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im engern Sinne.
1. Vorchristliche Zeit.
a. Urvolkgräber.
Ueber das Begräbniß von Plau.
Vgl. Jahrb. XII, S. 400.
Menschliche Gerippe in hockender Stellung sind schon in Frankreich vorgekommen ("L'institut chronique scientifique" d. 24. fevr. 1839. "Das Ausland" Mai 1840. S. 579). Sie sollen, wie Herr Professor Danneil in Salzwedel mir Anfangs v. J. schreibt, um Halle, in Thüringen und Franken nicht selten, mögen auch sonst wo, was ich nicht weiß, bekannt sein, und nun ist auch bei Plau (vgl. Jahrb. XII, S. 400) ein solches aufgegraben worden. Der Herr Archivar Lisch nimmt nach von ihm angeführten Gründen an, "daß dieses Grab dem Autochthonen=Volke angehört und der Steinperiode voraufgeht."
Dieser merkwürdige, in Meklenburg erste Fund darf nicht unbeachtet bleiben. Gerippe, besonders die Schädel, haben bei der schon längst ihnen gewidmeten Aufmerksamkeit wichtige ethnographische Resultate gegeben und bei den Forschungen in der dunklen Ur= und Vorzeit sind sie bedeutsame Fingerzeige. Sie hellen den Pfad des Forschers auf, der in dem dicken Nebel, welcher auf jener Zeit lagert, unsicher umhertappt, und nebst den zu ihnen gehörigen Geräthen von Stein, Knochen, Bronze u. s. w. leiten sie zu einem sicheren Erkennen und Unterscheiden der Völkerstämme, welche damals gelebt haben.
Aber diese Reste unserer Altvordern sind, wenn auch die Haupt=, doch nicht die alleinigen Kriterien. Es gehören zu diesen auch die Gräber der Zeit, die bisher, wie jene Schädel ., hier zu Lande nicht genugsam beachtet wurden. Der fragliche Fund
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jedoch wird die Aufmerksamkeit auch darauf hinlenken, und beide müssen zur Geltung kommen, je mehr davon aufgefunden wird.
Für diesen wahrscheinlichen Fall und zu etwanigen Vergleichungen und Schlüssen muß unsern Forschern daran gelegen sein, zu wissen, was sich in andern Ländern in Beziehung hierauf ergeben hat, von anderen Schriftstellern darüber gesagt worden ist, und ich hoffe nur Dank zu ärnten, wenn ich sie hier in aller Kürze und Bündigkeit mit den Erfahrungen eines skandinavischen Forschers auf diesem Felde bekannt mache, von welchem und von dessen Competenz schon öfter in den Jahrbüchern die Rede gewesen ist. Ich entlehne das auf den hier in Frage stehenden Fall Bezügliche aus: Skandinaviske Nordens Urinvånare des Prof. Nilsen in Lund.
Hockende menschliche Gerippe kommen nur in den ältesten Gräbern Skandinaviens vor, und in einer solchen Menge und unter Umständen, daß wir sichere Schlüsse darauf basiren können; sie nennt der angezogene nordische Verfasser ausschließlich Urgräber. Die zweite, spätere Art Gräber (mehr Arten giebt es nicht) enthält solche Leichen nie. Beide tragen den unverkennbaren Stempel ihrer Zeit, und Folgendes wird das Nähere darüber darlegen.
Das Urgrab ist von eigenthümlicher, charakteristischer Bauart und Form, die es von der zweiten Art bestimmt abscheidet. Beide deckt ein großer Stein= oder Erdhügel, unter welchem sie nicht zu erkennen sind. Beim sorgfältigen Aufdecken ergiebt sich erst die auffallende Verschiedenheit. Ersteres, von verschiedener Größe, stellt sich in der Regel dar als ein 6'-7' hohes, 24'-30' langes, 7'-9' breites, von sorgfältig verzwickten Granitplatten errichtetes und mit Platten desselben Gesteins bedecktes längliches Viereck (selten rund oder oval), von welchem stets ein 20' langer, 3' breiter und 3' hoher, bedeckter, mit passendem Steine versetzter Gang von der südlichen Seite ausläuft. Diesen Gang bezeichnet der Verfasser als das Charakteristische des Urgrabes, dem er in der Regel nie fehlt. Auch die Form eines T ist wie Herr Troyon in Westgothland sah (Jahrb. XII, S. 394), keineswegs Zufall, sie ist allen Gräbern der Art durchaus eigenthümlich. Die Gräber mit hockenden Gerippen, welche dem Verfasser bekannt wurden, sind alle so construirt: so in Jütland, Seeland, so auf Mön und in Frankreich. Daß Abweichungen hie und da stattfinden können, giebt der Verf. zu.
Die Gräber der zweiten Art sind 6-7' lang und 2-2 1/2' breit, mit Steinen umfaßt; wo keine Steinumfassung ist, haben sich Spuren von Holz gefunden. Sie enthalten immer nur eine liegende Leiche, oder Urnen mit Asche und Reste
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verbrannter Knochen. Bisweilen sind Gerippe und Urnen in demselben Grabe. In ihnen findet man stets Metall, d. h. Geräthe von Bronze.
Das Urgrab dagegen ist immer mit mehreren Leichen gefüllt, weshalb man sie in Schweden auch Ätte-graefvor (Familiengräber) oder Ätte-Kullar (Familienhügel) nennt. Die Gerippe finden sich in hockender Stellung (d. h. mit untergeschlagenen Beinen, und gegen das Kinn aufgebogenen Vorderarmen) an den Wänden umher, oft in mit Sand angefüllten Buchten, nie so in der Mitte, wo nur Kinderleichen liegen. An ganz unverstörten Gerippen hat man diese Begrabungsart deutlich erkannt; waren sie zerfallen, so lagen die Knochen kreuz und queer übereinander, der Kopf oben auf, und auch dadurch bestätigt sich das vorher angegebene Hocken der Leichen. (Bekanntlich sitzen die Bewohner des höchsten Nordens von Europa noch heute so). Metall findet sich in diesen Gräbern nie , und von Leichenbrand nirgends je eine Spur; aber neben den Gerippen gewöhnlich Geräthe, jedoch nur von Stein und Knochen, an wahrscheinlich weiblichen Gerippen Schmuck, z. B. Halsbänder von Bernstein, oder gebrannte Thonperlen, auch Gefäße von gebranntem Thon, die aber keine Graburnen sind, weil sie weder Asche, noch Reste von verbrannten Knochen enthalten.
Dies ist die Charakteristik der beiden ältesten skandinavischen Gräberarten. Sie sind in allen Beziehungen scharf von einander unterschieden, und jedes derselben spricht, wie angeführt, deutlich die Zeit aus, welcher es angehört: das Urgrab, in welchem man nur Steingeräthe (kein Metall und keinen Leichenbrand) findet, gehört unbedingt, wie unser Hünengrab, der Steinperiode an, anerkannt der ersten und ältesten, zu welcher aber die großen Steinsetzungen wohl keinesweges gezählt werden können; das zweite Grab, in welchem Metall (Bronze) und Leichenbrand vorkommen, der Bronzeperiode, wie unsere Kegelgräber.
Leider wissen wir im Allgemeinen zu wenig Charakteristisches von unsern vorzeitlichen Gräbern, um vergleichen zu können; Herr Lisch hat sich daher durch das Anempfehlen einer sorgfältigern Aufdeckung (denn bisher wurde nur hineingegangen, hineingestochen .) ein Verdienst erworben, dem Resultate gelohnt haben (Alt=Pokrent, Dammerow) und noch mehrere lohnen werden.
So charakteristisch, wie sich die Gräber Skandinaviens von einander unterscheiden, eben so deutliche Unterscheidungszeichen tragen auch die bis jetzt darin gefundenen Gerippe. Die Leichen des Urgrabes sind hier von einer nicht hochwüchsigen Race; die Schädel, welche die Kronnath in zwei gleiche Theile theilt, wovon der hinterste breiter, als der vordere ist, sind auffallend
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klein, kugelförmig, fast rund, die Kinnbackenknochen und das Nasenbein stehen sehr hervor, der Nacken ist kurz, das Gesicht klein, und besonders unterschieden sind sie von Schädeln anderer Stämme, so daß sie in keiner Art damit verwechselt werden können, durch die auffallend niedrige, sehr zurückgeschobene Stirn, welche auf Menschen der niedrigsten Kulturstufe hinweis't.
Die Gerippe des zweiten Grabes gehören einer durchaus hochwüchsigen Race an. Die Schädel, bedeutend größer, als die vorigen, sind ein Oval, nach hinten breiter, als vorne. Die Stirn ist hoch, gewölbt und erhaben, im Profil fast senkrecht. Die Kronnath theilt die Kalotte in zwei ungleiche Theile; der hintere ist der längere.
"Unterkiefer" werden von Nilsen nirgends erwähnt, sind vielleicht nicht aufgefunden, oder nicht für relevant geachtet. Das Maaß des Oberkiefers der Urschädel von margo orbitalis bis margo alveolaris wird 1" 4"' schw. angegeben.
Der Volksstamm mit letzteren Schädeln steht (wie die bei den Leichen gefundenen Geräthe und Schmucksachen von Bronze bezeugen) unbedingt auf einer höhern Bildungsstufe, als derjenige mit den runden Schädeln, mit niedriger, zurückgeschobener Stirn. Diese runden Schädel finden sich in Gesellschaft von Geräthen aus Stein und Knochen, von Gefäßen und Schmuck aus gebranntem Thon nur in den "Urgräbern"; kein anderes Grab birgt Leichen mit diesen Kriterien.
Läßt nun ein vollständiger Fund der Art keinen Zweifel mehr zu über Zeit und Volksstamm, geben seine Bestandtheile uns volle Gewähr, daß er ausschließlich der "Steinperiode" angehört, so lös't er auch die Zweifel bei vorkommenden unvollständigen, einzeln dastehenden Fällen: hier "Grab und Leiche von Plau". Vergleichen wir Leiche und Schädel=Fragment dieses Fundes mit den Gerippen und Schädeln, welche eben als der Ur= oder Steinzeit Skandinaviens angehörig bewiesen sind, so ergiebt sich eine unleugbare Gleichheit derselben, und mit gutem Gewissen können wir annehmen, daß das daselbst begrabene Individuum aus jener Zeit stammt, und wir nach etwa früheren Perioden nicht zu suchen haben. Die fragliche Leiche saß hockend in dem Grabe 1 ) - in dieser Stellung, welche aber nur bedeutsam sein kann, wenn der Schädel die vorher beschriebenen Formen zeigt, findet man die Leichen in den Urgräbern; "die Stirn liegt fast ganz hinten über, und ist nicht 1" hoch - so liegt die Stirn
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der Urschädel, deren Breite auf 3" 7"' angegeben wird 1 ). Meiner ausgesprochenen Annahme wäre demnach nichts anderes entgegen zu setzen, als die gänzliche Abweichung des Grabes, und daß kein Stein=, sondern nur Knochengeräth neben der Leiche gefunden ward. Von dem fraglichen Grabe heißt es, oder hat nur gesagt werden können, es sei 6' tief unter der Oberfläche gefunden, ohne Schutz durch Steinbauten u. dgl., da sich nähere Umstände vielleicht nicht ergaben. Das ist eigentlich zu bedauern, denn es fehlt ja jede Charakteristik, um irgend einen Schluß, selbst den machen zu dürfen, daß es der Steinperiode voraufgehe. Den vorbeschriebenen skandinavischen Urgräbern an die Seite stellen kann man es nicht; aber es fand sich eine Leiche darin, und die allein kann und muß normiren. Diese gehört evident der Steinperiode an, folglich kann das Grab, in welchem sie sich befand, dieser Periode nicht voraufgehen. Nicht Stein=, sondern nur Knochengeräth fand sich bei der fraglichen Leiche.
In den Urgräbern findet man, wie vorher gesagt ist, Stein= und Knochengeräth unter einander, vom letzterem weniger, was sehr erklärlich ist, und von diesem namentlich wilde Schweinszähne (zu Messern, Dolchen und Nadeln). Daß eines von beiden ausschließlich bei einem Funde vorgekommen sei, wird nicht gesagt.
Dieser also einzeln da stehende Fall kann auch noch nicht Grund geben, das "Grab" der Steinperiode voraufgehen zu lassen. Hier kann gleichfalls die Leiche nur entscheiden, die ihre Zeit so evident ausspricht, daß das abweichende Grab und der ausschließliche Knochenfund mit gutem Rechte zu nicht relevirenden Zufällen gerechnet werden können. Gerippe und Schädel, die damit connectirenden resp. Geräthe von Stein, Bronze u. s. w. werden immer der entscheidende Typus bei Funden der Art bleiben müssen, bis sich deutlichere Momente zum Beweise einer früheren - etwa Knochenperiode darbieten.
Diese Folgerungen lagen ursprünglich außerhalb meiner Absicht, aber zu sehr auf der Hand, als daß ich mich derselben hätte enthalten können. Mittel zu Vergleichen und Schlüssen für die Folge wollte ich geben, so weit Kürze es zuließ. Um vollständig zu genügen, verweise ich noch auf einen in die in Rede stehende Kategorie gehörenden Schädel, gefunden in einem "Urgrabe" bei Stege auf der Insel Moen, (Dagen, dansk folke=
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blad. 15. September 1837, in der Bibliothek des Vereins, giebt davon Nachricht, nebst einer ganz vorzüglichen Abbildung, welche theilweise vorstehender Beschreibung der Urschädel zum Grunde liegt) und auf die Hirnschale aus dem Luche bei Fehrbellin 1 ) (Jahrb. IX, S. 361), welche unbedingt das Fragment eines Urschädels ist. Sie trägt alle Zeichen des Schädelfragmentes von Plau, und bleibt immer merkwürdig durch den scharfen und genauen Schnitt mitten durch die Augenhöhlen, welcher den Obertheil des Schädels, die Calotte, vom Untertheile trennte. Daß nur dieser Obertheil, und sonst keine Spur irgend eines dazu gehörigen, oder sonstigen Knochens trotz emsigen Suchens gefunden worden, ist am angeführten Orte gesagt.
Die Aufgabe, welche Nilsen sich gestellt hat, ist, die Ureinwohner Skandinaviens zu ermitteln. Die Vergleichung der Urschädel mit authentischen Schädeln noch heute im hohen Norden lebender Volksstämme hat ergeben, daß erstere denen der Lappen,
Ich habe dieses Fragment einen
Trinkschädel genannt. Jahrb. X, S. 261
ist mir vorgeworfen, ich hätte dadurch
die alten Germanen des Cannibalismus
beschuldigt, welche, da sie ihre Feinde
nicht gegessen, auch aus deren Gebeinen
nicht Trinkgefäße gemacht haben würden.
Mir scheint, das Eine könne ohne das
Andere recht gut bestehen, wie denn
junge Aerzte und Maler, die sich Schädel
zu Zucker= und Tabacksdosen und
Fidibusbechern aptiren, doch auch keine
Cannibalen sind. Woher dieser die guten
Germanen, welche Beweise von Anerkennung
der Menschenwürde und des Zartgefühls
gegeben haben sollen, verunglimpfende
Glaube, in welchem ich befangen bin,
entstanden? weiß ich nicht. Ich habe
immer so gehört, auch wohl gelesen, und
finde eine Notiz, kann aber nicht sagen,
woher. Sie betrifft die Begriffe unserer
Altvordern von dem Fortleben nach dem
Tode, freilich nur wirr und nicht so
sublim, wie Mr. Troyon (Jahrb. XII, S.
365) sie ihnen unterlegt, sondern
gemodelt nach ihrem täglichen Treiben
und Thun: "Die Helden in Walhalla
kämpften Morgens aus bloßem Vergnügen,
Mittags, wo alle Wunden geheilt, gingen
sie bei Odin zu Tafel um einen
köstlichen Wildschweinsbraten zu
verzehren, der für Alle und immer
zureichte, weil er stets wieder anwuchs.
Dazu tranken sie Bier aus Pokalen,
gemacht aus den Schädeln der
erschlagenen Feinde." Daß hier ein
Thun des Lebens in die Abgeschiedenheit
übertragen ist, kann man wohl annehmen.
Uebrigens ist es ja ein Factum, daß der
Longobarden=König Alboin den Schädel
seines Schwiegervaters, des Gepiden
Kunimund zum Trinkschädel gebrauchte,
und deshalb von seiner Gemahlin
Rosamunde ermordet ward.
Die
angeführte Stelle aus Regner Lodbrocks
Krakamal, welche mißgedeutet als
Veranlassung zu dem entehrenden Glauben
angesehen wird, bestätigt ihn vielmehr.
heißt wörtlich übersetzt:
- - - - tranken Bier bald
aus weit umhergebotenen (kreisenden) Schädeln.
Dahlmann übersetzt, wie gesagt wird: "aus den Krummhölzern der Köpfe" (Schädel) - Metapher für "Hörner der Thiere". Es steht aber kein Genitiv da, denn bjudvidom ist ein adject. comp. aus
bjud von bioda, offerre;
vid, passim;
om, circa;
hausa, plur. von haus, cranium.
Dahlmann muß bjud mit biug, curvus,
verwechselt haben.
Mein Gewährsmann
ist Biörn Haldersen Isländ. latein. dän.
Lexicon.
Neu=Ruppin, 1. April
1848. A. G. Masch.
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vulgo Finnen, bis auf die geringste Kleinigkeit gleich sind; und nicht allein daraus, sondern aus noch mehreren Elementen, deren Erwähnung hierher nicht gehört, folgert er, daß die Lappen unserer Zeit der Rest des Urvolkes sind, welches ein später eingewanderter Stamm theils aufrieb, theils in die unwirthbaren Gegenden des Nordens hinaufdrängte.
Auch dieser spätere Stamm wird nicht mit Stillschweigen übergangen. Der Verfasser entwickelt ihn mit gleich kräftigen Gründen als der Bronzeperiode angehörend, von welcher Sagen und Geschichte gar nichts, eben so wenig wissen, als von der Steinperiode, welche jener voraufgeht, und wird erstere in zweiten Theile seines Werkes noch weiter aufzuklären suchen.
Diese kleinen Notizen werden die ethnographische Wichtigkeit des Werkes hinlänglich vor Augen stellen. Es bringt die Resultate der ersten wissenschaftlichen Forschungen in der dunklen, ungekannten Urzeit, von welcher Alles schweigt, und läßt deren stumme Denkmäler, bisher zum Sprechen nicht aufgefordert, eine deutliche, vernehmliche Sprache reden.
Krause, Deutsche Alterthümer oder Archiv . 1. Theil 1826 stellt schon die Nothwendigkeit einer allgemeinen Ansicht der Alterthümer Deutschlands, Skandinaviens, Frankreichs u. s. w. auf; um nicht in Irrthümer zu verfallen, hat er auch, wie ich aus zuverlässigen Mittheilungen weiß, privatim geäußert: "die deutschen Gräber (Altmark) würden sehr viel Erklärung in denen Skandinaviens finden". Das hier zu Grunde liegende Werk bestätigt sicher den Ausspruch des hochcompetenten Alterthumskenners; mein Versuch, es der gelehrten antiquarischen Welt in einer Uebersetzung vorzulegen, ist am Buchhandel gescheitert.
Neu=Ruppin, im April 1848.
A. G. Masch.
Wenn auch die hockende Leiche mit den Knochengeräthen in dem Grabe von Plau dem Volke der Steinperiode angehören konnte, so läßt sich doch immer noch denken, daß in dem Volke der Steinperiode eine zweifache Cultur in der Zeit nach einander herrschte: daß dieses Volk zuerst Knochengeräthe gebrauchte und darauf sich zur Cultur der Steingeräthe ausbildete, daß also die Knochenperiode immer der Steinperiode voraufgehen konnte, wenn auch die Menschen, welche zuerst Knochen, darauf Stein zu ihren Geräthen benutzten, demselben Volksstamm angehören mochten. Uebrigens reichen Knochengeräthe nicht allein in die Steinperiode, sondern auch in andere Perioden hinein. Das Vorkommen einzelner Knochengeräthe dürfte also nicht allein entscheiden, sondern die gesammte Ausstattung eines Grabes. Aber auch diese An=
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nahme kann ich nicht ganz gelten lassen. Der Knochenbau der Gerippe wird vorzüglich entscheiden müssen. In Skandinavien mögen die Verhältnisse anders sein; in Meklenburg aber stimmen die muthmaßlich ältesten Schädel nicht zu den Schädeln der Steinperiode. Die Schädel der Steinperiode sind schmächtig, nicht stark, aber regelmäßig ausgebildet, haben eine, wenn auch schmale, jedoch hohe Stirn, nirgends an Backenknochen oder Hirnbeinen starke Hervorragungen oder Biegungen, und sind die etwas unentwickelten Vorbilder der Schädel aus der Bronzeperiode. Der Schädel von Plau, mit dem ein in der Tiefe des Sülzer Torfmoores gefundener Schädel ganz übereinstimmt, hat dagegen eine schmale, niedrige, flache Stirn und starke Backenknochen, und beide stimmen gar nicht zu den Schädeln der Steinperiode.
Hieraus geht hervor, daß die vorstehende Darlegung von Masch nicht zutreffend ist. Die antiquarischen Verhältnisse Schwedens stimmen nicht zu denen Norddeutschlands. Alle Schädel, die bei uns in Gräbern der Steinperiode gefunden sind, haben nicht die Eigenthümlichkeit der ältesten skandinavischen Schädel. Auch sind die Gräber der Bronzeperiode in Norddeutschland ganz anders gebauet, als in Skandinavien. Ist aber die Beurtheilung nach Schädeln richtig, so muß der Schädel von Plau den Schädeln der Steinperiode voraufgehen, da er viel weniger entwickelt ist und gar keine Aehnlichkeit mit diesen hat.
G. C. F. Lisch.
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b. Zeit der Hünengräber.
Hünengräber von Klink.
Nachtrag.
Der Herr Baron A. von Maltzan auf Peutsch hat dem Vereine noch einen schönen, ganz geschliffenen Keil aus Feuerstein geschenkt, welcher beim Bau der Chaussee von Röbel nach Waren auf der Feldmark des Gutes Klink in einem Grabe neben mehreren Urnen gefunden und dem Herrn Geber von einem Schachtmeister überliefert ist.
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Hünengrab von Langen=Trechow.
Auf dem Felde von Langen=Trechow bei Bützow liegt ein bedeutend großes Hünengrab. Das Grab, an einem Berge, nahe an einer Wiese, an der Feldscheide von Parkentin und Selow, hat 122 Schritte im Umfange und ist 48 Schritte lang und 22 Schritte breit, in elliptischer Linie von 29 sehr großen Steinen umstellt, welche theils stehen, theils liegen und zum Theil 5 bis 6 Fuß lang und breit und 4 Fuß dick sind. Eine Grabkammer ist nicht anders bezeichnet, als daß das Grab oben muldenförmig ausgehöhlt ist und neben dieser Höhlung ein großer Stein von 5 bis 6 Fuß Länge und Breite liegt und eine Strecke davon zwei Steine aus der Erde hervorragen, welche vielleicht die Unterlage zu dem Decksteine bildeten.
Bützow.
Friedrich Seidel.
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Thongefäß von Moltzow.
Aus dem Felde des an Alterthümern so reichen Gutes Moltzow, in der Nähe des malchiner See's, ward im Frühling 1848 nicht weit von der Ziegelei in einem Torfbruche, Namens Hermanssahl, 8 Fuß tief ein interessantes thönernes Gefäß gefunden und durch den Herrn Baron Albrecht Maltzan auf Peutsch gerettet, von dem Herrn Landrath Baron Maltzan auf Rothenmoor, Moltzow . dem Vereine geschenkt. Das Gefäß ist sehr wohl erhalten, 6" hoch und hat ganz die Gestalt der in Jahrb. X, S. 254 abgebildeten, in einem Hünengrabe zu Moltzow gefundenen Urne, jedoch ist es auf dem Bauche nicht verziert, sondern hat zur Verzierung nur oben am Rande eine Reihe von
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senkrechten, kurzen (1/8" langen) und tiefen Linien. Diese Verzierungen, die Form und die ganze Bearbeitungsweise stellen dieses Gefäß in die Steinperiode, für welche Moltzow schon manche Ausbeute gegeben hat (vgl. z. B. Jahrb. X, S. 285 und XI, S. 395). Was dieses Gefäß aber besonders merkwürdig macht, ist der Umstand, daß es in einem Moor gefunden ist, welcher in frühern Zeiten sicher ein offener Teich war, woher er noch den Namen "Sahl" trägt; ohne Zweifel war also das Gefäß zum häuslichen Gebrauche bestimmt und ging beim Wasserschöpfen verloren.
