zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 220 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

2) Skelettgräber von Zehlendorf.
(Katalog=Nummer E 528 - 547.)

Von Güstrow aus zieht sich eine weite Thalniederung nach Nordosten, die man gewöhnlich in ihrem ganzen Laufe als Recknitzthal bezeichnet, obwohl sie in ihrem südlichen Theile durch den Augraben nach der Nebel hin entwässert wird. Das Thal hat eine große Bedeutung für die alte Landesgeschichte, indem es die Grenze zwischen den wilzischen Stämmen der Kessiner und Circipaner bildete, wie sie Wigger in den Meklenburgischen Annalen, S. 118, festgestellt hat. Von vorgeschichtlichen Funden war aber aus der ganzen Gegend bisher außerordentlich wenig bekannt. Neuerdings ist nun wenigstens eine bedeutungsvolle Stelle bekannt geworden und ausgebeutet. Dieselbe liegt bei dem Dorfe Zehlendorf (bei Kritzkow), 1/2 Kilometer südlich vom Hofe. Dort steigt der sandige Acker von der Wiesenniederung aus ziemlich rasch an, und auf der Kuppe, die als Sandgrube benutzt wurde, stieß man auf Skelette, neben denen eiserne Messer und Nägel, Bronzeringe und Urnenscherben beobachtet wurden. Herr Kreuzer, Lehrer in Zehlendorf, berichtete darüber nach Schwerin und sandte die in seine Hände gelangten Funde ein; im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 221 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hat dann der Schreiber dieser Zeilen im April 1891 mit freundlichst gewährter Hülfe des Herrn Burmeister, Pächter des Kammerguts Zehlendorf, an der Stelle eine Ausgrabung veranstaltet, welche die Anwesenheit eines größeren wendischen Skelettgräberfeldes feststellte. 1 )

Ueber die Ausdehnung und Gesammt=Anlage ließ sich kein Bild mehr gewinnen, da schon sehr viel zerstört ist. Nach den Angaben der Leute, welche die Sandgrube benutzt hatten und dabei auf die Skelette gestoßen waren, haben dieselben unregelmäßig vertheilt gelegen; an einer Stelle waren sechs dicht neben einander angetroffen; über die Orientirung war nichts beobachtet. Mehrmals hatten Steine über denselben gelegen, auch Holzreste waren bemerkt; daß diese von Särgen stammten, wird durch einige Nägel, die bewahrt sind, wahrscheinlich. Beigaben hatten wenige gehabt, Urnenscherben waren zahlreich gefunden.

Die von Herrn Kreuzer eingelieferten Fundstücke sind:

Zwei kleine Schläfenringe von Bronze mit Silberbelag;
(Nr. 10 und 11 unseres Verzeichnisses, S. 184).

Zwei gerade eiserne Messer, an deren Griff Spuren der hölzernen Beschalung.

Zwei eiserne Nägel mit starken konischen Köpfen.

Die Urnenscherben sollen braunroth und sämmtlich unverziert gewesen sein.

Dazu kam, bei einem gelegentlichen Besuche der Stätte durch Herrn Pastor Beyer in Laage und Verfasser:

Ein Skelett 2 ), nordwestlich gelegen, der Kopf im Norden, etwa 0,75 cm tief, bedeckt mit einigen Steinen (nicht einem regelmäßigen Pflaster); in der rechten Hand hatte es ein eisernes Messer von 10 cm Länge.

Die Ausgrabung bestätigte die Angabe, daß die Leichen nicht reihenweise, sondern gruppenweise bestattet sind. Frei gelegt sind zwei Gruppen, über deren Lagerungsverhältnisse die umstehende Skizze orientiren mag (die Nummern sind die des Ausgrabungsprotocolles):

1) Gerade ausgestrecktes, sehr vergangenes Skelett auf einem Pflaster von kleinen Steinen, nur 20 cm unter der Oberfläche, nordost=südwestlich 3 ). In der Mitte des Körpers ein kleiner Bronzegegenstand, bestehend aus zwei Platten von 2 cm Länge und 1 cm Breite, verbunden durch zwei 3/4 cm lange Stifte; darin eingeklemmt etwas Leder (oder Holz?), vielleicht ein Gürtelbeschlag.


1) Vergl. Quartalberichte 1890 October, 1891 April.
2) Die somatischen Bestimmungen unserer Wendenskelette mögen berufener Hand vorbehalten bleiben.
3) Hier wie im folgenden steht die Lage des Kopfes voran.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 222 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Grabfeld von Zehlendorf
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 223 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

2) Auf der Seite gekrümmt liegendes Skelett; am Kopfende eine Aschenschicht, 30 cm tief, westnordwest=südostsüdlich. In der Gegend der rechten Hand ein eisernes Messer von 15 1/2 cm Länge, von denen 5 auf den Griff kommen; an diesem Reste der Holzschale (die Form dieselbe wie oben S, 219, Figur 37).

3) Gerade liegendes Skelett, die Beine über einander; 30 cm tief; dem vorigen parallel.

4.) Gerade liegendes Skelett, die Arme über der Brust gekrenzt; 60 cm tief; zwischen Nr. 2 und Nr. 3 in gleicher Richtung.

5) Sehr vergangenes Skelett; 60 cm tief, in einer Linie mit Nr. 4, aber in umgekehrter Richtung.

6) Ein Schädel; 60 cm tief, neben dem Kopfe von Nr. 5 liegend; es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß hier eine Störung des Bodens stattgefunden hat und die Gebeine dadurch abhanden gekommen sind.

