sinne von leihen üblich. Häufig waren die Gesellen ihren Meistern verschuldet.
4) sinnen=begehren.
5) Werkmeister waren damals Hinrik Peters, sicher seit 1465 Nachfolger des Hans Hildebrant, und Reimer Gartman, dessen Vorgänger Hans Warendorp noch 1477 bezeugt ist.
6) vochaftich=wie es Fug war, wie es sich gehörte ? Oder soll man volchaftich lesen im Sinne von demgemäß? oder noghaftich?
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cappellen esket wart, do gaf Gartman deme ampte dyt vor, dat he vnde syn kumpen des ens weren myt den oldesten vnde wisede done dat ampt af, dat se darvmme spreken scholden. Do worden dat gantse ampt ens myt den warckmesteren. Do leten se de mesterknapen in de cappellen kamen vnde makeden 5
ene soninghe, vnde Gartman sede em dat af, dat de knapen scholden bliuen in ereme ghilde vnde de amptbroder wolden bliuen in ereme ghilde. Des weren de mesterknapen wol thovreden vnde seden, se wolden dat der selschop segghen des neghesten sondaghes darna. Des weren de mesterknapen ens 10
myt Gartmanne vnde myt syneme kumpen vnde myt deme gantzen ampte.
Item. Do wart dat vmmedreget 1 ) myt Grartmanne, dat syne eghenen knapen des sundaghes quemen myt den mesterknapen vnde beden wedder. Do ginck Gartman tho vnde sede
15
em dat wedder tho myt syneme kumpen, dat se scholden kamen wedder in der mester ghilde na also vor, synen willen scholden │ se hebben vnde sines kumpens vnde hee wolde em 24v
der oldesten 2 ) thoentbeden in eren kroch. Do wolden de oldesten dat nicht ghunnen sunder des amptes willen. 20
Do dat ampt wedder thohope quam, do spreken se alle, se wolden dat holden, also it afghespraken was, vnde ghinghen vt de[r] kappellen vnde leten dar Gartmanne vnde sinen kumpen thohope allene stan. Done ghinck Gartman tho vnde reysede 3 ) de mesterknapen dartho, dat se de oldesten scholden 25
vor den borghermesteren vorclaghen.
Done de oldesten dat vorvoren, dat se vor den bormesteren vorklaghet weren, do ghinghen de oldesten tho den bormesteren in er hus, getselick 4 ) by sick, vnde leten em de saken vorstan, wo Gartman hadde ghedan, wo hee de oldesten darby hadde
30
ghebracht vnde dat ampt so hadde bedraghen. Done de bormester thohope quemen, do makeden se, dat de knapen scholden gan in den pinxsten in der mester ghilde noch in deme iar,

11 syneme: Handschrift synene │ 29 vor dem er ist dat getilgt .


1) gedreht. Es liegt nahe, auf das üblichere vmmedreuen zu vermuthen; doch hat der Verfasser vielleicht dies Wort, das einen etwas anderen Sinn hat, mit Absicht vermieden.
2) Man kann willen vielleicht, ohne es in den Text aufnehmen zu müssen, ergänzen.
3) reysede=reizte, veranlaßte.
4) getselik=islik, jeder.
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vnde wen de pinxsten vorby wer, so scholden de oldesten wedderkamen vor de bormester myt deme ampte, so wolden se dat en segghen, wo it des anderen iares stan scholde. Do blef de sake stande.
Item. Myt den knapen des anderen iares │ XC iar. Do 25r
  5
quemen dat ampt thohope, done se de schaffer karen, vnde worden des ens, dat se de knapen wolden van sick hebben. Dat quam sus tho. Hans Yserberner was done Gartmans kumpen worden. 1 ) Deme was dyt mede, dat wusten de ampt - broder wol, dat de knapen van en bliuen scholden in deme 10
pinxsten. Do spreken de warckmester tho deme ampte, wer 2 ) se den ghilde ock holden wolden, also dat oldinghes wesen hadde, dar scholden se vmme spreken. Do vraghede Clawes Rike, de helt des amptes wort, wer den werckmesteren dar ock wat anders ane schade. 3 ) Do sede Gartman: nen, se wusten nicht 15
sunderghes. Dat [was] en teken, dat Gartman echter wolde schiuelen. Do sprack dai ampt darvmme. Do weren dar welke in deme ampte, de ock schiuelden. Do sprack Clawes Rike: Gy 4 ) weten wol, wo de sake myt den knapen stande blef. Wy willen myt den werckmesteren spreken vmme de 20
sake van den knapen, Do sprack Clawes Rike tho den werckmesteren: Gy weten wol, wo it stande blef myt den knapen, dat vns de bormester wolden afsegghen, wo it iarlinck stan scholde myt den knapen. So wil dat ampt, dat de knapen scholen │ van vns bliuen, edder se willen den ghilde dalelegghen. 25v
25
So begheren se van iw, wo iw darvmme is, war gy dat ock willen holden myt deme ampte, efte wat iw got dunket, nademe dat gy sunt vnse warckmester, vnde ghelt iw so vele alse vns vnde vns so uele alse iw, dat wy auer en kamen vnde vns nicht enttwegeren. So wil wy wol mede vortkamen. Wente 30
dar grote vele sunde kamen. Se gat van vns vnde spigen, dat vnschickkelick ys, vnde kamet wedder vor vns tho stande vnde drinket wedder an vnde don vele ander quat, dat daraf kumpt.

18 de: ursprünglich der. │ 28 so vele: Handschrift so wele. ( 29 alse: Handschrift asse. │ 33 don: Handschrift den.


1) Hinrik Peters erscheint 1489 Ostern zuletzt als Werkmeister, von Johannis des Jahres bis Ostern 1492 als Beisitzer. Der Bericht kommt nachher darauf zurück.
2) wer, war, wor=ob.
3) schade] schinde? hagede? Nach der Antwort und ihrer Auslegung muß das Wort den Sinn von gefiele gehabt haben.
4) Hier werden nur die Amtsbrüder angeredet.
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Do worden de werckmester des ens myt deme ampte myt endracht vnde seden dat den mesterknapen vnde de[n] schafferen, dat dat ampt des ens gheworden were[n), se scholden bliuen in ereme ghilde, vnde de mester wolden bliuen in ereme ghilde. 5
Des weren se nicht thovreden, men se scholden spreken myt den oldesten knapen vnde myt der gansen selschop. Des wart en ghegunt, men dat moste nicht schen. Tho den lesten beden [se], dat se mochten vor dat gantse ampt kamen. Dat wart en gheghunt. Done beden se noch, dat se mochten by 10
erer olden rechticheit bliuen. Do wart em ghevraghet, oft se dar ock schrift │ up hadden. Tho deme lesten beden se, dat 26 r
me se io so nicht van sick wisen scholde, me moste em io ene vruntschop don. Done sprack dat ampt darvmme myt den werckmesteren vnde worden des ens, dat se en II. tunne 15
bers wolden gheuen dyt iar, men nycht tho eneme pleghe alle iar; we tho deme anderen iar leuede, de mochte denne raden. Des weren de mesterknapen vnde de schaffer wol thovreden. Dar wart dat mede sleten tho eneme gantsen ende.
Jar LXXXIX. 1 ) Item. Do sick dyt vorlep, dat do de
5
oldesten des amptes vor de bormester quemen van desser sake weghen, also hir vorgheschreuen steit, do nemen se dat ghemene beste des amptes vor, dat langhe wraket 2 ) hadde in deme ampte, also dat de beyden warckmester nene rekenschop pleghen tho dunde deme ampte van al deme ghelde, dat se van deme ampt 25
upnemen, vnde vorhogheden dat upnement van iaren tho iaren. Se pleghen van deme lakene tho nemende X  , do wart it I ß. Do des paskens also dit schach, nemen se IIII witte van deme lakene. 3 ) Vnde ock makeden de warckmester de rekenschop alle verdendel │ [iares] swarer. Des sundaghes rekenden 26 v
30

14 vor myt ursprünglich dat. │ 23 vor des ursprünglich dat.


1) Die Erzählung von S. 39, Zeile 27 ff. wird wieder aufgenommen und nachgeholt, was dort übergangen ist.
2) wraken bisher, wie es scheint, in der hier erforderlichen intransitiven Bedeutung "ein Schade sein" nicht belegt.
3) Der Satz von 10  ist aus den Amtsbüchern nur für 1482 Johannis nachweisbar; sonst war von Ostern 1481 bis Weihnachten 1511 1 ß. das übliche; 4 witte 1481 Michaelis, 1489 Ostern; 18  1481 Johannis, 1486 Ostern, 1497 Ostern, Johannis, 1506 Ostern bis 1508 Weihnachten; 15  1496, 1498 Ostern, Johannis, 1499; später bildeten lange 15  und 18  die Regel, bis seit 1548 2 ß., 2 gr., 2 1/2 ß. der ständige Satz wurden und nur selten weniger gegeben ward.
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se myt deme ampte, so drunken se I tunne bers vnde so eten de oldesten myt den werkmesteren. Dat darauer lep, dat setteden de werckmester in er beholt, dar krech de mene hupe nicht af. Item so kakeden se des mandaghes wedder tho vnde hadden denne tho gaste de II welker, den vorman vnde den 5
timmerman vnde den smyt 1 ) den dach ue t. Wat darauer lep, dat brochten se in den kroch 2 ), braden vnde saden. Dat eten de menen amptbroder up. Dar gheuen se em tho I ß. vor ber. Item do worden se de bouerye an, de werckmester, vnde bohelden de spise tho hus vnde quemen des dinxstedaghes wedder 10
thohope vnde eten de koste up vnde enttoghen dat deme ampte. Dat deden ere vorvarden nicht. Al sulke vnkoste leden se up, de vnwanlick weren. Dat vordr oe t den oldesten vnde deme gantsen ampte, men se konden myt boschedenheit nicht bykamen. Sunder done dyt vorghescheghen schechte schach myt 15
den knapen, do klagheden de oldesten des amptes den bormesteren vnde beden darvmme, dat se em dar wolden ane bystendich wesen vmme des ghemenen bestes! willen des amptes. Dat was in deme iarmarkede 3 ) vnde warde │ III wekene na sunte Johannese, vnde deden dar grot arbeyt vmme - dat 237 r
20
louet numment - er se dat dahenne bringhen konden, dat it richteghen tho stande quam. Dat was Clawes Rike, Hans Yserberner, Hans Bolte vnde Clawes Domelow.
Item do brochten se it so verne myt der bormester willen, men it wart en sur noch, dat se kreghen I nigen werckmester
25
vnde hete Hans Yserberne[r] 4 ) vnde kreghen II by de rekenschop vnde scholden mede insegghen 5 ) laten, dat de koste ock schickeliken tho stande quemen. Do wart dat so ghemaket, dat de[s] mandaghes kost vnde des dinxstedaghes kost worden reyne afghelecht, vnde des sundaghes wen se rekenschop myt 32
deme ampte holden, de spise de darauer lopt, de van der

8 vor de ursprünglich dat. │ 15 vorghescheghen: vorgheschreuen ?


1) Der Fuhrmann hatte die Laken zur Walkmühle hinaus und Sonnabends hereinzufahren. Für Zimmermann und Schmied war dauernd Arbeit an der Mühle.
2) Damals in der Hege. Vergl. Jahrb. 55, S. 33, Anm. 1.
3) In der Woche vor Pfingsten, 1489, Mai 31. bis Juni 6.
4) Hans Iserberner war Werkmeister bis 1504, Michaelis.
5) inseggen=hineinsprechen. Jahrb. 55, S. 125, Z. 26 ist wider meinen Willen und trotz zweimaliger Correctur meinerseits innesecht getrennt; dort bedeutet es Einspruch erheben.
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warckmester tafelen, de settet me up de tafele up der dele 1 ) vnde let it den menen broderen upeten, vnde lont vort af den welkeren vnde deme vormanne. Des mandaghes kamen de bysitter dar wedder vnde tellen dat ghelt af, dat de r ae t hebben schal, XX mark, vnde alle vnghelt dat dar ghegheuen is 5
nemen de warckmester wedder des ver[d]endel iares vnde drinken nicht mer wen IIII kanne bers vnde gheuen den knapen ock I ß. in dat hus tho dranckghelde vnde gan │ in de 27 v
Heghe, de warckmester vnde de bisitter. Dar kamen [de] timmerlude vnde de smyt, den wart dar aflont, hebben se arbeydet. Dar wart kaket vor I ß. viske vnde wart anders nene vnkost tho dan, men IIII edder V  . tholaghe. Dar ys alle rekenschop mede tho ende.
Item dit st oe t so wol, dat it deme ampte wol haghede. Men Gartman dorch syne olde nuckke, do is sus st oe t hadde in
15
dat ander iar, do nam he dat wedder vor vnde wolde de bisitter wedder afhebben vnde dat sl oe t van der laden, dar de bisitter den slatel tho hadden, vnde ghinck vor de bormester vnde berde 2 ) vor deme ampte, alse gift 3 ) he afwolde van der werckmesterschop. Do he vor de bormester quam, do vorklaghede 20
he synen kumpen Hans Yserberner vnde sede den bormesteren, he hadde nene macht, dat sl oe t wer vor de laden ghekamen ane synen danck. Do sede Hans Yserberner wedder, dat dat were schen myt willen Gartmans vnde sines! willen vnde des gantsen amptes, vnde se hadden nicht myn macht, wen se tho 25
varen hadden; dar wer numment, de em enieghen weren in deme gantzen ampte. Item do villen de bormester wat by Gartmanne vnde spreken, dat scholde stan wente │ na deme 28 r
pinxsten - wente Gartman scholde den ghilde hebben in sin hus - wen de pinxsten vorby were, so scholden se wedder 30
vor en kamen de beyden warckmester, so wolden em de bormester segghen, wo it stan scholde.
Item do de pinxsten vorby was, do ghinck Gartman wedder vor de bormester vnde let nicht af van siner vorrederye (vnde let) vnde wolde noch afhebben dat sl oe t van der laden, edder
35
he wolde nen werckmester wesen. Do dat de oldesten in deme

14 it: Handschrift ick.


1) Die Diele, natürlich in des Werkmeisters Hause, in dem gerechnet ward.
2) berde=gebärdete sich.
3) gift=ob.
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ampte vornemen vnde syn kumpen, do ghinghen se ock vor de bormester vnde deden dar vele vmme des ghemenen besten willen des amptes vnde brochten dat so verne, dat Gartman afghesettet wart vnde Clawes Rike wedder tho wart ghesettet in syne stede. 1 ) Do krech dat gantse ampt vrede. Do weren 5
Hans Yserberner vnde Clawes Rike erlike vrame lude vnde helden dat, dat [dat] gantse ampt en danket, vnde dat sl oe t blef vor der lade, de II bysittere bleuen vnde setteden alle iar I af vnde enen wedder tho vnde reyerden 2 ) also erlike vrame lude. Biddet got vor de beyden vnde vor al de anderen, de 10
dartho hulpen, vor dat mene beste des amptes. Et sic est finis.

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Die Gewaltthätigkeiten Jaspar Gammelkerns des Jüngeren.

Nachdem der 1543 zu Fastnacht gefaßte Amtsbeschluß berichtet worden, daß Jaspar Gammelkern 3 ), weil er im Amtskruge in der Lübschen Straße den Wollenweber Jochim Frame 4 ) gluplings vnder 15
der tauelen willen ersteken hebben vnd blotwundede, nicht mehr bei den Zusammenkünften des Amts mit den übrigen zu Biere sitzen solle, heißt es im Zeugebuche fol. 37 r - 39 r weiter:
Item nochmal vann dem suluen Jasper Gammelkern ist ein vnwil geschen in dem kramerschuttinkg 5 ). Dar hefft hee
20
tho ber geseten, szo sint er twe van synen amptbrodern dar ock henneghan vnd hebben vor sick willen ock drincken, sint sitten gan in ein sundrich lach nomiliken! Jurgen Petersen 6 )

4 wart: Handschrift vart, davor wedder getilgt. │ 20 ein: andschrift : er.


1) Reimar Gartman begegnet 1491 Johannis zuletzt als Werkmeister.
2) reyerden=regierten.
3) Der ältere Jaspar Gammelkern ward 1499, der jüngere als Meisterssohn 1533 in das Amt aufgenommen. Der ältere war Beisitzer 1515 Johannis bis 1528 Ostern, Werkmeister 1528 Johannis bis 1536 Johannis.
4) Jochim Frame ist 1536 Meister geworden.
5) Nach diesem Schuttinge heißt die früher Riemenschneiderstraße genannte Gasse Schüttingstraße.
6) Jürgen Petersen, Meistersohn, Meister seit 1534, Beisitzer 1546 Michaelis und Weihnachten, 1547 Weihnachten, 1548 Michaelis 1553 Ostern bis 1558 Johannis, Werkmeister seit 1558 Michaelis, sicher bis 1582 Michaelis.
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vnd Pawl Prawst 1 ), hefft dusse Jasper Gammelkern sick by en genalt 2 ) vnd willen hebben se ock doth steken in dem schuttinge. Dusse sulueste vnwil is geschen darumme, dat Hans Ratke 3 ) Jasper Gammelkerne hedde gesecht, wat dat ampt in der kapellen boslaten hedden vnder sick thohope. 5
Darvth hefft sick bogeuen, dat dat ampt thohope geeschet offt vorbadet [wart] in der capellen vnd hebben disse beiden tho sick vorbaden [laten], nomeliken Jasper Gammelkerne vnd Hans Ratke. Hebben dat ampt Jasper Gammelkern gefraget, wol ehm dat gesecht hedde. Hefft Jasper Gammelkerne wedder 10
geantwardet: dat hefft my Hans Ratke gesecht. Dar hefft dusse Hans Ratke vp geantwordt: dat huchstu Gammelkern alls ein erloszer deff, alsze du bisst. Dar swech Jasper Gammelkern stil tho. Darvp hefft ein ampt den beiden van sick gewiset, dat se scholen van en beiden eynen man maken. 4 ) 15
Item noch heft de suluige Jasper Gammelkern syn vnnutte munth gebruket vp der frigen straten auer dem boscheden Marten Jurden 5 ) vnd syne kynder, hefft de wordt gesecht, de he edder de synen nummer kan warmaken. Szo is de suluige Jasper Gammelkern nha syneme husze gan vnd hefft gebaldert 20

1) Paul Prawst, Meistersohn, Meister seit 1534, Beisitzer 1558 Michaelis bis 1559 Ostern, Werkmeister 1559 Johannis bis 1563 Ostern.
2) nalen=nähern.
3) Hans Ratke wird wohl nicht der 1513, sondern der 1536 als Meistersohn ins Amt getretene sein, derselbe, der durch sein Geschwätz, daß die Ehefrau des Titke Wulf (Meister seit 1526, Beisitzer 1542 Michaelis und 1546 Weihnachten. Werkmeister 1547 Ostern bis 1558 Johannis) Dorothea seinem Vater "eyne kussenbuyr full gulden vnde dalere" zur Aufbewahrung gegeben hätte, Unfrieden in der Ehe veranlaßt und sie verläumderisch "eine monnekes hoer" gescholten hatte. Zeugebuch fol. 40. 1541.
4) eynen man maken, soll einer austreten?
5) Martin Jurden, Meister seit 1518, Beisitzer 1531 Johannis bis 1536 Michaelis, 1537 Ostern bis 1542 Johannis, 1542 Weihnachten bis 1546 Johannis, 1546 Weihnachten bis 1547 Michaelis 1548 Ostern und Johannis, Weihnachten bis 1552 Weihnachten. Im Zeugebuche ist fol. 35 v - 36r 1542, März, 1. (Mittwoch nach Invocavit), ein zwischen Jürgen Gornow (Meister seit 1533) und Martin Jörden, die beide, weil jener diesen einen Ehebrecher gescholten, das Amt hatten niederlegen müssen, unter sich und mit dem Amte vereinbarter Vertrag eingetragen, wonach Martin Jörden, wiewohl er nicht zugestehen will, "wo he vormals vor etliken amptbroderen einen wilckar schulde gedan hebben, szo he ieniges ebrokes schuldich ersporth wurde, sines ampts nicht werth wesen wulde", dieser Willkür wegen dem Amte 6 Tonnen Bier geben und derjenige, der künftig die Sache regen werde, in eine Strafe von 3 Tonnen Bier verfallen sein soll.
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vnd geflocket vnd hefft gedrowet tho barnen. 1 ) So is syn naber Laurens Gronewynkel 2 ) boangest geworden, wuste nicht, weme idt gelden scholde dat barnent vnd dat drowent, wer idt syneme husz scholde gelden, offt wer idt vp de walckmole scholde, gelden. Szo is auer Jasper Gammelkern noch thogegan vnd 5
hefft hupen stene thohope gesammelt vnd is vp synen ramen gestegen vnd hefft dussen synen naber Laurens Gronewinckel vp gelouen vthegeeschet. Szo heft disse Laurens Gronewinckel nicht doren 3 ) louen vnd hefft syne frowe vthgeschunt vnd hefft gesecht: hor to, wat will Jasper Gamelkern? Szo is se in 10
den hoff gegan. Szo is Jasper Gamelkern vp synem ramen stan (vnd) vnd hefft Gronewynckels syne frow gefraget: wor is iw werdt? lat ene hir in den hoff kamen, ick wil ehm wat seggen. Als nu Laurens Gronewynckel is in synen hoff getreden, hefft dusse Jasper Gammelkern van bauen heraff 15
gesmeten, wat he vth synem lyue smyten konde, dat Gronewynckel gade danckede, dat he wedder in syne hofdor qwam. Szo is Gronewynckel thogegan tho synen werckmestern 4 ) vnd hefft ehm dat geclaget, szo hebben de werckmestern! tho demsuluen Jasper Gammelkern twe bosetene borger gesant alse eyn 20
olderman der schomaker Hinrick Burmester vnd ein kleinsmyt Sander Wulff vnd hebben ehn gefragen laten, wat he mit dem barnen vnd ander vndogede mende? Szo hefft Gammelkern geantwardet, he wer van Marten Jordens wegen vth dem ampt gewiset, dat doch nicht war sy. Ock hefft Jasper Gammelkern 25
gesecht, dat vor ehme de poth ber vorauer gedan is in dem kroge. Noch hefft Jasper Gammelkern gesecht tho den twen bosetenen borgeren, he hefft noch nicht qwat gedan, men he dachte noch qwath tho donde. Duth synt de antworde, de he den beiden bose[te]nen borgern hefft gesecht, vnd scholdent den 30
werckmestern der wullenweuern wedder seggen.

5 thogegen in der Handschrift. │ 26 gedan ist ebensowohl möglich wie gegan, an das man leicht denkt.

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1) barnen=brennen.
2) Meister seit 1539, Beisitzer 1559 Michaelis bis 1561 Weihnachten.
3) doren=wagen.
4) Jochim Eggebrecht 1536 Michaelis bis 1546 Michaelis, im Amte seit 1512, Beisitzer 1530 Ostern bis 1536 Johannis. Clawes Heine 1536 Michaelis bis 1558 Weihnachten, im Amte seit 1517.
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Kleinere Stücke.

1567 Weihnachten muß der 1543 Meister gewordene Jochim Gammelkern, der, nachdem er schon 1559 Ostern der Rechnungsablage zugeordnet gewesen war, seit 1562 Ostern das Amt eines Beisitzers bekleidete, seinen Bruch zahlen, um Verzeihung bitten imd eine Ehrenerklärung ausstellen, weil er bei der Rechnungsablage die Aelterleute Jürgen Peters ) und Joachim Jeetze 2 ) Diebe gescholten hatte. Er blieb Beisitzer, bis er 1579 Johannis Aeltermann ward. Ob er späterhin, wie er es damals forderte, von jedem Pfenninge Rechnung abgelegt hat, wird nicht berichtet.

Zeugebuch fol. 42 v - 44 r .

1568 Johannis weigerte sich der jüngste Amtsbruder Clawes Rosendahl 3 ), altem Gebrauche gemäß dem versammelten Amte das Bier einzuschenken und redete von Niederlegen des Amts. Nachher erklärte er auf die Frage, ob er das Amt noch haben wollte oder nicht: neyn, were he neyn droch [h]4) 4 ), so wurde he noch woll eyn droch, so he dat lenger gebruchede, adjungirte sich einigen Landsknechten und ging mit ihnen vp de garde. Nicht lange so kam er zurück und begann sich mit seiner Frau durch Spinnen zu ernähren und erlangte endlich, nachdem Jochim Tidemann [h]5) 5 ) ihn durch Rückzahlung des halben Thalers Handgeld von seinem Hauptmanne frei gemacht hatte, nach wiederholter Fürbitte, namentlich in Rücksicht auf seine Frau, das Amt wieder. Die angebotene Strafe ward nicht angenommen, dagegen mußte er sich verpflichten, allen Amtsbrauch und Amtsgerechtigkeit nach alter, wohl hergebrachter Gewohnheit zu thun, widrigenfalls ihn das Amt ausstoßen wollte.

Zeugebuch fol. 44 r - 46 v .



) S. S. 44, Anm. 6.
2) Er hat sich, wenn er nicht der Sohn des 1519 ins Amt getretenen Tönnies Jesken war, 1540 ins Amt geheirathet, Beisitzer 1563 Michaelis bis 1565 Michaelis, Aeltermann 1565 Weihnachten bis 1578 Michaelis. Gehörte der Kirchenstuhl in St. Jürgen, dessen erhaltene Docke neben zwei gekreuzten Wollbogen die Buchstaben J. J. zeigt, ihm oder dem 1573 unter der Vergünstigung eines Meistersohnes ins Amt getretenen Johann Jetze?
3) Meister seit 1566.
4) Betrüger, Bankerottirer, Bettler.
5) Wohl ein Sohn des 1518 ins Amt eingetretenen Jochim Tydeman, selbst Meister seit 1556, Beisitzer 1565 Weihnachten, 1569 Johannis, 1570 Ostern, Weihnachten bis 1571 Michaelis 1572 Ostern, Johannis, Weihnachten bis 1574 Michaelis, dann seit 1575 Ostern gewiß bis 1582 Michaelis.
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1569 leistete Joachim Warneke 1 ), nachdem er "deß ampts vnnd der mollenherschup" entsetzt war, weil er im Kruge sechs Wollenweber "villers" (Schinder) gescholten hatte, dem Amte Genugthuung (affdracht) und verwillkürte für jeden Fall der Wiederholung solcher unnützer Worte sich in die Strafe von einer Tonne Bier, obwohl ihm nur eine halbe angedroht ward. Eine neue Verunwilligung mit dem Aeltermann Joachim Jeetße 2 ) ward vom Amte verglichen, und diesmal that der Aeltermann affdracht.

Zeugebuch fol. 46 v - 48 r .


Ein schlimmes Versehen kam 1572 bei Jürgen Wessel 3 ) vor, indem er ein Laken des Joachim Hardenacke 4 ), das seine Leute ihm anstatt seines eigenen von der Walkmühle geholt hatten, anschlug, ausnahm, bereitete (towen), versiegelte und nach Schwerin verkaufte. Als nun des Sonnabends der Fuhrmann ihm sein eigenes brachte, muß er wohl geglaubt haben, daß durch eine besondere Gnade seine Arbeit sich verdoppelt habe, denn er nahm es ruhig an und rührte sich nicht und hielt, da der Geschädigte Lärm schlug, es erst noch für nöthig, nach Schwerin zu gehn, um das Zeichen zu besehen. Da mußte er freilich seine "misshandelinge" zugeben und bekennen. Trotz "geluerns" und Bittens und des angebotenen Eides, "dat he solcks nicht mit weten vnd willen gedan hedde", ward er ausgestoßen. Erst durch viele Fürbitte anderer Bürger sindt de werckmester alse Jurgen Peterss 5 ) vnd Jochim Jetze 6 ) vororsakett mit den amptbroedern in de kapelle tho gande vnd darsuluest disse dath vor de handt genamen vnde also gentzlick vordragen dorch fromder luede vorbede, he scholde arbeiden vnd sin ampt bruken vnd vor solck dondt sick mer waren vnde scholde bliuen de he were, ein ampt begerde nicht van eme heller edder penninck 7 ), ia he scholde ock affgesneden sin dess ampts empter, alse dath he nicht scholde gekaren werden to einen segelhern, moelenhern edder werckmester, vnd so Jurgen Wessel worde mit vnstumicheit vthfarn iegen einem amptbroeder vnd de


1) Im Amte seit 1541, Beisitzer 1566 Ostern bis 1569 Ostern, 1569 Michaelis bis Weihnachten.
2) S. S. 47, Anm. 2.
3) scheint sich 1571 ins Amt geheirathet zu haben.
4) Meister seit 1564, scheint gleichfalls ins Amt geheirathet zu haben, Beisitzer 1580 Weihnachten bis zum Schlusse bes Rechnungsbuches.
5) S. S. 44, Anm. 6.
6) S. S. 47, Anm. 2.
7) Vergl. S. 47 unten.
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suluige eme solcks! eine dath vorlede, dar schal Jurgen mede thofreden sin, vnd de amtbroeder schal dar nicht vor geuen.

Zeugebuch 48 v - 50 r .

1579 mußte Jochim Wulf 1 ) auf Klage der Witwe des Aeltermanns Jochim Jetze 2 ), den er trunkener Weise einen Schelm gescholten hatte, eine Ehrenerklärung abgeben und dem Amte genugthun (affdracht don).

Zeugebuch fol. 50 v - 51 r .


Int iar 1580 den mandach vor fastelauendt hefft ein ampt tosamende gewesen in der kerken vnde van dem fastelauendt geredet, effte se wolden fastelauendt holden edder nicht, vnd ock dem welcker sinen fastelauendess ß. to geuen edder nicht. Na solck einem affgenamen beschede iss Hermen Koepke 3 ) vnser amptbroeder ein thogegan vnd den olderlueden geklagett ouer Jochim Tideman 4 ), wo he eme noch I laken tho doende schuldig were. De wile den Jochim Tideman wat drunken wass, hefft idt eme sere vordraten vnd iss do fort gegan tho em in den kroch ock angespraken vnd gedrowet to slande. Do iss eme Hermen entweken. Do iss Jochim Tideman togefarn vnd gesecht: ick wil noch II laken tho deme wagen vnd, so din frow ein touererske were, darinne bernen laten. Dar den Hermen Koepke vnd sin frow ouel mede thofreden weren vnd vorklageden dit vor dem ampte, dar idt den ock gentzliken vordragen wardt, dat Jochim Tidemann dem ampte moste affdracht daruor doen vnd wolde Hermen Koepken vnd siner frowen dit schriuen laten in dess ampts tuegebock, dath he van ehr nicht wuste alse ehr vnd godt vnd wath thon eren hort, vnd so faken alse he dit suluige disser frowen worde auerseggen, so schal he dem ampte II daler thor straffe geuen. Ock so schal sick vorbedachte Koepsche entholden vnd hir nicht van seggen bi dem suluigen broeke. Dit hefft em ein ampt vnd werckmester thogefunden. Actum vt supra.

Zeugebuch fol. 51 v - 52 r .

Vignette

1) Als der vierte seit 1480 im Amte nachweisbare Wulf mit der Vergünstigung eines Meistersohns 1574 Meister geworden.
2) S. S. 47, Anm. 2.
3) Als der fünfte seit 1480 im Amtsbuche nachweisbare Koepke unter den Vergünstigungen eines Meistersohnes 1564 ins Amt eingetreten.
4) S. S. 47, Anm. 5.
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IV.

Hinrich Stenmetz,

Capellan zu St. Marien zu Wismar,

Von

Dr. Crull zu Wismar.

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V on den Documenten, mit Hülfe deren M. Schröder das Springinsgut'sche Verzeichniß der Wismarschen Prediger vervollständigte und berichtigte und seine "Wismarische Prediger=Historie" herstellen konnte, ist seither das Meiste untergegangen, dagegen wiederum Manches aufgefunden, was nicht zu seiner Kenntniß kam und die Möglichkeit gewährt, seine Mittheilungen theils zu ergänzen, theils richtig zu stellen. Beides ist der Fall bei den Angaben, welche Schröder über Hinrich Stenmetz 1 ), Capellan an St. Marien=Kirche, macht.

Hinrich Stenmetz oder Stenmetzer, auch Platensleger in den Rechnungen genannt, war um 1533 in Rostock geboren, da er 1562 sein Alter auf etwa 29 Jahre angab. Im Juni 1547, also im Alter von 14 oder 15 Jahren, ist er in Rostock immatriculirt worden. 2 ) Wie lange er dort blieb und ob er auch andere Universitäten besucht


1) Schröder a. a. O., S. 52. Pfarrherr an der gedachten Kirche war, vermuthlich seit 1515, D. Johann Kuntzen, welcher 1546, Juni 3. starb (Jahrb. 26, S. 27), vielleicht aber kurz zuvor schon resignirt hatte. Neben ihm war Prädicant, und zwar seit Johannis 1535 (Reg. par. Mar. f. 50), Paul Meklenburg. Diesem, welcher 1541 starb, folgte M. Henning Block, und dessen Nachfolger war, nach dem Register der geistlichen Hebungen, Johann Grönwold, welcher bereits 1545 vorkommt und auch noch 1547 genannt wird. Neujahr 1556 war Jürgen Kruse Capellan und seit Johannis desselben Jahres ein Jakob. Von Schröders Valentin Körte habe ich keine Spur gefunden; möglicher Weise ist der Name verlesen statt Vercke, wie a. a. O. S. 24 unter 3) Lasse statt Sastede, doch war Valentin Vercke niemals Capellan.
2) Die Matrikel der Universität Rostock von Hofmeister, II, S. 112, 110.
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hat, ist nicht bekannt; die Balck'schen Matrikel=Auszüge enthalten seinen Namen nicht. Nach Beendigung seiner Studien ist er im fernen Osten, und zwar in Reval, als Prediger thätig gewesen und dann Johannis 1560 als Capellan zu Unser Lieben Frauen zu Wismar angenommen worden. Ueber sein Leben in Wismar berichtet Schröder Folgendes: "Ein jeder war anfänglich mit Latomo wohl zufrieden, aber er fing nach und nach in seinen Predigten an solche Worte zu gebrauchen, die vielen zu harte schienen. Man ersuchete ihn, er möchte sich doch mässigen, aber vergebens. Man drohete mit der Demission, aber er achtete es so wenig, dass er diejenigen, die ihm zuwidern waren, weder zum Abendmahl lassen, noch beym Tauffen wissen wolte. Er ward demnach würcklich entuhrlaubet, insonderheit da seinetwegen fast Weitläufftigkeiten in der Stadt zu besorgen waren."

Daß man anfänglich mit Stenmetz in Wismar wohl zufrieden war, mag richtig sein, aber die übrigen Angaben Schröders sind theils auf Irrthum beruhend, theils ungenau, wie es auch nicht unmöglich ist, daß er den Sachverhalt, der ihm bekannt war, aus irgendwelchem Grunde verschwiegen hat. Nach den Acten von Prozessen, welche Stenmetz und die Wittwe des Capellans an St. Jürgen, Johann Sastede, 1563 gegen den Wismarschen Rath anstrengten, ergiebt sich, daß Stenmetz' Abschied von Wismar ganz andere Ursachen hatte, als Predigten, "die vielen zu harte schienen". Freilich wohl kam im Laufe des Prozesses zur Sprache, daß Stenmetz auf der Kanzel Beleidigungen gegen den Rath ausgestoßen habe, wie: "Ein Rath hatt nicht ein erlichen, bedechtigen Bluttstroffen im Leib" oder "Ein Rath were nitt werdt, dass sie vber ein Schweinkauen regiren solten, ehr geschweig solche Gemeine", so daß schon der Superintendent M. Johannes Freder († 1562, Januar 25.) ihn durch einen Zettel von der Kanzel habe abfordern lassen und geäußert: "weill Her Heinrich so heraußgefahren, so wiße er ime nicht zu helffen; kompt ime daß zu gutt, thet eß mich wundern", aber Stenmetz leugnete jene Aeußerungen und diese Thatsache durchaus, und der Rath hat von denselben auch keine Veranlassung genommen, jenem den Abschied zu geben.

Der gedachte Prozeß entspann sich folgendermaßen: Erasmus Veddermann, Pfarrherr zum Heiligen Geiste, welcher 1548 zuletzt begegnet und 1550 todt gewesen sein wird, 1 ) hinterließ vier Kinder, Elisabeth, Hans, Asmus und Anna, und eine Wittwe, welche sich mit Jochim Levenow wieder verheirathete. Die Tochter Elisabeth


1) Jahrb. 39, S. 77, wo jedoch 1523 statt 1526 zu lesen ist.
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wurde von dem bereits erwähnten Johann Sastede von St. Jürgen geehelicht, welcher 1560 starb, und zwar nach dem 4. April, da er an diesem Tage den beiden jüngeren Kindern seines Schwiegervaters Vormünder bestellen ließ. Elisabeth Sastede erfreute sich keines besonderen Rufes, und, wie der Rath angab, hatte nicht allein der Superintendent Freder sammt den übrigen Predigern sie eines unzüchtigen Lebens überhaupt verdächtig gehalten, sondern munkelte man auch insbesondere, daß sie einen sträflichen Verkehr mit Herrn Hinrich Stenmetz unterhalten habe, bevor dieser sich verehelichte, ja, nach Aussage M. Jürgen Windts von St. Nicolai hatte Sastede letzterem schon geklagt, daß er seine Frau im Ehebruche betroffen habe. Mindestens drei junge Gesellen aus namhaften Familien wurden als solche genannt, mit denen die Wittwe zu thun gehabt haben sollte. Die Eltern, welche ihr wegen ihres Lebenswandels Vorstellungen machten, wurden von ihr mit einem obscönen Witze abgefertigt und wußten keinen anderen Rath, als daß sie ihr durch eine angesehene Person, dann durch die Gerichtsherren Vorstellungen machen ließen. Das half aber natürlich auch nichts und kam es so weit, daß das Gericht im April 1563 Nachts bei der Wittwe visitiren ließ, wobei allerdings Niemand gefunden wurde.

Nun war von einem Vorsteher zu St. Marien ein dicht vor dem Meklenburger Thore neben dem Ziegelhofe der Kirche und nahe dem Schuhmacher=Gerhofe gelegener, der Kirche gehöriger Garten Stenmetz zu beschränkter Benutzung eingeräumt, und auf diesen begab sich letzterer am Nachmittage des 23. Juli 1563 in Gesellschaft der Wittwe. Schon am Abend desselben Tages verbreitete sich das Gerücht, der Ziegelmeister und zwei auf dem Hofe beschäftigte Frauen seien in der an den Garten stoßenden Ziegelscheune Zeugen eines sträflichen Verkehrs zwischen jenen beiden gewesen, und da dies bald in der ganzen Stadt ruchbar wurde und vielleicht schon damals Pasquille hervorgerufen hat, 1 ) so glaubte der Rath, welcher von allen Kanzeln zum Einschreiten gegen die überhand nehmende Zuchtlosigkeit ermahnt und der Lässigkeit geziehen wurde, von der Sache nicht Umgang nehmen zu dürfen und beauftragte das Gericht mit einer Untersuchung mindestens wider die seiner Jurisdiction unterstehende Elisabeth Sastede. Neun Tage nach dem angegebenen Vorfalle wurden die Hauptzeugen zunächst vorläufig und sodann nach Verwarnung gegen Meineid in Beisein der Wittwe, ihres (älteren) Bruders und mehrerer Bürger eidlich vernommen und, da dieselben auf ihrer Aussage beharrten, die Sastede am 3. August, weil sie keine Bürgen bekommen


1) Schröder a. a. O., S. 47. 53.
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konnte, in die Büttelei geschickt; erst am 18. desselben Monats gelang es ihr, solche zu stellen und auf freien Fuß zu kommen. Stenmetz soll über die Verhaftung ganz perplex geworden sein, am Sonntage darauf (August 8.) aber sich so weit gefaßt haben, daß er die Zeugen bedrohte und der Wittwe auf ihre Anfrage aus der Haft, was sie machen solle, sagen ließ, sie möge nur standhaft beim Nein verharren, dann habe es keine Noth. Ihn ließ das Gericht aber, da er dessen Gewalt nicht unterworfen war, durchaus unbehelligt und wurde in der Untersuchung nicht einmal sein Name genannt; es war immer nur die Rede von einem schwarzbärtigen kräftigen Manne in langem, schwarzen Mantel und mit einem Hute - Banit -, wie solche die Prädicanten zu tragen pflegten. Allerdings aber machte der Rath Anzeige von dem Vorfalle sowohl bei dem Superintendenten Wigand, welcher seit dem Herbste 1562 amtirte, als auch, wie es scheint, bei der Landesherrschaft und ließ Stenmetz den besagten Garten schließen. Daraufhin ergriff letzterer die Offensive gegen den Rath, indem er diesen bei den Herzogen wegen Injurien anklagte und eine Commission zur Untersuchung und Aburtheilung erbat, die bereitwilligst am 4. September zugestanden wurde. Nicht minder klagte nun auch die Sastede wegen Injurien.

Die verordnete Commission, bestehend aus Simon Musäus. David Chyträus - scheint nicht an den Sitzungen theilgenommen zu haben - und Konrad Becker, ferner Cord v. d. Lühe von Panzow, Hans Sperling zum Rüting und Lüdeke v. Bassewitz zu Lühburg, sowie D. Johann Boucke und L. Hubert Siben, lud am 18. October die Parteien auf den 29. desselben Monats vor, verschob demnächst aber eingetretener Hindernisse wegen den Termin auf den 12. Januar 1564. Der Rath protestirte Anfangs gegen dies Ausnahmsgericht, gegen das Verfahren als der Stadt Recht und ihren Privilegien zuwider, auch weil das Commissorium nicht vorgelegt wurde u. s. w., aber die Commissarien, allen voran, wie es scheint, D. Boucke, gebärdeten sich äußerst herrisch und nöthigten schließlich den Rath durch die Drohung, ihn beim Herzoge (Johann Albrecht) als aufsäßig angeben zu wollen, daß er sich, wenn auch unter aller Rechtsverwahrung, auf die Klagen einließ. Letztere, wurde festgesetzt, sollten am folgenden Tage schriftlich übergeben werden, und der weitere Schriftwechsel in sechswöchentlichen Fristen erfolgen. Die Conclusionsschriften der Kläger wurden am 29. October producirt und am 7. Januar 1565 reichten Beklagte "repetirte gravamina cum conclusione" ein. Erkenntnisse finden sich bei den Acten nicht. Allem Ansehen nach ist es zu solchen auch gar nicht gekommen, und wenn der Rechtsbeistand des Rathes, D. Laurentz Kirchhof in Rostock, welchem übrigens bei diesen Geschichten

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etwas unheimlich zu Muthe gewesen zu sein scheint, am 11. März dem Rathe empfahl, die Acten an den städtischen Procurator in Speier zu schicken, so dürfte er nur eine Begutachtung im Auge gehabt haben, ob im widrigen Falle eine Appellation Aussicht auf günstigen Erfolg habe. Aber es wird eben kein Urtheil gesprochen, mithin auch keine Appellation von Nöthen gewesen sein, denn inzwischen waren so böse Dinge eingezeugt worden, daß die Commissarien es vorgezogen haben werden, ihren Auftrag nicht weiter zu verfolgen. Hinrich Stenmetz galt schon in Reval für einen Buhler und mußte deshalb von dort entweichen, die Wittwe war dem Conrector Matthäus Piscatorius, dem Collegen Jochim (Hane) und dem Rechenmeister Johann in das Haus einer stadtkundigen Hure nachgegangen und hatte sich mit den Genannten dort "fröhlich gemacht", 1 ) und endlich wollte der Hauptzeuge, der Ziegelmeister, als er 1565 am 9. Juli in Todesnöthen lag, auf Andringen der Prediger von St. Jürgens schlechterdings seine Aussagen nicht widerrufen und lieber unberichtet sterben, als mit einer Unwahrheit aus der Welt gehen. Anfangs hatte der "schneidige" Superintendent Wigand sich Stenmetz' Sache angenommen, 2 ) aber da man anßer dieser verdrossenen Aeußerung nichts weiter über dieselbe von ihm hört, so läßt sich vermuthen, daß sie ihm verdächtig war; und als die eben berichteten Geschichten zum Vorschein kamen, dürfte Wigand mit seinen Collegen Stenmetz haben fallen lassen. Damit fiel auch die Aufgabe der Commissarien, und brauchte der Rath nicht weiter zu fürchten, daß der Herzog einer Entlassung entgegentreten werde. Solche wird Stenmetz noch im Sommer erhalten haben, da allem Anscheine nach schon 1565 M. Andreas Corvinus, ein Verwandter Wigands, Capellan war; sicher ist er es 1566 gewesen, und zwar schon Neujahr. 3 )

Schröders Berichte nach ging Stenmetz 1566 nach Rostock, "ward aber daselbsten von Hertzog Ulrich schlecht bewillkommnet." Am 4. Mai 1568 ist er dort zum Magister promovirt. 4 ) Im Jahre 1570 wollte er Pastor in Kiel werden und bewarb sich deswegen um Zeugnisse über Leben und Wandel bei Herzog Ulrich.


1) Sie verlobte sich dort demnächst mit dem Conrector, welcher während des Processes, 1565 (Jahrb. 22, S. 179), Pastor zu Jesendorf wurde.
2) Schröder a. a. O., S. 47.
3) So nach dem Register der geistlichen Hebungen zu St, Marien, von dem aber 1565 fehlt. In dem Gebäude=Register heißt es ad ann.: XX m. geuen M. her Dionisius Sager van wegen der nastendigen renthe vth her Hinrick Stenmessers huse, van II iaren renthe II m. noch Greuen vor sthene geuen vnd dreck vth der cappelanie geforeth m. Andreas. Darnach mag dieser Michaelis 1565 angestellt sein.
4) Matrikel ed. Hofmeister, II, S. 165.
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Mit fünf Anderen ist er dann 1581 nach Antwerpen gegangen, da aber das dortige Lutherische Kirchenwesen nach Gryse 1 ) schon 1582, nach Schröder 1583 ein Ende nahm, mußte er von da wieder fort. Als Gryse schrieb (die Vorrede hat mit dem Drucke das gleiche Jahr, 1593), war M. Stenmetz Pastor zu Bersebeke, einem in Schonen zwischen Malmö und Landskrona belegenen Orte. 2 )

Die Geschichte des Hinrich Stenmetz interessirt zunächst seines Sohnes, des meklenburgischen Annalisten M. Bernhard Latomus, willen, doch läßt sich aus derselben das Geburtsjahr des letzteren leider auch nicht abnehmen, und man findet nur bestätigt, was man schon wußte, daß nämlich M. Bernhard zwar zu Wismar geboren ist, aber in zartem Alter wieder fortgekommen sein wird. Zur Zeit des Delictes war gemäß dem Klaglibell der Elisabeth Sastede der Vater allerdings schon verheirathet und zwar, wie dieselbe an anderer Stelle sagt, mit einem jungen, schönen, ehrbaren und tugendhaften Weibe, mit welcher er friedlich und freundlich lebe, während der Rath die Einträchtigkeit dieser Ehe, welche ohne der Mutter, Agnaten und Freundschaft Zustimmung geschlossen sein sollte, dahin gestellt sein läßt. Bernhards Geburt mag demnach zwischen 1563 und 1565 fallen. 3 ) Außerdem giebt Hinrich Stenmetz' Geschichte aber auch ein concretes Beispiel des wüsten Lebens und Treibens, welches derzeit neben peinlicher Strenge und leidenschaftlicher Parteinahme in Sachen des Glaubens wie allermeist in Deutschland, so auch nach Ausweis u. a. der Polizei=Ordnung von 1562 in Meklenburg herrschte. Vielleicht, daß dies in den größeren Orten besonders hervortrat, denn schon 1541 erließ der Rostocker Rath eine Verordnung wider Ehebruch und Hurerei, 4 ) und in Wismar wurde eine solche 1566 promulgirt 5 ) möglicherweise aus Anlaß des Falles Stenmetz. Das Mittelalter hatte einfache Unzucht nicht als von Obrigkeitswegen strafbar, die gewohnheits= oder erwerbsmäßige aber freilich als unehrenhaft angesehen, und sind insbesondere in Wismar demgemäß mehrfach Willküren, durch welche losen Weibsbildern angemessene Schranken gesetzt wurden, gemacht und in den Bürgersprachen verkündet, wie gleicherweise der wesentliche Inhalt der eben erwähnten Verordnung in die


1) Historia van der lere, leuende vnd dode M. Joachimi Slüters. 1593.
2) Ein vermuthlich um 1612 thätiger Glossator der Rostocker Matrikel a. a. O., S. 165 hat den Namen des Ortes als Bessekisci gegeben. Rostocker Etwas III, S. 669 giebt Beiseleiki.
3) Zu seinem Leben s. Westphalen mon. ined, IV, praef. p. 194.
4) Nettelbladt, Verzeichniß u. s. w. Rostock 1760, S. 75. Vergl. Stralsunder Memorialbücher, S. 196.
5) S. Anlage. Vergl. Schröder E. M. II, S. 466.
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Bürgersprachen von 1572 f. aufgenommen worden ist. Was aber Ehebruch anlangt, so wird die Strafe für solchen, welche das alte Lübische Recht ausspricht, 1 )bei der zunehmenden Milderung der Sitten nicht mehr leidlich erschienen sein, und sind in der Folge an deren Statt Ausstellung am Kaak, mit oder ohne Auspeitschen, und Verweisung getreten. Die Meklenburgische Polizei=Ordnung von 1562 sowohl wie die beregte Wismarsche Verordnung haben dann die von der Kaiserlichen peinlichen Halsgerichts=Ordnung festgesetzte Strafe adoptirt, während das revidirte Lübische Recht die ältere mildere Ahndung beibehalten hat.

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Der Rath zu Wismar erläßt eine Verordnung wider Unzucht und Ehebruch und betreffs Zuzuges vom Lande.

1566, August 15.

Dewile dat laster der megedeschenderie vnde sunst alle laster der horerie auerhand nimpt, so hefft Ein Rath sampt den predygern, alß Tomas Holzhuter, pastor zu sunte Niclas, Henricus Myddendorp, pastor tho sunte Jurgen, Johannes Jsenße, pastor thom hyllygen Geyste, m. Henricus Ruge, Matthias Koene, Andreas Koruinus, vor guth angesehen dyße nageschreuen ordeninge nach mit allem eruste tho straffende vorgenhamen, wye folgeth.

1. So eyne mageth edder junckfruwe geschendeth wert, so schollen beide pe[r]sonen, alse der deder vnd dath wyuesbilde beyde, gefencklyck ingetagen werden, dem wyue de har affgesneden vnde gedoket werden, vnde dewyle hyr beuor vth hogen, wychtygen vnde erheblychen vrsachen statuereth vnde geordenet, dat dat wyuesbylde von dem deder nicht mer den achte schillinge vnde einen witten sampt eyner mutzen hebben schole tho gewarten, darmit keine van junckfrouwen vnde megeden sulnest vrsache tho erer schwekinge geuenn, sondern vele mher darvor ein affschuwes hebben.

2. Vnde schole ferner dat wiuesbilde in der gefenckniße syck vorwilligen in dren tagen de stadt tho rumen vnde nicht wedder darin tho kamende. idt were den, dath se sych in den estandt bogene vnde mit ehrem echten manne darin qweme


1) Hach, D. A. L. R., I, 43, II, 8.
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vnde gudt bowiß vor eren estande brochte. vnde; ßo se wedderumb darin gefunden werth buten der ehe, dat man se als den ahm kake strychen solle.

3. Vnde so [se] bauen solchenn ehrem welckor vnde vorlope dryer dage buten der ehe in der stadt gefunden wurde, ßo schole(nn) se durch den fronhen ingethagen werden, wor he se antryfft, vnde schole se darna vth bouele der heren rychteuoegede an den kack bringen, darsuluest thor stupe schlan vnde der stadt wedder vorwysen. De manspersone ouerst schal nach gelegenheyt gestrafet werden synes vormoegens an gelde tom ersten male.

4. Were eth auerst eyne persone gudes ansehendes, so schole he myt der fhronerie verschonet vnde darvor in den torn gebracht werden.

5. Im falle den ock dersulue thom anderen male befunden wurde, dat he jemandes geswecket hedde, ßo schole he nicht mher am gelde sondern am lyue mit rhoden gestraffet werden.

6. Wurde ock jemande mith einem gemeinen wyue befunden, idt were by dage edder by nacht, so scholen se gelykes fals ingetagen werden. Were ouerst de manspersone eine nahmhafftyge persone, so schole he mith der frohnerie vorschonet vnde in den thornn gebracht werdenn, dath gemeine wyf ouerst in de fronerie,

7. vnd schole sych ock dat wyf in vorgemelter condition verwilligenn inn dren dagen dye stadt tho rhumen, vnd de manßpersone nach gelegenheyth vnde vormoegen in de straffe genhamen werden.

8. Ock scholen de jennen, de also in de fronerie gebracht werden, dewyle se dar synt, nicht anders den water vnde brodt geneten. Gyfft en den de ffrone wath mher, dath schal ehme nicht bethalt werden.

9. Wen ock de heren rychteuoegede vormarcken, dath jenige lose wyue edder ander vntuchtyge loße gesynde vorhanden, so scholen se den hußheren by straffe eynes jares huer gebeden, dath he desuluen loßen wyuere in dren dagen daruth schaffe.

[10.] Wert denne de sulue hußhere sumich, ßo scholen de heren richteuogede dat wyff inthenn vnde, wo vorgemeldeth, mith ehr vmbgan laten, dartho ock van dem hußheren vmb synes vngehorsams willen so hoge pande, also eins jhars huer thosecht, halen laten.

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11. Ehebruck vnde andernn nodttdwanck schall vormoege des hyllygen rykes halsgerichtes ordening gestraffeth werdenn.

12. Ock schal nemandt den jennen, de vormals vnder den eddelluden ghewaneth vnde syck hyr in de stadt tho wanende bogeuen, syne boden edder keller vorhuren ane vorwetent der cemerheren. Dan so de suluen van den eddelluden ahngesp[r]oeken werden, so wyl eyn radt de suluen ynkamelinge durch den fronen vth der stadt buten der stadt gebede bringen laten vnde den eddelluden wedder dorch vnse dener thostellen. Wath ouers den deners vnde ßunft de vnkost belopen warth, schal dorch de eddellude alse den kleger erlecht werden.

Actum des frygdages nha Aßump[sy]tionis Marie, was de 15. Augusti, anno 1566 van E. R. entslaten vnde van allen cancelen tho publycerende gesinneth.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift. Dem Absatze, den Ehebruch betreffend, sind am Rande die später wieder durchstrichenen Worte beigesetzt: Wor late wy denne so lange dat Lubsche Recht? Legge wy achter de banck. Vergl. Berckmanns Stralsunder Chronik, S. 121.

 

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V.

Meklenburger auf dem Pädagogium in Stettin.

Von

Dr. M. Wehrmann in Stettin.

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A m 25. October 1543 gründeten die beiden Herzoge Barnim IX. und Philipp I. von Pommern das Pädagogium in Stettin zunächst als ein Alumnat für 24 Zöglinge. Bald aber erweiterte sich die Anstalt; neben den hauptsächlich aus pommerschen Adelsfamilien stammenden beneficiariis wurden auch immer zahlreicher andere Schüler aufgenommen, welche nicht in dem Pädagogium wohnten, sondern nur am Unterrichte Theil nahmen. Als Ziel der Schule wurde bei Gelegenheit einer 1565 vollzogenen Revision bezeichnet: Die Grundlage für eine wissenschaftliche und theologische Bildung, damit die aus dem Pädagogium hervorgehende Jugend auf Universitäten schneller ihre Laufbahn vollenden könne. Häufig ersetzte der Besuch des Pädagogiums überhaupt den einer Universität, ja es wird bei der genannten Gelegenheit erwähnt, daß die meisten Trivialschulen und Dorfkirchen Stettinischen Ortes von ehemaligen Zöglingen lediglich dieser Anstalt geleitet wurden. Die Statuten von 1593 weisen darauf hin, daß auch viele Richter nur in dieser Schule vorgebildet seien und dem Staate nützlich dienten. 1 )

Diesem Ziele, unter Umständen auch die Universität zu ersetzen, ist die Schule zweiundeinhalbes Jahrhundert treu geblieben. Eine Folge davon war, daß die Frequenz der Anstalt meist recht stark war, da auch aus entlegeneren Ländern Schüler nach Stettin wanderten,


1) Ueber die älteste Geschichte des Pädagogiums handeln Hasselbach in den Programmen des Gymnasiums in Stettin 1844 u. 1851 und M. Wehrmann in den Monatsblättern der Gesellschaft für pomm. Geschichte und Alterthumskunde 1891, S. 71 ff.
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nicht selten nachdem sie schon eine oder mehrere. Hochschulen besucht hatten.

Ueber die Schüler, welche jährlich aufgenommen wurden, belehrt uns das älteste Album der Schule, welches allerdings erst mit dem Jahre 1576 beginnt und nicht im Original, sondern in einer Abschrift vom Jahre 1699 vorliegt. Der erste Band reicht bis 1666. Aus diesem Theile sind unten die als Meklenburger bezeichneten Schüler zusammengestellt. Die Zahl derselben ist naturgemäß groß, 274 haben in den Jahren 1576 - 1666 das Pädagogium in Stettin besucht. Am zahlreichsten sind Rostocker (49), Wismarer (46), Neubrandenburger (42) und Friedlander (33) vertreten, aber auch aus anderen Meklenburgischen Städten finden wir Schüler. Am beliebtesten scheint in Meklenburg das Pädagogium gewesen zu sein im Anfange des 17. Jahrhunderts und dann noch einmal in den fünfziger Jahren, als der tüchtige Schulmann, Philosoph und Historiker Johannes Mikrälius Rector des Pädagogiums war. Die höchste Zahl von Meklenburgern finden wir im Jahre 1609.