In demselben Torfbruche wurden in gleicher Tiefe ein Tragetopf, ganz wie der im Jahrb. XII, S. 438 abgebildete von Gnoien, und die Scherben eines andern ähnlichen Topfes gefunden, ein fernerer Beweis, daß die Gewässer, in welchen alle diese Töpfe gefunden sind, einst zu häuslichen Zwecken benutzt wurden; man vgl. unten bei den Wendengräbern.
G. C. F. Lisch.
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Steingeräthe von Schwetzin .
Zu Schwetzin bei Teterow wurden in einem kleinen Moderloche, beim Ausmodden desselben, ungefähr 4 Fuß tief folgende steinerne Alterthümer gefunden und von dem Herrn Kammerherrn von der Kettenburg auf Matgendorf, Schwetzin . dem Vereine geschenkt.
1) eine Streitaxt aus Hornblende, von gewöhnlicher Form, aber von erster Größe, kurz, dick und mit sehr großem Schaftloche;
2) eine durchbohrte Kugel aus Granit. Das Geräth, welches sonst in Meklenburg noch nicht vorgekommen ist, hat die Gestalt einer flachgedrückten Kugel von 3" größtem Durchmesser und 2" Höhe und ist mit einem Loche von 7/8" Durchmesser regelmäßig und glatt durchbohrt, wie eine Streitaxt. Das Gestein ist ein gneißartiger, feinkörniger, grauer Granit, welcher an der ganzen Oberfläche stark verwittert ist. Die Anwendung dieser Kugel ist noch nicht ermittelt.
G. C. F. Lisch.
Handaxt von Steinhagen.
Zu Steinhagen bei Grubenhagen ward 20 Fuß tief, unter Steinen und Kies, eine Handaxt aus Hornblende gefunden, wie ein Exemplar in Friderico=Francisceum Tab. XXIX, Fig. 3, abgebildet ist, nur noch zierlicher und schärfer gearbeitet:
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ein starker Keil mit einem Handgriffe ohne Schaftloch. Geschenk des Herrn Barons Albrecht von Maltzan auf Peutsch.
Keilhauer von Satow.
Am See von Satow bei Cröpelin ward ein Keilhauer aus Grimstein gefunden, welcher in seiner Gestalt äußerst selten ist. Der Keil ist oben zerschlagen und noch 7" lang, geebnet, dreiseitig und läuft gegen die Spitze 3/4" breit scharf aus. Geschenk des Herr Pastors Vortisch zu Satow.
Schleifstein von Satow.
Zu Satow bei Cröpelin ward gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch daselbst dem Vereine geschenkt, ein Schleifstein aus rothem, feinkörnigen Sandstein, eine Platte von 7" im Quadrat, 11/2" dick, an beiden Seiten ganz und hohl bis auf 5/8" ausgeschliffen, nach Vergleichung mit andern Schleifsteinen ähnlicher Art zum Schleifen der Feuersteingeräthe benutzt, ganz gleich dem in dem großen Hünengrabe zu Dabel im J. 1779 gefundenen großen und dem zu Rambow im J. 1845 gefundenen kleineren Schleifstein ähnlich; vgl. Frid. Franc. Erl. S. 77, Nr. 13, und erster Bericht über das großherzogliche Antiquarium, 1844, S. 6, Nr. 5, und Jahrb. XI, S. 349, vgl. X, S. 269.
G. C. F. Lisch.
Griff aus Hirschhorn von Klaber,
vielleicht zum Einbinden der steinernen Geräthe gebraucht, gefunden in einem Moderloche 16 Fuß tief: vgl. unten Alterthümer aus der Zeit der Wendenbegräbnisse.
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c. Zeit der Kegelgräber.
Die Wohnungen der Germanen
und
die Hausurne von Aschersleben.
Der Herr Geheime=Rath von Olfers zu Berlin, General=Director der königlich preußischen Museen, hat unserm Vereine die Aufmerksamkeit erzeigt, demselben einen Gypsabguß von einer in der königlich preußischen Sammlung der deutschen Grabalterthümer aufbewahrten, höchst merkwürdigen Urne zu schenken, wogegen der Verein dem Museum Gypsabgüsse von den lübbersdorfer und basedower Bronzen (vgl. unten S. 320) wieder zu verehren Gelegenheit hatte.
Die Urne ist "vor mehreren Jahren in einem mit rohen Granitsteinen ausgesetzten Grabe bei Aschersleben" gefunden und hat die Gestalt eines Hauses. 1 )
1/10 Größe
Der untere Theil ist viereckig; auf diesen Seitenwänden steht ein sehr hohes Dach, welches mit hinablaufenden, eingeritzten, graden Linien, wahrscheinlich zur Andeutung eines Rohr= oder Strohdaches, bezeichnet ist.
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Eine Seitenwand hat eine viereckige Thüröffnung; diese kann von innen durch eine Platte, welche hineingeschoben werden kann, zugestellt und mit einem Riegel durch einen hervorstehenden Ring von außen zugeschoben werden. Die Urne ist ein Vorbild der norddeutschen Bauerhäuser. Die Masse der Urne, deren Original ich selbst in Berlin zu untersuchen Gelegenheit hatte, ist die bekannte, mit zerstampftem Granit durchknetete Thonmasse der heimischer Grabgefäße aus der heidnischen Zeit; nach der Bearbeitung und der Farbe zu schließen, gehört die Urne der Bronzeperiode an.
Diese Urne hat für Meklenburg eine besondere Wichtigkeit dadurch, daß die in Jahrb. XI, S. 364, zuerst und hier wieder
1/3 Größe
abgebildete, sogenannte bienenkorbförmige Urne von Kiekindemark (vgl. Jahresbericht III, S. 59) wahrscheinlich ebenfalls ein Haus darstellen soll; jedoch hat diese eine kreisrunde Wand und ein kuppelförmiges Zeltdach. Diese Urne gehört sicher in die Bronzeperiode der Kegelgräber und scheint nach allen Merkmalen etwas älter zu sein, als die Urne von Aschersleben. Das Dach dieser Urne gleicht ganz einem Kegelgrabe, und das Kegelgrab würde daher wieder eine ungefähre Nachbildung einer menschlichen Wohnung sein. Da das Grab von Kiekindemark der mittlern, reinen Bronzeperiode angehört, so möchte das hohe Giebeldach, welches in der Urne von Aschersleben nachgeahmt ist, eine etwas jüngere Construction sein und einen Fort=
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schritt in der menschlichen Cultur bezeichnen können, wenn nicht etwa die Urnen zwei ganz verschiedenen Völkerstämmen angehören.
Betrachtet man jetzt die Reihe der bisher bekannt gewordenen Urnen, welche ein Dach und eine Thür an der Seite haben, so läßt sich die Entwickelung der ältesten Architektur klar erkennen. Außer den beiden hier abgebildeten Hausurnen sind nur noch eine in Thüringen gefundene (in Leipziger Jahresber., 1826, zu S. 30, und Klemm Handbuch, Tab. XIV, Nr. 13 abgebildete) und eine auf der Insel Bornholm gefundene (in Historisch=antiquar. Mittheil. 1835, S. 100, und in Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, S. 40, beide von der Gesellschaft für nordische Alterthumskunde, abgebildete) Urne ähnlicher Art bekannt geworden. Diese beiden haben die Thür im Dache. Diese Urnen würden die älteste Gestalt der Wohnhäuser darstellen; die Thür lag zum Schutze gegen wilde Thiere so hoch: man mußte eine Leiter ansetzen, um in das Innere zu gelangen, und zog dann die Leiter nach sich hinauf und war durch die glatten, runden Wände geschützt. Aehnliche Wohnungen mit hochliegenden Thüren und beweglichen Leitern haben noch manche wilde Völkerschaften in Afrika.
Auf diese Urnen würde der Zeit nach die Urne von Kiekindemark folgen, welche zwar noch rund ist, aber schon eine Thür in der Seitenwand hat. Die jüngste von diesen Urnen möchte dann die Urne von Aschersleben sein, welche schon viereckig ist und ein Giebeldach hat.
G. C. F. Lisch.
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Meerblaue Glasperlen in Kegelgräbern.
Der Verein hat in frühern Zeiten zu Lehsen bei Wittenburg und zu Peccatel bei Penzlin zwei große Kegelgräber aufgegraben, deren Hauptinhalt aus Spiral=Fingerringen von Golddrath und meerblauen (caeruleus) Glasperlen neben Bronze bestand; die Beschreibung dieser Gräber ist in Jahresber. IV, S. 28 und Jahrb. X, S. 275 geliefert und namentlich an letzterm Orte zur genauern Untersuchung gezogen. Das Vorkommen dieses Glases von einer ganz charakteristischen, sonst nicht erscheinenden Farbe, neben naturwüchsigem Golde ist bis jetzt eines der Hauptmittel zur Bestimmung der Kegelgräber aus der Bronzeperiode und verdient eine unausgesetzte, scharfe Beobachtung.
In Holstein ist in den neuesten Zeiten ein gleicher Fund gemacht, welcher im Dreizehnten Bericht der königl. schlesw.=holst.=
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lauenb. Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterth., Kiel, 1848, S. 88, also beschrieben ist:
"Ein doppelter, reichlich dreimal um sich selbst gewundener Fingerreif von Golddraht, mehrere Bruchstücke von Glasperlen, blau=grün und weiß gefärbt, und einige bernsteinähnliche Bruchstücke. Diese Gegenstände sind im Gute Wensien in einem mit Busch bewachsenen Hügel, frei in der Erde liegend, gefunden und von dem Forstrath Kiene zu Cismar eingereicht worden.
G. C. F. Lisch.
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Krone von Lübtheen.
Der Schatz der Bronze=Kronen in den schwerinschen Sammlungen ist im J. 1849 durch einen neuen, merkwürdigen Fund vergrößert: in den Tagen der frankfurter Kaiserwahl gab die deutsche Erde eine uralte Krone von sich. Auf dem Acker des Herrn Dr. med. Becker zu Lübtheen, hinter dessen Hause, ward von dem jungen Sohne desselben dieses alterthümliche Kleinod gefunden, wie es sich beim Ackern um die Zinke einer Egge gelegt hatte und durch diese umhergeschleift ward. Die Krone ist von Rost nicht angegriffen, sondern von einer dünnen, fest anliegenden Schlammschicht und darüber an vielen Stellen von einer dünnen Kruste fester, stark eisenhaltiger Erdmasse bedeckt. Der Boden in der Gegend von Lübtheen enthält, wie bekanntlich sehr viele südwestliche Gegenden Meklenburgs, viel Morasteisen ("Klump"), selbst in Gestalt von Steinen, so daß damit gebauet wird. Auf dem genannten Acker war nun ein Wasserloch, welches vor Kurzem ausgemoddet war; wahrscheinlich hat die Krone in dieser Grube gelegen und ist dadurch mit einem Niederschlage von Eisen bedeckt worden; bei dem Ausmodden ist sie wohl auf den Acker gefahren und so unter die Egge gekommen. Der Herr Dr. Becker hat nun alsbald die Krone unserem allerdurchlauchtigsten Großherzoge überreicht.
Die Sammlungen in Schwerin besitzen jetzt drei Kronen aus der Bronzezeit, die einzigen auf dem Continent, so viel bekannt ist. Alle drei Kronen sind in Gestalt und Einrichtung gleich: es sind niedrige Zackenkronen, von welchen ungefähr ein Viertheil ausgeschnitten ist, das sich an einem Ende um einen Stift bewegen läßt und am andern Ende mit einem Stifte in eine Oeffnung greift, so daß sich die Krone öffnen und schließen läßt, um bequemer um eine Kappe gelegt werden zu können. Alle drei Kronen haben ungefähr gleich viele, niedrige Zacken.
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Die trechowsche Krone hat 17 Zacken, die vordere Spitze mit eingerechnet, - die lübtheener Krone hat 16 Zacken, die vordere Spitze mit eingerechnet.
Die älteste Krone ward im J. 1843 bei Doberan zu Admanshagen in einem Kegelgrabe gefunden; sie war zerbrochen im Grabe gefunden, wie die oxydirten Bruchenden beweisen, und etwas aus der kreisrunden Form in die Länge gezogen. Sie ist von rothem Kupfer, voll gegossen und schlecht polirt; der Stift, um den sich das ausgeschnittene Viertheil bewegt, ist jedoch schon von Bronze. Die Krone gehört also ohne Zweifel der allerältesten Zeit der Bronzeperiode an und stammt wohl aus der Zeit des Ueberganges von der Steinperiode in die Bronzeperiode. (Vgl. Jahrb. X, S. 272 flgd.).
Die zweite Krone ward im Anfange dieses Jahrhunderts, vor 1823, auf dem Hofe von Langen=Trechow bei Bützow beim Ausgraben eines Fundamentgrundes tief in der Erde gefunden. Sie ist aus Bronze, voll gegossen und mit dem tiefsten, schönsten edlen Rost bedeckt, den ein Stück des Alterthums nur haben kann. Sie wird der mittlern, ausgebildeten Zeit der Bronzeperiode angehören. (Vgl. Jahresber. VI, S. 112; abgebildet in Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig 1, und Jahrb. X, S. 273).
2/3 Größe.
Diese beiden Kronen sind an Größe, Gestalt und Verzierung ganz gleich. Sie haben einen Durchmesser von 55/8".
Anders ist die hier zur Behandlung stehende, im J. 1849 zu Lübtheen gefundene Krone. Sie ist zwar im Allgemeinen in der Gestaltung den beiden andern Kronen gleich: es ist eine Zackenkrone aus Bronze, von gleicher Höhe, mit 16 Zacken, die Bijouspitze mit eingerechnet, von derselben Einrichtung, wie die übrigen. Aber sie unterscheidet sich von den beiden andern
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wesentlich dadurch, daß sie hohl gegossen und größer ist: sie hat 7" im Durchmesser. Es ist unzweifelhaft, daß sie gegossen ist; von Löthung oder Nietung ist nicht die geringste Spur sichtbar: jeder Theil ist aus einem Stück gegossen. Das Innere ist allerdings nicht vollkommen und gleichmäßig hohl, da man beim Untersuchen nicht überall durchdringen kann; aber diese Krone wiegt nur 2 Pfund 2 Loth, obgleich sie viel größer ist, als die von Trechow, welche 2 Pfund 8 Loth wiegt. Auch hat die lübtheener Krone andere Verzierungen; die beiden anderen Kronen sind unter den Zacken mit drei nicht tiefen Parallellinien verziert, welche, mit dem untern Abschnitte, drei kleine Wulste bilden; die Krone von Lübtheen ist mit einer tiefen Parallelfurche verziert und unter den Zacken mit zwei feinen Parallellinien, welche von eingeschlagenen Punkten gebildet sind. - In Hinsicht auf den Hohlguß und die Verzierung mit "Einer Rille" auf dem Reife, gleicht sie ganz der in der Sammlung zu Kopenhagen aufbewahrten, zu Töndering im Amte Viborg gefundenen Krone, welche früher die einzige bekannte war und in den Historisch=antiquarischen Mittheilungen der Gesellsch. f. nord. Alterthumskunde, Kopenhagen, 1835, S. 103, und in dem Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde von derselben Gesellschaft, Kopenhagen, 1837, S. 50, abgebildet, jedoch nicht genau beschrieben ist. Sie ist, nach meinen Untersuchungen des Originals, ebenfalls hohl, sehr regelmäßig und sehr leicht, aber etwas kleiner, als unsere Krone; jedoch kann ich jetzt nicht mehr mit Bestimmtheit aussprechen, ob sie getrieben oder gegossen ist; aus der Erinnerung will es mir fast scheinen, als wäre sie aus Blech getrieben. In Hinsicht auf die Verzierung mit Einer Furche stimmt die Krone zu Kopenhagen aber ganz zu der Krone von Lübtheen. Nach dem Hohlguß und der Uebereinstimmung mit der dänischen Krone zu urtheilen, stammt die Krone von Lübtheen aus der jüngsten Zeit der Bronzeperiode.
Die schweriner Sammlungen besitzen daher jetzt Kronen aus allen Hauptzeiten der Bronzeperiode.
G. C. F. Lisch.
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Bronzen zu Kreien.
Auf der Hoffeldmark Kreien, Domanial=Amts Lübz, auf welcher man vor einigen Jahren ein höchst ausgezeichnetes Schwert aus Bronze fand, wurden im Frühling beim Ausbrechen von Steinen zum Bau des Küsterhauses die im Folgenden beschriebenen, prächtigen und seltenen Bronzen gefunden und durch die
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Fürsorge des Herrn Geheimen Amthsraths Drechsler zu Lübz an die großherzogliche Alterthümersammlung eingesandt:
ein Diadem oder Kopfring, äußerst kunstreich aus Bronzeblech gewunden, im Innern 6", im Aeußern 9" im Durchmesser, vorne
1/3 Größe
gegen 11/2" hoch, im höchsten Grade selten, ganz verschieden von den häufig vorkommenden, in Frid. Franc. Tab. X, Fig. 1 und 2, und Tab. XXXII, Fig. 3, abgebildeten, aus dicken, runden Bronzestangen gewundenen Kopfringen; Stirnbinden, wie die hier beschriebene von Kreien, sind fast so selten, wie die oben S. 316, und Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig. 1, abgebildeten Kronen aus Bronze, und ähneln nur den mit gravirten Bronzekesseln zu Roga und Lübberstorf (vgl. unten) gefundenen Stirnbinden, obgleich diese ohne Zweifel viel jünger sind und sehr wahrscheinlich eine gottesdienstliche Bestimmung gehabt haben;
2) ein Armwulst für den Oberarm von den größten Verhältnissen, aus Bronzeblech, hohl getrieben oder gegossen; es ist
1/3 Größe
ein bedeutender Wulst, ungefähr 4" im innern und 71/2" im äußern Durchmesser und 21/4" Höhe oder Dicke; ich habe solche Armwulste von dieser Größe nur einige in der Sammlung zu Stettin gesehen, von denen einer nach Kopenhagen abgegeben ist, aus einem Funde, welcher vor einigen Jahren in der Gegend von Stettin gemacht ward. Ein ähnlicher, jedoch kleinerer Wulst befindet sich in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin und ist zur Hälfte im Frid. Franc. Tab. XXI, Fig. 4 abgebildet; die andere Hälfte ward nach Vollendung des Frid. Franc. auf=
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gefunden, so daß jetzt das Ganze vollständig in der Sammlung ist. Der oben beschriebene Wulst von Kreien ist leider zerbrochen und nur zum Viertheil vorhanden; die Abbildung ist hiernach und nach dem Exemplare im Frid. Franc. ergänzt.
G. C. F. Lisch.
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Bronzen von Schwetzin.
Als auf dem Gute Schwetzin bei Teterow im Holze ein Weg geebnet werden sollte, ward beim Abtragen einer kaum merklichen Erhöhung ein unerwarteter Fund gemacht, welcher von dem Herrn Kammerherrn von der Kettenburg auf Matgendorf, Schwetzin . dem Vereine zum Geschenk gemacht ward. Bei dem Abgraben der Erde stießen nämlich die Arbeiter mitten im Wege auf eine thönerne Urne, welche mit der Basis ungefähr 11/2 Fuß unter der Oberfläche der Erhöhung stand und beim Ausgraben zerfiel. In dieser thönernen Urne stand ein Gefäß aus Bronze, welches ein Arbeiter mit nach Hause nahm und hier seinen Kindern zum Spielen gab, in Folge dessen es verloren gegangen sein soll. In diesem bronzenen Gefäße lagen folgende Bronzen:
ein Paar Armringe, welche ganz ungewöhnlich sind; beide Ringe sind oval, 21/2" und gegen 2" im innern Durchmesser, 1" weit geöffnet, massiv und jeder gegen 3/4 Pfund schwer; der eine ist rund der andere achteckig auf der Oberfläche;
ein Paar brillenförmige Haarspangen (?), jede Spange bestehend aus 2 platten, runden, 21/8" im Durchmesser haltenden Gewinden aus dünnem, runden Bronzedrath, welche durch einen eben so dicken, gekrümmten Bronzedrath in der Form alter Brillen verbunden waren, jetzt aber aus einander gebrochen sind, ganz wie die im Jahresber. VIII, S. 54 beschriebenen und erläuterten, zu Sophienhof gefundenen Spangen;
eine kleine Rolle oder hohler Cylinder aus Bronze, 13/4" lang und gegen 1/4" im Durchmesser;
ein Stück gereifeltes und gravirtes Bronzeblech, offenbar ein Bruchstück von einem größern Ganzen, theils mit alten, theils mit neuen Bruchenden.
G. C. F. Lisch.
Eine Schwertklinge aus Bronze,
mit Griffzuge, 2 Fuß lang in der Klinge, ohne Rost und Bruch, wohl erhalten, gefunden zwischen Brüel und Sternberg, ohne Zweifel in einem Moor, angekauft durch gütige Vermittelung des Herrn Rectors Dehn zu Brüel.
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Bronzegeräthe von Basedow.
Auf dem Felde von Basedow wurden im J. 1847 nicht weit vom malchiner See, unter Steinen, jedoch ohne weiter bemerkenswerthe Umstände, mehrere bronzene Alterthümer gefunden, deren Benutzung von dem Herrn Erblandmarschall Grafen Hahn dem Vereine gütigst gestattet ist. Diese Bronzen sind:
1) ein Kessel mit kegelförmigem Boden.
1/5 Größe
Das Ganze ist mit allen erhaben stehenden Verzierungen aus einem Stücke aus Bronze gegossen. Die innere Fläche ist rauh, mit häufigen, hervorstehenden kleinen Erhöhungen, aber ohne Näthe, so daß das ganze Gefäß über einen einzigen, zusammenhangenden Kerne gegossen ist. Die Außenfläche ist polirt. Der Kessel ist 4" hoch, 8" weit in der Mündung und 91/2" weit in dem hervorstehenden Bauchrande. Den größern Theil bildet die untere, kegelförmig oder halbkugelförmig gestaltete Bauchung, welche sich gegen die Oeffnung hin zurückzieht in einer 3/4" breiten, schräge geneigten Wandung, auf welcher der 11/4" hohe, senkrechte Rand steht. Der senkrechte Rand hat zwei aus demselben in gleicher Fläche hervorgehende, nicht aufgesetzte Henkel von 1 1/2" Länge und 3/8" Breite, unter denen sich ungefähr eben so große, etwas kleinere Oeffnungen befinden.
Die Außenfläche des Bauches ist mit erhabenen Verzierungen geschmückt, welche mit dem Gefäße zugleich gegossen und äußerst zierlich und regelmäßig sind. Die Verzierungen des Bauches bestehen aus 3 "Säumen", 2 "Bändern" und 1 "Schlußfläche". - Der erste Saum, 1" breit, dicht unter dem Bauchrande, besteht aus zwei Paaren paralleler Relieflinien, zwischen denen eine Reihe von erhabenen, 1/8" aus einander stehenden, ungefähr 1/16" bis 1/12" starken Halbkügelchen liegt. Dann folgt das erste Band von 1 1/2" Breite. Unter diesem liegt der zweite Saum, 3/4" breit, wie der erste gestaltet, jedoch bestehend aus zwei einfachen, parallelen Relieflinien, zwischen denen eine parallele Reihe von Halbkügelchen liegt. Dann folgt das zweite Band von beinahe 1 1/2" Breite. Hierauf kommt der dritte Saum, 1" (Maßangabe unvollständig!) breit, welcher aus drei, dicht neben einander stehenden Relief=
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kreisen gebildet ist. In diesem Saume liegt die Schlußfläche von 1 3/8" Durchmesser.
Die beiden Bänder und die Schlußfläche sind alle gleich verziert, nämlich mit gleich großen "Augen", von 3/4" Durchmesser, welche aus 4 dicht stehenden, glatten, concentrischen Reliefkreisen und einem kreisförmigen Knöpfchen von 3/16" Durchmesser in der Mitte gebildet sind. Das erste Band hat 13 solcher "Augen" auf ganz glatter Grundfläche, das zweite Band eben so 5 solcher "Augen", die Schlußfläche eben so 1 Auge.
