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2) Ansiedelung von Dummerstorf.

In der ausgedehnten sumpfigen Wiesenfläche südlich von Dummerstorf (bei Rostock) zwischen Prisannewitz und Groß=Potrems ist man bei Gelegenheit der theilweisen Entwässerung des Gebietes im Jahre 1875 auf eine alte Kulturstätte gestoßen. Dieselbe liegt ca. 1 Kilometer von Prisannewitz östlich, links vom Zarnowbache und zeigt sich jetzt, nachdem die Wiesenfläche sich gesenkt hat, als eine flache Kuppe. Nach einem am 11. October 1876 in Gegenwart des Besitzers von Dummerstorf, Herrn A. von Preen, und des Herrn Major von Preen aufgenommenen Protokoll über eine unter Mitwirkung des Herrn Professor Merkel, damals in Rostock, jetzt in Göttingen, vorgenommene Ausgrabung und einer Untersuchung der Stelle, die der Schreiber dieser Zeilen am 19. Juli 1886 auf die freundliche Einladung des Herrn A. von Preen vorgenommen hat, ergab sich Folgendes:

Von dem Hügel aus führt eine Brücke, deren Pfostenköpfe aus dem Wiesengrunde herausragen, nordöstlich auf die Spitze des Potremser Tannengehölzes zu. Dieselbe muß, um festes Land zu erreichen, etwa einen Kilometer lang gewesen sein; in der Nähe des festen Landes geht sie in einen Damm über.

Der Hügel bildet eine Ellipse von etwa 90 Meter Durchmesser in ostwestlicher und 75 Meter in nordsüdlicher Richtung und erhebt sich an seinem Rande etwa 50 cm über die Wiesenfläche. Auf 9 bis 10 Schritt von seinem Rande findet sich eine nicht überall sichtbare Reihe von Doppelpfählen, die 60 cm auseinander standen. Etwa 30 bis 40 Schritt vom Rande nach innen findet sich an dem östlichen Ende wieder ein Absatz, der wohl 60 cm höher und ebenfalls rund ist. Er liegt nicht genau in der Mitte, sondern hat seine höchste Erhebung nahe dem südlichen Ende. Diese mittlere Erhöhung ist eine mit einer ein Meter starken Erdschicht bedeckte Tafel, deren Grund aus weißem Sande besteht, über welchem ein kalkhaltiger Thon gelagert ist. Zunächst ist diese Tafel mit einem ca. 1 1/4 Meter breiten Ringe faustgroßer Steine umgeben, zwischen denen man Grand und Gesträuch findet, offenbar Faschinenwerk

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mit Steinen beschwert, welches eine gleichmäßige Grundlage herstellen sollte. An den Steinring lehnte sich dann eine Lage von drei Meter langen eichenen Balken an, die, unten etwa 50 cm dick, sich nach oben zuspitzen. Es fanden sich mehrere solcher Balkenlagen über einander, so daß dadurch oben die horizontale Fläche hergestellt wurde; auf dieser lag in der ganzen Länge des Hügels die feste Schicht von Sand und Thon von verschiedener Dicke, wahrscheinlich eine Art Diele. Die Oberfläche bildete dann die Humusschicht.

In dieser fanden sich unverkennbare Reste, daß ein Theil des Baues als Stallung gedient hatte (zusammengeballtes Heu u. s. w.); ferner Küchenabfälle, bestehend in zahlreichen Thierknochen (nach einer vorläufigen Bestimmung des Herrn Professor Merkel wahrscheinlich einer Wildschwein =, Hirsch =, Rinder =, Schaf =, Ziegen= und Hundeart angehörend), einer Aehre der Hirse, Hasselnüssen, Kirsch= und Pflaumensteinen.

An Artefacten sind gefunden und werden in Dummerstorf aufbewahrt:

1) Ein wohlerhaltenes Thongefäß von Drehscheibenarbeit, mit Kehlstreifen verziert; der Rand scharf ausgebogen.
2) Eine Menge von Scherben mit gleicher Verzierung.
3) Eine rothe Thonperle von 1 1/2 cm Durchmesser.
4) Eine polyedrische weiße Glasperle.
5) Eine eiserne Kette und Haken.
6) Ein eisernes Messer.
7) Ein eiserner Nagel.

(Die in dem Protokoll ausgesprochene Meinung, die letzten Gegenstände seien "augenscheinlich ganz neu," hat ihren Grund wohl nur in der auch sonst in demselben hervortretenden Ueberzeugung, daß man einen Pfahlbau der Steinzeit vor sich habe, das Eisen also nur zufällig hineingekommen sein könnte.)

8) Eine Anzahl bearbeiteter Hölzer, die zum Theil von Hütten zu stammen scheinen, sich genauerer Deutung aber entziehen; viele mit Brandspuren.

Wir haben es auch hier unzweifelhaft mit einem wendischen Pfahlbau oder Packbau zu thun, welcher fast ganz mit dem im Hohen=Sprenzer See übereinstimmt, selbst in den Dimensionen. In beiden Fällen ist eine flache Stelle im Wasser nach außen durch eingerammte Pfähle, im Innern durch Faschinen= und Balkenwerk gefestigt und die Hütten darauf angebracht. Von den älteren Pfahlbauten unterscheiden sich diese Anlagen wesentlich dadurch, daß die

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Fundamente der Hütten nicht in dem Seeboden ruhen, sondern dieser erst durch Aufhöhung und Festigung für sie vorbereitet wird. In entsprechender Weise wurde, wie bekannt, der Grund für die Burgwälle hergestellt (s. Behla, die vorgeschichtlichen Rundwälle, S. 8). Auch die zeitliche Stellung der beiden, nur eine Meile von einander entfernten Anlagen ist nach den Funden dieselbe, nämlich die letzte wendische Zeit. Es liegt der Gedanke nahe, daß beide Anlagen zu einem gemeinsamen Befestigungssystem des Kessinerstammes gedient haben. Es ist nicht anzunehmen, daß so umständliche Bauten auf so geringem Terrain nur zu Wohnzwecken hergerichtet seien, besonders nicht bei Dummerstorf, wo ein komplizirter Damm= und Brückenbau hinzukommt. Für Schutzbauten spricht auch der Umstand, daß die Lage des Dummerstorfer Pfahlbaues dem Zuge einer späteren Landesgrenze zwischen Prisannewitz und Groß=Potrems entspricht (s. oben S. 13 die Ausführungen von A. Rudloff) und wir bei Dudinghausen eine Station der via regia oder ihrer Fortsetzung vermuthen dürfen.