In dem folgenden Verzeichnisse sind die Namen der Schüler und ihrer Heimath genau nach dem Album wiedergegeben. Die zahlreichen Fehler, welche in diesem enthalten sind, zu verbessern, schien nicht angezeigt Unter den ersten Schülern sind sehr viele in der Matrikel der Universität Rostock wiederzufinden; es ist bei ihnen die Zeit ihrer Immatriculation und die betreffende Seite der von A. Hofmeister herausgegebenen Matrikel beigefügt.

1578.

1) Joannes Starcke, Strelensis. 1 )
2) Christianus Bart, Rostochien. 1577 August. S. 193, 97.
3) Joannes Detius, Rostochien.
4) Henricus Gerdes, Rostochien. 1585 October. S. 216, 117.
5) Joannes Kirchnerus, Rostochien.

1579.

6) Georgius Dabelow, Neobrandenburg. 1579. Mai. S. 199, 16.
7) Magnus Hübnerus, Wismarien. Meg.

1580.

8) Jacobus Henningus, Neobrandenburg.
9) Balthasar Kegler, Rostochien. 1582 April. S. 206, 44.


1) Ob für Strelicensis verschrieben oder auf Strehlen (Priegnitz) bezüglich ?
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1584.

10) Matthias Papenhagen, Neobrandenburg.
11) Johannes Cancer, Rostochien.

1589.

12) Daniel Dornwechter, Güstrovien.

1590.

13) Joachimus Barsius, Neobrandenburg. 1592 Mai. S. 240, 12.
14) Joachimus Warborchius, Neobrandenburg. 1592 Januar. S. 238, 28.

1591.

15) Joachimus Werdt, Röbelensis. 1589 Januar. S. 228, 30.
16) Thomas Kröger, Röbelensis. 1596 Juli. S. 253, 50.
17) Adamus Graverus, Neobrandenburg.

1592.

18) Joachimus Quilitz, Neobrandenburg. 1591 September. S. 236, 71.

1593.

19) Balthasar Wunne, Malchinensis.

1594.

20) Christianus Sledanus, Rostochien. 1594 März. S. 244, 41. (non iuravit.)

21) Petrus Trendlenburgius, Wismarien.
22) Johannes Pauli, Wismarien. 1594 März. S. 244, 38. (non iuravit.)

23) Nicolaus Duncker, Rostochien. 1594 April. S. 244, 48.
24) Heinricus von Husen, Neobrandenburg.
25) Georgius de Moltzan, Baro de Pentzlin. Megap. 1595 August S. 251, 95.
26) Bernhardus Lutichius de Moltzan, Baro de Pentzlin. Megap.
27) Johannes Flatovius, Fridlandens. Megap.
28) Petrus Fabricius, Rostochien. 1594 April. S. 245, 51.

1595.

29) Jacobus Zirichman, Rostochiens. 1595 April. S. 249, 36.
30) Christianus Tetenbornius, Wismarien.
31) Christopherus Rumschagen, Neobrandenburg.
32) Joachimus Albertus, Gnoiensis. 1599 März. S. 262, 28.
33) David Wale, Röbenensis. 1592 Mai. S. 240, 11.

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1596.

34) Johannes Cnopius, Gnoiensis. 1602 Juni. S. 273, 23.
35) David Jordanus, Sternbergen. Megap. 1595 Juni. S. 250, 59.
36) Franziscus Bokerberch, Rostochien. 1598 März. S. 258, 25.
37) Hinricus Cramerus, Rostochien. 1596 October. S. 254, 94.

1597.

38) Andreas Mesterknecht, Stargard. Megap. 1596 Juni. S. 253, 26.
39) Georgius Troja, Neobrand. Megap. 1599 September. S. 264, 118.
40) Jacobus Isermenger, Neobrandenburg. 1595 Juni 19. S. 250, 58.
41) Andreas Caelius, Pentzlinen. 1596 Juni S. 253, 36.

1598.

42) Philippus Jentzkovius, Frideland. Megap. 1595 August. S. 251, 102.
43) Matthias Menius, Frideland. Megap. 1595 August. S. 251, 109. 44) Joannes Neovinus, Rostochiens. 1600 Sommer - Semester. S. 267, 101.
45) Caspar Pippovius, Wesenberg. 1604 April. S. S. 278, 24.
46) Adamus Techenius, Wesenberg.
47) Daniel Fabricius, Fridelanden. 1598 Juni. S. 260, 28.

1599.

48) Joachimus Frideborn, Frideland. Megap.

1600.

49) Johannes Caelius, Frideland. Megap. 1598 Juni. S. 260, 24. (non iuravit.)
50) Heinricus Caelius, Frideland. Megap. 1598 Juni. S. 260, 25. (non iuravit.)
51) Jacobus Lorichius, Frideland.

1601.

52) Joachimus Julius, Wismarien. Megap.
53) Joachimus Grunovius, Fridland. Megap. 1603 April. S. 278, 43.
54) Johannes Christiani, Boddi. (!) Megapol.
55) Casparus Batzevitzius, Nobil. Megapol. 1602 Mai. S. 272, 95.
56) Matthias Börte, Wismarien. Megapol.
57) Bartholomaeus Megatopaeus, Wesenberg. Meg.

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58) Jacobus Magirus, Pentzlinen. Megap.
59) Joachimus Bohle, Rostochien. 1602 December. S. 274, 15.
60) Fridericus Wilhelmus Krauss, Wismarien.

1602.

61) Casparus a Thschanwitz, Sternbergen.
62) Ernestus Trutman, Nob. Megapol.
63) Heinricus Bacmeisterus, Rostochien. 1601 September. S. 270, 114.
64) Martinus Cleopellus, Fridl. Megap.

1603.

65) Petrus Bruno, Wesenbergen. Meg. 1609 September. S. 298, 131.
66) Petrus Wasmundius, Brand. Megap. 1609 Juli. S. 297, 102.
67) Georgius Holstenius, Rostoch.
68) Petrus Bambamius, Malchin. Megap.
69) Andreas Ilenfeldt, Fridland. Megap.

1604.

70) Simon Clouse, Güstrovien. 1602 März. S. 274, 31. (non iuravit.)
71) Christophorus Kirchdorff, Nob. Megap.

1605.

72) Jacobus Rossovius, Neobrand. Megap.
73) Laurentius Langclaus, Güstrovien Megap. 1602 Mai. S. 273, 11.

1606.

74) Paulus Rossovius, Neobranden. Megap. 1603 Juni. S. 276, 66.

1607.

75) Gregorius Cassubius, Strelicen. Megap.

1608.

76) Joachimus Wegenerus, Fridl. Megap.
77) Paschasius Vulpius, Neobrandenb. Meg.
78) Jacobus Petrae, Neobrandenb. Meg.
79) Michael Gervenius, Wald. Megapol.
80) Johannes Dabelovius, Neobrandenb.
81) Valentinus Sperlingus, Rubovien. Nob. Megapol.

1609.

82) Petrus Wustenbergius, Neobranden. Megapol.
83) Jacobus Splerberus, Neobranden. Megap.

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84) Paulus Segerius, Rostoch. Meg. 1606 April. S. 288, 80.
85) Valentinus Legedius, Suerin. Meg. 1606 Juni. S. 285, 38. (non iuravit.)
86) Gabriel Pauli, Wismarien. 1606 Juni. S. 285, 31.
87) Joachimus Praetorius, Neobrandenbg, 1608 Mai. S. 292, 4. (non iuravit.)
88) Joachimus Bumannus,Wismar. Meg. 1605 April. S. 284, 52.
89) Uldaricus Grisenhagius, Grabov. Meg.
90) Samuel Lanchals, Strelicen. Meg.
91) Laurentius Reventlow, Megapolit. a Zisendorff.
92) Petrus Lobechius, Rostochien. 1600 November. S. 268, 6.

1610.

93) Nicolaus Gisenhagius, Megapol. Gustrov.
94) Laurentius Rumschagius, Neobrand. Meg.
95) Andreas Rumschagius, Neobrand. Meg.
96) Martinus Thuringus, Fürstenbergen. Megalburg.

1611.

97) Martinus Chemnitius, Rostoch. 1607 Juni. S. 290, 52. (non iuravit.)
98) Jacobus Bitcovius, Neobrand. Meg. 1609 Juli. S. 297, 53.
99) Thomas Thuringus, Fürstenberg. Meg. 1610 Mai. S. 300, 11. (non iuravit.)
100) Heinricus Rekantrochius, Rostoch. 1606 Apr. S. 288, 59. (non iuravit.)
101) Henning Warburg, Megapol. Schonselen.

1612.

102) Jacobus Westphalus, Neobrand. 1609 Mai. S. 296, 20.
103) Fridericus Praetorius, Grabovien. Megapol. 1607 September. S. 290, 92.
104) Joachimus Zachovius, Wismarien. Meg.
105) Nicolaus Stubbaeus, Rostochien. 1610 Juni. S. 301, 54. (non iuravit.)
106) Johannes Bischopf, Rostochien.
107) Matthaeus Calander, Megapol. Plavien.
108) Jacobus Klokovius, Frideland. Megap.

1614.

109) Matthaeus Reutzius, Megapol. Güstrovien.
110) Laurentius Dinthen, Malchinen. Megapol.
111) Bartholomaeus Westphalus, Frideland. Megapol.

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112) Johannes Babbatzius, Megapol. Varnens.
113) David Schroderus, Grevismolen. Meg.
114) Georgius Völcenerus, Rostochien.
115) Bernhardus Schlorphius, Rostochien. Megap.
116) Wilhelmus Laurenbergius, Rostochien.

1615.

117) Michael Damius, Neobrandenb. Meg.
118) Joachimus Fabricius, Fridl. Meg.
119) Joachimus Crusius, Fridl. Meg.
120) Sigismundus Weyerus, Neobrandenburg. Meg.
121) Laurentius Bucholdus, Gadebuscens. Megap.

1617.

122) Paulus Pulserus, Rostoch. Meg.
123) Joachimus Nese, Gustrovien. Megap.
124) Matthias Berens, Rostochien.
125) Daniel Eggebrecht, Wismarien. Megap.
126) Zacharias Giselerus. Neocal. Meg.
127) Joachimus Schukirchius, Neobrand. Megap.
128) Bernhardus Gotthunius, Neobrand.

1618.

129) Martinus Schönefeld, Neocalen. Mega.
130) Christophorus Gallus, Neobrandenburg. Meg.
131) Johannes Eberhardi, Neobranden.
132) Ulricus Prenger, Rostochien. Mega.
133) Paulus a Campen, Warden. Meg.

1619.

134) Sigismundus Grassus, Strelicen. Megapol.
135) Albertus Sledanus, Wismarien. Meg.
136) Wernerus Caloander, Sternberg. Meg.
137) Andreas Gotthan, Neobrandenb.
138) David Ranitzius, Wismarien. Meg.
139) Johannes Schumeister, Gustrovien.

1620.

140) Johannes Guthanus, Fridland.
141) Johannes Gnanenius, Röbellen. Meg.
142) Gelmerus Neomorimontius, Warnen. Meg.
143) Christianus Zinckius, Grabovien. Meg.
144) Otto Hoppe, Sverinen. Meg.
145) Joachimus Gervenius, Fridland. Meg.
146) David Macenius, Wismar. Meg.
147) Johannes Schumacherus, Wismar. Meg.

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1621.

148) Andreas Stalius, Wismar. Meg.
149) Hartwigius Perlerus, Fürstenberg. Megalburgicus.

1622.

150) Johannes Fridericus, Bützovien. Megapol.
151) Cordt Josua Barner, Neomegap. 1 ) in Zaschendorff.
152) Rudolphus Steinius, Fürstenberg. Meg.
153) Garolus vom Hagen, Hustrovien. Meg.
154) Joachimus Möllendorph, Warna - Megap.

1623.

155) Joachimus Pieslerus, Fridland. Meg.
156) Georgius Deutsch, Rostochien.
157) Levinus Mummius, Neobranden. Megapol.
158) Johannes Toppius, Neobranden. Megapol.

1625.

159) Johannes Jungilaus, Gustr. Meg.
160) Balthasar Jungilaus, Gustr. Meg.

1626.

161) Joachimus Damman, Wismarien.
162) Ulricus Reutzius, Rostochien. Megap.
163) Ulricus Hintzman, Gadebuscen.
164) Georgius Schönenbeccius, Nbrandenburg. Meg.
165) Daniel Oberbergius, Sverinen. Meg.
166) Joachimus Bannehr, Bützovien. Megap.
167) Johannes Senstius, Sverinen. Megap.
168) Petrus Rumphius, Waldeccen. Meg.

1627.

169) Joachimus Heinrici, Neobrandenburg.
170) Carolus Hammerus, Gadebusco - Mega.
171) Petrus Tileus, Friedl. Meg.
172) Joachimus Hopfnerus, Penklinen. Meg.

1628.

173) Valentimus Voitus, Neosald. Meg.

1629.

174) Johannes Sassius, Waldeciens. Megap.
175) Christianus Fridekindt, Warnen. Megap.
176) Casparus Marterus, Wismar. Megap.


1) Wohl Nob. Megap.
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1630.

177) Daniel Mantzel, Warnen. Megap.
178) Casparus Mandeisius, Warnen.
179) Joachimus Sassius, Woldecca - Meg.

1631.

180) David Vatkius, Neobrand. Meg.

1632.

181) Ernestus Grantzovius, Neobrand.
182) Michael Grassus, Gustrovien. Megap.
183) Christianus Gelbius, Warnô - Meg.

1633.

184) Heinricus Bartoldi, Fridland. Meg.
185) Fridericus Böclerus, Fridl. Meg.
186) Christophorus Wunne, Warnens. Megalburg.
187) Elias Weinholdus, Malchinen. Megap.

1634.

188) Johannes Costerus, Gadeb. Megap.
189) Joachimus Schawkirch, Neob. Meg.
190) Johannes Georgius, Rostoch. Megap.

1636.

191) Jacobus Islebius, Friedl. Meg.
192) Johannes Jacobus von Basern, Rostoch.

1637.

193) Matthaeus Bilangius, Fridlanden. Megap.
194) Heinricus Böclerus, Fridl. Meg.
195) Martinus Gottschalkius, Fridl. Meg.
196) Joachimus Fabricius, Fridl. Meg.

1638.

197) Albertus Praetorius, Fridl. Meg.

1639.

198) Hartovicus Bambamius, Wismariensis. Megapol.

1640.

199) Andreas Crusius, Rostochien.
200) Johannes Corvinus, Rostochien. Megap.
201) Gabriel Nerenstius, Woldega - Meg.
202) Franciscus Wilhelmus Finxius, Sverinen. Meg.

1641.

203) Joachimus Spiegelbergius, Frideland. Meg.

1643.

204) Vincentius Mass, Rostoch. Megap. März 30.
205) Christophorus Hübner, Rostochien. März 30.

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1644.

206) Andreas Pauli, Wismar. Meg. April 6.
207) Ulricus Henricus Lochmannus, Wismar. Meg. April 6.

1645.

208) Laurentius Schnitter, Rostoch. Juni 12.

1646.

209) Elias Dithmar, Woldega - Megap. Januar 8.
210) Joachimus Schwartzkopf, Rostoch. Meg. Juli 23.

1647.

211) Caspar Voigt, Wismar. Meg. April 9.

1649.

212) Joachimus Seekius, Rostoch. Meg. März 31.
213) Valentinus Bilang, Fridland. Meg. Mai 5.
214) Christiaus Nerenst, Woldega - Meg. Mai 22.

1650.

215) Cornelius Pittelius, Garzia - Megap. April 25.
216) Joachimus Parisius, Wismarien. April 25.
217) Matthias Meden, Rostoch. Juli 4.
218) Henningus Rhodius, Wismar. Juli 4.
219) David Randovius, Wismar. October 10.

1651.

220) Mathias Petersen, Rostochien. Juli 9.

1652.

221) Dietericus Jensenius, Wismarien. März 18.
222) Martinus Parisius, Wismarien. März 18.
223) Heinricus Dingravius, Wismarien. März 20.
224) Johannes Daniel Bruninus, Wismarien, März 20.
225) Johannes Bueck, Rostochien. März 26.
226) Jacobus Balthasar, Wismarien. Megap. April 12.
227) Johannes Frisius, Rostoch. September 16.
228) Johannes Foemur, Malchino - Mecklenburg. December 14.

1653.

229) Otto Hertzberg, Wismarien. März 17.
230) Antonius Schepel, Wismarien. März 17.
231) Joachimus Rantzenius, Wismarien. März 19.
232) Johann Albertus Müllerus, Myr. Meg. April 18.
233) Zacharias Grapius, Tetrovio - Meklen. April 18.
234) Johannes Ohristophorus Baumannus, Röbel. Meg. Juni 27.
235) Hermannus Tanck, Wismar. October 7.
236) Christianus Heinrici, NBrand. Meg. November 8.

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1654.

237) Bernhardus Christianus Wangelin, Nob. Meg. März 14.
238) Heinricus Koeperus, Wismarien. März 16.
239) Martinus Hertzberg, Wismarien. April 26.

1655.

240) David Friderich Wachenhausen, Parch. Megap. Februar 24.
241) Daniel Koeper, Wismar. Meg. März 17.
242) Daniel Georgius Morhoff, Wism. März 17.
243) Lucas Seibertus, Gudrow. 1 ) Meg. März 27.

1656.

244) Hermannus Wernerus, Wismar. Meckl. April 9.
245) David Chelius, Wismar. Meg. April 30.
246) Petrus Gammelkern, Wismar. April 30.

1658.

247) Hinricus Eggebrecht, Rostochien. April 19.
248) Paulus Backe, Wismarien. Meg. April 27.
249) Johannes Adolphus a Barstorff, Nob. Meclenburg. April 30.
250) Joachimus Christophorus Schmidius, Wismarien. Megap. Mai 17.
251) Michael Casparus Schmidius, Wismarien. Megap. Mai 17.
252) Michael Schmied, Sternberga - Megapol. Juni 12.

1659.

253) Christophorus Isermengeri, Neo - Brand. Megapol. März 28.
254) Joachimus Hertzberg, Wismarien. Mai 16.
255) Joachimus Siggelkovius, Neustadio - Megapol. Juni 26.

1662.

256) Andreas Taubmannus, Megapol. Lupzens.
257) Joachimus Friedericus Schnobel, Rostoch.

1664.

258) Johannes Petrus Lembke, Döm. Megapol.

1666.

259) Fridericus Böclerus, Fridl. Magapol.
260) Heinricus Böclerus, Fridl. Megapol.

~~~~~~~~~~~~

Nachtrag.

1578.

261) Joachimus Schultetus, Neobrandenburgensis.

1593.

262) Johannes Corfinius, Rostochiensis.


1) Wohl Gustrov.
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1599.

263) Joachimus Bunsonius, Rostochien.

1600.

264) Rudolphus Henneke, Rostochien.

1601.

265) Joachimus Swartekop, Wismarien.

1604.

266) Jacobus Petra, Meckelburgen. Neobranden.

1606.

267) Joachimus Dabelovius, Neobrandenburg. Meg.

1607.

268) Fridericus Helvigius, Frid. Megap.

1613.

269) Heinricus Prengerus, Rostochien. Megap.

1621.

270) Joachimus a Luho, Nob. Megap. in Bantzow.

1635.

271) Bartholdus Hövisse, Rhenen. Megap.
272) Michael Warckentin, Gustrov. Megap.
273) Volradus Zegelin, N. Megap.

1663.

274) Augustinus Ackermann, Wism.

~~~~~~~~~~~~

Register.
Von F. v. Meyenn.

Ackermann, 274.
Albertus, 32.
Babbatzius, 112.
Backe, 248.
Bacmeisterus, 63.
Balthasar, 226.
Bambamius, 68, 198.
Bannehr, 166.
Barner, 151.
Barsius, 13.
Barstorf a., 249.
Bart, 2.
Bartoldi, 184.
Basern, v., 192.
Batzevitzius, 55.
Baumannus, 234.
Berens, 124.
Bilang[ius], 193, 213.
Bischopf, 106.
Bitcovius, 98.
Böclerus, 185, 194, 259. 260.
Bohle, 59.
Bokerberch, 36.
Börte, 56.
Bruninus, 224.
Bruno, 65.
Bucholdus, 121.
Bueck, 225.
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Bumannus, 88.
Bunsonius, 263.
Caelius, 41, 49, 50.
Calander, 107.
Caloander, 136.
Campen, a, 128.
Cancer, 11.
Cassubius, 75.
Chelius, 245.
Chemnitius 97.
Christiani, 54.
Cleopellus, 64.
Clouse, 70.
Cnopius, 34.
Corfinius, 262.
Corvinus, 200.
Costerus, 188.
Cramerus, 37.
Crusius, 119, 199.
Dabelovius, 80, 267.
Dabelow, 6.
Damius, 117.
Damman, 161.
Detius, 3.
Deutsch, 156.
Dingravius, 223.
Dinthen, 110.
Dithmar, 209.
Dornwechter, 12.
Duncker, 23.
Eberhardi, 131.
Eggebrecht, 125, 247.
Fabricius, 28, 74, 118, 196.
Fluxius, 202.
Fiatovius, 27.
Foemur, 228.
Frideborn, 48.
Fridekindt, 175.
Fridericus, 150.
Frisius. 227.
Gallus, 130.
Gammelkern, 246.
Gelbius, 183.
Gerdes, 4.
Georgius, 190.
Gervenius, 79, 145.
Giselerus, 126.
Gisenhagius, 93.
Gnanenius, 141.
Gotthan, 137.
Gotthunius, 128.
Gottschalkius, 195.
Grantzovius, 181.
Grapius, 233.
Grassus, 134, 182.
Graverus, 17.
Grisenhagius, 93.
Grunovius, 53,
Guthanus, 140.
Hagen, vom, 153.
Hammerus, 170.
Heinrici, 169, 236.
Helvigius, 268.
Hennecke, 264.
Henningus, 8.
Hertzberg, 229, 239, 254.
Hintzmann, 163.
Holstenius, 67.
Hopfnerus, 172.
Hoppe, 144.
Hövisse, 271.
Hübner[us], 7, 205.
Husen, von, 24.
Jensenius, 221.
Jentzkovius, 42.
Ilenfeldt, 69.
Jordanus, 35.
Isermenger[i], 40, 253.
Islebius, 191.
Julius, 52.
Jungilaus, 159, 160.
Kegler, 9.
Kirchdorff, 71.
Kirchnerus, 5.
Klokovius, 108.
Koeper[us] 238, 241.
Krauss, 60.
Kröger, 16.
Lanchals, 90.
Langclaus, 73.
Laurenbergius, 116.
Legedius, 85.
Lembke, 258.
Lobechius, 92.
Lochmannus, 207.
Lorichius, 51.
Luhe, a, 270.
Macenius, 146.
Magirus, 58.
Mandeisius, 178.
Mantzel, 177.
Marterus, 176.
Mass, 204.
Meden, 217.
Megatopaeus, 57.
Menius, 43.
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Mesterknecht, 38.
Möllendorph, 154.
Moltzan, de, 25, 26.
Morhoff, 242.
Müllerus, 232.
Mummius, 157.
Neomorimontius, 142.
Neovinus, 44.
Nerenst[ius], 201, 214.
Nese, 123.
Oberbergius, 165.
Papenhagen, 10.
Parisius, 216, 222.
Pauli, 22, 86, 206.
Perlerus, 149.
Petersen, 220.
Petrae, 78, 266.
Pieslerus, 155.
Pippovius, 45.
Pittelius, 215.
Praetorius, 87, 103, 197.
Prenger, 131, 269.
Pulserus, 122.
Quilitz, 18.
Randovius, 219.
Ranitzius, 138.
Rantzenius, 231.
Rekantrochius, 100.
Reutzius, 109, 162.
Reventlow, 91.
Rhodius, 218.
Rossovius, 72, 74.
Rumphius, 168.
Rumschagen, 31, 94, 95.
Sassius, 174, 179.
Schawkirch, 189.
Schepel, 230.
Schlorphius, 115.
Schmidius, 250, 251.
Schmied, 252.
Schnitter, 208.
Schnobel, 257.
Schönefeld, 129.
Schönenbeccius, 164.
Schroderus, 113.
Schukirchius, 127.
Schultetus, 261.
Schumacherus, 147.
Schumeister, 139.
Schwartzkopf, 210
Seekius, 212.
Segerius, 84.
Seibertus, 243.
Senstius, 167.
Siggelkovius, 255.
Sledanus, 20, 135.
Sperlingus, 81.
Spiegelbergius, 203.
Splerberus, 83.
Stalius, 148.
Starcke, 1.
Steinius, 152.
Stubbaeus, 105.
Swartekop, 265.
Tanck, 235.
Taubmannus, 256.
Techenius, 46.
Tetenbornius, 30.
Thschanwitz, 61.
Thuringus, 96, 99.
Tileus, 171.
Toppius, 158.
Trendlenburgius, 21.
Troja, 39.
Trutman, 62.
Vatkius, 180.
Voigt, 211.
Voitus, 173.
Völcenerus, 114.
Vulpius, 77.
Wachenhausen, 240.
Wale, 33.
Wangelin, 237.
Wanne, 19.
Warborchius. 14.
Warburg, 101.
Warckentin, 272.
Wasmundius. 66.
Wegenerus, 76.
Weinholdus, 187.
Werdt, 15.
Wernerus, 244.
Westphalus, 102, 111.
Weyerus. 120.
Wunne, 19, 186.
Wustenbergius, 82.
Zachovius, 104.
Zegelin, 273.
Zinckius, 143.
Zirichman, 29.

 

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VI.

Aus dem Reisetagebuch des Herzogs Philipp Julius
von Pommern - Wolgast.

1602.

Mitgetheilt durch

Archivrath Dr. von Bülow in Stettin.

~~~~~~~~~~~~~~

O bgleich mehrere pommersche Fürsten nach der Sitte der Zeit größere Reisen zu ihrer Ausbildung unternommen haben, so ist uns doch von keiner derselben eine so ausführliche Beschreibung hinterblieben, als von derjenigen, welche der junge Herzog Philipp Julius von Pommern=Wolgast 1 ) nach Empfang der Huldigung in den ersten Wochen des Jahres 1602 antrat, und von der er im Herbst des folgenden Jahres wieder in die Heimath zurückkehrte. Die Ursache ist wohl darin zu suchen, daß in der Begleitung des jungen Fürsten sich eine Persönlichkeit befand, die durch hervorragende gelehrte Bildung, sowie durch ausgebreitete Bekanntschaft mit literarischen Berühmtheiten der Zeit ganz besonders geeignet war, bei dieser Gelegenheit bildend und belehrend auf den Prinzen zu wirken, dessen Erziehung und Unterricht er bereits früher geleitet hatte.

Es war dies Dr. Friedrich Gerschow, der Einzige im Gefolge des hohen Reisenden von gelehrter Bildung und daher wohl im Stande, überall auf besondere Merkwürdigkeiten und sonstiges Wissenswerthe hinzuweisen und die nöthigen Erklärungen zu geben. Zugleich machte er sich Notizen über die Erlebnisse des Tages, welche der späteren schriftlichen Schilderung der Reiseerlebnisse zur Grundlage zu dienen hatten. Es ist wohl kein Zweifel, daß mancher im


1) Geboren 27. December 1584, gestorben 6. Februar 1626.
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Verlauf der Reise einem Gelehrten abgestattete Besuch auf seine Veranlassung geschah, während die persönlichen Neigungen der übrigen Herren sich in anderer Richtung bewegen mochten.

Des jungen Fürsten Vater, Herzog Ernst Ludwig von Pommern=Wolgast, hatte die testamentarische Bestimmung hinterlassen, 1 ) sein Nachfolger solle, nachdem er vom neunten Jahre den Studien in Greifswald obgelegen, wo möglich auf Reisen gehen, um vor Uebernahme der Regierung durch den Besuch auswärtiger Hochschulen und den Umgang mit hervorragenden Männern seiner Zeit sich weiter zu bilden. Man dachte dabei zunächst an Leipzig oder Tübingen und entschied sich schließlich für ersteres. Die verwittwete Herzogin=Mutter Sophie Hedwig, größere Selbständigkeit von der Abwesenheit des Sohnes erhoffend, begünstigte den Plan, und endlich gaben auch die Vormundschaftsräthe nach. Ueber Meklenburg, Lübeck, Hamburg, Lüneburg etc. . ging die Reise nach Leipzig, wo studirt werden sollte; doch findet sich von ernster Beschäftigung mit den Wissenschaften daselbst nichts berichtet, wohl aber nehmen Festlichkeiten aller Art, wie Uebernahme des Rectorats am 23. April 1602, Besuch der befreundeten sächsischen Fürstenfamilie, Ausflug nach Karlsbad und manches Andere, die Zeit in Anspruch. Nachdem der junge Herzog am 9. Mai noch den Besuch seiner Mutter empfangen hatte, scheint erst der eigentliche Plan zur Ausdehnung der Reise durch Mittel= und Süddeutschland nach Frankreich gefaßt zu sein, mit der ein kurzer Abstecher nach England vom 3. September bis 3. October verbunden wurde. 2 ) Dann ging es durch die Schweiz nach Italien. Mailand, Loretto, Rom, Neapel, Florenz, Genua, Venedig wurden besucht und endlich über Tirol die Reise nach der Heimath angetreten, welche am 10. October 1603 wieder erreicht ward.

Das die Reisegesellschaft bildende Gefolge war dem Range des fürstlichen Herrn angemessen und bestand, abgesehen von der Dienerschaft, aus dem fürstlichen Hofmeister Bernhard von Bugenhagen, dem Kämmerer Erasmus von Küssow, Christoph von Trampe, welcher die Aufsicht über die Kasse führte, und Joachim Volrad von Tribsees als Mundschenk. Vielfach wurde zur Ersparung der Kosten unter einem übrigens nicht immer gut gewahrten Incognito gereist, 3 ) auch


1) Herzog Ernst Ludwig starb am 17. Juni 1592, sein Testament siehe in Dähnert, Sammlung pommerscher Landes=Urkunden, I, S. 325 ff.
2) Diesen Theil der Reise habe ich in den Transactions of the Royal Historical Society of England, vol. VI, veröffentlicht. Später hat der Herzog noch einmal den englischen Boden betreten, ohne daß darüber Aufzeichnungen aufbehalten sind.
3) So z. B. in England beim Zusammentreffen mit der Königin Elisabeth.
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öfters, z. B. während des Besuchs in England, ein Theil des Gefolges mit den Pferden zurückgelassen, um sich später wieder mit demselben zu vereinigen. Steter Begleiter des Herzogs aber während der ganzen Reise war der bereits erwähnte Friedrich Gerschow, 1 ) der von allem Erlebten täglich seine Notizen machte und aus diesen nach der Rückkehr auf seines Herrn Geheiß die vorliegende Reisebeschreibung in Tagebuchform zusammenstellte. Diese Arbeit würde schneller und vollständiger geleistet worden sein, hätte Gerschow nicht einen Theil seiner Notizen vorher verliehen, während ein anderer durch Näße zu Schaden kam. So geschah es, daß das Tagebuch in seiner vorliegenden Form erst im Jahre 1605 vollendet wurde.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß Gerschow's Aufzeichnungen, als eine werthvolle Erinnerung an die große Reise des Fürsten geschätzt und geachtet, einen Platz in der herzoglichen Bibliothek gehabt haben werden. Dennoch mangelt es für eine lange Zeit an jeder Nachricht über dieselben, und wir müssen annehmen, daß die Originalhandschrift nach des Herzogs Tode aus der Bibliothek entfernt oder bei der Zerstörung des Wolgaster Schlosses mit anderen Schätzen verstreut worden ist. Erst im 18. Jahrhundert taucht in der Bibliothek des Hof= und Consistorialraths Christian Püttmann in Stargard in Pommern eine Handschrift auf, die für das Original von Gerschow's Tagebuch gehalten werden muß, ohne daß wir wissen, wie dasselbe dorthin gelangte. In einem Protocoll von 1785 wird diese Handschrift als Nr. 169 der Foliobände in Püttmanns Bibliothek aufgeführt, welche später mit der Bibliothek der St. Marienkirche in Stargard verbunden, aber gesondert gehalten wurde. 2 ) Der 1740 von Professor Joh. Daniel Denso nicht sehr musterhaft angefertigte Katalog der Handschriften dieser Bibliothek beschränkt sich leider auf die mittelalterlichen Handschriften, 3 ) giebt also über Gerschow's Tagebuch keine Auskunft; dagegen erwähnt Oelrichs dasselbe a. a. O. Seite 185 und 186 als einen 200 Bogen starken Band. Beklagenswerther Weise ist ein großer Theil der schönen Marienkirchen=Bibliothek im Anfang dieses Jahrhunderts für 500 Thaler öffentlich verkauft worden,


1) Er war 1568 in Stettin geboren, studirte in Wittenberg und Leipzig und wurde nach dem Regierungsantritt seines Zöglings 1604 außerordentlicher Professor der Rechte in Greifswald, wo er 1606 den Doctorgrad erwarb und am 6. September 1635 starb. Vergl. Allgemeine deutsche Biographie, IX, S. 48; Kosegarten, Geschichte der Universität Greifswald, I, S. 232.
2) Nach amtlichem Bericht der Herren Superintendent Haupt und Prediger Redlin in Stargard.
3) Vergl. Oelrichs, Histor.=dipl. Beyträge zur Gesch. der Gelahrtheit, bes. in Pommern. Berlin 1767, S. 121 ff.
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und da wird der Umstand, daß unsere Handschrift nicht in der vom Verkauf ausgeschlossenen Handschriften=Abtheilung stand, derselben verhängnißvoll geworden und sie allem Anschein mit unter den Hammer gerathen sein. Man bereute zwar alsbald den Verkauf und bemühte sich, alles noch Erreichbare zurückzuerwerben; indessen was man auch sonst etwa erzielt haben mag, Gerschow's Handschrift ist seitdem verschollen.

Da ist es denn noch ein Glück zu nennen, daß im vorigen Jahrhundert in manchen Kreisen des pommerschen Adels ein reges literarisches sowohl wie geschichtliches Interesse vorhanden war, dem wir ansehnliche Sammlungen werthvoller Handschriften, sei es im Original oder in Abschriften verdanken. Einer dieser Sammler, der Stettiner Bürgermeister Matthias Heinrich von Liebeherr auf Woitfick bei Pyritz, 1 ) ließ sich von der Handschrift der Marienkirchen=Bibliothek zu Stargard eine Abschrift anfertigen, und von diesem Exemplar verschaffte sich des Herrn von Liebeherr Schwiegersohn, der Kammerherr Friedrich Wilhelm von der Osten auf Plathe, Begründer der dortigen Bibliothek, im Jahre 1757 eine von ihm selbst sorgfältig collationirte Abschrift, welche als ein Foliant von 446 Seiten noch jetzt der Plather Bibliothek angehört und dem vorliegenden Druck zu Grunde gelegt ist. Der Kammerherr von der Osten hielt die Handschrift der Marienkirchen=Bibliothek für das Original des Gerschow'schen Tagebuchs und beschreibt dasselbe als ein in Pergament gebundenes, mit goldenem Schnitt verziertes Buch in der Handschrift des 17. Jahrhunderts. Wir sind nicht in der Lage, die Richtigkeit dieser Ansicht zu bestreiten und müssen annehmen, daß die Herren von Liebeherr und von der Osten wirklich das Original in Händen gehabt haben. Nach dem oben Gesagten aber ist die Plather Abschrift, welche trotz der darauf verwendeten Sorgfalt besonders in der Schreibung der Namen nicht fehlerfrei erscheint, die einzig bekannte Form, in der uns das Tagebuch erhalten ist; denn auch von der Liebeherrschen Abschrift ist jede Kunde verloren gegangen. 2 )

Ebenso ist von Bearbeitungen der Handschrift nichts bekannt, denn was nach dieser Seite geschehen ist, beschränkt sich auf ein paar dürftige Auszüge, denen nicht minder dürftige Bemerkungen beigefügt sind. Zunächst veröffentlichte Magister David Richter, Rector des Gymnasiums zu Güstrow, im Jahre 1751 ein Programm von


1) Vergl. Böhmer, Uebersicht der allgemeinen Chroniken und Geschichten Pommerns seit Kanzow in den Balt. Studien, III, S. 119.
2) Vergl. Böhmer a. a. O.
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20 Quartseiten, 1 ) in dem er nach weitschweifiger Einleitung einen Auszug des Anfangs der Reise giebt. Das Ganze ist in Paragraphen eingetheilt, und der Aufenthalt in Meklenburg wird in §. 7 auf knapp einer Seite abgethan. Richter äußert sich da wie folgt:

- - Neminem offendat, hodie post arcem ducalem inclusa vivario desiderari fera animalia. Per hoc enim sesquiseculum ita per Dei gratiam sub mansuetudinis tutela ser. ducum Meklenb. caput suum extulit Gustrovia continuatisque aedificiis aucta exornataque fuit, ut renata videri queat. Per bibliothecae autem colligendae initium transpositio bibliothecae canonicorum extemplo cathedrali in sedem ducalem indicatur, quam ser. duces postea etiam ex reculis laciniisque Heidelbergens. locupletarunt. Aulae Gustroviensi valedicens, Sverinensium arcem et templum cathedrale oculis usurpavit, admiratus magnifica ducum Jo. Alberti I. et Christophori mausolea atque pretiosum ejusdem templi organon pneumaticum, welche mit 7000 Rthlr. der Leute Bericht nach nicht erbauet. Quae deinceps de Wismaria, Lubeca, Hamburgo et Luneburgo refert, satis sunt nota.

Die weitere Reise wird ebenso kurz behandelt, und bei dem Aufenthalt in Hessen bricht Richter überhaupt ab. Ob die ihm vorliegende Handschrift das Original oder, was wahrscheinlicher, nur eine Abschrift war, läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen.

Wenige Jahre später brachte der Greifswalder Professor Joh. Karl Dähnert im vierten Bande seiner "Pommerschen Bibliothek" (1755), S. 30, unter dem Titel: "Proben von des pommerschen Herzogs Philippi Julii Neigung gegen die Gelehrten" einen zwei Seiten langen Auszug aus dem Tagebuch, der mit dem Aufenthalt in Leipzig und der Uebertragung des Rectorats an den Herzog beginnt und dann von der Reise durch England, Frankreich und Italien kurze Nachricht giebt. Dähnert besaß nicht mehr als eben nur diesen, von einer ihm unbekannten Hand geschriebenen Auszug und scheint auch von dem Original keine weitere Kenntniß gehabt zu haben, denn er bittet a. a. O. um Nachricht über Gerschow's Manuscript. Auf Dähnert's Auszug wird schließlich das zurückzuführen sein, was


1) Der Titel lautet: Philippi Julii ducis Stetini Pomeraniae - - glor. mem. diarium itineris per Germaniam, Angliam, Galliam atque Italiam anno 1603 suscepti - - ex msto - - prima vice illustravit M. David Richter, gymn. Gustrov. rect. Gustroviae, prelo Fritziano, 1751. Ein Exemplar dieses Programms besitzt die Großherzogliche Regierungsbibliothek in Schwerin, welches ich durch gütige Vermittelung des Herrn Archivraths Dr. Grotefend habe einsehen können.
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Kosegarten in seiner Geschichte der Universität Greifswald, Bd. I, S. 227 über das Tagebuch sagt.

Was nun den Werth des letzteren für die Gegenwart anlangt, so wird Niemand darin wichtige politische Nachrichten oder Aufschlüsse über staatliche Verhältnisse des In= und Auslandes suchen, denn dazu ist ein erstes Heraustreten eines jungen achtzehnjährigen Fürsten aus der heimathlichen Umgebung nicht angethan, und im vorliegenden Fall um so weniger, als der erzieherische Zweck der Reise offen ausgesprochen ist. Anders verhält es sich, wenn man den Inhalt des Tagebuches nach der culturhistorischen Seite hin betrachtet, denn in dieser Hinsicht hält dasselbe den Vergleich mit ähnlichen Schriftstücken der Zeit wohl aus, so daß eine Veröffentlichung der Handschrift als Ganzes wohl gerechtfertigt erscheint. Dazu streift Gerschow's anfänglich wohl etwas schleppende und breite Schreibart im Verlauf der Reise das steife Gelehrtengewand mehr und mehr ab, und die Erzählung ist in einem frischen, den Leser nicht ermüdenden Ton gehalten. Namentlich gilt das, sobald die Reisenden fremden Boden betreten und Personen und Dinge kennen lernen, die ihnen gänzlich neu sind. Da werden die Gewohnheiten der fremden Länder aufmerksam beobachtet, die Sehenswürdigkeiten berühmter Orte pflichtschuldigst betrachtet, auch die oft recht wunderbaren Berichte der Führer werden mit ernsten Mienen angehört, und nur den schweigsamen Blättern des Tagebuchs werden die gerechten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Erzähler anvertraut. Interessant sind die Schilderungen von Sitten und Gebräuchen in den verschiedenen Ländern, und während manche derselben sich bis in die Gegenwart erhalten haben, so daß wir daran einen Maßstab für die Genauigkeit der Erzählung besitzen, sind andere der Alles verschlingenden Zeit zum Opfer gefallen und vielleicht nur noch in den Aufzeichnungen des Tagebuches erhalten, den Werth desselben erhöhend. Hier und da findet wohl auch eine geschichtliche Begebenheit eine bisher weniger bekannte oder beachtete Erklärung, wenigstens gilt das von dem England behandelnden Theil der Erzählung. Endlich führt das zeitenweis angenommene Incognito allerhand ergötzliche Situationen herbei, und andere kleine Abenteuer bereiten nicht minder anmuthige Abwechselung.

Für die Jahrbücher erschien es angemessen, aus dem Tagebuch nur denjenigen Theil auszuwählen, der dem Leserkreise derselben am nächsten gelegen ist, darum gebe ich auf den folgenden Blättern die Beschreibung der Reise durch Meklenburg, die trotz der kurzen Dauer doch nicht ohne Interesse ist. Nur sechs Tage haben sich die Reisenden auf meklenburgischem Boden aufgehalten: am 5. Februar 1602 verbrachten sie die erste Nacht in Dargun und erreichten am folgenden

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Tag Güstrow, wo sie von Herzog Ulrich und dessen Gemahlin Anna, einer Vaterschwester des Herzogs Philipp Julius, freundlich aufgenommen wurden und allerlei Kurzweil trieben. Nachdem an den folgenden Tagen der Thiergarten, sowie der Dom mit den marmornen Denkmälern, sowie die Bibliothek betrachtet worden und man sich von den fürstlichen Verwandten verabschiedet hatte, gelangte die Reisegesellschaft am 10. Februar nach Schwerin, wo sie von der Festung her durch Abfeuern der Geschütze feierlich begrüßt wurde. Dennoch war der Aufenthalt nur kurz, der Dom mit seinen fürstlichen Begräbnissen und der kostbaren Orgel ward flüchtig betrachtet und noch spät am Abend Wismar erreicht, von wo am nächsten Vormittag, den 11. Februar, bereits wieder aufgebrochen ward, um über Grevismühlen und Dassow, bei dessen lustiger Wirthin das Mittagsmahl eingenommen ward, am Abend desselben Tages nach Lübeck zu gelangen.

Vorangeschickt ist die Einleitung zum Tagebuch mit Gerschow's Widmung an den Herzog, sowie dem Bericht über die der Reise voraufgehenden Verhandlungen. Was die Behandlung des Textes anlangt, so wäre es, da wir es nicht mit einem Original, sondern nur mit der Abschrift einer Abschrift zu thun haben, nicht nöthig gewesen, die Schreibweise der Vorlage so genau, wie geschehen, wiederzugeben; die Interpunction dagegen mußte, weil völlig willkürlich, vielfach geändert werden.

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Des
Durchlauchtigen, Hochgebohrnen Fürsten
und Herrn, Herrn Philippi Julii,

Hertzogen zu Stettin, Pommern, der Cassuben und
Wenden, Fürsten zu Rügen und Graffen zu Gützkow,
der Lande Lauenburg und Bütow Herren etc. .

Reise
durch Teutschland, Engelland, Frankreich
und Italien.

Dem Durchlauchtigen, Hochgebohrnen F ue rsten und Herren, Herren Philipp Julio, Hertzogen zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, F oe rsten zu R ue gen, Graffen zu G ue tzkow,

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der Lande Lauenburg und B ue tow Herren, Meinem gn ae digen F ue rsten und Herren.

Durchlauchtiger, Hochgebohrner F ue rst, Gn ae diger Herr! Mit was reifen Rath und Bedenken Ew. F ue rstl. Gn. Ihre Versuchungsreise vorgenommen, mit was Ruhm, Ansehen und Nutzen Sie dieselbe continuiret, auch mit was Gl ue ck und Wohlfarth geendiget solches haben E. F ue rstl. Gn. sich erinnerlich wohl zu bescheiden, die zur Reise mit deputirte Aufw ae rter und Diener in Unterth ae nigkeit sich zu freuen, und das gantze geliebte Vaterland daf ue r dem gn ae digen barmhertzigen Gott h oe chlich zu dancken. Und ist anf ae nglich zwar E. F ue r. Gn. l oe bliches F ue rstliches Vorhaben billig zu r ue hmen, daß Sie als damalen noch ein junger F ue rst dem vortrefflichen Exempel Ihrer Hochpreißlichen Voreltern und Anherren, welche sich Besichtigung frembder Lande stets viel beflißen haben, 1 ) nachfolgen und derselben mannigfaltiges Lob großm ue thig erneuren wollen. Ob nun wohl solch wichtiges und in etwas gef ae hrliches Werk dem F ue rstlichen Herrn Vormundt zusambt den andern Regierungs=Land= und Hofr ae then 2 ) nicht weniges tiefes Nachsinnen und schwere deliberationes verursacht, ist es gleichwol wegen einst ae ndiges anhalten der Durchlauchtigsten Hochgeb. F ue rstin und Frauen, Frauen Sophiae Hedewig, gebohrnen zu Braunschweig und L ue neburg Hertzoginnen zu Stettin, Pommern, E. F. G. freundlichen hertzlieben Frau Mutter, welche fast wider die gemeine Art der kleinm ue thigen zarten M ue tter ihres Herren Sohns, als alleinigen Erben dieser Lande, intent zum


1) Die Studienreisen der Pommerschen Herzoge beginnen mit Herzog Barnim XL., der 1518 in Wittenberg, und Herzog Philipp I., der 1526 Heidelberg studirte. Dann folgen die Brüder Herzog Ernst Ludwig und Barnim XII., die 1563 ebenfalls in Wittenberg den Wissenschaften oblagen. Ueber die Studienreise Herzogs Georg III. nach Italien und Frankreich (1608 - 1610) und seines Bruders Ulrich, der anfänglich mit Herzog Philipp Julius erzogen, dann in Tübingen studirte und von dort aus nach Frankreich und Italien reiste (1609 - 1610), vergl. v. Ledebur, Archiv XIII, S. 359. - Die Wallfahrtsreisen der Herzoge Kasimir II. (1219) Warlislav VI. und Warlislav VII. (1391) dienten anderen Zwecken.
2) Zum Vormund wurde nicht der älteste Bruder des Herzogs Ernst Ludwig, Johann Friedrich, bestimmt, da zwischen beiden allerhand Mißhelligkeiten obwalteten, sondern der jüngere Bruder, Bogislav XIII., der in Barth im abgetheilten Besitz lebte und erst 1603 zur Regierung kam. - Die von Ernst Ludwig während seines Sohnes Minderjährigkeit mit Führung der Geschäfte betrauten Räthe waren der Komthur von Wildenbruch, Ludwig Herr zu Putbus, der Landvogt von Rügen Güzlaf von Rotermund, Heinrich Nordmann, Otto Preen, Adam Behr, Hans Krakewitz, Bernd Bugenhagen und die Bürgermeister der Städte Stralsund, Greifswald und Anclam.
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eußersten bef oe rdert, endlich communibus votis approbiret, auch als ratsam und nützlich erkandt worden. Wie nun solches nicht ohne besondere Schickung Gottes zugegangen und der Anfang dieser Reise mit reiflichen Bedenken gemacht, also ist sie ferner mit E. F. G. großen Ruhm und Ansehen continuiret worden, daß obwol diese Jahre her viel vornehme Herren unterschiedliche Reisen vorgenommen, doch von keiner, wie es die Erfahrung bezeuget, soviel Sagens und Praedicirens hin und wieder gewesen als eben von E. F. G. peregrination, die auch derohalben keinesweges, wie gern man sonst gewollt hat, verschwiegen und verborgen bleiben k oe nnen, sondern stets wol etliche Monathe zuvor, ehe E. F. G. an irgend einen ber ue hmten Ohrt gelanget, ist verkundschaftet und vermeldet worden. Woher aber solches alles verursachet, geb ue hret mir, als der unw ue rdig nebst andern mit aufgewartet, an diesen Ohrt nicht zu gedenken, weil solches ohne nothwendige Vermeldung E. F. G. wohlverhaltens und besondern F ue rstl. qualitäten, auch der R ae the, Aufw ae rter und Diener Bescheidenheit, Glimpff und H oe fflichkeit keinesweges geschehen mag. Es habens bereits schon etliche, die an selbigen Ohrten nach uns kommen, mit der Pommern großen Ruhm genungsam vernommen, werden auch k ue nftiger Zeit andere hoffendlich genießen und derohalben billig zu r ue hmen wißen. Wiewohl nun solche peregrination nicht ohne große Unkosten, beschwerliche Unlust und sorgliche Gefahr g ae ntzlich abgehen k oe nnen, so hat es ihr doch wiederum an geb ue rlicher Ergetzlichkeit und mercklichen großen Nutzen nicht gemangelt. Denn zu geschweigen, daß E. F. G. fast alle denckw ue rdige Sachen, und was von k oe stlichen und künstlichen alten und neuen Wercken in den ber ue hmtesten L ae ndern und K oe nigreichen Europae, als Teutsland, Englandt, Frankreich und Italien mag gefunden werden, mit besonderer Lust und Freuden alles gesehen, seyn ue ber daß E. F. G. mit denen vornembsten Herren und Potentaten, wo nicht in Freundschafft, wie sichs denn allenthalben nicht schicken wollen, doch zum wenigsten in Kundschafft gerathen, haben mit den erfahrensten, versuchtesten und gelahrtesten Leuten in allen St ae nden viel Unterredung und Conversation gepflogen, der K oe nige, Chur= und F ue rsten, an welche Sie gelanget, Hoffhaltung und Regiment erkant, was darinnen l oe blich, was strafflich, erforschet, auch wie es mit privat Persohnen in gemeinen Handel und b ue rgerlichen Leben daher gehe, gantz unvermerckter Weise erkundet und erlernet. Dahero den künfftiger Zeit ein großer Nutzen, sowohl E. F. G. selbsten als Dero Land und Leuten zweiffelsohne zuwachsen und entstehen wird; aldieweil

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E. F. G. nicht weniger in Ihrem Regiment als auch in Ihrem Leben den Exempeln der l oe blichsten Potentaten sich zu conformiren g ae ntzlich vorgesetzt. Welchem trefflichen Vorhaben weiter nachzukommen, insonderheit aber in Krieges Sachen etwas gr ue ndlicher zu vernehmen, E. F. G. ferner bey sich beschloßen, entweder in Ungern oder in Niederland zu verreisen, 1 ) wan Sie nicht durch freundliches, getreues und respective unterth ae niges Warnen und Bitten Ihrer lieben Frau Mutter, des F ue rstl. H. Vormundts und etl. getreuen R ae then zur ue ck gefordert und von solchen Vornehmen abgemahnet w ae ren. Derohalben I. F. G. Ihrer Reise ein Ziel setzen und nach Ihrem Land und Leuten in der Eil verr ue cken m ue ßen, dahin sie dann mit solchem Gl ue ck und Heil durch Gottes gn ae dige Hülffe ankommen, daß Hochgedachte I. F. G. diese weite Peregrination fast ohne einige Leibesbeschwerung volbracht, auch keinen von Ihren Dienern und Gefehrten hinter sich verlassen und gemißet haben, welches den der getreuen Unterthanen emsigen und fleißigen Gebeth vielmehr als E. F. G. oder deroselben vornehmen Aufw ae rter Verstand und Vorsichtigkeit, wiewohl es Gottlob daran auch nicht gemangelt, muß zugeschrieben werden. Denn was Gefahr und Ungl ue ck sich zum oe fftern erzeiget, in was b oe ßen Wege und Wetter, Hitze und K ae lte, man gereiset, auch wie I. F. G. fast auf die Letzte durch etliche b oe se Leute auf den Dienst gewartet deßen haben dieselben nach entgangner pericul mehr mit Lust zu erfreuen, als mit Schmertzen zu bek ue mmern. Wann nun, Gn ue diger F ue rst und H., solche und dergleichen denckw ue rdige Sachen, auf E. F. G. Peregrination vorgelauffen, habe ich von dem Tage an, als E. F. G. aus Ihrem Hofflager von Wolgast aufgebrochen, bis auf die Zeit, da sie mit Freuden in Ihre Lande und F ue rstenthum wieder angekommen, alle Tagreisen, was auch an jedem Orth zu sehen und sich sonsten etwa begeben, mehrerer nachrichtung halber notiren, und wie E. F. G. selbsten bewust, t ae glich aufzeichnen wollen. Welche Verzeichniß auf E. F. G. gn ae diges Begehren in eine richtige Ordnung zu bringen mir vorl ae ngsten gar leicht gewesen w ae re, wan nicht ein gut Theil meines Reiseb ue chleins verliehen, ein Theil von vielen Regen etwas verdorben worden, und ue ber das die Schreiber, welchen ich alles in die Feder dictiren m ue ßen, mich zur Ungeb ue hr bis dahin aufgehalten. Gelanget demnach an E. F. G. mein gantz fleiziges unterth ae nigstes Bitten, Sie ob den


1) Von diesem Plane des jungen Fürsten hat sich keinerlei weitere Kunde erhalten.
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unverhofften Verzug keinen Unmuth tragen, und da auch etwas außgelaßen oder sonst unf oe rmlich gesetzt w ae r, solches mir in Gnaden verzeihen und vielmehr denen exscriptoribus, die currente calamo nicht alles percipiren und assequiren k oe nnen, als mir, der ich solches zu revidiren keine Zeit gehabt, beymeßen wollen. Bin der tr oe stlichen unterth ae nigen Zuversicht, E. F. G. werden mit einer schlechten einf ae ltigen und wiewohl nicht zierlichen doch wahren Relation gn ae dig zufrieden seyn, wie ich dan meines Wißens durchaus nichts gesetzt, das entweder ich selbsten nicht gesehen, oder da sie zuweilen die Compagnie theilen m ue ßen, von E. F. G. und Deroselben Gefehrten genungsahm w ae re berichtet worden.

Daß nun E. F. G. diese geringe Arbeit sich gn ae diglich gefallen, und meine Wenigkeit, als von der es zu E. F. G. Ehren unterth ae niglich, gemeinet, sich in Gnaden befohlen seyn laßen und mein Gn ae digster F. und H. nach wie vor seyn und bleiben, darum will ich unterth ae nigstes Fleißes zum dienstlichen hiemit gebeten haben, E. F. G in G oe ttlichen allm ae chtigen Schutz zu langwieriger guter Gesundheit und gl ue cklichen Regierung, mich aber in E. F. G. gn ae dige Wohlgewogenheit treulichst empfehlend. Datum in E. F. Gn. Universit ae t zu Greifswald anno 1605.

E. F. G.        
unterth ae niger gehorsamer
Fridericus Gerschow.     

Personen so mit meinem G. F. und Herren außerhalb Landes gereiset:

1. M. G. F. und Herr, H. Philipp Julius, Hertzog zu Stettin Pommern.
2. Bernhard Bugenhagen, Hoffmeister.
3. Erasmus K ue ssow, C ae mmerierer.
4. Christoph Trampe, Zahlmeister.
5. Joachim Volradt Tribsees, Schenke.
6. Claus Buckow, Tischdiener.
7. Fridericus Gerschow, Praeceptor.
8. Rikwan von der Lancken, Edelknabe.

     Joachim Behre.
     Heinrich Gadenstedte,
     Edelknabe Peter Kemerer, Kellermeister
     Martinus Sarnow,
     Silberw ae rter
     Hans Garner, Laquai.
Klammer Diese 5 Personen
sind zu Strasburg
blieben.
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  9. Joachim Stolte, Kammerknecht.
10. Michael Bolte, Stalljunge.
11. Hans Blut, des K ae mmerierers Junge.
12. Joachim Brandenburg, des Hoffmeisters Knecht.
13. Peter Schwartze, des Hoffmeisters Junge.
14. Andreas Korn, Laquey.
15. Matz Kappeser, Laquei.

~~~~~~~~~~~~~

Reise in Deutschland.

Anno 1602.