Der eigentliche Boden des Kessels (bestehend aus dem zweiten, untern Bande, dem dritten, letzten Saume und der Schlußfläche) ist hieneben abgebildet:
1/3 Größe
Die erhabenen Relieflinien, welche die Säume begrenzen und bilden, sind alle mit dichten, eingravirten Schrägestrichen verziert gewesen. An dem ersten, obern Saume sind diese Gravirungen noch erhalten; an dem zweiten Saume sind sie nur noch hin und wieder kaum erkennbar, auf der Schlußfläche sind sie ganz verwischt. Also je mehr nach unten hin, desto undeutlicher werden die Gravirungen; hieraus geht hervor, daß das Gefäß sehr häufig niedergesetzt und die Gravirung dadurch abgescheuert ist.
Der senkrechte Rand des Gefäßes ist oben und unten von einer Relieflinie begrenzt, welche ebenfalls mit Schrägestrichen gravirt ist. - Zwischen diesen beiden parallelen Linien, welche ein Band bilden, liegen drei lang gestreckte, oblonge Verzierungen, 3/4" breit und je 5 1/2", 6" und 8" lang, wie ein endlos verbundenes Band, gebildet aus einer ebenfalls mit Schrägestrichen verzierten Relieflinie.
Die Außenfläche dieses Kessels ist trefflich polirt und mit starkem und schönem edlen Rost bedeckt. Die innere Fläche des Randes ist auch etwas geebnet und mit Rost bedeckt.
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Das Innere des Bauches ist rauh und schmutzig. Die ganze innere Fläche ist eben, wenn auch rauh; die Verzierungen auf der obern Fläche sind mit der Schale gegossen und nicht von innen getrieben: auf der innern Fläche ist keine Spur von Vertiefung für die Erhabenheiten auf der Oberfläche zu finden.
2) In diesem Kessel lagen zwei Buckel, halbkugelförmig, mit einem horizontalen Rande, wie Hüte gestaltet, ohne Verzierungen und Löcher; im Innern eines jeden ist in der Mitte ein geschlossener Ring von der Weite der Höhe der Buckel angelöthet. Diese beiden Buckel, welche hieneben durchsichtig abgebildet sind, so daß man die innern Ringe sehen kann, sind von verschiedener Größe; der größere
1/6 Größe
hat 5" Durchmesser auf der untern Fläche und 1 3/4" Höhe; der kleinere
1/6 Größe
hat 3 1/2" Durchmesser auf der untern Fläche und 11/4" Höhe.
Beide Buckel sind auf der obern Fläche polirt und mit edlem Rost bedeckt, auf der untern Fläche nur geebnet.
3) Neben dem Kessel lagen zwei gewundene "Kopfringe", mit Haken geschlossen, von der häufig vorkommenden, ge=
wöhnlichen Gestalt, der eine 8" weit, der andere 9" weit, beide mit edlem Rost bedeckt. Auf beiden Liegeflächen (unten und oben, wenn die Ringe auf einer Fläche liegen) sind die Windungen stark abgescheuert, ja an einigen Stellen ganz verschwunden. Die Windungen nach außen und innen sind besser, namentlich sind sie auf der innern Fläche vollkommen erhalten.
Die ganze Gestaltung, die Verzierung und der edle Rost dieser Bronzen lassen die "unbedenkliche" Annahme zu, daß sie aus der Bronzezeit stammen. Der Rost ist so vollkommen
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wie ihn nur die zahlreichen, bekannten Bronzen aus jener Periode haben können.
Wahrscheinlich war einst das Gefäß mit einem Deckel durch einen durchgeschobenen Riegel verschlossen; es gleicht daher den kleinen Dosen oder Büchsen aus jener Zeit, welche häufiger vorkommen. Die Oeffnungen unter den Henkeln deuten klar auf die Durchschiebung eines Riegels, da der untere Rand des Henkels gerade so tief hinabgeht, daß man einen dünnen Riegel durch beide Oeffnungen durchschieben kann, wenn das Gefäß durch einen Deckel verschlossen ist. Man kann daher diese Hervorragungen nicht eigentlich Henkel nennen; die Oeffnung unter denselben ist die Hauptsache; auch zeigen die Henkel keine Spur von Abnutzung. Häufig sind Gefäße dieser Art mit denselben Verzierungen, namentlich aus Gold, im Norden vorgekommen. Am ähnlichsten ist das kleine, mit einem goldenen Armringe und mit Bronzehütchen zusammen gefundene Bronzegefäß von Parchim, welches in Jahrbüchern X, S. 281, abgebildet ist. Dieses ist freilich von den kleinsten Dimensionen und die Verzierungen sind gravirt; aber die "Augen" und die queer gravirten Relieflinien sind vorhanden. Die "Augen" oder concentrischen Kreisstellungen, ähnlich den Spiralwindungen (Jahrb. XI, S. 360), sind dieser Periode eigenthümlich. Die Verzierung mit kleinen Halbkügelchen finden sich auch auf den Bronzeschalen von Dahmen (Jahrb. X, S. 283) und Lukow (Jahrb. XIII, S. 376). Vorzüglich aber ist es die ganze Beschaffenheit der Bronzen, welche sie in die Bronzenperiode verweiset.
Vom höchsten Interesse ist dieser Fund aber dadurch, daß er in vielfacher Beziehung dem Funde der Bronzen zu Lübberstorf ähnelt, aber auch nur ähnelt, welcher im Folgenden beschrieben ist und ohne Zweifel einer jüngern Zeit angehört.
G. C. F. Lisch.
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d. Zeit der Wendengräber.
Wendisches Priestergeräth von Lübberstorf.
In Jahresber. VII, S. 33-44, ist ein höchst merkwürdiger Fund von Bronze beschrieben, welcher im J. 1841 zu Roga bei Friedland gemacht ward; der Fund bestand aus einem gravirten Bronzekessel, einem Diadem, drei Paar Armringen, drei Kopf= oder Halsringen, alles aus Bronze, und einer Spange aus Bernstein. Im J. 1838 war bei Wesenberg ein ähnlicher Fund gemacht, aus einem Kessel und 7 Armringen von gleicher Beschaffenheit bestehend.
Jetzt, im J. 1847, ist zu Lübberstorf bei Friedland, in 1 Meile Entfernung von Roga, merkwürdiger Weise derselbe Fund gemacht, welcher den rogaer Fund bedeutend zu erläutern im Stande sein mag. Diese Sachen, alle aus Bronze, lagen "an der Seite eines Wallgrabens bei Lübberstorf, ungefähr 4 Fuß tief, in Moorerde, in einer Kiste von 6 Sandsteinen, von denen 4 die Seiten, 1 den Boden und 1 den Deckel bildeten." Die Sachen waren also ohne Zweifel nicht verloren gegangen, sondern hier sorgfältig in alter Zeit verborgen. "Darüber lagen wild durch einander liegende, große Baumstämme, welche bereits vergangen waren. Hin und wieder fanden sich in der Nähe Reste von Kohlen." Alle Sachen sind ohne Rost, da sie im Moor gefunden sind.
Der Herr von Oertzen, Besitzer des Gutes Lübberstorf und des Fundes, hat die Sachen dem Vereine zur wissenschaftlichen Benutzung gütigst anvertrauet.
Der Fund hat sicher eine große Bedeutsamkeit durch seinen ungewöhnlichen Reichthum, durch Vergleichung mit dem Funde von Roga und anderen ähnlichen Funden, welche bisher nur im Lande Stargard beobachtet, durch Vergleichung mit den Bronzen von Basedow aus der Bronzeperiode, welche in der voraufgehenden Darstellung beschrieben sind.
L. Giesebrecht hat in den Baltischen Studien XI. H. 1, S. 22 flgd. die in dem rogaer und andern ähnlichen Funden vorkommenden Kessel und sonstigen Geräthe zu deuten versucht. Wir vermögen seinen gewagten Hypothesen nicht zu folgen, können uns also auf dieselben nicht einlassen, sondern müssen uns mit einer genauen Beschreibung und Darstellung der Sachen be=
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gnügen, schon deshalb, weil wir glauben, daß die Erfahrungen noch viel zu jung sind, um ein einigermaßen wahrscheinliches Urtheil fällen zu können. Wir haben aus Giesebrechts Abhandlung hier, wie schon vorher bei der Beschreibung des basedower Fundes, nur die Bezeichnung der Verzierungsstreifen auf den gravirten Kesseln entnommen, um uns verständlicher machen zu können.
Es ward in Lübbersdorf gefunden:
1) Ein gravirter Kessel, ungefähr wie der rogaer. Er hat wie dieser einen kegelförmigen Bauch und auf demselben einen senkrechten Rand. Der ganze Kessel ist 6" hoch, 8" weit in der Mündung, 10" weit im Bauche.
1/3 Größe
Ueber dem scharfen, 7/8" breit eingezogenen Bauchrande ragt die senkrechte Wand der Mündung 15/8" hoch empor und legt sich nach innen gegen 1" breit zu einem Rande um, der mit durchgeschlagenen, mit den Spitzen gegenüber stehenden großen Dreiecken verziert ist, wodurch die stehengebliebenen Bronzestreifen ein Zickzackband zwischen zwei concentrischen Bändern bilden. Auf diesem Rande stehen zwei oblonge, 17/8" lange Henkel, welche wahrscheinlich aus Einem Stücke mit dem Kessel gegossen sind.
Der ganze Kessel ist aus Einem Stücke über einem Kern gegossen und auf der innern Fläche rauh, mit einzelnen, hervorstehenden Bronzestückchen, jedoch ohne Näthe, welche einen zusammengesetzten Kern vermuthen lassen könnten.
Der kegelförmige Boden des Kessels ist polirt und ganz mit gravirten Verzierungen bedeckt, von denen wir einen perpendiculairen Ausschnitt in getreuer Abbildung geben.
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Ganze Größe.
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Diese Verzierungen bestehen aus drei "Bändern", jedes zwischen zwei "Säumen", und der Verzierung auf dem platten Knopfe im Boden oder der "Schlußfläche". Alle Verzierungen sind gravirt; die ganze Außenfläche ist glatt, ohne irgend eine Erhöhung.
Die drei untern "Säume" bestehen aus einem 1/4" breiten Kreise, welcher mit eingegrabenen, dicht stehenden, perpendiculairen Queerlinien verziert und an beiden Seiten durch eingeschlagene, kleine Kreissegmente begrenzt ist.
Von den Bändern sind das obere und untere gleich verziert, nämlich mit zusammenhangenden "Drachenverzierungen", das obere mit 20, das untere mit 10 solcher Windungen. Das mittlere Band aber ist mit frei stehenden Drachen verziert, welche ganz so gestaltet sind, wie die Drachen 1 ) auf dem Kessel von Roga; auf diesem Bande stehen zehn Drachen. Der glatte Knopf im Boden oder die "Schlußfläche" ist sehr abgescheuert und von den Verzierungen ist durchaus nicht mehr zu erkennen, als hier abgebildet ist; dem Anscheine nach haben die Verzierungen aus 4 vollen Kreisverzierungen bestanden, deren jede aus 3 concentrischen Kreisen gebildet ist; der eingestochene Mittelpunkt ist noch in jeder dieser Kreisverzierungen vollkommen erhalten. Der oberste Saum am Bauchende steht etwas hervor
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und ist in Zwischenräumen von ungefähr 3/8" mit Gruppen von eingravirten Perpendiculairlinien verziert.
Die senkrecht stehende Wand der Mündung ist mit 3 erhabenen Reifen geschmückt, welche mit dicht stehenden, eingravirten Schrägelinien verziert sind.
Der innerste Rand innerhalb der durchgeschlagenen Dreiecke bildet einen etwas erhabenen Saum, der mit Gruppen von abwechselnd schräge rechts und schräge links eingegrabenen Linien verziert ist.
Die beiden Henkel haben ohne Zweifel als solche wirklich gedient, da sie in allen Ecken sichtbar ausgeschliffen sind.
2) Zwei Buckel (?), ganz den beiden merkwürdigen Buckeln gleich, welche in der Sammlung zu Neu=Strelitz aufbewahrt werden und welche Giesebrecht B. St. XI, 1, Lithogr. Fig. 11 und 12 hat abbilden lassen. Diese Abbildungen bei Giesebrecht sind ungenau, da weder Beschreibung, noch Zeichnung die innere Einrichtung dieser Buckel zeigen; die innere Einrichtung ist aber sicher von wesentlicher Bedeutung. Die beiden neustrelitzer Buckel, welche ich wiederholt untersucht habe und von welchen ich getreue Abbildungen besitze, sind grade so groß und ähnlich eingerichtet und verziert, wie die lübberstorfer. Die ebenfalls gegossenen Buckel haben eine trichterförmige Gestalt und würden Trichter vorstellen können, wenn nicht die Oeffnungen der Spitzen geschlossen wären. In beiden Funden findet sich ein größerer und ein kleinerer Buckel.
a. Der größere Buckel ist 4 1/2" hoch und gegen 5" weit in der
1/2 Größe
Mündung. Er ist zwischen ähnlich gravirten Säumen, wie sie der Kessel trägt, mit zwei Bändern verziert. Das Band zunächst der Mündung trägt 17 Windungen von Drachenverzierungen, wie sie auf dem Kessel stehen. Das Band zunächst der Spitze hat 10 Windungen von Verzierungen, welche in der
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untern Hälfte aus Drachenhälsen bestehen, also aus Drachenverzierungen und Drachen zusammen gesetzt sind.
Im Innern steht auf einem Stuhle von 3 Bronzestangen grade in der Mitte der Höhlung eine perpendiculaire Bronzestange, welche einen runden, glatten Knopf von 1" Durchmesser trägt, welcher mit seiner ganzen Dicke grade über die Fläche der Mündung hinausragt, so daß es scheint, als wenn der Buckel auf eine Fläche hat aufgeknöpft werden sollen.
b. Der kleinere Buckel ist gegen 4" hoch und 4" weit
1/2 Größe
in der Mündung. Die Außenfläche ist zwischen Säumen mit zwei Bändern verziert, wie die Außenfläche des größern Buckels. Das Band zunächst der Mündung trägt 12 Windungen von Drachenverzierungen. Das Band zunächst der Spitze hat 4 frei stehende, ganze Drachen, grade so, wie sie auf dem Kessel dargestellt sind.
Die innere Einrichtung ist etwas anders, als die des größern Buckels. An einer Seite steht in der Mitte der innern Wandfläche eine perpendiculaire Stange, welche einen platten Knopf von 3/4" Durchmesser trägt. Grade gegenüber stehen auf der innern Wandfläche etwas schräge gegen innen geneigt 2 Stangen, auf welchen, in gleicher Höhe mit dem Knopfe, ein Schemel von 15/8" Länge ruht. Knopf und Schemel ragen grade über die Mündung hervor. Diese Einrichtung hat wahrscheinlich dazu gedient, daß unter dem Schemel weg ein Riemen durchgezogen ist, dessen Ende auf den Knopf geknöpft ward.
Die neustrelitzer Buckel sind in so ferne anders eingerichtet, als in beiden die Stange mit dem Knopfe in der Mitte der Höhlung auf einem dreifüßigen Stuhle steht, also beide so eingerichtet sind als der größere Buckel von Lübberstorf.
Giesebrecht, welcher den ganzen rogaer Fund für einen Apparat zur "Regenbeschwörung" hält, erklärt S. 78 diese Buckel für "Buckel von Schilden des Gerovit, des Frühlingssiegers, des Gottes der Ackerbauer."
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3) Ein Diadem.
1/3 Größe
In dem rogaer Funde befand sich eine, Jahresber. VII, S. 37 abgebildete, reich verzierte Binde aus biegsamem Bronzeblech, welche wir dort ein Diadem nannten. Ein ähnliches Geräth fand sich auch bei den Sachen von Lübberstorf, jedoch von anderer Einrichtung. Es ist ein gegossener, nicht biegsamer, geschlossener Reifen, ähnlich einer niedrigen Krone ohne Zacken. Nach heutigen Begriffen könnte man das Geräth für einen Beschlag oder Ring um ein Gefäß oder dessen Oeffnung halten; es fehlen jedoch alle Anzeichen, daß es je an etwas befestigt gewesen wäre; auch redet hiergegen wohl die Verzierung. Der Reifen ist nach beiden Seiten hinausgebogen, an der einen Seite mehr, als an der andern. Auf der Außenseite sind beide Ausbiegungen mit 3 sauber und regelmäßig eingegrabenen concentrischen Kreisen verziert. Auf der innern Seite ist die breitere Ausbiegung mit einem Kreise, die schmalere mit zwei Kreisen geschmückt. Das Ganze ist sorgfältig geebnet und polirt.
Der innere Durchmesser dieses Reifen ist 7", also grade so groß, als der Durchmesser des rogaer Diadems, und paßt grade auf den Kopf.
Bei gleicher Größe und gleich sorgfältiger Bearbeitung möchte ich also den beiden Geräthen aus den beiden Funden dieselbe Bestimmung zuschreiben.
Giesebrecht a. a. O. S. 49 hält "das rogaer Diadem
Bronzene Stirnbinde von Roga. 1/2 Größe.
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für den Gürtel einer Priesterin." Hatten aber beide Geräthe, von Roga und von Lübberstorf, dieselbe Bestimmung, wie es unter ganz gleichen Umständen den Anschein hat, so kann das Geräth von Roga kein Leibgürtel sein, da sich das Geräth von Lübberstorf nicht um den Leib legen läßt.
4) Sechs geschlossene "Armringe". Die Ringe sind
1/3 Größe
dünne, wie Blech, inwendig gehöhlt, geschlossen, oval, 3" und 21/2" im Durchmesser. An einer langen Seite haben sie als Verzierung zwei hohl getriebene Knäufe, wie die nordischen sogenannten "Eidringe", als wenn sie geöffnet werden sollten, obgleich sie geschlossen sind, und an jeder Seite dieser Knäufe Gruppen von eingravirten Queerlinien. Die Ringe sind so groß, daß sie eine kleine Hand durchlassen. Da sie wahrscheinlich, vielleicht in dem Kessel, fest verpackt gewesen sind, so haben sie etwas Rost angesetzt, der aber so dünne ist, daß überall die Bronze durchschimmert. - Auch bei Roga wurden neben dem Kessel und dem Diadem sechs solcher Ringe, jedoch mit ganz anderer Einrichtung (vgl. Jahresber. VII, S. 36), und bei Wesenberg ebenfalls sieben solcher Ringe, wie bei Roga, gefunden.
5) Ein geöffneter "Armring", mit sehr schönen Ver=
zierungen, welche theils durch den Guß, theils durch Gravirung hervorgebracht zu sein scheinen. Der längste innere Durchmesser ist 21/4" und umschließt einen schmächtigen Unterarm.
6) Zwei Spiralcylinder aus dreieckigem Drath, der eine
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1/3 Größe
von 13, der andere von 14 Windungen, ebenfalls 21/4" im innern Durchmesser.
7) Zwei gewundene "Kopfringe" von der gewöhnlich
1/3 Größe
vorkommenden, häufigen Form, beide von gleicher Größe und Stärke, ungefähr 71/2" im Durchmesser, mit Haken geschlossen.
8) Ein gewundener "Kopfring", von gleicher Größe und Einrichtung, aber etwas dünner und feiner gearbeitet.
9) Ein gewundener "Halsring", mit Haken geschlossen, wie die Kopfringe, von starker, breiter Windung, 53/8" im Durchmesser.
10) Ein gewundener "Halsring", eben so eingerichtet, mit Haken geschlossen, von feiner, schmaler und enger Windung, ebenfalls 53/8" im Durchmesser.
11) Zwei "Kopfringe", mit überfassenden Haken geschlossen, dick und stark, von kräftiger Windung, 8" im innern Durchmesser. Diese Ringe haben das Eigenthümliche, daß an drei Stellen in den Vierteltheilungen des Kreises die Windungen zurückgehen und nach der entgegengesetzten Richtung umschlagen, wie hier ein Stück
in voller Größe
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abgebildet ist. Diese Ringe gleichen daher den in den Begräbnissen bei Ludwigslust gefundenen, in Frid. Franc., Tab. XXXII, Fig. 3, abgebildeten Ringen; in den Begräbnissen bei Ludwigslust, welche keinen Hügel mehr haben, findet sich schon häufig Eisen. Noch zu dem Griffe der nördlichen Pforte des Doms zu Güstrow (vom J. 1226) ist grade ein solcher Ring benutzt.
Dieser Fund von Lübberstorf, welcher in allen Einzelnheiten seiner Auffindung sicher verbürgt ist, kann einst von ungemeiner Wichtigkeit werden, theils weil er alles umfaßt, was bisher vereinzelt im Lande Stargard an ähnlichen Gegenständen gefunden ist, theils weil er den Fund von Roga, welcher durch Diadem und Kessel bisher am deutlichsten redet, vielfach erläutern kann. Dazu kommt noch, daß er in dem Funde von Basedow, welcher ohne Zweifel aus einer viel ältern Zeit stammt, einen Vorläufer zu haben scheint, wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß der Kessel von Basedow ein Gefäß zum Verschließen, der Kessel von Lübberstorf ein Kessel zum Aufhängen war; jener hat Oeffnungen zum Durchschieben eines Riegels, dieser hat Henkel zum Aufhängen.
G. C. F. Lisch.
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Ueber die schwarzen Urnen der Wendenkirchhöfe.
Die gleichmäßige, pechschwarze Färbung vieler, mit Punctlinien verzierten Urnen aus der Eisenperiode ist schon häufig Gegenstand der Forschung gewesen. In Jahrb. XII, S. 431 hat der Herr Apotheker von Santen zu Cröpelin nach leichter chemischer Untersuchung die Behauptung aufgestellt, daß die schwarze Farbe durch eine Art "bleihaltiger Glasur" hervorgebracht sei; eine genauere Analyse war freilich nicht vorgenommen. Diese Ansicht bezweifeln mehrere erfahrene Töpfermeister; ich faßte daher auf Anrathen derselben einen andern Entschluß, Scherben von verschiedenen Urnen in den Töpferofen zu bringen. Es wurden Scherben von Urnen der Kegelgräber und von pechschwarzen und von braunen, mit Punctlinien verzierten Urnen der Wendenkirchhöfe in den Töpferofen gelegt und mit einem Brande von Töpferwaaren gebrannt. Dieser Versuch gab das überraschende Ergebniß, daß alle diese verschiedenen Scherben durch den Brand im Ofen ganz genau ein und dieselbe rothe Farbe erhalten hatten, welche das moderne gebrannte Töpfergeschirr ohne Glasur zeigt und welche der einheimische Thon durch das
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Brennen immer erhält; die pechschwarzen Urnenscherben waren durch das Brennen eben so gleichmäßig roth geworden, wie alle übrigen Gefäße im Brennofen. Es war nicht die geringste Spur von irgend einem färbenden Material übrig geblieben.
Die darauf angestellten Versuche, den etwa vorhandenen schwarzen Ueberzug auf nassem Wege, durch Aether, Spiritus, Säuren u. s. w., zu erweichen, blieben eben so erfolglos; die Urnenscherben zeigten nach allen Versuchen immer nur dieselbe schwarze Thonmasse.
Wir kommen daher immer wieder auf unsere ursprüngliche Ansicht zurück: daß die schwarzen Urnen der Eisenperiode durch Rauch von Pflanzenstoffen oder Ruß schwarz gefärbt seien. Auch die auf ähnliche Weise verfertigten schwarzen jütischen Töpfe werden durch Brennen im Töpferofen weiß. Nur das muß noch hinzugefügt werden, daß die schwarze Farbe nicht nach gänzlicher Vollendung der (gleichmäßig schwarzen) Urnen aufgebracht ist; vielmehr ist die ganze bekleidende, äußere, feine Thonschicht in der Masse gefärbt und dann aufgetragen und nach dem Erhärten geglättet ("gegniedelt", wie die Töpfer sagen). Dies wird dadurch außer Zweifel gesetzt, daß die bekleidende schwarze Thonschicht durch und durch gleichmäßig schwarz erscheint, wenn man die Scherben durchbricht. Die schwarz gefleckten, braunen Urnen aus derselben Fabrik sind freilich durch das Anschlagen des Rauches schwarz geflammt.
G. C. F. Lisch.
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Wendenkirchhof von Kl. Plasten.
