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VII.

Zur Baugeschichte des Schlosses zu Rossewitz.

Mit 3 Abbildungen.

Von

Dr. F. E. Koch,
Oberlandbaumeister in Güstrow.

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S ehr berechtigt ist die Beachtung, die in neuerer Zeit die Bauwerke der Barockzeit auf sich gezogen haben; und je mehr man sich in den Geist dieser Bauten hineinstudirt, desto mehr gewinnen sie an Interesse. Denn es ist nicht zu leugnen, daß dieser Stil Gelegenheit zu einem Reichthum der Façadenausbildung bietet, wie die nach klassischen Vorbildern entworfenen Bauwerke dies nicht zu leisten vermögen.

In Norddeutschland stoßen wir im Allgemeinen nur auf spärliche Beispiele der Barockzeit. Dies hat seinen Grund in den politischen Verhältnissen; hier wirkte die Kalamität, die der dreißigjährige Krieg über uns gebracht hatte, zu mächtig nach; und als endlich der westphälische Friede diesem mörderischen Kriege ein Ende machte, da begannen die Kämpfe des großen Kurfürsten. Und so ist es erklärlich, daß überall in Norddeutschland während des 17. Jahrhunderts eine geringe Bauthätigkeit herrschte, daß das Kunsthandwerk den Bewohnern abhanden gekommen war, und daß wir vom Auslande her uns die Kräfte verschaffen mußten, die erst allmählich wieder deutsche Künstler heranbildeten.

Von tief eingreifendem Einfluß für Deutschland war in dieser Beziehung die Aufhebung des Edicts von Nantes, durch die 400 000 gewerbfleißige Protestanten aus Frankreich vertrieben wurden. Dieser Strom ergoß sich zunächst nach dem der protestantischen Lehre anhängenden Theil der Niederlande, nach Holland, und verbreitete sich von dort über das nordwestliche Deutschland. Ueberall ließen diese "Refugiés"

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die noch heute erkennbaren Spuren ihrer Thätigkeit zurück und wurden gleichzeitig die Lehrmeister unserer Landsleute.

Daher stoßen wir vielfach auf französische Künstlernamen im 17. und 18. Jahrhundert, und so erscheint es sehr im kunsthistorischen Interesse, den Leistungen dieser Ausländer nachzuspüren da, wo sich die Gelegenheit dazu findet.

Solche Gelegenheit aber bietet das Schloß zu Rossewitz, indem wir es einem glücklichen Zufall verdanken, daß der Architekt dieses interessanten Bauwerks bekannt geworden ist. - Durch C. Gurlitt's Geschichte des Barockstils in Deutschland auf die Wirksamkeit Charles Philippe Dieussart's in Meklenburg aufmerksam gemacht, war es mir gelungen, das von diesem herausgegebene und in Güstrow 1679 gedruckte Werk: Theatrum architecturae civilis, wie schon an anderer Stelle mitgetheilt, 1 ) aus der Universitätsbibliothek zu Rostock zu erhalten, nur zu dem Zweck, um dies vaterländische Werk kennen zu lernen. Das Interesse für dasselbe wurde aber in ungeahnter Weise belohnt durch den Umstand, daß die letzte der Foliotafeln dieses Werkes, Tafel 65, das Hauptgesims des Schlosses zu Rossewitz darstellt, sowohl in einer perspectivischen Ansicht, wie in den geometrischen Verhältnissen, während der Text pag. 93 in Cap. XVIII keinen Zweifel darüber läßt, daß Charles Philippe Dieussart die Architektur zu diesem Schloß für den Generalmajor von Vieregge entworfen hat.

Ich gebe hierbei in Figur 1 eine photographisch dem Werk entnommene Copie des betreffenden Blattes und bemerke, daß das Hauptgesims des Schlosses noch heute genau mit dieser Zeichnung stimmt. Die triglyphenartig ausgebildeten mächtigen Consolen mit den Metopen des Untergesimses sind in Terracotta ausgeführt, während die Sima und die Hängeplatte mit den kleinen oberen Consolen, wahrscheinlich zwecks Kostenersparung und wohl in Abweichung von der ursprünglichen Absicht, in Holz construirt sind, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die kleinen als Wasserspeier gedachten Köpfe der Sima fortgelassen sind.