Nachdem der Durchlauchtige, Hochgebohrne F ue rst und Herr, Herr Philipp Julius, Hertzog zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, F ue rst zu R ue gen und Graff zu Gützkow, der Lande Lauenburg und B ue tow Herr etc. anno 1601 im Herbst die Erbhuldigung von seinen gehorsamen Unterthanen im gantzen Lande aufgenommen, 1 ) und darauf den 18. Novembr. mit einem k oe stlichen und zierlichen Ritterspiel, Ring und Ballage gerennet, auch freyen R ue st=Thurnier dem gemeinen geliebten Vaterland und gantzen getreuen Landschafft auf eine Zeitlang gn ae dig valediciret, als haben I. F. G. aus Rath und Vorwißen des Durchlauchtigsten Hochgeb. F. und H., H. Bugischlaf, Hertzogen zu Stettin, Pommern etc. ., Ihres damahligen F ue rstl. Vormundts, insonderheit aber der Durchlauchtigsten und Hochgeb. F ue rstin und Frauen, F. Sophie Hedewig, gebohrnen zu Braunschweig und Lüneburg, Hertzogin zu Stettin, Pommern etc. . Ihro F. G. freundtlichen, hertzlieben Frau Mutter, und der gantzen l oe blichen Landschafft, Ritterschafft und St ae dte Mitbeliebung eine Versuchungsreise vorzunehmen sich entschloßen, und ist anf ae nglichen zwar dieselbe nur auf Leipzig oder T ue bingen gemeinet, welche sich aber nachmahlen durch gantz Deutsland, Franckreich, Engeland und Italien erstrecket hatt, und seyn. I. F. G. den 1. Februarii anno 1602, als sie zuvor der Edlen und Tugendsamen Frauen Agnes, welche J. F. G. Frau Mutter lange Jahre f ue r eine Hofmeisterin auf=


1) Vergl. J. v. Bohlen, Hausbuch des Joachim von Wedel (Puplikation 161 des literarischen Vereins in Stuttgart), S. 408. Ueber den jungen Herzog Philipp Julius selbst und seine Reise vergl. S. 402 und 452.
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gewartet, nebst ihrer Tochter Kind, des gestrengen Edlen und Ehrenvesten Hans von Hausen j ue ngsten Sohn, die letzte Ehre erzeiget und das Geleite bis an Ihr Ruhebettlein gegeben, mit hochgedachter I. F. G. Frau Mutter und obgesetzten zur Reise deputirten Personen im Nahmen der heiligen hochgelobten Dreyfaltigkeit von Wolgast aufgebrochen und nach der Eldenow fortger ue cket, 3 Meile.

Den andern Tag haben I. F. G., weil es ein heiliger Tag und das Fest der Reinigung Mari ae , an welchem auch I. F. G. f ue r 16 Jahren die heilige Taufe empfangen, zuvor Predigt geh oe rt und ferner auf Loitze gereiset, 3 Meilen.

Den 3 ten Tag ist dem gestrengen, Edlen und Ehrenvesten Berndt Bugenhagen, Landmarschalk und Erasmo K ue ssoen, jetzigen Cantzler, zu der Zeit aber Cammerierern und F ue rstl. Rathe, die Inspection auf I. F. G. Leib und Gesundheit zufoderst, hernach auf Deroselben Junckern und Dienern und allen Gesinde Leben und Verhalten, wie auch die Direction der gantzen Reise zum treulichsten und fleißigsten durch den H. Cantzler Burchardt Horn im Nahmen des F ue rstlichen H Vormundts wie auch der F ue rstl. Wittwen anbefohlen, und alle I. F. G. Aufw ae rtern, wes Standes sie w ae ren, ihnen zu gehorchen und zu folgen auferlegt worden.

Den 4 ten Tag ward ein T ue rcke, den weiland der Edle und Ehrenveste Valentin Horn auß Ungarn mitgebracht und im Christenthum wohl und fleißig unterrichten laßen, zu Loitz getaufft. Gevattern sind gewesen die Durchlauchtigste Hochgeb. F ue rstin und Frau Sophia Hedewig nebst I. F. G. gantzen Frauenzimmer, die Durchlauchtigen Hochgeb. F. und H. H. Joachim Carll, Hertzog zu Braunschweig und L ue neburg und Herr Philippus Julius mit Ihro F. G. R ae then, Junckern und vornehmsten Dienern, und ist dem T ae uflinge nach denen Herren der Nahme gegeben Ernst Philipp Carolus, welchem auch ein ansehnlicher Patenpfennig verehret worden.

Den 5 ten Tag sind I. F. G. nebst Deroselben Frau Mutter und Hertzog Joachim Carolum, welcher bis in Niedersachsen I. F. G. das Geleite gegeben, gegen Abend zu Dargum (!) 1 ) angekommen, 3 Meilen, alda der f ue rstl. Wittwen Feuerb ue ßer


1) Herzog Ulrich hatte die alten Klostergebäude zu Dargun theils abbrechen, theils zu einem fürstlichen Jagdhaus umbauen lassen und weilte selbst gern in dem "langen Hause". Jahrb. 3, S. 170; 6, S. 90.
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oder Stubenhitzer in das Haubt so hart verwundet worden, das er wenig Tage hernach Todes verfahren.

Den sechsten in voller Fr ue he von Dargum (!) aufgebrochen, und ob es wol ziemlich Regenwetter, haben E. F. G. doch zeitig Gustrow erreichet, 6 Meilen, da sie den mit dem Geleite ansehnlich angenommen und von dem hochl oe blichen alten F ue rsten Ulrich Hertzog zu Meclenburch 1 ) christmildens angedenckens, auch der durchl. hochgeb. F ue rstin und Frauen Anne, gebohrnen zu Stettin Pommern Hertzoginnen zu Mecklenburg etc. ., I. F. G. freundtlichen lieben Muhmen, bis in den dritten Tag mit aller f ue rstl. Lust und Kurzweile aufgehalten und gar stattlich tractiret worden.

Den siebenden haben I. F. G. den Thiergarten, so hinter dem Hause gelegen, darinnen viel Wild, mit besondrer Lust angesehen, wie auch die sch oe ne marmorsteinerne epitaphia im Dohm 2 ), nebst den Mecklenburgischen Stam=Linien und den Anfang einer guten Liberei.

Den achten haben I. F. G. den gantzen Tag wie auch die folgende nacht, bis man des Morgends zu Pferde geseßen, mit aller vergn ue gter Fr oe ligkeit im f ue rstlichen Mecklenburgischen Frauenzimmer zugebracht.

Den neunten nahmen I. F. G. von dem hochseeligen alten Herren und derselben Gemahlin freundlich Uhrlaub und sind mit dem Geleite den Tag zu Crybitz ankommen, 3 Meile.

Den zehnten bis Schwerin, 2 Meile, da I. F. G. mit dem groben Gesch ue tz empfangen, und um die Vestung gefeuret ist, welche in einem großen See, so in 4 Meilen lang, gelegen ist; ein wohl gebautes und mit verguldeten Gipsfiguren, k oe stlicher Tischlerarbeit und künstl. Mahlwerck wohl geputztes Haus. 3 ) Im Dohm, so noch in der Stadt beybehalten wird, sind zwo f ue rstl. Begr ae bniße, ein altes Herzog Johan Albrechts, und ein neues von schwartzem und weißen Marmor Hertzog Christophels,


1) Herzog Ulrich wird hier mit Recht "der alte" genannt; er war geboren den 5. März 1527 und starb den 14. März 1603. In zweiter Ehe war er seit dem 9. December 1588 mit Herzogin Anna von Pommern=Wolgast vermählt. Ueber der letzteren Stammbuch vergleiche Jahrb. 21 S. 126 ff.
2) Die Grabdenkmäler der meklenburgischen Fürsten im Dom zu Güstrow beschreibt Klüver, Beschreibung des Herzogthums Meklenburg, II, S. 238. Die Leichenprozession des oben genannten Herzogs Ulrich s. ebenda, S. 224.
3) Ueber das herzogliche Schloß zu Schwerin vergl. Jahrb. 5, S. 32 ff.
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welches ue ber die 2000 Thaler soll gestanden seyn, 1 ) Durch ein Fenster kan man die Leiche sehen, so mit einem langen schwartzen Sammet bedecket. Die Orgel im Dohm seyn I. F. G. selbst angestiegen, war ein großes aber nunmehro unfertiges Werck, welches mit 7000 Thaler der Leute Bericht nach nicht erbauet. 2 ) Deßelbigen Tages sind I. F. G. im starcken Regenwetter noch auf die Wismar gereißet, 4 Meile, und als Christoph Trampe und Friederich Gerschow auf den Bauerwagen im bösen Wege so eilend nicht folgen m oe gen, sein sie vor dem Stadtthor verschloßen worden, da sie den die Nacht ue ber unter den offenen Himmel wohl durchgenetzet hatten verharren m ue ßen, weil keine Vorstadt des Ohrts und wohl 5 Thore hinter einander, daß man den Thorwechter nicht erwecken m oe ge, wo nicht endlich zu ihrem Gl ue cke wegen eines Bauren, der sich in der Stadt verspätet, das Thor w ae re ge oe fnet worden.

Den eilften haben I. F. G. daß eiserne geschr ae nke um den Taufstein zu Wismar betrachtet, welches ein Rittersch ae tze so kunstreich in einander geflochten, daß weder anfang noch ende zu sp ue ren und derohalben insgemein f ue r keine menschliche Arbeit gehalten wird. 3 ) Von dannen sind I. F. G. erstlich auf Gribsmole, 3 Meile, und ferne auf Dassow, 2 Meile, ger ue cket, da sie bey einer alten lustigen Wirthin das Mittags=Mahl genommen und also nach L ue beck gegen Abend angelanget, 2 Meile. Zu L ue beck sind I. F. G. an die Trabe gegangen, darauf zu der Zeit in die 50 großen Schiffe gelegen. In Unser Lieben Frauen Kirchen gesehen die zwo große Pfeiler, so aus einem gantzen Steine gehauen, und jeder 50 Schuh lang gewesen, wie auch das kunstreiche Uhrwerck daselbst. Der Dohm so gantz mit Kupfer gedecket, ist ein sch oe nes langes aber nicht sehr hohes Geb ae ude, dergleichen wir nicht viel auf der gantzen Reise in solcher L ae nge angetroffen. Alter Leute Bericht nach soll vor Zeiten ein Hirsch, der einen schweren guldenen Halsband umgehabt, des Orths geschoßen und von dem Golde die Kirche gebauet seyn, welche Historia noch jetzo im Dohm abgemahlet; darinnen man auch eine verguldete Monstrantz findet, und ein sehr sch oe nes geschnittenes Marienbild welches die schwangeren Weiber zu L ue beck anschauens halber offt besuchen. Endlich seyn I. F. G. in das Rathhaus


1) Vergl. Jahrb. 13, S. 173.
2) Vergl. Jahrb. 5, S. 54, Anm. 4.
3) Nach Klüver, Beschreibung des Herzogthums Meklenburg, II, S. 654, hat der Teufel dabei geholfen.
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gef ue hret worden, des Raths Stuben nebst den dabey gelegenen Logiamente, in welchen viele Antiquit ae ten der Stadt L ue beck auf gut altv ae terisches abgemahlet, zum fleißigsten besichtiget. Der Marckt, welcher meistens von Handwerckern bewohnet, ist wie sonsten die gantze Stadt auf den Seehandel ohne viele Gem ae cher gebauet; auch hatt es zu L ue beck eine gute Gewohnheit, daß keine Schweine in der Stadt geduldet, sondern f ue r dem Thor in besonderen H ae usern gehalten werden, aus welchen auch keiner ein Schwein in die Stadt schleppen oder trecken muß, er habe denn das B ue rgerrecht gewonnen; daher denn etliche schimpfliche Leute die L ue becker Sautrecker nennen.

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Während die vorstehenden Blätter gesetzt wurden, erhielt ich auf eine an das Königliche Geheime Staatsarchiv zu Berlin gerichtete Anfrage das vermißte Original des Gerschow'schen Tagebuches zugesandt. Ein glückliches Geschick hat dasselbe vor dem Untergange bewahrt, und ich gebe mich der Hoffnung hin, nunmehr das ganze Tagebuch nach dem Original veröffentlichen zu können.

v. B.     

 

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VII.

Zur Baugeschichte des Schlosses zu Rossewitz.

Mit 3 Abbildungen.

Von

Dr. F. E. Koch,
Oberlandbaumeister in Güstrow.

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S ehr berechtigt ist die Beachtung, die in neuerer Zeit die Bauwerke der Barockzeit auf sich gezogen haben; und je mehr man sich in den Geist dieser Bauten hineinstudirt, desto mehr gewinnen sie an Interesse. Denn es ist nicht zu leugnen, daß dieser Stil Gelegenheit zu einem Reichthum der Façadenausbildung bietet, wie die nach klassischen Vorbildern entworfenen Bauwerke dies nicht zu leisten vermögen.

In Norddeutschland stoßen wir im Allgemeinen nur auf spärliche Beispiele der Barockzeit. Dies hat seinen Grund in den politischen Verhältnissen; hier wirkte die Kalamität, die der dreißigjährige Krieg über uns gebracht hatte, zu mächtig nach; und als endlich der westphälische Friede diesem mörderischen Kriege ein Ende machte, da begannen die Kämpfe des großen Kurfürsten. Und so ist es erklärlich, daß überall in Norddeutschland während des 17. Jahrhunderts eine geringe Bauthätigkeit herrschte, daß das Kunsthandwerk den Bewohnern abhanden gekommen war, und daß wir vom Auslande her uns die Kräfte verschaffen mußten, die erst allmählich wieder deutsche Künstler heranbildeten.

Von tief eingreifendem Einfluß für Deutschland war in dieser Beziehung die Aufhebung des Edicts von Nantes, durch die 400 000 gewerbfleißige Protestanten aus Frankreich vertrieben wurden. Dieser Strom ergoß sich zunächst nach dem der protestantischen Lehre anhängenden Theil der Niederlande, nach Holland, und verbreitete sich von dort über das nordwestliche Deutschland. Ueberall ließen diese "Refugiés"

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die noch heute erkennbaren Spuren ihrer Thätigkeit zurück und wurden gleichzeitig die Lehrmeister unserer Landsleute.

Daher stoßen wir vielfach auf französische Künstlernamen im 17. und 18. Jahrhundert, und so erscheint es sehr im kunsthistorischen Interesse, den Leistungen dieser Ausländer nachzuspüren da, wo sich die Gelegenheit dazu findet.

Solche Gelegenheit aber bietet das Schloß zu Rossewitz, indem wir es einem glücklichen Zufall verdanken, daß der Architekt dieses interessanten Bauwerks bekannt geworden ist. - Durch C. Gurlitt's Geschichte des Barockstils in Deutschland auf die Wirksamkeit Charles Philippe Dieussart's in Meklenburg aufmerksam gemacht, war es mir gelungen, das von diesem herausgegebene und in Güstrow 1679 gedruckte Werk: Theatrum architecturae civilis, wie schon an anderer Stelle mitgetheilt, 1 ) aus der Universitätsbibliothek zu Rostock zu erhalten, nur zu dem Zweck, um dies vaterländische Werk kennen zu lernen. Das Interesse für dasselbe wurde aber in ungeahnter Weise belohnt durch den Umstand, daß die letzte der Foliotafeln dieses Werkes, Tafel 65, das Hauptgesims des Schlosses zu Rossewitz darstellt, sowohl in einer perspectivischen Ansicht, wie in den geometrischen Verhältnissen, während der Text pag. 93 in Cap. XVIII keinen Zweifel darüber läßt, daß Charles Philippe Dieussart die Architektur zu diesem Schloß für den Generalmajor von Vieregge entworfen hat.

Ich gebe hierbei in Figur 1 eine photographisch dem Werk entnommene Copie des betreffenden Blattes und bemerke, daß das Hauptgesims des Schlosses noch heute genau mit dieser Zeichnung stimmt. Die triglyphenartig ausgebildeten mächtigen Consolen mit den Metopen des Untergesimses sind in Terracotta ausgeführt, während die Sima und die Hängeplatte mit den kleinen oberen Consolen, wahrscheinlich zwecks Kostenersparung und wohl in Abweichung von der ursprünglichen Absicht, in Holz construirt sind, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die kleinen als Wasserspeier gedachten Köpfe der Sima fortgelassen sind.

Das Schloß ist im Jahre 1657 vollendet und unter Dieussart's Leitung für den Generalmajor von Vieregge, der Besitzer mehrerer der umliegenden Güter war, erbaut worden. Es erhebt sich über einem hohen Kellergeschoß, in dem die massiv gewölbten Wirthschaftsräume liegen, in zwei hohen Haupt=Etagen, über deren jeder ein Mezzaningeschoß ausgebildet ist, so daß zwei volle und zwei halbe Etagen vorhanden sind. Der reich ausgebildete Mittelbau nimmt die geräumige, durch 1 1/2 Etagen reichende Vorhalle auf, während die


1) Siehe F. E. Koch, über Dieussart, Jahrb. 57, S. 237.
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Figur 1

1 1/2 darüber liegenden Etagen des Mittelbaues von dem durch die ganze Tiefe des Gebäudes gehenden Gesellschafts=Saal eingenommen werden. Zu beiden Seiten dieses Saales liegt eine Reihe von Gesellschaftsräumen, deren theilweise noch gut erhaltene Parkettfußböden, reich getäfelte eichene Thüren und Paneelungen, alte Kaminanlagen sichere Schlüsse auf die einstige Pracht dieser Räume gestatten. Dieselben nehmen die obere Haupt=Etage ein, während die untere Haupt=Etage rechts vom Flur einen die drei Fenster der Façade umfassenden Empfangssaal, der jetzt in zwei Wohnräume durchgetheilt ist, enthalten hat, und die linke Seite die

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eigentlichen Wohnräume gebildet haben wird, von denen das erste zweifenstrige Zimmer noch eine sehr reich in Barock ausgebildete Stuckdecke aufweist.

Die beiden über diesen Haupt=Etagen befindlichen Halbgeschosse haben jedenfalls die Schlafräume, Fremdenzimmer u. s. w. enthalten.

Die hohe Vorhalle zeigt als Wanddekoration jederseits drei Rundbogenarkaden, von Pilastern der toskanischen Ordnung getragen, über denen im strengen Stil ein toskanisches Gebälk mit Triglyphen und Stierköpfen in den Metopen fortläuft. Der darüber liegende, gleichfalls 1 1/2 Etage hohe Saal, dessen Decke leider zerstört ist, zeigt dagegen eine höchst interessante Wanddekoration: reiche korinthische Säulenstellungen mit Gebälk, im Geiste der damaligen Zeit plastische Ausbildung in Malerei imitirend, Supraporten über den Flügelthüren in den vier Ecken des Saales, Landschaften in Farbe darstellend; und darüber vier in guter perspectivischer Malerei imitirte Loggien. In gleicher Ausführung ist der Haupteingangsthür gegenüber eine scheinbar weithin verlaufende Säulenhalle dargestellt, eine Dekorationsweise, die nicht ohne Interesse ist, da sie an die in Italien zu dieser Zeit vorkommenden perspectivischen Architekturmalereien des Pozzo u. s. w. erinnert, und die sicher einst bei guter Erhaltung der jetzt verblichenen Farben prächtig gewirkt haben dürfte.

Erhellt wird der durch die ganze Tiefe des Gebäudes gehende Saal auf jeder Schmalseite durch die drei Fenster, die der Mittelbau (Figur 3) zeigt, und die sich in der Gartenfronte wiederholen, nebst dem über jedem befindlichen oeil de boeuf. Diese Fenster sind im Innern durch gemalte Barock=Ornamente umrahmt und mit einander verbunden, wiederum plastische Stuckdekoration nachahmend.

Der Grundriß des ganzen Gebäudes bildet ein Oblong mit zwei nach hinten vorspringenden kurzen Seitenflügeln. Zwischen diesen Flügeln hat in früherer Zeit eine Terrasse bestanden, von der aus eine Freitreppe in den hier anschließenden Park hinuntergeführt hat. Diese Terrasse ist leider vor etwa 40 Jahren wegen Baufälligkeit abgebrochen und durch eine einfache Freitreppe ersetzt worden, zu der die alten Sandstein=Balustern verwandt sind.

Man erkennt noch die reiche Anlage des einstigen Parks, an den sich unmittelbar ein freundliches, mit Fußwegen durchschnittenes Gehölz anschließt. Auch war offenbar das Schloß einst durch einen Wallgraben abgeschlossen, der allerdings wohl gleich wie bei den gleichalterigen französischen Schlössen nur einen dekorativen Zweck hatte. Reste dieses Wallgrabens finden sich sowohl vor wie hinter dem Schlosse, und erst vor etwa 20 Jahren wurde ein Theil des Wallgrabens hinter dem Schlosse zugeschüttet wegen der üblen Ausdünstungen,

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die er verbreitete. Noch jetzt ist die Brücke, die über ihn in den Park führte und die sich offenbar der Freitreppe unmittelbar anschloß, vorhanden und giebt mit ihrem kräftigen Geländer von Sandstein=Valustern Kunde von der monumentalen Ausbildung früherer Zeit.

Die Façaden des Schlosses, von denen Figur 2 die Totalansicht in Perspective und Figur 3 den Mittelbau im größeren Maßstabe nach photographischen Aufnahmen darstellen, machen einen großartigen

Figur 2

Eindruck; vor Allem ist der Mittelbau in edlen, noch der Renaissance nahestehenden Verhältnissen und mit einem gewissen Prunke ausgeführt, indem alle Architekturtheile in nordischem Marmor (Gothländischem Kalkstein), zum Theil geschliffen und polirt, gearbeitet, während die Wandflächen geputzt und abgetüncht sind.

Oberhalb eines durch eine zweiarmige Freitreppe zu begehenden Podestes mit gutem, schmiedeeisernem Geländer erhebt sich das wie gesagt noch an die gute Renaissance=Zeit erinnernde Hauptportal; über dem gebrochenen Giebel in hübscher Stilbildung das

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combinirte Wappen des Herrn von Vieregge und seiner Gemahlin, einer Gräfin Hahn, mit der Jahreszahl 1657.

Eingerahmt wird der Mittelbau in der untern Etage durch gequaderte Pilaster aus nordischem Marmor mit toskanischem Kapitäl und Gebälk, mit einem durch ein Tropfenband getragenen Gesims, welches in kräftigen Formen aus dem Abakus und Echinus des dorischen Kapitäls gebildet ist, und unter Fortfall des Tropfenbandes als mächtiges Gurtgesims sich um das ganze Gebäude fortsetzt und würdig die Parterre=Etage abschließt.

Die die obere Haupt=Etage des Mittelbaues einrahmenden, gleichfalls gequaderten Pilaster von gleichem Material sind mit reichen Kompositen=Kapitälen gekrönt, die das in Figur 1 dargestellte Gebälk mit höchst interessant zusammengesetztem Hauptgesims tragen. Ueber dem gegliederten, dem Stil entsprechend niedrigen Architrav ist ein Fries aus Terracotten gebildet, der in höchst eigenthümlicher Weise triglyphenartig ausgebildete, mächtige Consolen aufweist, zwischen denen Metopen eingesetzt sind, die in kräftigem Relief Embleme des Krieges darstellen. Die Consolen stützen eine kräftig vorliegende Platte, die den Reliefs der Metopen als Schutz gegen Witterungseinflüsse gedient hat, so daß diese wohl erhalten sind; und aus dieser Platte entwickeln sich zierliche korinthische Consolen, die die Hängeplatte des kräftig ausladenden Hauptgesimses tragen. Diese Consolen mit den darunter liegenden Theilen des Gebälks sind, der Zeichnung Figur 1 entsprechend, nach Dieussarts Entwurf ausgeführt, während die eigentliche Hängeplatte und die Sima, die ursprünglich auch wohl auf Steinconstruction berechnet waren, wahrscheinlich der Kostenersparung wegen, aus Holz gebildet sind.

Dies Hauptgesims umzieht das ganze Gebäude und verleiht demselben einen kräftig monumentalen Charakter.

Die Wandfläche des Mittelbaues wird durch die drei großen Fenster des Saales mit den darüber befindlichen Ochsenaugen belebt, die, wie die Abbildung zeigt, in zierlicher Weise umrahmt und durch Festons verziert sind. Oberhalb des mittleren Fensters ist ein Spruchband mit der Inschrift: "Semper idem" angebracht. Der Mittelbau findet seinen Abschluß durch einen hübschen flachen Giebel, in dem das Zifferblatt einer Uhr, getragen von Barock=Ornamenten, angebracht ist.

In dem breiten Fries des Hauptportals finden sich die Inschriften: einerseits

"Joachim Heinrich Vieregge, Generalmajor, auf Rossewitz, Sibsin!, Zapkendorf und Mierendorf erbgesessen;" andererseits

"Anna Margaretha Hanen vom Hause Basedow."

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Figur 3
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Die Architektur der übrigen Gebäudetheile schließt sich der des Mittelbaues an; doch ist eine einfachere Ausführung, wahrscheinlich durch Rücksicht auf Kostenersparung herbeigeführt, unverkennbar. Denn die Kosten dieses in solidester Weise angelegten Bauwerks mit seinem durchweg gewölbten hohen Kellergeschoß und den in dem Erdgeschoß 1,25 m starken Mauern müssen ungemein hohe gewesen sein. Hierauf lassen auch so manche Details des inneren Ausbaues schließen, wie z. B. die von polirtem Marmor in den Seitenwänden der Haupttreppe eingemauerten Handläufer, die außer dieser Treppe durch alle Etagen hindurchführende Wendeltreppe, die früher in verschiedenen Sälen vorhanden gewesenen Gobelins, die Anlage alter Kamine, geheimer Treppen in den Wänden u. s. w.

An alten losen Bautheilen finden sich noch in dem Schlosse: ein mächtiger, ovaler, in Holz geschnittener Blumenkranz, der als Deckendekoration in dem ursprünglich dreifenstrigen Saal rechts der Vorhalle gedient haben soll,

ein kleiner, zierlicher Majolika=Ofen, leider sehr defect, und

ein gußeiserner Ofen auf hohen Füßen aus dem 17. Jahrhundert, dänische Arbeit, mit Medaillonköpfen.

 

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VIII.

Ein Giebelhaus der Frührenaissance in Güstrow.

Mit 2 Abbildungen.