Auf der Feldmark des dem Herrn von Blücher gehörenden Gutes Kl. Plasten bei Waren ward beim Ausbrechen von Chausseesteinen im J. 1847 ein großer Wendenkirchhof entdeckt und aufgegraben. Der ungefähr eine halbe Viertelmeile vom Hofe entfernt liegende Begräbnißplatz bildete eine niedrige, flache, natürliche Hochebene, ohne Erhöhungen, so daß äußerlich kein Anzeichen für einen Begräbnißplatz vorhanden war. Dieser Wendenkirchhof ward also, wie gewöhnlich, wieder durch Zufall entdeckt; man hatte jedoch schon früher bemerkt, daß unter der Erdoberfläche Steine lagen, und diese sollten bei Gelegenheit des Chausseebaues ausgebrochen werden. Bei dem Ausbrechen der Steine fand man, daß zwischen denselben Urnen standen und man ging deshalb vorsichtiger zu Werke. Bei der Aufdeckung des Platzes war auch der Herr Lieutenant von Blücher zu Neu=Strelitz, Sohn des Besitzers, leitend und theilnehmend gegen=
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wärtig. Es ergab sich bei der Aufdeckung, daß der ganze weite Raum durch eine unterirdische Mauer von Feldsteinen umgrenzt war. Innerhalb dieser Umgrenzung standen ungefähr 1 Fuß tief unter der Erdoberfläche hunderte von Urnen neben einander, mit Feldsteinen von mäßiger Größe umpackt. Die Urnen waren mit zerbrannten Knochen gefüllt, zwischen denen Altherthümer aus Eisen und Bronze lagen. Die Urnen waren größtentheils zerbrochen und zerfielen bei der Aufgrabung; jedoch gelang es den eifrigen Bemühungen der Herren von Blücher, mehrere Urnen vollständig zu retten. Mehrere Urnen, namentlich eine vollständig erhaltene, war tiefschwarz und mit mäanderförmigen Verzierungen aus Punctlinien, welche mit einem laufenden, gezahnten Rade eingedrückt waren, verziert. Nach diesen Verzierungen, der schüsselförmigen Gestalt aller Urnen, den bekannten Alterthümern aus Eisen und andern Merkmalen erwies sich dieser Begräbnißplatz als ein sogenannter Wendenkirchhof mit allen Eigenthümlichkeiten, welche bisher immer in den Wendenkirchhöfen aus der Eisenperiode beobachtet sind. Dieser charakteristische Wendenkirchhof von Kl. Plasten mit den eigenthümlichen Urnenverzierungen, welche gegen Westen bis tief in die Altmark hinein beobachtet sind, gehört neben denen von Laschendorf und Pampow (Jahrb. XIII, S. 380 und 381) zu den östlichsten, welche bisher in Meklenburg beobachtet sind.
Die auf diesem Begräbnißplatze gefundenen Alterthümer sind nicht zusammengeblieben.
I. Der Herr Lieutenant von Blücher nahm mit nach Neu=Strelitz für die dortige Sammlung vaterländischer Alterthümer:
eine kleine, ganz schwarze Urne, 73/4" hoch, 92/3" im Bauche und 23/4" im Fuße im Durchmesser, reich mit Punctlinien verziert, von Gestalt und Verzierung fast ganz, wie die in Jahrb. XII, S. 433, Nr. 7, abgebildete Urne, nur daß die Halbkreise in den Verzierungen fehlen;
eine große, hellbraune Urne, mit einem horizontalen Kreise von Puncten am Rande verziert (welche in Privathände gekommen ist);
eine Heftel aus Bronze;
zwei
Hefteln aus Eisen;
eine Schnalle
aus Bronze;
ein Schildbuckel aus
Eisen, ohne Stange und Knopf auf der Spitze, nur
zuckerhutförmig gestaltet und spitz auslaufend,
vollständig, mit Nieten im horizontalen Rande,
wie die unten beschriebenen zwei
fragmentarischen, spitzen Buckel;
zwei Lanzenspitzen aus Eisen;
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zwei kleine Messer aus Eisen, 4"
lang, an der Spitze nach hinten gebogen, mit
eisernem Griffe, wie das unten beschriebene
Exemplar;
drei Nadeln aus Bronze,
zerbrochen;
ein Bruchstück von
einem Beschlage aus Bronze;
ein Spindelstein.
II. Das Uebrige, von welchem Manches noch später gefunden ward, schenkte der Herr Gutsbesitzer von Blücher auf Kl. Plasten der Vereins=Sammlung zu Schwerin, namentlich:
eine dunkelbraune Urne, weit geöffnet, von der Gestalt, wie die im Jahrb. XII, S. 432, Nr. 5, abgebildete Urne, nur mit einer eingegrabenen horizontalen Linie um den Bauchrand verziert, über dieser mit einer Thonschicht geglättet, unter derselben rauh, 83/4" hoch, 10" weit in der Oeffnung, ungefähr 12" weit im Bauche, 43/4" in der Basis im Durchmesser;
eine hellbraune Urne von ähnlicher Beschaffenheit, jedoch am Rande rund umher abgebrochen;
eine ganz schwarze Urne, von der charakteristischen, schüsselförmigen Gestalt der Urnen der Wendenkirchhöfe, wie die in Jahrb. XII, S. 433, Nr. 7, und Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 8, abgebildeten Urnen, ganz glatt und nur mit einer eingegrabenen horizontalen Linie unter dem Rande verziert, 6" hoch, 73/4" weit in der Mündung, ungefähr 10" im Bauche und gegen 3" in der Basis.
In dieser Urne lag:
eine schön verzierte und völlig erhaltene Scheere aus Bronze, 81/2" lang, mit einem nur sehr leichten Anfluge von Rost, sehr hübsch verziert, von der Form der heutigen Schaafscheeren, wie sie sich aus Eisen in allen großen Wendenkirchhöfen finden und auch in diesem Wendenkirchhofe eine gefunden ward (vgl. unten); diese Scheere ist die erste bronzene Scheere von muthmaßlich einheimischer Arbeit, welche in Meklenburg gefunden ist, und eine der schönsten Arbeiten aus der Eisenperiode; die in den römischen Gräbern von Kelle, Hagenow und Kittendorf gefundenen, in Jahresber. V, Lithogr. Fig. 6, und VIII, Lithogr. Fig. 7 abgebildeten bronzenen Scheeren sind von gleicher Gestalt, aber etwas zierlicher.
Alle folgenden Alterthümer sind aus zerstörten Urnen gerettet:
drei Schildbuckel aus Eisen, ungefähr wie Frid. Franc. Tab. IX, mit hohen Knöpfen, wie sich solche Schildbuckel gewöhnlich in den Wendenkirchhöfen finden;
zwei Schildbuckel aus Eisen, ohne Knöpfe, nur zuckerhutförmig und spitz auslaufend;
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mehrere Niete mit Knöpfen aus Bronze und aus Eisen, wahrscheinlich zu den Schildbuckeln gehörend;
elf Lanzenspitzen aus Eisen, von verschiedener Größe, von denen ungefähr 6 ziemlich erhalten, die übrigen zerbrochen sind;
eine Scheere aus Eisen, von der Gestalt der heutigen Schaafscheeren und wie die oben beschriebene bronzene Scheere, ungefähr 11" lang, zerbrochen und nur in einer Klinge vorhanden;
zwei grade Messer aus Eisen, 6" lang;
ein kleines Messer aus Eisen, 31/2" lang, an der Spitze nach hinten gebogen, sehr zierlich und mit eingeschlagenen Puncten verziert, mit Griff aus Eisen;
ein ähnliches Messer, Bruchstück;
ein halbmondförmig nach hinten gebogenes Messer aus Eisen, gegen 3" lang;
zwei Fragmente, wahrscheinlich von eisernen Messern;
vierzehn Hefteln aus Bronze, mit Spiralfedern, von der in Jahrb. IX, S. 343, und Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 13, abgebildeten Form; drei von diesen den Wendenkirchhöfen eigenthümlichen Hefteln sind noch vollständig, die übrigen zerbrochen;
funfzehn Hefteln aus Eisen von derselben Gestalt;
mehrere Bruchstücke von Beschlägen aus Eisen und aus Bronze;
zwei Spindelsteine aus gebranntem Thon.
G. C. F. Lisch.
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Wendenkirchhof von Helm.
Nachtrag.
In Jahresber. IV, S. 39 flgd., V, S. 66 flgd. und VII, S. 31, ist die Aufgrabung des großen Wendenkirchhofs zu Helm bei Wittenburg, welche der Herr Pastor Ritter vornahm, beschrieben. In neuern Zeiten fand auf diesem Wendenkirchhofe der Holzwärter Herr Bolle zu Helm noch ein merkwürdiges bronzenes Werkzeug, welches er dem Herrn Pastor Hast zu Hagenow gab, der es wieder dem Vereine schenkte. Dieses Instrument, von Bronze, mit leichtem, edlen Rost bedeckt, ist ganz eigenthümlich und bisher noch nicht vorgekommen; es ist 61/2" lang und gleicht einer flachen Harke oder einem auf eine Stange gestellten Kamme, oder noch besser einem umgekehrten T (im Original steht der Buchstabe auf dem Kopf), jedoch mit 4 Zinken.
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Volle Größe
Die Stange hängt an einem Ringe, so daß das Geräth etwa an einem Gürtel, getragen ist; die Zähne oder Zinken stehen dann in die Höhe. Es erscheint dieses Geräth also als ein Gürtelgehenk, zu dem Zwecke, um über die Zähne oder Zinken Schnüre zu schlingen und an diese etwas zu hängen oder zu befestigen. Griff und Kamm sind platt und mit Kreisen und eingeschlagenen halbmondförmigen Ornamenten verziert. An einer
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Seite ist der Griff nicht verziert, vielleicht auf der Seite, welche am Leibe getragen ward.
Das Geräth ist ganz eigenthümlich und erhält dadurch eine besondere Bedeutung, daß dasselbe Geräth in den merkwürdigen Gräbern von Bel=Air bei Lausanne gefunden ist, welche Troyon in den Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft zu Zürich, Bd. I, 1841, und allein in Déscription sur les tombeaux de Bel=Air, Lausanne, 1841, beschrieben hat. Diese Gräber sind nicht alt und haben, trotz ihres eigenthümlichen Charakters in vielen Dingen, in mancher Hinsicht doch eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Inhalt unserer Wendenkirchhöfe, z. B. in Schnallen, Fingerringen, Hefteln, Korallen, Messern, Scheeren u. s. w., wie die von Troyon beigegebenen Abbildungen zeigen. Auf Tab. I, Fig. 9, 17 und 18 hat Troyon drei Geräthe dieser Art abbilden lassen; eines mit 4 Zinken, wie das bei Helm gefundene, welches jedoch die Zinken an einer Seite ganz verloren hat, ein zweites mit 2 Zinken, welches ebenfalls eine Zinke verloren hat, und ein drittes, noch mehr zerbrochenes Exemplar. Troyon spricht kein Urtheil über diese Geräthe aus, welche antiken "Schlüsseln" gleichen; er sagt nur, daß sie in einem Kindergrabe gefunden seien, p. 8:
"trois autres objets ressemblant à des clefs (Pl. I, F. 9, 17, 18) accompagnaient les restes d'un enfant bien régretté sans doute, si l'on en juge d'après les ornemens."
Eine besondere Wichtigkeit könnten diese Geräthe dadurch erhalten, daß man sie zur Zeitbestimmung für die beiderseitigen Gräber benutzte.
G. C. F. Lisch.
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Tragetopf von Moltzow.
Zu Moltzow bei Malchin ward in einem Torfbruche ("Hermanssahl") 8 Fuß tief neben einem Gefäße aus der Steinperiode (vgl. oben S. 309) ein Tragetopf (sèlpŏt) gefunden und durch den Herrn Baron Albrecht Maltzan auf Peutsch gerettet und von dem Herrn Landrath, Baron Maltzan auf Rothenmoor, Moltzow . dem Vereine geschenkt. Der Topf ist bis zum Halse 7" hoch, von birnenförmiger Gestalt und im Bauche 9" weit; er hat oben auf der Einziehung der Bauchwand 4 starke Knoten, welche durchbohrt sind, um eine Schnur durchziehen und das Gefäß damit tragen zu können. Der Hals ist abgebrochen. Dieser Tragetopf ist also dem im Moore bei Gnoien gefundenen, im Jahrb. XII, S. 438, und hieneben abgebildeten
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Topfe völlig gleich, aus derselben Zeit und vielleicht aus derselben Fabrik; vgl. Jahrb. X, S. 296, und XII, S. 438.
1/2 Größe
Die innere Wand des Topfes ist mit einer dicken, festen, braunen, höckerig gestalteten Masse überzogen; diese Masse verbrennt am Feuer, jedoch nicht hell und nicht zur Kohle, und knistert stark beim Verbrennen. Es ist wahrscheinlich ein durch Kochen gebildeter sogenannter Salpeterabsatz, welcher nur durch das moorige Wasser braun gefärbt ist; das Gefäß ist also wahrscheinlich zum Kochgeschirr benutzt gewesen. An einer Seite ist die Masse übergekocht und sitzt fest auf der Außenwand. Eine ähnliche, jedoch mehr harte und glänzende Masse enthielt auch der zu Böhlendorf in einem Moderloche gefundene Topf; vgl. Jahrb. VIII, S. 56-58.
G. C. F. Lisch.
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Alterthümer von Klaber.
Zu Klaber bei Teterow wurden in einem Moderloche, 16 Fuß tief, beim Ausmodden desselben folgende merkwürdige Alterthümer gefunden und von dem Herrn von Lowtzow auf Klaber dem Vereine geschenkt:
1) ein Trichter oder Sieb von Thon: das Geräth, aus der bekannten, gemengten Thonmasse heidnischer Urnen gebildet, jedoch nur inwendig mit der glättenden, reinen Thonschicht bedeckt und auf der Außenseite rauh, hat die Gestalt einer Birne
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1/2 Größe
oder eines Trichters, ist 5 1/2" hoch, oben unter dem etwas eingebogenen Rande 6 1/2" und in der gegen 2" langen Abflußröhre 2 1/2" weit, an beiden Enden ursprünglich geöffnet und in der Seitenwand in 4 concentrischen Reihen von Löchern durchbohrt, so daß das ganze (jetzt an einer Seite zerbrochene) Geräth in der Seitenwand 50 bis 60 Löcher gehabt hat; die Abflußröhre ist nicht durchbohrt.
Dieses Geräth, welches bisher ganz unbekannt 1 ) gewesen ist, scheint eine Art Sieb gewesen zu sein, vielleicht um Flüssigkeiten von außen hineinzulassen und Unreinigkeiten zurückzuhalten; dafür scheint zu reden, daß es in einem ehemaligen Wasserloche oder Teiche gefunden, also hier vielleicht beim Wasserschöpfen verloren gegangen ist: ein Hausgeräth wird es jedenfalls gewesen sein. Nach der ganzen Arbeit scheint es der Eisenperiode anzugehören.
2) ein Griff aus Hirschhorn: zwei starke, auf einander passende Platten von einem Stück gespaltenen Hirschhorns, 71/2"
1/3 Größe
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lang und 1 3/4" breit, an jedem Ende mit einem, in der Mitte mit zwei großen Bindlöchern neben einander durchbohrt; neben dem einen mittlern Bindloche zunächst an der nach außen gekrümmten Seite ist noch ein kleines Bindloch. Die Bindlöcher stehen in beiden Hornplatten grade einander gegenüber und haben wohl ohne Zweifel dazu gedient, irgend ein Werkzeug zwischen die beiden Platten zu legen und diese als einen Griff zu dem Werkzeuge durch die Bindlöcher zusammenzuschnüren. Vielleicht stammen die Platten aus der Steinperiode und dienten etwa einem Feuersteingeräthe als Griff.
G. C. F. Lisch.
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e. Vorchristliche Alterthümer gleichgebildeter europäischer Völker.
Hünengräber von Kollund
in Schleswig.
Während des schleswig=holsteinschen Feldzuges im J. 1848 stand einmal das leichte Infanterie=Bataillon aus Schwerin hinter Flensburg, zwischen Hohenschnap und Kollund, eine halbe Meile vom Meeresstrande an einem Moore. In diesem Moore liegt eine große, feste Erdscholle, wie ein niedriger Rücken, welcher ganz mit Hügeln bedeckt ist, in welchen das kundige Auge bald heidnische Gräber erkennt; namentlich ziehen sich an den Seiten zwei Reihen von Hügeln hin, welche sogleich als Gräber zu erkennen sind: das Ganze bildet gewissermaßen einen großen Kirchhof. Die Hügel sind meisten Theils rund, mitunter länglich; sie sind äußerlich nur von Erde aufgeschüttet, ohne sichtbare Steinsetzungen, und ungefähr 5 Fuß hoch.
Die dort stehenden Officiere beschlossen, eines von diesen Gräbern aufzudecken und gingen mit einem Theile der vierten Compagnie an die Arbeit. Die Leitung übernahm der Herr Lieutenant von Raven, unter Beistand des Herrn Adjutanten von Grävenitz und des Herrn Militairarztes Dr. Paschen.
In dem Hügel, dicht unter der Rasendecke, stand eine Steinkammer von großen Granitblöcken, welche mit einem großen Granitblocke bedeckt war; da dieser zu schwer war, um aufgehoben werden zu können, so grub man einen Seitenstein aus und gelangte so in das Innere, welches eine Kammer von etwa 4 Fuß Länge, 3 Fuß Breite und 3 Fuß Höhe bildete. Die Kammer hatte inwendig sorgfältig gewählte, glatte Flächen und war in allen Fugen behutsam gedichtet; am Fuße waren die Lücken mit kleinen rothbraunen Steinen dicht ausgesetzt, die Längsfugen zwischen den einzelnen Steinen waren mit einem braunen, zähen, sanft anzufühlenden Kitt verschmiert. An einer Seite war eine Stelle zum Eingange nicht mit einem Steine zugesetzt.
Nach geschehener Oeffnung räumte man die ganze Grabkammer aus und fand hier folgende 4 Schichten fest über einander gelegt. Auf dem Erdboden lag eine dichte Schicht von zerschlagenen und gebrannten Feuersteinen, welche größten Theils
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weiß ausgeglüht waren, so fest und dicht, daß diese Schicht einem Stücke von einer Chaussee glich. Auf der Feuersteinmasse lag eine Schicht von ganz reinem und weißem Sande; in dieser Sandschicht standen die Thongefäße. Diese Sandschicht war mit einer Lage von einer sehr festen, lehmartigen Erde bedeckt. Auf dieser lag eine etwa einen Fuß dicke Schicht von gewöhnlicher Ackererde.
In der auf dem Feuersteinpflaster liegenden Sandschicht standen an der nördlichen Seitenwand des Grabes 5 Thongefäße, von denen 2 zerbrochen, 3 aber vollständig erhalten sind. In den Gefäßen lag etwas von der festen Thonmasse, welche die Sandschicht bedeckte; dazwischen lagen in den Urnen einzelne ausgeglühete Feuersteinstücke. Alle Gefäße sind an der ganzen Außenfläche überall mit Verzierungen bedeckt und tragen sowohl in diesen, als überhaupt in den Formen durchaus den Charakter der Steinperiode. Alle Verzierungen bestehen aus kurzen, kräftigen, tiefen Linieneindrücken und zeigen auf den ersten Blick die Steinperiode; in einem benachbarten, gleich construirten Grabe ward auch ein Keil von Feuerstein gefunden.
In der Form weichen diese Gefäße aber von den südbaltischen Gefäßen der Steinperiode ab; sie ähneln nur entfernt den meklenburgischen, in Jahrb. X, S. 253 beschriebenen Gefäßen, nähern sich jedoch schon mehr den in der Gegend von Lübeck in dem Grabe von Waldhausen gefundenen, in den Beiträgen zur Nordischen Alterthumskunde, Lübeck, Heft I, Bl. V, abgebildeten Gefäßen, wie überhaupt die Gräber bei Kollund im Bau viel Aehnlichkeit mit den Gräbern von Waldhausen haben, und haben viel Gemeinsames mit den dänischen Gefäßen, wie sie auf den dänischen Inseln gefunden und in der Sammlung zu Kopenhagen aufbewahrt werden.
Die 5 Gefäße sind alle schalenförmig, halbkugelförmig oder halbbirnenförmig, oben weit geöffnet, ohne eingezogenen Hals und sonstige Abweichungen von den einfachen Linien einer Schale; wenn die Gefäße nach oben hin fortgesetzt oder verlängert wären, so würden sie sich den gleichzeitigen Gefäßen aus den benachbarten Ländern mehr genähert haben; aber auch ohne dies tragen sie dennoch den unverkennbaren Charakter der Steinperiode.
Die bezeichnendsten Gefäße sind zwei gleich große und hohe napf= oder becherförmige Gefäße oder Becher; sie haben fast ganz die Gestalt eines halben Eies, sind am Boden nur sehr wenig platt gedrückt, 4" hoch, 51/2" weit in der Oeffnung und ungefähr 13/4" im Durchmesser des Bodens. Sie sind ganz mit senkrechten, schmalen Streifen verziert, von denen abwechselnd der
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eine glatt ist, der andere mit kurzen dicht gedrängten Queerlinien bedeckt ist. Um den Rand laufen parallele Zickzacklinien, grade wie auf dem einen bei Waldhausen gefundenen, a. a. O. V, Fig. III, abgebildeten Gefäße. Das eine von diesen Gefäßen hat am Rande zwei, das andere ein durchbohrtes Knötchen zum Durchziehen einer dünnen Schnur; in dieser Hinsicht gleichen diese Gefäße den Urnen aus der Steinperiode in der Sammlung zu Kopenhagen, welche fast alle durchbohrte Knötchen zum Durchziehen einer Schnur (zum Aufhängen?) haben.
Das dritte, wohl erhaltene Gefäß ist eine weite Schale, 31/2" hoch, 7" weit in der Oeffnung und ungefähr 11/2" im Durchmesser des Bodens; die Gestalt ist fast halbkugelförmig. Die Verzierungen sind dieselben, welche die beiden oben beschriebenen Becher haben; sie bestehen aus schmalen, abwechselnd glatten und mit Queerstrichen verzierten senkrechten Streifen; diese Streifen mit Queerstrichen haben abwechselnd den Charakter des einen und des andern der beiden oben beschriebenen becherförmigen Gefäße, so daß alle drei Gefäße ohne Zweifel von derselben Hand gemacht sind. Auf dem ebenfalls mit Zickzacklinien verzierten Rande sitzen vier Knötchen, welche aber nicht durchbohrt sind.
Eine zweite, jedoch zerbrochene Schale hatte dieselbe Gestalt und Größe. Die Verzierungen sind eben so, wie auf der eben beschriebenen Schale, nur daß die verzierten Streifen nicht mit Queerlinien, sondern mit Schrägelinien bedeckt sind.
Eine dritte, ebenfalls zerbrochene Schale hatte dieselbe Gestalt, ist jedoch nur etwa 3" hoch. Dieses Gefäß ist sehr wild und leichtfertig nur mit unregelmäßigen Strichen verziert und offenbar von einer andern Hand geformt.
Alle diese Gefäße dienten sicher einst zum häuslichen Gebrauche und wurden dem Todten auf die Reise in jenes Leben mitgegeben.
Weiter ward in dem Grabe nichts gefunden und beobachtet.
Man öffnete darauf ein zweites, in der Nähe stehendes, kleineres Grab. Dieses hatte denselben Bau. Beim Oeffnen fand man im Innern der Steinkammer einen gewöhnlich geformten, großen Keil von grauem Feuerstein, welcher in der Schärfe nachgeschliffen, jedoch halb durchgebrochen ist; das Bahnende ward nicht gefunden.
Weitere Nachforschungen wurden durch das Vorrücken der Truppen unterbrochen.
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Die Nachrichten über diese Ausgrabungen und die bei denselben gefundenen Alterthümer sind den Sammlungen zu Schwerin durch Vermittelung des Herrn Adjutanten von Grävenitz zu Theil geworden.
G. C. F. Lisch.
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Kegelgrab von Gr. Pankow
in der Prignitz.
Im März d. J. ward auf dem dem Herrn Baron Gans von Putlitz gehörenden Gute Groß=Pankow in der Ost=Prignitz ein Steinhügel aufgebrochen, ungefähr 8' hoch über der Erde, 16' lang und breit. Man stieß in demselben auf ein Halbgewölbe von flachen Steinen, zu vergleichen einem in zwei ungleiche Theile durchschnittenen Backofen, dessen kleinerer Theil fehlt. Dieser, die offene Seite, war durch eine aufrecht stehende Steinplatte, 3' hoch, 3' breit, 4" dick, verschlossen, bei welcher Menschenhand, wie es schien, sehr nachgeholfen hatte. Eben so erschien es bei den kleinen flachen Steinen des Gewölbes, welche wie Dachziegel über einander lagen und es vollständig schlossen. Alle Steine waren meist Granit.
