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7) Brandgruben von Finkenthal.
(Katalog=Nummer E 614 - 620.)

Auf einem ebenen Felde gegenüber der Ziegelei vor Finkenthal bei Gnoien, links von der Chaussee nach Dargun, ist man bei der Entnahme von Ziegelerde auf Brandgruben gestoßen. Nachdem der unermüdliche Alterthumsforscher Herr Wildhagen, seit Herbst 1892 in Stubbendorf, die Aufmerksamkeit auf dieselben gelenkt

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hat, hat im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler Verfasser am 29. März 1893 die Fundverhältnisse untersucht; die gefundenen Gegenstände, welche von Belang waren, hat der Besitzer der Ziegelei, Herr Westphal, in dankenswerthester Weise der Großherzoglichen Alterthumssammlung übergeben.

Die Gruben sind etwa 3 1/2 Meter lang (in ostwestlicher Richtung), 1 Meter breit und 1 1/2 Meter tief; die Brandschicht beginnt unmittelbar unter der Humusschicht; sie liegen in einer Entfernung von etwa 2 Meter neben einander; bei meiner Anwesenheit waren sieben aufgedeckt. Sie sind sämmtlich gefüllt mit einer dicken schwarzen Masse, bestehend aus Asche, Kohlen und Resten von Thieren; dazwischen liegen zahlreiche Scherben und einige Geräthe; Steinsetzungen und gebrannte Knochen sind nicht beobachtet. Die Scherben tragen den unverkennbaren wendischen Charakter.

Sie sind sämmtlich auf der Drehscheibe gearbeitet, aus fein geschlemmter Masse und gut gebrannt. Die Gefäße waren, soweit erkennbar, schlank und groß, die Farbe hellgrau oder rothbraun. Der Hals war bei den meisten etwas nach innen gebogen und schließt in einem leicht ausbiegenden, scharf abgestrichenen Rande ab. Die Verzierungen waren: 1) regelmäßige Horizontalriefeln, welche den ganzen oberen Theil des Gefäßes bedecken; fast auf allen Scherben, einige Male auch auf der inneren Wandung, eine mir bisher unbekannte Verzierung. In Verbindung damit 2) Wellenlinien, stets einfach, meist flach, von rechts nach links gezogen. 3) Kleine Schrägkerben, zum Theil auf erhöhten Streifen, die bandartig das Gefäß umziehen. 4) Reihen von schrägen eingedrückten Punkten Punkte - Die Topfböden zeigen flach erhabene Verzierungen, darunter erkennbar ein Kreis mit kleinem Sterne darin, ähnlich oben Abbildung 15. Außerdem fand sich ein zierlicher Spindelstein; der Form nach ganz gleich dem oben Abbildung 35 abgebildeten von Dudinghausen; scharfe Kanten, leicht eingezogene Seiten, hellgraue Farbe.

An eisernen Gegenständen fanden sich:

1) ein nadelartiges Geräth, leicht gebogen, 30 cm lang. Dasselbe hat einen 6 cm langen, glatten, vierseitigen Kopf, der Körper ist gerieselt, Spitze fehlt;

2) ein Messer mit flachem Griff, leichter Erhebung des Rückens und der Spitze, ähnlich dem unten S. 219 abgebildeten. Die Länge beträgt 19 cm, von denen 4 1/2 auf den Griff kommen, die größte Breite (gleich beim Griffansatz) 1 3/4 cm;

3) ein gleiches Messer mit rundlicher Spitze und Holzresten am Griff. Länge 14 cm, davon der Griff 4 1/2 cm, Breite der Klinge gleichmäßig 1 cm;

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4) eine runde Nadel; 11 cm lang, oben 3/4, unten 1/4 cm stark;

5) ein Pfriemen aus einem zugespitzten Röhrenknochen, 6 1/2 cm lang.

Die zeitliche Bestimmung kann nicht zweifelhaft sein: die sorgsame Arbeit, die Ornamentirung, die Bodenzeichen weisen die Gefäße in die letzte heidnische Periode. Bei der Frage nach der Bedeutung der Gruben kann man ungewiß sein, ob es sich um Wohnstätten oder um Gräber handelt. Wenn für die letzte Annahme die Gesammtanlage, die Regelmäßigkeit und die geringe Entfernung der einzelnen Gruben sprechen kann, so fehlt doch das entscheidende Kennzeichen, Reste der Bestatteten, verbrannte Knochen, gänzlich, und wir werden uns für Grubenwohnungen zu entscheiden haben, in denen die Abfälle sich allmählich aufgehäuft haben, eine Annahme, welcher freilich die große Ausdehnung der Gruben und die völlige Gleichmäßigkeit, mit welcher sie ausgefüllt sind, wenig günstig ist.