Von

Dr. F. E Koch,
Oberlandbaumeister in Güstrow

~~~~~~~~~~~~~

I n Band 12, 1847, der Jahrbücher für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, pag. 4 etc. . giebt der Geh. Archivrath Dr. Lisch eine ausführliche historische Darstellung über einen Hof mit Haus am Ziegenmarkt in Güstrow und spricht pag. 478 in fine desselben Jahrgangs die Vermuthung aus, daß das jetzt noch in Güstrow an der Mühlenstraße stehende schöne Giebelhaus, das jetzt dem Brauereibesitzer Herrn Fr. Hansen gehört, dasselbe ist, auf welches jene historische Darstellung sich bezieht.

In Jahrgang 21 der Jahrbücher wiederholt Lisch pag. 295 seine Vermuthung und führt noch einige Daten für die Bestätigung seiner Ansicht an, an deren Richtigkeit nach Ansicht des Berichterstatters nicht zu zweifeln ist.

Nach Lisch's Darstellung ist der in Rede stehende Hof im Jahre 1433 aus dem Besitz der Mönche des Klosters Michaelstein bei Halberstadt in den der Mönche des Klosters Doberan übergegangen, die schon im Besitz der Mühle am Mühlenthor in Güstrow waren und die nun die Gebäude dieses Hofes als Stapelplatz für die Erzeugnisse der Mühle und die Produkte des in ihren Händen befindlichen sonstigen Grundbesitzes benutzen wollten.

Der Umstand, daß das jetzige Giebelhaus nicht unmittelbar am Ziegenmarkt, sondern nahe bei diesem liegt, kann kein Hinderniß für die Identificirung sein; denn das jetzige Gebäude ist augenscheinlich nicht mehr das im 15. Jahrhundert existirende. Wie Lisch richtig

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Vorder-Giebel
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angiebt, stammt das jetzige Giebelhaus aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, und es ist wahrscheinlich, daß bei den im ersten Decennium des 16. Jahrhunderts stattgehabten Bränden die alten Gebäude zerstört

Hof-Front
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und dann das jetzige Giebelhaus etwas abweichend von der ursprünglichen Baustelle wieder aufgeführt worden ist.

Jedenfalls ist das in Rede stehende Giebelhaus von hohem kunsthistorischen Interesse, weil die reiche architectonische Gliederung der beiden Giebelfronten mit ihren zinnenartigen Bekrönungen deutlich den Uebergang aus der Gothik in die Renaissance und den Kampf der beiderseitigen Formbildungen zeigt.

Die in einem Mauersteine eingekratzte Jahreszahl 1539, deren auch Lisch erwähnt, stimmt sehr gut zu der Stilbildung der Giebel. Denn bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts finden wir Mischformen der erwähnten beiden Baustile in Deutschland. - Auch Lisch hat die Stilbildung richtig erkannt, indem er sie "Gothische Renaissance" nennt, eine Bezeichnung, die nicht zu empfehlen ist, während sie wohl richtiger "Frührenaissance" zu nennen ist.

Auffallend ist es, daß Scheffers in seinem schönen Werke über deutsche Renaissance keine Abbildung dieses Giebels giebt, um so mehr als er sonstige Renaissancegiebel aus Güstrow zur Genüge abbildet. Wahrscheinlich haben ihn die gothischen Anklänge davon abgehalten. Aber gerade aus dieser Uebergangszeit haben wir nicht viele Beispiele mehr, wie z. B. das schöne Gewandhaus in Braunschweig; und daher giebt der Berichterstatter hierbei gute photographische Aufnahmen des hofwärts gelegenen Giebels, der deshalb gewählt ist, weil er noch sehr rein die alte Architectur zeigt, sowie des straßenwärts befindlichen Giebels, der schon sehr "von der Cultur beleckt" 1 ) und durch nicht sehr passend gewählte Farbenanstriche übertüncht ist.

Die inneren Räume haben leider im Lauf der Jahre viele Umwandlungen erlitten, so daß sogar ein unteres Zimmer, welches noch Reste gut geformter Rococo=Sculptur zeigt, als Vorraum für den Eiskeller dient.

Die Treppe und ein Kamin zeigen Barockformen, gleich wie die Hausthür, an der aber ein kleiner, sehr schön geformter, als Thürklopfer dienender Löwe von Bronce bemerkenswerth ist.

 

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1) In geradezu sündhafter Vergehung an dem Geiste des Alterthums ist die Horstung der Belastungspfeilerchen des Vordergiebels trotz des Vorbildes hinten und entgegen dem ganzen Zwecke der Horstung vom modernen Baumeister seitlich gerichtet.     Grotefend.
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IX.

Versuche

zur

Einbürgerung der Seidenindustrie und des Seidenbaues
in Meklenburg.

Von

Professor Dr. Wilh. Stieda zu Rostock.

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D ie ersten Schritte zur Einführung der Seidenindustrie und zur eigenen Erzeugung der Seide geschahen in Deutschland während des 16. Jahrhunderts. Zwei intelligenten Ulmer Bürgern Scheller und Marteller wird nachgerühmt, daß sie im Jahre 1525 die Sammetweberei in Como erlernt hätten, um die dort erworbenen Kenntnisse in der Heimath verwerthen zu können. 1 ) Indeß dieser Versuch so wenig, wie der später - 1545 - in Augsburg von Andreas Schultz unternommene, der Goldspinnerei und Brocatweberei Eingang zu verschaffen, hatten dauernden Erfolg. 2 )

Mit demselben Mißgeschick hatten die von hoher Hand begünstigten Bestrebungen zu kämpfen. Kurfürst August von Sachsen (1553 - 86), der den Wohlstand seines Volkes überhaupt durch Pflege des Landbaues, Beförderung der Industrie und Belebung des Handels zu heben bemüht war, ließ durch den Locarner Giacomo Duno aus Zürich eine Sammetweberei ins Leben rufen. In Brandenburg aber folgte Kurfürst Joachim II. diesem Beispiel, indem er den Locarner Bartolommeo Robasciotto aus Basel zu gleichem Zwecke berief. 3 ) Der Brandenburgische Fürst übertrug seine Liebhaberei auch auf seine


1) Jäger, Geschichte der Stadt Ulm. S. 649.
2) Falke, Geschichte des deutschen Handels. II, S. 25.
3) Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel, S. 441.
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Tochter Elisabeth Magdalene, die an den Herzog von Braunschweig=Lüneburg verheirathet war. Sie scheint die erste gewesen zu sein - sie starb 1595 -, die sich in Deutschland mit der Seidenraupenzucht befaßte. 1 ) Auch ein Privatmann, Dr. Andreas Libarius zu Rothenburg an der Tauber, im Jahre 1599 wird als einer der ersten Züchter der Seidenraupe genannt. 2 ) In Württemberg interessirte sich der Herzog Friedrich I. für den Seidenbau, errichtete 1601 eine Seidenzucht und Seidenspinnerei in Stuttgart und soll es sogar so weit gebracht haben, daß er im Jahre 1603 drei Pfund im Lande erzeugte Seide nach Frankreich schicken konnte. 3 )

Aber von allen diesen Unternehmungen hat sich nicht mehr als die Erinnerung erhalten. Nicht einmal über die jeweilige Entwickelung und die Dauer dieser Betriebe ist Näheres bekannt geworden. Immerhin waren auf diese Weise um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts Anfänge der Seidenraupenzucht und der Seidenindustrie in verschiedenen deutschen Gebieten vorhanden, 4 ) und es handelte sich nur um eine Wiederbelebung dieser Anstalten, als durch die in der Mitte des 16. Jahrhunderts beginnende Gegenreformation ein Strom gewerbfleißiger Niederländer und Franzosen sich in Deutschland ergoß. Die fremden Flüchtlinge, die überhaupt auf die Verbreitung und Hebung der Industrie in Deutschland bestimmenden Einfluß gewannen, die einer neuen Unternehmungsform, der Fabrik, Anerkennung verschafften - sie waren auch die Träger und Verbreiter der Seidenindustrie. Sie führten neue Artikel ein, sie brachten einen besseren Geschmack, eine vollkommenere Technik mit sich. 5 )

Der erste deutsche Staat, der davon Vortheil zog, war Hamburg. Hier entwickelte sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts eine rege Seidenindustrie, in der insbesondere die Sammet= und Kaffaweberei entwickelt waren. Daneben aber gediehen auch die Fabrikation von seidenen und goldgewirkten Zeugen und Bändern, die Zwirnerei und die Färberei. 6 ) Wie leistungsfähig dieser Gewerbezweig, begünstigt


1) Acta Borussica, die preußische Seidenindustrie im 18. Jahrhundert, Bd. 1 und 2. bearbeitet von G. Schmoller und O. Hintze. Bd. 3, Darstellung von O. Hintze., S. 27.
2) Schreber, Versuch einer Geschichte des Seidenbaues in "Sammlung verschiedener Schriften, welche in die öconomischen, Polizey= und Cameral=Wissenschaften einschlagen." 1755, Bd. 1, S. 185.
3) Zur Förderung des Seidenbaues in Meklenburg, S. 10.
4) Groth, Geschichte der Seidenzucht und Seidenmanufaktur, Deutsche Vierteljahrsschrift, 1864, Heft 4, Nr. 108.
5) Hintze a. a. O., S. 17.
6) Rüdiger, Hamburgs Handel und Gewerbe im Zeitalter der Reformation, Hamburger Nachrichten, 1892, Nr. 8 - 11.
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merkwürdiger Weise durch den dreißigjährigen Krieg, der sonst überall tiefe Wunden schlug, auch in Hamburg wurde, zum Anbau von Maulbeerbäumen und zur Zucht von Seidenraupen entschloß man sich noch nicht. Diesen Gedanken angeregt und ihn mit allem Nachdruck vertreten zu haben, ist das Verdienst von Johann Joachim Becher.

Becher, im Jahre 1625 in Speyer als der Sohn eines protestantischen Geistlichen geboren, legte in seinen Studien eine staunenswerthe Vielseitigkeit an den Tag. Mathematik, Physik und Medizin, aber auch Theologie, Jurisprudenz, Linguistik und Kameralistik beschäftigten ihn. Professor der Medizin an der Universität Mainz, trat er bis zu den sechsziger Jahren litterarisch fast ausschließlich auf dem Gebiete der Physik, Chemie und Linguistik hervor, wandte sich dann aber der Kameralistik zu und hat hier wohl größere Bedeutung gewonnen, als in den anderen Wissenschaften. Er bekannte sich als Nationalökonom zu merkantilistischen Ideen, und wie es mit diesem System zusammenhängt, erwärmte er sich aufs Lebhafteste für Beförderung des Handwerks und die Einrichtung von Manufakturen. Unter diesen aber richtete er sein Augenmerk namentlich auf Einführung des Seidenbaues und der Seidenindustrie. 1 ) Gerade dieser Zweig spielt in seinen Projekten eine hervorragende Rolle. Er bewies, daß das Klima der meisten Gegenden Deutschlands der Seidenraupenzucht nicht entgegen sei, "ist nicht zu zweiflen, dass wo guter Wein - Wachss, auch gut Maulbeerlaub wachse, der Baum ist leicht zu handhaben, dann weil er am langsamsten seine Blätter gibt. leydet er vom Frost keine Gefahr." Besonders empfahl er zur Anpflanzung die untere "Pfalz, um Heidelberg und in der Bergstraß, angesehen das Seidenwesen allda so gut thut, als immermehr in Frankreich." Selbst wenn es aber nicht gelänge, den Rohstoff selbst im eigenen Lande zu erzeugen, so könnte man ihn bequem aus dem Auslande beziehen und hätte dann den Vortheil seiner Bearbeitung, "wodurch nicht allein ein guter Theil des Gelds im Land bliebe, sondern auch viel tausend Menschen, die nun betteln gehen, ihr Brod dadurch gewinnen könnten." Wirklich wußte er nach einander mehrere deutsche Fürsten für seine Pläne zu gewinnen. Mit dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz schloß er im Jahre 1664 einen Vertrag, laut welchem er in Mannheim und Heidelberg eine Anzahl von Manufakturen, darunter vornehmlich eine Seidenweberei, begründen sollte und zum Seidenbau Ländereien angewiesen erhielt, auf denen er 6000 Bäume


1) Politischer Diskurs von den eigentlichen Ursachen des Auff= und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken. 3. Aufl. 1688. S. 121 ff.
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pflanzte, nach Schreber sogar 20000. 1 ) Das Werk wurde auch in Gang gebracht, gerieth aber später in Stocken. Der Kurfürst Johann Philipp von Mainz ließ sich ebenfalls dazu bereit finden, in Vagts, Hochem und bei Würzburg Maulbeerpflanzungen anzulegen und betrieb die Aufzucht von Raupen mit Erfolg. Ob es in München auch schon zum Seidenbau kam, ist nicht ganz sicher. Groth behauptet allerdings, daß im Jahre 1670 in Baiern der erste Verein zur Seidenzucht gegründet wurde. 2 ) Jedenfalls kam im Jahre 1666 eine Seidencompagnie mit Hülfe holländischer und brabantischer Geschäftsleute zu Stande. Indeß alle diese Manufacturen wollten nicht recht gedeihen. Der Mangel an Betriebsmitteln, die Unerfahrenheit und Unzuverlässigkeit der aus der Fremde herbeigeholten Directoren und Arbeiter, der übertriebene Umfang des Unternehmens, die Mißgunst der einheimischen Kaufleute, die sich der Neuerung gegenüber sehr ablehnend verhielten, brachten die neuen Anstalten bald zum Scheitern. 3 )

Immerhin war durch Becher die Ueberzeugung aufgekommen, daß der Seidenbau den wirthschaftlichen und klimatischen Verhältnissen Deutschlands nicht widerspräche, und diese Ansicht wurde nun litterarisch mehr bethätigt.

Bereits Marta Baesia hatte über die Fütterung der Seidenraupen und die für sie erforderliche Temperatur Versuche angestellt, die Baesius in seinem Werke "De re vestitiaria" beschrieb. Später war in einem Werke, das Maria Sybilla Graefia über die Raupen veröffentlichte, auch der Seidenraupen gedacht worden. 4 ) Dann war im Jahre 1603 eine Schrift von Olivier de Serres über den Seidenwurm durch den Württembergischen Kammersecretair Jacob Rathgeb ins Deutsche übertragen worden, wahrscheinlich die erste in deutscher Sprache erscheinende Schrift über diesen Gegenstand. Nun mehrten sich die Anleitungen, ein Zeichen des wachsenden Interesses. Im Jahre 1668 verfaßte der Bürgermeister von Cremmen in Brandenburg, Johann Grüwel, ein Büchlein über den Seidenbau. 5 ) Im folgenden Jahre wurde die gründliche Anweisung des Franzosen Christoph Isnard, "wie die weissen Maulbeerbäume sollen gebauet werden", in Wien ins Deutsche übersetzt, und 1693 erschien in Leipzig die "Neue Seiden - Manufaktur, das ist: Ausführliche Erzehlung wie Maulbeerbäume und Seidenwürme gepfleget, gewartet, fortgepflantzet und die darzu bereitete Seide recht


1) A. a. O., 1, S. 194.
2) A. a. O., S. 105.
3) Hintze, a. a. O., S. 28, 29,
4) Groth, a. a. O., S. 104.
5) Hintze, a. a. O., S. 92.
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zugerichtet und genutzet werten könne." Der Verfasser, der sich auf dem Titelblatt als der "Kunstliebende" bezeichnet und die Vorrede an den Leser mit den Initialen J. J. W. unterschreibt, gab vor, daß er viele Jahre in Manufacturen thätig gewesen und "seine eigene langjährige Erfahrung" mittheile; doch lassen die Bemerkungen am Schlusse des Büchleins darauf schließen, daß es sich nur um eine neue Uebersetzung des Isnard'schen Werkes handelte.

Wenn es trotzdem noch einige Zeit dauerte, bis man sich dazu entschloß, die Theorie in Wirklichkeit umzusetzen und den Rath zur Anpflanzung von Maulbeerbäumen zu befolgen, so war das bei der Neuheit der Projecte wohl natürlich. Zunächst strebte man an, die Industrie festen Fuß fassen zu lassen und verschaffte ihr den Rohstoff von auswärts. In Langensalza hatten sich am Ende der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts ein paar von dort gebürtige Weber, die in der Schweiz das Gewerbe erlernt hatten, niedergelassen und eine Weberei leichter, aus Seide und Baumwolle gemischter Stoffe in Gang gebracht, die nachher, als sich kapitalkräftige Unternehmer an dem Geschäft betheiligten, einen bedeutenden Umfang gewann. Im Kurfürstenthum Sachsen, wo der Fabrikant und Commerzienrath Johann Daniel Krafft und die Gebrüder Span thätig waren, kam 1676 eine Seiden= und Wollenmanufactur in Neuostra ganz gut in Gang. Die Regierung selbst unterstützte den eifrigen Unternehmer mit Geldern, die sie aus einer neu eingeführten Tabaksteuer vereinnahmte. 1 )

Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm bediente sich ebenfalls der Hülfe des Commerzienraths Krafft, um in Berlin eine ähnliche Manufactur zu eröffnen, doch führten die Verhandlungen zunächst nicht zum Ziele. Indeß der weitblickende Herrscher verzagte nicht. Am 6. Mai 1676 wurde durch Reichsbeschluß die Einfuhr und der Verbrauch aller französischen Luxuswaaren, namentlich von Seidenzeugen, verboten und am 18. Juli desselben Jahres das betreffende Edict für Brandenburg wiederholt. Strebte man mit ihm darnach, sich von der wirthschaftlichen Ausbeutung durch den mächtigeren Nachbar zu befreien, so ließ sich nichts dagegen einwenden, da der Luxus nun einmal nicht ganz zu unterdrücken war, die Anfertigung der kostbaren Stoffe, bei der sich viel Geld verdienen ließ, im Lande selbst in Angriff zu nehmen. So gewann denn der Kurfürst einen Nürnberger, Friedrich Pilgram, der in der sächsischen Manufactur Erfahrungen gesammelt haben wollte, zur Anlage einer Fabrik in Berlin. Aber der Mann erwies sich bei näherem Zusehen als ein


1) Hintze, S. 29.
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"unzuverlässiges Subject," und die Sache unterblieb. 1 ) Erst mit der Einwanderung der Refugiés sah der Kurfürst sich der Verwirklichung seiner Ideale nähergerückt. Ein Jahr vor seinem Tode hatte er die Freude, eine wirkliche Seidenmanufactur - im Packhaus auf dem Friedrichsgraben in Berlin - in Betrieb kommen zu sehen. Ein Pariser, Jean Biet, der daheim in seiner Fabrik 20 Arbeiter beschäftigt hatte, während er die Wolle, die er zu seinen halbseidenen Geweben brauchte, auf hausindustriellem Wege von etwa 100 Personen in einigen Dörfern der Picardie herstellen ließ, also ein gewiegter Unternehmer, stand an der Spitze des Geschäfts. Er hatte einen Vorschuß von 5000 Thalern erhalten unter der Bedingung, 18 Stühle in Gang zu bringen. Seine Arbeiter, vorzugsweise Franzosen, mußte er aus Holland verschreiben. 2 )

Die Versuche, die zur Verarbeitung nöthige Seide in Preußen selbst zu erzeugen, begannen erst nach dem Tode des großen Kurfürsten. Im Jahre 1690 wurde der Anfang gemacht, indem der Amtskammer befohlen wurde, auf den Domänen Maulbeerbäume anzupflanzen. Das Ergebniß muß zunächst kein unbefriedigendes gewesen sein und zu weiterer Ausdehnung angeregt haben. Denn kein Geringerer als Leibniz griff die Idee auf, den Seidenbau in Deutschland heimisch zu machen und wirkte dafür bei dem Kurfürsten von Mainz und Hannover. 3 ) Er glaubte am schnellsten durch ein Monopol seinen Zweck, nämlich "den ansehnlichen Nutzen des Landes und des gemeinen Wesens und der hohen Herrschaft" erreichen zu können und hatte sich im Jahre 1707 bei dem Könige dafür verwandt, daß der neu errichteten Societät der Wissenschaften ein "Privilegium privativum generale perpetuum zur Erzielung der weißen Maulbeer=Bäume und der Seide" ertheilt würde. 4 ) Leibniz glaubte, daß die weißen Maulbeerbäume so gut wie Linden in unserem nordischen Klima würden gedeihen, "mithin sowohl Schatten als Nutzen geben," und demgemäß überall an bequemen Orten, auf Wällen, Straßen und "wo es sonst anständig" einzeln und in Alleen würden gepflanzt werden können. Und eine so große Vorstellung hatte er von dem Erfolge der beabsichtigten Anpflanzung, daß er für jene Societät, der er augenscheinlich wünschte thunlichst große Einnahmen zu verschaffen, nicht allein die Kultur der Bäume, sondern auch die Verarbeitung und den Vertrieb der einheimischen Seide ausschließlich in


1) Hintze, a. a. O., S. 81.
2) Hintze, S. 83.
3) Hintze a. a. O., S. 91.
4) Leibnitz's Deutsche Schriften, ed. G. E. Guhrauer. L.=L. S. 295 "Gedanken die Erziehung der Maulbeerbäume betreffend."
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Anspruch nahm, sowie sich als Gnade ausbat, die Seide und die Waare nicht zu hoch mit Zöllen und Accisen beschweren zu wollen.

Wirklich ging der König auf die Wünsche des hervorragenden Philosophen ein und bewilligte der Societät ein ausschließliches Privileg zur Anpflanzung von Maulbeerbäumen. Leibnitz that auch Schritte, es zu verwirklichen und setzte sich zu diesem Zwecke mit dem Conrector Frisch vom Berlinischen Gymnasium zum grauen Kloster in Briefwechsel. Dieser erwarb sich in der That große Verdienste um die Beförderung des Anbaues von Maulbeerbäumen, pflanzte sie in Spandau, Köpenick, in Berlin selbst und hatte die Freude, daß ungeachtet des harten Winters von 1709 der weiße Maulbeerbaum doch erhalten blieb. 1 ) Trotz alledem schlief die Lust zur Fortsetzung des Werkes allmählig wieder ein, und erst Friedrich Wilhelm I. belebte das Interesse für den Seidenbau aufs Neue. Zwei Broschüren des Conrectors Frisch: "Der Seidenbau, nach seiner Möglichkeit und Nutzbarkeit," im Jahre 1713 und "Der Seidenbau in seiner nöthigen Vorbereitung, nöthigen Bestellung und endlichen Gewinnung," im Jahre 1714 erschienen, setzten dem Publikum den Nutzen des Seidenbaues auseinander und gaben Anleitung zu seiner Inangriffnahme. Dann verwiesen die beiden Verordnungen vom 5. März 1714 und 12. September 1716 darauf, mit welchen beträchtlichen Summen Geldes das Land dem Auslande für Seide tributair sei. Dies könne man größtentheils erhalten, wenn man sich des Seidenbaues befleißigen wolle. Die Unterthanen möchten doch ihren eigenen Vortheil erkennen und Maulbeerbäume in Menge anpflanzen. Auch die Magistrate in den Städten sollten dafür eintreten, indem sie "an gemeinen Orten, an denen Mauern, Gräben, Wegen, Triften oder wo es sonst bequem und schicklich sei, von Jahr zu Jahr eine Anzahl junger Maulbeerbäume versetzen, solche gehörig warten und so zu dem Seidenbau Grund legen."

Man sieht, es war dem König voller Ernst damit und kein bloßer Scherz, wenn er durch Kabinetsordre von 1718 befahl, den gelehrten und närrischen Gundling als Geheimen Rath bei dem neu organisirten General=Commissariat einzuführen und ihm "das Departement aller Seidenwürme im ganzen Lande" zu übertragen. 2 ) Im nächsten Jahre - am 9. Januar 1719 - folgte eine Verordnung, in der die Geistlichen aufgefordert wurden, die Kirchhöfe mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, eine sicherlich angemessenere Verwendung des Platzes, als wenn man noch heute z. B. in manchen meklenburgischen Kirchdörfern Pflaumenbäume auf diesen Stätten des Friedens gedeihen sieht.


1) Hintze a. a. O., S. 91, 72.
2) Hintze, S. 92.
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Ungeduldig erwartete der König den Erfolg dieser Maßregel, wiederholte sie am Ende des Jahres - am 20. December - und verlangte binnen 8 Tagen genauere statistische Angaben von jedem Prediger, wie viel Bäume bereits gepflanzt wären. Die renitenten Prediger sollten die höchste Ungnade zu erwarten haben, "gestalt Wir keine Entschuldigung, dass der Kirchenpatron der Sache zuwider wäre oder dergleichen werden gelten lassen."

Im Thiergarten zu Berlin wurden wüste Plätze, die der König selbst bezeichnete, von Refugiés mit Maulbeerbäumen bepflanzt. Aus ihrer Ansiedelung erwuchs der später Moabit genannte Stadttheil. In Wusterhausen ließ der König ebenfalls eine Plantage anlegen, und so waren bis 1732 in und um Berlin allmählig 2000 Bäume vorhanden, deren Seidenertrag sich auf 115 Pfund belief. Der königlichen Societät war das Privileg nicht mehr erneuert worden, sondern dieses hatte, wie es scheint, der Domänenfiscal Pfeiffer erhalten, der, nächst Frisch der eifrigste Beförderer des Werkes, eine Baumschule angelegt hatte, um die ganze Kurmark mit Bäumen zu versorgen. 1 )

Gleichzeitig ließ sich der König angelegen sein, die Seidenindustrie zu entwickeln, indem er sie namentlich durch eine seit 1713 überlegtere und kräftigere Schutzzollpolitik förderte. Bei alledem war trotz hübscher Ergebnisse im Einzelnen beim Regierungsantritt Friedrich des Großen für das ganze Land noch nicht viel erreicht. In einer Instruction des gleich in den ersten Wochen der Regierung dieses Monarchen ins Leben getretenen fünften Departements, einer Abtheilung im General=Directorium, der die Sorge für Handel und Industrie im ganzen Gebiete der Monarchie übertragen wurde, bezeichnete man die Seiden=Industrie schlechtweg als eine im Lande noch fehlende Manufactur. Friedrich der Große nahm sich ihrer jetzt aufs Lebhafteste an. Wiederholt hat er erklärt, daß sie zunächst sein vornehmstes Augenmerk auf gewerblichem Gebiete sei. 2 )

In einer 1750 an den Minister von Danckelmann gerichteten Ordre bezeichnete er den Seidenbau als einen Gegenstand, "den er unter den übrigen Aufgaben für das Beste des Landes und seiner Unterthanen für einen der hauptsächlichsten halte." 3 )


1) Fr. Stadelmann, Friedrich Wilhelm I. in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preußenz. 1878. S. 180 - 182. In den Publicationen aus dem königlich preußischen Staatsarchiv. Bd. 2. - Hintze. a. a. O., S. 93.
2) Hintze, S. 104.
3) Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur. Friedrich der Große. 1882, S. 215. In den Publicationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven, Bd. 11.
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Alle bisher in Preußen bestehenden Fabriken gebrauchten italienische Seide. Der Ertrag des eigenen Seidenbaues kam nicht in Betracht. Hier setzte nun Friedrich der Große ein. Er gab die Hoffnung, einen beträchtlichen Theil des für die Manufacturen erforderlichen Rohstoffes im Lande selbst hervorbringen zu können, keineswegs auf und wandte sich zu diesem Zwecke an die französische Kolonie, bei der er das meiste Verständniß für seine Ziele voraussetzte. In den Jahren 1741 und 1742 ergingen Edicte, die das Publikum zum Pflanzen von Maulbeerbäumen und zur Zucht von Seidenwürmern aufforderten. Samen für die Bäume, Eier für die Raupenzucht wurden unentgeltlich vertheilt und für die Anlegung von Plantagen eine Geldprämie von 50 Thalern für je 1000 Stämme verhießen. Später erneuerte man die Verfügungen, Kirchhöfe und Stadtwälle mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, verbot die Ausfuhr von Maulbeerbäumen und ihre Aufkäuferei, bedrohte ihre Beschädigung mit strenger Strafe. Dann wurden die geistlichen Stiftungen, namentlich die Waisenhäuser, zu Pflanzschulen des Seidenbaues gemacht. Die verschiedenen Berliner Waisenhäuser, die Charité, die Francke'sche Stiftung in Halle, das Waisenhaus in Züllichau haben auch in der That unter der Führung des Potsdamer Waisenhauses auf den Appell geantwortet und sich zu wahren Musteranstalten für den Seidenbau entwickelt. 1 ) Den Geheimrath de Cognary schickte er (Anfangs der 50er Jahre) nach Genf, um 200 Familien zu engagiren, "welche mit dem ganzen Seidenbau, wie solcher von Anfang bis zum Ende traktiret werden muss, wohl umzugehen wissen." 2 )

Bei Neuverpachtungen von Domänen wurde der Pächter contractlich verpflichtet, Maulbeerbäume zu pflanzen, in manchen Fällen bis zu 1000 und mehr Bäumen. Auf seinen Reisen besichtigte dann der König die Pflanzungen, war aber selten mit ihren Ergebnissen zufrieden. Es geschieht ihm zu wenig, und die Kammern werden immer wieder angewiesen, "die Amtleute ernstlichst zur Befolgung ihrer Pflicht anzuhalten." "Es seindt Faule Esels," fügt der König in einer seiner bekannten anzüglichen Randbemerkungen hinzu. 2 )

Von der Kurmark aus verbreitete sich der Seidenbau in die benachbarten Provinzen. Man dehnte die zunächst auf die Kurmark berechneten Maßregeln seit 1750 auf Pommern, die Neumark, Magdeburg, Halberstadt aus. Geistliche und Schulmänner waren es auch hier, an deren thätige Hülfe man sich wandte. Der König setzte im Jahre 1750 für denjenigen Landgeistlichen oder Schullehrer, der


1) Hintze, S. 107, 109.
2) Stadelmann, a. a. O., S. 216.
2) Stadelmann, a. a. O., S. 216.
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10 Meilen um Berlin herum die meiste Seide - 6 Pfund Seide im Jahr - gewonnen haben würde, eine Belohnung von 100 Thalern aus. Die nächstfolgenden Drei sollten 50, 25 und 10 Thaler erhalten. Der Erfolg dieser Prämien, für die jährlich im Ganzen 240 - 280 Thaler verwandt wurden, war ein sehr guter. In der Kurmark stiegen die Erträge an Seide, die die Geistlichen und Schullehrer aufbrachten, von 50 auf 700 Pfund. - Privatleute wurden zum Seidenbau angeregt, indem man ihnen königliche Grundstücke zur Anlage von Plantagen anwies. Der Adel ging ebenfalls auf die Wünsche des Königs ein. Der Minister von Bodin in Charlottenburg, die Arnims auf Boytzenburg zeichneten sich durch eifrigen Betrieb des Seidenbaues aus.

Eine hervorragende Musteranstalt für den Seidenbau wurde die in Berlin gegründete königliche Realschule, die der Pastor Hecker von der Dreifaltigkeitskirche leitete. Viele ihrer Zöglinge wurden nachher Schullehrer auf dem Lande und wirkten dann als Apostel des Seidenbaues. Die technische Aufsicht war seit den 50er Jahren besonderen Plantagen=Inspectoren übertragen, die für einzelne Provinzen und Landestheile angestellt wurden. Ihnen waren an wichtigen Plätzen sogenannte Planteurs, später die Kreisgärtner untergeordnet. Sie reisten im Lande umher und ertheilten practischen Unterricht. Einer von ihnen, der kurmärkische Inspector Johann Friedrich Thym, verfaßte auch eine Schrift "Practik des Seidenbaues," die 1750 zum ersten Male erschien und nachher noch oft aufgelegt wurde.

Unter solchen Umständen stieg bis zum Anfang des 7jährigen Krieges die Zahl aller Bäume auf gegen 500 000, darunter 100 000 laubbare. Der Ertrag an Seide betrug im Jahre 1754 2637 Pfund, war freilich durch einen Kostenaufwand von mehr als 10 000 Thalern herbeigeführt. 1 ) Bis zum Jahre 1771 waren in den Provinzen Kurmark und Neumark, Pommern, Magdeburg=Halberstadt die Zahl aller Bäume auf 1 090 621, der Ertrag der Seide auf 4 704 Pfund gestiegen. Sechs Jahre später - 1777 - war die Zahl der Bäume 1 268 105, der Ertrag an Seide 10 039 Pfund; im Jahre 1782 betrug die Zahl der Maulbeerbäume über 3 Millionen und die Seidenproduction über 14 000 Pfund. Die letztere wuchs bis 1785 auf 17 000 Pfund. 2 )

Außerhalb Preußens war man nicht weniger bestrebt, den Seidenbau zu begünstigen. Es mag sein, daß für die Staaten, die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts dazu schritten, die sichtbaren Erfolge


1) Hintze, S. 131, 133.
2) Stadelmann, a. a. O., S. 208.
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der friedericianischen Bestrebungen maßgebend wurden. Im Ganzen aber lag die Idee sozusagen in der Luft. Die Lehren der merkantilistischen Politik beherrschten damals die Köpfe, und sie gingen dahin, daß man möglichst die Industrie entfalten müsse, um das Geld für ihre Erzeugnisse im Lande zu behalten. Gerade ein so kostbarer Artikel, wie Seide, seidene und halbseidene Stoffe und was mit deren Fabrikation zusammenhing, erforderte die regelmäßige Sendung von viel Geld ins Ausland. Diese Summen glaubte man sparen zu können, und es schien dazu um so mehr Hoffnung, als in der That das Klima von Deutschland dem Wachsthum des Maulbeerbaumes kein Hinderniß in den Weg legte.

Im Kurfürstenthum Sachsen soll schon im Jahre 1700 von einem gewissen Kretschmar die erste regelrechte Plantage von Maulbeerbäumen angelegt worden sein. Besonders lebhaft entwickelte sich der Seidenbau seit 1744. Im Zeitraum von elf Jahren, von 1744 bis 1755, wurden über 35 000 Maulbeerbäume gepflanzt, und im Jahre 1753 gewann man bereits 150 Pfund Seide. Am 6. August 1754 wurde in einem besonderen Mandat dazu ermuntert, das zu ähnlichen Maßregeln griff wie in Preußen, Betheiligung der Geistlichen und Lehrer, Bepflanzung der Kirchhöfe u. s. w., später auch Prämien anordnete. 1 )

Weniger Erfolg erzielte man in Württemberg. Dort gründete im Jahre 1735 ein Seidenfabrikant aus den Niederlanden, Johann Rigol, eine von der Regierung angelegentlichst unterstützte Seidenbau= und Manufactur=Gesellschaft. Allein es stellte sich bald heraus, daß Rigol und Genossen von der Aufzucht der Seidenraupen nichts verstanden. Der Unternehmer selbst flüchtete, und seine Arbeiter wanderten aus. 2 ) Spätere unter Herzog Karl Eugen angelegte Plantagen (1744 - 93) sollen sich besser bewährt haben. 3 )

In Braunschweig, in Hannover, in der Pfalz wandte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das öffentliche Interesse ebenfalls dem Seidenbau zu, indeß trotz achtbarer Leistungen im Einzelnen gelangte man nirgends zu ähnlich günstigen Gesammtergebnissen wie in Preußen.

In diese Zeit fallen nun auch in Meklenburg die ersten Bestrebungen, der Zucht der Seidenraupen Eingang zu verschaffen, freilich ohne daß sie zu irgend einem Ergebniß führten.


1) Schreber, a. a. O., 1, S. 192. Dresdnische gelehrte Anzeigen. Groth, a. a. O., S. 108. Hintze a. a. O., S. 31.
2) Zur Förderung des Seidenbaues in Meklenburg, S. 11.
3) Groth, a. a. O., S. 109.
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Im April des Jahres 1753 wandte sich der Gärtner Carl Ludewig Schmidt in Stettin 1 ) an den Herzog mit dem Vorschlage, Pflanzungen von Maulbeerbäumen anzulegen. Er behauptete, von dem Wunsche des Herzogs, Maulbeerbäume in seinem Lande zu besitzen, gehört zu haben und erklärte sich bereit, wenn man ihm Reisegeld und hinlänglichen Gehalt, dessen Höhe er aber nicht bestimmte, bewilligen wollte, im nächsten Frühjahr nach Meklenburg zu kommen und mit Anpflanzungen zu beginnen. Zum Beweise seiner Fähigkeit, das fragliche Werk in Scene zu setzen, berief er sich darauf, daß die königliche Kriegs= und Domänenkammer in Stettin ihm den Auftrag ertheilt habe, überall in Pommern auf den Kirchhöfen Maulbeerbäume zu setzen, was "er sonder Ruhm sehr wohl zu Stande gebracht" hätte. Alle Bäume gingen gut vorwärts, und er zweifle nicht, daß man in neun Jahren einen vollkommenen Seidenbau entwickeln könne.

Christian Ludwig, obgleich in hohem Alter zur Regierung kommend, hatte doch schon bei den Vorverhandlungen zum Erbvergleich bewiesen, daß er die neueren Ideen seiner Zeit, die überall dahin drängten, industrielle Anlagen emporzubringen, verständnißvoll in sich aufgenommen hatte. Um heilsame Maßregeln "zum besseren Schutz und Verschleis der in unsern Landen sich ergebenden einheimischen Produkten" treffen zu können, hatte er damals vorgeschlagen, die Einfuhr von kupfernen Kesseln, von Sensen und von Salz zu verbieten, da die einheimischen Fabriken und Bergwerke diese Gegenstände ausreichend lieferten. Aber er hatte die Stände, die an dem freien und ungezwungenen Commercium festhielten, nicht davon überzeugen können, daß aus der gelegentlichen Beschränkung der Freiheit für das Land etwas Ersprießliches erwachsen würde. Es ist demnach wohl glaublich, daß auch die Beförderung des Seidenbaues zu seinen Wünschen gehörte, und er sich vielleicht in Brandenburg nach Persönlichkeiten umgesehen hatte, die geeignet waren, diese auszuführen.

Große pekuniäre Opfer war man nicht in der Lage, für beregten Zweck zu bringen, und so antwortete die Kammer, 2 ) daß wenn Schmidt sein Vorhaben auf eigene Kosten ausführen wolle, ein Revier Landes ihm dazu angewiesen werden würde. Gärtner Schmidt, dem vermuthlich die Mittel gefehlt haben werden, verband sich mit einem Genossen Johann David Gercke, um gemeinsam den Versuch zu wagen. Gercke war ebenfalls ein bewährter Pflanzer, dem Pastor Georg Christian Mayer in Stargard bescheinigen konnte, 3 ) daß er


1) Diese, sowie die folgenden Mittheilungen nach Acten des Geheimen und Haupt=Archivs in Schwerin "Maulbeer=Plantagen und Seidenweberei."
2) Am 21. April 1753.
3) 1753, August 9.
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seit 12 Jahren mit der Kultur von Maulbeerbäumen vertraut sei, seine Bäume in Hinter= und Vor=Pommern wie in der Mark abzusetzen pflege und eben auf seiner Plantage auf dem Stuhthoffe 14 000 Stämme in Flor habe.

Diese beiden Männer erschienen im August 1753 in Schwerin und legten der Kammer die Bedingungen vor, unter denen sie bereit waren, Plantagen anzulegen. Sie forderten zunächst Tagegelder von 32 Schillingen und Reisegeld, um im Lande die für ihre Zwecke passendste Gegend aufzusuchen. Ein Grundstück, groß genug, um 1 000 Bäume darauf zu pflanzen, sowie ein Haus, in dem sie wohnen und gleichzeitig die Fabrik betreiben könnten, wünschte Jeder von ihnen für seine Bemühungen unentgeltlich als erbliches Eigenthum. Das für die Plantage nöthige Holz sollte ihnen unentgeltlich geliefert, der Transport der Bäume von Rostock bis an die Plantage aus Staatsmitteln bestritten werden. Ferner sollte die Regierung für die Verbreitung der Bäume bei Pächtern, Beamten und den Einwohnern Sorge tragen und diese veranlassen, sie zum Preise von 6 Schill. 6 Pfen. pro Stück von ihnen zu kaufen. Der Herzog seinerseits sollte ihnen 10 Pfund Saat zu Maulbeerbäumen, die sie mitbringen würden, zu 10 Thaler das Pfund abnehmen. Sie würden den Samen dann dort einstreuen, wo der Herzog es wünschte, behielten sich aber vor, die entstehenden Bäume für Plantagenzwecke zu benutzen. Endlich wollten sie sich zu einer Art Inspectoren gemacht wissen und versprachen gegen Diäten von 32 Schillingen und freie Fahrt zweimal jährlich Revisionsreisen im Lande zu machen.

Man sieht, daß beide Gärtner ihren Vortheil wahrzunehmen wußten. Sie mochten ja in der That auf dem Standpunkt stehen, wie sie versprachen, daß die Plantagen zum "Wachsthum des Landescommercii" gedeihen würden; auffällig blieb es immer, daß sie der Kammer nicht unbeträchtliche Kosten zumutheten, ohne irgend eine Gewähr für das Gelingen des Werkes bieten zu können. Man war daher in Schwerin auch nicht im Geringsten geneigt, ihnen mehr entgegen zu kommen, als indem man ihnen ein Grundstück frei und ohne Abgabe überwies. Alle Unkosten sollten die "Planteurs" selber tragen, da sie nicht "die geringste, auch nicht einmal wahrscheinlichste Vermuthung eines künftigen Profits" bieten könnten. Allenfalls war man noch bereit, ihnen Bauholz zu liefern.

Auf solchen Bescheid mochten die beiden Bewerber nicht gefaßt gewesen sein; nachdem sie ihn erhielten, baten sie wenigstens um Ersatz ihrer Reisekosten; aber unter dem Hinweis darauf, daß Niemand sie geheißen hätte, zu kommen, wurde ihnen diese, ja übrigens auch wenig begründete Bitte abgeschlagen.

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Daß es sich bei dieser Entscheidung um eine grundsätzliche Auffassung der Kammer handelte, beweist ein anderer fast gleichzeitig sich abspielender Fall. Am 14. Mai desselben Jahres bot der Kaufmann David Dinter aus Stargard in Pommern dem Herzog einen Maubeerbaum=Planteur, Friedrich Vanselow, an, der seit sieben Jahren mit dem Seidenbau sich beschäftigt habe und ein guter Oeconom, Gärtner und Jäger sei. Auch diesem wurde von der Kammer der Bescheid zu Theil, daß wenn das vorgeschlagene Subject auf seine Kosten Plantagen errichten wolle, man ihm die dazu erforderlichen Terrains einräumen werde. Auf mehr könne man sich nicht einlassen.

Mit dem Regierungsantritt Herzog Friedrichs im Jahre 1756 scheint der Gedanke, die Industrie zu beleben, mehr als in früheren Jahren allgemein erörtert worden zu sein. Es war einer der ersten herzoglichen Landtagsvorschläge gewesen, zu überlegen, wie man "nach dem Exempel anderer wohleingerichteter Staaten die einheimische Wolle in einheimischen Manufakturen zum Aufnehmen des Landes" am zweckmäßigsten verwenden könne. Allerdings kam bei dieser Ueberlegung nichts heraus, denn die Stände wollten von dem Vorschlage, einen Zoll auf die Ausfuhr roher Wolle zu legen, nichts wissen. Jedoch zeigt diese Thatsache, daß der Herzog wie sein Vater die Hebung des Gewerbes in Meklenburg für nothwendig und vortheilhaft ansah. So hatte er denn auch gegenüber der Meldung eines gewissen Antoine Verdier aus Berlin, der bereit war, Plantagen von Maulbeerbäumen anzulegen und Seidenfabriken zu begründen, den leicht begreiflichen Wunsch, daß die Kammer die Angelegenheit ernstlich prüfen möge. Die Bedingungen, wie sie Verdier aufgezeichnet haben wird, liegen leider nicht vor. Nur aus dem Bericht, den die Kammer am 15. October 1760 dem Herzog abstattete, können wir entnehmen, daß er freie Wohnung, Materialien, 20jährige Abgabenfreiheit u. s. w. verlangt hatte. Er selbst war mittellos.

Wie es scheint, stammte Verdier aus einer Seidenfärber=Familie dieses Namens, die aus Genf im Jahre 1752 in Berlin eingewandert war. Offenbar hatte man ihn dorthin berufen, denn eine Kabinetsordre vom 2. Juli 1752 bewilligte ihm Reisegeld von 200 Rthlr. und eine jährliche Pension von 300 Rthlr. Zwei Jahr später kam ein anderer Verdier - sein Vorname war Marc, während der Vorname des ersten unbekannt geblieben ist - mit seiner Familie nach Berlin, der ebenfalls als ein gewandter Färber gerühmt wird und dem Pension, sowie Umzugskosten in edictmäßiger Höhe zugestanden wurden. Dem 1752 eingewanderten Verdier scheint Berlin nicht auf die Dauer zugesagt zu haben, so daß er 1763 oder 1764 nach

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Rußland ging. 1 ) Es wäre nicht unmöglich, daß er mit dem in Meklenburg sich meldenden Antoine Verdier identisch ist.

Aus der Niederlassung des Herrn Verdier wurde nichts. Die Kammer benutzte die Gelegenheit, um ihre principielle Stellung zu den auf die Hebung der Industrie bezüglichen Maßregeln kundzuthun. Sie meinte, daß es bei dem bisherigen Mangel an Fabriken und Manufacturen in Meklenburg in erster Linie darauf ankäme, Industrieen einzubürgern, die die schon längst vorhandenen Landesproducte verarbeiten könnten. Wenn aber des Herzogs specieller Wunsch auf die Seidenindustrie gerichtet sei, so möge er bestimmen, wie weit man dem Verdier entgegenkommen solle und ob Ludwigslust, wo der Petent sich niederlassen wolle, wohl der passendste Ort für die Anlegung einer Plantage sei.

Wahrscheinlich hat der Herzog Friedrich bei näherer Prüfung der Verdier'schen Projecte selbst gefunden, daß der Standpunkt der Kammer nicht unberechtigt war. Wenigstens wird uns nichts von weiteren Verhandlungen mit dem Franzosen gemeldet und ist auch nicht bekannt geworden, daß in den folgenden Jahren neue Seidenbauprojecte erörtert worden sind.

Zahlreicher als diese vereinzelten Versuche zur Einführung des Seidenbaues sind die Bestrebungen zur Einführung der Seidenindustrie, von denen sich Kunde erhalten hat. Sie führen uns zuerst in das Herzogthum Meklenburg=Güstrow, dessen Regierung seit dem Jahre 1654 der kaum erst 21jährige Herzog Gustav Adolf führte.

Bereits im Jahre 1675 war man in Meklenburg soweit, seidene Strümpfe, die ein begehrter Artikel waren, selbst anfertigen zu können. In einer Aufzeichnung aus diesem Jahr über allerlei Handwerksgeräth, das fremde Tuchmacher in Güstrow, die daselbst auf Barkentien's Hofe wohnten, zurückgelassen hatten, wird neben Webstühlen, Farbkesseln u. s. w. auch aufgeführt "ein neuer Stuhl nebst allem Zubehör, worauff Seydenstrümpfe gemachet werden." Es stellte sich heraus, daß dieser Stuhl von einem Graf von Ranow für 200 Rthlr. gekauft und einem der betreffenden Gewerbetreibenden, die sich, wie es scheint, heimlich davon gemacht hatten, zur Benutzung überlassen worden war. Der Graf nahm den Stuhl nun wieder an sich und vertraute ihn einem anderen Industriellen an, dessen gewerbliche Eigenschaft weiter nicht characterisirt wird und der seinem Namen nach - Pillon - vielleicht ein eingewanderter Franzose oder Schweizer gewesen sein könnte.


1) Acta Borussica, I, S. 241, 419, 434.
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Die Thätigkeit eines anderen, seinem Namen nach unverkennbar eines Franzosen, - Johann de Marne - können wir in Neustadt verfolgen. Er übte hier die Kunst eines Schönfärbers, unterstützt von zwei Söhnen, Lucas und Jaques, aus, die gleichzeitig auch der Webekunst oblagen. Sie konnten alle damaligen seidenen, sammetnen, halbseidenen und wollenen Modenstoffe und Gaze, als Grosgrain 1 ), Taffet 2 ), Damast 3 ), Dobbin 4 ), Brüsch=Atlas 5 ), Kaffa 6 ), Triep 7 ), Poliamieth 8 ), Barath 9 ) u. s w. herstellen. Offenbar war für die Arbeitsamkeit dieser drei Männer Neustadt ein zu geringes Feld, und sie sehnten sich darnach, in größere Verhältnisse zu kommen. Demgemäß wandten sie sich im Jahre 1680 an den Herzog Gustav Adolf mit der Bitte, sich in Güstrow niederlassen zu dürfen. Sie begehrten einen Vorschuß von 200 Rthlr., den sie zu verzinsen bereit waren und für die ihr Vater in Neustadt mit seinem Hause Bürgschaft leistete, sowie Contributionsfreiheit für einige Jahre, bis sie sich eingerichtet hätten. Bereitwilligst ging der Herzog auf diese nicht unbescheidenen Forderungen ein, gestand ihnen 6 Freijahre zu, während welcher Zeit sie weder Stadt=noch Landcontribution zahlen sollten und erlaubte ihnen, "ihr Handwerk in Verfertigung allerhand seidenarbeit sowie sie es erlernt und davon wissenschaft haben, frey und ungehindert treiben und ihre verfertigte wahren in und ausserhalb unsern landen verhandeln zu dürfen." Am 19. Mai 1680 hatten die Gebrüder de Marne das Kapital von


1) Soviel wie Grobgrün, ein wollenes Zeug, das, nach Art des Packans gemacht, zur Männerkleidung diente, in schwarzer, blauer und grüner Farbe.
2) Ein glattes reinseidenes Gewebe von großer Feinheit.
3) Ein geblümtes Zeug, bei dem auf der einen Seite der Grund Atlas und die Figur Taffet, auf der andern Seite die Figur Atlas und der Grund Taffet ist.
4) Richtiger Tobin, Tabin: eine Art gewässerten Seidenzeuges, Taffet oder Chamellot.
5) Atlas ist ein ganz seidenes Zeug, das glatt gewebt ohne Blumen und Streifen von vortrefflichem Glanze ist. Brusch=Atlas scheint eine Art reich broschirten Zeuges mit Blumen, die einen Atlas= oder Köpergrund haben, gewesen zu sein, oder war dasselbe, was man auch als Chenillen=Atlas zu bezeichnen pflegte.
6) Ein ganz langhaariger, wollener, derart geblümter Sammet, daß die Figuren durch den glatten Grund gebildet werden.
7) Ein auf Sammet=Art zubereitete's Gewebe (Tripp=Sammet), das am Anfang des 18. Jahrhunderts zu Schauten, Kragen und Mützen gebraucht wurde.
8) Sonst als Polemit, Polamit, Polimit und Polomit bezeichnet, ein sehr leichtes Wollenzeug, das man zuerst häufig in Ryssel machte, nachher in mehreren französischen, endlich auch in deutschen Manufacturen anzufertigen verstand.
9) Ein französisches, halb aus Floretseide, halb aus Wolle gewebtes Zeug.
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200 Rthlr. aus der fürstlichen Kammer erhalten, das sie mit 10 Thlr. jährlich verzinsten und nach zwei Jahren zurückzuerstatten versprachen. Ueber ihr weiteres Schicksal wissen wir leider nichts. Hoffentlich haben sie das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt.

Der Neffe Gustav Adolfs, Herzog Friedrich Wilhelm, der 1692 in Schwerin, 1695 in Güstrow zur Regierung kam, hatte von vornherein sein Augenmerk auf die Hebung der Industrie gerichtet. Er bethätigte u. A. sein Interesse durch Einladung der aus Frankreich vertriebenen Protestanten, denen er in Bützow eine willkommene Unterkunft bot, und scheint seinen Agenten im Auslande Befehl ertheilt zu haben, fähige Gewerbetreibende verschiedener Branchen zur Uebersiedelung nach Meklenburg unter angemessenen Bedingungen aufzufordern. Demgemäß schrieb unter dem 26. Juni 1706 der Agent, Secretair Schlei aus Kopenhagen an den Landrentmeister Storm in Schwerin wegen vier geschickter Seidenweber, die geneigt waren, sich in Schwerin niederzulassen.

Die vier Weber waren Brüder, aus Hamburg gebürtig, wo ihr Vater ebenfalls sich mit Seidenweberei beschäftigte. Zwei waren bereits Meister, die beiden anderen, also wohl in jüngerem Alter, arbeiteten als Gesellen bei ihnen. Sie waren einem Rufe nach Stockholm gefolgt, wo man damals seit 1648 sich bemühte, Manufacturen, insbesondere Seidenwebereien, anzulegen, 1 ) und hatten sich von dort, als sie sich in ihren Erwartungen getäuscht sahen, nach Kopenhagen begeben, wo sie aber leider auch erleben mußten, daß das Commerzkollegium, das ihre Reise veranlaßt hatte, ihnen nicht alle gemachten Versprechungen hielt. In Folge dessen war einer von ihnen aufs Neue nach Stockholm zurückgegangen, die anderen drei aber zeigten die größte Neigung, sich wieder in Deutschland ansässig zu machen und hatten sich gerade Meklenburg ausgesucht, "weillen Ihro Durchlaucht dergleichen Leuten so herrliche Privilegia geniessen liessen," zweifellos eine Anspielung auf die Privilegien der damals kürzlich ins Leben getretenen französischen Kolonie, deren Ruf bis in den Norden gedrungen sein mußte. Ueber 3 Webstühle nebst dem dazu gehörigen Geräth verfügten unsere Hamburger, aber es fehlte das Reisegeld, und sie wünschten außerdem einige Hundert Thaler Vorschuß. Im Besitz dieses Kapitals wollten sie die Manufactur großartig einrichten, noch drei Kollegen aus Hamburg kommen lassen und 4 meklenburgische Jungen in die Lehre nehmen.

Der Fall lag augenscheinlich nicht ganz ungünstig, aber man scheute sich doch vor dem Risiko. Man war damals gerade darauf


1) Hintze a. a. O., S. 23.
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bedacht gewesen, die solidere Schwester der Seidenweberei, die Wollenweberei, wieder in Gang zu bringen, hatte eben - 1705 - eine neue Schauordnung für die Tuchmacherei erlassen und hierbei, sowie vielleicht zur Unterstützung der Refugiés alle zur Zeit verfügbaren Mittel aufgebraucht. Daher antwortete am 3. Juli 1706 die Kammer dem Herrn Agenten, daß bei den ziemlichen Kosten, die die Beförderung der Wollenmanufactur verursache, es bedenklich scheine, "sich auch noch mit den Seidenmanufacturen zu meliren." Sie erklärte daher, von seinem Anerbieten keinen Gebrauch machen zu wollen.

Eine lange Zeit - beinahe 30 Jahre - vergeht, ohne daß wir etwas von unserer Seidenindustrie hören. Aber mittlerweile war in Warin von zwei Seidenhändlern, Johann Oswald Zeuner, der gleichzeitig Besitzer eines Gasthofs in Langensalza war, und Jochim Thomas Hartung, eine Seidenfabrik eingerichtet worden. Diese war - wenigstens nach dem Berichte der beiden genannten Unternehmer - einige Zeit ganz gut gegangen. Die Stadt sollte sich dabei nicht schlecht befunden und sie selbst ebenfalls ihren Vortheil gehabt haben. Aber nun war ein Moment gekommen, wo ihnen das Betriebskapital ausging, und sie wandten sich daher am 6. April 1734 an Herzog Carl Leopold mit der Bitte um eine Audienz, in der sie ihre Wünsche bezüglich eines Darlehns begründen könnten. Wohl sei ihnen - bemerkten sie etwas ruhmredig - von einigen Mitgliedern der Ritterschaft und einigen Herren aus Lüneburg Geld zur Fortsetzung ihres Geschäfts angeboten worden; aber sie hätten doch mehr Vertrauen zu ihrem Landesherrn.

Bei der in Schwerin stattfindenden Kammerverhandlung, der der Kammerrath Faber präsidirte, handelte es sich im Wesentlichen darum, ob der Betrieb einem herzoglichen Wunsche gemäß nach Schwerin verlegt werden könne oder nicht. Die Unternehmer machten Schwierigkeiten. In Warin hätten sie gute Arbeiter, in Schwerin müßten sie erst einige anlernen. Der Transport ihrer Geräthschaften verursache Zeit= und Geldaufwand und schließe die Gefahr, daß unterwegs etwas zerbrechen könne, in sich ein. Auch seien die Kaufleute in Rostock, Güstrow, Wismar und Bützow, die für den Vertrieb ihrer Erzeugnisse sorgten, an ihren Wohnsitz in Warin gewöhnt. Sie wollten weiter nichts als einen Vorschuß von 160 Thalern, um eine Parthie Seide von Johann Heinrich Basch in Hamburg einkaufen zu können. Diesen Betrag wollten sie verzinsen und stellten ihr Geschäft als Caution. Da sie gefürchtet zu haben scheinen, daß man ihnen trotz des vielen Guten, das sie von ihrem Betrieb zu rühmen wußten, nicht recht trauen würde, schlugen sie vor, die betreffende Summe dem Bürgermeister Franck in Warin zu übergeben, durch

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dessen Vermittelung sie sich die Seide aus Hamburg kommen lassen wollten, um sie je nach Bedarf in Beträgen von je 10 Pfund von ihm abzuheben. Dem Herzog suchten sie das ganze nicht sehr lockende Geschäft dadurch annehmbar zu machen, daß sie vorstellten, wie der Betrieb ihres Geschäftes Nahrung in die Stadt Warin brächte.

Indeß es wird sich kaum in Wirklichkeit mit der Blüthe des Geschäfts so verhalten haben, wie die beiden Unternehmer sie schilderten. Noch ehe die Entscheidung der Kammer ergangen war, hatten sich die Compagnons entzweit, und am 15. Mai 1734 reichte Herr Hartung allein dem Herzog eine Eingabe ein, in der er um ein Darlehn von 50 Thalern zum Ankaufe von Seide bat. Gleichzeitig ersuchte er den Herzog, ihn vor den Verwandten seines früheren Compagnons schützen zu wollen; er sei vor ihnen nicht auf der Landstraße sicher. Man wird es wohl als selbstverständlich ansehen müssen, daß der Herzog verschmähte, mit Hülfe solcher etwas eigenartiger Männer Industrieen in Meklenburg groß zu ziehen.

Mittlerweile geschah in Preußen unter Friedrich dem Großen außerordentlich viel für die Entwickelung der Seidenindustrie. Im Jahre 1746 wurde von der kurmärkischen Landschaft ein Kapital von 100 000 Thalern aufgenommen, die zur Beförderung des Seidenbaues und der Seidenmanufacturen verwandt werden sollten. Man zog aus aller Herren Ländern, aus Italien und Oesterreich, aus Leipzig und Dresden, aus Hamburg, Amsterdam und Kopenhagen, aus Basel und Zürich, namentlich aber aus Frankreich, und zwar ganz vorzugsweise aus Lyon, Meister und Gesellen heran und unterstützte sie mit Privilegien. Einzelnen größeren Unternehmungen wurden Monopole und Exportprämien zugestanden und Vorschüsse gewährt; durch Einführung einer regelmäßigen Waarenschau strebte man die Güte der Fabrikate an. Die Eröffnung eines Seidenmagazins ermöglichte, namentlich vortheilhaft für die kleineren Fabrikanten, die Beschaffung des Fabrikationsmateriales besser und billiger, als es der Einzelne vermochte. Eine Reihe von Maßregeln endlich bezog sich auf die Erleichterung des Absatzes zunächst auf dem inländischen Markte, dann aber auch im Ausland. Durch Norddeutschland ging der große Zug der westeuropäischen, namentlich der französischen, Luxuswaaren nach dem Osten und Norden, wo die Prunksucht der polnischen und russischen Edelleute einen immer aufnahmebereiten Markt bot. Daher wurde bereits 1746 sämmtlichen Berliner Seidenzeugfabrikanten eine Export=Prämie von 4 Procent aus der Accisekasse bewilligt, die einige Jahre später auf das Doppelte erhöht wurde.

Unter diesen günstigen Verhältnissen war bis zum Ausbruch des siebenjährigen Krieges der Gesammtbetrieb in allen Zweigen der

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Industrie, mit Einschluß der Halbseiden =, Seidenstrumpf= und Seidenbandfabrikation, in Berlin auf 900 bis 1000 Stühle gebracht worden, wovon 4 - 500 auf Sammet= und Seidenzeugmanufacturen - kamen. Auch in Potsdam waren ungefähr 100 bis 200 Stühle im Gange. Die Zahl aller in Berlin und Potsdam in der Seidenindustrie beschäftigten Personen mag sich auf gegen 4000 belaufen haben, der Werth der Production auf ca. 300000 Thaler jährlich. 1 )

Wie glänzend mithin die Industrie sich entwickelt hatte, so gab es natürlich immer einige Individuen, die es nicht gut getroffen hatten und die aus Preußen wieder fortstrebten in der Hoffnung, an einem anderen Platze mehr Glück zu haben. Waren es bisher in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unternehmende Deutsche gewesen, die sich nach Meklenburg wandten, so hören wir nun von einigen Franzosen.

Im Jahre 1751 meldet Isaac Jeremias de Roche aus der Mark seine Bereitwilligkeit, eine Tapetenfabrik anzulegen. Er war ein Meister der Gobelinsweberei und konnte gewirkte Tapeten von Wolle und Seide, auch von Gold und Silber herstellen. Aber er besaß nicht einmal einen Webstuhl und scheint überhaupt gänzlich mittellos gewesen zu sein. Er wollte auch gar kein selbstständiges Geschäft eröffnen, sondern gegen einen Wochenlohn von 4 Thalern die ihm übergebenen wollenen und seidenen Garne verweben, so daß die Fabrikate nach ihrer Fertigstellung dem Herzog gehört haben würden. Den erforderlichen großen Webstuhl und das übrige Geräth, einen geräumigen Keller zu dessen Aufstellung, sowie eine Wohnung sollte der Hof außerdem stellen. Nach der Berechnung, die dem Angebot beilag, würde der Herzog die zum Bezuge von Möbeln, wie für die Rücklehne von Stühlen, für Tabourets und Seitenstücke 2 ) nöthigen Stoffe auf diese Weise viel wohlfeiler erhalten haben, als wenn er sie von auswärts hätte kommen lassen. Eine Resolution liegt den Acten nicht bei. Augenscheinlich war von einer derartigen Luxusindustrie bei dem verhältnißmäßig geringen Bedarf des Hofes für das Land kein erheblicher Vortheil zu erwarten.

Sehr viel zweckmäßiger wäre es gewesen, den Vorschlag der Fabrikanten Carl Heinrich Hobeck und Isaac Duscheer zu berücksichtigen. Diese beiden hatten in Berlin eine Fabrik besessen, in der Kattune, baumwollene und halbseidene Zeuge angefertigt wurden und waren aus unbekannten Gründen mit ihrem Etablissement nach Parchim übergesiedelt. Von dort wandten sie sich am 16. August 1762


1) Hintze, a. a. O., S. 111, 112, 115, 138, 149, 151.
2) Vielleicht eine bestimmte Art kleinerer Möbel.
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an die herzogliche Regierung mit der Bitte, ihnen ihr Vorhaben zu erleichtern und sie mit baarem Gelde zu unterstützen. Accise=, Personal=, Contributions= und Einquartirungsfreiheit, Freiheit von der Jurisdiction des Magistrats zu Parchim, Holz zum Bau des Fabrikgebäudes unentgeltlich oder zur halben Forsttaxe, freien Absatz ihrer Erzeugnisse und jährliche Zuschüsse von 10 Thalern pro Webstuhl, sowie von 20 Thalern für Unterweisung eines inländischen Lehrjungen - das waren ihre Forderungen. In der Zeit, während welcher sie bauen und Vorbereitungen zum Betriebe der Fabrik treffen, die sie auf etwa 1 - 1 1/2 Jahre schätzen, wünschten sie ihre in Berlin hergestellten Zeuge frei in Meklenburg verkaufen zu können.

Die letztere Bedingung ruft den Eindruck hervor, als ob es hauptsächlich auf den Absatz von in Berlin nicht verkäuflichen Stoffen abgesehen war. Die dortigen Fabrikanten klagten beständig über den Mangel an Absatz und die Ueberschwemmung des Landes mit fremden Waaren. 1 ) Es wäre also denkbar, daß ein paar findige Köpfe auf diesen nicht unschlauen Ausweg gekommen wären, unter Vermeidung der Acciseabgaben ihre Fabrikate in Meklenburg an den Mann zu bringen. Uebrigens lassen sich beide Namen nicht unter den Berliner Seiden=Industriellen nachweisen, wenn man nicht eine Entstellung derselben, etwa aus Hubert und Duchesne, annehmen will, was immerhin nicht ganz ausgeschlossen ist.

Wie dem gewesen sein mag, Herzog Friedrich jedenfalls faßte den Antrag ganz ernsthaft und beauftragte seine geheimen Räthe, ihn in sorgfältige Erwägung zu ziehen. Diese aber benutzten die Veranlassung, um, wie schon vor zwei Jahren im Fall Verdier, als es sich um die Anlage von Maulbeerbaum=Plantagen gehandelt hatte, sich dahin auszusprechen, daß es richtiger wäre, die Verarbeitung einheimischer Rohstoffe zu begünstigen. Die Kammer fand es höchst bedenklich, die "cruda" aus dem Auslande einzuführen und dafur "einen Theil des nervi gerendarum rerum hinauszuschaffen." Die Schweizer holten die meklenburgische Wolle durch die dritte Hand und brächten "zu unserer Schande" später schöne Zeuge mit ansehnlichem Gewinne zu uns zurück. Immerhin mochte die Kammer nicht in Abrede nehmen, daß auch durch Import der Rohstoffe, wenn man ihn klüglich anfange, ein Vortheil für das Land erzielt werden könne, "wie solches die nahe Erfahrung in den churmärkischen Landen gelehret hat." Sie brachte daher in Vorschlag, den Petenten ähnliche Privilegien zu bewilligen, wie sie der jüngst in Doberan angelegten Wollenmanufactur eingeräumt seien.


1) Hintze, S. 149.
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Der Herzog erklärte sich mit dieser Auffassung einverstanden und ließ beide Männer zu weiteren Verhandlungen vor der Kammer nach Schwerin rufen. Ob sie der Einladung gefolgt sind und was aus der Angelegenheit wurde, entzieht sich unserer Kenntniß.

Kurze Zeit nach dieser Affaire erklärte 1 ) durch Vermittelung des Hofraths Blume in Güstrow ein aus Berlin gekommener Seidenweber Johann Babtist Monet seine Bereitwilligkeit zur Anlegung einer Seidenfabrik. Aus Lyon gebürtig, hatte sein in Güstrow bereits ansässiger Landsmann Soucard ihn wohl zu einer Reise dahin bewogen. Monet wollte, indem er in ähnlicher Weise, wie in den früher betrachteten Fällen, Steuerfreiheiten, Vorschüsse, freie Wohnung, Lieferung des Webstuhles u. dgl. m. verlangte, nicht nur die Fabrikation von seidenen Bändern, rothen und schwarzen Atlassen, allen Arten von Taffet, Gold= und Silberbrocaten in Gang bringen, sondern auch eine Saffiangerberei eröffnen. Er verstand die Kunst, "das Kalbfell weich zu machen, die veritable Saffiansbereitkunst." Die Kammer, die diese Vorschläge vom Herzog zum Erachten zugewiesen erhielt, wiederholte ihre frühere Ansicht über die Begünstigung der Industrieen. Da indeß gegenüber der Gerberei ihre Bedenken nicht zutrafen, so meinte sie, könne man mit dem Petenten immerhin verhandeln, den Hauptnachdruck aber dann jedenfalls auf seine Geschicklichkeit in der Herstellung des Saffians legen. Es scheint, als ob Monet, der sich unterdessen mit einem Kollegen, Namens Giroud, verbunden hatte, um die Unternehmung gemeinsam auszuführen, wirklich in Schwerin auftrat. Aber man konnte von seinen Anerbietungen keinen rechten Gebrauch machen. Die Kammer rieth dem Herzog nach genauer Erwägung ab, die Fabrik auf seine Kosten eröffnen zu lassen. Wenn die Bewerber auf eigenes Risiko den Betrieb in Gang bringen wollten, so ließe sich nichts dagegen sagen.

So sind denn beide Franzosen in Berlin geblieben. Im Jahre 1783 findet sich unter den dortigen Seidenwebern ein Monet und im Jahre vorher unter den kleineren Seidenfabrikanten ein Giroud sen. und ein Giroud jun. erwähnt. Seidenweber mit dem Namen Giroud kommen in Berlin schon seit 1749 vor. 2 )

Alle diese abschlägigen Bescheide vermochten nicht immer, wieder neue Meldungen zu hindern. Am 10. September 1773 machen Johann Michael Weiß und Frans Michael Weiß dem Herzog den Vorschlag, in Güstrow, wo sie sich bereits seit März aufhielten, eine Seidenfabrik zu etabliren. Wieder handelte es sich um Vorschüsse,


1) Am 9. März 1764.
2) Acta Borussica, Schmoller=Hintze, II, S. 311, 351; I, S. 178.
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die gewährt werden sollten und nicht gegeben werden konnten. So zerschlug sich auch dieses Project.

Erwägt man alle diese fruchtlosen Versuche, dem Lande zu einer eigenartigen Industrie zu verhelfen, so kann man ein leises Bedauern nicht ganz unterdrücken, daß die Mittel fehlten, das Werk zu fördern. Zwar hatte die Kammer mit ihrem Standpunkte recht, wenn sie lieber die Verarbeitung einheimischer Rohstoffe in Angriff genommen wissen wollte. Indeß ist die Kultur der Maulbeerbäume in der That nicht so aussichtslos, wie man damals in gewissen Kreisen angenommen zu haben scheint. Es ist richtig, wenn Becher seiner Zeit betonte, daß der Baum in klimatischer Beziehung für Deutschland passe. Er verträgt bei richtiger Behandlung ziemlich hohe Kälte und kommt auf sandigem Boden gut fort. Der Satz, daß je kühler das Klima, je feiner das Haar wird, welches das Thier erzeugt und schützt, gilt auch für den Seidenfaden. Dazu kommt, daß zum gewöhnlichen Betriebe der Zucht von Seidenraupen kein besonderes Gebäude erforderlich ist sondern, da sie ja nur 5 Wochen in jedem Jahre dauert, leicht in Räumlichkeiten, wie Stuben und Hausböden, vorgenommen werden kann, die sonst anderen Zwecken dienen. Endlich kann das Holz des Baumes oder, wenn er alle vier Jahre, ähnlich den Weiden, gekröpft wird, seine Zweige und seine Rinde gewerblich vielfach ausgenutzt werden. Demgemäß bietet auch heute noch die Kultur der Seidenraupe ein dankenswerthes Object, das man regierungsseitig nicht so ganz außer Acht lassen sollte.

Jene älteren Bestrebungen sind aber auch deshalb interessant, weil sie uns Meklenburg immer im engen Zusammenhang mit den Kulturfortschritten der Zeit zeigen. Die Landesfürsten verschließen ihr Auge keineswegs den Vorgängen in ihrer Nähe. Sie sind stets darauf bedacht, die Gesammtwirthschaft des Landes zu heben, indem sie eine bisher vernachlässigte Seite derselben besonders begünstigen. Wenn es ihnen wenig, in diesem Falle gar nicht gelang, den Widerstand ihrer Umgebung zu besiegen, so muß man erwägen, wie langsam sich gleichzeitig in dem viel größeren Brandenburg die Neuerung einbürgerte und welche erhebliche Summen dort geopfert wurden, die in Meklenburg nicht zur Verfügung standen.

Seltsam uns anmuthende Verhältnisse treten uns aus den Acten entgegen. Auf der Seite der Gewerbetreibenden eine gewisse Naivetät, die vom Landesfürsten die größten materiellen Opfer ohne Zaudern erwartet für Zwecke, die nicht immer ganz klar sind, für Ziele, die keineswegs leicht zu erreichen waren; ein unverwüstlicher Optimismus, der trotz durchgängig ablehnender Haltung es nicht verschmäht, sich stets wieder der Regierung zu nähern, um vielleicht doch in einem

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günstigen Momente etwas zu erreichen. Auf der anderen Seite sind die Geduld der Herzöge, die Pflichttreue der Kammerbeamten bewunderungswürdig, die nicht ermüden, die merkwürdigsten Projecte, deren Kernpunkt die Bewilligung von Vorschüssen bleibt, sich aufs Neue vortragen zu lassen und zu prüfen. Man kann diese Erscheinung nur erklären durch die geringe Unternehmungslust und die große Mittellosigkeit der einheimischen Gewerbetreibenden und Geschäftsleute, die, in den Fesseln des Zunftwesens befangen, für die Regungen der neueren Zeit kein Ohr hatten. Der Ruf von dem Interesse und Verständniß, das unsere Landesherren der aufkeimenden Industrie schenkten, mußte weit gedrungen sein, wenn beständig Fremdlinge mit ihren Projecten auftauchten.

Was das vorige Jahrhundert uns versagte, das laufende brachte es. Als in den zwanziger Jahren allmählig sich in Deutschland erneutes lebhaftes Interesse für den Seidenbau zeigte, in Bayern, in Baden, in Preußen erfolgreiche Versuche gemacht und Vereine zu seiner Beförderung gegründet wurden, da hat man auch in Meklenburg erreicht, was man so lange vergeblich anstrebte. Die erste Anpflanzung von Maulbeerbäumen geschah zu Dabelow im Strelitzschen im Jahre 1832 auf einer vom Kammer= und Forstcollegium zu diesem Zwecke hergegebenen Forstackerfläche von ungefähr 200 Quadratruthen. Aber die Bäumchen wollten hier nicht gedeihen. Einige Jahre später - 1837 - pachtete der Lehrer Barteld in dem genannten Orte eine Kirchenwörde von derselben Größe mit sehr gutem schwarzlehmigen Boden, und hier gelang die Anpflanzung vollkommen, die einen sehr lohnenden Betrieb des Seidenbaues ermöglichte. 1 ) In Ludwigslust interessirte sich die Erbgroßherzogin Alexandrine für das Aufkommen dieses Industriezweiges und veranlaßte, daß der Gärtner Benque nach Klein=Glienike bei Potsdam geschickt wurde, um sich dort unter der Leitung des Regierungs= und Schulraths von Türck in dem Seidenbau unterrichten zu lassen. Nach der Rückkehr von dort veröffentlichte der junge Mann 1834 im Freimüthigen Abendblatt 2 ) einen Aufsatz, in dem er die zu erwartenden Vortheile der neuen Kultur auseinandersetzte und trieb die Seidenraupenzucht, wenn auch in bescheidenem Umfange, mit dem Laube von Bäumen, die im Seminargarten zu Ludwigslust standen. 3 )

In größerem Maßstabe - soviel bekannt ebenfalls seit 1832 - machte Herr Behm in Boizenburg Anpflanzungen von weißen Maulbeer=


1) Zur Förderung des Seidenbaues, S. 29.
2) Bd. 16, Nr. 823.
3) A. a. O., Bd. 20, Nr. 10, 11.
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bäumen und Maulbeerbuschbäumen und legte 1835, 1838 und 1839 große Schulen von Maulbeerbäumen an, die sämmtlich auf das Erfreulichste gediehen. 1 )

Ihm folgten bald andere - 1839 Graf von der Osten=Sacken auf Marienhof, von Blücher auf Lüdershagen, Pogge auf Bartelshagen und Engel auf Gr.=Grabow -, sodaß im Jahre 1851 nach dem Muster des 1843 für die Mark Brandenburg gestifteten Seidenbau=Vereins der Seidenbau=Verein für beide Meklenburg gegründet werden konnte.

Die weitere Entwickelung desselben gehört nicht mehr hierher. Unter allen Umständen sind seine Bestrebungen höchst erfreulich; noch die letzte Landes=Ausstellung von 1892 in Rostock hat die Lebensfähigkeit des Industriezweiges aufs Deutlichste erwiesen.

 

Vignette

1) L. J. Behm, Einladung zur Subscription auf meklenburgische weiße Maulbeerbäume etc. ., 1839.
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X.

Der Münzfund von Ganzlin, Dom. - Amts Lübz.

Beschrieben vom

Revisionsrath E. Wunderlich,
Conservator des Großherzoglichen Münzcabinets zu Schwerin.

~~~~~~~~~~~~

B eim Ausgraben der Fundamente zu einem neuzuerbauenden Pferde= und Schweinestalle auf der Erbpachthufe Nr. V zu Ganzlin, Domanial=Amtes Lübz, wurde von dem Schulzen Meyer daselbst am 5. April 1889 ein Topf mit Silbermünzen gefunden. Der irdene Topf, in welchem die Münzen vergraben gewesen, ist beim Auffinden vollständig zertrümmert. Die gefundenen Münzen sind durch die Vermittelung des Großherzoglichen Amtes Lübz an die Großherzogliche Museumsdirection hieselbst eingesandt, und ist demnächst der ganze Fund vom hohen Großherzoglichen Ministerium des Inneren angekauft und dem Großherzoglichen Münzcabinet überwiesen.

Die Münzen, deren Gesammtgewicht 2,320 Kilogr. betrug, waren durchweg recht gut erhalten, aber sehr stark mit Grünspan bedeckt, theilweise, und zwar zum größeren Theile, so arg, daß ganze Partien - oft bis zu 10 Stück - eine feste Masse bildeten. Die Anzahl der Münzen beträgt 1705, von denen ihrer Landsmannschaft nach entfallen

auf die Stadt Eimbeck 1 Stück
"   "     "     Lüneburg 1 "
"      "     Göttingen 5 "
" Herzogthum Holstein 13 "
" Markgrafschaft Brandenburg 4 "
" Königthum Polen (Lemberg) 1 "
" Stettin 492 "
" Damm 307 "
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auf Garz 144 Stück
" Stralsund 80 "
" Rostock 553 "
" Mecklenburg 104 "
------ ------ ------
Sa. 1705 Stück

Sämmtliche im Funde enthaltenen

  1. mecklenburgische Mlünzen sind von den Herzögen Magnus und Balthasar gemeinschaftlich, also in der Zeit von 1477 - 1503, theils in Güstrow, theils in Parchim geschlagen. Der auf mehreren Exemplaren vorkommende Buchstabe B ist das Münzmeisterzeichen des Münzmeisters Jacob Brasche, der seit dem 24. Juli 1497 herzoglicher Münzmeister in Güstrow war. Sämmtliche Münzen sind undatirt.
  2. Von den gleichfalls undatirten Rostocker Wittenpfennigen sind die älteren unzweifelhaft diejenigen Stücke, welche im Rev. die Legende Legende haben, also die Nr. 1 - 95, und dürften diese etwa in die Zeit von 1400 - 1450 zu setzen sein, die jüngsten dagegen sind die Wittenpfennige, welche im Rev. einen kleinen Hund, das Münzmeisterzeichen des Johann Hund, welcher in den Jahren 1512 - 1526 Münzmeister der Stadt Rostock war, haben.
  3. Alle Stettiner, Dammer und Garzer Münzen des Fundes entstammen der Zeit von 1474 - 1524. Sie sind keine städtische Prägungen, sondern sämmtlich vom Herzog Bogislaus X. von Pommern geschlagen, mit alleiniger Ausnahme der vier seltenen Schillinge von Georg und Barnim aus dem Jahre 1524 (cfr. Nr. 151 - 153.) - Städtische Prägungen dagegen sind
  4. die aus den Jahren 1503 - 1522 stammenden Stralsunder Schillinge.
  5. Der undatirte Lüneburger Schilling, bemerkenswerth durch die abweichende Legende des Rev., dürfte seiner ganzen Prägung nach gleichfalls in die letzte Hälfe des XV. Jahrhunderts, welcher Zeit ja auch der Eimbecker und die Göttinger Körtlinge angehören, zu setzen sein.
  6. Die im Funde befindlichen holsteinschen Schillinge gehören sämmtlich dem Herzoge Friedrich I. an und entstammen der Zeit von 1490 - 1523, weil nach der im Jahre 1523 erfolgten Besteigung des dänischen Königsthrones die von Friedrich bekannten schleswigschen und holsteinschen Münzen im Av. das Hüftenbild des Königs haben. cfr. Thomssen III Nr. 62. 66 fl
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  1. Die vier brandenburger Groschen, von denen der schöne Groschen Johann Cicero's sehr selten ist, fallen in die Zeit von 1498 bis 1510.
  2. Der undatirte Lemberger Groschen ist dem Könige Wladislaw Jagiello (oder dessen Sohne Wladislaw II.) von Polen zuzuschreiben, muß also vor 1434 (oder 1444) geprägt sein. Der Löwe des Rev. findet seine Erklärung durch Ruthenien (Rothrußland). Daß gerade dieses durch den Löwen repräsentirt wird, zeigt die auf anderen Groschen von gleichem Typus vorkommende Umschrift des Rev.: Umschrift

Die jüngsten Münzen des Fundes würden danach die schönen Stettiner Schillinge der Herzöge Georg und Barnim von Pommern aus dem Jahre 1524 sein, die Vergrabung des Fundes mithin in die zweite Hälfte der zwanziger Jahre des XVI. Jahrhunderts gesetzt werden müssen. Wesentlich gleichalterig ist somit der Ganzliner Münzfund mit dem Münzfunde von Suckow (cfr. Jahrbuch IX, Jahrgang 1844, pag. 467 flgde.) und etwas jünger als der im Jahre 1886 in Groß=Lantow, Domanial=Amts Güstrow, gemachte Münzfund (cfr. Jahrbuch LIV, pag. 225 flgde.), in welchen beiden Funden sich einige gleiche Prägen der Rostocker Wittenpfennige finden. In der ganzen Zusammensetzung weichen aber der Groß=Lantower und der Ganzliner Fund wesentlich von einander ab, da der erstere Fund ausschließlich Münzen der Städte Anclam, Demmin, Greifswald, Stralsund und Rostock enthält.


I. Mecklenburg=Güstrow.

A. Doppelschillinge der Herzöge Magnus und Balthasar. Nach der Verordnung vom 24. Juli 1497 sollte der Münzmeister Jacob Brasche in Güstrow prägen 1) Schillinge, 24 Stück auf einen Gulden gerechnet und 111 Stück aus der Mark, 2) Sechslinge, 48 Stück auf einen Gulden und 3) Witten, 4 Stück auf einen Schilling gerechnet. Es sind daher diese von Evers II., pag. 43 und 44 theilweise beschriebenen und als Doppelschillinge bezeichneten Münzen ursprünglich wohl nur Schillinge und die von ihm Bd. II, pag. 44 und folgende beschriebenen und als Schillinge bezeichneten Münzen nur Sechslinge gewesen.

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II. Rostock.

A. Wittenpfennige ohne Jahr mit einem sechsstrahligen Sterne im linken unteren Kreuzeswinkel des Revers.

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B. Wittenpfennige ohne Jahr mit einem sechsstrahligen Sterne im rechten unteren Kreuzeswinkel.

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C. Wittenpfennige ohne Jahr mit einer Lilie im linken unteren Kreuzeswinkel.

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D. Wittenpfennige ohne Jahr mit einem Kleeblatt im linken unteren Kreuzeswinkel.

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E. Wittenpfennige ohne Jahr und ohne Beizeichen.

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F. Wittenpfennige ohne Jahr mit einem kleinen Hunde im linken unteren Kreuzeswinkel. (Münzmeisterzeichen des Münzmeisters Johann Hund in Rostock, 1512 - 1526.)

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G. Sechslinge ohne Jahr.

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III. Stettin.

A. Schillinge des Herzogs Bogislav X. von Pommern.

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B. Schillinge der Herzöge Jürgen und Barnim von Pommern.

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IV. Damm.

Schillinge des Herzogs Bogislav X. von Pommern.

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V. Garz.

Schillinge des Herzogs Bogislav X. von Pommern.

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VI. Stralsund.

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VII. Einbeck.

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VIII. Stadt Lüneburg.

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IX. Göttingen.

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X. Holstein.

Schillinge des Herzogs Friedrich I. von Holstein (1490 bis 1523, König von Dänemark 1523 bis 1533).

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XI. Brandenburg.

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XII. Polen.

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XIII. Fehlprägen der Stadt Garz.

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XI.

Wendische Alterthümer.