Das ganze Innere dieses Bauwerks war mit schmutzig gelbem Sande angefüllt, dem eine 2" dicke Lehmschicht zur Unterlage diente. Auf dieser lag ein platter Stein (Granit) und auf demselben stand ein "sargähnliches Geschirr", 1 ) 16" lang
1/8 Größe
und in allen seinen Verhältnissen einem Sarge mit plattem Deckel ähnlich. Der Deckel stand 1/2" über den "Sarg" weg
1/4 Größe
und hatte ringsum eine Vertiefung von 3/8" bis 1/2", in welche die Seitenwände genau paßten.
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Sarg und Deckel waren aus der Masse der Urnen, die dort häufig gefunden werden, d. h. aus einem schmutzigbraunen Thon, untermengt mit Glimmer und kleinen Steinen.
Das Innere des Geschirrs enthielt Knochenasche und kleine Knochenstückchen und war mit einem auffallend weißen Sande bis an den Deckel gefüllt.
Neben diesem Geschirr stand rechts ohne Untersatz eine flache, viereckige Schale, 16" im Quadrat, von derselben Urnenmasse; der Rand der Schale sprang 1/2" hinein, war 11/2" senkrecht hoch, und kleine, wiederum einspringende Bogen waren darauf gesetzt. Denkt man sich, ohne die Größe zu berücksichtigen, eine auf der Vorderseite liegende Ofenkachel, so hat man ein richtiges Bild dieser Schale.
Der Sarg war unversehrt, die Schale aber in zwei Stücke zerbrochen. Dem Wirthschafter Callberg, Referenten, dem ich nacherzähle, gelang es, beide Stücke auszuheben. Den Sarg hat Referent aber gegen nächtliche Zerstörung von Geldsuchern nicht schützen können.
Neu=Ruppin, im Decbr. 1847.
A. G. Masch.
Die Zeichnung einer Pfeife oder Flöte aus Hirschhorn, welche beim Ausgraben des Fundaments zum Dome in Berlin gefunden und im Besitze des Herrn Malers Professors Schultz zu Berlin ist, schenkte dem Vereine der Herrn Gymnasiallehrer Masch zu Neu=Ruppin.
Eine Framea aus Bronze mit Schaftrinne, mit edlem Rost bedeckt, gefunden bei Kyritz in einer Mergelgrube, ward dem Vereine von dem Herrn Pastor Ragotzky zu Triglitz bei Putlitz geschenkt.
Eine Pfeilspitze, aus Eisen, viereckig, mit Schaftloch, gefunden in England in Colchester unter den Trümmern eines angeblich römischen Castells, schenkte dem Vereine der Herr Dr. Crull zu Wismar.
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Greif aus Ditmarschen.
Der Herr General=Director, Geheime=Rath von Olfers zu Berlin schenkte ferner dem Vereine einen Gypsabguß eines in Dithmarschen gefundenen, metallenen, hohlen Gefäßes in Form eines stehenden Greifen, 10" hoch und 9" lang; der über den Rücken nach dem Hinterschädel gekrümmte Schwanz bildet den Henkel; der Oberschädel bildet eine Klappe (vgl. Dreizehnter Bericht der königl. schlesw. holstein. lauenb. Gesellsch., Kiel, 1848, S. 67 flgd.).
G. C. F. Lisch.
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2. Mittelalter.
Topfkacheln.
Es werden in Meklenburg nicht selten tief unter sehr altem Bauschutt Ofenkacheln gefunden, welche die Gestalt eines viereckig zusammengedrückten Topfes haben und Schmelztiegeln gleichen; in unsern Jahrbüchern sind wiederholt dergleichen Funde beschrieben (man vgl. die Register unter "Ofenkacheln" und "Topfkacheln"). Die Töpfe wurden bei dem Bau der Oefen so gesetzt, daß die offenen Seiten der Töpfe nach dem Zimmer, die Böden der Töpfe nach dem Ofen hinein standen. Diese Kacheln waren im Mittelalter allgemein, wurden noch im vorigen Jahrhundert in einigen Theilen Deutschlands gebraucht und sollen noch jetzt in Gallizien und andern slavischen Ländern angewandt werden. Die Entwickelung unserer heutigen Kacheln aus der Fortbildung dieser Topfkacheln läßt sich genau erkennen. Zuerst ward der Topf immer niedriger, dann ward die Höhlung rund, diese darauf mit einem Reliefbilde gefüllt, während der Topf hinten immer mehr verschwand, und so ward die Kachel immer flacher, bis sie in unsern Zeiten ganz platt ward, und sich der Kachelofen dem Ofen aus Ziegelsteinen näherte, welcher in Meklenburg auf dem Lande fast überall in Gebrauch ist.
Kachel heißt ursprünglich jedes topfartige Gefäß. Daher werden auch die alten Ofenkacheln noch im 16. Jahrh. Kacheltöpfe oder bloß Töpfe genannt. Noch im J. 1551 heißt es in einem Register des Hauses (Schlosses) und Amtes Wredenhagen:
I fl. V ß. vor II schock kachelpotte thom kachelofen in der koken.
I fl. IIII ß. vor potte thom kachelouen vpp hertogen gemacke.
G. C. F. Lisch.
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Alterthümer von Röbel.
Im J. 1847 ward der Neubau des Thurmes der Kirche zu Alt=Röbel begonnen. Diese Kirche steht auf einer isolirten, bedeutenden Höhe an der Müritz, wahrscheinlich dem wendischen Burgwalle des Ortes. Beim Ausgraben des Grundes an der Stelle des alten Thurmes wurden 10 Fuß tief folgende Alter
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thümer gefunden und von dem Baumeister, Herrn Bau=Conducteur Krüger, eingesandt:
eine Maultrommel, deren schmaler Bügel aus Messing und die Angel aus Eisen gearbeitet ist;
ein Beschlag aus Messing;
ein Silberpfennig der Stadt Piritz: Av. Greif: Rev. Schild mit einer Rose; Umschrift:
Diese Münze, von dem bekannten Gepräge, stammt aus dem 15. Jahrh., und daher sind auch die Alterthümer wohl in diese Zeit zu setzen.
G. C. F. Lisch.
Ein Pulverhorn.
Ein Pulverhorn, aus Hirschhorn, auf einer Seite mit den unter Blumen stehenden Figuren eines ritterlichen Mannes und einer Frau, beide in spanischer oder Hoftracht, sehr sauber in Relief geschnitzt, ungefähr aus der ersten Hälfte des 16. Jahrh., gefunden zu Röbel beim Graben, geschenkt von dem Herrn Bürgermeister, Hofrath Engel zu Röbel.
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des Mittelalters.
zur
Geschichte der Kirche zu Doberan.
Der Hochaltar
und
das Tabernakel
in
der Kirche zu Doberan,
von
G. C. F. Lisch.
Die herrlich gebauete und geschmückte Kirche zu Doberan ist wiederholt der Gegenstand unserer Forschungen gewesen und in ihren Einzelheiten in Jahrb. IX, S. 408 flgd. und XIII, S. 418 flgd, zur Untersuchung gezogen. Von diesen Forschungen blieben einstweilen mehrere Hauptstücke der Kirche unberücksichtigt, wie der Hochaltar, das Tabernakel, das große Crucifix und anderes, weil es, aufrichtig gesagt, zu schwer war, in einigen Tagen, ja selbst in einigen Wochen, eine auch nur einigermaßen befriedigende Beschreibung davon zu entwerfen, dagegen diese Kunstwerke zu viel Tiefe haben, als daß man sie leichtfertig abthun dürfte.
Die Restaurirung der doberaner Kirche gab dringende Veranlassung zu einer tiefen und überzeugenden Forschung. Unser kunstsinnige und einsichtsvolle Großherzog war es, der den Gedanken zur Restaurirung der Doberaner Kirche faßte und zur Ausführung brachte, die Anordnung entwarf und mit inniger Theilnahme begleitete. Seit drei Jahren ist das gesammte Gestühle theils restaurirt, theils neu geschaffen; dabei ist aller Plun=
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der des vorigen Jahrhunderts aus dem Tempel geworfen und manches Kunstwerk alter Zeit wieder zu Ehren gebracht; viele verworfene Stücke fanden zur Freude Aller nach Jahrhunderten ihre Stelle wieder.
Im Jahre 1847 begann in Schwerin die Restaurirung des Tabernakels, welches im J. 1848 wieder aufgestellt ward. Im Frühling 1848 ward die Restaurirung des Altars, der zu diesem Zwecke nach Schwerin geschafft war, auf Allerhöchst eigene Anordnung des Großherzogs K. H. unter der Leitung des Bauraths Bartning und meinem Beirath begonnen und im Frühling 1849 beendigt. Diese Restaurirung, welche mit vollkommener Sicherheit geführt werden mußte, gab Veranlassung und Gelegenheit zu umfassenden Studien und Correspondenzen, welche denn auch endlich zu einer möglichst vollständigen Erkenntniß führten, so schwierig freilich auch der Angriff des Werkes ward. Doch gelang es bei ununterbrochener, gewissenhafter Aufmerksamkeit, und eben so gewissenhaft kann versichert werden, daß nichts verabsäumt ist, um das Werk in seiner ursprünglichen Beschaffenheit wieder herzustellen.
Der Hochaltar der Kirche zu Doberan.
Der alte Hochaltar der Kirche zu Doberan ist das bedeutendste Kunstwerk seiner Art in Meklenburg und gewiß eines der seltensten in ganz Norddeutschland. Er erregte früher wohl durch seine Architectur Aufmerksamkeit, aber nicht durch seine innere Bedeutung, weil das Ganze entstellt und beschädigt, und daher nicht so leicht zu erkennen war. Die in der Zeit 1848/49 ausgeführte Restaurirung führte nothwendig zur vollständigen Erkenntniß des Ganzen und des Einzelnen.
Der Altar besteht aus einer Mitteltafel und zwei einfachen Flügeln. Die Flügel enthalten Reihen von Heiligenfiguren, von denen mehrere fehlten. Die Mitteltafel war mit kleinen, aus dem 17. Jahrh. stammenden Oelgemälden bedeckt, welche Scenen aus der Leidensgeschichte Christi darstellten. Auffallend waren die herrlichen, durchbrochenen Thürme, welche den Mitteltheil krönten. Als im J. 1848 diese kleinen Oelgemälde als völlig unbedeutend und unbrauchbar abgenommen und verworfen wurden, erblickte man tiefe, nach vorne geöffnete Schreine, welche man durch die Oelgemälde zugedeckt hatte. Jetzt erhielt die Forschung eine ganz andere Richtung.
Der Mitteltheil des Altars bildet nämlich keine Tafel, sondern ein Haus von etwa 1 1/2 Fuß Tiefe. Es ist hinten und
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an den Seiten durch Bretterwände verschlossen. Nach vorne ist dieser Bau geöffnet und durch Säulen und Bogen in 7 spitzbogige Abtheilungen getheilt. Die mittlere Abtheilung bildet eine freie, ungetheilte Halle, welche mit einem einfachen Spitzbogen geschlossen ist. Die andern 6 Abtheilungen sind nicht allein der Länge nach durch ein Säulchen, sondern auch in der Mitte queer durch ein Brett, welches auf Kapitälern ruht, getheilt. Man hat also an jeder Seite der ungetheilten Halle 6 kleine, nach vorne geöffnete Doppelschreine vor sich. Alle Hauptbogen und alle durch die Theilungen entstandenen Nebenbogen sind mit architectonischen Ornamenten und Rosetten in edlem Style reich verziert und vergoldet. Das Ganze erscheint wie eine prächtige Spitzbogenhalle. Im Innern sind die 7 Abtheilungen, welche nicht durch Seitenwände geschieden sind, mit sehr zierlichen Spitzbogengewölben in Holz gewölbt. Die innern Wände sind roth gemalt, die Gewölbekappen weiß, die Gewölberippen roth und blau, nämlich die Kreuzgurte roth, die Hauptgurte blau. Vielleicht ist diese Färbung der alten Färbung der doberaner Kirche entlehnt; in dieser allein im ganzen Lande sind noch heute die Wände roth und die Gewölbe weiß: wieder ein Beweis für die Polychromie im Mittelalter. In der Hinterwand sind 3 Thüren, von denen die eine in den mittlern Schrein, die beiden andern je zu den Seitenschreinen führen; die Thüren sind offenbar dazu bestimmt gewesen, um von hinten etwas in die Schreine stellen zu können. Ueber jeder der 7 Bogenöffnungen erhebt sich ein mit vergoldetem Laubwerk reich verzierter Giebel; der Grund dieser Giebel ist abwechselnd roth und blau gemalt. Auf jedem Giebel steht eine durchbrochene Pyramide und über dem mittlern Schrein ein hoher, prächtiger, in durchbrochener Arbeit geschnitzter Baldachin. Der Fuß dieses Baues enthält unter dem Mittelschreine, seitwärts etwas hinüberragend, in figürlicher Darstellung die Krönung der Maria durch Christus. An jeder Seite sind, wie oben, jedoch nicht ganz correspondirend, 3 queer getheilte kleine Schreine, wodurch an jeder Seite 6 viereckige Fächer zum Hineinstellen von Geräthen gebildet werden. Dieser Fuß, welcher mit der untern Reihe der Figuren in den Flügeln übereinstimmt, ist offenbar jüngere Arbeit.
Die Oeffnung dieser Schreine war für den ersten Augenblick allerdings überraschend. Jedoch gewann bald die Ansicht Raum, daß diese Schreine (Localamente) zur Aufstellung von Reliquien benutzt worden seien. Im Fortschritte der Forschung gelang es, in den Archiv=Acten das bei der Säcularisirung im J. 1552 aufgenommene, hier im Folgenden abgedruckte Ver=
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zeichniß der in dem Hochaltar aufgestellt gewesenen Kleinodien aufzufinden.
Anno dni. 1552 ahm Mandag na Inuocauit ahnn klenodyenn in der kirchen zu Dobberan Im hogenn Alter Befundenn vnd in eine kastenn gelecht, verslatenn vnd versiegeldt, wie volget. | |
III | Swarte horner mith silber beslagen vnd vorguldet. |
I | Weisse fischthenne mit silber beslagenn, dar anhe ein silberenn ketken vnd obenn mit einem Creuze. |
I | Sunt Nicolaus Handt mit silber beslagenn vnd dar anhe eine sunte Nicolaus thene mith einem Ringe voruatet. |
II | Tauelenn mith silber beslagenn, in der einen ist Marienn vorkundinge, In der andernn ein Cruzefix, und thom delle vorguldet. |
I | vorguldet Heusselin, sint thwie stucke; dar inne ißh gewesenn Hilligedom. |
I | Elfenbenenn horne mith silber beslagenn, Isth vorguldet, dar anhe ein silber kette. |
VI | Tauelen mith silber beslagenn, dar inne etzliche glassene steine aller verue, voruatet mith elfenn Benenn Bildenn. |
II | Silbernn Ringelin. |
I | Strus Eig, Bauenn vnd Neddenn vorguldet. |
I | vorguldede Munstranzie. |
I | vorgulde Oligebusse. |
I | vorguldet Pixtenn. |
II | Silbernn Crucefix vorguldet mith einem silbernn Here godt; Noch |
I | Silbernn Here godt. |
II | Silbernn kelcke mith thwenn patenenn, sinth vorguldet. |
I | Klein silbernn kelkenn. |
I | Horne kelckenn mith einem silbernn vote. |
XII | Silbernn Becker in ein ander gesettet, mith einer Decke, isth vthwendig vorguldet. |
XII | Silbernn Lepel. |
I | Silbernn klosters Ingesigel |
II | kopperen klosters Ingesigel |
Aus diesem Verzeichnisse ergiebt sich, daß in den Schreinen die kirchlichen Kleinodien des Klosters aufgestellt waren, nicht allein Reliquien, sondern auch Statuen und Bilder, wahrscheinlich wunderthätige, ja selbst wichtige Geräthschaften des
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Klosters, wie z. B. die Siegel des Klosters und die silbernen Bischofsringe 1 ) des Abtes. - In dem mittlern, nicht queer getheilten Schreine stand wohl entweder ein Marienbild, oder eines von den in dem Verzeichnisse aufgeführten Crucifixen.
Zugleich wird durch dieses Verzeichniß die Sage widerlegt, der doberaner Hochaltar sei im 17. Jahrh. aus der Schloßkirche zu Güstrow nach Doberan versetzt worden; der Altar ist der uralte Altar der doberaner Kirche.
Die merkwürdige Einrichtung des Altars zeugt für dessen hohes Alter, indem sie noch lebhaft an die Einrichtung der ältesten Altäre erinnert. - Der Altar der alten christlichen Kirche stand der östlichen Schlußwand nicht so nahe, wie jetzt, sondern war mehr gegen Westen nach der Kirche hineingerückt; der Priester stand in der halbkreisförmigen Altarnische hinter dem Altare auf der östlichen Seite desselben und schauete in die Kirche hinein. Der alte Altar 2 ) war länglich=viereckig, auch an den Seiten bedeckt, inwendig hohl und mit Thürchen versehen, denn in dem hohlen Innern standen stets die Reliquien eines Märtyrers, von dem die Kirche den Namen trug; der alte christliche Altar glich also der jüdischen Bundeslade. Er war außerdem von einem schützenden Ueberbau überdeckt, welcher Ciborium genannt ward, von der heiligen Speise (cibus), welche nicht allein auf dem Altare geweiht, sondern auch über dem Opfertische für die Kranken aufbewahrt ward. Das Ciborium, welches noch jetzt in dem Traghimmel der katholischen Kirche existirt, ruhete auf frei stehenden, dünnen Säulen, zwischen welchen Vorhänge (intravela) von der Decke herabhingen; diese Vorhänge, welche den Altar gewöhnlich umhüllten, wurden während der Versammlung der Gläubigen beim Opfer geöffnet. Oben auf dem Ciborium stand ein Crucifix. Gegen das dreizehnte Jahrhundert, also mit der ersten Entwickelung des Spitzbogenstyls, erhielten die Altäre allmählig ihre jetzige Gestalt; der innere hohle Raum verlor sich, obgleich der Altar nach der Sitte der ersten Christenheit noch immer ein heiliges Ueberbleibsel in sich aufnahm, und der Priester trat vor den Altar. Im 13. Jahrh. finden wir, wiewohl noch sehr selten, mancherlei Uebergänge, im 14. Jahrh. werden die Flügelaltäre gewöhnlich und im 15. Jahrh.
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werden die oben grade abgeschnittenen Flügelaltäre ganz allgemein; bei weitem die meisten alten Flügelaltäre bei uns stammen aus dem 15. Jahrh. Mit der Entstehung der neuern flachen Altartafeln trennte sich auch der Altar vom Tabernakel, welches das Ciborium ersetzte.
Vergleichen wir hiemit den Aufsatz des doberaner Altars in seinem Mitteltheile, so haben wir in demselben ganz die Nachbildung eines Altars der ersten christlichen Kirche: einen länglich=viereckigen, umher bedeckten, hohlen Raum, welcher zur Aufbewahrung der Reliquien bestimmt ist, überdeckt von einem schützenden Dache (Ciborium), welches oben in einem Baldachin ausläuft, unter welchem ein Crucifix stand.
Diese dem doberaner Altare ähnlichen Altäre aus der Uebergangszeit vom frei stehenden Altare zum flachen Flügelaltare waren ehemals häufiger; jetzt sind sie schon selten geworden. Der Dom zu Münster hat noch einen solchen Altar mit gemalten Seitenflügeln; die Stiftskirche zu Essen hatte früher einen ähnlichen, schönen Hauptaltar, welcher jetzt, seiner Flügel beraubt, auf einem Seitenchore steht. In einem Altare im Dome zu Cölln, dessen Nischen jedoch sehr flach sind, ist die Hinterwand auf Goldgrund bemalt 1 ). Der Altar des ehemaligen Cistercienser=Mönchs=Klosters zu Cismar in Holstein, welches im J. 1238 von dem S. Johanniskloster in Lübeck getrennt und nach Cismar verlegt ward, hat nach der Beschreibung im dreizehnten Bericht der königl. schlesw. holstein. lauenburg. Gesellsch. für Erhaltung und Sammlung vaterländischer Alterthümer, Kiel, 1848, S. 65, einen ähnlichen Altar. Dieser Altar ist ein Schrein. Das Mittelstück tritt anderthalb Fuß zurück und enthält, durch fünf Nischen und drei Queerbretter in funfzehn Felder getheilt, eben so viele Darstellungen aus dem Leben Christi, nur in der obern Reihe außer der Kreuzigung vier dafür vorbildliche Scenen aus dem alten Testamente, alle halb erhaben. Auch die beiden Seitenwände des Schreines haben jede fünf Bilder; alle sind, so wie auch die Stäbe der Nischen, mit bunten Farben verziert und vergoldet. Eben so scheinen die fünf Frontons über den Nischen mit ihren Bildern wohl erhalten, wie auch die über den Abtheilungen der beiden Thürflügel. Arnd bezieht die Darstellungen auf den beiden Thüren richtig auf die Legende des H. Johannes (von dem ursprünglichen S. Johanniskloster zu Lübeck) und des H. Benedict (des Ordensstifters). - Ohne Zweifel haben wir hier also einen ähnlichen Altar, wie zu Doberan.
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Der doberaner Altar ist nicht allein nach seiner Construction, sondern nach allen andern Eigenthümlichkeiten für unsere Gegend sehr alt. Alle Bau=Constructionen sind durchaus rein und in den edelsten Verhältnissen des Spitzbogenstyls; alle Ornamente sind noch wohl verstandene, reine Blattformen; alle Figuren sind einfach, schlank und gefühlt; Faltenwurf und Färbung (nur golden und blau) sind einfach und geschmackvoll: es fehlt an den Figuren der später allgemein üblich werdende Wechsel zwischen roth und blau. Vorzüglich aber zeichnet sich der Altar dadurch aus, daß alle Gliederungen des Baues halbrund=erhaben und vergoldet sind, während in den folgenden Zeiten alle Gliederungen, wie Säulchen, Bogen u. dgl. ausgekehlt und roth und blau lasurt sind.
Der doberaner Altar ist der einzige seiner Art und ohne Zweifel der älteste in Meklenburg, und zugleich wohl eines der reinsten, edelsten Kunstwerke, welche unser Land besitzt.
An dem Mitteltheile hangen zwei flache Flügel, welche an jeder Seite drei Doppelnischen und eine einfache Nische, also im Ganzen 14 Nischen haben. Diese Flügel sind in drei Reihen queer getheilt; diese Queertheilungen entsprechen den Queertheilungen des Mittelschreines. In den Nischen stehen halb erhaben geschnitzte Figuren, welche je zwei und zwei gewöhnlich eine Gruppe bilden. In den beiden obern Reihen, welche den Queertheilungen des Hauptschreines entsprechen, stellt die obere Reihe die Geschichte Christi dar, die darunter stehende Reihe die entsprechenden alttestamentlichen Typen. Diese Figuren sind sehr schlank, einfach, edel und rein gehalten.
Die unterste Reihe, welche dem Fuße des Altars mit den 12 kleinen, viereckigen Schreinen und der Krönung der Maria in der Mitte entspricht, enthält die 12 Apostel und die Heiligen Georg und Gregor. Diese Apostel= und Heiligenfiguren, welche mit den Figuren Christi und Mariä in der Krönung Mariä von gleicher Arbeit sind, sind in ganz anderm Style gehalten; wenn auch die Technik mitunter vollkommen ist, so fehlt doch das rechte Verständniß und der Geist: die Figuren sind nach einem herrschenden Typus mehr fabrikmäßig gearbeitet, obgleich sie immer sehr beachtenswerth sind. Die Figuren sind schon kleiner und gedrückter; die Stellung und Gewandung ist mehr manierirt; die Färbung ist bunt und gesucht, namentlich ist aber das durchaus ungewöhnlich, daß die Untergewänder der Figuren alle versilbert sind. Versilberung ist, außer in heraldischen Fällen, an alten Altären des Mittelalters so selten, daß ich sie sonst noch nirgends beobachtet habe. - Ueberdies entsprechen sich die Längs=
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theilungen zwischen den obern Reihen und der untern Reihe nicht ganz genau.
Hieraus ergiebt es sich, daß der Altar aus zwei Stücken aus ganz verschiedenen Zeiten zusammengesetzt ist. Die obern gewölbten Schreine mit den Baldachinen und die beiden obern Reihen der Figuren in den Flügeln bilden den alten Altar der Kirche und stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert oder der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts. Der Fuß mit der Krönung Mariä und die untere Reihe der Flügel mit den Figuren der Apostel sind frühestens in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts angesetzt, vielleicht zur letzten Einweihung der Kirche und aller ihrer Geräthe im J. 1368.