Nachdem nun, wie wir gesehen haben, zum Theil an der Hand von Münzfunden, dem sichersten chronologischen Mittel, welches die Alterthumskunde hat, der Charakter der slavischen Keramik festgestellt und in dem Schläfenringe eine unzweifelhafte Charakterform gefunden war, konnte auch die Bestimmung der wendischen Gräber keine Schwierigkeit mehr machen. Ueberall auf altslavischem Boden ist man auf Skelettgräber von nahezu gleicher Ausstattung gestoßen, welche untrügliche slavische Beigaben hatten. Es sind Flachgräber im freien Boden ohne erkennbare äußere Zeichen, meist in Reihen geordnet; Grabhügel sind selten beobachtet (z. B. bei Carow, Kreis Regenwalde, s. Stubenrauch in den Pommerischen Monatsblättern 1891, S. 133). Allerdings scheinen dieselben in ihrer großen Mehrzahl aus der letzten Periode der Heidenzeit zu stammen; wo Münzen dabei gefunden sind (z. B. Klein=Tinz in Schlesien ein "Adelheidsdenar," Suschitza in Böhmen ein Denar von Wratislav II., 1061 - 1092, Cörlin in Pommern ein Denar von einem nicht genauer bestimmbaren Bogislav aus dem 12. Jahrhundert u. s. w.) weisen sie dahin, und die Urnenfunde stimmen damit überein. Soweit ich sehen kann, geht kein Grab über das Ende des ersten Jahrtausends zurück. Eine Erklärung für diese auffallende Thatsache ist wohl darin zu suchen, daß die alten Slaven auf Grabgebräuche überhaupt nicht viel Gewicht gelegt haben und daß in älterer Zeit die Todten verbrannt sind, ohne daß man eine sorgsamere Bergung der Reste für nöthig gehalten hätte. Einige Funde lassen sich so deuten (s. unten S. 230 die Besprechung des Fundes von Rosenthal). Die litterarische Tradition läßt uns im Stiche: kein Berichterstatter bezeugt ausdrücklich

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die Bestattungsart, und "die alte Tradition von dem Leichenbrande der Wenden" ist lediglich eine fable convenue. Wir sind durchaus auf den archäologischen Befund hingewiesen und wollen im Folgenden zunächst das Verhältniß von Leichenbrand und Beerdigung klar zu legen suchen.

Daß überall auf slavischem Boden der Leichenbrand neben der Bestattung sich findet, ist nach den zahlreichen Funden unzweifelhaft; doch sind diese Funde noch viel zu zerstreut, um eine völlige Entscheidung über die Frage, wie das zeitliche Verhältniß der beiden Bestattungsarten sich bei den verschiedenen Stämmen gestaltet hat, geben zu können. Es scheint, daß der Leichenbrand allmählich von der Beerdigung abgelöst ist; slavische Grabfelder mit ausschließlichem Leichenbrande sind mir von deutschem Boden nicht bekannt, es ist immer nur von einzelnen Grabstätten die Rede. Soweit ich sehe, ist nur für Böhmen das Material gesammelt (L. Niederle, Beiträge zur Anthropologie der böhmischen Länder, 1, Prag 1891; das Werk ist böhmisch geschrieben, und ich muß mich leider an das nur kurze Resumé in den Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1890, N. F., Bd. 10, S. [102] halten). Dort sind gegen zweihundert Skelettgräberfundorte, zum Theil durch Münzen bestimmt, nachweisbar und außerdem einige Urnenfelder mit Leichenbrand (fünf) mit gleicher Ausstattung, welche ebenfalls bis in den Anfang der christlichen Zeit reichen; auf drei Feldern sind beide Bestattungsarten neben einander beobachtet. Außerdem finden sich, von Niederle nicht aufgezählt, auch Grabhügel mit Leichenbrand (nicht Beerdigung) aus slavischer Zeit. S. über einige derselben Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft, 1886, N. F., Bd. 6,. S. 90. W. setzt dieselben in das 7. bis 8. Jahrhundert. Auch in Deutschland haben wir wendische Grabhügel mit Leichenbrand, z. B. den bekannten von Wachlin in Pommern, von Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1882, S. 398 besprochen. Die Form und Technik der Urnen (umgebogener Rand, Bodenverzierung, Drehscheibenarbeit) weist den Fund nach der Analogie datirbarer Münzfunde (s. Voß a. a. O.) in die Zeit nach 1000. Dem Wachliner ähnlich ist ein Fund aus Meklenburg=Strelitz (Hohen=Zieritz; im Hamburger Museum, s. Friedel a. a. O., S. 445); aus Meklenburg=Schwerin ist bisher nichts bekannt geworden, was sich hierhin rechnen ließe.

Daß der Leichenbrand auch auf deutschem Boden bis an das Ende der Heidenzeit reicht, ist außer durch den Fund von Wachlin auch durch einen analogen von Wirchenblatt bei Guben bewiesen (s. Jentsch in den Verhandlungen der Berliner Zeitschrift für

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Ethnologie, 1885, S. 149 f.; auch in "Die prähistorischen Alterthümer von Guben," 5, S. 22). Demnach hat erst der völlige Sieg des Christenthums der Verbrenung ein Ende gemacht.

Von den Grabfeldern, wo sich Leichenbrand und Bestattung neben einander finden, sei hier nur hingewiesen auf das Skelettgräberfeld vom Galgenberge bei Wollin, wohl die Grabstätte der alten "Vineta" (s. Walter in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1891, S. 708). Unter den hier auftretenden Gefäßen sind schlanke Töpfe, hart gebrannt, mit umgebogenem Rande und Kreuz am Boden, ähnlich dem vorerwähnten von Wirchenblatt, welche schon zu mittelalterlichen Formen hinüberleiten und in das 12. Jahrhundert zu setzen sein werden; also auch hier reicht die Verbrennung bis in die letzte Zeit.

Aus Meklenburg sind nur vier Skelettgräberfelder aus der wendischen Heidenzeit bekannt; von diesen ist das wichtigste, das von Bartelsdorf, für die Frage des Verhältnisses von Brand und Beerdigung nicht zu verwenden, wie unten ausgeführt werden soll; die drei andern zeigen sporadisch Brand neben überwiegender Bestattung (Zehlendorf, S. 220, Alt=Gutendorf, S. 225, Gamehl, S. 226), sodaß es auch für uns wahrscheinlich wird, daß man gelegentlich an der alten Sitte bis zuletzt festgehalten hat.

Ich zähle in Folgendem diejenigen Grabstätten in Meklenburg=Schwerin auf, welche wir als wendische annehmen dürfen.