Von

Dr. Robert Beltz.

~~~~~~~~~~~

E in gemeinsamer Grundzug beherrscht die Geschichte der slavischen Völker im Osten unseres Welttheils von ihrem ersten Auftreten bis zur Gegenwart: das ist der Kampf westlicher europäischer Kultur und asiatischer Barbarei, der auf slavischem Boden sich abspielt. Schon wo der Name Wenden zum ersten Male genannt wird, wird auch dieser Gegensatz erkannt; mit feiner Beobachtung skizzirt Tacitus die Zwischenstellung, welche die slavischen Stämme zwischen den Germanen und den dunklen rohen Nomadenschwärmen des äußersten Ostens, Finnen und Sarmaten, einnehmen: neben deutlichen Zügen der Stammes= und Kulturgemeinschaft mit den Germanen, unter denen er feste Wohnsitze hervorhebt, findet er eine Beeinflussung sarmatischer Barbarei in der Neigung zu räuberischem Umherschweifen und der allgemein herrschenden Unreinlichkeit. Auch die Kultur der Wenden an der Ostsee, des am weitesten nach Westen vorgeschobenen Postens des großen Slavenstammes steht unter dem Einflusse dieser Doppelströmung; und die Aufgabe des Alterthumsforschers, wenn er von "wendischen Alterthümern" spricht, ist es, nachzuweisen, wie diese verschiedenartigen Kulturbeziehungen auf dem betreffenden Gebiete sich geltend machen.

Und da kann es heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Wenden von ihrem ersten Erscheinen an in dem größten Gegensatze zu ihren germanischen Nachbarn sich befinden, daß von einer Uebernahme einer germanischen Kultur garnicht die Rede sein kann

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und daß erst allmählich die Uebertragung einzelner deutscher Produkte stattgefunden hat.

Der Stammesunterschied germanischer und slavischer Stämme hat sich in der Zeit des selbstständigen Wendenthums nicht ausgeglichen, sondern immer mehr verschärft bis zu jenem furchtbaren Nationalhasse, z. B. zwischen Sachsen und Wenden, welcher den Kämpfen auf unserem Boden seinen unversöhnlichen Charakter gegeben hat. Anderseits erscheinen die Wenden immer in engster Kulturbeziehung mit ihren slavischen Stammesverwandten, und trotz der sehr verschiedenartigen Geschichte der slavischen Stämme ist das Kulturbild derselben bis zu Ende fast ganz gleich.

So weisen auch in der älteren Zeit fast alle Handelsbeziehungen unserer Wenden in das östliche Europa, und die islamitische orientalische Kultur erstreckt ihren Einfluß bis in unsere Gegenden und über dieselben hinaus. Aus den ersten Jahrhunderten der wendischen Herrschaft ist bei uns, wie es scheint, nichts erhalten; das erste Licht kommt weit her; die ältesten sicheren Daten giebt erst der arabische Handel, der damals seinen glänzenden Aufschwung nahm. Die Wege dieses Handels lassen sich ziemlich genau verfolgen; von der Wolga bis nach Skandinavien sind zahlreiche Funde gleichen Charakters gemacht von arabischen Münzen und Schmuckgegenständen, meist absichtlich zerstört, sodaß diese sog. Hacksilberfunde als ein Import, der im wesentlichen den slavischen Stämmen ihr Werthmetall zuführte, gesichert sind. Der Weg ging vom kaspischen Meere erst die Wolga aufwärts zu der altberühmten Handelsstadt Bulgar, von der Ruinen noch heute bei Kasan vorhanden sind, wo arabische Händler die Producte der nordischen Völker in Empfang nahmen, und dann durch Rußland und Polen nach unserer Ostseeküste. Der Hauptstapelplatz der westlicheren Slaven muß Prag gewesen sein, mit welcher Stadt die baltischen Wenden auf dem Oderwege, der schon in der jüngeren Broncezeit an Stelle des uralten Bernsteinweges an der Elbe getreten ist, verkehrt haben mögen. Die ältesten hier gefundenen arabischen Münzen gehören noch dem siebenten Jahrhundert an, doch scheinen die ältesten datirbaren Funde einige aus dem Beginn des neunten Jahrhunderts, der Zeit Karl d. Großen, zu sein. 1 )


1) Z. B. Darß in Pommern: sassanidische, ommejadische und abbassidische Münzen von 617 bis 802, dabei ein Denar Karl d. Gr. (Kühne, Baltische Studien 27, 1877, S. 214). Rantrum in Schleswig: ommejadische und abbasidische Münzen, die ältesten von 744 - 752, die jüngsten von 802 bis 866. (Mestorf in den Mittheilungen der anthrop. Gesellschaft von Schleswig: Holstein 1888, S. 28).
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Der Handel hat zwei Jahrhunderte gedauert; die jüngsten arabischen Münzen 1 ) kommen dem Jahre 1000 nahe. Mit dem Beginn des elften Jahrhunderts zerstörte das Vordringen türkischer Horden den arabischen Einfluß in Rußland. 2 ) In diesem Handel sind die ersten Emporien an der Ostsee, die Vorläufer der Hansastädte, entstanden; und die älteste, die erwähnt wird, lag auf unserem Boden; von ihrem einheimischen Namen und ihrer Lage wird nichts berichtet; die Dänen nannten sie Rerik und bezeichneten nach ihr das ganze Obotritenvolk als Rereger; sie vermittelte den Handel mit den Dänen, welche aus den Zöllen große Einnahmen hatten, doch verwüstete sie deren König Gottfried schon im Jahre 808, 3 ) um sich an dem Obotritenfürsten Thrasiko für dessen Bündniß mit Karl d. Gr. zu rächen, und ließ in ihr 810 Thrasiko erschlagen; seitdem ist die Stadt verschwunden, ihr Handel ging auf Schleswig über, und ihre Stätte kennen wir nicht; doch ist die Wahl zwischen den möglichen Punkten an unserer Küste nur eine beschränkte, und die Wismarsche Bucht bietet die meiste Wahrscheinlichkeit. Wer weiß, ob nicht eine der Pfahlbauten, an denen die Gegend bei Wismar so reich ist, uns doch noch einmal den Nachlaß der ehrwürdigen verschollenen Ahnfrau


1) Simoitzel bei Kolberg: Münzen von 991, der Fund 1070 vergraben (Kühne, a. a O , S. 46).
2) Ueber Wege und Gegenstände des nordisch=baltischen Handelsverkehrs mit den Arabern hat neuerdings Dr. G. Jocob eine Reihe höchst bedeutungsvoller Untersuchungen nach arabischen Quellen veröffentlicht. S. besonders: "Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den nordisch=baltischen Ländern?" 2. Auflage. Berlin 1891.
3) Wigger, Meklenburgische Annalen bis zum Jahre 1066. Schwerin 1863. Godofredus priusquam reverteretur (nämlich von seinem Rachezuge durch das Obotritenland bis zur Elbe) destructo emporio, quod in Oceani litore constitutum lingua Danorum Reric dicebatur et magnam regno illius commoditatem vectigalium persolutione praestabat translatisque inde negotiatoribus soluta classe ad portum qui Sliesthorp (Schleswig) dicitur - venit. Annal. Lauresh. 808. Thrasco, dux Abodritorum in emporio Reric ab hominibus Godofredi interfectus est. Annal. Lauresh. 810. Ueber Namen, Wohnsitze u. s. w. der "Rereger" s. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 106 und 124; der Name Rereger kommt nur bei Adam von Bremen vor und wird dort als gleichbedeutend mit Obotriten bezeichnet; die Ableitung von dem dänischen Namen Reric liegt auf der Hand, und es ist nicht zu verwundern, wenn Adam, dessen Kenntniß wendischer Verhältnisse bekanntlich zum großen Theile auf mündlicher dänischer Tradition beruht. den dänischen Namen für den wendischen einsetzt ; seine Bemerkung: Obodriti qui nunc [gegen 1070] Reregi vocantur (2, 18. s. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 88) ist natürlich werthlos, da der Name Obotriten nachher wie vorher der allgemein gebräuchliche ist. Ich kann es demnach nicht für richtig halten, wenn Wigger a. a. O., S. 124 den Namen Rereger (für Obotriten im engeren Sinne) in die wendische Völkertafel einschiebt.
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der Hansa an das Tageslicht bringt? Wir wünschen für "Rerik", was unseren Nachbaren in Pommern für ihr Gebiet geglückt ist, denn dort ist es gelungen die Stätte des wendisch=arabischen Handels aufzudecken und archäologisch auszubeuten: das ist Julin, die allbekannte Jomsburg, die sagenverherrlichte Vineta, von deren Handelsblüthe im elften Jahrhundert der Bremer Domherr Adam, der schon genannte berühmte Geograph und Geschichtsschreiber dieser Zeit, eine so überschwängliche Schilderung giebt als der größten Stadt Europas, wo Griechen und Barbaren ihre Waren austauschten und alle Herrlichkeiten der Welt aufgespeichert lagen. Wir wissen heute, daß das jetzige Wollin die alte Jomsburg ist und können die Spuren dieses Handels in unseren Funden verfolgen.

Daß Jumne und Jomsburg skandinavische Namen für das wendische Julin, später Wollin, sind und der Name Vineta nur auf einem Lesefehler für Jumneta (wie Helmold Jumne latinisirt) beruht, kann nach den scharfsinnigen Untersuchungen von R. Klempin (Baltische Studien 13. S. 1 flgd.) nicht zweifelhaft sein. Neben der wendischen Stadt Julin lag die dänische Freibeuterfeste, die Jomsburg, deren romantische Geschichte gegen 950 (vergl. Giesebrecht, W. G. I, 210) beginnt, die aber ihr Ende, wie ich glaube, schon vor 1036 gefunden haben muß, denn nach diesem Jahre, dem Todesjahre Kanut des Großen, werden hier nur noch Slaven als Seeräuber genannt, und der von der nordischen Sagenpo?sie so hoch gefeierte Rachezug Magnus des Guten von 1043 gilt nur der slavischen Stadt (vgl. die Quellen bei Wigger, M. A. S. 71). Trotz dieser Kämpfe erscheint die Stadt einige Jahzehnte später in der berühmten Schilderung Adams (II, 18) als das Hauptemporium der Ostseeländer: Oddera, - in cujus ostio - nobilissima civitas Jumne celeberrimam praestat stationem Graecis et barbaris, qui sunt in circuitu. De cujus praeconio urbis, quia magna quaedam et vix credibilia recitantur, volupe arbitror pauca inserere digna relatu. Est sane maxima omnium quas Europe claudit civitatum, quam incolunt Slavi cum aliis gentibus, Graecis et barbaris. Nam et advenae Saxones parem cohabitandi legem acceperunt, si tamen christianitatis titulum ibi morantes non publicaverint. Omnes enim adhuc paganicis ritibus oberrant, ceterum moribus et hospitalitate nulla gens honestior aut benignior poterit inveniri. Urbs illa mercibus omnium septentrionalium nationium locuples, nihil non habet jucundi aut rari. Ibi est . . . . Ab illa civitate breviremigio trajicitur hinc ad Dyminem urbem, quae sita est in ostio Peanis fluvii (sic!), ubi et Rugi habitant; inde ad Sam-

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land. Iter ejus modi est, ut ab Hammaburc vel ab Albia flumine septimo die percurras ad Jumne civitatem per terram; nam per mare navem ingrederis ab Sliaswig vel Aldinburc, ut pervenias ad Jumne. Auf eine Kritik Adams einzugehen, ist hier nicht der Ort, es würde sich dieselbe Neigung zu rhetorischer Uebertreibung und unzeitigen klassischen Reminiscenzen, welche seine Rethraschilderung entstellt (s. Grotefend, Jahrb. 54, S. 180) auch hier nachweisen lassen. Doch wird dadurch das Wesentliche seiner Darstellung nicht berührt; für Meklenburg ergiebt sich aus Adam: 1) daß eine Seestadt an unserer Küste an dem Juliner Handel nicht theilgenommen hat; nach Demmin (welches Adam als Seestadt erscheint, ohne Zweifel weil bis dahin Schiffsverkehr möglich war) nennt er gleich Oldenburg und Schleswig; 2) daß mindestens eine Handelsstraße von Hamburg nach Julin durch Meklenburg führte; die Zahl der sieben Tagereisen stimmt zu den vier Tagereisen von Hamburg nach Rethra vollständig und ist meines Erachtens ganz unverdächtig; die Stationen mögen Ratzeburg, Schwerin, Malchow, Rethra (später Kloster Broda), Pasewalk, Stettin gewesen sein (vgl. Brückner, Jahrb. 55, S. 272 nach Virchow, Vhdl. der Berliner Gesellschaft für Ethnologie u. s. w. 1881, S. 272). - Daß auch von Demmin aus eine Straße durch Meklenburg geführt hat, ist längst urkundlich bekannt, ja, sie wird als via regia bezeichnet und ihre Stationen Dargon, Lucho, Lavena genannt (s. Wigger, Jahrb. 28, S. 27 Anm.); bei Dargun und Laage sind Burgwälle bekannt geworden, und es liegt die Vermuthung nahe, daß der weitere Gang der Straße durch den bekannten Burgwall von Werle gekennzeichnet wird; halbswegs zwischen Laage und Werle ist neuerdings eine wendische Ansiedelung auf einer Insel des Hohen=Sprenzer Sees bekannt geworden, welche sich diesem Gange vortrefflich anschließt und über welche unten berichtet werden soll; wird nun noch bei Lüchow (bei Alt=Kalen) ein wendischer Wohnplatz gefunden, so ist die Kette der Stationen der via regia durch das Circipaner= und Kizinerland geschlossen. Durch Funde ist keine der beiden Straßen bisher gesichert, doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß der einzige größere Silberfund, den wir bisher haben, der von Schwaan, gerade in der Gegend gemacht ist, wo die vorausgesetzte Straße durch die wilzischen Länder in das Obotritengebiet eintritt. Ueber den weiteren Verlauf der Straße nach "Dobin" (über Bützow=Neukloster?) wird an anderer Stelle gesprochen werden. Nach Adam war also um die Mitte des elften Jahrhunderts Julin die Haupthandelsstadt der Ostseegegenden; es muß aber bald darauf ein Niedergang eingetreten sein, denn zur Zeit der Mission Ottos von Bamberg 1124 ist bereits

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Stettin die anerkannte Hauptstadt, neben der Julin aber immer noch die zweite Stelle einnimmt.

Das letzte Ziel dieser Handelsstraßen waren die skandinavischen Völker, welche damals den Weltmarkt versahen mit den Rohproducten des ganzen Nordens, besonders dem kostbaren Pelzwerk, und dafür außer Silber in Barren, Münzen und Schmucksachen, auch damascirte Klingen, ja selbst Harpunen ( Jacob, ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahrhundert über Fulda, Schleswig u. s. w.) wieder erhielten. Unter dem Einfluß dieser massenhaft zuströmenden orientalischen Sachen, besonders der Schmuckgegenstände, hat sich im Norden der wunderbare phantastische Stil der Vikingerzeit entwickelt, welcher eine Verschmelzung altgermanischer Ornamentmotive, besonders jener verschlungenen Drachen oder Schlangenbiber mit der orientalischen Technik, besonders dem Filigran ist und auf der Insel Gotland seine reichste Entfaltung gefunden hat, ja in der norwegischen nationalen Silberindustrie noch heute fortlebt.

Davon haben wir in unserem Lande nur wenig. Die Stellung der Wenden in diesem Handel war im Wesentlichen nur die der Zwischenhändler; von Rerik gingen die Waaren über Schleswig nach Jütland, von Julin über Bornholm nach Schonen. Was wir an Funden, welche mit diesem Handel zusammenhängen, haben, sind in erster Linie die Hacksilberfunde, welche schon oben kurz erwähnt sind. Von den Ländern an der Ostsee ist Pommern am reichsten daran, wohl begreiflich bei der Stellung von Julin. Durch die Zerstörung von Rerik wurde das Lutizer= und Obotritenland aus diesem Zwischenhandel herausgedrängt, und der Hauptverkehr zwischen Julin und Dänemark geschah direct über Schleswig; so kommt es, daß die Zahl der arabischen Silberfunde auf unserem Boden keine bedeutende ist. Der bei weitem wichtigste ist der große Fund von Schwaan. Hier, auf dem linken Warnowufer, dem berühmten Burgwall von Werle schräg gegenüber, wurde im Jahre 1859 eine Urne ausgepflügt, welche unter einem Granitblocke gestanden hatte und nicht weniger als 3240 Münzen enthielt, dazu eine Anzahl von Kopf= und Armringen, Breloques und Ohrgehängen, Silberbarren u. s. w., fast alles zerhackt. Die Ringe bestehen meist aus Silberdraht, welcher zu starken Ketten zusammengewunden ist, oft durchflochten mit dünnem Perldrath, die Ohrgehänge sind korbartig aus Filigran und gekörntem Silberblech, die Münzen sind nicht überwiegend arabische, sondern meist deutsche, und durch die Zusammenstellung der Münztypen läßt sich das Jahr, in welchem der Schatz geborgen sein muß, ziemlich genau bestimmen, es ergiebt sich die Zeit gegen 1030. Aus der Zusammensetzung des Fundes geht hervor, daß damals schon die

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deutschen Münzen, im Obotritenlande wenigstens, die arabischen verdrängen, daß aber bei der Münze noch nicht das Gepräge, sondern nur das Gewicht maßgebend war, denn von den 3240 Münzen sind nur 850 nicht zerschnitten oder zerhackt. Leider steht dieser Fund ziemlich allein. Wir haben nur noch einige kleinere Funde, von Remlm (bei Gnoien) und Schwerin mit allerliebsten kleinen Schmucksachen und entsprechenden Münzen. 1 )

Schmucksachen

Fragen wir nun aber nach dem Einflusse, welchen diese orientalischen Schmucksachen auf den Geschmack und die Industrie der Wenden oder der Slaven überhaupt ausgeübt haben, so ist davon nur wenig zu spüren. Von einer Weiterbildung nationaler Motive wie in Schweden kann nicht die Rede sein, da wir von wendischem Ornarmentstil an Schmuckgegenständen absolut nichts wissen, aber auch eine spontane Weiterbildung orientalischer Motive zeigt sich, wenigstens nach unserer Auffassung, nur an einem einzigen Typus, den wir als slavisch und zwar, wie es scheint, als Gemeingut aller uns bekannter Slavenstämme ansprechen müssen; das ist der sog. Schläfenring.


1) Ueber den Schwaaner Fund Lisch und Masch, Jahrb. 26, S. 241; über Remlin 10, S. 295. Schwerin 9, S. 388 und 49, S. 24. Den Schwaaner Fund als "Schatz Niklots" zu bezeichnen, wie es in popularisirender Darstellung wohl geschieht mit Beziehung darauf, daß Niklots Burg Werle, wo der Fürst bekanntlich 1160 fiel, bei Schwaan liegt, ist noch den Zeitverhältnissen nicht angängig; der Schatz ist hundert Jahre vor Niklots Zeiten geborgen. Will man ihn mit einem geschichtlichen Ereignisse zusammenbringen, so kann man an die Wendenzüge Kaiser Konrad II denken, der 1035 und 1036 gegen die Lutizer kriegte und acceptis obsidibus et innumerabili pecunia zurückkehrte (Wigger, Annalen S. 70).
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Der Name "Schläfenring" hat sich in der Alterthumsforschung für eine eigenartige Ringform eingebürgert, nämlich für Ringe, "an den Enden offen und an einem Ende stumpf geschlossen, am anderen Ende auf die Außenseite in einer doppelten Windung zurückgebogen" (Lisch, Jahrb. 29, S. 180). Nach dieser "S=förmigen Schlinge" findet man sie, besonders bei österreichischen Forschern, gelegentlich auch als "S=förmig endende Ringe" bezeichnet.

Schläfenring

Die große archäologische Bedeutung dieser Form besteht darin, daß sie eine specifisch slavische und neben den Töpfereiproducten das Haupt=Kriterium für slavische Funde geworden ist. In dieser Bedeutung hat sie schon 1863 unser Lisch erkannt (a. a. O.), der sie allerdings damals noch für Armbänder hielt. Das gesammte Material hat dann Sophus Müller, der bekannte dänische Alterthumsforscher, in einer klassisch gewordenen Abhandlung "Ueber slavische Schläfenringe" in "Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild" 1877, S. 189 behandelt. Seitdem hat natürlich die Zahl der Funde sich bedeutend gemehrt, doch ist man nicht wesentlich weiter gekommen. Von Müller stammt auch der Name, indem die Ringe meist bei Skeletten an beiden Seiten des Kopfes in der Schläfengegend gefunden werden. Die Ringe haben 1 1/2 bis 8 Centimeter Durchmesser und sind massiv oder hohl aus Bronce, Silber oder Gold oder aus Bronce mit Silber oder Gold überzogen. Die große Mehrzahl ist aus Bronce, goldene sind sehr selten. Man findet sie bis zu 8 Stück bei einem Skelett. Sie wurden an einem Riemen, der durch die Oese gezogen wurde, befestigt am Kopfe getragen, sicherlich ein eigenartiger Kopfschmuck; in einigen polnischen Funden ist der Riemen erhalten (vgl. Compte rendu du congrès de Stockholm 1876, S. 672). Ich vermuthe, daß sie auch als Schmuck der Mütze getragen wurden. Darauf weist eine Beobachtung in Böhmen (Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft 1886, S. 90), wo dieselben in einem Knäuel mit "Haaren zusammen gefunden wurde, "jedenfalls war diese Stelle des Kopfes vor der Verbrennung durch irgend eine Kopfbedeckung . . . . . . geschützt". Spitze Filz= oder Pelzmützen gehörten zur slavischen Tracht. Dieselben bildeten sogar einen beliebten Gegenstand des nordisch=arabischen Handels und waren im Orient im zehnten und elften Jahrhundert als "bulgarische Mützen" allgemein bekannt (G. Jacob, Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1891, S. 146), ja, in den wenigen Resten slavischer

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Bildnerei, die uns jetzt durch die sehr verdienstliche Abhandlung von M. Weigel "Bildwerke aus altslavischer Zeit" im "Archiv für Anthropologie" XXI, 1 näher gerückt sind, finden wir mehrmals diese konischen Mützen, so bei dem berühmten "Swantewit" von Altenkirchen auf Rügen, Fig. 10, und dem "Mönch von Bergen, Fig. 11. (Auch der spitze Kopf der Figur von Rosenberg in West=Preußen, Fig. 4, erklärt sich wohl am besten so, daß derselbe mit Mütze dargestellt sein soll.)

Was die Herkunft der "Schläfenringe" betrifft, so hat Lissauer in einem Vortrage auf der Anthropologen=Versammlung in Danzig (s. Correspondensblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1891, S. 138) zu begründen gesucht, daß dieselben ihre Entwickelung in der "Völkerwanderungszeit" auf österreich=ungarischem Boden gefunden und "von dort aus mit den vordringenden Slaven überallhin verbreitet seien, wohin diese vordrangen". Er beruft sich auf die Funde eines großen Gräberfeldes bei Keßthely in Ungarn (vgl. Archäologi Esercitö 1881, XIV, S. 121), welches dem fünften Jahrhundert, also der altgermanischen Zeit, angehört und wo verschiedene Varietäten einer Ringform (offene Ringe, das eine Ende mehr oder minder spitz, das andere zurückgebogen) auftreten, in der er das Urbild des Schläfenringes sieht. Ich kann mich dieser Begründung nicht anschließen. Der Umbiegung der Keßthelyer=Ringe fehlt (ebenso wie dem a. a. O. meines Erachtens fälschlich in den Formenkreis der Schläfenringe gezogenen noch viel älteren Ringe von St. Michael, Abb. 10) gerade das Wesentliche der Schläfenringe, die offene Oese, ohne die doch eine Befestigung als "Schläfenring" nur gezwungen denkbar ist; die Art der Endigung ist so verschiedenartig, daß man es offenbar mit Modelaunen zu thun hat und hier nur eine zufällige Aehnlichkeit vorliegt. Der älteste datirbare Fund mit Schläfenringen, denen ich den Namen zugestehen möchte, ist, soweit ich sehen kann, der von Lissauer a. a. O. angeführte von Sos Harthyan, welcher durch eine Goldmünze von Theodosius II. (408 bis 450) bestimmt wird (Archäologi Esercitö 1882, N. F. II, S. 144). Dieser Ring weist schon durch sein Material (Elektron!) seine orientalische Herkunft an, doch steht der Ring nach Form und Zeit allein. In Masse treten die Schläfenringe erst am Ende des ersten Jahrtausends auf und sind gleichzeitig mit den arabischen Schmuckgegenständen, die die slavischen Lande überschwemmten.

Demnach scheint es doch wahrscheinlicher die Entstehung der Form der Schläfenringe durch die arabischen oder wenigstens byzantinischen Handelsbeziehungen zu erklären. Lissauer bildet Fig. 2

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einen echten Schläfenring aus Ungarn ab, der aus dickem gedrehtem Golddraht mit Filigraneinlage besteht. Das ist genau die Technik zahlreicher Ringe aus Hacksilberfunden in ihrem ganzen Gebiete (für Meklenburg s. Jahrb. 9, S. 391 und 49, S. 25 den Fingerring von Schwerin), das ist doch unzweifelhaft ein Importgegenstand.

Schläfenring

Ferner ist die Aehnlichkeit der Umbiegung an arabischen Ringen z. B. bei beistehendem aus dem Silberfunde von Schwerin, Jahrb. 9, S. 390, doch eine frappante. 1 ) Auch stimmt der Zweck der Schläfenringe vortrefflich zu den andern arabischen Schmuckgegenständen, die ja zum großen Theil aus Hängeschmuck bestehen; und als solcher sind die Schläfenringe doch auch aufzufassen. Eine endgültige Entscheidung der Frage wird natürlich erst möglich sein, wenn sie von dem anderen Ende her angefaßt wird, das heißt die Erzeugnisse des älteren orientalischen Kunstgewerbes auf Herkunft und Charakter bestimmt sind, wozu bisher kaum der Anfang gemacht ist.

Wie dem aber auch sei, ob altgermanischen oder orientalischen Ursprungs, der Schläfenring ist zum specifisch slavischen Zierstück geworden 2 ) und selbstverständlich auch durch einheimische Arbeiter gefertigt und modificirt. Das Gesammtmaterial ist noch nicht hinreichend bekannt gemacht, um locale Unterschiede begründen zu können. Es scheint, daß die silbernen überwiegend dem Weichselgebiete angehören, die hohlen Bronceringe dem Gebiete der unteren Oder u. ä. (s. Lissauer in den Verhandlungen der Berliner anthrop.


1) Vgl. auch Zeitschrift für Ethnologie 1892, S. 460, einen Silberring aus einem russischen Funde.
2) Auf die Nothwendigkeit zwischen "arabischen" und wendischen Schläfenringen zu scheiden hat zuerst Virchow in der Berliner Zeitschrift für Ethnologie u. s. w. 1882, Verhandlung S. 448, hingewiesen.
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Gesellschaft 1892, S. 475.) Die große Masse derselben ist aus Bronce, zum Theil versilbert. Ist unsere Herleitung aus dem arabischen Handel richtig, so sind die letzteren minderwerthige Nachahmungen der silbernen Originale und es würde die zeitliche Reihenfolge der Typpen sein: 1. silberne massive; 2. a. silberne hohle, b. broncene mit Silberbelag, 3. a. broncene massive, b. broncene hohle; daneben solche aus Broncedraht.

Schläfenring

Wir geben beistehend ein Verzeichniß der in Schwerin aufbewahrten Schläfenringe.

Schläfenringe.

Schläfenringe
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Schläfenringe

1) Ein ähnliches Exemplar mit einer menschlichen Figur aus Horst bei Pyritz s. Lissauer a. a. O., Tafel 9, 4.

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Schläfenringe

Damit ist aber auch erschöpft, was wir über den Einfluß des slavischen Zwischenhandels nachweisen können. Von den Damascener=klingen, welche als viel begehrtes Gut der Vikinger ihren Weg durch unsere Slavenländer nahmen, ist keine hier erhalten geblieben. In keinem slavischen Grabe ist meines Wissens je eine Waffe gefunden. Daß aber das Schwert, am Ende der Wendenzeit wenigstens, die nationale Waffe gewesen ist, dafür genügt der Umstand, daß der Kriegsgötze der Rugier, der Rugiävit in Garz, acht Schwerter an der Seite und eins in der Hand trug und auch zu den heiligen Emblemen des Svantevit ein Schwert gehörte. Sonst ist uns über die Bewaffnung der Wenden wenig bekannt. 1 )


1) Doch ließe sich über die Bewaffnung der Wenden wohl aus den Geschichtsschreibern etwas mehr zusammenstellen als bisher geschehen ist. Der Abschnitt in Giesebrechts Wendischen Geschichten (I, S. 35) beruht zum größten Theile auf Schriftstellern, welche ohne persönliche Kenntniß des Volkes schreiben und denen gerade in den Ausschmückungen am wenigsten zu trauen ist (z. B. Martinus Gallus). "Gut bewaffnet mit Panzern, Helmen und Schwertern" nennt die Wenden schon Ibrahim 973. Die Götterbilder in Rethra hatten Helm und Panzer, über die Schwerter des Svantevit und Rugiävit s. Saxo Gramm. p. 822 (vgl. Beyer, Jahrb. 32, S. 124 und 126), den Schild erwähnt schon Tacitus und in Wolgast trug ihn der Gott (Ebo III, 8), dagegen wird die Lanze sehr selten genannt (als Göttersymbol in Julin bei Ebo, vita Ottonis III, 1) und die Axt, die alte germanische Nationalwaffe, welche die Sachsen noch in der Schlacht bei Hastings führten und welche bei den Dänen erst im elften Jahrhundert von dem Schwerte verdrängt zu sein scheint (die "Huskarle" Knut des Großen hatten bipennes mucronumque capuli deaurati, und in der großen Wendenschlacht bei Heidaby [Schleswig] 1043 kämpfte Magnus der Gute tenens manu bipennem ejus [sc. seines Vaters Olaf d. Hlg.] Helam dictam, quae et ibi confracta est (  ...  )
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Glaubten wir den Handel der Wenden mit den östlichen Völkern überwiegend als einen Durchgangshandel auffassen zu müssen, so sollte man als Korrelat gelegentlich auch Producte der hochentwickelten nordischen Kultur auf ihrem Boden erwarten; und die finden sich, wenn auch nicht gerade in Meklenburg, in der That. So wurde vor drei Jahren vor den Thoren von Berlin, bei Rosenthal ein wendischer Fund gemacht, bei dem ein nordischer Goldbracteat sich befand, der, wenn auch in rohester Ausprägung, eine Darstellung der ganzen Sigurdsage enthält, wie der Held den Drachen Fafner erschlagen hat, das Herz desselben brät und die Sprache der Vögel versteht. Der Bracteat gehört in das achte Jahrhundert, wird also in der frühesten Zeit des Silberhandels auf unseren Boden gelangt sein. 1 )


(  ...  ) et modo servatur in Nidrosiensi ecclesia. Quellen bei Wigger, M. A., S. 68 und 74) wird auffälliger Weise nie erwähnt, ja in der Schlacht bei Heidaby dem mit der Axt kämpfenden Magnus geradezu der strepitus ensium im Wendenheere gegenübergestellt. Ueber eine bei den Wenden gebräuchliche Schwerterform sind wir unterrichtet: es ist das lange zweischneidige Eisenschwert des frühen Mittelalters mit verhältnißmäßig kurzer starker Parirstange und mehr oder weniger dreieckigem Knauf, wie es aus deutschen Funden und Abbildungen bis in das elfte Jahrhundert (s. u. a. das Schwert Kaiser Heinrich II. in dem zwischen 1002 und 1014 geschriebenen Münchener Missale bei Essenwein, Kulturhistorischer Bilderatlas 35, 1, aber auch Mittheil. des anthrop. Vereins für Schleswig=Holstein 1888, Tafel 1 aus den Skelettgräbern von Immenstedt im Dithmarschen, die J. Mestorf mit gutem Grunde gegen das Jahr 900 verlegt) allbekannt ist. Dieselbe Form hat das berühmte nordische "Vikingerschwert". Wenn schon bei diesem ein Import der Klinge aus dem deutschen Reiche wahrscheinlich gemacht ist (A. L. Lorange, den yngre jernalders svaerd. Bergen 1889, Olshausen, Berliner Zeitschrift für Ethnologie u. s. w. 1890, S. 30; allerdings nicht ohne Widerspruch von anderer Seite), so gilt dasselbe natürlich noch mehr von den auf slavischem Boden gefundenen Schwertern. Dieselben sind selbstverständlich aus Deutschland eingeführt. Daß sie aber bei den baltischen Slaven zur nationalen Waffe geworden sind, beweist nichts besser, als daß selbst Götterbilder mit solchen Schwertern dargestellt wurden (s. bei M. Weigel, Bildwerke aus altslavischer Zeit die beiden Steinfiguren aus dem Kreise Rosenberg in West=Preußen, Fig. 1 und 6).
1) Ueber den Rosenthaler Goldbracteaten s. Friedel und Bartels in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie 1890, S. 518. Der Bracteat gehört einer künstlerischen Richtung in den skandinavischen Ländern an, welche sich in ihrer Entwickelung chronologisch ziemlich genau verfolgen läßt und in das fünfte bis achte Jahrhundert fällt; das besprochene Stück muß an das Ende dieser Periode gesetzt werden. Der nordische Ursprung desselben ist unzweifelhaft; und es sollte dasselbe darum nicht als eine Bestätigung der Behauptung, es müsse ein Bestand germanischer Bevölkerung unter den Wenden zurückgeblieben sein, in das Feld geführt werden. (Friedel, Protokolle der Generalversammlung der Geschichtsvereine in Schwerin 1890, S. 147). Ist unsere Auffassung richtig, daß das Exemplar auf dem Wege des baltischen Handels an seinen Ort gelangt ist, so repräsentirt es eine der (  ...  )
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Wir verlassen damit diese Seite der wendischen Handelsbeziehungen und sehen nach der anderen Richtung: wie war das friedliche Verhältniß zu den Deutschen über der Elbe? Auch hier beginnt unsere Geschichte mit Karl dem Großen. In jenes großartige handelspolitische System, durch welches der Kaiser die wirthschaftlichen Kräfte seines neugeschaffenen Reiches zu entfalten suchte, gehört auch die Anlage von Handelsplätzen an den Reichsgrenzen und die Regelung des Handelsverkehrs mit fremden Ländern. Für das norddeutsche Gebiet wurden Märkte in Bardowiek, einem früh untergegangenen oder doch zurückgedrängten Orte Schezla, Magdeburg und Erfurt errichtet und unter besondere Grafen gestellt; nur so weit durften die Händler vorgehen, und besondere Gesetze regelten die Ein= und Ausfuhr; die Ausfuhr von Waffen aus dem Frankenreiche wurde ausdrücklich verboten, doch haben wir schon oben gesehen, daß die Wenden sich deutscher Schwerter bedienten. 1 ) Von da an sind Bardowiek, später durch Lüneburg und Lübeck ersetzt, und Magdeburg, letzteres namentlich, seit Otto der Große diese seine Lieblingsschöpfung zum Ausgangspunkte aller auf die


(  ...  ) westlichsten Fundstellen desselben. 1882 gaben Friedländer und Virchow als westlichsten (vereinzelten) Fundort arabischer Münzen Paretz an der Havel, vertreten durch einen Fund von 973, an, und Friedländer vermuthete, daß der Handelsweg in dieser früheren Zeit weiter westlich gegangen sei als später; dazu würde der Rosenthaler Bracteat einen weiteren Beleg liefern.
1) Ueber Karls des Großen Handelspolitik s. von Inama=Sternegg, Deutsche Wirthschaftsgeschichte I, S. 436 f., bes. S 436. 805 und 806 bestimmte Karl de negotiatoribus, qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt quousque procedere cum suis negotiis debeant, id est partibus Saxoniae usque ad Bardaeovic, ubi praevideat Hredi et ad Schezla, ubi Wadalgandus praevideat; et ad Magadoburg praevideat Aito Et ad Erpesfurt praevideat Madalgaudus . . . . . . . Et ut arma et brunias non ducant ad venundandum . . . . . . . Die Lage von Schezla ist zweifelhaft; Giesebrecht (W. G. I. S. 24) vermuthet Scheeffel im Lüneburgischen, Wigger (Jahrb. 28, S. 28) denkt an die Gegend zwischen Hitzacker und Dahlenberg, wo ein Fluß Schetzell erwähnt wird, der heutige Cateminer Bach gegenüber Darchau bei Neuhaus. Die letzte Ansetzung, gewinnt an Wahrscheinlichkeit sehr dadurch, daß der Cateminer Bach (Schetzell=Schedesdal "Grenzbach") eine alte Völkergrenze zwischen Barden und Nord=Thüringen bildet (s. v. Hammerstein, Jahrb. 36, (S. 107 f. und Seelmann, Jahrb. des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 12, S. 22) und der Gebrauch der Fähre bei Darchau (targow wendisch = Marktplatz) seit ältester Zeit bezeugt ist. - Die negotiatores, von denen in dem Capitutar die Rede ist, sind doch wohl die ausländischen Kaufleute, denen das Betreten des fränkischen Reiches nur an bestimmten Stellen erlaubt war, nicht, wie Giesebrecht a. a. O. will, fränkische Kaufleute. Auch von dem französischen Boden suchte Karl auswärtige Konkurrenz frei zu halten (rex . . . praecepit, ut nemo de Brittannia . . . mercimomii causa litus oceani maris attingeret in Gallia. Von Inama=Sternegg, a. a. O., S. 435,).
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Germanisirung der Slavenländer zielenden Bestrebungen machte, die Ausfallsthore des Germanenthums in unsere Länder geworden, und dieser doppelte Strom der Germanisirung, der Bardowieker niedersächsische und der Magdeburger obersächsische ist erkennbar bis in unsere Tage, nicht nur im Rechte, sondern auch im Dialekte und, wie zu erwarten steht, auch im Volksbrauch und Volkssitte. Allerdings in der Periode, die uns hier beschäftigt, ist von diesem Einflusse noch wenig zu spüren. Die Zeit friedlichen Verkehrs an den Elbufern war nur eine kurze; bald traten an seine Stelle die erbitterten Racenkämpfe und wilden Raubzüge, welche die Uebertragung der rasch entwickelten deutschen Kultur unmöglich machten; es ist, als ob die Wenden mit bewußter Ablehnung sich Allem, was von dort zu ihnen drang, gegenübergestellt hätten; nichts ist so bezeichnend, als die Thatsache, daß erst die deutschen Kolonisten des zwölften Jahrhunderts den Steinbau, die Wassermühle und den schweren deutschen Pflug nach Meklenburg gebracht haben.

Erkennbar ist der deutsche Einfluß vom neunten bis zwölften Jahrhundert hauptsächlich im Münzwesen. Vereinzelt dringen schon Karolinger Münzen in die Ostseeländer, sie werden meist mit arabischem Silber zusammen gefunden und behandelt wie diese; erst im Laufe des zehnten Jahrhunderts, wo die arabischen Münzen allmählich verschwinden, kommen deutsche Münzen massenhaft in das Land, besonders die sog. "Wendenpfennige" und "Adelheidsmünzen"; und diese Münzen - das ist der wichtige Punkt in der Geschichte des Verkehrswesens unserer Länder - sind als Werthzeichen gebraucht; die Wendenlande treten damit doch in das Wirthschaftsgebiet des deutschen Reiches. Die Münzen werden nun allmählich nicht mehr zerhackt, sondern , wo man kleinere Werthzeichen haben will, in regelmäßige Theile zerschnitten. 1 ) Zahlreich sind die


1) Die für uns wichtigsten Münztypen dieser Zeit sind die bekannten "Wendenpfennige", Denare mit aufgebogenem Rande, und die "Adelheidsmünzen", Denare, welche die Namen Otto und Adelheid tragen. In den "Wendenpfennigen" sah man bisher, nachdem die Ungereimtheit der Annahme, daß es einheimisches wendisches Geld sei, von Dannenberg (Die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiser, S. 488 flgd.) nachgewiesen war, Nachbildungen deutscher Münzen, welche für den Verkehr in den Wendenlanden in ostsächsischen Prägestätten geschlagen wurden; die "Adelheidsmünzen" setzte man in die Zeit von 991 bis 994, wo die Kaiserin Adelheid, die Gemahlin Otto I, die Vormundschaft für ihren Enkel Otto III. führte. Beide Annahmen sind falsch. J. Menadier hat nachgewiesen (Deutsche Münzen, Band I 1891, S. 86 flgd., bes. S. 196), 1) daß die Adelheidsmünzen bei ihrer Masse und ihren verschiedenen Typen nicht aus der kurzen angenommenen Zeit stammen können, daß sie vielmehr auf Otto I. und seine Gemahlin zurückgehen und seit dem Jahre 952 Magdeburg geschlagen sind, daß sich (  ...  )
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Münzfunde aus dem elften Jahrhundert, und neben ihrer eigenen Bedeutung haben sie für den Archäologen noch den Werth, daß sie eine völlig sichere Chronologie wenigstens für einen Industriezweig der Slaven gewähren, das ist das Gebiet der Töpferei. Sehr viele Funde sind in Urnen geborgen, und Technik und Form dieser Urnen geben ein untrügliches Bild von dem keramischen Geschmack und Können der Slaven zu der durch die Münzen gesicherten Zeit. Damit ist eins gewonnen. Scherben finden sich überall, wo Menschen gewohnt haben, und ist es erst gelungen, die Kriterien der slavischen Töpferei zu finden, so haben wir an den Scherben ein sicheres Mittel, den slavischen oder nicht slavischen Ursprung einer alten Kulturstätte, oder, wie man gewöhnlich noch sagt, "Burgwall", festzustellen. Das Verdienst, die slavische Keramik entdeckt zu haben, gebührt unserem Friedrich Lisch, der schon im Jahre 1847 den wendischen Gefäßtypus feststellte. Die Verwerthung der Entdeckung und ihre Ausdehnung auf das ganze slavische Gebiet ist das Verdienst von Rudolf Virchow. 1 ) Die Form der Wendengefäße ist


(  ...  ) der Typus aber noch in der Regierungszeit der anderen Ottonen gehalten hat; 2) daß die "Wendenpfennige" schon ihrem Typus nach vor den "Adelheidspfennigen" liegen müssen, also in der ersten Zeit der Regierung Otto I. oder auch schon von Heinrich I. geprägt sind und zwar als deutsche Münze, allerdings im äußersten Osten des Sachsenlandes, zunächst wohl in Merseburg. Mit dieser Datirung Menadiers stimmt die älteste Erwähnung gemünzten Geldes in den Ostseeländern überein. Diese findet sich bei Helmold I, 13, 10 - 13 in der summarischen Darstellung der Verhältnisse von etwa 967 - 988 debetur autem pontifici [dem Bischofe von Oldenburg] annuum de omni Wagirorum seu Obotritorum terra tributum, quod scilicet pro decima imputabatur, de quolibet aratro mensura grani et 40 resticuli lini et 12 nummi puri argenti, ad haec unus nummus pretium colligentis. (Wigger, M. A., S. 38) und Helmold I, 14, vor 988, wo der Obotritenfürst Billug den Bischof Wago zu einer Ablösung dieses Tributes zu bewegen weiß, est apud Obotritos pontificale tributum quod pro decima imputatur, de quolibet scilicet aratro . . . . . mensura grani et 40 lini et 12 nummi probatae monetae, praeterea unus nummus, qui debetur colligenti. (Wigger, M. A., S. 44.) 1020 - 1022 macht Bischof Benno wieder Ansprüche auf diesen Bischofszinz, Herzog Bernhard aber considerans non posse instaurari ecclesiatica jura secundum eam formam, quae fuerant tempore magni Ottonis petitione adhibita (bei dem Wagrischen und Obotritischen Herrn) vix obtinuit, ut de quolibet domo . . . . . duo nummi pontificalibus solverentur impensis (Helmold I, 18; Wigger, M. A., S. 62; Jahrb. 42, Anlage D, S. 35). - Erst um das Jahr 1200 ist im Lande selbst geprägt; schriftlose Bracteaten mit dem Stierkopf und ein Gepräge Niklots von Rostock beginnen die Reihe unserer Münzen.
1) Lisch beschrieb den "Burgwalltypus" in dem Jahrb. 12, S. 435; schon damals wies er auf die Bedeutung der Wellenlinie hin. Allerdings konnte er zu einem klaren Bilde nicht gelangen, weil er auch die große Masse der Urnen aus den Grabfeldern der älteren Eisenzeit für wendisch hielt, während wir heute wissen, daß diese sämmtlich vorwendisch sind.
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eine recht einfache; von einer breiten Grundfläche steigt die Wandung mit leichter Ausbauchung ohne markirten Bauchrand auf und zieht sich zu einer breiten Oeffnung zusammen; Henkel erscheinen fast nie, der Rand ist oft umgebogen und scharf profilirt; die Mehrzahl ist aus freier Hand geformt, doch ist bei vielen die Anwendung der Töpferscheibe unverkennbar. Der Eindruck dieser Gefäße ist durchgängig ein unscheinbarer; in jener vollen Formengebung, welche die Graburnen der älteren germanischen Eisenzeit kennzeichnet, spüren wir etwas von dem Schönheitssinn der klassischen Kulturvölker, aus deren Gebiete die alten Germanen ihre feineren Industriegegenstände bezogen; davon ist hier keine Spur, keine Verbindung führt von der altgermanischen zu der slavischen Periode hinüber; nichts ist leichter, als germanische und slavische Scherben zu unterscheiden, eine Thatsache, auf deren große Bedeutung für die Frage, ob die Wenden in ein menschenleeres Land eingerückt sind oder mit einem Residuum germanischen Stammes sich abfinden mußten, in diesem Zusammenhange nur hingewiesen werden mag. Neben der Form ist wesentlich dieVerzierung: Wellenlinien, mit einem kammartigen Instrumente unterhalb des Randes um das Gefäß herumlaufend, Horizontalriefeln (Kehlstreifen), welche den oberen Theil bedecken, eingedrückte Sterne, Quadrate u. s. w., gelegentlich auch ein kreuzähnliches Ornament erscheinen so gleichmäßig in allen Slavenländern, von Arcona bis in den Grotten von St. Canziano, daß man hier von einem nationalen Geschmacke, so wenig entwickelt er auch ist, sprechen muß. Hierbei ist man bisher im Wesentlichen stehen geblieben. Die Aufgabe der gegenwärtigen Forschung ist es, aus der Fülle des überkommenen Materials Merkmale der zeitlichen Entwickelung herauszufinden; es ist undenkbar, daß selbst ein so wenig entwickelungsfähiges Volk, wie wir die Wenden uns gewöhnlich vorstellen, sechs Jahrhunderte lang immer dieselben Thongefäße gemacht haben sollte, und wenn nicht, dann muß auch eine Entwickelungsgeschichte der wendischen Töpferei möglich sein. Sind wir aber erst einmal so weit, den Scherbenbestand eines Burgwalls oder etwas anderen wichtigen Punktes durch die Grenzlinien weniger Jahrzehnte zu umschreiben, so wissen wir auch, wann er spätestens gebaut und wann frühestens verlassen ist, und es eröffnet sich so die Aussicht, auf dem Wege archäologischer Methode ein Stück alter Landesgeschichte zu erhellen, in dem wir bisher fast ganz im Dunklen tappen. Damit ist allerdings bei uns in Meklenburg kaum der Anfang gemacht; es wollen sich für diese Seite landeskundlicher Forschung noch immer nicht hinreichend Mitarbeiter finden, und der Weg sich sein Bild der alten Zeit buchstäblich aus dem Schutt der Vorzeit zusammenzusetzen,

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erfordert eine Entsagung, die man nicht einmal bei jedem Alterthumsfreunde voraussetzen darf; und doch ist begreiflicherweise gerade hier eine Fülle von Beobachtungsmaterial von nöthen, ehe man zu Schlüssen berechtigt ist. Ein vorläufiges Bild versucht die folgende Zusammenstellung zu geben.

Die wendische Keramik.

Eine Geschichte der slavischen Keramik ist noch nicht geschrieben; es fehlt besonders noch an den Kriterien für die älteren Zeiten (ca. 500 - 1000). Doch können einige Punkte als sicher betrachtet werden, für deren Feststellung sich besonders neben Virchow H. Jentsch in Guben (Zeitschrift für Ethnologie: Prähistorische Alterthümer von Guben) und E. Friedel verdient gemacht haben. An das Ende der Wendenzeit (1000 - 1200) gehören die Gefäße mit härterem Brande, scharf umgebogenem Rande und den plastischen Zeichen auf den Böden, in denen Jentsch wohl mit Recht eine Art Fabrikmarke sieht. Die Decoration ist sorgsamer und gleichmäßiger als in der älteren Zeit; die Wellenlinie tritt zurück und erscheint einfach und flacher; die Kehlstreifen überwiegen und werden mit einem Instrumente hergestellt; häufig sind auch die Kerben, oft auf dem Rande oder einer umlaufenden wulstartigen Erhöhung. Münzfunde aus dem elften Jahrhundert 1 ) (s. o.) und Skelettgräberfunde, die durch ihre Beigaben oder Anlage christlichen Charakter aufweisen, z. B. der von Sobrigau bei Prillwitz, dem durch ein auf einer Steinplatte befindliches Kreuz seine Stellung in der frühchristlichen Zeit der Wenden gesichert ist (s. Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1889, S. 596), geben diese Datirung. Die Urne von Sobrigau beweist aber auch, daß die längst bekannte Drehscheibe durchaus nicht immer angewendet ist. Auch ist es unzweifelhaft, daß die höheren schlankeren Töpfe erst dieser Zeit angehören. Das in Meklenburg gesammelte Material reicht leider noch nicht aus, eine zeitliche Scheidung unserer Burgwälle aufzustellen; nur von dem von Teterow läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß er erst der letzten Periode angehört; wahrscheinlich ist es auch für Dobin.

Der Meklenburgische Boden hat wenigstens ein bedeutungsvolles Gefäß aus dieser Zeit geliefert, die bekannte, umstehend nach Jahrb. 26, S. 243 abgebildete Münzurne von Schwaan. Dieselbe ist besonders dadurch interessant, daß sie neben unverkennbaren slavischen Zügen wesentliche Abweichungen von der Masse der sonst bekannten zeigt.


1) S. A. Voß in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie 1882, (S. 407.
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wendische Keramik

Sie gleicht denselben in Beziehung auf ihre Form (breite Grundfläche, allmähliche Ausbauchung, kein Bauchrand) und ihre Ornamente (Wellenlinien, Horizontallinien, schräge Kerben); sie unterscheidet sich durch ihre Technik (feine Thonmischung, dünne Wände, glänzend schwarze Oberfläche), durch die Behandlung der Ornamente (dieselben sind gleichmäßiger und besser

vertheilt auch ganz flach gehalten), durch den scharf profilirten Henkel und (von den späteren Slavengefäßen wenigstens) durch das Fehlen eines besonderen Randes. Eine Erklärung für diese Besonderheiten vermag ich nur darin zu sehen, daß es sich hier um ein für einen besonderen Zweck besonders sorgsam hergestelltes Exemplar handelt. 1 )

Wenn wir also über die letzte Gestalt der slavischen Töpferei auf unserem Boden aufgeklärt sind, so steht es mit dem Beginn um so schlimmer. Mir ist kein norddeutscher Fund bekannt, wo wendische und altgermanische Töpferei sich berührte und ein Uebergang nachzuweisen wäre; Versuche eines solchen Nachweises sind gemacht, aber mißlungen. 2 ) Bei uns erscheint die slavische Keramik als etwas durchaus


1) Das Schwaaner Gefäß wurde auf der Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine in Schwerin (1890) zur Diskussion gestellt und sein wendischer Ursprung bezweifelt (s. Friedel in den Protokollen S. 130). Die altgermanischen Gefäße, an die erinnern soll, können nur die "sächsischen Urnen" der Elbgegend sein, wie sie besonders bei Stade ausgegraben sind und welche die jüngste Entwickelung der Urnenfelderzeit überhaupt repräsentiren; sie reichen bis gegen 500 (s. Undset, das erste Auftreten des Eisens, S. 296. Rautenberg, Jahrb. der wissenschaftlichen Anstalten in Hamburg II, S. 178). Gegen diese Parallelisirung ist zu sagen: Die Aehnlichkeit beschränkt sich auf die Technik; ein Blick auf die Abbildungen a. a. O. zeigt die Grundverschiedenheit der Form (eingezogener enger Hals) und der Verzierung (plastische Ornamente). Auch ist es eine unmögliche Annahme, daß ein germanisches Gefäß, welches spätestens im Jahre 500 hergestellt ist, im Jahre 1030 zur Verwahrung eines Schatzes auf wendischem Boden gebraucht sein sollte.
2) Da man sich, hauptsächlich auf Virchows Autorität hin, immer wieder auf den "Berührungsfund" von Wachlin in Pommern beruft, so neuerdings noch Platner im Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen (  ...  )
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neues. Anders scheint es weiter südlich, sowie in Oesterreich zu sein, wo zum Theil die römische Kultur von den Slaven abgelöst wurde. E. Friedel hat auf Leichenurnen eines römischen Grabfeldes im Salzburgischen hingewiesen, die in Form und Verzierung fast identisch mit den norddeutschen wendischen Gefäßen sind. (Protokolle der Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine in Metz 1889, S. 80). Hier erscheint auch die Wellenlinie; das jedenfalls ist klar, daß die Slaven dieses für sie später so charakteristische Ornament direct oder indirect von den Römern übernommen haben, welche es schon seit Jahrhunderten anwandten, 1 ) und ebenso bedarf es keines weiteren Nachweises, daß diese Berührung zwischen Romanen und Slaven im Gebiete des heutigen Oestreich stattgefunden haben muß. Dort könnte man auch die Quellen unserer wendischen Keramik vermuthen; welche Grundzüge derselben die Wenden aber in ihre späteren Sitze schon mitgebracht haben und welche später durch Verkehr mit den Nachbarvölkern dazu gekommen sind, oder welche sie eigenthümlich entwickelt haben, das bleibt noch zu untersuchen.

Denn anderseits bestehen unzweifelhafte Analogien zwischen der wendischen Töpferarbeit und der fränkischen, wie sie in den westdeutschen Reihengräbern des fünften bis achten Jahrhunderts in reicher Entfaltung erscheint. Ein Gefäß, wie das in Lindenschmits Alterthümern u. h. V. I, Heft 4, 5, Fig. 1 abgebildete aus dem bekannten Reihengräberfelde von Selzen würde, auf wendischem Boden gefunden, niemand befremden; die Form des ebenda Fig. 6 abgebildeten ist identisch mit einigen unzweifelhaft wendischen Urnen; die Verzierung durch Stempeleindrücke ist dieselbe: der scharfe Bauchrand, den die meisten fränkischen Gefäße haben, kommt doch auch an den wendischen Gefäßen gelegentlich vor (s. u.); die Henkellosigkeit ist ein gemeinsames Kennzeichen. Daß demnach eine Beeinflussung der Wenden durch fränkische Töpferarbeiten anzunehmen ist, halte ich für erwiesen; in einem märkischen Funde ist auch ein directer Import fränkischer Töpferwaaren vermuthet (s. E. Friedel im Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine 1888, S. 1).


(  ...  ) Gesellschaft. 1893, S. 31 so sei hier ausdrücklich hervorgehoben, wie schon Voß bei Besprechung desselben in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie 1882, S. 407 andeutete, daß die Wachliner Urnen der jüngsten slavischen Keramik angehören.
1) Ein Beispiel für viele: Lindenschmit, Alterth. u. heidn. Vorzeit III, 6, 4, Fig. 8, mit einer Wellenlinie, die ganz gleich der auf dem Schwaaner Gefäße ist.
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Thatsache, daß vor dem Eindringen der Wenden die Herrschaft der Merowinger etwa 60 Jahre (531 - 595) bis zur Ostsee ging (s. den interessanten Brief des Königs Theodebert an Kaiser Justinian vom Jahre 534 oder 535, abgedruckt und erläutert bei Seelmann im Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung XII (1887) S. 56, und Bangert im Jahresbericht des Realprogymnasiums in Oldesloe 1893, S. 11).

Wir haben auf Meklenburgischem Boden Zeugnisse dieser Beeinflussung, z. B. in einem Grabfelde bei Hagenow (am Prahmerberge), dessen Reste Verfasser während des Druckes dieser Zeilen untersucht hat wo neben Urnen mit Fibeln vom älteren Reihengräbertypus Bestattungen ganz im fränkischen Charakter auftraten und in dem (etwas älteren) Urnenfelde von Pritzier (J. VIII, B S. 58). Hier fanden sich neben Scheibenfibeln, Schnallen, Schlüsseln in Charakter der Reihengräberfunde, Urnen von großer Aehnlichkeit, deren eine das Ornament der Wellenlinie hat. Da haben wir also dieses wendische Ornament auf wendischem Boden in vorwendischer Zeit; in die fränkische Keramik ist es natürlich aus der römischen übergegangen, mit dieser, wahrscheinlich durch Nord=Thüringen, zu uns; dem alt=sächsischen Gebiete blieb es wohl fremd. Doch ist anzunehmen, daß die vorwendische Wellenlinie hier eine vereinzelte Erscheinung geblieben ist und die Wenden sie von der alten Bevölkerung schwerlich übernommen haben. Ob sie aber aus der römischen Keramik direct stammt, in welchem Falle die Wenden sie bei ihrer Einwanderung mitgebracht haben, oder später von den Franken übernommen ist, das ist noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Eine Scheidung der älteren slavischen keramischen Reste nach Zeit und nach den Völkerschaften ist bisher noch nicht erreicht.

Ueber die Form der wendischen Gefäße im Allgemeinen mag neben dem Schwaaner Gefäß das beistehend nach Jahrb. 12, S. 437 wieder abgebildete von Bobzin bei Lübz, ein allerdings besonders plumpes Stück, orientiren. Eine treffende Charakteristik der wendischen Poterie, die, wenn sie auch zunächst nur die Fundstücke eines hervorragenden Fundplatzes behandelt, doch allgemeine Bedeutung hat, giebt H. Jentsch in den "Prähistorischen Alterthümern von Guben", Heft 4 (1889), S. 12.

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Gut erhaltene wendische Gefäße sind ziemlich selten. Es befinden sich in den Schweriner Sammlungen nur fünf Stücke, nämlich:

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1) Das abgebildete Gefäß von Bobzin bei Lübz, ein sehr unregelmäßig gearbeiteter plumper Topf von 10 cm Höhe, 11 cm Durchmesser an der Oeffnung, 9 1/2 cm Durchmesser des Bodens; mit scharf abschneidendem geraden Rande, unter dem zwei flüchtig eingeritzte Wellenlinien; auf dem Boden eine kleine Vertiefung, wie mit dem Finger eingedruckt. (Vgl. Jahrb. I B, S. 14.)

2) Ein bei dem Bau der Wismar=Karower Bahn zwischen Warin und Brüel gefundenes Gefäß; dasselbe wurde vom Herrn Commerzienrath Lenz 1889 freundlichst der Großherzoglichen Sammlung übersandt (Katalog=Nummer TIA Ia 28). Höhe: 15 cm; oberer Durchmesser: 17 cm; unterer Durchmesser: 10 cm; größter Umfang: 50 cm (8 cm von oben). Von dem derben Boden steigt die Wand ziemlich gerade an und biegt sich zu einer flachen Wölbung aus; der Rand biegt sich ganz schwach nach außen; die Farbe ist schmutzigbraun. Unter dem Rande laufen, mit einem zweizinkigen Geräth gezogen, eine Horizontallinie, zwei Wellenlinien und wieder eine Horizontallinie; zwischen den Wellenlinien mit einem Stempel eingedrückte kleine Kreise mit erhabenen Speichen, wie beistehende Abbildung.

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Gearbeitet aus freier Hand, schwacher Brand. Abb. 10. 1/1.

3) Die oben besprochene Münzurne von Schwaan.

4) Ein Gefäß, welches bei Waren in der Müritz gefunden ist; nur halb erhalten; (erworben 1867, Kat.=Nr. TI Al A Aa 1). Höhe: 12 cm; oberer Durchmesser: ca. 12 cm; unterer: 9 cm; größter Umfang (6 cm von oben): 48 cm. Der Rand biegt sich leicht um; die Kehlstreifen sind flach und unregelmäßig; auf dem Boden erhaben eine Art Doppelkreuz mit spitzen Enden, Graubraune Farbe, harter Brand, dünne Wände, Drehscheibenarbeit; vergl. die nebenstehenden Abb. 11 -u. 12.

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5) Ein sehr schönes Gefäß von Rehna, erworben aus der Sammlung von Rantzau 1871 (Katalog=Nr. T I A 1 a y 25). Dasselbe ist höher und schlanker als die andern, verziert mit regelmäßigen Kehlstrichen und Schrägkerben, der Rand leicht umgebogen; auf dem Boden concentrische Kreise leicht erhöht. Farbe:

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hell braunroth. Höhe: 7 1/2 cm; oberer Durchmesser: 7 1/2 cm; unterer: 8 cm; größter Umfang (5 cm von oben): 65 cm. Der Brand ist scharf und gleichmäßig, die Drehscheibenarbeit unverkennbar.

Daß die Gefäße von Waren und Rehna der letzten Periode angehören, ist unzweifelhaft; die von Bobzin und Warin haben genau den Charakter der großen Masse der Burgwallscherben; die Reihenfolge unserer Aufzählung wird wohl dem zeitlichen Verhältniß der fünf Gefäße entsprechen.

Mit Hülfe dieser erhaltenen Gefäße können wir uns aus den Scherben, welche die wendischen Ansiedlungen in unzählbarer Menge zu Tage fördern, ein Bild der wendischen Gefäßformen machen, und ich zähle im Folgenden die wichtigsten Züge auf, wobei allerdings stets festzuhalten ist, daß das zu Grunde gelegte Material im Verhältniß zu der Masse des Vorhandenen ein sehr geringfügiges ist.

Der Boden hat 8 bis 10 cm Durchmesser und ist meist dem Körper des Gefäßes so angefügt, daß seine Ränder an diesem durch Andrücken befestigt sind; so entsteht eine schmale Verbreiterung an der Standfläche. Oft ist die untere Seite des Bodens mit einem hervortretenden Zeichen versehen. Die Beispiele dafür aus Meklenburg sind folgende: vier concentrische Kreise, leicht erhöht (vom Burgwall von Teterow, s. Abbildung 13, ähnlich an dem Gefäße von Rehna, s. o.); Rad mit Speichen, ebenfalls nur leicht erhöht (vom Burgwall von Alt=Bukow, s. Abbildung 14); Stern (vom Pfahlbau von Dudinghausen); Stern mit Kreuz (vom Wohnplatz von Neukloster, s. Abbildung 15); Kreis mit Stern (Finkenthal); Doppelkreuz mit spitzen Enden (Gefäß von Waren, s. Abbildung 12).

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Alle diese Gefäße sind hart gebrannt, dünnwandig, meist gleichmäßig grau; außerdem finden sich stark vertiefte Kreise (auf den Burgwällen von Gaartz, Meklenburg, Moltzow und Neu=Nieköhr) und ein flacherer Kreis (auf dem Burgwall Gotebant bei Mölln).

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Die Wandung weitet sich allmählich und ist nur wenig gewölbt; nur selten ist es, daß die Seitenfläche gebrochen wird und ein scharfer Bauchrand entsteht. In diesem Falle bekommt, wie schon oben bemerkt, das Gefäß ein Aussehen, welches ungemein an die bekannten süd= und westdeutschen Reihengräberformen (den "merowingischen" Typus Lindenschmits) erinnert; vgl. z. B. die Tafel 35 in Lindenschmits Alterthumskunde, Band I.

Ein Hals fehlt; oben schließt die Wand entweder glatt ab oder biegt sich ein wenig nach außen - dies ist die bei Weitem häufigste Form - oder endet in einem scharf nach außen gebogenen und kräftig profilirten Rande; letzteres wird dem Ende der Periode zu immer häufiger; in einigen Fällen ist der Rand mit Tupfen, Kerben oder Strichen, wie in beistehender Abbildung (vom Burgwall Werle), in einem (Burgwall von Gr.=Woltersdorf) mit der Wellenlinie verziert.

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Die Farbe ist überwiegend schmutziggrau; fast nur in den Grabfeldern findet sich rothbraun und braun; die glänzend schwarze Schwaaner Urne steht ganz allein; erst am Ende wird die Farbe gleichmäßiger, und es kommen röthliche, selbst gelbe Nuancen vor.

Von besonderer Bedeutung ist die Decoration. Die Verzierungen pflegen zwischen dem Rande und der größten Ausweitung angebracht zu sein. Sie sind mit einem Stäbchen oder einem mehrzinkigen kammartigen Geräth gezogen oder eingestochen oder mit einem Stempel eingedrückt; Kerben scheinen oft mit den Fingernägeln hergestellt zu sein. Wir unterscheiden:

1) die Wellenlinie, die häufigste Verzierungsart, und zwar die einfache oder, was häufiger, mehrfache, in allen Variationen von der flachsten bis zur schärfsten Curve. Am Ende der Periode überwiegt die einfache Wellenlinie, flacher, niedriger und gleichmäßiger gehalten als früher. Die nachstehenden Abbildungen 17 bis 20 stellen die häufigsten Formen dar. Die Beobachtung von Jentsch, daß die

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Linien von rechts nach links gezogen sind, habe ich auch bei uns theilweise bestätigt gefunden. Sehr selten ist es, daß die Wellenlinien vertikal gehen, doch haben wir Beispiele von den Burgwällen von Schwerin, Meklenburg und Werle (s. beistehende Abbildung).

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2) Dreiecke und Gitter, nie aus einfachen Linien bestehend, sondern gewöhnlich mit einem mehrzinkigen Instrument hergestellt; einmal ist eine Wellenlinie als Gitter behandelt; auch werden punktartige und kleine quadratische Eindrücke zu entsprechenden Mustern verbunden. Als Beispiele siehe untenstehenden Abbildungen 22 bis 26.

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3) Fischgräten (oder Tannennadel)=Muster; gewöhnlich gebildet aus tiefen kerbenartigen Eindrücken; seltener mit einem spitzen vierzinkigen Instrument eingestochen (s. nebenstehende Abbildung 27).

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4) Kerben und Tupfen; am häufigsten kleine starke Schrägkerben, um die Wandung herumlaufend (vergleiche das Schwaaner Gefäß); oft kombinirt mit Kehlstreifen, besonders in der letzten Periode (Gefäß von Rehna, vgl. die Abbildung 28 aus Moltzow), doch kommen auch Längskerben, feine Vertikal= und Schräglinien aus Kerben oder Tupfen vor.

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5) Flache Furchen, besonders Kehlstreifen; neben der Wellenlinie die häufigste Verzierung; es sind meist schlichte Furchen, die in größerer oder geringerer Entfernung das Gefäß umziehen, oft kombinirt mit den anderen Mustern; in späterer Zeit werden sie gleichmäßiger und enger und scheinen durch ein entsprechend eingekerbtes Holz= oder Knochenstück hergestellt zu sein. Die vertikale Stellung ist ebenso selten wie bei der Wellenlinie (vergl. die nebenstehende Abbild. 29 aus Friedrichsruhe).

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6) Stempeleindrücke, die, meist zu Reihen geordnet, das Gefäß umziehen. Wir haben folgende Beispiele:

a. kleine Kreise mit hervortretenden Diagonalen, und zwar kreuzförmige (Abbildung 10) auf den Burgwällen von Alt=Bukow, Gaartz und Meklenburg und an dem Gefäße von Warin; b. kleine Kreise mit sternförmigen Diagonalen

(Abb. 30), z. B. auf den Burgwällen von Meklenburg und Werle) oder gitterförmigen (z. B. in Meklenburg), b. einfache ringförmige Eindrücke (Abb. 31, z. B. in Friedrichsruhe, Meklenburg und Werle),

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c. kleine Quadrate. meist schräg liegend, z. B. auf dem Burgwall von Laage, nebenbei abgebildet (32); dieselben sind oft durch sich schneidende Stege gemustert (z. B. in Friedrichsruhe, Abbildung 33, und Gaartz, Abbildung 34).

Wenn auch alle diese Stempelformen sehr einfach sind, so ist doch zu bemerken, daß sie faft ganz gleich und in gleicher Anordnung, allerdings in ungleich geschmackvollerer Einzelausführung auf den schon oben herangezogenen Reihengräbergefäßen auftreten.

7) Erhöhte Horizontallinien (Wulste) werden auf dem Bauchrande oder unter dem Rande angebracht, aber selten und, wie es scheint, erst gegen das Ende hin; gewöhnlich sind sie dann mit Schrägkerben verziert (vergl. oben Abbildung 28).

Henkel sind außer an dem Schwaaner Topfe bei uns nie beobachtet und auch sonst fast ganz unbekannt.

Zu der Keramik gehören auch die Spindelsteine. Die gewöhnliche Form derselben in wendischen Funden giebt die Abbildung 35 (Packbau von Dudinghausen). Sie unterscheiden sich durch ihre allseitige scharfe Profilirung sowohl von denen der früheren Eisenzeit als auch den mittelalterlichen; ihre Farbe ist meist grau;

wir haben ähnliche von Burgwällen von Gaartz, Neu=Kloster, Neu=Nieköhr und Werle, und aus Brandgruben von Finkenthal. Daß aber

wendische Keramik
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auch rundliche Formen vorkommen, zeigt ein Exemplar von Ilow (nebenbei abgebildet Nr. 36) und ein ganz runder aus Zehlendorf (siehe unten). Nach Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft (Bd. 23, S. 7 und 12) scheint diese Form auf den böhmischen Burgwällen die häufigste zu sein.

wendische Keramik

Für die Beziehungen, die zwischen wendischer und fränkischer Keramik bestehen, ist ein weiterer Beweis, daß Spindelsteine ganz gleich dem von Dudinghausen in westdeutschen Reihengräbern sich finden, z. B. in dem von Osthofen (Museum in Mainz).

An der Hand der so gewonnenen Erkenntniß wenigstens eines sicheren wendischen Kriteriums ist es Lisch gelungen, eine ganze Reihe wichtiger Punkte in Meklenburg festzustellen. Fast alle Burgwälle, die in unserer ältesten Landesgeschichte von Bedeutung sind, sind heute nachgewiesen. Bei uns hat man sich bisher im Wesentlichen mit dem Nachweise des wendischen Ursprungs begnügt. Mit einer archäologischen Erforschung der Burgwälle ist kaum der Anfang gemacht; hat man doch bisher nicht einmal auf die Lagerung der Funde in den einzelnen Schichten geachtet; es harrt hier der heimischen Alterthumskunde noch eine große und dankbare Aufgabe. Ich verzichte unter diesen Umständen auf eine Aufzählung der gewonnenen Resultate und verweise auf R. Behla, die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland, Berlin 1888, wo S. 98 ein Ueberblick über die Meklenburgischen Wälle gegeben ist. Allerdings ist dabei zu bemerken, daß einerseits dem Ausdrucke "Burgwall" früher entschieden eine zu weite Ausdehnung gegeben wurde, indem auch wendische Anlagen, wo keine Spur von Befestigungswällen nachweisbar ist, zu den Burgwällen gezählt wurden, anderseits seitdem eine ganze Anzahl neuer Wälle erkannt worden sind. Nur ein Wall, auf den in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit neu gelenkt ist, sei hier besprochen, sowie einige neuerdings bekannt gewordene wendische Ansiedelungen aus dem östlichen Theile des Landes, dem Gebiete der Wilzen, die bisher nur referirend behandelt sind. 1 )

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1) Ansiedelung im Hohen=Sprenzer See.
(Katalog=Nummer der Großherzoglichen Alterthümersammlung E 335 - 340.)

In dem Hohen=Sprenzer See liegt am westlichen Ufer, 100 Meter vom festen Lande entfernt, eine kleine zu Dudinghausen


1) Vgl. Quartalberichte des Vereins 1890, October und 1891, April.
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gehörende Insel von ca. 50 □Meter Umfang, auf kaum 1 Meter über den Wasserspiegel sich erhebend. Hier befindet sich eine alte Ansiedelung aus wendischer Zeit, welche Herr Pastor Beyer in Laage bekannt gemacht und mit entgegenkommendster Unterstützung des Besitzers, Herrn Major von Viereck auf Dudinghausen, im Herbst 1890 untersucht hat. Es ging daraus hervor, daß hier eine seichte Stelle im Wasser, gebildet durch einen stark sandigen Thonstreifen, benutzt war, um einen Pfahl= oder Packbau zu errichten, dessen Stelle jetzt als sumpfige Insel mit ca. 30 cm tiefer schwarzer Humuserde das Niveau des Wassers überragt. Eichene Stämme, die bei klarem Wetter am Rande der Insel sichtbar sind, bilden den äußeren Schutz, während die Festigung des Innern durch Faschinenwerk, Steine u. s. w. hergestellt war. Auch von Balken innerhalb der Insel wird berichtet. In der Humusschicht fanden sich außerordentlich zahlreiche Kulturreste; darunter:

1) Thierknochen, meist zerschlagen, in größter Menge.

2) Von Eisen: der Rest einer großen Scheere und ein Messer von der als wendisch bekannten Form (s. unten).

3) Zahllose Scherben, alles Drehscheibenarbeit, feine Mischung und ziemlich harter Brand. Dieselben stammen von Gefäßen mit eingebogener Standfläche, leichter Ausbauchung der Wandung und geringer, aber stark profilirter Ausbiegung des Randes. Die Verzierungen sind: a. Wellenlinien, z. Th. mit Hohlkehlen zusammen; b. Hohlkehlen, regelmäßig, z. Th. den ganzen Gefäßkörper bedeckend; c. Reihen von kleinen Fingereindrücken und Kerben. Auf einem Boden war eine sternförmige Erhöhung. Der Allgemeincharakter ist der der jüngeren Keramik.