Die Rückseiten der Flügel waren mit Gemälden auf Goldgrund bedeckt, und zwar mit eben so viel Figuren als vorne Doppelnischen sind. Der rechte Flügel enthielt: Maria, Johannes Ev. und einen Abt (H. Benedict?), der linke Flügel enthielt Johannes d. T., Andreas und einen Abt (H. Bernhard), alle fast in Lebensgröße. Von den Rückseiten der beiden einzelnen Nischen enthielt jede zwei ganz kleine Gemälde, von denen nur eines, der bethlehemitische Kindermord, zu erkennen war.
Die Seitenwände des tiefen Mitteltheils, welche von dem Chorumgange aus noch zu sehen waren, waren ebenfalls mit Gemälden bedeckt: rechts oben die Segnung der Maria durch Christus (Maria und Christus) und unten zwei Evangelisten, links die Verkündigung Mariä (Maria und Engel) und zwei Evangelisten. Alle diese sehr beschädigten Gemälde waren durchaus nicht mehr zu erhalten, und da sie für die heutigen Zwecke nicht gebraucht wurden, so erschien die ganz neue Herstellung als überflüssig.
Die Figuren des Altars haben einen so bedeutenden Kunst= und kirchengeschichtlichen Werth, daß die folgende Beschreibung derselben dadurch gerechtfertigt erscheinen wird.
Die obere Reihe enthält die Geschichte Christi in den Hauptbegebenheiten von Johannes dem Täufer bis zu Christi Auferstehung. Man kann aber diese Reihe wieder gliedern, indem der linke Flügel mehr Mariä Freuden (Mariä Verkündigung, Christi Geburt, Christi Darstellung), der linke Flügel mehr Christi Leiden (Christi Geißelung, Kreuztragung, Kreuzigung) darstellt. Diese Theilung findet sich äußerst häufig, daß nämlich ein Flügel mehr auf die Maria, der andere mehr auf
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Christus Rücksicht nimmt. Maria und Christus sind im Mittelalter die Hauptmotive des ganzen Cultus; daher gehen ihre Farben und Gewächse durch das ganze Ornamentenwesen: roth für Christus als König, blau für Maria als Himmelskönigin; der Weinstock für Christus, die Lilie (jedoch golden) für Maria.
Daher besteht das Ornament der ältesten, mit dem Schnitzwerke aus derselben Zeit stammenden Glasmalereien in der Kirche zu Doberan, von der jedoch nur wenige Reste vorhanden sind, aus Weinlaub, welches eine goldene Lilie in rothem Felde einschließt. Die beiden Reihen der Darstellung für Maria und Christus finden in der Krönung Mariä durch Christum, wie der gekrönte Christus der anbetenden Maria die Krone des Lebens hinreicht, ihre Vereinigung, wie sie sich auch im Fuße des doberaner Altars in der Mitte findet.
In der mittlern Reihe darunter stehen die alttestamentlichen Typen, nicht ganz in chronologischer Folge.
In der untern Reihe stehen die 12 Apostel und der H. Georg als Sieger und der H. Gregor als Vollender der Kirche.
Obere Reihe.
Rechter Flügel.
A. Johannes der Täufer, mit einem edlen, ruhigen Gesichte, fast wie Christus, mit gescheiteltem, langen, braunen Haupthaare und ziemlich langem, ganz spitzen, gespaltenen, ziemlich glatten Bart, mit bloßen Füßen, in gewöhnlicher, idealer Kleidung, ohne härenes Gewand; im linken Arme trägt er eine runde Scheibe, auf welcher auf blauem Grunde ein Lamm mit der Siegesfahne, Relief aus Kreidemasse, steht (agnus dei); mit der Rechten zeigt er auf das Lamm.
B. Verkündigung Mariä.
a. Der Engel, mit jugendlichem Gesichte und kurzem, lockigen, braunen Haar, um welches ein einfacher goldener Reif geschlagen ist. Der Leib ist ganz in ein faltiges Gewand gehüllt, so daß die Formen wenig hervortreten; vor der Brust ist das Obergewand durch ein viereckiges Juwel zusammengehalten. Die Füße sind mit schwarzen Schuhen bekleidet. Von den beiden langen Flügeln, welche ganz vergoldet und oben mit braunem Gefieder leicht bemalt sind, steht der eine nach oben, der andere nach unten. Die rechte Hand ist segnend erhoben; die linke Hand trägt ein Spruchband (Luc. 1, 28):
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b. Maria, mit einem weißen Schleier über dem etwas gesenkten Haupte. Mit der linken Hand hält sie das Obergewand vor der Brust zusammen. Die rechte Hand ist wie abwehrend oder staunend erhoben; von derselben hängt ein Spruchband herunter (Luc. 1, 38):
C. Christi Geburt.
a. Maria sitzt auf einer mit einem weißen Tuche bedeckten Erhöhung und vor einem faltigen, weißen Vorhange, mit gefaltenen Händen anbetend vor der Krippe.
Die Krippe sitzt an einer Wand, an welcher zwei Spitzbogenfenster mit Rosetten in der Wölbung, gemalt sind. In der goldenen Krippe liegt das Christkind in goldenen Windeln. Ueber der Krippe, neben dem Vorhange, sehen Ochs und Esel hervor.
b. Joseph in vorschreitender Bewegung gegen Maria, mit kurzem, spitzen, am Ende etwas gespaltenen Bart und kurzem, lockigen Haar, das Haupt mit einer flachen, achteckigen Mütze bedeckt, welche unten umgeschlagen ist und oben einen kurzen Kegel hat. Das Untergewand ist etwas kurz und reicht nur bis zwischen Wade und Enkel hinab. Das Obergewand ist über die Schultern geschlagen und unter dem linken Arme zusammengehalten. Die linke Hand ist auf einem Krückstock gestützt, die rechte staunend erhoben.
D. Christi Darstellung (Mariä Reinigung).
a. Maria, mit einem weißen Schleier über dem Haupte. In beiden erhobenen Händen hält sie zwei weiße Tauben neben einander.
b. Simeon (Luc. 2, 28) mit langem, spitzen, schwarzen Bart und langem, glatten, gescheitelten Haupthaar. Er steht im Untergewande und hat rothe Strümpfe und schwarze Schuhe an. Ueber die rechte Schulter hat er ein faltiges, weißes Tuch geworfen, unter welchem er beide Hände hält und so damit das Christkind anfaßt, welches er auf dem Altare hält. Das Christkind, im goldenen Hemde ohne Gürtel, welches die rechte Hand segnend empor und die linke vor der Brust hält, sitzt auf der rechten Hand des Simeon, der ihm die linke auf das linke Knie legt. Mit den Füßen steht das Christkind auf einem von Ziegelsteinen aufgeführten und mit einem weißen, bunt gestreiften Tuche behängten Altare.
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Mitteltheil des Altars.
Linker Flügel.
E. Christi Geißelung.
a. Kriegsknecht mit gerunzelter Stirn, mit kurzem, dichten, zottigen Bart und Haupthaar, den Kopf mit einer runden, weißen, oben hoch zugespitzten, unten umgeschlagenen Mütze bedeckt. Er trägt nur ein Unterkleid, welches bis zu den Knieen im Gürtel aufgeschürzt ist; die Beine sind mit rothen Beinkleidern und schwarzen Strümpfen bekleidet. Er hält mit beiden Händen ein Ruthenbündel, welches oben besenartig gestaltet ist, und holt in etwas gekrümmter Gestalt rechts hin damit aus.
b. Christus, mit ganz kurzem, etwas lockigen Bart und sehr langem, gescheitelten Haupthaar, nackt und mit blutigen Wunden bedeckt, mit einem kurzen Tuch um die Hüften bis an die Kniee, mit beiden Händen vor der Brust an eine vor ihm stehende Säule gefesselt.
F. Christi Kreuztragung.
a. Maria hat das Haupt zunächst mit einem weißen Schleier bedeckt, dann außerdem das eine Ende des Obergewandes über das Haupt geworfen. Sie hat die beiden Hände schmerzhaft ringend gefalten und erhoben und folgt so Christo nach.
b. Christus, wieder mit kurzem Bart und langem Haar, nur mit dem Untergewande bekleidet, schreitet aufrecht, jedoch mit schweren Schritten vorwärts, das fast stehende, rechtwinklig gestaltete Kreuz mit sehr langem Stamme auf der linken Schulter haltend.
G. Christi Kreuzigung.
a. Maria, das Haupt mit einem Schleier bedeckt, aufwärts sehend und die Hände rückwärts gegen die Schultern erhoben.
b. Christus, sterbend am Kreuze hangend, in gebogener Stellung das Haupt gegen die Brust gesenkt. Die Queerbalken des Kreuzes sind nicht rechtwinklig zu dem Stamme gestellt, sondern gehen in einem Viertelkreisbogen aus dem Stamme hervor. Die über einander gelegten Füße sind auf einen an dem Kreuze befestigten Klotz genagelt. Auf der Spitze des Kreuzstammes steht ein Brett mit der Inschrift:
H. Christi Auferstehung. Christus, leicht in ein Obergewand gehüllt, so daß die Brust und der rechte Arm entblößt
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sind, steigt mit dem linken Fuß aus dem Grabe, welches von der schmalen Seite dargestellt ist. Er hat die rechte Hand segnend erhoben und hat in der linken Hand die auf dem Boden gestützte Siegesfahne. Zu den Füßen des Grabes sitzen zwei schlafende Krieger, den Kopf in die linke Hand gestützt; sie sind ganz, auch über den Kopf, mit einem Ringpanzer bekleidet, so daß nur das Gesicht frei ist; darüber haben sie einen kurzen, vergoldeten Wams. In der linken Hand hält jeder der Wächter einen Schild, der noch die schöne Form der Schilde aus der ersten Hälfte des 14. Jahrh. hat; die Schilde sind roth bemalt: der vorwärts gekehrte, zur rechten Hand Christi, der etwas beschädigt ist, scheint nur roth gefärbt gewesen zu sein; der Schild, den der Wächter zur Linken Christi hält, ist seitwärts gekehrt und hat auf rothem Grunde ein weißes Andreaskreuz mit einem weißen Kreise in jedem Winkel. Dieses Wappenzeichen, welches am Ende der ganzen Darstellung steht, unterscheidet sich von dem Wappen der von Flotow nur durch die Richtung der Kreuzbalken; jedoch ist kein Zusammenhang zwischen dem Kloster Doberan und der Familie von Flotow zu irgend einer Zeit zu entdecken.
Mittlere Reihe.
Rechter Flügel.
I. (Eva. Die erste Figur war verloren gegangen; es ist dafür die Eva gewählt. Die erste Reihe der neutestamentlichen Darstellungen enthält, wenn auch zur Geschichte Christi gehörend, doch mehr eine Darstellung der Freuden der Jungfrau Maria in Beziehung auf Christus (die Verkündigung Mariä, die Geburt Christi und die Darstellung Christi im Tempel); eine große Anzahl mittelalterlicher Altäre ist zwischen Mariä Freuden und Christi Leiden so getheilt, daß jedem Cyclus einer der beiden Flügel gewidmet ist, namentlich für die Malereien auf der Rückseite der Altarflügel. Nun aber war die Parallele zwischen Eva und Maria im Mittelalter sehr lebhaft; obgleich sie im NT. nicht gradezu Begründung findet, so war sie seit alten Zeiten durch die paulinische Parallele zwischen Adam und Christus hervorgerufen und ausgebildet; daher ward auch der Gedächtnißtag für Adam und Eva auf den Tag unmittelbar vor Christi Geburt gesetzt. Eva ist das ursprünglich reine Weib, das ohne Zuthun eines Mannes in die Welt kam, aber auch zugleich die Veranlassung des Sündenfalles, von dessen Folgen wieder Christus die
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Welt erlösete. So kann eine Darstellung des ganzen Erlösungswerkes nicht gut anders als mit Eva beginnen. Deshalb ist aber auch die Darstellung des Sündenfalles (Adam und Eva) nicht gewählt; es fehlte übrigens zu zwei Figuren der Raum. So wie man in der Eva den Anfang der ganzen Schöpfungsgeschichte erkannte, so erblickte man in Johannes dem Täufer, der entsprechenden Figur, den Anfang der neuen Schöpfung, des Christenthums. Zu diesem allen kommt noch, daß man in dem Namen Eva eine Umkehrung des in der neutestamentlichen Darstellung unmittelbar folgenden Engelsgrußes Ave fand).
II. Das verschlossene Thor, Typus zur Verkündigung Mariä. In dieser Gruppe fehlte die erste Figur. Eine Hindeutung auf die Ergänzung giebt das Spruchband der folgenden, dazu gehörenden Figur: Ezechiel 44, 2: "Dies Thor soll zugeschlossen bleiben", und der Fortschritt der Begebenheiten.
1) (Sarah ist an die Stelle der fehlenden Figur gesetzt, um eine weibliche Figur in Parallele mit der Maria zu gewinnen, zugleich im Hinblick auf die Verheißung der Geburt Isaaks (1. Mos. 17, 16 und flgd.). Daher ist sie dargestellt mit einem Spruchbande in der Hand, der die Worte aus 1. Mos. 16, 2 enthält: "Siehe, der Herr hat mich verschlossen," mit den Worten der Vulgata:
Durch die Sarah ist zugleich ein Uebergang zu der alttestamentlichen Geschichte und der folgenden Figur gewonnen.)
2) Ezechiel vor dem verschlossenen Thore. Der Prophet Ezechiel, mit gespaltenem Bart und langem Haupthaar, das Haupt mit einer runden, niedrigen, hellrothen, oben mit einem Knopfe verzierten Mütze bedeckt, steht vor einem verschlossenen, auf einem Felsen stehenden Thore. Auf einem kahlen Felsen steht ein verschlossenes Thor: ein kleines, hölzernes Oblongum, auf welches ein rothes, verschlossenes Thor mit goldenen Angeln gemalt ist. Auf dem Thore steht ein kleines Brustbild mit kurzem Haar (Hindeutung auf das Christkind). Der Prophet zeigt mit der rechten Hand zu diesem hinauf und hält in der linken ein Spruchband mit dem Sinn der Worte aus Ezechiel 44, 2-3: "Dies Thor soll zugeschlossen bleiben - - und soll niemand dadurch gehen - den Fürsten ausgenommen":
Der Prophet Ezechiel, vor einem Thore mit Thürmen, gehört vorherrschend zu den alttestamentlichen Vorbildern, wegen des "göttlichen Gesichts" auf den neuen Tempel, das der Prophet Cap. 40 flgd. beschreibt und in welchem man ein Bild des neuen himmlischen Jerusalem sah. Die in der Darstellung des Pro=
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pheten vorzüglich hervorgehobene Darstellung der Thore steht grade hier im innigen Zusammenhange mit der ganzen Darstellung. Auf der Außenwand eines Kelchschreines in der Kirche zu Doberan, welcher leider die meisten Figuren verloren hat, ist noch einmal der Prophet Ezechiel dargestellt, wie er auf einem Berge vor einem verschlossenen Thore sitzt: - eine sehr liebliche Figur.
III. Der feuerige Busch, "der mit Feuer brannte und doch nicht verzehret ward" (2. Mos. 3, 2), eine oft vorkommende alttestamentliche Hindeutung auf die durch die Geburt Christi nicht verletzte Jungfräulichkeit der Maria;
1) Jehovah im feurigen Busch. Auf einem Hügel mit einem kleinen Busch, unter welchem zwei Schaafe weiden, steht ein großes, dichtes Eichengebüsch, aus welchem Flammen hervorschlagen. Aus den obern Flammen ragt bis an die Brust Jehovah hervor, eine jugendliche Gestalt mit kurzem Bart und langem, gescheitelten Haar, ganz wie Christus in den andern Darstellungen, in goldenem Gewande, die rechte Hand segnend erhoben, in der linken ein Spruchband haltend, welches über den Busch herunterhängt, mit den Worten aus 2. Mos. 3, 5: "Ziehe deine Schuhe aus":
2) Moses die Schuhe ausziehend. Auf einem Berge, auf welchem unter niedrigem Eichengebüsche Schaafe weiden (Kreiderelief), sitzt Moses, ohne Bart, mit langem, lockigen Haar, das Haupt mit einer runden Mütze bedeckt. Er hat den linken Schuh ausgezogen und neben sich gestellt; mit der linken Hand faßt er den Schuh des rechten Beines, das er über das linke geschlagen hat. Die rechte Hand hält er in einiger Entfernung gegen die Stirn, als könne er den Glanz nicht ertragen. - Moses die Schuhe ausziehend ist in größerm Maaßstabe noch einmal in der doberaner Kirche auf dem früher im Mittelschiffe aufgestellt gewesenen Altare, auf welchem das große Crucifix steht, dargestellt.
IV. Die Darbringung Samuelis, Typus zu der Darstellung Christi.
1) Hanna, die Mutter Samuelis, mit einem weißen Schleier, unter welchem kein Haupthaar hervorragt, hält mit den Händen einen in sitzender Stellung und mit gefaltenen Händen dargestellten Knaben. Dies ist ohne Zweifel die Hanna, welche hier in mehrfacher typischer Beziehung zu der obern Darstellung steht; "der Herr hatte ihren Leib verschlossen" (1. Sam. 1, 5), aber der Priester des Herrn gab ihr frohe Verheißung; "darum," sagte sie, "gebe ich ihn dem Herrn wieder sein Lebenlang, weil er vom Herrn erbeten ist" (1. Sam. 1, 28).
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2) (Eli. Diese Figur fehlte. Es ist unbedenklich der Priester Eli von Silo gewählt (1. Sam. 1, 25, vgl. V. 3, 9, 12, 17 flgd.), welcher der Hanna die Verheißung gab und in Parallele zu Simeon steht.)
Linker Flügel.
V. Vorbilder zur Geißelung Christi:
1) Moses, Wasser aus dem Felsen schlagend. Moses, mit langem, dichten, lockigen Bart und langem, lockigen Haar, das Haupt mit einer runden, oben spitzen Mütze bedeckt, mit einem Mantel über die Schultern, schlägt mit einem langen Stabe Wasser aus einem Felsen. - Moses, mit dem Stabe Wasser aus einem Felsen schlagend, ist oft auch eine Hindeutung auf die wunderbare Geburt Christi, hier aber jeden Falls ein Typus für die Geißelung Christi, da aus den Wunden Christi Leben strömt, wie das Wasser des Lebens für das schmachtende Volk aus dem Felsen.
2) Hiob mit Wunden bedeckt, Typus für den gegeißelten Christus. Hiob, mit kurzem, glatten Haar und Bart, auf dem entblößten Oberleibe mit schwarz=rothen Schweren bedeckt, sitzt auf einem Hügel mit Dornengebüsch, wie es scheint. Neben ihm steht sein Weib, den Kopf mit einem weißen Schleier bedeckt, zu welchem er hinaufschauet und die rechte Hand ausstreckt, während er mit der linken an seinen Kopf faßt. Das Weib hält die rechte Hand gegen ihn hin und hält mit der linken ein Spruchband mit den Worten: "Segne Gott und stirb" (Hiob 2, 9):
Hinter diesen Worten steht auf dem leeren Ende des Spruchbandes eine Arabeske mit einem Lindwurme, der seinen Rachen gegen Hiob öffnet.
VI. Abraham will seinen Sohn Isaack opfern, Typus zur Kreuztragung Christi, als Hindeutung auf die Liebe Gottes, der seinen Sohn zur Erlösung hingab:
1) Abraham, mit langem Bart, welcher in mehrere lange Locken geringelt ist, und langem, geringelten Haupthaar, das Haupt mit einer runden, oben spitzen Mütze bedeckt, mit einem Mantel über die Schultern. Er steigt einen mit Eichengebüsch bewachsenen Hügel hinan und hält mit der linken Hand ein Kohlenfaß mit loderndem Feuer, mit der rechten Hand ein aufgerichtetes, bloßes Schwert von dem Typus des 13. Jahrhunderts, nicht sehr lang, breit, zweischneidig, mit noch kurzem Griff und großem, runden Knopf.
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2) Isaak, der Knabe, steigt einen mit Gebüsch bewachsenen Berg hinan und trägt auf der linken Schulter ein Bündel Holz zu einem Altare, welcher auf der Höhe des Berges steht.
VII . Die Aufrichtung der ehernen Schlange, welche Christus selbst als Vorbild seiner Kreuzigung darstellte (Joh. 3, 14):
1) Jacob (?). Eine Figur, mit langem, dichten Bart und langem Haupthaar, den Kopf mit einer spitzen Mütze bedeckt, von welcher eine Art Schleier bis auf die Schultern hinabfällt, schreitet mit den Füßen ganz rechts hin (von der Schlange weg), ist aber mit dem ganzen Oberleibe links herumgedreht und schaut zur Schlange empor, mit der rechten Hand und ausgestrecktem Zeigefinger hinaufzeigend; die linke Hand legt die Figur auf die Brust, während sie im linken Arme ein Spruchband mit den Worten hält: "Und es wird ein Schwert durch ihre Seele gehen".
Diese Figur correspondirt zu der Maria unter dem Kreuze Christi, welcher schon früh in dem berühmten Stabat mater die Worte: cujus animam pertransivit gladius in den Mund gelegt wurden; offenbar ist auch hier die Beziehung auf die Maria beabsichtigt, indem Simeon bei der Darstellung Christi zur Maria diese Worte spricht (Luc. 2, 35) (Und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen), nach Psalm 37, 15 (Aber ihr, der Gottlosen, Schwert wird in ihr Herz gehen). - Man könnte hier freilich die Figur ganz allgemein für einen Juden fassen, der von der Schlange gebissen und durch das Anschauen der ehernen Schlange genesen war und dem hier die Worte für Maria in den Mund gelegt werden; mit einiger Wahrscheinlichkeit läßt sich aber annehmen, daß diese Figur den Jacob darstellen solle mit Beziehung auf 1. Mos. 37, 35: "Ich werde mit Leide hinunter fahren in die Grube". Da unmittelbar vorher Abraham und Isaak dargestellt sind, so liegt es nahe, den Jacob folgen zu lassen, um die Erzväter des Volkes und Stammväter des Geschlechts beisammen zu haben. Es ist zwar in den Darstellungen im Allgemeinen keine Chronologie, aber es ist doch im Einzelnen viel Sinn und Zusammenhang vorhanden. Daß die beiden Figuren zu einer Gruppe zusammengehören, ist hier nicht wesentlich, wie oben II. Sarah und Ezechiel wahrscheinlich und V. Moses und Hiob sicher zusammengestellt sind.
2) Moses vor der erhöheten Schlange (2. Mos. 21, 8). Eine Schlange hängt auf einer hohen Krücke. Vor ihr steht Moses, mit halblangem, lockigen Bart und langem, lockigen Haupthaar, in der ganzen Gesichts= und Kopfbildung Christo sehr ähn=
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lich, mit einem weißen Schleier über dem Haupte, im linken Arme die beiden Gesetztafeln haltend, mit der rechten Hand zur Schlange empor zeigend.
VIII. Simson trägt die Thore von Gaza fort (Richter 16, 3). Ein junger Mann, ohne Bart, mit sehr langem, weit über die Schultern hinabfallenden Haupthaar, im hoch aufgeschürzten Untergewande, trägt zwei lange, rothe Thorflügel mit goldenen Angeln und Pfosten auf der rechten Schulter einen Berg hinan, auf welchem Eichengebüsch steht und eine Schlange neben den Füßen Simsons kriecht, hier am Schlusse der ganzen Darstellung und beim Typus für die siegreiche Auferstehung Christi wahrscheinlich in Beziehung auf den Schluß der von Eva ausgehenden Darstellung und auf 1. Mos. 3, 15: "(Des Weibes Same) soll dir (der Schlange) den Kopf zertreten." Simson, der mächtige Held, der Herkules des A.T., ward gern als Vorbild benutzt, namentlich als Schluß der Offenbarung und in Vergleich mit Petrus: "Auf diesen Fels will ich meine Kirche bauen."
Untere Reihe.
In der untersten Reihe stehen die 12 Apostel und am linken Ende der Heil. Gregor Papst und am rechten Ende der Heil. Georg. Diese Figuren sind zwar auch von seltener Schönheit, haben aber einen ganz andern Charakter als die übrigen Figuren: sie sind viel kürzer, weniger schlank und mehr manierirt; es liegt in ihrem Charakter mehr Kunst, als Natur, jedoch ist die Zeichnung vortrefflich. Die Apostel sind offenbar jünger, als die übrigen Figuren, und stammen aus dem Ende des 14. Jahrhunderts.