Das Schloß ist im Jahre 1657 vollendet und unter Dieussart's Leitung für den Generalmajor von Vieregge, der Besitzer mehrerer der umliegenden Güter war, erbaut worden. Es erhebt sich über einem hohen Kellergeschoß, in dem die massiv gewölbten Wirthschaftsräume liegen, in zwei hohen Haupt=Etagen, über deren jeder ein Mezzaningeschoß ausgebildet ist, so daß zwei volle und zwei halbe Etagen vorhanden sind. Der reich ausgebildete Mittelbau nimmt die geräumige, durch 1 1/2 Etagen reichende Vorhalle auf, während die


1) Siehe F. E. Koch, über Dieussart, Jahrb. 57, S. 237.
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Figur 1

1 1/2 darüber liegenden Etagen des Mittelbaues von dem durch die ganze Tiefe des Gebäudes gehenden Gesellschafts=Saal eingenommen werden. Zu beiden Seiten dieses Saales liegt eine Reihe von Gesellschaftsräumen, deren theilweise noch gut erhaltene Parkettfußböden, reich getäfelte eichene Thüren und Paneelungen, alte Kaminanlagen sichere Schlüsse auf die einstige Pracht dieser Räume gestatten. Dieselben nehmen die obere Haupt=Etage ein, während die untere Haupt=Etage rechts vom Flur einen die drei Fenster der Façade umfassenden Empfangssaal, der jetzt in zwei Wohnräume durchgetheilt ist, enthalten hat, und die linke Seite die

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eigentlichen Wohnräume gebildet haben wird, von denen das erste zweifenstrige Zimmer noch eine sehr reich in Barock ausgebildete Stuckdecke aufweist.

Die beiden über diesen Haupt=Etagen befindlichen Halbgeschosse haben jedenfalls die Schlafräume, Fremdenzimmer u. s. w. enthalten.

Die hohe Vorhalle zeigt als Wanddekoration jederseits drei Rundbogenarkaden, von Pilastern der toskanischen Ordnung getragen, über denen im strengen Stil ein toskanisches Gebälk mit Triglyphen und Stierköpfen in den Metopen fortläuft. Der darüber liegende, gleichfalls 1 1/2 Etage hohe Saal, dessen Decke leider zerstört ist, zeigt dagegen eine höchst interessante Wanddekoration: reiche korinthische Säulenstellungen mit Gebälk, im Geiste der damaligen Zeit plastische Ausbildung in Malerei imitirend, Supraporten über den Flügelthüren in den vier Ecken des Saales, Landschaften in Farbe darstellend; und darüber vier in guter perspectivischer Malerei imitirte Loggien. In gleicher Ausführung ist der Haupteingangsthür gegenüber eine scheinbar weithin verlaufende Säulenhalle dargestellt, eine Dekorationsweise, die nicht ohne Interesse ist, da sie an die in Italien zu dieser Zeit vorkommenden perspectivischen Architekturmalereien des Pozzo u. s. w. erinnert, und die sicher einst bei guter Erhaltung der jetzt verblichenen Farben prächtig gewirkt haben dürfte.

Erhellt wird der durch die ganze Tiefe des Gebäudes gehende Saal auf jeder Schmalseite durch die drei Fenster, die der Mittelbau (Figur 3) zeigt, und die sich in der Gartenfronte wiederholen, nebst dem über jedem befindlichen oeil de boeuf. Diese Fenster sind im Innern durch gemalte Barock=Ornamente umrahmt und mit einander verbunden, wiederum plastische Stuckdekoration nachahmend.

Der Grundriß des ganzen Gebäudes bildet ein Oblong mit zwei nach hinten vorspringenden kurzen Seitenflügeln. Zwischen diesen Flügeln hat in früherer Zeit eine Terrasse bestanden, von der aus eine Freitreppe in den hier anschließenden Park hinuntergeführt hat. Diese Terrasse ist leider vor etwa 40 Jahren wegen Baufälligkeit abgebrochen und durch eine einfache Freitreppe ersetzt worden, zu der die alten Sandstein=Balustern verwandt sind.

Man erkennt noch die reiche Anlage des einstigen Parks, an den sich unmittelbar ein freundliches, mit Fußwegen durchschnittenes Gehölz anschließt. Auch war offenbar das Schloß einst durch einen Wallgraben abgeschlossen, der allerdings wohl gleich wie bei den gleichalterigen französischen Schlössen nur einen dekorativen Zweck hatte. Reste dieses Wallgrabens finden sich sowohl vor wie hinter dem Schlosse, und erst vor etwa 20 Jahren wurde ein Theil des Wallgrabens hinter dem Schlosse zugeschüttet wegen der üblen Ausdünstungen,

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die er verbreitete. Noch jetzt ist die Brücke, die über ihn in den Park führte und die sich offenbar der Freitreppe unmittelbar anschloß, vorhanden und giebt mit ihrem kräftigen Geländer von Sandstein=Valustern Kunde von der monumentalen Ausbildung früherer Zeit.

Die Façaden des Schlosses, von denen Figur 2 die Totalansicht in Perspective und Figur 3 den Mittelbau im größeren Maßstabe nach photographischen Aufnahmen darstellen, machen einen großartigen

Figur 2

Eindruck; vor Allem ist der Mittelbau in edlen, noch der Renaissance nahestehenden Verhältnissen und mit einem gewissen Prunke ausgeführt, indem alle Architekturtheile in nordischem Marmor (Gothländischem Kalkstein), zum Theil geschliffen und polirt, gearbeitet, während die Wandflächen geputzt und abgetüncht sind.