4) Ein hübscher Spindelstein (abgebildet oben Seite 200 als Figur 35).

Wir haben hier also einen unzweifelhaft wendischen Pfahlbau, oder, wie man genauer sagen müßte, Packbau, vor uns, wie sie in unseren Nachbarländern oft beobachtet, bei uns aber bisher fast unbekannt geblieben sind (s. den nächsten Bericht über eine ähnliche Anlage bei Dummerstorf). 1 ) Derselbe ähnelt sehr dem durch die schönen Untersuchungen des Major von Kasiski bekannt gewordenen von Neu=Stettin im Persanzig=See (s. von Kasiski, Beschreibung der vaterländischen Alterthümer in Neu=Stettin u. s. w. 1881, S. 1 flgd.). Auch für die Topographie der Wendenzeit hat die Stelle ihre Bedeutung. Der Hohen=Sprenzer See liegt im Kessinerlande, gerade


1) Die bekannten Pfahlbauten von Wismar und Gägelow gehören der Steinzeit, der von Vimfow, Jahrb. 32, S. 222, der älteren Eisenzeit an.
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zwischen den Burgwällen von Laage und Werle; bis Laage ist der Lauf der Hauptverkehrsstraße der späteren Wendenzeit, der via regia, mit den Stationen Demmin, Dargun, Lüchow, Laage gesichert (s. oben S. 177); die Fortsetzung derselben muß nach Werle geführt haben, und da bietet sich denn unser Pfahlbau bequem als Zwischenstation dar. Im Uebrigen siehe die folgenden Ausführungen.

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2) Ansiedelung von Dummerstorf.

In der ausgedehnten sumpfigen Wiesenfläche südlich von Dummerstorf (bei Rostock) zwischen Prisannewitz und Groß=Potrems ist man bei Gelegenheit der theilweisen Entwässerung des Gebietes im Jahre 1875 auf eine alte Kulturstätte gestoßen. Dieselbe liegt ca. 1 Kilometer von Prisannewitz östlich, links vom Zarnowbache und zeigt sich jetzt, nachdem die Wiesenfläche sich gesenkt hat, als eine flache Kuppe. Nach einem am 11. October 1876 in Gegenwart des Besitzers von Dummerstorf, Herrn A. von Preen, und des Herrn Major von Preen aufgenommenen Protokoll über eine unter Mitwirkung des Herrn Professor Merkel, damals in Rostock, jetzt in Göttingen, vorgenommene Ausgrabung und einer Untersuchung der Stelle, die der Schreiber dieser Zeilen am 19. Juli 1886 auf die freundliche Einladung des Herrn A. von Preen vorgenommen hat, ergab sich Folgendes:

Von dem Hügel aus führt eine Brücke, deren Pfostenköpfe aus dem Wiesengrunde herausragen, nordöstlich auf die Spitze des Potremser Tannengehölzes zu. Dieselbe muß, um festes Land zu erreichen, etwa einen Kilometer lang gewesen sein; in der Nähe des festen Landes geht sie in einen Damm über.

Der Hügel bildet eine Ellipse von etwa 90 Meter Durchmesser in ostwestlicher und 75 Meter in nordsüdlicher Richtung und erhebt sich an seinem Rande etwa 50 cm über die Wiesenfläche. Auf 9 bis 10 Schritt von seinem Rande findet sich eine nicht überall sichtbare Reihe von Doppelpfählen, die 60 cm auseinander standen. Etwa 30 bis 40 Schritt vom Rande nach innen findet sich an dem östlichen Ende wieder ein Absatz, der wohl 60 cm höher und ebenfalls rund ist. Er liegt nicht genau in der Mitte, sondern hat seine höchste Erhebung nahe dem südlichen Ende. Diese mittlere Erhöhung ist eine mit einer ein Meter starken Erdschicht bedeckte Tafel, deren Grund aus weißem Sande besteht, über welchem ein kalkhaltiger Thon gelagert ist. Zunächst ist diese Tafel mit einem ca. 1 1/4 Meter breiten Ringe faustgroßer Steine umgeben, zwischen denen man Grand und Gesträuch findet, offenbar Faschinenwerk

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mit Steinen beschwert, welches eine gleichmäßige Grundlage herstellen sollte. An den Steinring lehnte sich dann eine Lage von drei Meter langen eichenen Balken an, die, unten etwa 50 cm dick, sich nach oben zuspitzen. Es fanden sich mehrere solcher Balkenlagen über einander, so daß dadurch oben die horizontale Fläche hergestellt wurde; auf dieser lag in der ganzen Länge des Hügels die feste Schicht von Sand und Thon von verschiedener Dicke, wahrscheinlich eine Art Diele. Die Oberfläche bildete dann die Humusschicht.

In dieser fanden sich unverkennbare Reste, daß ein Theil des Baues als Stallung gedient hatte (zusammengeballtes Heu u. s. w.); ferner Küchenabfälle, bestehend in zahlreichen Thierknochen (nach einer vorläufigen Bestimmung des Herrn Professor Merkel wahrscheinlich einer Wildschwein =, Hirsch =, Rinder =, Schaf =, Ziegen= und Hundeart angehörend), einer Aehre der Hirse, Hasselnüssen, Kirsch= und Pflaumensteinen.

An Artefacten sind gefunden und werden in Dummerstorf aufbewahrt:

1) Ein wohlerhaltenes Thongefäß von Drehscheibenarbeit, mit Kehlstreifen verziert; der Rand scharf ausgebogen.
2) Eine Menge von Scherben mit gleicher Verzierung.
3) Eine rothe Thonperle von 1 1/2 cm Durchmesser.
4) Eine polyedrische weiße Glasperle.
5) Eine eiserne Kette und Haken.
6) Ein eisernes Messer.
7) Ein eiserner Nagel.

(Die in dem Protokoll ausgesprochene Meinung, die letzten Gegenstände seien "augenscheinlich ganz neu," hat ihren Grund wohl nur in der auch sonst in demselben hervortretenden Ueberzeugung, daß man einen Pfahlbau der Steinzeit vor sich habe, das Eisen also nur zufällig hineingekommen sein könnte.)

8) Eine Anzahl bearbeiteter Hölzer, die zum Theil von Hütten zu stammen scheinen, sich genauerer Deutung aber entziehen; viele mit Brandspuren.

Wir haben es auch hier unzweifelhaft mit einem wendischen Pfahlbau oder Packbau zu thun, welcher fast ganz mit dem im Hohen=Sprenzer See übereinstimmt, selbst in den Dimensionen. In beiden Fällen ist eine flache Stelle im Wasser nach außen durch eingerammte Pfähle, im Innern durch Faschinen= und Balkenwerk gefestigt und die Hütten darauf angebracht. Von den älteren Pfahlbauten unterscheiden sich diese Anlagen wesentlich dadurch, daß die

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Fundamente der Hütten nicht in dem Seeboden ruhen, sondern dieser erst durch Aufhöhung und Festigung für sie vorbereitet wird. In entsprechender Weise wurde, wie bekannt, der Grund für die Burgwälle hergestellt (s. Behla, die vorgeschichtlichen Rundwälle, S. 8). Auch die zeitliche Stellung der beiden, nur eine Meile von einander entfernten Anlagen ist nach den Funden dieselbe, nämlich die letzte wendische Zeit. Es liegt der Gedanke nahe, daß beide Anlagen zu einem gemeinsamen Befestigungssystem des Kessinerstammes gedient haben. Es ist nicht anzunehmen, daß so umständliche Bauten auf so geringem Terrain nur zu Wohnzwecken hergerichtet seien, besonders nicht bei Dummerstorf, wo ein komplizirter Damm= und Brückenbau hinzukommt. Für Schutzbauten spricht auch der Umstand, daß die Lage des Dummerstorfer Pfahlbaues dem Zuge einer späteren Landesgrenze zwischen Prisannewitz und Groß=Potrems entspricht (s. oben S. 13 die Ausführungen von A. Rudloff) und wir bei Dudinghausen eine Station der via regia oder ihrer Fortsetzung vermuthen dürfen.

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3) Ansiedelung von Zehlendorf.
(Katalog=Nummer E 348.)

Von dem unten zu besprechenden Grabfelde von Zehlendorf 1/2 km südwestlich entfernt, erhebt sich zwischen dem Recknitzthal und Wiesengrund eine ca. 50 Ruthen haltende, in Ackerkultur stehende flache Anhöhe, bei den Bewohnern "Dorfstelle" genannt. In der ca. 25 cm starken Humusschicht liegen, wie ich bei Gelegenheit der Ausgrabung in Zehlendorf beobachten konnte, Scherben in Unzahl. Die gesammelten Stücke sind sämmtlich wendisch. Ihr Charakter ist genau derselbe, wie der eben besprochene von dem Pfahlbau von Dudinghausen, was mit den Erscheinungen der Zehlendorfer Gräber durchaus stimmt, also der der jüngeren Keramik. Der Rand ist nach außen gebogen, abgestrichen, scharfkantig; die Verzierungen bestehen aus Kehlstreifen, kleinen Kerben, einfachen Wellenlinien; die Drehscheibe ist überall erkennbar. Auch fand sich ein (zerbrochener) Spindelstein, ganz rund, 2 1/2 cm im Durchmesser; innen hellbraungrau, außen braun. Es wird dies der Wohnsitz der auf dem betreffenden Grabfelde bestatteten Wenden sein. Von Vorkehrungen zur Befestigung ist nichts zu merken, der Hügel ist nicht künstlich geschaffen, sondern eine natürliche Erhebung. Auch diese Ansiedelung gehört demselben Stamm, dem der Kessiner, an, die hier gegen die Circipaner dieselbe natürliche Grenze des Recknitzthales hatten, welche in geschichtlicher Zeit die Vogtein Güstrow und Laage schied. (S. A. Rudloff, oben S. 12.)

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4) Ansiedelung und Burgwall von Behren=Lübchin.
(Katalog=Nummer E 633 - 635.)

In dem sog. "großen See" bei Behren=Lübchin bei Gnoien, heute einem ausgedehnten Sumpfe, liegt, 1 1/4 Kilometer nordwestlich vom Hofe, eine wendische Ansiedelung, welche sehr an die eben besprochenen von Dummerstorf und Dudinghausen erinnert. Herr Bürgermeister Kossel in Tessin hat neuerdings die Stelle untersucht; über den früheren Bestand hat Herr E. W. Peters in Güstrow berichtet. Es ist eine Aufschüttung von runder Form von 125 □Meter Umfang etwa, an deren Rande sich ein Pfahlwerk von starken eichenen Balken von 2 bis 3 Meter Länge befindet, die unten verzahnt und mit Querbalken verbunden sind; sie scheinen zum Absteifen der Aufschüttung gedient zu haben; die Zwischenräume waren mit Reisig gefüllt; die Humusschicht betrug früher gegen 1 Meter. Die Oberfläche ist übersäet mit Abfällen, z. B. Haselnußschalen, Thierknochen und Scherben, von denen Herr Kossel eine Anzahl gütigst übersandt hat. Die Scherben haben alle denselben Charakter: feine Mischung, starken Brand, Drehscheibenarbeit, hellbraune oder graue Oberfläche. Der Rand ist leise ausgebogen, scharf abgestrichen und profilirt. Die überwiegende Verzierung ist die Hohlkehle in regelmäßigen Abständen. Einige haben Einkerbungen, einmal auf einer wulstartigen Erhöhung, eine eine einfache Wellenlinie, eine eine senkrechte Linie neben der Hohlkehle, eine gitterartig gestellte Linien. Es ist derselbe Charakter der jüngeren wendischen Keramik, wie ihn die Scherben von Dudinghausen zeigen und wie er uns unten bei dem Burgwall von Neu=Nieköhr und sonst begegnen wird. Daneben fanden sich ganz wie an den beiden andern Ansiedelungen auch einige bearbeitete Feuersteine.

Schon Ende der sechziger Jahre hat Herr E. W. Peters, damals in Behren=Lübchin, eine an dieser Stelle gefundene Figur aus Eichenholz eingesandt, die trotz ihrer Einfachheit als einzige in Meklenburg erhaltene wendische Schnitzerei wohl Beachtung verdient. Es ist ein eichener Balken von 1,50 Meter Länge und durchschnittlich 15 cm (vorn und hinten), resp. 12 cm (an den Seiten) breit. Nur der vordere Theil des Balkens ist zur Figur gestaltet, die Rückseite schneidet gerade ab. Deutlich bearbeitet ist nur das Gesicht und der Hals. Das erstere ist oval, spitz zugehend; Nase und Mund ist abgesplittert, die Ohren erhalten. Um den Hals läuft ein Wulst, vielleicht ein Halsring. In der Mitte des Körpers läuft eine vertiefte Rille herab, schwächer am oberen, stärker am unteren Theile, vielleicht zur Markirung der Arme und Beine; in der Gürtelgegend ist eine

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Erhöhung, deren Bedeutung nicht mehr erkennbar ist. - Die Figur scheint in der Erde gestanden zu haben und hat wohl den Pfosten einer Thür gebildet. Figurale Verzierung der Thürpfosten, speziell durch Götterbilder, ist ja eine weitverbreitete und besonders im germanischen Norden allbekannte Sitte. Freunden einer sacralen Ausdeutung unserer Alterthümer bleibt es also unbenommen, in dem Packbau von Lübchin eine Tempelstätte zu sehen und sich auf die Analogie der Fischerinsel bei Wustrow, die in ganz gleicher Weise durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden war, zu berufen. Eine Verwandtschaft mit anderen wendischen Bildwerken, die man mit gutem Grunde als Götzenbilder ansieht, läßt sich wenig erkennen. Weigel, Bildwerke aus altslavischer Zeit S. 8, Figur 4, bildet eine Steinfigur aus West=Preußen ab, die ebenfalls einen starken Halswulst trägt; und ebendort findet sich Figur 19, S. 23, eine Holzfigur von gleicher Größe mit der unseren und ähnlicher Rohheit der Ausführung, die bei Alt=Friesack in unmittelbarer Nähe eines wendischen Burgwalls gefunden ist.

Zwischen der erwähnten Stelle und dem Hofe liegt eine Anhöhe in Form eines flachen Bogens, welche künstlich erhöht zu sein scheint, wahrscheinlich der Rest eines Burgwalls. Dieselbe ist theilweise abgegraben, und dabei sind in früheren Jahren Altsachen gefunden, u. a. auch Schädel und Gebeine.

Die schon vor Jahren von Herrn Peters eingesandten Scherben sind von derselben Art, wie die jetzt von der Stelle im Sumpfe stammenden, nämlich hart gebrannt und überwiegend mit Kehlstreifen verziert.

Daß beide Anlagen zusammengehören, wird auch dadurch bewiesen, daß eine Brücke zwischen ihnen bestand, wie eine regelmäßige Doppelreihe starker Pfähle zeigt. Die Entfernung der beiden Punkte beträgt etwa 600 Meter; die Anlage ist also ähnlich wie in Dummerstorf (s. oben S. 203) und bei der viel berufenen Fischerinsel bei Wustrow in der Tollense, dem Rethra von Beyer und seinen Nachfolgern, dem castrum Wustrow von Schildt (s. Jahrb. 52, S. 26). Leider ist an diesen beiden Stellen nur der eine Brückenkopf bekannt.

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5) Der Burgwall von Neu=Nieköhr (Walkendorf).
(Katalog=Nummer E 549 - 551, 622 - 626.)

Der schöne Burgwall auf der Scheide der Güter Neu=Nieköhr und Walkendorf, eine Meile westlich von Gnoien, die sog. "Moltkeburg", ist bereits im Jahrb. 39, S. 161 f., von Herrn Pastor Dr. Krüger in Kalkhorst, damals in Boddin, eingehend besprochen

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worden. Seitdem ist die Zerstörung des Walles auf dem zu Neu=Nieköhr gehörigen Theile weiter fortgeschritten, und neben dem Einschnitte auf der Nordostseite ist jetzt auch die Nordseite durch regelmäßige Abgrabungen berührt. Dadurch ist das Innere der Anlage zum Theil freigelegt und eine vortreffliche Gelegenheit zur Untersuchung derselben geschaffen, welche auch der Schreiber dieser Zeilen benutzt hat, indem er im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler mit der liebenswürdigsten Beihülfe des Herrn Kortüm auf Neu=Nieköhr am 30. März d. J. den Bestand aufgenommen hat.

Der Wall erhebt sich in einer Höhe von ursprünglich etwa 7 Metern über die Wiesenfläche; er steigt in einem Böschungswinkel von 24 Grad etwa 17 Meter auf und bildet dann eine Wallkrone von etwa 9 Metern, die sich langsam zu der inneren Fläche des Walles senkt. Den Gesammt=Flächeninhalt zu 548 □Ruthen angenommen (nach den Gutskarten), ergiebt sich 1 ) für die innere Fläche ein Inhalt von 2464 □Metern; die Gesammt=Erdmasse beträgt gegen 53 000 Kubikmeter.

Das sind Zahlen, welche die Größe des Werkes am besten bezeichnen. Soweit erkennbar, ist der ganze Wall aufgetragen; eine Festigung desselben durch Pfahl= oder Faschinenwerk ist nicht beobachtet. Die Schichtung ist, wie die sehr klaren Querschnitte an verschiedenen Stellen zeigen, eine durchaus gleichmäßige von unten bis oben; das Material besteht aus Lehm mit Sand und etwas Kies gemischt. Spätere Aufhöhungen treten nirgends hervor; das Ganze scheint auf einmal entstanden. Damit stimmt, wie wir sehen werden, der archäologische Befund durchaus überein. Nach Spuren einer Benutzung in nachwendischer Zeit (Mittelalter) habe ich vergebens gesucht. Ich habe an verschiedenen Stellen die Oberfläche durchgraben lassen, und stets erschienen gleich wendische Scherben; alle bisher gefundenen Altsachen können wendisch sein. Wenn nach den Mittheilungen des Herrn Pastor Krüger (Funde von Mauersteinen) trotzdem eine Benutzung des Walles im Mittelalter unzweifelhaft ist (worauf auch der Wallgraben weist), so glaube ich nicht, daß dieselbe eine lange dauernde gewesen ist; eine "Ritterburg" hat der Wall schwerlich getragen.

Da die jetzigen Abgrabungen an verschiedenen Stellen schöne Profile geschaffen haben, läßt sich das Pfahlwerk in den unteren Schichten jetzt genauer betrachten. Die Zweifel, welche Lisch (a. a. O., S. 166) gegen einen "verdeckten Gang" äußerte, werden dadurch


1) Die folgenden Berechnungen verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Gymnasiallehrer Mulsow.
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hinfällig. Es handelt sich, wie deutlich hervortritt, um einen Gang, der, auf dem ursprünglichen Niveau angelegt, sich, wie es scheint, den ganzen Wall entlang unter der Wallkrone hinzieht; wenigstens ist er bisher überall, wo weit genug (12 bis 15 Meter vom äußeren Rande) hineingegraben ist, erreicht worden. Der Gang besteht aus senkrechten Pfosten aus Eichenholz von 1,70 Meter Höhe und 30 cm Stärke, die etwa 1,70 Meter auseinander standen; die darüber lagernden starken Deckbalken sind oben dreikantig zugespitzt, offenbar zum Zwecke der Entlastung, und werden durch seitliche Streben außen gestützt; dem entsprechend scheint im Innern des Ganges eine Verklammerung durch kleine Querhölzer angebracht gewesen zu sein; wenigstens weisen darauf Zapflöcher in den Tragpfosten und einige einzeln gefundene behauene Holzstücke.

Burgwall

Auf der Höhe des Walles stößt man auf zahlreiche Gruben mit schwarzer Erde (Kohle und Asche); diese sind besonders häufig im inneren Raum, erscheinen aber auch schon auf der Wallkrone; bei der jetzigen Abgrabung im Norden heben sie sich scharf an der gelben Lehmwand ab; sie gehen etwa 1 1/2 Meter unter die jetzige Oberfläche und sind gefüllt mit Kulturresten (Scherben, Thierknochen u. s. w.); lose Steinsetzungen darin bezeichnen die Herdstelle. Es handelt sich hier offenbar um Wohngruben. Reste der Schutzwände dieser Gruben habe ich nicht gefunden, doch spricht Krüger von gebrannten Lehmstücken, die Lisch ohne Zweifel mit Recht als "Klehmstakenstücke" (Lehmbewurf der Flechthütten) auffaßt.

Reste der alten Bewohnung finden sich auf dem Walle überall, am zahlreichsten begreiflicher Weise in den oberen (jüngsten) Schichten. Bei der Sammlung und Aufbewahrung derselben ist zwischen den verschiedenen Schichten in der Art geschieden, daß die dem Kerne des Walles entstammenden, in der weißgelben Lehmschicht steckenden von den in der schwarzen Aschen= und Humusschicht befindlichen gesondert sind. Diese Sonderung ließ sich nicht nur bei den heute noch unberührten Schichten durchführen, sondern auch bei den über das Feld hin zerstreuten, indem die Erdarten schon durch ihre Färbung sich unverkennbar unterscheiden; bei letzteren ist natürlich eine Vermengung einzelner Stücke nicht ausgeschlossen.

Betrachten wir zuerst die Einschlüsse des Wallkerns, so gingen dieselben bis in die tiefsten Schichten hinein, und zwar so gleichmäßig, daß auch hierdurch eine gleichzeitige Aufschüttung des ganzen Walles wahrscheinlich wird. Es waren nur Scherben, die sehr vereinzelt in der Erdmasse steckten, meist kleinere Stücke.

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Sie sind sämmtlich von gröberer Mischung, innen grau oder schwärzlich, schwach gebrannt und ganz überwiegend ohne Töpferscheibe gearbeitet. Die Rundung der Wandung weist auf niedrige derbe Töpfe in der Art des Bobziner (oben Abbildung 9, S. 194). Sie schließen oben entweder glatt ab (ohne Rand) oder bilden eine wulstartige Verdickung. Die Verzierung ist ganz überwiegend die Wellenlinie, und zwar mit einem mehr=(drei=bis sechs =) zinkigen Instrument gezogen von links nach rechts, von der flachsten bis zur steilsten Form. Bei einigen erscheint mit der Wellenlinie zusammen der Kehlstreifen vereinzelt und unregelmäßig, einmal senkrecht gleich Abbildung 29, S. 199, ferner kleine schräge Punkteindrücke.

Von diesen Scherben unterscheiden sich die der schwarzen Schichten ganz wesentlich. Leider ist es nicht gelungen, ein ganzes Gefäß zu retten, doch sind von einem wenigstens so viele Scherben vorhanden, daß die Form erkennbar ist. Dasselbe steigt von einer 8 cm breiten Grundfläche auf und biegt sich in 2/3 Höhe leicht nach innen; 5 cm vom Rande beginnt der leicht eingezogene, oben glatt und mit scharfen Kanten endende Hals. Bei dem Halsansatz läuft ein Doppelwulst mit kleinen Schrägkerben um das Gefäß, und der Körper desselben ist bis zum Fuße mit regelmäßigen Kehlstreifen bedeckt; die Wandfläche ist eingezogen und eingefalzt; sie trägt das (erhabene) Bodenzeichen eines Sternes mit 4 cm langen Balken. Die Höhe wird gegen 20 cm betragen haben; Drehscheibenarbeit, feine Thonmischung, hellbraune Oberfläche. - In der Art dieses Gefäßes, welches die oben schon mehrfach charakterisirten Züge jüngerer Keramik trägt, sind sämmtliche übrigen Scherben; der Rand ist fast immer nach außen gebogen und scharf abgestrichen. In der Verzierung überwiegt der Kehlstreifen in regelmäßiger Anordnung, mehrmals leistenartig. Die Wellenlinie erscheint nur neben den Kehlstreifen, fast nur einfach und ganz regelmäßig. Die anderen Verzierungen (Einkerbungen, umlaufende Punktlinien) sind ganz vereinzelt; einmal größere gitterförmige Stempeleindrücke, ähnlich Abbildung 34, S. 200.

In der schwarzen Schicht sind höchst wahrscheinlich auch sämmtliche andere bisher bekannt gewordenen Moltkeburg=Alterthümer gefunden worden. Diese werden zum Theil auf dem Hofe Neu=Nieköhr aufbewahrt, zum Theil befinden sie sich durch gefällige Ueberweisung des Herrn Kortüm im Großherzoglichen Museum in Schwerin. Die letzteren sind in der folgenden Aufzählung durch ein (M) bezeichnet.

1) Eine gerade eiserne Axt von 16 cm Länge. Das ovale Schaftloch befindet sich ganz am Ende und hat eine Länge von 4 cm, einen Durchmesser von 4, resp. 4 1/2 cm; auf beiden Seiten des

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Schaftloches befinden sich kleine stumpfdreieckige Erhöhungen. Die Schneide ist leicht nach unten gebogen und 6 1/2 cm lang.

2) Eine gerade eiserne Axt von 15 cm Länge; das starke ovale Schaftloch ganz am Ende 4 cm lang, 5 resp. 4 cm breit, mit denselben Erhöhungen wie 1. Die Schneide ist stark nach unten gebogen (11 cm lang), endet aber nicht spitz, sondern breit. Hinten ist die Axt hammerartig breit. Ein sehr ähnliches Exemplar ist in einem Urnenfelde der jüngsten römischen Provinzialzeit bei Tolkwade (Schleswig) gefunden, s. Mestorf, Urnenfriedhöfe in Schleswig=Holstein, 5, 8; ein anderes s. Rygh, antiquités norvégiennes, Figur 559 abgebildet, doch tritt dort die dreieckige Erhöhung am Schaftloch viel stärker hervor.

3) (M) Eine gerade eiserne Axt von 11 cm Länge, fast gleich 2, aber ohne die Erhöhung am Schaftloch, auch ist die Schneide unten noch breiter; das Schaftloch 3 1/2 resp. 3 cm breit, 3 cm dick, die Schneide 7 cm lang und unten noch 3 cm breit. Die Axt lag in einer schwarzen Aschenschicht zwischen oder auf einem Steindamme (Herdfläche). Die Form erinnert an das römische Werkbeil und seine spätere Entwickelung, wie es sich neben der Francisca in fränkischen Gräbern gelegentlich zeigt (z. B. Lindenschmit, Alterthümer 1, H. 2, 7, F. 18 aus Reihengräbern bei Nackenheim und Handbuch der deutschen Alterthumskunde 1, S. 194). Daß auch unsere Exemplare als Werkzeuge, nicht als Waffen aufzufassen sind, beweist außer den Fundverhältnissen die hammerartige Erweiterung an der Rückseite. Von Meklenburg waren Axtfunde auf Burgwällen bisher nicht bekannt, anderwärts, z. B. in der Lausitz, sind mehrere gemacht, wenn auch mit etwas abweichenden Formen (s. z. B. Jentsch, Niederlausitzer Mittheilungen 3, S. 10).

4) Ein eisernes Messer mit vierkantigem Griff und leicht gebogenem Rücken. Länge 22 cm, davon 11 1/2 cm auf den Griff gehen; Stärke des Griffs 0,75 cm.

5) (M) Ein kleines eisernes Messer, sehr zierlich; flacher, nach außen dünner werdender Griff; die Schneide scharf absetzend, der Rücken leicht gebogen, Spitze etwas nach oben. Länge 11 1/2 cm, davon 5 1/2 auf den Griff gehen; größte Stärke der Klinge (in der Mitte) 1 1/2 cm.

6) Eine eiserne Scheere mit absetzendem, federndem, rundlichem Griffende und schmalem Bügel. Länge der Schenkel 16 cm, davon 8 1/2 auf die Schneide gehen; Durchmesser des Endrings 2 1/2 und 2 cm. Aehnliche Scheeren sind in wendischen Ansiedelungen in Dudinghausen und Wendorf gefunden; im Norden findet sich die nämliche Form (s. Rygh, antiquités norvégiennes, Figur 443) in der letzten

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Heidenzeit. Von den älteren römischen Scheeren unterscheidet sich diese Form durch den schmalen Bügel und das runde Griffende; dies letztere kommt, soweit ich sehen kann, zuerst in der mittleren Periode der römischen Provinzial=Industrie (im Allgemeinen dem dritten Jahrhundert entsprechend) vor, z. B. in Reichersdorf bei Guben (s. Weigel in den Niederlausitzer Mittheilungen 3, S. 18) scheint aber den fränkischen Reihengräbern fremd zu sein (Lindenschmit, Handbuch der deutschen Alterthümer 1, S. 321).

7) (M) Ein eiserner Schlüssel einfachster Form; stumpfwinklig gebogenes Eisenstück mit hufartiger Endung, an der anderen Seite kleine Oese.

8) und 9) Zwei eiserne Hufeisen; flach und breit mit eingeschlagenen länglichen Nagellöchern; beide haben ein kurzes und breites Fußende, das eine außerdem nach oben einen spitz abschließenden, stumpfwinklig ansetzenden Stollen; dasselbe gleicht genau dem in Lindenschmits Alterthümern u. h. V. 4, S. 28, Figur 9 abgebildeten von der Saalburg bei Homburg. Nach den Mittheilungen über die Fundverhältnisse, die Herr Baumeister Jacobi in den Protokollen der Generalversammlung der deutschen Geschichtsvereine in Metz (1889) S. 68 f. gegeben hat, kann der römische Ursprung derselben nicht mehr zweifelhaft sein, und es ist dann trotz Lindenschmits Bedenken (Handbuch der deutschen Alterthümer 1, S. 295) kein Grund, sie der "Merovingerzeit" absprechen zu wollen. Von den Franken werden die Wenden sie erhalten haben.

Einige früher gefundene Pferdegebisse sind leider bisher nicht wieder zu beschaffen gewesen, ebenso ein Kamm aus Horn.

10) Ein Spindelstein aus Thon, ganz gleich dem oben Figur 35 abgebildeten aus Dudinghausen.

11) (M) Ein Spindelstein von derselben Form, aber kleiner und einfacher.

Eine eiserne Pflugschaar gehört wohl einer jüngeren Zeit an.

Unserem Burgwall seine Stelle in der alten Landesgeschichte zu geben, ist bisher nicht gelungen. Wenn Lisch (a. a. O., S. 166) vermuthete, daß die Burg am Ende des 12. Jahrhunderts, in der Zeit der Kämpfe der Dänen mit den Wenden, zerstört sei, so steht dieser Annahme der archäologische Befund nicht im Wege, die große Mehrzahl der Kulturreste gehört in die letzte Heidenzeit. Daß der Wall eine Hauptburg der Circipaner gewesen ist, muß bei seiner Größe angenommen werden; er ist auch der einzige größere Wall im nordwestlichen Theile dieses Landes, in dem sich, nach unserer bisherigen Kenntniß, das Wendenthum am zähesten gehalten hat, und

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seine Lage in der Nähe des Kreuzungspunktes der wichtigen Straßen Demmin=Laage und Tribsees=Güstrow machen ihn zum Hauptort besonders geeignet. Die nordischen Quellen, auf die wir für die Geschichte des ausgehenden 12. Jahrhunderts angewiesen sind, nennen nur wenige Punkte. Die Burgwälle, die für die Züge Waldemars 1171 und Knuts 1184 die wichtigsten wurden, hat Lisch in Teterow resp. Behren=Lübchin lokalisirt (s. Jahrb. 26, S. 181 f., und 23, S. 300 f.); 1171 ging der Zug von Tribsees direct durch "unermeßliche Wälder" auf sein Ziel, ließ also unsere Stelle rechts liegen, bei dem zweiten Zuge ging der Zug von Tribsees zu einer urbs Lubekinca; von hier wollte der König nach Demmin, aber die Völker zerstreuten sich zu Plünderungszügen. Die Stelle bei Saxo Grammaticus heißt (Histor. Dan., 16, S. 982 der Müllerschen Ausgabe); autumno domi peracto [sc. König Knut] . . . , Tribusanam provinciam ditioni suae parentem peragrat. Post haec Circipanensium devexam paludem paternae militiae aemulatione permensus ad urbem Lubekincam pervenit. Qua praeterita dum Diminum petere statuisset in abundantem potione vicum incidit etc. Das Weitere ist für unsern Zweck nicht von Belang; vergl. darüber Quandt in den Baltischen Studien 10, S. 160, und Wigger, Jahrb. 28, S. 270.

Diese urbs Lubekinca glaubte Lisch in dem Bärnim, einem ausgedehnten flachen Walle zwischen Behren=Lübchin und Grammow zu finden. Ueberbleibsel, welche den wendischen Ursprung des Bärnim sicher feststellen, sind bisher nicht gefunden. Nun liegt in unmittelbarer Nähe unseres Burgwalles von Neu=Nieköhr ein zweites Lübchin (Holz=Lübchin), ein Kilometer entfernt. Dieses Lübchin ist schon im 13. Jahrhundert mit seinem Namen nachweisbar. Im Jahre 1273 bestimmt Nicolaus von Werle die Grenzen des Dorfes Vorwerk folgendermaßen (Meklenburgisches Urkundenbuch 2, Nr. 1266): a villa Ganzsekendorf per medium amnem usque ad limites Lubechin, deinde ad fossatum Lunowe, . . . . demum usque ad antiquam viam, ubi limites dominorum de Werle et Rostock sequestrantur. Hier handelt es sich um Holz=Lübchin. In der Urkunde Johanns von Meklenburg, d. Lübchin 1. März 1238 (Meklenburgisches Urkundenbuch 1, Nr. 479), die Lisch a. a. O. heranzieht und aus welcher das Vorhandensein einer Burg mit einem deutschen Vogt (advocatus) und Kapellan hervorgeht, fehlt die nähere Bezeichnung, es ist also kein Zwang vorhanden, sie auf Behren=Lübchin zu beziehen; und wenn einige Jahrzehnte später Holz=Lübchin einfach als Lubechin bezeichnet wird, so spricht nichts dagegen, daß dieses das ursprüngliche Lübchin ist. Dann ist die

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urbs Lubekinca der Burgwall von Neu=Nieköhr. Wir fassen die Stelle bei Saxo dann folgendermaßen: Knut rückte vor Burg Lübchin, konnte sie nicht erobern (euphemistisch qua praeterita) und suchte nun die Straße nach Demmin zu erreichen. Diese Straße ist die schon mehrmals herangezogene via regia von Laage nach Demmin, wahrscheinlich identisch mit der antiqua via an der südlichen Grenze von Vorwerk in der Urkunde von 1273. Er mußte aber zufrieden sein mit Plünderungszügen bei Gnoien und Umgebung (nicht Güstrow) und zog sich dann über das Trebelmoor wieder zurück. Ob der Name Dehn=Horst, den die Originalzeichnung der Schmettauschen Karte neben anderen ungefähr an der Stelle unseres Burgwalls hat eine Erinnerung an jenen Dänenzug bewahrt, lasse ich dahingestellt.

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6) Der Burgwall von Laage.
(Katalog=Nummer E 351 - 354.)

Die Stelle des Burgwalls von Laage hat Herr Pastor Beyer in Jahrb. 52, S. 212, zwischen dem Recknitzthal und dem "Pluderbache" festgestellt. Bei einer Untersuchung des Walles hat derselbe eine Stelle freigelegt, die ohne Zweifel die Reste einer Hüttenanlage enthält und die betreffenden Funde nach Schwerin übersandt. Es sind:

1) Gebrannte Thonstücke mit röhrenartigen Eindrücken, offenbar von dem Lehmbewurf der Flechtwerkhütte herrührend (sog. "Klehmstaken").

2) Eine Anzahl Scherben. Dieselben stammen von Töpfen, die aus freier Hand (ohne Drehscheibe) geformt sind; der Rand ist ganz schwach; die Farbe hellrothbraun. Als Verzierungen erscheinen: a. die einfache Wellenlinie, b. das "Fischgrätenmuster", hergestellt durch einen Stab mit spitzen Zinken (abgebildet oben S. 199), c. rautenförmige Stempeleindrücke (abgebildet oben S. 200). Die Scherben von Laage gehören offenbar einer älteren Stufe der wendischen Töpferei an, als die von Dudinghausen, Zehlendorf, Neu=Nieköhr u. s. w.

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7) Brandgruben von Finkenthal.
(Katalog=Nummer E 614 - 620.)

Auf einem ebenen Felde gegenüber der Ziegelei vor Finkenthal bei Gnoien, links von der Chaussee nach Dargun, ist man bei der Entnahme von Ziegelerde auf Brandgruben gestoßen. Nachdem der unermüdliche Alterthumsforscher Herr Wildhagen, seit Herbst 1892 in Stubbendorf, die Aufmerksamkeit auf dieselben gelenkt

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hat, hat im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler Verfasser am 29. März 1893 die Fundverhältnisse untersucht; die gefundenen Gegenstände, welche von Belang waren, hat der Besitzer der Ziegelei, Herr Westphal, in dankenswerthester Weise der Großherzoglichen Alterthumssammlung übergeben.

Die Gruben sind etwa 3 1/2 Meter lang (in ostwestlicher Richtung), 1 Meter breit und 1 1/2 Meter tief; die Brandschicht beginnt unmittelbar unter der Humusschicht; sie liegen in einer Entfernung von etwa 2 Meter neben einander; bei meiner Anwesenheit waren sieben aufgedeckt. Sie sind sämmtlich gefüllt mit einer dicken schwarzen Masse, bestehend aus Asche, Kohlen und Resten von Thieren; dazwischen liegen zahlreiche Scherben und einige Geräthe; Steinsetzungen und gebrannte Knochen sind nicht beobachtet. Die Scherben tragen den unverkennbaren wendischen Charakter.

Sie sind sämmtlich auf der Drehscheibe gearbeitet, aus fein geschlemmter Masse und gut gebrannt. Die Gefäße waren, soweit erkennbar, schlank und groß, die Farbe hellgrau oder rothbraun. Der Hals war bei den meisten etwas nach innen gebogen und schließt in einem leicht ausbiegenden, scharf abgestrichenen Rande ab. Die Verzierungen waren: 1) regelmäßige Horizontalriefeln, welche den ganzen oberen Theil des Gefäßes bedecken; fast auf allen Scherben, einige Male auch auf der inneren Wandung, eine mir bisher unbekannte Verzierung. In Verbindung damit 2) Wellenlinien, stets einfach, meist flach, von rechts nach links gezogen. 3) Kleine Schrägkerben, zum Theil auf erhöhten Streifen, die bandartig das Gefäß umziehen. 4) Reihen von schrägen eingedrückten Punkten Punkte - Die Topfböden zeigen flach erhabene Verzierungen, darunter erkennbar ein Kreis mit kleinem Sterne darin, ähnlich oben Abbildung 15. Außerdem fand sich ein zierlicher Spindelstein; der Form nach ganz gleich dem oben Abbildung 35 abgebildeten von Dudinghausen; scharfe Kanten, leicht eingezogene Seiten, hellgraue Farbe.

An eisernen Gegenständen fanden sich:

1) ein nadelartiges Geräth, leicht gebogen, 30 cm lang. Dasselbe hat einen 6 cm langen, glatten, vierseitigen Kopf, der Körper ist gerieselt, Spitze fehlt;

2) ein Messer mit flachem Griff, leichter Erhebung des Rückens und der Spitze, ähnlich dem unten S. 219 abgebildeten. Die Länge beträgt 19 cm, von denen 4 1/2 auf den Griff kommen, die größte Breite (gleich beim Griffansatz) 1 3/4 cm;

3) ein gleiches Messer mit rundlicher Spitze und Holzresten am Griff. Länge 14 cm, davon der Griff 4 1/2 cm, Breite der Klinge gleichmäßig 1 cm;

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4) eine runde Nadel; 11 cm lang, oben 3/4, unten 1/4 cm stark;

5) ein Pfriemen aus einem zugespitzten Röhrenknochen, 6 1/2 cm lang.

Die zeitliche Bestimmung kann nicht zweifelhaft sein: die sorgsame Arbeit, die Ornamentirung, die Bodenzeichen weisen die Gefäße in die letzte heidnische Periode. Bei der Frage nach der Bedeutung der Gruben kann man ungewiß sein, ob es sich um Wohnstätten oder um Gräber handelt. Wenn für die letzte Annahme die Gesammtanlage, die Regelmäßigkeit und die geringe Entfernung der einzelnen Gruben sprechen kann, so fehlt doch das entscheidende Kennzeichen, Reste der Bestatteten, verbrannte Knochen, gänzlich, und wir werden uns für Grubenwohnungen zu entscheiden haben, in denen die Abfälle sich allmählich aufgehäuft haben, eine Annahme, welcher freilich die große Ausdehnung der Gruben und die völlige Gleichmäßigkeit, mit welcher sie ausgefüllt sind, wenig günstig ist.


Nachdem nun, wie wir gesehen haben, zum Theil an der Hand von Münzfunden, dem sichersten chronologischen Mittel, welches die Alterthumskunde hat, der Charakter der slavischen Keramik festgestellt und in dem Schläfenringe eine unzweifelhafte Charakterform gefunden war, konnte auch die Bestimmung der wendischen Gräber keine Schwierigkeit mehr machen. Ueberall auf altslavischem Boden ist man auf Skelettgräber von nahezu gleicher Ausstattung gestoßen, welche untrügliche slavische Beigaben hatten. Es sind Flachgräber im freien Boden ohne erkennbare äußere Zeichen, meist in Reihen geordnet; Grabhügel sind selten beobachtet (z. B. bei Carow, Kreis Regenwalde, s. Stubenrauch in den Pommerischen Monatsblättern 1891, S. 133). Allerdings scheinen dieselben in ihrer großen Mehrzahl aus der letzten Periode der Heidenzeit zu stammen; wo Münzen dabei gefunden sind (z. B. Klein=Tinz in Schlesien ein "Adelheidsdenar," Suschitza in Böhmen ein Denar von Wratislav II., 1061 - 1092, Cörlin in Pommern ein Denar von einem nicht genauer bestimmbaren Bogislav aus dem 12. Jahrhundert u. s. w.) weisen sie dahin, und die Urnenfunde stimmen damit überein. Soweit ich sehen kann, geht kein Grab über das Ende des ersten Jahrtausends zurück. Eine Erklärung für diese auffallende Thatsache ist wohl darin zu suchen, daß die alten Slaven auf Grabgebräuche überhaupt nicht viel Gewicht gelegt haben und daß in älterer Zeit die Todten verbrannt sind, ohne daß man eine sorgsamere Bergung der Reste für nöthig gehalten hätte. Einige Funde lassen sich so deuten (s. unten S. 230 die Besprechung des Fundes von Rosenthal). Die litterarische Tradition läßt uns im Stiche: kein Berichterstatter bezeugt ausdrücklich

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die Bestattungsart, und "die alte Tradition von dem Leichenbrande der Wenden" ist lediglich eine fable convenue. Wir sind durchaus auf den archäologischen Befund hingewiesen und wollen im Folgenden zunächst das Verhältniß von Leichenbrand und Beerdigung klar zu legen suchen.

Daß überall auf slavischem Boden der Leichenbrand neben der Bestattung sich findet, ist nach den zahlreichen Funden unzweifelhaft; doch sind diese Funde noch viel zu zerstreut, um eine völlige Entscheidung über die Frage, wie das zeitliche Verhältniß der beiden Bestattungsarten sich bei den verschiedenen Stämmen gestaltet hat, geben zu können. Es scheint, daß der Leichenbrand allmählich von der Beerdigung abgelöst ist; slavische Grabfelder mit ausschließlichem Leichenbrande sind mir von deutschem Boden nicht bekannt, es ist immer nur von einzelnen Grabstätten die Rede. Soweit ich sehe, ist nur für Böhmen das Material gesammelt (L. Niederle, Beiträge zur Anthropologie der böhmischen Länder, 1, Prag 1891; das Werk ist böhmisch geschrieben, und ich muß mich leider an das nur kurze Resumé in den Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1890, N. F., Bd. 10, S. [102] halten). Dort sind gegen zweihundert Skelettgräberfundorte, zum Theil durch Münzen bestimmt, nachweisbar und außerdem einige Urnenfelder mit Leichenbrand (fünf) mit gleicher Ausstattung, welche ebenfalls bis in den Anfang der christlichen Zeit reichen; auf drei Feldern sind beide Bestattungsarten neben einander beobachtet. Außerdem finden sich, von Niederle nicht aufgezählt, auch Grabhügel mit Leichenbrand (nicht Beerdigung) aus slavischer Zeit. S. über einige derselben Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft, 1886, N. F., Bd. 6,. S. 90. W. setzt dieselben in das 7. bis 8. Jahrhundert. Auch in Deutschland haben wir wendische Grabhügel mit Leichenbrand, z. B. den bekannten von Wachlin in Pommern, von Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1882, S. 398 besprochen. Die Form und Technik der Urnen (umgebogener Rand, Bodenverzierung, Drehscheibenarbeit) weist den Fund nach der Analogie datirbarer Münzfunde (s. Voß a. a. O.) in die Zeit nach 1000. Dem Wachliner ähnlich ist ein Fund aus Meklenburg=Strelitz (Hohen=Zieritz; im Hamburger Museum, s. Friedel a. a. O., S. 445); aus Meklenburg=Schwerin ist bisher nichts bekannt geworden, was sich hierhin rechnen ließe.

Daß der Leichenbrand auch auf deutschem Boden bis an das Ende der Heidenzeit reicht, ist außer durch den Fund von Wachlin auch durch einen analogen von Wirchenblatt bei Guben bewiesen (s. Jentsch in den Verhandlungen der Berliner Zeitschrift für

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Ethnologie, 1885, S. 149 f.; auch in "Die prähistorischen Alterthümer von Guben," 5, S. 22). Demnach hat erst der völlige Sieg des Christenthums der Verbrenung ein Ende gemacht.

Von den Grabfeldern, wo sich Leichenbrand und Bestattung neben einander finden, sei hier nur hingewiesen auf das Skelettgräberfeld vom Galgenberge bei Wollin, wohl die Grabstätte der alten "Vineta" (s. Walter in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1891, S. 708). Unter den hier auftretenden Gefäßen sind schlanke Töpfe, hart gebrannt, mit umgebogenem Rande und Kreuz am Boden, ähnlich dem vorerwähnten von Wirchenblatt, welche schon zu mittelalterlichen Formen hinüberleiten und in das 12. Jahrhundert zu setzen sein werden; also auch hier reicht die Verbrennung bis in die letzte Zeit.

Aus Meklenburg sind nur vier Skelettgräberfelder aus der wendischen Heidenzeit bekannt; von diesen ist das wichtigste, das von Bartelsdorf, für die Frage des Verhältnisses von Brand und Beerdigung nicht zu verwenden, wie unten ausgeführt werden soll; die drei andern zeigen sporadisch Brand neben überwiegender Bestattung (Zehlendorf, S. 220, Alt=Gutendorf, S. 225, Gamehl, S. 226), sodaß es auch für uns wahrscheinlich wird, daß man gelegentlich an der alten Sitte bis zuletzt festgehalten hat.

Ich zähle in Folgendem diejenigen Grabstätten in Meklenburg=Schwerin auf, welche wir als wendische annehmen dürfen.

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1) Skelettgräberfunde von Bartelsdorf.
(Katalog=Nummer 3694 - 3703 und E 300 - 302.)

Das bekannte Grabfeld von Bartelsdorf bei Rostock liegt auf einer weiten abgerundeten Erhebung mit kiesigem Boden und ist in den Jahren 1862 und 1863 aufgedeckt und ausgebeutet. Lisch hat darüber in den Jahrb. 28, S. 301, und 29, S. 177, berichtet (einen Nachtrag s. Jahrb. 49, S. 21). Es fanden sich dort in 120 - 150 cm Tiefe, wie es scheint in Reihen, durchgängig nach Osten schauend, an die 150 Skelette, von denen eine Anzahl Schädel aufbewahrt werden. Auf einigen Leichen lagen Steine; einige Nägel weisen auf eine Bestattung in Särgen hin. Neben vielen Skeletten lagen Beigaben, wie es scheint, immer nur ein Stück, die zum Theil in die Hände Rostocker Bürger und später in die Schweriner Sammlungen gelangt sind.

An das Skelettgräberfeld anschließend, zum Theil in dasselbe übergehend, fand sich ein Urnenfeld mit Beigaben an Eisen. Dieses Urnenfeld hielt Lisch ebenfalls für wendisch und sah darin die Grab=

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stätte der heidnischen Wenden, während er das Leichenfeld in die christliche Zeit setzte. Dem entsprechend ist auf die Herkunft der Objecte aus Leichenfeld oder Urnenfeld nicht hinreichend geachtet und dieselben nicht gesondert. Dadurch ist aber das Gesammtbild des Bartelsdorfer Wendenfeldes bedauerlichst getrübt, denn es kann nach dem jetzigen Stande der vorgeschichtlichen Forschung nicht zweifelhaft sein, daß das Urnenfeld nicht der jüngsten, sondern im Gegentheil der ältesten Eisenzeit angehört, jener Periode, welche dem Einfluß der provinzialrömischen Kultur noch vorausgeht und die man als la Tène - Zeit zu bezeichnen pflegt. Den Beweis geben die einzigen exact (von Lisch selbst) ausgegrabenen Urnen und das in einer von ihnen gefundene eiserne Geräth, welches man damals für eine Spange hielt, das aber später als Gürtelhaken erkannt ist. Die Urnen (hellbraun, ziemlich hoch), erinnernd an die Urnen der Bronzezeit, erscheinen mit völliger Gleichheit in den unzweifelhaften la Tène - Feldern, welche den Uebergang der Bronzezeit in die Eisenzeit vermitteln (so neuerdings in einem Funde bei Zweedorf bei Boizenburg), der große eiserne Gürtelhaken ist als specifische la Tène-Form allgemein anerkannt. Die Belege einzeln durchzunehmen, würde von meinem Thema zu weit wegführen; ich verweise auf die grundlegenden Ausführungen in Undset, das erste Auftreten des Eisens in Nord=Europa, wo S. 263 auch unserem Urnenfelde seine richtige Stelle angewiesen ist.

Bei dieser Sachlage ergiebt sich die Pflicht, das Bartelsdorfer Material, welches ja zum größten Theile erst auf indirectem Wege zu der Sammlung gelangt ist, in seine Bestandtheile zu zerlegen und die Urnenfeld= (la Tène) Funde von den Leichenfeld= (wendischen) Funden zu sondern. Nach Ausscheidung der la Tène-Sachen (der großen eisernen Gürtelhaken, einiger eiserner und bronzener Ringe und der Urnenscherben) bleiben dann als wendisch übrig:

Messer

17 eiserne Messer von 10 bis 18 cm Länge; der Griff 2 1/2 bis 8 cm lang, an dem oft noch Holzreste; die Griffangel ist verhältnißmäßig lang und spitz zulaufend, der Rücken abgesetzt und etwas erhöht (vergl. Abb. 37). Es ist eine auch sonst aus wendischen Funden wohl bekannte Form. 1 ) Bei dreien sind Reste der ledernen Scheide erhalten; bei vier das Ende der Scheide bestehend in einem etwa 1 1/2 cm


1) Vergl. z. B. M. Weigel, die Funde vom Burgwall von Alt=Ruppin in Nachrichten für deutsche Alterthumsfunde, 1892, S. 72, Figur 1.
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breiten Bronzebande, welches um die Scheide herumgelegt und durch kleine Nieten verbunden ist; außerdem ein Griff mit runder Schalung aus Knochen und ein Bronzeknopf, der möglicher Weise auch einem Messer angehört hat.

Drei Schläfenringe (s. unser Verzeichniß oben S. 183).

Eine kleine bronzene Gürtelschließe.

Ein kleines bronzenes Beschlagstück, wohl von der Seite der Messerscheide, ähnlich verziert wie die folgende Stirnbinde.

Eine bronzene Wagschale.

Eine silberne Stirnbinde (Abbildung 38).

Stirnbinde

Drei kleine weiße Thonperlen.

Eine größere graubraune Thonperle (Spindelstein ?) mit Augenverzierung.

Zehn Nägel mit großen flachen Köpfen.

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2) Skelettgräber von Zehlendorf.
(Katalog=Nummer E 528 - 547.)

Von Güstrow aus zieht sich eine weite Thalniederung nach Nordosten, die man gewöhnlich in ihrem ganzen Laufe als Recknitzthal bezeichnet, obwohl sie in ihrem südlichen Theile durch den Augraben nach der Nebel hin entwässert wird. Das Thal hat eine große Bedeutung für die alte Landesgeschichte, indem es die Grenze zwischen den wilzischen Stämmen der Kessiner und Circipaner bildete, wie sie Wigger in den Meklenburgischen Annalen, S. 118, festgestellt hat. Von vorgeschichtlichen Funden war aber aus der ganzen Gegend bisher außerordentlich wenig bekannt. Neuerdings ist nun wenigstens eine bedeutungsvolle Stelle bekannt geworden und ausgebeutet. Dieselbe liegt bei dem Dorfe Zehlendorf (bei Kritzkow), 1/2 Kilometer südlich vom Hofe. Dort steigt der sandige Acker von der Wiesenniederung aus ziemlich rasch an, und auf der Kuppe, die als Sandgrube benutzt wurde, stieß man auf Skelette, neben denen eiserne Messer und Nägel, Bronzeringe und Urnenscherben beobachtet wurden. Herr Kreuzer, Lehrer in Zehlendorf, berichtete darüber nach Schwerin und sandte die in seine Hände gelangten Funde ein; im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler

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hat dann der Schreiber dieser Zeilen im April 1891 mit freundlichst gewährter Hülfe des Herrn Burmeister, Pächter des Kammerguts Zehlendorf, an der Stelle eine Ausgrabung veranstaltet, welche die Anwesenheit eines größeren wendischen Skelettgräberfeldes feststellte. 1 )

Ueber die Ausdehnung und Gesammt=Anlage ließ sich kein Bild mehr gewinnen, da schon sehr viel zerstört ist. Nach den Angaben der Leute, welche die Sandgrube benutzt hatten und dabei auf die Skelette gestoßen waren, haben dieselben unregelmäßig vertheilt gelegen; an einer Stelle waren sechs dicht neben einander angetroffen; über die Orientirung war nichts beobachtet. Mehrmals hatten Steine über denselben gelegen, auch Holzreste waren bemerkt; daß diese von Särgen stammten, wird durch einige Nägel, die bewahrt sind, wahrscheinlich. Beigaben hatten wenige gehabt, Urnenscherben waren zahlreich gefunden.

Die von Herrn Kreuzer eingelieferten Fundstücke sind:

Zwei kleine Schläfenringe von Bronze mit Silberbelag;
(Nr. 10 und 11 unseres Verzeichnisses, S. 184).

Zwei gerade eiserne Messer, an deren Griff Spuren der hölzernen Beschalung.

Zwei eiserne Nägel mit starken konischen Köpfen.

Die Urnenscherben sollen braunroth und sämmtlich unverziert gewesen sein.

Dazu kam, bei einem gelegentlichen Besuche der Stätte durch Herrn Pastor Beyer in Laage und Verfasser:

Ein Skelett 2 ), nordwestlich gelegen, der Kopf im Norden, etwa 0,75 cm tief, bedeckt mit einigen Steinen (nicht einem regelmäßigen Pflaster); in der rechten Hand hatte es ein eisernes Messer von 10 cm Länge.

Die Ausgrabung bestätigte die Angabe, daß die Leichen nicht reihenweise, sondern gruppenweise bestattet sind. Frei gelegt sind zwei Gruppen, über deren Lagerungsverhältnisse die umstehende Skizze orientiren mag (die Nummern sind die des Ausgrabungsprotocolles):

1) Gerade ausgestrecktes, sehr vergangenes Skelett auf einem Pflaster von kleinen Steinen, nur 20 cm unter der Oberfläche, nordost=südwestlich 3 ). In der Mitte des Körpers ein kleiner Bronzegegenstand, bestehend aus zwei Platten von 2 cm Länge und 1 cm Breite, verbunden durch zwei 3/4 cm lange Stifte; darin eingeklemmt etwas Leder (oder Holz?), vielleicht ein Gürtelbeschlag.


1) Vergl. Quartalberichte 1890 October, 1891 April.
2) Die somatischen Bestimmungen unserer Wendenskelette mögen berufener Hand vorbehalten bleiben.
3) Hier wie im folgenden steht die Lage des Kopfes voran.
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Grabfeld von Zehlendorf
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2) Auf der Seite gekrümmt liegendes Skelett; am Kopfende eine Aschenschicht, 30 cm tief, westnordwest=südostsüdlich. In der Gegend der rechten Hand ein eisernes Messer von 15 1/2 cm Länge, von denen 5 auf den Griff kommen; an diesem Reste der Holzschale (die Form dieselbe wie oben S, 219, Figur 37).

3) Gerade liegendes Skelett, die Beine über einander; 30 cm tief; dem vorigen parallel.

4.) Gerade liegendes Skelett, die Arme über der Brust gekrenzt; 60 cm tief; zwischen Nr. 2 und Nr. 3 in gleicher Richtung.

5) Sehr vergangenes Skelett; 60 cm tief, in einer Linie mit Nr. 4, aber in umgekehrter Richtung.

6) Ein Schädel; 60 cm tief, neben dem Kopfe von Nr. 5 liegend; es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß hier eine Störung des Bodens stattgefunden hat und die Gebeine dadurch abhanden gekommen sind.

7) Sehr vergangenes Skelett; in gleicher Richtung wie Nr. 2 bis 6, die Kopflage wie bei Nr. 5. Zu Füßen ein leeres Thongefäß, gut gebrannt, eine rothbraune Schicht innen, eine hellbraune außen. Die Grundform ist die gewöhnliche der wendischen Töpfe, der Durchmesser des Fußes 9 cm, des Bauches 18 cm, die Höhe etwa 12 cm, der Rand ist abgebrochen. Die obere Hälfte ist verziert mit Kehlstreifen und kleinen Schrägkerben.

8) Sehr vergangenes Skelett; nordsüdlich; in der Kopfgegend ein kleiner bronzener Schläfenring (Nr. 12 des Verzeichnisses S. 185); am Kopfende eine braune, ganz zerdrückte Urne. Dieselbe besteht aus ganz hellem, feinem Thone, die Oberfläche ist rothbraun gefärbt und ohne Verzierungen; die Form ist nicht erkennbar; ein Randstück zeigt, daß sie oben ganz glatt abschnitt. Die sonst bekannten wendischen Eigenthümlichkeiten treten nicht hervor; wir werden gleich noch zwei Beispiele bekommen, wo in wendischen Grabfeldern Urnen auftreten, die mit dem Burgwalltypus sich nicht ganz decken (s. unten bei Alt=Gutendorf und Gamehl).

9) Gerade ausgestrecktes Skelett; 60 cm tief; nord=südlich; in der Gegend der rechten Hand ein eisernes Messer von 13 cm Länge (der Griff 5 cm).

75 cm vom Fuße entfernt war eine mit Steinen ausgesetzte Grube, in welcher eine große Urne aus ganz derbem und daher zerbröckeltem Thone, gefüllt mit gebrannten Gebeinen, stand.

10) Sehr vergangenes Skelett, 60 cm tief, in gleicher Lage wie 9; die Arme scheinen gekreuzt gelegen zu haben, sodaß ein an der linken Seite gefundenes, sehr vergangenes Messer der rechten

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Hand angehört. Dasselbe steckte in einer ledernen Scheide mit Bronzebeschlag am Ende.

11) Völlig erhaltenes Skelett; 80 cm tief, südnördlich in einer Linie mit Nr. 9; über dem Kopfe lag eine flache Sandsteinplatte; die Arme waren über der Brust gekreuzt.

12) Gut erhaltenes, gerade ausgestrecktes Skelett; 1 Meter tief, südnördlich, nicht weit von Nr. 8; an der rechten Hand ein eisernes Messer, 9 cm lang, etwas gekrümmt. Dasselbe steckte in einer ledernen Scheide mit vierseitigem Bronzebeschlage.

Zwischen den Gräbern verstreut, zum Theil wohl in Folge früherer Zerstörung derselben, vielleicht auch als Scherben in die Gräber nachgeworfen, lagen einzelne Scherben, alle hellbraun oder braunroth, verziert mit flachen Kehlstreifen neben einander und einer mit einem Stäbchen gezogenen einfachen Wellenlinie, aus freier Hand geformt.

Bei der Bestattungsart fällt zunächst die große Unregelmäßigkeit der Lage auf. Es sind keine regelmäßigen Reihen vorhanden, und die Tiefe schwankt von 20 cm bis 1 Meter, wobei spätere Terrainveränderungen nur unwesentlich mitgewirkt haben können. Sehr auffallend ist die Art der Orientirung, indem selbst neben einander liegende Leichen nach verschiedenen Richtungen sehen. Soweit ich es verfolgen kann, ist sonst schon in den Wendenbegräbnissen die jetzt übliche Orientirung der Bestatteten fast immer inne gehalten (eine Ausnahme, aus Röbschütz im Orlagau, führt S. Müller, Schlesiens Vorzeit u. s. w., 1877, S. 192 an; eine andere aus Slaboszewow in Posen Schwartz in den Materialien zur prähistor. Kartographie von Posen, Nachtrag 2, 1880, S. 12). Auch die Art der Beisetzung ist verschieden; meist liegen die Leichen frei im Boden, einmal auf einem Steindamm, mehrmals mit einzelnen größeren Steinen beschwert. Auf Spuren von Särgen ist man früher gestoßen; einmal schien auch ein Brett über der Leiche gelegen zu haben. Es sind das Alles Grabgebräuche, die im ganzen slavischen Gebiete bekannt sind; für die Bedeckung der Köpfe und Füße vergl. z. B. die slavischen Grabfunde in Oberfranken bei L. Zapf in den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, 8, 1889, S. 115. Von besonderem Interesse ist das Vorkommen von verbrannten Gebeinen neben den Skeletten, ein Umstand, über den oben S. 217 im Zusammenhang gesprochen ist.

Die Beigaben betreffend, ist die Ausstattung der Bestatteten auf dem ganzen weiten slavischen Gebiete eine merkwürdig gleichartige. Allerdings fehlen bei uns bisher noch die sonst (z. B. in Westpreußen)

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häufigen Glasperlen. Doch ist überall das eiserne Messer in dieser Form und der Schläfenring die häufigste Beigabe. Die Form des Messers kehrt in unsern andern Wendengräbern wieder; gleiche sind auch auf dem Burgwall von Werle gefunden, dort mit etwas längerem Griff.

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3) Skelettgräber von Alt=Gutendorf.
(Katalog=Nummer 3337 - 3342.)

In einem natürlichen Hügel aus sandigem Boden zwischen Marlow und Alt=Gutendorf wurde im Jahre 1859 eine Reihe von Skeletten gefunden, von denen einige systematisch aufgedeckt sind (s. Jahrb. 24, S. 278). Reihen sind nicht beobachtet; eine Leiche lag nach Norden blickend, die anderen, soweit der Bericht darüber spricht, nach Osten. Die Grabstätten waren von Steinen eingefaßt, ein Verfahren, welches in Meklenburg noch nicht beobachtet, sonst aber bekannt ist (so sind in Oberfranken Einfassungen von Steinen oder hölzernen Latten gefunden, s. Zapf, Beiträge zur Urgeschichte Bayerns, 8, S. 115). Bei den Leichen lagen:

1) ein kleiner bronzener Gürtelhaken (?). ähnlich dem unten zu besprechenden von Alt=Bukow, von ovaler Form mit umgebogener Oese gleich der der Schläfenringe und der Bartelsdorfer Stirnbinde, 5 cm lang;

2) kleine unerkennbare Eisenreste;

3) ein eisernes Messer, ursprünglich etwa 18 cm lang; die Form gleich denen von Bartelsdorf; die lederne Scheide erkennbar; am Ende derselben ein bronzener Beschlag wie dort.

In der Nähe der Skelette fand sich eine zertrümmerte Begräbnißurne von hellbrauner Farbe mit einigen dazu gehörenden verbrannten Knochen. Dieselbe ist leider nicht zusammensetzbar; die bewahrten Reste zeigen dünne Wandung, schwachen Brand, rothbraune Oberfläche, eine breite Standfläche mit stumpfem Wandansatz, keine Verzierung; wendische Eigenthümlichkeiten sind nicht zu bemerken; wir haben dieselbe Erscheinung schon oben bei Zehlendorf (Grab 8) gehabt. Trotzdem kann der wendische Ursprung der Grabstelle nach ihrer Anlage und dem bronzenen Gürtelhaken nicht zweifelhaft sein. Bemerkenswerth ist, daß auch hier wie in Zehlendorf und Gamehl Leichenbrand neben der Beerdigung auftritt.

Auch dieses Grabfeld liegt gleich denen von Bartelsdorf und Zehlendorf im Gebiet des Stammes der Kessiner.

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4) Skelettgräber von Gamehl.
(Katalog=Nummer E 507 - 512.)

Ein Grabfeld befindet sich 1 Kilometer nordwestlich von dem Hofe Gamehl bei Wismar auf dem hügelartig in eine Wiesenniederung abfallenden Acker rechts von der vor einigen Jahren angelegten neuen Wismar=Rostocker Chaussee, ungefähr 400 Meter von der Stelle, wo sie sich von der alten abzweigt. Bei Anlage der erwähnten Chaussee und im Sommer 1892 bei Anlage einer Feldbahn ist dem erwähnten Hügel Sand entnommen, und hierbei sind Skelette (die Zahl war nicht mehr zu bestimmen) gefunden worden. Erkundigungen haben ergeben, daß schon in früheren Jahren Skelette in größerer Anzahl entfernt sind, auch von der dem Hofe näher gelegenen Ackerseite, sodaß anzunehmen ist, daß hier ein ausgedehnter Begräbnißplatz sich befunden hat.

Der Boden besteht aus kiesigem Sande, unter dem etwa 70 cm tief Lehm ansteht; die Leichen lagen, soweit beobachtet, sämmtlich auf dieser Schicht auf, also ungefähr 70 cm tief. Nach Angabe der Arbeiter, welche die Erdarbeiten ausgeführt haben, aber erst spät auf die Funde geachtet haben, ergiebt sich Folgendes: Die Orientirung war durchgängig die übliche westöstliche; auch sind Reihen beobachtet, in denen das Fußende der einen Leiche vom Kopfende der nächsten etwa 1 Meter entfernt war. Einige Nägel sollen gefunden sein, doch lauten die Angaben darüber recht unbestimmt; an Metallgegenständen ist beachtet ein kleiner, grüner Ring, also Bronze, der aber verworfen ist. An mehreren Stellen dagegen sind Scherben thönerner Gefäße zu Tage getreten, und eine Urne, zerbrochen, aber in ihrer Grundform erkennbar, ist erhalten. Dieselbe besteht aus grober Mischung, weitet sich von einer 12 cm breiten Standfläche rasch aus und erreicht in 8 cm Höhe ihren größten Umfang (etwa 80 cm). Dann zieht sie sich zusammen, doch ist vom oberen Theile leider nichts erhalten. Die Oberfläche ist bis zur größten Weite absichtlich rauh gemacht, sonst ist sie glatt. Diese Urne war mit gebrannten Knochen gefüllt, sodaß auch hier auf einem Grabfelde Leichenbrand constatirt ist.

In gleicher Tiefe wie die Leichen stieß man auf zwei starke Aschenschichten von etwa 50 cm Durchmesser, die fast unmittelbar neben einander lagen. Von Knochen zeigte sich keine Spur, doch lagen in der einen kleinere Scherben und ein durch Rost fast zerstörtes Eisenstück, vielleicht der Rest eines Messers; in der andern eine große rothe Scherbe mit Brandspuren. Es handelt sich hier wohl um Herdstellen.

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Herr A. von Stralendorff auf Gamehl hat freundlichst über die Fundverhältnisse berichtet und die Fundstücke der Großherzoglichen Alterthümersammlung überwiesen.

Das Grabfeld gehört höchst wahrscheinlich der Wendenzeit an. Die topographischen Verhältnisse und die räumliche Anlage gleichen völlig denen von Bartelsdorf und Zehlendorf, die Orientirung ist die gewöhnliche der Wendenbegräbnisse. Allerdings fehlen die sicheren Kriterien; die Reste der Urnen unterscheiden sich von dem specifischen wendischen Typus, sind aber so einfacher Art, daß sie in allen vorgeschichtlichen Zeiten vorkommen können und stehen der Ansetzung wenigstens nicht im Wege. Eine andere Ansetzung als diese ist aber nach dem jetzigen Stande der Forschung unmöglich, da in keiner vorgeschichtlichen Periode bisher bei uns Reihengräber (von den ganz exceptionellen "Römergräbern" natürlich abgesehen) bekannt geworden sind. Welche Beziehungen die vermutheten Gamehler Wenden zu dem benachbarten Burgwall von Ilow haben könnten, bleibe unerörtert; nach einer noch zu untersuchenden Angabe scheint auch dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Preensberg ein wendischer Burgwall zu Grunde zu liegen. Weitere Ergebnisse wären gerade hier besonders erwünscht, da es das erste obotritische Grabfeld sein würde.

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5) Skelettgräber auf dem Burgwall von Alt=Bukow.
(Katalog=Nummer 3527 - 3530.)

Auf dem "Litenberge" bei Alt=Bukow, einer Anhöhe im Wiesengrunde, die Lisch in Folge der dort gefundenen Scherben für einen Burgwall erklärte, sind auch die Reste von vier unverbrannten Leichen gefunden, neben denen die unten bezeichneten Gegenstände lagen. Ueber die Bestattungsart ist leider nichts beigebracht; ein Nagel läßt auf Särge schließen. Vergl. den kurzen Bericht Jahrb. 29, S. 199.

Die Funde sind:

1) Reste eines eisernen Messers mit dem bekannten Bronzebeschlage am Scheidenende.

2) Ein anderer Bronzebeschlag unsicherer Bestimmung, möglicher Weise von der Seite der Scheide, verziert mit herausgetriebenen Punkten; ein ganz gleicher auch in Bartelsdorf.

3) Ein schmales bronzenes Band mit einem Loch Gürtelschließe?), ganz wie in Bartelsdorf.

4) Ein bronzenes ovales Band (Gürtelschließe?) mit einem zurückgebogenen Ende, welches ursprünglich wohl ösenartig war; verziert mit einer Linie von unregelmäßigen Dreiecken in der Mitte, und Seiteneinfassung, hergestellt im Tremolirstich; sehr ähnlich

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der Nr. 1 von Alt=Gutendorf; abgebildet anbei Nr. 39. Die Bestimmung ist unsicher; in einem schlesischen Münzfunde,

der etwa von 980 stammt, ist ein ganz ähnliches Silberband gefunden (Karowane bei Breslau, s. Schlesiens Vorzeit u. s. w., 3, 1881, S. 226).

ovales Band

5) Eisenreste, die Lisch mit Vorbehalt für Hufeisen hielt (Jahrb. 27, S. 183). Hufeisen sind z. B. auf den Burgwällen von Alt=Ruppin (Weigel, Nachrichten für d. Alterthums=Funde, 1892, S. 73) und Neu=Nieköhr (oben S. 212) gefunden.

Die Gegenstände sind demnach fast identisch mit denen der bisher erwähnten Fundplätze und der wendische Charakter zweifellos.

Auch auf dem Burgwalle von Mölln, in dem Lisch das alte Godebant vermuthete (Jahrb. 25, S. 274), sind nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn von Schuckmann auf Mölln früher Schädel und Skeletttheile gefunden, desgleichen auf dem Burgwalle von Behren=Lübchin (s. oben S. 207), in beiden Fällen aber nicht bewahrt.

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6) Das vetus cimeterium von Schwerin.
(Katalog=Nummer E 513 - 518.)

Bei Gelegenheit der Kanalisationsarbeiten der Stadt Schwerin ist man hinter dem altstädtischen Rathhause im October 1892 auf ein Leichenfeld gestoßen. Die Anlage desselben entsprach durchaus der jetzigen christlichen Sitte: die Leichen lagen, nach Osten blickend, zwei Meter unter dem jetzigen Straßenniveau, welches dort in der Höhe von etwa 80 cm aufgetragen ist, also ursprünglich etwa 1,20 Meter tief, in Reihen, etwa zwei Meter von einander entfernt. Der Boden ist schwerer Lehm; Theile von Särgen waren nicht erhalten, doch zeigen Holzspuren und einige starke Nägel, daß solche gebraucht waren. Die einzige eigenthümliche Erscheinung war, daß über einem Skelett in ganzer Länge eine starke eichene Bohle von 10 cm Dicke lag; ähnliches ist bei wendischen und germanischen Reihengräbern oft beobachtet; speciell war das lignum impositum eine bajuvarische Sitte (vergl. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Alterthumskunde, 1, S. 126).

Vier gut erhaltene Schädel und einige Gebeine sind von der städtischen Bauverwaltung freundlichst dem Großherzoglichen Museum übergeben worden.

Wenn das Grabfeld in archäologischer Beziehung nichts Besonderes bietet, so ist seine Aufdeckung bedeutungsvoll für die Topographie des alten Schwerin. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir

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hier das vetus cimeterium vor uns haben, welches zur Grenzbestimmung des bischöflichen Gebietes nach der Bestätigungs=Urkunde des Bisthums Schwerin durch Papst Urban III. 1186 schon bei der Bewidmung des Bisthums durch Heinrich den Löwen gebraucht sein soll (vergl. Fr. W. Lisch, Jahrb. 42, S. 71).

Partem civitatis Sverinensis a domo piscatoris cujusdam cui nomen erat Suk ad vetus cimeterium directe tendentem etc. (Meklenburgisches Urkundenbuch 1, Nr. 141).

Die Vermuthung von Fr. W. Lisch (a. a. O., S. 76), daß dasselbe auf dem Raum zwischen der Scharfrichterstraße (heute Burgstraße), der grünen Straße, dem Marktplatz und dem Dom gelegen habe, hat somit ihre Bestätigung gefunden.

Lisch nahm nach dem Vorgange von Wigger (Jahrb. 28, S. 107, Note 2) an, daß mit dem vetus cimeterium der frühere heidnische Begräbnißort gemeint sei. Dagegen spricht aber der Ausdruck cimeterium, mit dem unmöglich in einer geistlichen Urkunde ein ungeweihter heidnischer Begräbnißplatz bezeichnet sein kann und ferner die Anlage, die sich von den nun hinlänglich bekannten vorchristlichen wendischen Grabstätten durch das gänzliche Fehlen von Beigaben, auch durch die Bestattung in schwerem Boden unterscheidet. Anderseits ist Wigger unzweifelhaft zuzugeben, daß der Kirchhof der neuen deutschen christlichen Stadt nicht angehören kann, da "bei der geringen Einwohnerzahl in der kurzen Zeit von 1161 - 1186 unmöglich ein christlicher Kirchhof gefüllt gewesen sein kann." Demnach bleibt nur übrig, in dem Leichenfelde die Begräbnißstätte der christlichen Wenden vor der deutschen Invasion zu sehen. Nach dem Kreuzzuge von 1147 hatten die Obotriten die Annahme des Christenthums versprochen; 1149 wurde das Bisthum in Meklenburg wieder errichtet (s. Wigger, a. a. O., S. 65 f.); in dieser Zeit wird auch der besprochene Kirchhof geweiht sein. Verfasser hat an einer anderen Stelle (Zur ältesten Geschichte Meklenburgs, 1893, S. 26) die Vermuthung ausgesprochen, daß das wendische Schwerin vom alten Garten bis zu den jetzigen Marstallwiesen sich ausgedehnt habe. Dazu würde diese Lage des Leichenfeldes vortrefflich stimmen.

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7) Brandgrab von Rosenthal.
(Katalog=Nummer E 363.)

Bei dem Bauerngehöft Rosenthal bei Serrahn (zu Koppelow gehörig) im alten Circipanerlande ist im Sommer 1890 eine Stelle aufgedeckt, welche vermuthlich eine Grabstätte bildet. Nach einem von

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Herrn Dr. Raase in Rostock freundlichst mit den Funden übersandten Bericht fand sich am Abhange eines Hügels, 3 Meter über einer Thalmulde eine Kohlen= und Aschenschicht von ca. 3 1/2 Meter Durchmesser, in der Mitte etwa 35 cm stark. Im Mittelpunkt war eine Steinsetzung aus schwarzgebrannten Steinen; zwischen denselben lagen zerbrannte Knochen und Scherben von Thongefäßen. Diese stammen von einfachen, ohne Drehscheibe gearbeiteten Wendentöpfen; sie sind verziert mit regelmäßigen, dicht zusammenstehenden Kehlstreifen, im Charakter der jüngeren Keramik. Es ist höchst wahrscheinlich, daß hier die Reste einer Leichenbrandstätte aufgedeckt sind. Der Leichnam ist verbrannt, einige Töpfe ihm beigegeben ober nachgeworfen, für die Bergung der Gebeine aber keine Sorge getragen.