Auch die Färbung der Apostel ist ganz eigenthümlich. Alle Obergewänder sind golden und auf der Unterseite nur blau; die sonst mit Blau abwechselnd vorkommende rothe Farbe fehlt ganz. Alle Untergewänder sind silbern; dies ist eine in diesen Gegenden bisher noch nicht beobachtete Eigenthümlichkeit, welche dem mittelalterlichen Style in deutschen Ostseeländern widerspricht. Diese Versilberung stimmt zu den Figuren des Tabernakels, bei denen auch Silber zur Verzierung angewandt ist.
Die Bestimmung der 12 Apostel ist für das 14. Jahrh. sehr schwierig, wenn, wie auf dem doberaner Altare, sämmtlichen Aposteln die Attribute abgebrochen sind, wodurch die Schwierigkeit der Bestimmung noch vermehrt wird. Die Schwierigkeit liegt darin, daß unter den Zwölfen Paulus ist und einige der
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Apostel eine eigenthümliche Bildung haben; mit dieser Bildung stimmen mehrere andere Darstellungen aus derselben Zeit überein, namentlich die beiden Grabplatten in Messingschnitt auf den Gräbern der 4 Bischöfe aus dem Geschlechte von Bülow im Dome zu Schwerin, von denen einer aus der Mitte, der andere aus dem letzten Viertheil des 14. Jahrh. stammt (vgl. Jahrb. XII, S. 479 flgd.), der lübecker Altar von Neustadt (vgl. Jahrb. X, S. 318), der Altar aus der Kirche zu Gadebusch und andere Denkmäler. Die Folge der Apostel des doberaner Altars ist durch die auf der Hinterseite eingeschlagenen Ziffern, zwei Male von I bis IIIIII, sicher bestimmt; außerdem waren auf dem Kreidegrunde der Tafel hinter den Figuren die Attribute mit leichter, aber sicherer Hand in Blei gezeichnet. Diese beiden Führer, zu denen noch Reste der Attribute in den Händen der Apostel kommen, scheinen ganz sicher leiten zu können, haben aber die Schwierigkeit der Bestimmung noch vermehrt, da Verwechselungen bei der Einstellung vorgefallen zu sein scheinen, indem die Ziffern und Attributreste den Hinterzeichnungen nicht zu entsprechen scheinen. Die Hinterzeichnungen und Ziffern stehen also:
IIIIII | Schlüssel (Petrus) | I | Schwert (Paulus) |
IIIII | Schrägkreuz (Andreas) | II | Pilgerstab (Jacobus d. ä.) |
IIII | Beil (Mathias) | III | Kelch (Johannes) |
III | Säge (Simon) | IIII | Doppelkreuz (Philippus) |
II | Lanze (?) (Thomas) (Jacobus d.j.?) | IIIII | Keule (Thaddäus) |
I | Messer (Bartholomäus) | IIIIII | Hellebarde (Matthäus). |
Es würde also Jacobus d. j. in der Reihe der Zwölfe fehlen, statt dessen Paulus hinzugekommen ist, welcher im 14. Jahrh. nie in der Reihe der Apostel fehlt. Auf dem prachtvollen lübecker Altar von Neustadt, auf welchem die Namen der Apostel in die Heiligenscheine gepreßt sind, fehlt Judas Thaddäus. Sonst pflegt oft Mathias, als der jüngste und Ersatzmann für Judas Ischarioth, zu fehlen.
Die Hinterzeichnungen an der rechten Seite sind völlig klar. An der linken Seite sind die 3 letzten nicht ganz sicher zu ermitteln; jedoch stimmt III die Säge zu Simon, welcher noch ein Heft in der rechten Hand hat und ein Attribut queer über die Brust nach der linken Hand gehalten hat. Die II Figur hat nach der ganzen Haltung ohne Zweifel eine freie Stange, wie eine Lanze, mit der rechten Hand von sich gehalten; dies steht in Widerspruch mit der Hinterzeichnung, welche einen Stein vorzustellen scheint (Jacobus d. j. mit Walkerstange?). Die letzte Hinterzeichnung zu Figur I links ist aber völlig unklar; die Figur hält aber noch einen Messergriff in der Hand und soll daher Bartholomäus sein.
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Im Allgemeinen lassen sich folgende Beobachtungen anstellen.
Mit den im Folgenden angegebenen Ausnahmen sind alle Apostel in idealer Kleidung, barfuß und bärtig dargestellt.
Der Letzte IIIIII in der Reihe rechts, Matthäus (der Zöllner), trägt, statt des idealen Ueberwurfes, einen bis auf die Füße reichenden Rock, wie einen Chorrock, welcher oben mit 5 Knöpfen zugeknöpft ist.
Jacobus d. ä. hat ein kurzes Untergewand und kurzes Obergewand, wie einen Reisemantel, und ist allein vorwärts schreitend dargestellt, während alle andern Apostel stehend gebildet sind; auch trägt er kurze Stiefeln an den Füßen.
Der IIIII Apostel rechts (Thaddäus?) hat von allen übrigen allein Schuhe an.
Bücher, und zwar offene, tragen nur: rechts II (Jacobus d. ä.), IIII (Mathias) und IIIIII (Matthäus), links II (Thomas).
Außer Johannes ist noch der II Apostel links (Thomas) jugendlich und ohne Bart dargestellt; diese Darstellungsweise findet sich auf vielen Denkmälern des 14. Jahrhunderts.
Von den Inschriften auf den 4 Büchern ist nur noch die bei dem IIII Apostel rechts erhalten: Inde venturus est judicare vivos et mortuos. Nach der herkömmlichen Vertheilung des apostolischen Glaubensbekenntnisses unter die zwölf Apostel mußte dieser Spruch auf den Philippus fallen.
Im Besondern sind die Apostel folgendermaßen gebildet:
A. zur rechten Seite.
I. Paulus, schmächtig, mit langem, edlen, weißen, magern Gesicht und tiefem, geistreichen Blick. Der Oberkopf ist ganz kahl, nur auf der hohen, gewölbten Stirn steht ein kleiner Büschel Haare; der braune Bart ist lang und weit gespalten, das Haupthaar am Hinterkopfe kurz.
II. Jacobus d. ä. hat ein weniger edles, auch mageres Gesicht mit harten Zügen, mit halblangem, dicken, schwärzlichen Haupthaar und Bart. Er ist vorwärts schreitend dargestellt. Er trägt einen kurzen, bis auf die Waden reichenden, bunten Rock, darüber, über die Schultern geworfen, einen kurzen, bis auf die Hüften reichenden Regenmantel, einen runden Hut mit breiter, vorne aufgeklappter Krämpe, auf welcher wahrscheinlich eine Muschel gestanden hat, kurze Stiefeln an den Füßen, eine Tasche um die Schultern unter dem Mantel und einen Pilgerstab in der linken Hand. In der rechten Hand hält er ein offenes Buch, auf welchem die Inschrift ergänzt ist:
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(Das letzte e ist allein noch von der Inschrift im Originale erhalten.)
(Der empfangen ist vom heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria).
III. Johannes, mit jugendlichem, vollen Gesicht, ohne Bart, mit kurzem, blonden, lockigen Haupthaar, (mit einem Kelch in der Hand).
IIII. Philippus, mit schwarzem Haupthaar und Bart; das kurze Haar ist wallend, der lange, wallende, gespaltene Bart ist bis gegen den rechten Oberarm hingeweht. Er trägt in der rechten Hand einen Griff (mit einem kurzen Doppelkreuze). Im linken Arme hält er ein offenes Buch mit der völlig erhaltenen Inschrift:
(Von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten.)
Die Bildung dieser Figur stimmt mit andern alten Darstellungen dieses Apostels überein, welche ihm einen langen, gespaltenen, schwarzen Bart und kurzes, wallendes Haar geben; auch stimmt der ihm gehörende Spruch des apostolischen Glaubensbekenntnisses mit der Hinterzeichnung überein. In der Aufstellung vor dem Abbruche des Altars war diese Figur ohne Zweifel mit der Figur IIII links verwechselt.
IIIII. Thaddäus, mit breitem, kräftigen Gesicht und kurzem, vollen, braungrauen Haar und Bart, wie Thaddäus auch sonst dargestellt ist. Die Hinterzeichnung ist eine Keule, und hiemit stimmt auch der Rest derselben in der rechten Hand und die ganze Stellung überein. Er ist, außer Jacobus d. ä., der einzige Apostel, welcher Schuhe an den Füßen trägt, eben so auf den Altären von Neustadt und Gadebusch. Es scheint hiernach eine Verwechselung mit dem ihm fast gleich gebildeten Apostel I links statt gefunden zu haben, um so mehr, da unsere Figur mit einem alten Nagel, durch ein ursprüngliches Stück Rollblei, einen Rest der abgezogenen Haut des Bartholomäus, in der linken Hand befestigt ist. Jedoch ist die Numerirung für diese Stelle sicher, zur Befestigung der langen Keule steckt noch ein alter Nagel in dem Gewande, und der Apostel I links (Bartholomäus) hält sicher einen Messergriff in den Händen.
IIIIII. Matthäus, mit gewöhnlichem, langen Gesicht ohne hervorstechende Züge, mit niedriger Stirn, langem, auf die Schultern herabfallenden, hellbraunen, fast gelben Haupthaar und kurzem,
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gespaltenen, lockigen Bart von gleicher Farbe. Er trägt, statt des idealen Obergewandes, einen bis auf die Füße herabreichenden Rock, ähnlich einem Chorrock, welcher auf der Brust mit 5 Knöpfen zugeknöpft ist. In der rechten Hand trägt er ein (Beil mit langem Griff), im linken Arm ein offenes Buch, welches bei der Restauration folgenden, ihm zukommenden Spruch des apostolischen Glaubensbekenntnisses erhalten hat:
(Ich glaube an eine heilige christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen).
B. Zur linken Seite;
IIIIII. Petrus, mit einem kräftigen, ernsten Gesichte, breiter Stirn, dichtem, krausen, grauen Haar und Bart und einer Glatze auf dem Oberschädel, jedoch so, daß die ganze Stirn mit krausem Haare bekränzt ist; der Hals ist kräftiger und freier, als bei allen andern Aposteln. Das Obergewand ist bei ihm allein durch ein viereckiges Juwel unter dem Halse zusammengehalten. Die linke Hand hat er wie in rednerischer Begeisterung erhoben; in der rechten Hand hält er einen (Schlüssel), von welchem noch der Griff in der Hand sitzt.
IIIII. Andreas, mit regelmäßigem, edlen Gesichte und vollem, halblangen Haupthaar und sehr langem, krausen Bart, beides von braungrauer Farbe. In der rechten Hand hält er ein Schrägkreuz.
IIII. Mathias, mit langem, schmalen Gesichte, schwachem, kurzen Bart und sehr langem, welligen Haar, welches bis über die Schultern hinabfällt, beides von brauner Farbe. In der linken Hand hält er ein (kurzes Beil). Seine Stelle war bei der frühern Aufstellung mit der Figur IIII rechts verwechselt.
III. Simon mit regelmäßigem, festen Gesichte und kurzem, vollen, dunkeln Haar und Bart. Mit der rechten Hand hält er queer über den Leib bis auf die von dem Obergewande bedeckte linke Hand (eine Säge), von welcher er noch den viereckigen Griff in der Hand hielt.
II. Thomas, mit rundem, jugendlichen, vollen, kecken Gesicht, ohne Bart, mit kurzem, lockigen, gelben Haar. In der erhobenen rechten Hand trägt er eine lange (oben mit einem Kreuze verzierte Lanzenstange). Im linken Arme hält er ein offenes Buch, welches die Inschrift erhalten hat:
(Niedergefahren zur Höllen, am dritten Tage auferstanden von den Todten).
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Mit dieser Bildung stimmen viele ältere Denkmäler überein, welche, außer dem Evangelisten Johannes, noch einen jugendlichen, bartlosen Apostel aufstellen; er trägt stets ein offenes Buch im Arme, entweder dieses allein, wie auf dem Altare in der S. Georgenkirche zu Wismar, oder außerdem in der rechten Hand eine Lanze, welche jedoch oben ein kleines, einfaches Kreuz, statt einer Spitze, hat und sich von dem kurzen, vor die Brust gehaltenen Doppelkreuze des Philippus wesentlich unterscheidet. In der letztern Darstellung finden wir diesen Apostel auch auf den Messingplatten im Dome zu Schwerin. Auf dem Altare in der S. Georgenkirche zu Wismar hält der unbärtige Apostel ein offenes Buch auf der rechten Hand und legt die linke auf das Buch.
I. Bartholomäus, mit ruhigem, edlen Gesicht, langem, wallenden, auf die Schultern herabfallenden Haupthaar und kurzem, vollen Bart. In der rechten Hand hält er (ein Messer), von welchem er noch den bestimmt ausgeprägten Griff hält. Es scheint, als wenn diese Figur mit der ihr ähnlichen Figur IIIII verwechselt ist, jedoch ist der Messergriff ganz bestimmt.
An jedem Ende der Apostelreihe steht ein Heiliger:
links:
der H. Gregor, von gleicher Größe mit den Aposteln, ohne Bart, mit kurzem, lockigen Haar, in päpstlicher Kleidung: das Untergewand ist golden, unter den Knieen mit einem dreifachen Saume verziert; das Obergewand ist außen silbern, innen blau. Die Tiare hat die dreifache, mit Lilien geschmückte Krone. Die rechte, segnende Hand hält er vor der Brust, in der linken hält er einen Stab mit dem zweifachen Kreuze.
rechts:
der H. Georg, kleiner, als die Apostel, mit jugendlichem, runden Gesicht, ohne Bart, mit kurzem, lockigen Haar. Er ist in Stahl geharnischt, trägt um die Hüften einen goldenen Rittergürtel, über die Schultern einen langen, goldenen, innen mit Pelzwerk bekleideten Mantel und in der rechten Hand eine Lanze.
Mittelstück im Altarfuße.
Unten in der Mitte der Mitteltafel, zwischen den auf den Flügeln stehenden Aposteln, ist in Schnitzwerk die Krönung Mariä durch Christus dargestellt. Auf einen breiten Sessel,
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auf welchem drei Figuren Platz haben könnten, mit Rückenwand und Seitenwänden von durchbrochener Arbeit im Spitzbogenstyl, sitzen Maria und Christus. Christus, gekrönt, hat mit beiden Händen eine Krone gefaßt und reicht sie der ihm zur Rechten sitzenden Maria hin, welche die Hände anbetend faltet. Beide Figuren sind gleich gekleidet, in silbernem Untergewande, mit goldenem Obergewande, welches bei Christus durch ein rundes, bei Maria durch ein viereckiges Juwel auf der Brust zusammengehalten ist. Christus hat kurzen, gespaltenen Bart und langes Haupthaar, welches bis auf die Schultern hinabhängt. Der Styl dieser Figuren, die noch aus dem 14. Jahrh. stammen, ist schon etwas verdorben und geziert, und die ganze Keuschheit und Anmuth der Kunst ist verloren gegangen. Von der Maria ist der ganze Oberleib bis zum Schooße in den eng anliegenden Kleidern klar zur Schau gestellt und das Kleid ist bis auf die Schultern ausgeschnitten, eine Koketterie, die in alter Zeit nicht oft vorkommt. Eben so fällt das gescheitelte Haar in zierlichen Locken an Schläfen und Wangen hinab. Die Christusfigur ist steif gehalten, das Haar sehr manierirt und wenig natürlich.
Das Tabernakel der Kirche zu Doberan.
An der nördlichen Seite des Hochaltars in der Kirche zu Doberan steht aus dem Mittelalter her ein prachtvolles, aus Eichenholz geschnitztes Tabernakel, welches das vorzüglichste Kunstwerk dieser Art im Lande ist; ich kenne außerdem nur noch ein ähnliches, großes Tabernakel in der Kirche des ehemaligen Cistercienser=Nonnenklosters zum Heil. Kreuz in Rostock und ein kleines Tabernakel in der Kirche des Dorfes Hansdorf bei Doberan, welche beide ebenfalls an dem nördlichen Flügel des Altars stehen 1 ).
Das doberaner Tabernakel bildet eine 37 Fuß hohe Pyramide oder ist vielmehr die Nachahmung einer Art Monstranz in colossalem Maaßstabe: es hat einen Fuß, einen Griff, einen in den Außenwänden geschlossenen, hohlen, mit einer Thür verschlossenen Hauptkörper und über demselben eine hohe, durchbrochene Pyramide. Es steht auf einer Granitplatte und sicher auf seiner ursprünglichen Stelle. Es ist ganz aus Eichenholz gearbeitet; alle glatten und hervorstehenden Flächen sind vergoldet, die Hohl=
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kehlen sind abwechselnd roth und blau auf Silbergrund lasurt. Die Arbeit ist vortrefflich und im reinen Spitzbogenstyl ausgeführt; sie stammt ohne Zweifel aus dem Ende des 14. oder dem Anfange des 15. Jahrh., und ist jedenfalls nach der letzten Weihung der Kirche im J. 1368 vollendet, da die Sprüche auf den Spruchbändern der Figuren schon in einer ausgebildeten Minuskel geschrieben sind, diese sich aber erst seit der Mitte des 14. Jahrh. auf Monumenten entwickelt.
Bei der Restaurirung des Werkes in der Zeit 1847/48 forderte das Ganze und jedes Einzelne eine sehr gründliche Untersuchung.
Das Ganze, sechsseitig construirte Gebäude besteht aus folgenden Abtheilungen:
I. Der untere Haupttheil:
1) Der Fuß. Unten ist jede der 6 Seiten mit einer großen, durchbrochenen Rosette verziert; diese fehlten ganz und es waren nur die roth ausgemalten Vertiefungen da, in welche sie eingepaßt gewesen waren.
Ueber diesen Rosetten sind unter Baldachinen 6 sitzende Heiligenfiguren angebracht, von denen jedoch eine fehlte.
2) Der Griff. Dieser ist eingezogen und mit kräftigen Knäufen und Laubwerk verziert.
3) Die erste Etage. Diese ist nicht durchbrochen, jedoch inwendig hohl und an einer Seite mit einer verschließbaren Thür versehen. An jeder der 6 Seiten ist eine stehende Heiligenfigur angebracht.
4) Die zweite Etage. Diese ist von durchbrochener Arbeit und hat ebenfalls eine Thür zum Innern.
Diese vier Abtheilungen des untern Haupttheils sind aus einem einzigen, großen Eichenstamme gearbeitet.
II. Der obere Haupttheil.
5) Die dritte Etage und
6) die vierte Etage bestehen aus zwei verschiedenen Stücken, welche einen spitz auslaufenden, durchbrochenen Thurm bilden, auf welchem
7) die Spitze steht.
Das Ganze war sehr beschädigt und vernachlässigt, da es seit mehr als dreihundert Jahren wohl von Kennern bewundert, sonst aber nicht beachtet war. Die Ungebildetern staunten nur einen eisernen Tonnenreif an, der oben um die Spitze hing und den ein meklenburgischer Edelmann zum Beweise seiner Körperkraft hinaufgeworfen haben soll. Bei der Restaurirung des schönen Kunstwerkes ist der gar nicht besonders schwere Reif
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an den nächsten Pfeiler gehängt worden, um etwanige Nachfrage nicht ganz unbefriedigt zu lassen.
Ungemeine Schwierigkeit machten bei der Restauration die 12 Figuren. Es fehlten nicht weniger als 5 Figuren, und der kirchliche Zusammenhang war kaum zu erkennen. Der Herr Baurath Bartning hatte das Glück, 4 von diesen Figuren an verschiedenen Nebenaltären der Kirche zu entdecken, wo sie mitten unter andern, ihnen fremden Heiligenbildern angenagelt waren; es war nicht zu bezweifeln, daß sie zu dem Tabernakel gehörten, um so weniger, da ihre Umrisse zu den Umrissen auf dem vergoldeten Kreidegrunde genau paßten, ja mehrere große Splitter von der Rückseite der abgerissenen Figuren noch auf den Flächen des Tabernakels saßen. Eine Figur war jedoch nicht aufzufinden und ist verloren geblieben. Dazu kam, daß fast allen Figuren die bezeichnenden Attribute fehlten. Es war sehr schwierig, nicht allein die Figuren in ihrem Zusammenhange zu erkennen, sondern auch die eine fehlende Figur zu ergänzen. Nach sorgfältigen Studien ergab sich mit Sicherheit, daß die vorhandenen Figuren folgende Heiligen darstellten:
Unten: | Oben: |
Sitzende Figuren: | Stehende Figuren: |
1) Melchisedek. | 1) Johannes d. T. |
2) David. | 2) Maria. |
3) Debora. | 3) Jacobus d. ä. |
4) Agnes. | 4) Johannes d. E. |
5) Benedict. | 5) Paulus. |
6) (fehlte). (Bernhard). | 6) Gregor d. Gr. |
Diese Figuren haben alle tiefe Beziehung zu der Person Christi und dessen Opfertode, d. i. zu der in dem Tabernakel aufbewahrten Hostie, zu der durch Christum gegründeten Kirche und zu dem Cistercienser=Orden; man könnte kurz sagen, die Statuenreihe stelle die Entwickelung der Messe dar. Es stehen in Beziehung:
1) zu | der irdischen Abstammung Christi: |
David, | |
Maria; | |
2) zu | der alttestamentlichen Weissagung: |
David, | |
Debora; | |
3) zu | dem Opfertode Christi: |
Melchisedek, | |
Johannes d. T. mit dem Lamm, | |
Agnes mit dem Lamm; |
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4) zum | Abendmahle besonders: |
Melchisedek mit Brot und Wein, | |
Johannes d. E. mit dem Kelche, | |
Benedict mit dem Kelche; | |
5) zu | der Kirche: |
Jacobus d. ä., | |
Johannes d. E., | |
Paulus, | |
Gregor d. Gr.; | |
6) zu | dem Cistercienser=Orden: |
Benedict. |
Nimmt man hiezu, welche Heiligen vorzüglich die Schutzheiligen des Klosters Doberan waren, so erhält hiedurch diese Darstellung noch mehr Sinn und Geist. Nach der ersten Weihungsurkunde vom 3. Oct. 1232 (Jahrb. IX, S. 291) waren Schutzheilige des Klosters: die Apostel Petrus und Paulus und der H. Gregor Papst:
"iudicio apostolorum Petri et Pauli et domini pape Gregorii."
Nach der zweiten Weihungsurkunde vom 4. Juni 1368 (Jahrb. IX, S. 297) waren die besondern Schutzheiligen: Maria, Johannes d. T., Johannes d. E., Fabian und Sebastian, Benedict und Bernhard:
"in honorem Marie, Johannis baptiste, Johannis ewangeliste, Fabiani et Sebastiani martirum, Benedicti et Bernhardi confessorum.
Die Jungfrau Maria war überdies Hauptpatronin des Klosters, da sie auch in dem großen Conventssiegel des Klosters, in dem Fuße des Hochaltars und in der ewigen Lampe im hohen Chor der Kirche dargestellt ist.
Nach den vorstehenden Angaben kann es nun auch nicht zweifelhaft sein, welcher Heilige für die fehlende sechste sitzende Figur zu wählen war: es konnte nur der H. Bernhard von Clairvaux gewählt werden. Die H. Benedict und H. Bernhard waren unter den besondern Schutzpatronen nicht allein des Klosters Doberan, wie angegeben ist, sondern auch des Cistercienser=Ordens: der H. Benedict als Stifter des Benedictiner=Ordens, aus dem der Cistercienser=Orden hervorging, der H. Bernhard als der berühmteste Abt und Heilige des Cistercienser=Ordens, welcher im Mittelalter überhaupt als der gefeiertste christliche Redner des allergrößten Ansehens genoß. In den freilich nicht zu restaurirenden Gemälden auf den Rückwänden der beiden Flügel des Hochaltars waren außer Maria, Johannes d. Ev., Johannes
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d. T. und Andreas Ap., auch zwei Aebte dargestellt, von denen der eine ohne Zweifel der H. Bernhard sein sollte. - Der Heil. Gregor und der H. Georg sind die beiden einzigen nachapostolischen Heiligen, welche auf dem Hochaltare angebracht sind.
