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4) Skelettgräber von Gamehl.
(Katalog=Nummer E 507 - 512.)

Ein Grabfeld befindet sich 1 Kilometer nordwestlich von dem Hofe Gamehl bei Wismar auf dem hügelartig in eine Wiesenniederung abfallenden Acker rechts von der vor einigen Jahren angelegten neuen Wismar=Rostocker Chaussee, ungefähr 400 Meter von der Stelle, wo sie sich von der alten abzweigt. Bei Anlage der erwähnten Chaussee und im Sommer 1892 bei Anlage einer Feldbahn ist dem erwähnten Hügel Sand entnommen, und hierbei sind Skelette (die Zahl war nicht mehr zu bestimmen) gefunden worden. Erkundigungen haben ergeben, daß schon in früheren Jahren Skelette in größerer Anzahl entfernt sind, auch von der dem Hofe näher gelegenen Ackerseite, sodaß anzunehmen ist, daß hier ein ausgedehnter Begräbnißplatz sich befunden hat.

Der Boden besteht aus kiesigem Sande, unter dem etwa 70 cm tief Lehm ansteht; die Leichen lagen, soweit beobachtet, sämmtlich auf dieser Schicht auf, also ungefähr 70 cm tief. Nach Angabe der Arbeiter, welche die Erdarbeiten ausgeführt haben, aber erst spät auf die Funde geachtet haben, ergiebt sich Folgendes: Die Orientirung war durchgängig die übliche westöstliche; auch sind Reihen beobachtet, in denen das Fußende der einen Leiche vom Kopfende der nächsten etwa 1 Meter entfernt war. Einige Nägel sollen gefunden sein, doch lauten die Angaben darüber recht unbestimmt; an Metallgegenständen ist beachtet ein kleiner, grüner Ring, also Bronze, der aber verworfen ist. An mehreren Stellen dagegen sind Scherben thönerner Gefäße zu Tage getreten, und eine Urne, zerbrochen, aber in ihrer Grundform erkennbar, ist erhalten. Dieselbe besteht aus grober Mischung, weitet sich von einer 12 cm breiten Standfläche rasch aus und erreicht in 8 cm Höhe ihren größten Umfang (etwa 80 cm). Dann zieht sie sich zusammen, doch ist vom oberen Theile leider nichts erhalten. Die Oberfläche ist bis zur größten Weite absichtlich rauh gemacht, sonst ist sie glatt. Diese Urne war mit gebrannten Knochen gefüllt, sodaß auch hier auf einem Grabfelde Leichenbrand constatirt ist.

In gleicher Tiefe wie die Leichen stieß man auf zwei starke Aschenschichten von etwa 50 cm Durchmesser, die fast unmittelbar neben einander lagen. Von Knochen zeigte sich keine Spur, doch lagen in der einen kleinere Scherben und ein durch Rost fast zerstörtes Eisenstück, vielleicht der Rest eines Messers; in der andern eine große rothe Scherbe mit Brandspuren. Es handelt sich hier wohl um Herdstellen.

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Herr A. von Stralendorff auf Gamehl hat freundlichst über die Fundverhältnisse berichtet und die Fundstücke der Großherzoglichen Alterthümersammlung überwiesen.

Das Grabfeld gehört höchst wahrscheinlich der Wendenzeit an. Die topographischen Verhältnisse und die räumliche Anlage gleichen völlig denen von Bartelsdorf und Zehlendorf, die Orientirung ist die gewöhnliche der Wendenbegräbnisse. Allerdings fehlen die sicheren Kriterien; die Reste der Urnen unterscheiden sich von dem specifischen wendischen Typus, sind aber so einfacher Art, daß sie in allen vorgeschichtlichen Zeiten vorkommen können und stehen der Ansetzung wenigstens nicht im Wege. Eine andere Ansetzung als diese ist aber nach dem jetzigen Stande der Forschung unmöglich, da in keiner vorgeschichtlichen Periode bisher bei uns Reihengräber (von den ganz exceptionellen "Römergräbern" natürlich abgesehen) bekannt geworden sind. Welche Beziehungen die vermutheten Gamehler Wenden zu dem benachbarten Burgwall von Ilow haben könnten, bleibe unerörtert; nach einer noch zu untersuchenden Angabe scheint auch dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Preensberg ein wendischer Burgwall zu Grunde zu liegen. Weitere Ergebnisse wären gerade hier besonders erwünscht, da es das erste obotritische Grabfeld sein würde.