Nachrichten über Brandstellen mit Gefäßscherben erhält man, wenn man sich im Lande nach vorgeschichtlichen Funden umhört, außerordentlich oft; und in der großen Mehrzahl der Fälle, wo nicht ausdrücklich von zerbrannten Knochen die Rede ist, wird es sich ja um Herdstellen handeln. (Vergl. oben S. 214 über die Brandgruben von Finkenthal.) Begreiflicher Weise bleiben solche Fundstätten meist unbeachtet. Ist unsere Vermuthung richtig, so erklärt sich die verhältnißmäßige Seltenheit wendischer Grabstätten auf das einfachste. Die geringe Sorgfalt der Bestattung hat zu ihrer achtlosen Zerstörung geführt.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich folgendes Resultat:

Ein Kulturzusammenhang der Wenden mit der altgermanischen Bevölkerung, deren Sitze sie einnahmen, ist nicht nachweisbar. Der Kulturzustand der baltischen Wenden bei ihrem ersten Auftreten ist ganz dunkel; sie befanden sich im Besitze einer Keramik, welche auf römischen Einfluß zurückgehen mag und deren beliebteste Decoration die Wellenlinie ist; eine Beeinflussung derselben durch die fränkische Keramik ist anzunehmen (Gefäßformen, Stempelverzierung, Spindelsteine). Eine Veränderung der Töpfereiprodukte ist erkennbar, aber im einzelnen noch nicht nachgewiesen: die Gefäße aus der letzten Periode (ca. 1000 - 1200) sind an der Herstellungsart (härterer Brand), Form (größere Schlankheit, ausgebogener Rand) und Verzierung (Kehlstreifen, Bodenzeichen) erkennbar. - Die Wenden sind hineingezogen in den arabischen Handel, der ihnen Werthmetall (Silber) und Schmucksachen brachte; im Gefolge davon hat sich ein nationales Zierstück, der Schläfenring, entwickelt. Die Metallbearbeitung beschränkt sich auf die Herstellung von Kleingerät in

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Bronze (zum Theil mit Tremolirstich verziert) und Eisen (Messer); Schwerter wurden aus Deutschland bezogen. Ein Gesammtbild der wendischen Industriethätigkeit zu gewinnen wird besonders dadurch unmöglich gemacht, daß von den Produkten der Textilindustrie und Holzschnitzerei, die bei den Wenden besonders beliebt gewesen zu sein scheinen, nichts erhalten ist.

Im Zeitalter der Ottonen äußert sich der deutsche Einfluß, besonders an dem massenhaften Erscheinen deutscher Münzen. Eine eigene Prägung haben die Wenden nicht gehabt. In derselben Zeit geht, wahrscheinlich durch christliche Einflüsse veranlaßt, eine Aenderung der Grabgebräuche vor sich, indem an Stelle der Verbrennung und regellosen Beisetzung der Leichenreste die Beerdigung, und zwar in Reihen, gewöhnlich mit westöstlicher Lage eintritt, doch ist diese Sitte nie zum völligen Siege gelangt. Außer diesen Skelettgräbern sind die Ansiedelungen, besonders die kleinen Pfahlbauanlagen und die zahlreichen, auch geschichtlich gesicherten Burgwälle die wichtigsten Punkte für wendische Alterthumskunde.

 

Vignette
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XII.

Die Bevölkerung Meklenburgs am Ausgang
des Mittelalters.

Von

Dr. Friedrich Stuhr.

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D as Mittelalter hat in seinem ganzen Verlaufe nur höchst unzureichend Sorge dafür getragen, die Volksmenge der Städte wie des platten Landes zu ermitteln und durch schriftliche Aufzeichnung der Nachwelt Kunde davon zu geben. Man war noch ganz in der alttestamentlichen Anschauung befangen, daß ein Zählen der Bevölkerung Sünde sei, und daß Gott ein solch frevelndes Unternehmen mit Hungersnoth, Krieg und Krankheit strafen würde. War man wirklich einmal genöthigt, von der Gesammtbevölkerung eines Gemeinwesens zu sprechen, etwa beim Abschluß eines Bündnisses oder Handelsvertrages, so gebot schon die Klugheit, übertriebene Ziffern, die lediglich auf Erfindung beruhten, anzugeben; man sparte Kosten und Mühe und hatte außerdem den Vortheil, die Feinde zu schrecken und den Freunden begehrenswerther zu erscheinen.

So ist denn der Nationalökonom und Historiker auf diesem für das Verständniß jedes geschichtlichen Ereignisses oder Verhältnisses äußerst wichtigen Gebiete lediglich auf Berechnung und Schätzung angewiesen. Er findet dabei einen zwar mangelhaften, aber doch willkommenen Ersatz für die Volkszählungslisten in den Verzeichnungen der Bürgerschaft und einzelner Gewerke über Neuaufnahmen, in den Angaben über die Zahl der Häuser, der waffenfähigen Mannschaft und in den mannigfaltigen Steuer= und Abgabenregistern. Diese sind für ihn um so werthvoller, je genauer sie geführt waren, je weniger die Abgabenbeträge der Einzelnen von einander abweichen und je größere und dabei doch geschlossene Theile eines Gemeinwesens sie

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heranzogen. Alles dies findet sich in erster Linie bei den Städten. Da nun ein jeder, dem die Wahl der Arbeit freisteht, sich zunächst dem Stoff zuwendet, der ihm für seine Zwecke die reichste Ausbeute verspricht, so entstanden in rascher Folge eine Reihe von schätzenswerthen Arbeiten 1 ) über Städte, während das Landgebiet fast ganz unangebaut blieb. Und je mehr man dann bei jenen Untersuchungen zu erfreulichen Resultaten kam, deren annähernde Richtigkeit man bei der Verschiedenheit des Materials zuweilen noch nachprüfen konnte, je mehr setzte sich die Anschauung fest, daß man für das platte Land, wo alle Hülfsmittel scheinbar fehlten, auf jede Kenntniß verzichten müsse. Am schroffsten spricht diese Ansicht Paasche aus, wenn er sagt 2 ):

"Leider ist es als absolute Unmöglichkeit zu bezeichnen, für ganze Territorien, soweit das germanische Mittelalter in Frage kommt, nachträglich Aufschlüsse über die Volkszahl derselben zu geben; denn es fehlt an jeder Grundlage zu einer auch nur leidlich sichern Schätzung."

Demgegenüber ist es als ein wesentlicher Fortschritt für die mittelalterliche Volksstatistik anzusehen, wenn Herr Archivrath Grotefend zuerst in den wenigen allgemeinen Kopfsteuern, die wir aus dem Mittelalter haben, ein Mittel erkannt hat, um auch für größere Bezirke und namentlich das Landgebiet zu ziemlich genauen Resultaten zu gelangen. Schon während seiner Thätigkeit am Frankfurter Archive waren demselben die dort lagernden Acten der Kaiserbede, die Maximilian im Einverständniß mit den Ständen für das ganze Reich ausschrieb, wegen ihrer specificirten Aufzählung der einzelnen Haushaltsgenossen aufgefallen; eine Vergleichung mit den für die Bede gegebenen Vorschriften ergab, daß gefordert war, alle Menschen über 15 Jahr ohne Unterschied zu verzeichnen, man also in den aufgeschriebenen Personen einen genau abgegrenzten Bestandtheil der Gesammtbevölkerung vor sich hatte. - Auch im Archive zu Schwerin fanden sich zerstreut und in ihrem Wesen unerkannt derartige Aufzeichnungen vor; dem Verfasser wurde die Aufgabe zu theil, für Meklenburg in der angegebenen Richtung diese Bedeverzeichnisse nutzbar zu machen.

1495 waren die Stände des Reichs in Worms zum Reichstage versammelt. Es handelte sich darum, dem Kaiser auf seinem Heereszuge über Berg Heeresfolge zu leisten, ihn wenigstens mit den nöthigen


1) Für Meklenburg neuerdings der Aufsatz von Techen: "Die Bevölkerung Wismars im Mittelalter und die Wachtpflicht der Bürger" in "Hansische Gschichtsblätter" 1890/91. Leipzig 1892 S. 63 ff.
2) Paasche "Die städtische Bevölkerung früherer Jahrhunderte" in "Conrads Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik", N. F. V, S. 303 ff.
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Geldmitteln zu versehen, um in Italien erfolgreich gegen die Franzosen auftreten zu können. Aber wie die Stände fast immer Bewilligungen ihrerseits von neuen Zugeständnissen der Kaiser abhängig machten, so ruhten sie auch hier unter Führung Bertholds von Mainz nicht eher, als bis Maximilian die baldige Einsetzung eines ständischen Kammergerichts und Reichsraths versprochen hatte; erst dann räumten sie dem Kaiser das Recht der Erhebung einer Reichssteuer ein.

Die "Ordnung von dem gemeinen Pfennig" besagt im §. 1 Folgendes:

Wir Maximilian etc. . verordnen

"daß die nechstkomenden vier Jar lang vnd nicht lenger alle vnd igliche Menschen, Sie sein Geistlich oder Weltlich, Frawen oder Man, von was Würden, Ordens, Stands oder Wesens die sein, nymands außgeschlossen, durch das Heilig Reich gantz aus, jerlich geben, nemlich, wer an Wert, es sey an beweglichen oder vnbeweglichen Gütern oder Renten hat fünffhundert Reinisch Gülden, der soll geben einen halben Reinischen Gülden, welcher also tawsent Rinische Gülden hatt, der sal geben einen gantzen Rinischen Gülden, welcher aber vber die tawsent Rinische Gülden hatt, der sol über einen gantzen Rinischen Gülden, so vil sein Andacht ist, geben, welcher aber vnder fünffhundert Gülden Rinisch und fünffzehn Jar Alters erlangt hat, sol geben einen vier vnd zwentzigsten Teil eins Rinischen Gülden, also, daß vier vnd zwentzig Menschen einen Rinischen Gülden geben." 1 )

In dieser Kaiserbede haben wir eine Verbindung von Kopf= und Vermögenssteuer vor uns. Während sie uns, soweit sie Kopfsteuer ist, ihrem Wortlaut nach den einfachen, aber für die Volksstatistik wichtigen Schluß machen läßt, daß so oft Personen über 15 Jahre vorhanden sein müssen, als der 24. Theil eines Guldens, 1 ß., gegeben wurde, scheint sie als Vermögenssteuer anfänglich eine solche genaue Berechnung wieder zu verhindern; denn ebenso gut wie 1/2 Gulden eine Person bezeichnen kann, die 500 Gulden besitzt, kann er auch 12 solcher mit geringerem Vermögen darstellen. Aber wenn man bedenkt, daß Güter im Werthe von 500 Gulden oder eine dem entsprechende jährliche Rente von 25 Gulden sich damals nur in den Handelscentren und in der Hand weniger Adliger befunden haben werden, daß in Meklenburg, soweit die Acten einigermaßen ausführlich sind, thatsächlich nur in wenigen Fällen 1/2 und 1 Gulden Abgabe gezahlt sind, so wird man mit Recht auch in den Oertern,


1) Neue Sammlng der Reichsabschiede. Frankfurt 1747. II, S. 15.
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von denen uns lediglich die Summe der Beträge überliefert ist, das Vorkommen eines Vermögens von 500 und 1000 Gulden als Ausnahmefall ansehen, so daß sich das Gesammtresultat dadurch kaum ändert.

Herzog Magnus war bei den Wormser Verhandlungen zugegen, wie sich aus dem Protocoll der Urkunde über den Reichspfennig ergiebt, und ordnete für das folgende Jahr die Eintreibung der Bede in seinen Landen an. Ob es ihm aber wirklich Ernst damit war, die kaiserliche Vorschrift durchzuführen, oder ob er es nicht vielmehr lieber sah, wenn sich die Sache hinzog und schließlich in Vergessenheit gerieth, darüber können wir ein sicheres Urtheil aus den Acten nicht gewinnen. Letztere Erwägung wird aber wahrscheinlicher, wenn man sieht, welch langsamen Fortgang die Eintreibung der Bede in Meklenburg genommen hat. Nur bei 2 Städten und einer Vogtei 1 ) ist nachzuweisen, daß sie noch 1496 anfingen, die Abgabe einzusammeln, für andere, so sicher für die Bezirke Meklenburg und Wenden, bedurfte es dazu erst eines erneuten kaiserlichen Befehls auf dem Reichstag zu Lindau 1497. 2 ) Wie also die Beträge der einzelnen Oerter ganz allmählich einkamen, so beeilte man sich auch nicht, das Gesammelte an den Herzog einzusenden. Wittenburg, das verhältnißmäßig früh mit der Erhebung der Bede beginnt, liefert erst im Herbst des Jahres 1497 und Anfang 1498 in 2 Raten ab. 3 ) Wie weit mochten da noch die anderen Bezirke zurück sein! Die natürliche Folge war, daß Meklenburg 1498 noch nichts nach Frankfurt, wo die Kaiserbede des ganzen Reiches gesammelt wurde, zahlen konnte und sich deshalb auf dem Reichstag zu Freiburg ein ernstlich Mandat zuzog. 4 )

Ueber die mit der Einsammlung der Bede beauftragten Personen sind für Meklenburg nur spärliche Nachrichten erhalten. Die kaiserliche Verordnung hatte vorgeschrieben, gewissenhafte Männer zu bestellen, die auf ihren Eid hin in jedem Kirchspiel in Gegenwart des Pfarrers die Leute einschätzen, die einzelnen Beträge sammeln und aufschreiben und dann mit dem Register an die Kommissäre und Schatzmeister abliefern sollten. 5 ) In Meklenburg befolgte man diese


1) Stadt Teterow am 5. Dec. (vigilia Nicolai), Vogtei Plau am 13. Dec. (up Lucie) und Stadt Wittenburg am 18. Dec. (des sondages vor nativ. Christi) 1496,
2) Neue Sammlung der Reichsabschiede, II, (S. 30.
3) ame sonauende na Laurentii 1497 to Wittenborch und ame mandage na esto michhi 1498 to Swerin.
4) Neue Sammlung der Reichsabschiede, II, S. 42.
5) Reichsabschiede II, S. 15.
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Regel nicht genau; die örtlichen Verhältnisse schufen mancherlei Abweichungen. In Stadt und Land Stargard sammeln die Pfarrer selbst die Bede ein, wie sich aus der Unterschrift eines solchen im Dorfe Loiz ergiebt: "Dns. Andreas Schallyn protestor pro conscientia me diligenter collexisse". In den übrigen Dörfern wird zwar nur die Richtigkeit der Angaben durch ein "protestor pro conscientia mea ita esse" oder "praemissa esse vera" bezeugt; aber auch in allen diesen Fällen können wir annehmen, daß sie ein "ita esse" bezeugten auf Grund eines sorgfältigen Einsammelns ohne fremde Hülfe, da die Mitwirkung anderer Personen nirgends angedeutet wird. Ein viceplebanus nimmt die Stelle eines Pfarrers in Warbende, Quadenschönfeld und Gramelow ein.

In der Vogtei Plau nehmen die Schulzen einen hervorragenden Antheil an der Eintreibung. Sie finden sich in der Beglaubigung an erster Stelle genannt; daneben sind Namen angeführt, in deren Trägern man angesehene und erfahrene Männer der Gemeinde zu sehen hat, die den Schulzen beim Einsammeln unterstützt haben werden. 1 ) In Silze haben wir nach dem Wortlaut: "Gerke Maneke vnd Peter Stowfe dederunt vor 11 personen." nur 2 Haushaltungen anzunehmen, die durch diese beiden vertreten werden. Alle beglaubigen mit der Formel "by eren warenn wordenn". Für einige Güter dieser Vogtei treten die adligen Besitzer an ihre Stelle, die als solche kenntlich sind durch Hinzufügung "ßo he mynem gnedigen heren van Mekelenborgh etc. . vorwanth is". So unterschrieben in Wangelin Achim Winterfeld, in Penzlin Clawes 2 ) und Cone Dessin, in Karow und Damerow Achim Hane und Drews Dessin gemeinsam, in Poserin Achim Hane allein.

In Stadt und Vogtei Gadebusch ist die Bede erhoben durch die Bürgermeister und den Stadtvogt Gerke Koeck. Es fällt auf, daß letzterer auch für das Landgebiet thätig ist. Wahrscheinlich wurde er vom Herzog damit ausnahmsweise beauftragt, weil dieser ihn für die geeignete Persönlichkeit halten mochte. Man wird nicht irren, wenn man der Regel nach in dem herzoglichen Vogt die nächst höhere Instanz sucht, an den die Schulzen und Pfarrer jedes Vogteibezirkes abliefern, und wenn man in der Bestellung der Propstes von Malchow für die Goldberg=Krakower Vogtei und des Pfarrers Johann Maß


1) In der Landbede der Vogtei Güstrow von 1445 beschwört der Dorfschulze mit einigen Bauern nomine villanorum die Vollständigkeit und Richtigkeit der Verzeichnisse.
2) Vielleicht derselbe Claus Dessin, der wegen seines Antheils an Bellin, Vogtei Krakow, dort pro servo et famula zahlt ?
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für die Vogtei Parchim nur Ausnahmen sieht. Von dem Vogt werden dann die Hauptsummen jeder Vogtei an den Herzog eingeliefert sein. 1 )

Hatte nun die kaiserliche Verordnung auch vorgeschrieben, die Bede von jeder Person ohne Unterschied zu erheben, sobald sie 15 Jahr alt wäre, so ist die Ausführung in Meklenburg doch nicht immer dem entsprechend. Man kommt zu der Ueberzeugung, daß Adel und Geistlichkeit sich ihrer Verpflichtung vielfach zu entziehen gewußt haben. Nur in der Vogtei Plau scheinen beide Stände vollständig gezahlt zu haben. Von den "guten Mannen" liegt hier ein genaues Verzeichniß vor mit gleichzeitiger Angabe der Beträge, die ein Jeder erlegte; die Abgaben der Geistlichkeit sind wahrscheinlich in der Gesammtsumme ihres Pfarrortes mit enthalten.

Abgesehen von dieser Vogtei ist der Adel, soweit er überhaupt eingetragen wurde, durchweg im Rückstande. Im Lande Stargard haben nicht gezahlt: der Herrenhof in Schönhausen, des Lüdeke Riben Hof in Cosa, die Hofleute in Ballin, Warburgs Hof in Quastenberg, der Osterwolde Hof in Beseritz, Engelke und Hans von Helpte in Pragsdorf, wahrscheinlich auch der Herrenhof in Herbrechtshagen. Nur in Quadenschönfeld haben Gerke und Heinrich Warburg wenigstens für ihre Dienerschaft die Bede erlegt. Die Register der Vogtei Goldberg=Krakow führen 4 Adlige mit Namen an. Von diesen zahlen drei in Bellin für sich selbst nicht, wohl aber für ihr Gesinde, die "Passow'sche" allein erlegt die Abgabe für ihr Gut und ihre Dienerschaft. In Schorssow, Land Malchin, fällt das "Schloßvolk" ganz aus, ebenso die Bauern des Wedige Maltzan in Barz; die Bauern des Claus Hahn ebendaselbst zahlen zum Theil. Der Hof in Hinrichshagen steuert 2 ß. bei. Von dem Adel der Vogtei Penzlin hat Claus Peckatel in Kl.=Vielen weder für sich noch seine Dienerschaft gezahlt, während Hans Bardenflet thom hoghen Werder 4 ß. für sein Dienstvolk erlegt. In der Stadt Gnoien giebt Hans von der Lühe nichts; Wedige von Kardorf zahlt für sein Gesinde; für sich und seine Frau will er sich nach dem Verhalten der übrigen Adligen richten, also nichts zahlen; allein Claus von Kardorf verfährt ganz nach der Vorschrift. In Teterow findet sich Heinrich von Osten mit 3 ß. eingetragen; vielleicht könnte man schließlich auch in den beiden ungenannten Personen, die in das Verzeichniß der Stadt mit je einem halben Gulden aufgenommen sind, Adlige vermuthen.


1) s. Wittenburg S. 235.
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Aehnlich wie mit dem Adel verhält es sich mit der Geistkechliit; auch von ihr wurde nur selten die Bede entrichtet. In der Vogtei Stargard hat in den 9 Fällen, in denen überhaupt ein Geistlicher in der Liste aufgeführt wird, nur in 2 Fällen dieser wirklich gezahlt, in 6 Oertern 1 ) stehen sie mit einem "tenetur" verzeichnet, in Neezka ist der Kirchherr wieder ausgestrichen. Daneben wird vereinzelt berichtet, daß wenigstens die Dienerschaft des Pfarrers die Abgabe erlegt hat, so in Benthen, Vogtei Goldberg, des papen 2 meghede, in Krakow und Teterow des papen maget, in Gadebusch des Kerkhern maget und junghe und in Rittermannshagen 1 frauwe des Kerkhern lud.

Aber auch bei der großen Masse des Volkes drängte man nicht auf unbedingte Durchführung der kaiserlichen Vorschrift. Wenn jemand so arm war, daß er nur von der Hand in den Mund lebte oder auf Gemeindekosten verpflegt werden mußte, wenn er sein Haus durch Feuersbrunst verloren hatte, hat er nach den Acten ausreichenden Grund, die Bede nicht zu zahlen. Andere mochten vorübergehend nicht in der Lage sein, die Abgabe zu entrichten; manche mochten sich auch weigern, freiwillig etwas von dem in schwerer Arbeit Erworbenen für den Kaiser hinzugeben, von dessen Existenz sie eigentlich nur hörten, wenn er auf ihre Geldmittel Anspruch erhob. Dann wurden sie in die Listen mit einem "tenetur" eingetragen und diese schließlich eingereicht, ohne daß man noch einen Versuch gemacht hätte, das Restierende einzutreiben. In manchen Dörfern, die ganz ausfallen, werden die Beamten auch nicht dazu gekommen sein, sich ihres Auftrages zu entledigen. Zwischen Adel und Geistlichkeit einerseits und der großen Masse der Bürger und Bauern andererseits besteht aber der große Unterschied, daß erstere, wenn sie nicht zahlten, vielfach auch nicht aufgezeichnet wurden wohl in dem Gefühl, daß diese bevorzugten Stände selbst zu derartigen allgemeinen Lasten zwangsweise nicht herangezogen werden dürften, während die Namen der letzteren dem ganzen Charakter der Acten nach auch im Falle des Nichtzahlens durchweg eingetragen zu sein scheinen; man legte sich damit zugleich ein Verzeichniß der Restanten, die die Bede zu erlegen verpflichtet wären, an, um auf sie vielleicht später noch zurückgreifen zu können.

Nur wenige Personen sind mit einer Abgabe von 1/2 oder gar 1 fl. verzeichnet; die erhaltenen Acten nennen folgende:


1) In Loiz findet sich die Eintragung "familia plebani cum ancilla vna tenetur"; hier sind unter familia wohl Verwandte des Pfarrers zu verstehen, die ihm den Haushalt
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1 Gulden: Lutteke Hane,
Achim Winterfeld,
Jasper Welzin,
Klammer Vogtei Plau,
1/2 Gulden: Clawes Hane, Damerow
Hinrik Gamme,
Achim Gamme,
 
Die Passow'sche für ihr Gut, Vogtei Goldberg,
2 Personen in Stadt Teterow,
3 Personen in Stadt Gnoien (darunter vermuthlich Claus von Kardorf).

Die Juden hatte die "Ordnung vom gemeinen Pfennig" noch besonders bedacht; jedes Jahr, für das die Kaiserbede bewilligt war, sollte man von jedem ohne Unterschied des Alters und Geschlechts 1 Gulden erheben. 1 ) Wie das Mittelalter sich für berechtigt hielt, die Juden für den Schutz, den es ihrer Person und ihrem Handel angedeihen ließ, zu Zahlungen zu zwingen, wo es nur immer konnte, so wird man auch in diesem Falle überall unnachsichtlich diese Maßregel durchgeführt haben. In Meklenburg traf das Jahr 1496 keine Juden mehr an. Nach der Verfolgung in Sternberg im Jahre 1492, die mit dem Feuertode von 25 Männern und 2 Frauen endete, waren die übrigen Juden aus dem Lande verbannt. 2 )

Gehen wir nun zur Betrachtung der Register selbst über, so sehen wir zunächst, daß nur ein Theil derselben erhalten ist. Es sind dies, in dem Verbande gelassen, wie sie überliefert sind, und alphabetisch geordnet:

1) Stadt und Vogtei Boizenburg,
2) Stadt und Vogtei Gadebusch,
3) Stadt Gnoien,
4) Vogtei Goldberg=Krakow,
5) Stadt Malchin,
6) Land Malchin,
7) Land Meklenburg und Wenden, darunter Stadt Parchim,
8) Stadt Penzlin,
9) Vogtei Penzlin,
10) Vogtei Plau,
11) Stadt und Land Stargard,
12) Stadt und Vogtei Stavenhagen,


1) Neue Sammlung der Reichsabschiede II, 15.
2) Donath, Geschichte der Juden in Meklenburg. Leipzig 1874. S. 35.
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13) Stadt und Kirchspiel Teterow,
14) Land Waren,
15) Kirchspiel Warsow,
16) Stadt und Vogtei Wittenburg.

In der Führung der Register bestehen die größten Unterschiede. In einem Theil derselben hat der Schreiber es sich angelegen sein lassen, den Familienbestand bis ins Einzelne auszuführen, - anzugeben, wie viel verheiratete und ledige Männer und Frauen, wie viel Söhne und Töchter und wie viel Knechte und Mägde vorhanden sind. Es sind dies die wenigsten, aber brauchbarsten Register. Sie lassen neben der sicheren Bestimmung der vorhandenen Personen noch eine Statistik über das Verhältniß der Geschlechter zu einander und der Dienstboten und der Kinder über 15 Jahre zu den Verheirateten zu. Die Berufsarten haben sich aber auch bei diesen nicht begrenzen lassen, da die Register auch in den Städten nur wenige, wie den Hirten, den Schäfer, Müller, Schmied, hie und da den Thorwächter, Zimmermann, Küster und die Hebamme, in Parchim auch den Bürgermeister und Stadtvogt aufführen, im übrigen nur Namen angeben. Ein anderer Theil enthält wohl die Stärke jedes Haushalts, zerlegt ihn aber nicht mehr in seine Bestandtheile; derartig geführte Register gewähren immer noch die Möglichkeit, die durchschnittliche Stärke eines Haushalts an Personen über 15 Jahre ausrechnen zu können. Ein dritter Theil giebt nur die Gesammtsumme der von einem Ort oder auch von einer Vogtei gezahlten Bedebeträge an.

Bei der Benutzung der Register schien nun folgender Grundsatz befolgt werden zu müssen. Solange dieselben die Familien im Einzelnen anführten, wurde die Summe der gezahlten Schillinge und damit der vorhandenen Personen selbst ausgerechnet, auch wenn das Ergebniß nicht mit der im Register angegebenen Summe stimmte. Derartige Abweichungen sind als Irrthümer oder, wie es zuweilen scheint, als absichtliches Verrechnen zu Gunsten des Einnehmers zu erklären. Erst wenn die Register eine derartige Prüfung nicht mehr zulassen, müssen die Ergebnisse im Register auf Treu und Glauben angenommen werden.

Bei der Berechnung der Einwohnerzahlen nach den ersten beiden Registergruppen stört nun das häufige Vorkommen von Namen, die einzelne Personen bezeichnen, ohne daß durch eine Bezeichnung, wie filius, servus die Zugehörigkeit zu einem Familienverbande feststände. In jedem einzelnen derartigen Falle ist zunächst zu versuchen, ob der Name selbst oder die Umgebung, in welcher derselbe steht, Mittel zur

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näheren Bestimmung bietet; so kennzeichnet ein weiblicher Vorname oder ein Name mit der weiblichen Endung sche (z. B. Weydemansche) die Trägerin sofort als alleinstehende Person. Ein männlicher Vorname läßt dagegen die Frage offen, ob man eine einzelne Person oder einen ganzen Haushalt vor sich hat. Für das erste möchte man sich entscheiden, wenn man bedenkt, daß solche einzelnen Namen durchweg nur bei Nichtzahlung vorkommen, ein Nichtzahlen aber dann am begründetsten ist, sobald der Restant eine alleinstehende oder alte Person ist, die von den Wohlthaten der Gemeinde abhängig war, und wenn man weiter bedenkt, daß man in einem Zweifelfalle ohne Weiteres nicht über die einfachste Erklärung hinausgehen darf. Dieser Entscheidung steht aber entgegen, daß in manchen mit der Zahlung restirenden Dörfern überhaupt nur einzelne Namen angeführt wurden, daß in einzelnen Fällen bei nachträglicher Erlegung der Bede die Höhe der Zahlung auch durch Hinzufügung der Hausgenossen näher begründet wurde. So scheint beides sich die Wage zu halten. Man wird der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man in jeder Vogtei, die derartige einzelne Namen enthält, die Durchschnittsstärke eines Haushalts an Personen über 15 Jahre aus den ihrer Zahl nach bekannten Haushaltungen (unter Berücksichtigung der bekannten alleinstehenden Personen als Haushaltungen zu 1 Person) ausrechnet und damit die Zahl der Restanten multiplicirt. Derartige Durchschnittszahlen sind für

Stadt Boizenburg
Vogtei Gadebusch
Land Meklenburg
Stadt Penzlin
Vogtei Stavenhagen
Kirchspiel Teterow
Kirchspiel Warsow
Land Waren
Stadt Wittenburg
Vogtei Wittenburg
2,38,
2,50,
2,92,
2,25,
2,27,
3,27,
2,42,
2,14,
2,09,
2,35.

Ist auf dem Wege der Zählung und Berechnung die Anzahl der Personen über 15 Jahre in den einzelnen Vogteien, deren Register erhalten sind, ermittelt, so kann von den Ergebnissen aus zu einer annähernden Berechnung der Gesammt=Bevölkerungszahl derselben Vogteien fortgeschritten werden. Bücher 1 ) berechnet aus der bekannten


1) Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt am Main im 14. und 15. Jahrhundert. Tübingen 1886. S. 62 - 64.
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Zahl der über 12 Jahr Alten die unbekannte Größe der Kinder unter 12 Jahren in Frankfurt 1387 und kommt dabei zu dem Resultat, daß man zu modernen Reductionsziffern greifen muß, weil man nicht weiß, welchen Procentualantheil die Kinder von 12 Jahren und darunter in der ihm nur bekannten mittelalterlichen Volkszählung zu Nürnberg 1449 an der Gesammtbevölkerung gehabt haben. Er erklärt sich schließlich für die moderne Frankfurter Zählung, weil unter allen modernen die Altersgliederung der Bevölkerung in dieser derjenigen im Jahre 1387 für Frankfurt am nächsten zu kommen scheint. Aus demselben Grunde möchte ich hier auf die erste genaue Volkszählung Meklenburgs von 1819 zurückgehen. Diese gestattet es einmal, die Grenze des 15. Jahres genau inne zu halten, und dann, Stadt= und Landbevölkerung zu trennen. Ein Fehler wird insofern gemacht, als man den allem Vermuthen nach größeren Procentualantheil der Kinder unter 15 Jahren an der Gesammtbevölkerung vom Jahre 1819 für die Zeit von 1496 annimmt. Man wird freilich aus diesem Grunde zu Maximalzahlen kommen, aber diese werden von der Wirklichkeit nicht übermäßig abweichen. Denn bis zum Jahre 1819 hat sich Meklenburgs Bevölkerung ziemlich gleichmäßig fortentwickelt. Ein Freizügigkeitsgesetz und bequeme Kommunikationsmittel beförderten noch nicht eine fortwährende Verschiebung unter der Bevölkerung; die Territorialgrenzen verhinderten das Hereinströmen fremder Bevölkerungselemente. Die ganze wirthschaftliche Lage, besonders der Landbevölkerung, hatte sich um diese Zeit aber noch nicht derartig gehoben, daß sie eine verhältnißmäßig viel größere Vermehrung derselben zur Folge gehabt hätte.

Um die Verhältnißzahlen zwischen den Personen über 15 und denen unter 15 Jahren zu bestimmen, sind für die Landbevölkerung 22 Dörfer der Vogtei Gadebusch herangezogen. In diesen 22 Dörfern kommen 1819 auf 1 Erwachsenen 0,60 Kinder unter 15 Jahren. Mit dieser Ziffer ist die Anzahl der Erwachsenen in den Dörfern und den kleineren Städten 1496 multiplicirt, da letztere ihrer geringen Einwohnerzahl wegen als eigentliche Städte nicht behandelt werden konnten. Erst wenn sie gegen 400 Einwohner über 15 Jahre aufwiesen, schien es angebracht, eine Verhältnißzahl anzuwenden, wie sie 1819 Boizenburg und Gadebusch zusammen ergeben, nämlich 0,47 unter 15 Jahr alte Kinder auf 1 Erwachsenen.

Im Folgenden bedeuten die Zahlen links die nach der Kaiserbede 1496 vorhandenen Erwachsenen, die Zahlen rechts die Kinder unter 15 Jahren, wie sie ausgerechnet sind mit Hülfe obiger Verhältnißzahlen.

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I. Stadt und Vogtei Boizenburg.

Stadt und Vogtei Boizenburg

II. Stadt und Vogtei Gadebusch.

Stadt und Vogtei Gadebusch

1) Steder, gelegtes Dorf, cf. Jahrb. 56, 173-164.

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Stadt und Vogtei Gadebusch

1) Wahrscheinlich untergegangen. Schönwolde ist 1589 Flurname (zusambt dem Dorffe Niekirchen vnnd dem Schonwolde, cf. Lehnsakten Drönnewitz 1589.

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Stadt und Vogtei Gadebusch

III. Stadt Gnoien.

Stadt Gnoien

IV. Vogtei Goldberg=Krakow.

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Vogtei Goldberg-Krakow

V. Stadt Malchin.

Stadt Malchin

VI. Land Malchin. 1 )

Land Malchin

Untergegangen, cf. Jahrb. 56, 206.


1) Für die Länder Malchin und Waren und die Vogteien Penzlin und Stävenhagen (mit Stavenhagen) giebt es neben den Einzelregistern noch ein Hauptregister, das die Summen der einzelnen Oerter enthält, zuweilen, wenn die Einzelregister fehlen, ergänzt jenes die Nachrichten.
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Land Malchin

VII. Land Meklenburg. 1 )

Vogtei Schwerin.

Vogtei Schwerin

2) Untergegangenes Dorf, cf. Jahrb. 56, 213.


1) Für die Kirchspiele Gr.=Eichsen, Mühleneichsen und Gr.=Trebbow giebt es Einzelverzeichnisse; die übrigen sind nur in einem Hauptverzeichniß vorhanden.
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Land Meklenburg

1) Untergegangenes Dorf, Jahrb. 56, 213.

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Land Meklenburg

1) Untergegangenes Dorf, cf. Jahrb. 56, 212.
2) = Kl. Krams? cf. Jahrb. 56, 200.

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Land Meklenburg

Land Wenden.

Land Wenden

VIII. Stadt Penzlin.

Land Wenden

1) Vgl. den Anhang.
2) Im Register hinter Stadt Parchim eingetragen ist die Quittung: "Vom Er Johann Maß 132 1/2 Mk. entpfangen sunder register, facit 88. fl. 8 ß." Wahrscheinlich haben wir in dieser Summe die Abgaben der Vogtei Parchim vor uns.

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IX. Vogtei Penzlin. 1 )

Vogtei Penzlin

1) cf. Seite 246, Anm. 1.
2) Wokuhl untergegangen, cf. Jahrb. 56, 211.
3) Jetzt Werder.
4) Smort ist untergegangen, cf. Jahrb. 56, 211.
5) Langkavel, jetzt Langhagen, Jahrb. 56, 211.


1) cf. Seite 246, Anm. 1.
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X. Vogtei Plau.

Vogtei Plau
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XI. Land, Stadt und Vogtei Stargard.

Land, Stadt und Vogtei Stargard

1) Cosa später mit Brohm zu einem Dorf verschmolzen.
2) cf. Meklb. U.=B. 10, 242. Anm. 5. (=Hinrichshagen?)

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Land, Stadt und Vogtei Stargard

1) Willershagen, untergegangenes Dorf. Es findet sich noch eimal M. U.=B. 4, 69 in einer Urkunde, in der Markgraf Albrecht von Brandenburg dem Kloster Wanzka jährliche Hebungen aus verschiedenen Dörfern zuweist (bei Woldegk?)

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XII. Vogtei Stavenhagen. 1 )

Vogtei Stavenhagen

1) cf. S. 246, Anm. 1.


1) cf. S. 246, Anm. 1.
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XIII. Stadt und Kirchspiel Teterow.

Stadt und Kirchspiel Teterow

XIV. Land Waren 1 )

Land Waren

1) cf. S. 246, Anm. 1.
2) Untergegangenes Dorf, cf. Jahrb. 56, 218. Aus dem Bederegister geht hervor, daß Kossebadendorf im Lande Waren liegt.


1) cf. S. 246, Anm. 1.
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XV. Kirchspiel Warsow.

Kirchspiel Warsow

XVI. Stadt und Vogtei Wittenburg.

Stadt und Vogtei Wittenburg

1) Untergegangenes Dorf, cf. Jahrb. 56, 219.

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Stadt und Vogtei Wittenburg
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Stadt und Vogtei Wittenburg

Zusammenstellung der Bezirke.

Zusammenstellung der Bezirke

Zusammenstellung der Städte und Flecken.

Zusammenstellung der Städte und Flecken
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Zusammenstellung der Städte und Flecken

Bei einer Vergleichung der Einwohnerzahl der Städte und Dörfer ergiebt sich, daß erstere sich 1496 noch nicht wesentlich von der Landbevölkerung unterschieden. Für die kleinen Landstädte wird wie für die Dörfer der Ackerbau die Haupterwerbsquelle gewesen sein, nur Parchim und Malchin werden, nach ihrer Bevölkerung zu schließen, Handel und Gewerbe in größerem Maßstabe betrieben haben.

Boll 1 ) kommt freilich für das Jahr 1354 zu Resultaten, die mit den obigen nicht in Einklang zu bringen sind. Derselbe rechnet für eine Reihe von Städten eine Bevölkerungsziffer heraus, die durchweg der Einwohnerzahl von 1853 gleichkommt, sie in 2 Fällen, bei Parchim und Malchin, bis zur doppelten Stärke übersteigt. Hat diese Thatsache schon an und für sich wenig Wahrscheinlichkeit für sich, so fällt sie hin, wenn man untersucht, womit sie Boll begründet. Er vergleicht die Contingente der einzelnen Städte, wie sie nach der Musterrolle von 1354 gestellt werden sollten, mit dem von Rostock und rechnet nach dem sich daraus ergebenen Verhältniß die Einwohnerzahlen aus. Einmal ist ihm aber die Bevölkerungszahl von Rostock für die betreffende Zeit nach einer Zählung oder wahrscheinlichen Berechnung keineswegs bekannt; andererseits ist, wie Jastrow 2 ) mit Recht behauptet, die Aufstellung eines Contingents an Truppen eine Leistung, die zu dem jedesmaligen Zweck und dem Wohlstande einer jeden Stadt viel eher in einem Verhältniß steht, als zu der Zahl der Einwohner. Ein Gefühl von der Unwahrscheinlichkeit seiner Behauptung hat Boll selbst gehabt, wenn er S. 310 sagt: "Einige dieser Städte scheinen mir aber etwas zu hoch angesetzt zu sein", und wenn er in einer Musterrolle von 1506 eine ganz andere Ansetzung der Städte findet. Diese würde nach seiner eigenen


1) Ernst Boll, Geschichte Meklenburgs. Neubrandenburg 1855. I, 309 - 10. Vergl. Meklenburgisches Urkundenbuch 13, 7911.
2) Jastrow, die Volkszahl deutscher Städte. Berlin 1886. S. 96.
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Ansicht, auch wenn ihm für 1506 nicht jeder feste Ausgangspunkt fehlte, doch "so merkwürdige und unerklärliche Resultate" ergeben, "daß wir zu der Annahme gezwungen sind, es habe dem Entwurfe dieser Musterrolle ein anderes Princip, als die Enquotirung nach der Einwohnerzahl zu Grunde gelegen". Es werden also, wie es mir scheint, die obigen Resultate von den Boll'schen Ausführungen nicht widerlegt.

Im Folgenden soll nun versucht werden, ein Verhältniß der Geschlechter zu einander, der Dienstboten zu der übrigen Bevölkerung über 15 Jahre, soweit die erhaltenen Register ein sicheres Resultat gestatten, auszurechnen.

Ein Verhältniß der Söhne und Töchter zu den Männern und Frauen kann nicht genau festgestellt werden, weil unter den Knechten und Mägden, besonders in der ländlichen Bevölkerung, sicher noch sehr viele Söhne und Töchter des eignen Ortes zu suchen sind. Daraus erklärt sich auch der geringe Procentsatz der als Söhne und Töchter ausdrücklich Bezeichneten. Dagegen kann man den Procentsatz der Knechte und Mägde bestimmen, wenn man unter "Knechte und Mägde" alle die Personen beiderlei Geschlechts versteht, die in fremdem Haushalt gegen Lohn arbeiten. Freilich kommt ja auch für Söhne und Töchter, wenn sie im Hauhalt der Eltern arbeiten, die Bezeichnung Knecht, Magd oder Dirne vor, z. B. sehr häufig in den Beichtkinderverzeichnissen von 1703 und 1751, aber wie in diesen durchweg eine erklärende Bemerkung "ist der Sohn, die Tochter" oder "als Sohn, als Tochter" das Kind des Hauses sofort kenntlich macht, so werden bei der Kaiserbede, wo eine solche doppelte Bezeichnung nicht vorkommt, die eignen Kinder mit filius und filia von servus, ancilla, famula geschieden sein. Dies wird dadurch bekräftigt, daß in einzelnen Fällen, wo ein servus u. Ä. nicht vorhanden ist, ein filius oder filia aufgeführt wird, diese also auch dann nicht mit servus u. Ä. bezeichnet werden, wenn sie höchst wahrscheinlich die Funktionen derselben verrichten müssen.

Für die Aufstellung der folgenden Tabellen sind alle diejenigen Oerter herangezogen, die eine genaue Scheidung ihrer Bewohner nach den 6 Rubriken: "Männer, Frauen, Söhne, Töchter, Knechte, Mägde" gestatteten. Weggelassen sind Oerter, bei denen in Bezug hierauf ein Zweifel enstehen konnte, weil sie mehr das Gesammtergebniß in seiner Richtigkeit stören, als sie dasselbe dadurch fördern würden, daß sie die Zahl der überhaupt zur Berechnung heranzogenen Oerter vermehren. Die Restanten durften gleichfalls nicht in die Berechnung hineingezogen werden. Sie würden ein unberechtigtes Uebergewicht auf Seiten der Männer ergeben.

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Benutzt sind

1) die Stadt Boizenburg und 11 Dörfer der Vogtei mit zusammen 859 Einwohnern über 15 Jahre;

2) die Stadt Gadebusch und 25 Dörfer der Vogtei mit zusammen 1131 Einwohnern über 15 Jahre;

3) die Städte Goldberg und Krakow und 15 Dörfer der Vogtei mit zusammen 1086 Einwohnern über 15 Jahre. Krakow ist freilich nur mit Nutzen heranzuziehen, wo es sich darum handelt, das Verhältniß des Dienstpersonals zu der übrigen Bevölkerung über 15 Jahre zu bestimmen. Denn das Register der Kaiserbede faßt bei Krakow die Zahl der ersten 4 Rubriken zusammen, fügt dann aber unter der Bezeichnung "Loses Volk" mehrere Namen von Personen beiderlei Geschlechts an, die augenscheinlich das Dienstpersonal (Knechte, Mägde, unverheirathete gewerbliche Arbeiter etc. .) bilden.

In allen drei Fällen ist mehr als die Hälfte der Einwohner des betr. Bezirkes zur Berechnung herangezogen. Man wird also die so gewonnenen Resultate, sobald sie allen dreien gemeinsam sind, mit Recht auch auf die Reste der Vogteien und dann auch auf die übrigen Vogteien übertragen können; einer derartigen Verallgemeinerung steht ein ausreichender Grund nicht im Wege.

1. Boizenburg.

Boizenburg
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2. Gadebusch.

Gadebusch
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3. Goberg=Krakow.

Goberg=Krakow

Tabelle A.

Tabelle A
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Tabelle B.

Tabelle B

Vergleicht man die Ergebnisse in Tabelle A mit einander, so zeigt sich in der Stadtbevölkerung ein geringer Ueberschuß an weiblichen Personen über die männlichen; nur in Stadt Gadebusch ist dieser Ueberschuß bedeutender. In der Landbevölkerung überwiegt das männliche Geschlecht um ein geringes. Bücher 1 ) findet, daß 1449 in Nürnberg auf 1000 Bürger und Knechte 1207 Frauen und Mägde kommen; Paasche 2 ) gelangt 1594/95 in Rostock zu ähnlichen Resultaten. Nach seiner Berechnung ist das dortige Verhältniß von allen männlichen zu allen weiblichen Personen 1000 zu 1198, von den Erwachsenen beider Geschlechter zu einander gar 1000 zu 1295. Damit würde Gadebusch übereinstimmen. Da aber in zwei Städten, Goldberg und Boizenburg, der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern weniger hervortritt, wird man in ihnen mit mehr Recht den Zustand suchen, der 1496 in den meklenburgischen Landstädten im allgemeinen gewesen ist.

Das Verhältniß der Dienstboten zu der übrigen Bevölkerung ist in den einzelnen Städten und Dörfern verschieden; ein zusammenfassendes Resultat läßt sich aus Tabelle B nicht gewinnen. Die Zahlen werden danach schwanken, ob man in den einzelnen Städten


1) Bücher, S. 42.
2) Paasche, S. 349.
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und Dörfern gewohnt war, die Kinder möglichst im eigenen Haushalt zu verwenden, oder ob man sie fremden Dienst aufsuchen ließ.

Die Gesammtbevölkerung Meklenburg=Schwerins im Jahre 1496 genau festzustellen, ist deshalb schon nicht möglich, weil der bei weitem größere Theil der Bederegister nicht auf uns gekommen ist. Dagegen kann man aus den erhaltenen Verzeichnissen mit Zuhülfenahme der Volkszählung von 1819 eine allgemeine Vorstellung von ihrer Stärke gewinnen. Natürlich kann es sich nicht darum handeln, die Grenzen, innerhalb derer sich das richtige Resultat befindet, nahe an einander zu rücken. Der folgende Versuch macht nur den Anspruch, sich auf Zehntausende der Wahrheit zu nähern; er bezweckt hauptsächlich, durch sein Ergebniß einer Ueberschätzung der Volkszahl, wie sie für das Mittelalter so häufig ist, entgegenzutreten.

Der Einwohnerzahl der meisten aus den Bederegistern bekannten Oerter läßt sich eine entsprechende Größe aus der Volkszählung von 1819 gegenüberstellen. Diese Größe ist zu suchen in den Bewohnern und Bebauern der alten Feldmarken. Durchweg werden es die Einwohner der gleichnamigen Oerter sein. Zuweilen hat sich jedoch die alte Ortschaft in zwei neue geteilt, die häufig schon durch die Anfügung "Alt" und "Neu" oder "Groß" und "Klein" an den ursprünglichen Ortsnamen auf denselben Ursprung zurückweisen; vereinzelt hat auch eine Ortschaft eine andere in sich aufgesogen und deren Feldmark mit der ihrigen vereinigt, sodaß nun beide durch die eine neue dargestellt werden, oder es sind auf alten Feldmarken ganz neue Oerter entstanden.

Eine Vergleichung beider Größen mit einander ergiebt dann, um wie viel sich auf dem gleichen Gebiet die Bevölkerung von 1496 bis 1819 gehoben hat. Nimmt man nun an, daß der Zuwachs überall im Lande gleich stark gewesen ist, - was für das ganze Landgebiet nach den Ausführungen auf S. 242 wahrscheinlich wird, - so folgt aus Obigem auch, um wieviel die Gesamtbevölkerung Meklenburg=Schwerins im Jahre 1819 die im Jahre 1496 übertrifft.

Die Richtigkeit des Ergebnisses wird hauptsächlich durch folgende Punkte beeinträchtigt:

1) Die Gesammtbevölkerung Meklenburg=Schwerins nach den Zählungslisten von 1819, nämlich 395,383, ist zu hoch, weil die Martinilisten aus dem folgenden Jahr (1820) noch um 2057 Personen dahinter zurückbleiben. 1 )

2) Als neues Bevölkerungselement sind 1819 die Juden hinzugekommen; sie haben in diesem Jahre die Zahl 2786 2 ) erreicht.


1) Vergl. Archiv für Landeskunde. 1852. II, 269.
2) Staatskalender 1820, zu S. 165.
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3) Der Adel und die Geistlichkeit ist in der Volkszählung von 1819 ganz mitgezählt, während 1496 beide Stände zum größten Theil ausfallen.

4) Wismar und Rostock erfahren nach dem 15. Jahrhundert einen Niedergang der Bevölkerung, der mit durch den Verfall der Hanse hervorgerufen wird; sie gewinnen bis 1819 den Vorsprung nicht wieder, den sie während der Blüthezeit der Hanse vor den übrigen Oertern Meklenburgs hatten.

Die 3 ersten Punkte lassen das Endergebniß nach oben von der Wahrheit abweichen, der 4. nach unten. Wägt man beides gegen einander ab, so wird man zu der Ueberzeugung kommen, daß das Resultat einer Minimalgrenze entspricht; denn der Ausfall durch das Zurückbleiben der Hansestädte wird 1819 bei weitem nicht durch das Hinzukommen der Juden und das vollständige Zählen des Adels und der Geistlichkeit etc. . gedeckt.

Vorweg abzuziehen sind bei dieser Berechnung:

Tabelle

Den übrig bleibenden 29557 Personen stehen im Jahre 1819 103430 gegenüber; die Bewohnerzahl der zur Berechnung herangezogenen Feldmarken ist also 1819 3,4993 mal so groß als 1496. Nimmt man dasselbe Verhältniß für ganz Meklenburg=Schwerin an, so ist die Gesammtbevölkerung 1819 gleichfalls 3, 4993 mal so groß als 1496, oder letztere beträgt 112989. Die Wahrheit wird zwischen 112989 und 130000 liegen.

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Anhang.

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Die Bevölkerung Parchims 1496. 1 )

Ueber Parchims Einwohnerzahl geben uns zwei Register Nachricht. Das Generalverzeichniß der Bezirke Meklenburg und Wenden hat Parchim in folgendem Zusammenhang aufgenommen:

"Innome gemeinen penninck vt dem lande to Wenden primo vt der stadt perchim.

103 margk die von parchim."

Dann folgt:

"Van Er Johan Masß 132 1/2 mar. entphangen sunder register, facit 88 guld. 8 ßl."

Es könnte scheinen, als ob hier 2 Theilzahlungen der Parchimer vorlägen, von denen die eine mit Register, die andere - das später Gesammelte umfassend - ohne ein solches geleistet wären. Dagegen sprechen aber mehrere Gründe.

Einmal steht dem die bestimmte Fassung entgegen, daß "die von parchim" 103 Mk. gezahlt haben. Denn wäre die Einziehung der Bede mit dieser Summe noch nicht abgeschlossen gewesen, so, glaube ich, hätte man eine darauf bezügliche Bemerkung gemacht. Ferner sind nur die 132 1/2 Mk. in eine Guldensumme umgerechnet; gehörten beide Summen zusammen, so hätte man dies vermuthlich durch gemeinsame Umrechnung ausgedrückt. Weiter wäre auch wohl kaum die Ablieferung von Parchimer Geldern durch einen Pfarrer erfolgt, wie man hier annehmen müßte, wenn die 132 1/2 Mk. aus der Stadt geflossen wären.

Doch ganz abgesehen von dem Umstand, daß man diese letzte Summe für die Vogtei Parchim nothwendig einsetzen muß, will man nicht an dieser Stelle eine unausfüllbare Lücke im Hauptregister bestehen lassen, so stützt auch noch ein erst neuerdings im Archiv aufgefundenes Spezialregister der Stadt Parchim die Annahme, in den 103 Mk. die Gesammtsumme des Ortes vor uns zu haben. In diesem Sonderregister ist die Altstadt bis ins einzelne ausgeführt; sie besitzt danach eine Bevölkerung von 968 über 15 Jahr alten Personen. Erinnert man sich nun, daß die Altstadt den größeren


1) Nach den folgenden Ausführungen sind die seiner Zeit bei einem Vortrage im Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde über Parchim gemachten Angaben zu berichtigen. Verschiedene Gründe führten anfänglich dazu, zu vermuthen, daß die Neustadt im Specialverzeichniß mit berücksichtigt sei; diese erwiesen sich jedoch schließlich nicht als stichhaltig.
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Stadttheil ausmacht, daß die jenseits der Elde liegende Neustadt niemals die gleiche Einwohnerzahl erreichte, so geht daraus hervor, daß Parchim weniger Erwachsene als das Doppelte von 968 gehabt haben muß, daß also eine den 103 Mk. entsprechende Zahl von 1648 Personen über 15 Jahre den Anforderungen beider Register gerecht wird.

Hat somit aller Wahrscheinlichkeit nach das Hauptregister sämmtliche Erwachsenen Parchims, soweit sie verzeichnet wurden, aufgeführt, so entsteht nun die weitere Frage, ob voraussichtlich Weglassungen in größerem Maßstabe beim Eintragen stattgefunden haben. Man wird bei einer ruhigen Prüfung des Specialregisters mit "Nein" antworten müssen. Dasselbe macht den Eindruck einer planvoll angelegten und sorgfältig ausgeführten Arbeit. Zunächst ist die Altstadt in den Wokerthor= und den Kreuzthorbezirk eingetheilt, danach hat man innerhalb dieser Abtheilungen genau den Straßen folgend die Bede aufgezeichnet. An Straßen sind genannt: die Marktstraße, Heidenstraße, Lindenstraße, zweimal auf dem Sachsenhagen, St. Bartholomäusstraße, Knochenhauerstraße, Baderstraße, Kreuzthorstraße, Krämerstraße, dazu die außerhalb der Stadt Wohnenden und die Heiligen Geist=Leute, die Bewohner des Pfaffenhauses, des Elendenhauses und schließlich die in der Freiheit zu Unserer lieben Frauen. Daß Straßen fortgelassen wären, macht ein Vergleich mit den alten Stadtplänen unwahrscheinlich. auf dem genau begrenzten Gebiet der Altstadt konnten, da die Gehöfte damals eine weitere Ausdehnung als jetzt hatten, nicht mehr Straßen Raum finden. Dagegen ist nicht zu erweisen, daß alle Bewohner der Straßen aufgeschrieben wurden. Bestimmt sind in Wegfall gekommen der Adel und die Geistlichkeit, vielleicht auch wenige ganz mittellose Personen, letztere aber nur in sehr geringer Zahl, da es sich die Einnehmer angelegen sein ließen, selbst jedes wüste Haus und alle unbewohnten Buden, Keller und Stätten, im ganzen 41 solcher Wüstungen, im einzelnen aufzuzählen. Rechnet man für die Ausgefallenen noch 500 - 600 Personen zu den auf S. 250 festgestellten 2423 Einwohnern hinzu, so erhält man 1496 für Parchim gegen 3000 Menschen, erreicht damit aber auch die Maximalzahl, die nach der Bede irgend zulässig ist.

Diesen Ausführungen steht nun die gewöhnliche Ansicht von Parchims Größe und Herrlichkeit im Mittelalter und von dem Niedergange seiner Bevölkerung, etwa vom Ende des 16. Jahrhunderts an, entgegen. Sie stützt sich vor allen Dingen auf den Parchimer Chronisten Cordesius. 1 ) Dieser sagt:


1) Cordesius Chronicon Parchimense. Rostock 1670. (Quartausgabe.)
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1) S. 18: In der St. Georgskirche waren im Papstthum gegen 35 Altäre;

2) S. 43: Nach den alten Schoßbüchern sind vor dem Brande weit über 2000 Bürger in Parchim gewesen;

3) S. 44: Herzog Heinrich soll 1535 an Luther geschrieben haben, ihm einen Seelsorger für die 7000 Seelen starke St. Georgs=Gemeinde zu schicken;

4) S. 53: 1600 Personen sind 1626 an der Pest gestorben. Außerdem hat man auf Parchims Größe noch schließen zu müssen geglaubt aus drei von Beyer 1 ) zusammengestellten Punkten:

5) Im Falle eines Landfriedensbruches sollten nach einem Abkommen der Herzöge von Meklenburg und dem Fürsten von Werle von 1351 Parchim 40, Rostock 60, Wismar 40, Neubrandenburg, Malchin, Güstrow, Friedland und Waren dagegen nur 30 - 20 Mann stellen; 2 )

6) Zur Zerstörung der märkischen Raubburgen zogen 1399 1000 Bewaffnete und 400 Schützen von Seiten der Parchimer aus; 3 )

7) Musterungsrollen aus dem Anfang und der Mitte des 16. Jahrhunderts geben Parchim mit 400, Rostock mit 500, Wismar und Neubrandenburg mit 300, Güstrow, Friedland, Malchin und Waren mit nur 100 - 150 Mann an. 4 )

Gehen wir die Einwürfe der Reihe nach durch. Zu 1: Von der Größe der Kirchen ohne weiteres auf eine große Einwohnerzahl schließen zu müssen, ist durchaus nicht erforderlich. Kirchen werden gebaut und ausgestattet, je nachdem die ganze Zeitrichtung und der religiöse Sinn der Einwohner darauf hindrängt, nicht sowohl immer dann, wenn eine große Volksmenge vorhanden ist. Das belegen zahlreiche Beispiele der Gegenwart. Für Parchim kam außerdem noch hinzu, daß dort eine Linie des Fürstenhauses zeitweise ihre Residenz hatte und daß die Bürger sich eines großen Wohlstandes durch Handel und Gewerbe erfreuten. Ist es da zu verwundern, wenn sie ihre Kirchen besser ausstatteten, als man bei ihrer verhältnißmäßig geringen Zahl erwarten konnte? Zu 2 und 3: Die hier


1) Beyer, Betrachtungen über Parchim. Parchim und Ludwigslust 1893. S. 3 - 5. Vergl. Boll, Geschichte Meklenburgs. Neubrandenburg 1855. I, S. 309 - 311.
2) Meklenburgisches Urkundenbuch 13, Nr. 7524.
3) "By dersulven tit treckeden ut de van parcham vor lense jeghen ere viande, mit verhundert scutten unbe dusent werastich, unde vorbranden ere molen to grunde unde deden en groten scaden, hirumme dat se de koe hadden ghenomen von erer stad to parcham." Grautoff, Detmar=Chronik. Hamburg 1829. S. 379 - 380, führt Obiges zum Jahre 1397 an.
4) Contingentsacten im Großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archiv.
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genannten Zahlen scheinen, wie es im Mittelalter so häufig geschieht, weit zu hoch gegriffen zu sein. Leider konnten die unter 2. erwähnten Schoßbücher nicht eingesehen werden; sollte aber die hohe Zahl von 2000 Bürgern nicht vielleicht so zu erklären sein, daß Cordesius die darin vor dem Brande überhaupt vorkommenden Bürger zählte, ohne sich auf ein bestimmtes Jahr zu beschränken?

Der Herzog wird aber deshalb 7000 Seelen Luther gegenüber angegeben haben, weil er nur so Aussicht hatte, seinen Zweck zu erreichen. Ein ähnliches Mittel wandten Rath und Bürgerschaft von Frankfurt a. M. an, als sie 1450 zu der einen bisher bestehenden Pfarrkirche auch noch die St. Peterskirche in der Neustadt und die Dreikönigskirche zu Sachsenhausen zu Pfarrkirchen erhoben wissen wollten. Auch sie gaben eine bei weitem zu große Zahl an, als sie dem Papste Nicolaus mittheilten, zu der bisherigen einen Pfarrkirche gehörten mehr als 12 000 Communikanten; denn 10 Jahre vorher betrug die gesammte Einwohnerzahl Frankfurts kaum 9000. 1 )

Ebenso hinfällig sind die Einwürfe zu 5, 6 und 7. Der erste und letzte sind schon S. 41 - 42 behandelt und gilt das dort Angeführte auch für Parchim. Zu 6 ist zu bemerken, daß die Städte nicht mit Bürgern, sondern mit Söldnern ihre Kriege führten, und daß man aus deren Menge keinen Rückschluß auf die Zahl der Bevölkerung des Ortes machen kann, der sie geworben hat.

Richtiger scheinen die Angaben unter 4 zu sein. Nimmt man an, daß Parchim 1496 rund 3000 Einwohner gehabt hat, so ist es sehr wohl möglich, daß sich ihre Zahl im 16. Jahrhundert, der Blüthezeit der Stadt, auf 5000 und mehr hob. Dann beginnt aber der Niedergang. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts suchte die erste große Feuersbrunst die Stadt heim, die sich, wenn auch nicht immer in gleicher Stärke, noch mehrfach wiederholte, eine Pest wütete unter den Eiwohnern und der 30jährige Krieg ließ auch Parchim nicht unverschont mit seinem Schrecken. Daß in solchen Zeiten die Bevölkerung reißend abnahm, ist klar.

Für das Jahr 1666 ist eine allgemeine Kopfsteuer für Meklenburg ausgeschrieben, die von allen über 14 Jahre alten Personen erhoben werden sollte. Nach dem Contributions=Edict vom 31. October 1666 sind nur wenige Klassen ausgenommen, die für Parchim kaum in Betracht kommen. Höchstens könnte man als Befreite die studirende Jugend, wenn sie das 18. Jahr erreicht hat, und die Adligen, die sich wegen kundbarer Armuth von ihrer Hände Arbeit ernähren müssen, erwähnen. Von den Handwerkern sollen im äußersten


1) Bücher, S. 196 - 198.
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Fall die ausgenommen sein, die sich absolut als unvermögend zeigen. Eine Zählung der angeführten Personen hat eine Bevölkerung Parchims von 855 Personen über 14 Jahre ergeben. Nimmt man nun an, daß das Verhältniß der Kinder von 14 Jahren und darunter zu den Erwachsenen dasselbe gewesen ist wie 1819, was jedoch vermuthlich zu hoch gegriffen wäre, 0,41:1, so kommt man für 1666 zu einer Gesammtzahl von 1206 Einwohnern. Die Bevölkerung der Stadt war also nachweislich durch die Schicksatsschläge des 17. Jahrhunderts bedeutend hinter die Zahl von 1496 zurückgegangen, sie betrug nicht einmal die Hälfte der früheren Summe. Nach dieler Zeit erholte sich Parchim allmählich wieder von seinen Verlusten. Doch selbst 1819 hat die Stadt mit ihren 4531 Einwohnern noch lange nicht die 12 - 15000 1 ) erreicht, die man ihr so gerne für das Mittelalter hat zuschreiben wollen.

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Alphabethisches Ortsverzeichniß.

     A.
Ahrenshagen, 246.
Altenhagen (Kl.=A. Dobbertin), 250.
Alt=Pokrent s. Pokrent.
Alt=Rehse, s. Rehse.
Alt=Schwerin, s. Schwerin.
Alt=Zachun, s. Zachun.
Ankershagen, 251.
Ave, 251.
     B.
Badekow. 243.
Badow, 257.
Badresch, 253.
Bahlen, 243. 262.
Ballin, 237. 253.
Bandekow, 243. 262.
Bandenitz, 257.
Bantin, 258.
Banzin, 258.
Banzkow, 249.
Barz, 237. 246.
Basepohl 255.
Bassow, 253.
Baumgarten (r. A. Neustadt), 256.
Bellin, 236, Anm. 2. 237. 246. 264.
Below (D.=A. Lübz), 245.
Bengersborf, 243.
Bennin, 243. 267.
Benthen, 238. 245. 264.
Bentin, 257.
Bergensdorf, 254.
Besendorf, 257.
Beseritz, 237. 254.
Besitz, 243.
Bickhusen, 243. 262.
Bleese, 244. 263.
Blieschendorf, 244.
Blücher, 243.
Bobitz, 248.
Bobzin (D.=A. Wittenburg), 257.
Boddin, 257.
Boek (r. A. Neustadt), 251.
Boissow, 258.
Boizenburg, 241. 242. 243. 259.
262. 264. 265.
Böken, 248.
Borgfeld, 255.
Bossow, 250.
Botelsdorf, 244.
Brahlstorf, 259.

1) Festgabe für den patriotischen Verein, 1864, S. 43.
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Bredenfelde, 256.
Breesen (D.=A. Gadebusch), 245.
Breesen (r. A. Stavenhagen), 255.
Bresegard, 249.
Gr.=Bresen, 246. 264.
Bresewitz, 254.
Bretzin, 243.
Briggow, 255.
Brohm, 253.
Brunn, 254.
Brüsewitz, 248.
Gr.=Brütz 248.
Brütz 245. 264.
Buchholz (D. A. Gadebusch), 244. 263.
Bülow (r. A. Stavenhagen), 247.
     C.
  (s. K. und Z.)
Camin, 258.
Chemnitz, 255.
Clausdorf (r. A. Neustadt), 256.
Consrade, 250.
Cordshagen (D.=A. Gadebusch), 245.
Cosa, 237. 253.
Cramon (r. A. Schwerin), 248.
Cramonshagen, 248.
     D.
Dabel, 250.
Dahlen, 254.
Dahmen, 247.
Dalberg, 248.
Dalliendorf, 248.
Dambeck (r. A. Neustadt), 251.
Dambeck (D. A. Schwerin), 248.
Damerow (r. A. Lübz), 236.239. 252.
Dammereez, 259.
Dammerow, 252.
Daschow, 252.
Dehmen, 250.
Demzin, 246.
Dersenow, 243. 262.
Deven (r. A. Stavenhagen), 256.
Dewitz, 254.
Dinnies, 250.
Distelow, 245. 264.
Döbbersen, 257.
Dobbertin, 250.
Dobbin (Kl.=A. Dobbertin), 250.
Dodow, 258. 267.
Dragun, 244, 263.
Dratow, 256.
Dreilützow, 258.
Drieberg, 248.
Drönnewitz, 257.
Dümmer, 258.
Dümmerstück, 258.
Düssin, 259.
     E.
Eichhorst, 253.
Gr.=Eichsen, 247.
Mühlen=Eichsen, 248.
     F.
Fahrbinde, 249.
Faulenrost, 246.
Federow, 251.
Flotow, 251.
Frauenmark, 244.
     G.
Gädebehn (r. A. Stavenhagen), 255.
Gabebusch, 236. 238. 242. 243. 259.
263. 264. 265.
Galenbeck, 255.
Gallin (D.=A. Boizenburg). 243.
Gallin (D. A. Lübz), 252.
Gammelin, 258.
Ganzkow, 254.
Ganzlin, 252.
Ganzow, 243. 263.
Garden, 250.
Garlitz (r. A. Wittenburg), 259.
Gehrum, 243. 262.
Genzkow, 253.
Gerdshagen (Kl=A. Dobbertin), 250.
Gessin, 247.
Gevezin 255. 267.
Gielow, 246.
Gr.=Gievitz, 256.
Kl.=Gievitz, 256.
Glave, 246.
Glienke, 253.
Glocksin, 254.
Gnevsdorf, 252.
Gnoien, 237. 239. 245. 259.
Goddin (r. A. Schwerin), 247.
Godenswege, 254.
Godow, 256.
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Göhren (Stargard) 253.
Goldberg, 245. 260. 264. 265.
Goldenbow (r. A. Wittenburg), 258
Goldenstädt 249.
Golm, 253.
Gothmann, 243. 262.
Gottmannsförde, 248.
Grambow (r. A. Gadebusch), 244.
Grambow (r. A. Lübz), 245. 264.
Grambow (r. A. Schwerin), 248.
Grambzow, 256.
Gramelow, 236. 254.
Granzin (D.=A. Boizenburg), 243.
Gresse, 243.
Greven (D.=A. Boizenburg), 243.
Grevenhagen, 247.
Grieschow, 255.
Gr.=Bresen, s. Bresen.
Gr.=Brütz, s. Brütz.
Gr.=Eichsen, s. Eichsen.
Gr.=Gievitz s. Gievitz.
Gr.=Helle, s. Helle.
Gr.=Krams, s. Krams.
Gr.=Luckow, s. Luckow.
Gr.=Medewege, s. Medewege.
Gr.=Plasten, s. Plasten.
Gr.=Renzow, s. Renzow.
Gr.=Roge, s. Roge.
Gr.=Salitz, s. Salitz.
Gr=Stück, s. Stück.
Gr.=Tessin, s. Tessin.
Gr.=Trebbow, s. Trebbow.
Gr.= Vielen, s. Vielen.
Gr.=Welzin, s. Welzin.
Grubenhagen, 247.
Gülze, 243. 262.
Gülzow, 255.
Güstow (D.=A. Gadebusch), 244. 263.
     H.
Hagen, 245.
Tom Hale, 257.
Gr.=Helle, 251.
Kl.=Helle, 255.
Helpt, 253.
Herbrechtshagen, 237. 253.
Herren=Steinfeld, s. Steinfeld.
Hindenberg, 244.
Hinrichshagen, 237. 246.
Hinzenhagen, 246.
Hohen=Werder, s. Werder.
Hohen=Woos, s. Woos.
Holdorf (r. A. Gadebusch), 243.
Holt=Krams, s. Krams.
Holzendorf (Stargard), 254.
Hundorf (Gr. =), 244.
Hundorf (Kl.=), 244. 263.
Hundorf (St.=A. Schwerin), 248.
Hungerstorf (r. A Stavenhagen), 256.
     J.
Jarmstorf. 243. 263.
Jatzke, 253.
Jeese, 244.
Jellen, 250.
Jesar (Kirch=), 257.
Jesar (Probst =), 249.
Jesow, 259.
Jhlenfeld, 254.
Jürgenstorf, 255.
     K.
   (s. C.)
Käbelich, 253.
Kammin (Stargard), 254.
Karst, 257.
Kargow, 256.
Karow (r. A. Lübz), 236, 252.
Käselow (r. A. Gadebusch), 244. 263.
Kasendorf, 244.
Kastorf (r. A. Stavenhagen), 255.
Kirchstück, s. Stück.
Kittendorf, 255.
Kleeth, 255.
Kl.=Gievitz, s. Gievitz.
Kl.=Helle, s. Helle.
Kl.=Luckow, s. Luckow.
Kl.=Medewege, s. Medewege.
Kl.=Plasten, s. Plasten.
Kl.=Renzow, s. Renzow.
Kl.=Salitz, s. Salitz.
Kl.=Tessin, s. Tessin.
Kl.=Trebbow, s. Trebbow.
Kl.=Upahl, s. Upahl.
Kl.=Vielen, s. Vielen.
Kl. Welzin, s. Welzin.
Klockow (r. A. Ivenack), 255.
Klockow (r. A. Neustadt), 251.
Klocksin, 247.
Kloddram, 258.
Klokow (Stargard), 253.
Kloteke, 249.
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Kneese (D.=A. Gadebusch), 245.
Knorrendorf, 255.
Köchelstorf (r. A. Gadebusch), 244.
Kogel (r. A. Lübz), 245. 264.
Kogel (D. =A. Wittenburg), 258.
Kölpin (Stargard), 253.
Kölzin, 258.
Kossebadendorf, 256.
Kotelow, 253.
Köthel, 256.
Kothendorf, 257.
Kraase, 256.
Krakow. 238. 246. 260. 264. 265.
Gr.=Krams, 249.
Holt=Krams 249.
Krembz, 245. 263.
Krenzlin, 249.
Kressin, 252.
Kriesow, 255.
Krukow, 251.
Kublank, 253.
Kuchelmiß, 246.
Kuppentin, 252.
Küssow (Stargard), 254.
     L.
Langenheide, 259.
Langhagen (r. A. Stavenhagen), 251.
Langwitz, 246.
Lansen, 256.
Lapitz, 251.
Laupin, 249.
Lehmkuhlen, 257.
Lehsen, 257.
Lehsten, 256.
Lenzen, 250.
Leppin (Stargard), 254.
Levenstorf, 246.
Liepen (r. A. Stavenhagen), 251.
Lindow, 253.
Lipen (Stargard), 253.
Lohmen, 250.
Loiz (Stargard), 236. 238. Anm. 1. 253.
Loosen, 249.
Lübbendorf, 249.
Lübbersdorf (Stargard), 254.
Lübesse, 249.
Lübkow, 251.
Lübstorf. 248.
Lübtheen, 249. 260.
Luckwitz, 258.
Gr. =Luckow (Penzlin), 251.
Kl.=Luckow (Penzlin), 251.
Gr.=Luckow (bei Teterow), 247.
Kl=Luckow (bei Teterow), 247.
Lupendorf, 247.
Luplow, 251.
Lüttenmark, 243.
Lüttow, 258.
Lützow, 244.
     M.
Malchin, 246. 259. 260.
Mallin, 251.
Marin, 251.
Markow, 255.
Marsow, 258.
Gr.=Medewege, 249.
Kl.=Medewege, 249.
Meezen, 243. 263.
Melkof, 259.
Mestlin, 250.
Meteln, 247.
Mieckow, 256.
Mildenitz, 253.
Mirow, 249.
Moisall, 247.
Möllen, 246.
Mollenstorf. 251.
Möllin, 244. 263.
Mölln, 255.
Moltenow (r. A. Schwerin), 247.
Molzow, 246.
Mueß, 249.
Mühenbeck, 258.
Mühlen=Eichsen, s. Eichsen.
     N.
Naudin, 248.
Neddemin, 254.
Neezka, 238. 253.
Neuendorf (r. A. Gadebusch), 244.
Neuendorf (Stargard), 251. 267.
Neuenkirchen (Stargard), 254.
Neuenkirchen (r. A. Wittenburg), 258.
Neu=Pokrent, s. Pokrent.
Neu=Rähse, s. Rähse. Neu.=Zachun, s. Zachun.
Neverin, 254.
Niendorf (r. A. Boizenburg), 243.
Nienhagen (Kl.= A. Dobbertin), 250.
Nienmark, 248.
Nostorf, 243. 262.
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     O.
Oldenstorf, 250.
     P.
Pampow (D.=A. Schwerin), 249.
Pampow (r. A. Stavenhagen), 256.
Pamprin, 258.
Parchim, 250. 259. 260. 268 - 272.
Parum (r. A. Wittenburg), 257.
Pasenow, 254.
Passentin, 251.
Passow (D.= A. Gadebusch), 244. 263.
Passow (r. A. Lübz), 237. 239. 245.
Pätrow, 244. 263.
Peckatel (D. =A. Schwerin), 250.
Peckatel (r. A. Stavenhagen), 251.
Penzlin (Stadt), 241. 250. 259.
Penzlin (r. A. Lübz), 236. 252.
Perlin, 258.
Petersdorf (Stargard), 253.
Picher, 249.
Pieverstorf (r. A. Grevesmühlen), 244.
Pieverstorf (r. A. Neustadt), 251.
Pingelshagen, 249.
Pinnow, 255.
Gr.=Plasten, 256.
Kl.=Plasten, 256.
Plat, 253.
Plate, 250.
Plauerhagen, 252.
Podewall, 254.
Pogreß, 257.
Alt=Pokrent, 244.
Neu=Pokrent, 244. 263,
Poserin, 236. 252.
Pragsdorf, 237. 254.
Presek, 258.
Pribbenow, 255.
Wendisch=Priborn, 252.
Puchow, 251.
Püttelkow, 257.
     Q.
Quadenschönfeld, 236. 237. 254.
Quastenberg, 237. 254.
     R.
Radegast (r. A. Gadebusch), 245. 263.
Rabelübbe, 258.
Raguth, 257.
Neu=Rähse, 251. 267.
Rambeel, 244.
Rambow (r. A. Stavenhagen), 247.
Rastow, 249.
Rattei, 254.
Rehberg, 253.
Alt=Rehse, 251.
Reimershagen, 246. 264.
Rensdorf, 243. 262.
Gr.=Renzow, 244. 263.
Kl.=Renzow, 258.
Riepke, 254.
Rittermannshagen, 238. 246.
Ritzerow, 255.
Röckwitz, 255.
Roduchelstorf, 245.
Roga, 253.
Rogahn, 249.
Gr.=Roge, 256.
Roggendorf, 245. 263.
Roggenhagen, 254.
Rosenhagen (r. A. Schwerin), 248.
Rosenow (D.=A. Gadebusch), 244. 263.
Rosenow (D.=A. und r. A. Stavenhagen),
255. Rowa, 254.
Ruest, 250.
Rugensee, 248.
Rühlow, 253.
Rumshagen, 251.
Rüting, 247.
     S.
Sabel (Stargard), 254.
Sabelkow, 253.
Sagel, 247.
Gr.=Salitz, 245. 263.
Kl.=Salitz, 245. 263.
Salow, 253.
Sammit, 250.
Schadeland, 258.
Schadendorf, 248.
Schaliß, 258.
Scharpzow, 255.
Schlön, 256.
Schmorter Mühle, 251.
Schönau, 256.
Schönbeck, 253.
Schönfeld (r. A. Schwerin), 247.
Schönhausen, 237. 253.
Schorßow, 237. 246.
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Schossin, 257.
Schwanbeck, 254.
Schwandt, 255.
Schwartow, 243.
Schwastorf, 256.
Alt=Schwerin, 252.
Schwichtenberg, 254.
Schwinkendorf, 246.
Seefeld (r. A. Grevesmühlen und
Schwerin), 247. Seelstorf, 245. 264.
Serrahn, 246.
Silz, 236. 252.
Sommerstorf, 256.
Speck 251.
Sponholz, 254.
Stargard, 254. 260.
Staven, 253.
Stavenhagen, 255. 260.
Steder, 243. 262.
Steinbeck (D.=A. Gadebusch), 244. 263.
Steinbeck (r. A. Goldberg), 246. 264.
Herren=Steinfeld, 248.
Steinfort, 248.
Stöllnitz, 257.
Stralendorf (D.=A. Schwerin), 250.
Stresddorf, 244.
Gr.=Stück, 249.
Kirch=Stück, 248.
Suckwitz 245. 264.
Sülte, 249.
Sülten (D.=A. Stavenhagen), 255.
     T.
Tarnow (r. A. Stavenhagen), 255.
Techentin (D.=A. Lübz), 245.
Techentinerhagen, s. Hagen.
Teschendorf (Stargard), 253.
Tessenow (r. A. Güstrow), 247.
Tessin (D.=A. Boizenburg), 243.
Tessin (r. A. Wittenburg), 257.
Gr.Tessin, 246.
Kl.=Tessin, 246. 264.
Testorf, 258.
Teterow, 235, Anm. 1. 237. 238. 239. 256.
260. Tews=Woos, s. Woos.
Tom Hale, s. Hale.
Torgelow, 256.
Gr.=Tebbow, 248.
Kl.=Trebbow, 248.
Tressow (r. A. Neustadt), 246.
Trollenhagen, 254.
     U.
Uelitz, 249.
Unbenanntes Dorf, 256. 267.
Kl.=.Upahl, 250.
     V.
Valluhn, 258.
Varchentin, 256.
Varchow, 256.
Veelböken. 244. 263.
Vellahn, 258.
Vielank, 249.
Gr.=Vielen, 251.
Kl=Vielen, 237. 251.
Vielist, 256.
Vietlübbe (r. A. Gadebusch), 244. 263.
Vietlübbe (D.=A. Lübz). 252.
Voigtsdorf, 253.
     W.
Wackerow, 255.
Wakenstädt, 243. 263.
Walkenzin, 251. 267.
Walzmühlen, 250.
Wangelin, 236. 252.
Warbende, 236. 254.
Wargentin, 246.
Warlin, 254.
Warsow (D.=A. Hagenow), 257.
Waschow, 257.
Webelsfelde, 248.
Wedendorf, 244.
Weitendorf (r. A. Grevesmühlen), 245.
Weitendorf (r. A. Ivenack), 255.
Weitin, 251. 267.
Weltzin (r. A. Lübz), 245. 264.
Gr.=Welzin, 258.
Kl.=Welzin, 258.
Wendelstorf (r. A. Grevesmühlen), 247.
Wendisch=Priborn, s. Priborn.
Wendisch=Waren, 245. 264.
Wendorf (r. A. Grevesmühlen), 247.
Wendorf (r. A. Plau), 252.
Hohen=Werder, 237. 251.
Werder, 252.
Wickendorf, 248.
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Willershagen, 254.
Wilsen (r. A. Goldberg), 246.
Wittenborn, 253.
Wittenburg, 235, Anm. 1. 241. 257. 260.
Wittenförden, 248.
Woez, 257.
Woggersin, 255.
Wokuhl, 251.
Wolde, 257.
Woldegk. 253. 260.
Wollaghe, 244. 263.
Wölzow, 257.
Hohen=Woos, 249.
Tews=Woos, 249.
Woosten. 245. 264.
Wrodow, 251.
Wüstenmark (D.=A. Grevesmühlen), 248.
Wüstmark (D.=A. Schwerin), 249.
     Z
Alt=Zachun, 257.
Neu=Zachun, 257.
Jahren (D.= A. Lübz), 252.
Zahren (r. A. Neustadt), 251.
Zahrensdorf (r. A. Boizenburg), 243.
Zarchlin, 252.
Zarrentin, 258. 260.
Zehmen, 245.
Zickhusen, 247.
Zidderich, 245.
Ziddorf, 247.
Ziggelmark, 257.
Zirzow, 255. 267.
Zolkendorf, 255.
Zülow (D.=A. Schwerin), 250.
Zweedorf (D.=A. Boizenburg), 243. 262.
Zwiedorf, 255.

 

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XIII.

Der Goldschmied zu Grabow.

Von

Professor Dr. Wilh. Stieda zu Rostock.