7) Sehr vergangenes Skelett; in gleicher Richtung wie Nr. 2 bis 6, die Kopflage wie bei Nr. 5. Zu Füßen ein leeres Thongefäß, gut gebrannt, eine rothbraune Schicht innen, eine hellbraune außen. Die Grundform ist die gewöhnliche der wendischen Töpfe, der Durchmesser des Fußes 9 cm, des Bauches 18 cm, die Höhe etwa 12 cm, der Rand ist abgebrochen. Die obere Hälfte ist verziert mit Kehlstreifen und kleinen Schrägkerben.

8) Sehr vergangenes Skelett; nordsüdlich; in der Kopfgegend ein kleiner bronzener Schläfenring (Nr. 12 des Verzeichnisses S. 185); am Kopfende eine braune, ganz zerdrückte Urne. Dieselbe besteht aus ganz hellem, feinem Thone, die Oberfläche ist rothbraun gefärbt und ohne Verzierungen; die Form ist nicht erkennbar; ein Randstück zeigt, daß sie oben ganz glatt abschnitt. Die sonst bekannten wendischen Eigenthümlichkeiten treten nicht hervor; wir werden gleich noch zwei Beispiele bekommen, wo in wendischen Grabfeldern Urnen auftreten, die mit dem Burgwalltypus sich nicht ganz decken (s. unten bei Alt=Gutendorf und Gamehl).

9) Gerade ausgestrecktes Skelett; 60 cm tief; nord=südlich; in der Gegend der rechten Hand ein eisernes Messer von 13 cm Länge (der Griff 5 cm).

75 cm vom Fuße entfernt war eine mit Steinen ausgesetzte Grube, in welcher eine große Urne aus ganz derbem und daher zerbröckeltem Thone, gefüllt mit gebrannten Gebeinen, stand.

10) Sehr vergangenes Skelett, 60 cm tief, in gleicher Lage wie 9; die Arme scheinen gekreuzt gelegen zu haben, sodaß ein an der linken Seite gefundenes, sehr vergangenes Messer der rechten

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 224 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Hand angehört. Dasselbe steckte in einer ledernen Scheide mit Bronzebeschlag am Ende.

11) Völlig erhaltenes Skelett; 80 cm tief, südnördlich in einer Linie mit Nr. 9; über dem Kopfe lag eine flache Sandsteinplatte; die Arme waren über der Brust gekreuzt.

12) Gut erhaltenes, gerade ausgestrecktes Skelett; 1 Meter tief, südnördlich, nicht weit von Nr. 8; an der rechten Hand ein eisernes Messer, 9 cm lang, etwas gekrümmt. Dasselbe steckte in einer ledernen Scheide mit vierseitigem Bronzebeschlage.

Zwischen den Gräbern verstreut, zum Theil wohl in Folge früherer Zerstörung derselben, vielleicht auch als Scherben in die Gräber nachgeworfen, lagen einzelne Scherben, alle hellbraun oder braunroth, verziert mit flachen Kehlstreifen neben einander und einer mit einem Stäbchen gezogenen einfachen Wellenlinie, aus freier Hand geformt.

Bei der Bestattungsart fällt zunächst die große Unregelmäßigkeit der Lage auf. Es sind keine regelmäßigen Reihen vorhanden, und die Tiefe schwankt von 20 cm bis 1 Meter, wobei spätere Terrainveränderungen nur unwesentlich mitgewirkt haben können. Sehr auffallend ist die Art der Orientirung, indem selbst neben einander liegende Leichen nach verschiedenen Richtungen sehen. Soweit ich es verfolgen kann, ist sonst schon in den Wendenbegräbnissen die jetzt übliche Orientirung der Bestatteten fast immer inne gehalten (eine Ausnahme, aus Röbschütz im Orlagau, führt S. Müller, Schlesiens Vorzeit u. s. w., 1877, S. 192 an; eine andere aus Slaboszewow in Posen Schwartz in den Materialien zur prähistor. Kartographie von Posen, Nachtrag 2, 1880, S. 12). Auch die Art der Beisetzung ist verschieden; meist liegen die Leichen frei im Boden, einmal auf einem Steindamm, mehrmals mit einzelnen größeren Steinen beschwert. Auf Spuren von Särgen ist man früher gestoßen; einmal schien auch ein Brett über der Leiche gelegen zu haben. Es sind das Alles Grabgebräuche, die im ganzen slavischen Gebiete bekannt sind; für die Bedeckung der Köpfe und Füße vergl. z. B. die slavischen Grabfunde in Oberfranken bei L. Zapf in den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, 8, 1889, S. 115. Von besonderem Interesse ist das Vorkommen von verbrannten Gebeinen neben den Skeletten, ein Umstand, über den oben S. 217 im Zusammenhang gesprochen ist.

Die Beigaben betreffend, ist die Ausstattung der Bestatteten auf dem ganzen weiten slavischen Gebiete eine merkwürdig gleichartige. Allerdings fehlen bei uns bisher noch die sonst (z. B. in Westpreußen)

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 225 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

häufigen Glasperlen. Doch ist überall das eiserne Messer in dieser Form und der Schläfenring die häufigste Beigabe. Die Form des Messers kehrt in unsern andern Wendengräbern wieder; gleiche sind auch auf dem Burgwall von Werle gefunden, dort mit etwas längerem Griff.