Oberhalb eines durch eine zweiarmige Freitreppe zu begehenden Podestes mit gutem, schmiedeeisernem Geländer erhebt sich das wie gesagt noch an die gute Renaissance=Zeit erinnernde Hauptportal; über dem gebrochenen Giebel in hübscher Stilbildung das

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combinirte Wappen des Herrn von Vieregge und seiner Gemahlin, einer Gräfin Hahn, mit der Jahreszahl 1657.

Eingerahmt wird der Mittelbau in der untern Etage durch gequaderte Pilaster aus nordischem Marmor mit toskanischem Kapitäl und Gebälk, mit einem durch ein Tropfenband getragenen Gesims, welches in kräftigen Formen aus dem Abakus und Echinus des dorischen Kapitäls gebildet ist, und unter Fortfall des Tropfenbandes als mächtiges Gurtgesims sich um das ganze Gebäude fortsetzt und würdig die Parterre=Etage abschließt.

Die die obere Haupt=Etage des Mittelbaues einrahmenden, gleichfalls gequaderten Pilaster von gleichem Material sind mit reichen Kompositen=Kapitälen gekrönt, die das in Figur 1 dargestellte Gebälk mit höchst interessant zusammengesetztem Hauptgesims tragen. Ueber dem gegliederten, dem Stil entsprechend niedrigen Architrav ist ein Fries aus Terracotten gebildet, der in höchst eigenthümlicher Weise triglyphenartig ausgebildete, mächtige Consolen aufweist, zwischen denen Metopen eingesetzt sind, die in kräftigem Relief Embleme des Krieges darstellen. Die Consolen stützen eine kräftig vorliegende Platte, die den Reliefs der Metopen als Schutz gegen Witterungseinflüsse gedient hat, so daß diese wohl erhalten sind; und aus dieser Platte entwickeln sich zierliche korinthische Consolen, die die Hängeplatte des kräftig ausladenden Hauptgesimses tragen. Diese Consolen mit den darunter liegenden Theilen des Gebälks sind, der Zeichnung Figur 1 entsprechend, nach Dieussarts Entwurf ausgeführt, während die eigentliche Hängeplatte und die Sima, die ursprünglich auch wohl auf Steinconstruction berechnet waren, wahrscheinlich der Kostenersparung wegen, aus Holz gebildet sind.

Dies Hauptgesims umzieht das ganze Gebäude und verleiht demselben einen kräftig monumentalen Charakter.

Die Wandfläche des Mittelbaues wird durch die drei großen Fenster des Saales mit den darüber befindlichen Ochsenaugen belebt, die, wie die Abbildung zeigt, in zierlicher Weise umrahmt und durch Festons verziert sind. Oberhalb des mittleren Fensters ist ein Spruchband mit der Inschrift: "Semper idem" angebracht. Der Mittelbau findet seinen Abschluß durch einen hübschen flachen Giebel, in dem das Zifferblatt einer Uhr, getragen von Barock=Ornamenten, angebracht ist.

In dem breiten Fries des Hauptportals finden sich die Inschriften: einerseits

"Joachim Heinrich Vieregge, Generalmajor, auf Rossewitz, Sibsin!, Zapkendorf und Mierendorf erbgesessen;" andererseits

"Anna Margaretha Hanen vom Hause Basedow."

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Figur 3
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Die Architektur der übrigen Gebäudetheile schließt sich der des Mittelbaues an; doch ist eine einfachere Ausführung, wahrscheinlich durch Rücksicht auf Kostenersparung herbeigeführt, unverkennbar. Denn die Kosten dieses in solidester Weise angelegten Bauwerks mit seinem durchweg gewölbten hohen Kellergeschoß und den in dem Erdgeschoß 1,25 m starken Mauern müssen ungemein hohe gewesen sein. Hierauf lassen auch so manche Details des inneren Ausbaues schließen, wie z. B. die von polirtem Marmor in den Seitenwänden der Haupttreppe eingemauerten Handläufer, die außer dieser Treppe durch alle Etagen hindurchführende Wendeltreppe, die früher in verschiedenen Sälen vorhanden gewesenen Gobelins, die Anlage alter Kamine, geheimer Treppen in den Wänden u. s. w.

An alten losen Bautheilen finden sich noch in dem Schlosse: ein mächtiger, ovaler, in Holz geschnittener Blumenkranz, der als Deckendekoration in dem ursprünglich dreifenstrigen Saal rechts der Vorhalle gedient haben soll,

ein kleiner, zierlicher Majolika=Ofen, leider sehr defect, und

ein gußeiserner Ofen auf hohen Füßen aus dem 17. Jahrhundert, dänische Arbeit, mit Medaillonköpfen.

 

Vignette