~~~~~~~~~~~~~~~

I m Frühjahr 1455 hatten die Lübecker einen übel beleumundeten Mann, Namens Eggert Brant, in dessen Händen unter Anderem falsche Gulden angetroffen worden waren, gefänglich eingezogen. Im Gewahrsam verhört, hatte dieser bekannt, daß ein Goldschmied "myd eneme steven Knaken", d. h. wohl einem steifen Bein, genannt Hans Martens, der Falschmünzer wäre. Vermuthlich hatte er dabei als Wohnsitz jenes dunklen Ehrenmannes Grabow in Meklenburg angegeben, denn sonst hätte der Rath in Lübeck kaum auf den Gedanken kommen können, sich an den Rath daselbst zu wenden mit dem Ersuchen, nach dem Angeschuldigten Umschau zu halten. In Grabow ließ man die Sache einstweilen auf sich beruhen und dachte nicht daran, die Anfrage zu beantworten. "Doch wart versumet", heißt es entschuldigend in einem diese Angelegenheit berührenden herzoglichen Schreiben nach Lübeck, "dat dar nicht wedder up geschreven is."

Durch einen Zufall oder möglicher Weise in bestimmter Veranlassung erschien am 25. Juli erwähnten Jahres Herzog Heinrich von Meklenburg in Grabow und erfuhr von der schweren Anschuldigung, die gegen einen seiner Unterthanen erhoben worden war. Sofort veranlaßte er eine Untersuchung der Angelegenheit und berichtete noch an demselben Tage das Ergebniß nach Lübeck, indem er gleichzeitig für den Unschuldigen um sicheres Geleit bat, der in der alten Hansestadt zu Recht stehen sollte. Fünf Tage später sandte auch der Rath zu Grabow ein seinen Mitbürger rechtfertigendes Schreiben, das das Mißverständniß aufklärte, dorthin. 1 )


1) Beide Schreiben sind abgedruckt in dem neuesten Bande des von Wehrmann herausgegebenen Urkundenbuchs der Stadt Lübeck. Bd. 4, Nr. 253, 255.
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Allerdings war in Grabow ein Goldschmied "myt eneme steven Knaken" ansässig. Aber dieser hieß Hans van Emeke, wohnte, aus Hildesheim gebürtig, seit 12 Jahren in Grabow und war in der Stadt wie in der Umgegend als redlicher Mann bekannt und geschätzt. Die Frauen verschiedener Adligen, z. B. die Gemahlin des Dietrich von Ouitzow, die des Hans von Quitzow und andere edle Frauen in der Priegnitz pflegten sich seit Jahren seines Rathes und seiner Kenntnisse bei jeweiligen Ankäufen von Juwelen, Geschmeide und Geräthe zu bedienen. Auch Bestellungen für die Kirche in Grabow und für mehrere Gotteshäuser in Dörfern und Städten, sowie Aufträge weltlichen Charakters, die ihm von Bürgern und Bürgerinnen geworden waren, hätte er stets zu vollkommener Zufriedenheit ausgeführt, "dar wij ny arch ane vornamen hebben, ok ny klaghe darumme vor uns kamen is", oder, wie der Herzog schreibt, daß in 14 Jahren "anders nee van em gehoret edder sehen is, dan als van eneme erliken unberuchteden manne." Seine materielle Lage sei eine durchaus behagliche, und man könnte doch nur von einem, der in großer Armuth sei, der Hunger, Durst und Frost litte, voraussetzen, daß er zu dem Verbrechen der Falschmünzerei schreiten werde.

So sprach denn Alles für die Unschuld des verfolgten Mannes und Lübeck wurde gebeten, dem Grabower seine Gnadensonne wieder leuchten zu lassen. Hoffen wir, daß der Rath überzeugt wurde, und ein Schreiben in dem Sinne, wie es der Magistrat zu Grabow wünschte, als Antwort ergehen ließ.

"Wes juwer wisheyd hirane tho synne is, beghere wy juwe fruntlike antworde, dar sik de arman na richten magh - ", so schloß die Mittheilung des Grabower Raths. Vielleicht kommt die erbetene Antwort des Lübecker Raths noch irgendwo einmal aus Grabower Acten zum Vorschein.

Ueber den Proceß, den Hans van Emeke gegen einen Rathsmann aus Grabow in Lübeck angestrengt hatte und dessentwegen der Herzog freies Geleit für ihn zu erwirken suchte, ist zur Zeit nichts Näheres bekannt.

 

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