Es war noch zu überlegen, in welcher Folge die Figuren zu stellen seien. Zum Grunde mußte die Richtung der Figuren gelegt werden; die Anordnung mußte so getroffen werden, daß ein gewisses Leben und Wechselwirken die Figuren durchzog: man durfte z. B. nicht mehrere rechts hin sehende Figuren neben einander stellen, wodurch wieder alle links und grade aus schauenden Figuren neben einander zu stehen gekommen wären. Es schaueten nämlich von je 6 Figuren immer 2 grade aus, 2 rechts hin und 2 links hin; man mußte also die Figuren so stellen, daß immer eine grade aus schauende Figur zwischen zwei sich anschauende Figuren zu stehen kam. Bei der Anordnung des Ganzen mußte dabei auch auf die Attribute Rücksicht genommen werden.
Als Hauptfronte nach der Kirche hin ward die Seite des Sechsecks genommen, in welcher in der zweiten Etage die durchbrochene Thür war. Unter diese stellte man die Maria, welche anbetend grade aus und hinauf schaute. Ihr zur Rechten stellte man den Johannes d. T. mit einem Lamme in der Hand; ihr zur Linken den Johannes d. E. mit dem Kelche in der Hand. Hiedurch war die Beziehung auf das, was hinter den Thüren zum Innern des Tabernakels verborgen war, genugsam angedeutet, und zugleich Vorläufer, Ursprung und Nachfolger Christi. An den Johannes d. Ev. schlossen sich die Apostel Paulus und Jacobus d. ä. Die Apostel (Petrus und) Jacobus, Paulus und Johannes repräsentiren die Entwickelung der kirchlichen Verfassung des Christenthums in der apostolischen Zeit: Jacobus: Wirksamkeit durch nicht lebenslängliche Aeltesten, Paulus: durch lebenslängliche Aeltesten, Johannes: durch einen Bischof mit Aeltesten. Auf sie folgte passend der Papst Gregor, einer der großen Kirchenlehrer und der hervorragende Ordner der Kirche. So paßten auch die Figuren nach ihrer Richtung zu einander.
Die untere Reihe der sitzenden Figuren mußte sich zum Theile nach den oberen Figuren richten. Es ward unter die Maria und die Thüren der die Harfe spielende König David gesetzt, theils weil er, wie die anbetende Maria, die Herrlichkeit verkündet, theils um den "Sohn aus David's Stamm" zu bezeichnen. Rechts neben ihm steht die H. Agnes mit dem Lamme im Arme, unter Johannes d. T. mit einem Lamme; links steht der H. Benedict, weil er den Kelch in der Hand
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hält, unter Johannes Ev. mit dem Kelche. Dann folgen nach dem H. Benedict: die Prophetin Debora unter dem tief blickenden Paulus, der H. Bernhard unter dem Apostel Jacobus, und Melchisedek unter dem H. Gregor. Die Anordnung der letztern Figuren hat nicht ganz befriedigen wollen; es blieb aber kein anderer Ausweg übrig.
Die Stellung sämmtlicher Figuren rund um das Tabernakel ist also wie folgt:
oben, stehend:
(Thür.)
Johannes T. Maria. Johannes E. Paulus. Jacobus, Gregor.
unten sitzend:
Agnes. David. Benedict. Debora. Bernhard. Melchisedek.
Die letzte Schwierigkeit machten die Spruchbänder, von denen nur wenige ganz, von den meisten nur geringe Ueberreste vorhanden waren. Bei scharfer Beobachtung ergab es sich, daß die Sprüche leoninische Hexameter von mittelalterlicher Bildung waren. Es blieb nichts anders übrig, als die fehlenden durch den Figuren möglichst passende Sprüche zu ersetzen. In der nachfolgenden Beschreibung sind die Ergänzungen in [ ] gesetzt.
Figuren des doberaner Tabernakels.
I. Obere Reihe, stehende Figuren:
1) Johannes d. T., mit härenem (matt vergoldeten) Untergewande, faltigem Obergewande, dunklem, lockigen Haupthaar und Bart und bloßen Füßen, hält auf dem linken Arme ein stehendes Lamm und mit der rechten Hand ein Spruchband:
Hostia fit munda, qui tollit crimina [nostra].
2) Maria, mit langen, lockigen, vergoldeten Haaren unter einer goldenen Krone, aufwärts schauend, mit gefaltenen Händen, mit goldenen, spitzen Schuhen, auf einer sich krümmenden Schlange stehend, hält mit den Händen ein Spruchband:
Qui sanat mentes humiles cibet esurientes.
3) Johannes d. Ev., mit jugendlichem Antlitz, ohne Bart, mit vergoldetem, lockigen Haar, in einem Obergewande, das einem Abtsgewande ähnelt, mit Schuhen an den Füßen, hält in der linken Hand einen Kelch und zeigt auf denselben mit drei Fingern der rechten Hand, indem er mit dieser zugleich ein Spruchband hält:
[Factus caro] deus [donat venerabile corpus].
4) Paulus, mit langem, gespaltenen, braunen Bart und einem kleinen Haarbüschel auf der kahlen Stirn, in weitem, faltigen Gewande, mit bloßen Füßen, hält mit der rechten Hand
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ein gesenktes Schwert und mit der linken vor der linken Brust ein geöffnetes Buch, in welchem der Bibelspruch steht:
[Deus conspicuus factus est in carne].
5) Jacobus d. ä., mit langem, braunen Haar und Bart, in einfachem, langen, mantelartigen Gewande, welches einen bis auf die Hüften hinabfallenden Kragen hat, das Haupt mit einem goldenen Hute bedeckt, auf dessen vorne ganz zurückgeschlagener Krempe eine weiße Muschel sitzt, mit Schuhen an den Füßen, hält die rechte Hand vor der Brust und mit der linken Hand im Arme ein offenes Buch, in welchem der Bibelspruch steht:
[Omne integrum donum descendit a patre luminum].
6) Gregorius d. Große, mit grau=braunem, kurzen Haar und Bart, in päpstlichem Gewande, mit einer hohen, spitzen, weißen Mütze, um welche drei einfache, goldene Reifen liegen und auf deren Spitze ein runder, goldener Knopf steht, hält mit der rechten Hand einen aufgerichteten Schlüssel und mit der linken ein Spruchband:
Qui [nutrit carne] potusque inebriat iste.
II. Untere Reihe, sitzende Figuren:
1) Agnes, sehr jugendlich, mit kurzem, lockigen, vergoldeten Haupthaare, ohne Kopfbedeckung, hält mit beiden Händen vor der linken Brust ein knieendes Lamm; Spruchband:
Agnus placatur in quo [deus sacrificatur].
2) David, mit vergoldetem Haupthaar und Bart, mit einer goldenen Krone auf dem Haupte, in einen langen, faltigen Mantel gehüllt der auf der linken Schulter mit runden Knöpfen zusammen gehalten ist, mit Stiefeln an den Füßen, spielt eine kurze, auf seinen Knieen stehende Harfe; Spruchband:
[Angelicus panis de celo mittitur illis].
3) Benedict, mit braunem Haar und kurzem Bart, mit einer Bischofsmütze, deren Hut weiß und der mit Lilien geschmückte Reif um die Stirn golden ist, in einen weiten Mantel gehüllt, der auf der Brust durch ein rothes Juwel zusammen gehalten ist, hält mit beiden Händen vor der Brust einen Kelch; Spruchband:
[Effudit] fon[tes vitae recreatque bibentes].
4) Debora, mit weißem Hauptschleier, der alles Haar bedeckt, hält im linken Arm ein offenes Buch, auf dessen linker Blattseite steht:
Justis quaeque bona tribuunt haec mistica dona.
Mit den Vorderfingern der rechten Hand weiset sie auf die rechte Blattseite des Buches, auf welcher die Worte stehen:
Die Schreibung Delbora war unzweifelhaft.
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5) [Bernhard, in der Tracht eines Abtes, mit Tonsur, ohne Bischofsmütze und Mantel, hält im linken Arme ein nicht geöffnetes Buch, in der rechten Hand einen Bischofsstab; links neben ihm steht ein bellender Hund; Spruchband:
6) Melchisedek, als Priester und König, mit langem, lockigen, braunen Bart, mit goldenem Kopfschleier, welcher auf der Stirn eine rothe Rose trägt, hält mit der rechten Hand einen auf dem rechten Kniee stehenden, vergoldeten Krug, [auf welchem eine Schüssel mit drei Broten steht; Spruchband:
Der Styl der Figuren ist rein und edel, wenn auch grade nicht geistreich. Die Färbung ist jedoch von der gewöhnlichen Methode abweichend: die Vergoldung ist vorherrschend, nur die untern Seiten der Gewänder sind mit Silber grün lasurt; roth und blau, die beiden gewöhnlichen Farben, welche auch zu der Architectur des Tabernakels angewandt sind, fehlen an den Figuren ganz.
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Ueber die Ziegelbauten der deutschen Ostseeländer.
Wir haben unablässig dahin gestrebt, die Werke unserer eigenthümlichen, gediegenen Ziegelarchitektur, an denen Meklenburg vor allen andern Ländern reich ist, zu entdecken, in unsern Jahrbüchern zur Sprache und der Theilnahme und weitern Beobachtung näher zu bringen. Wir suchen unsere Lobpreisungen unserer reichen Besitzungen durch folgende Aussprüche von Männern zu stärken, welche sowohl durch hohe und sichere Kunstbildung und Einsicht, als durch Vergleichung der bedeutendsten Werke Europa's ein zuverlässiges Urtheil zu geben im Stande sind, in der Hoffnung, durch diese Mittheilung einen festern Rückhalt zu gewinnen.
Der Baurath Stüler zu Berlin, einer der größten Baumeister unserer Zeit, welcher das unübertreffliche neueste Museum in Berlin bauet und gegenwärtig der Vollendung entgegenführt und der auch die neuesten Bauten in Basedow geleitet hat, fällt folgendes Urtheil:
"In der Versammlung des berliner Vereins für mittelalterliche Kunst am 21. December 1848 hielt Herr Baurath Stüler einen Vortrag über die Ziegelarchitektur des Küstenlandes zwischen der Oder und der Elbe, welche unter den im Mittelalter in diesem Material ausgeführten Gebäuden eine eigenthümliche und sehr reiche Gruppe bildet. Die wichtigsten Mittelpunkte für dieselbe bilden die Städte Anklam, Greifswald, Stralsund, Rostock, Doberan, Wismar, Schwerin und Lübeck. Für die Kirchen ist es charakteristisch, daß, während die Mehrzahl derselben in Preußen und in den Marken drei gleich hohe Schiffe und ein einfaches Langhaus haben, hier die Basilikenform mit stark vorspringenden Kreuzarmen in Anwendung gekommen ist. Der im J. 1154 im Rundbogenstyl erbaute Dom zu Ratzeburg und mehrere fast gleichzeitig in demselben Styl gebaute Kirchen in der Umgegend von Wismar haben hier zu Vorbildern gedient. Bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts haben die Verhältnisse der inneren wie der äußeren Architektur des Spitzbogenstyls eine bei Ziegelbauten äußerst seltene Schlankheit erreicht, so daß das Mittelschiff in den Kirchen zu Rostock und Wismar, in den Domen von Lübeck und Schwerin mit einer den kölner Dom noch übertreffenden Kühnheit empor steigt. So ist auch wie dort der Chor
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mit einem Kranz von Kapellen umgeben. Das Stabwerk der sehr schmalen und langen Fenster ist dagegen sehr einfach gehalten. Dagegen sind die Queerarme des Kreuzes öfter mit vier Gewölben von quadratischer Form, welche von einem achteckigen Pfeiler unterstützt werden, in einer sehr bedeutenden Weise ausgebildet, so in der Kirche zu Doberan, wie in der Marienund Georgen=Kirche zu Wismar. Die beiden Thürme der Westseite imponiren vornehmlich durch ihre Masse. Leider fehlt ihnen jetzt meist die einst vorhanden gewesene Spitze, welche der MarienKirche zu Anklam eine so schöne Zier gewährt. Zum Schmuck des Aeußeren dienen besonders bald grün, bald schwarz glasirte Ziegel. Unter den weltlichen Gebäuden zeichnen sich die Rathhäuser zu Lübeck, Rostock und Stralsund durch ansehnlichen Umfang, durch eine reiche, vielgegliederte Architectur, so wie durch sehr stattliche Höhenverhältnisse aus. Außerdem haben aber diese Städte eine Reihe der schönsten und reichsten Giebelhäuser aufzuweisen, welche mit reich gegliederten und verzierten Einfassungen und angenehm wirkendem Maßwerk in den Blenden ausgestattet sind. Ueberdies kommen noch öfter an den mannigfaltigen Umrissen antikisirende Relieffriese von grüner Glasur als Einfassung vor, welche sowohl Arabesken als Figuren enthalten. Diese unterscheiden sich von dem meist mehr constructiven und schematischen Charakter der Verzierungen an unseren heimischen Ziegelbauten dadurch, daß sie nach der Weise der italienischen Prachtbauten in Ziegel auf einzelnen Thonplatten und Kacheln befindlich, welche der Struktur mit Mörtel vorgesetzt sind. Eine noch ausgedehntere Anwendung hat diese Verzierungsart an den Schlössern zu Wismar, Schwerin und Gadebusch gefunden; denn hier sind die Fenstereinfassungen, so wie lothund wagerechte Streifen in denselben mit Arabesken, Figuren, Medaillons . geschmückt. In den ersten beiden Schlössern macht sich dieses Prinzip auch in zwei Sälen in der Bekleidung gemauerter Säulen und der sich auf dieselben stützenden Rippen reicher Sterngewölbe geltend. Man wäre hiernach versucht, auf italienische Architekten zu schließen, wenn nicht aus der Geschichte jener drei Schlösser von dem großherzoglich=meklenburgischen Archivar Lisch ausdrücklich hervorginge, daß diese vornehmlich von 1553-1576 ausgeführten Prachtbauten von deutschen Künstlern herrühren, unter denen sich die wahrscheinlich vom Niederrhein her berufenen Franz, Johann
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Babtist und Christoph Parr besonders ausgezeichnet haben. Diese Bemerkungen wurden durch eine reiche Folge von meisterlich gezeichneten Reise=Skizzen des Hrn. Stüler, welche das Charakteristische jener Bauwerke veranschaulichten, und sich, mit Ausnahme von Greifswald und Stralsund, über alle obigen Orte erstreckte, auf eine sehr glückliche Weise begleitet."
(Preuß. Staats=Anzeiger, 1849, Nr. 37, Beilage.)
Der Regierungs=Assessor Alexander von Minutoli, ein gediegener Kunstkenner, welcher vor mehreren Jahren ein Prachtwerk über die mittelalterliche Kunst in der Mark Brandenburg begann, welches in der Fortsetzung durch die Praxis des Lebens leider gestört ist, sagt:
"In den (der Mark benachbarten Städten der Hansa, namentlich in den) Städten Lübeck, Schwerin, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Danzig u. s. w. erhielt sich der Kathedralen=Styl länger und man leistete mit gebrannten Steinen fast Unglaubliches.
Alex. v. Minutoli Denkmäler mittelalterlicher Kunst in den brandenburgischen Marken, I; S. 10.
Der Graf Bastard zu Paris, der bekannte Herausgeber eines riesenmäßigen Prachtwerkes über alte Malerei, welcher fast ganz Europa durchforscht hat und vor mehreren Jahren, unter der Regierung des Großherzogs Paul Friederich, auch in Schwerin war, sagte staunend zu dem Unterzeichneten im Dome zu Schwerin:
"er habe nie einen schönern, edlern Kirchenbau gesehen, als diesen, eben so schöne freilich manche."
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Candidat Pfaff zu Gr. Rogahn schenkte dem Vereine eine Original=Urkunde vom 2. Febr. 1417, durch welche die Moltken dem Claus Bassewitz d. ä. eine Hufe zu Kowalz, genannt die Trempelhufe, verkaufen; diese Urkunde gehört ohne Zweifel zu den von dem Herrn v. Oertzen auf Roggow dem Vereine geschenkten Urkunden (vgl. Jahrb. IX, S. 475).
G. C F. Lisch.
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Die in unsere Jahrbücher Jahrg. IV, aufgenommene ältere Geschichte der Buchdruckerkunst in Meklenburg hat schon viele neue Entdeckungen und Erweiterungen hervorgerufen, welche in den folgenden Jahrgängen der Jahrb. niedergelegt sind. Der Herr Buchdruckereibesitzer und Senator Culemann zu Hannover, welcher mit Anstrengung und Erfolg Incunabeln bis zum J. 1500 sammelt und studirt und eine Beschreibung seiner Sammlung unter dem Titel:
Incunabeln=Sammlung von F. G. H. Culemann, verzeichnet von Dr. C. L. Grotefend. Hannover, 1844.
herausgegeben hat, hat unsere Forschungen freundlichst durch folgende Nachträge und Beobachtungen bereichert, mit denen der Herr Subconrector Dr. Grotefend nach gemeinschaftlichen Studien übereinstimmt.
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A. Druckerei der Michaelisbrüder
zu Rostock.
Der Herr Culemann besitzt;
1) Nr. 123. Bernardi Clarevallensis sermones super Cantica canticorum. Rostock, fratr. comm. vitae, 28. Jul. 1481.
ein schönes, vollständiges Exemplar.
2) Ein Blatt, auf einer Seite mit denselben Typen bedruckt, in niedersächsischer Sprache. Der Herr Culemann erhielt es von dem Herrn Geheimen=Regierungs=Rath Blumenbach zu Geschenk. Das ganze Blatt hat 33 Zeilen auslaufend und beginnt also:
Jorgen vnde sunte Mauricius vnde vele der anderen │ vorwar ok de scheker de an deme cruce hek/ ane welk │ behagent nemant een gud fundament lecht/ vnde en │ kumpt ok nicht tho der kronen/ In deme helme scho│len twe gathe wesen vor den
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oghen dar me dor seen │ schal wat to kamende is dat is bescheidenheit wes me │ don schal vnde een veruarēt wes me laten schal/ wen│te ane bescheidenheit vnde vordanken is veele vppe │ dat ende quaed dat in deme anbeginne wert gut ghe│seen. De moder gades, u. s. w.
Die 33ste Zeile beendigt noch nicht das Ganze, sondern endigt;
3) Zwei Pergamentblätter, mit Sign. EIIII und Blattzahlen XXXVI und XXXVII an der Seite in der Mitte der zweispaltigen Columnen, von einem Missal der Brüder vom gemeinsamen Leben, welches Jahrb. IV. S. 51 und V, S. 184 beschrieben ist; die Seite enthält 35 gebrochene Zeilen. Die Missalschrift ist genau die in Jahrb. IV, Tab. I, Nr. 1 und 2 abgebildete; die kleinere Schrift ist die zu Bernardi Clarev. Sermones gebrauchte. Die Initialen und Festtage sind mit rother Farbe eingeschrieben.
4) Nr. 164. Sancti Anscarii oratiunculae sive collectae snper omnes psalmos centum quinquaginta. Sequuntnr cantica.
In Octav, 32 Blätter, ohne Signatur, Custoden und
Blattzahlen.
Anfang :
[S]anct 9 anscari 9 vir seraphic 9 │ secūdus arciepūs hāburgē│sis pos pmū. cui nomē sct's │ geridan 9 . =p lodewicū piū. magni │ karoli filiū. p 9 mortē geridani .
Schluß ohne Unterschrift:
lexi quoniam ex. do. et sic de sin│gulis.
Fehlt bei Panzer und Hain. Kleinere, noch nicht bekannt gemachte Schrift, doch genau im Schnitt so gehalten, als die größere Schrift von Bernardi Cl. Sermones.
Vom Archivar Lappenberg nach diesem Exemplare bei Meißner in Hamburg 1844 herausgegeben.
Diesem Werke vorgebunden sind folgende zwei Werke:
5) Nr. 165. Sententia determinatiua Beati An│celmi Canthuariensis archiepi: super resolutione pusillanimis oscientie du│bitantis an missam celebrare expedi│at nec ne.
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Octav, 8 Blätter, ohne Sign., Cust. und Blattzahlen, 21 Zeilen, Initialen eingemalt. Fehlt bei Panzer und Hain.
6) Nr. 168. Incipit tractatus de preparatio│ne ad missam Domini seraphici Jo│hannis Bonauenture. Feliciter.
Octav, 18 Blätter, ohne Sign., Cust. und Blattzahlen, 21 Zeilen; fehlt bei Panzer und Hain.
Die beiden Bücher haben genau die Schrift, mit welcher das in Jahrb. IV, Tab. I, Nr. 5 abgebildete Ende der Agenda ecclesie Suerin. gedruckt ist, also dem Schnitt nach die älteste Type der Brüder vom gemeinsamen Leben, welche jedoch keinesweges mit den brüsseler Brüdern vom gemeinsamen Leben übereinstimmt, indem diese vielmehr die Type hatten, welche Arnold Therhoernen in Cölln besaß und somit den Grundcharakter der holländischen Type bildet, welcher von dem der rostocker Brüder ganz verschieden ist.
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B. Druckerei des Hermann Barckhusen
zu Rostock.
Den so eben beschriebenen Nrn. 164, 165 und 168 des culemannschen Katalogs vorgebunden ist noch:
7) Nr. 174. Gerardi de Zutphania tractatus de spiritualibus ascensionibus.
Octav, 68 Bl., 30 Zeilen, Sign. (auf Bl. 2: a 3 statt a 2); Panzer IV, p. 214, n. 1330 und Hain n. 1629 b. Dieses Buch ist mit der kleinern, Jahrb. IV, Tab. II, 1 a und 1 b abgebildeten Type des Hermann Barkhusen gedruckt, jedoch weicht das große h etwas von dem Facsimile ab. Das Papier ist eleganter, nicht so rauh und markig, als die andern drei kleinen nachgebundenen Schriften.
8) Nr. 157. [Matthiae Farinatoris] Liber moralitatum elegantissimus magnarum rerum naturalium Lumen animal dictus. 22. M rz 1482.
Fol., 272 Bl., 43 Zeilen, ohne Sign., Cust. und Blattzahlen, bei Panzer IV, p. 28, n. 205, Brunet manuel I, p. 492, und Hain, n. 10333, giebt den Beweis, daß diese Druckerei schon 1482 in Rostock gewesen sein muß, da dieses Buch die Type, welche in Nr. 174 Gerar. de Zutph. zur Ueberschrift gebraucht ist, als Texttype benutzt und zur Ueberschrift eine noch größere Type gebraucht, welche in den Grundzügen den rostocker Ursprung verräth; auch die in diesem Werke vorkommende Missaltype ist dieselbe, wie die in Jahrb. IV, Tab. II, Nr. 2 a gezeichnete. Dieses Buch "Liber moralitatum" ist dem
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rostocker Druck Nr. 123 Bernardi Cl. Sermones vorgebunden. Der Band ist alt, mit Buckeln und Clausuren versehen.
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Hermann Barckhusen
und
das hamburger Brevier 1508.
In Jahrb. IV, S. 66 flgd. 69, 81, und X, S. 385, ist der Druck eines hamburger Breviers vom Jahre 1508 durch den rostocker Stadt=Secretair Hermannn Barckhusen festgesetzt. Da die Sache, vorzüglich durch die Person des Druckereibesitzers, historische Wichtigkeit hat, so wird es zu entschuldigen sein, wenn ich hier eine jüngst gemachte Entdeckung mittheile.
Am 23. April 1514 klagte ein Magister Wilhelm Kolling, Diener des Administrators des Erzbisthums Bremen, Herzogs Christoph von Braunschweig, bei diesem über
"des ersamen rades Rostock erenn schriuer Hermannum Barchusenn - - -, wo my de vpgenannte Hermannus vmme hundert guldenn auer lange iarenn gebedenn, entfaugenn, to synem besten der prente haluen gebrukett, my dar van vordeynst, so vell ehm gudt duchte, gegeuen vnnd betaltt, my fortt angesunnen, auengerorde hundert gulden noch eyn iar stande to laten, wo gescheyn, mytt dem suluen gelde, samppt anderm he dar to kreych, dem werdigen cappittel to Hamborch vor itlike breuier he enne prentede by II C gulden affvordentt . kan noch to minem vthgelachten gelde ofte mynste nicht komen, wo woll he my dat inn synen schriften vnnd worden gelofflikenn to betalende togesacht, hebbe dar vmb sulfftigen Hermanum bynnen Rostock vyffmaell erßocht alstens mit nyen anslegen, my de eynen vorschriuinge vpp de andernn, so myt borgen, denne in syn woenhus doen wolde tyns dar vpp geuen . - - - Screuen ahm sondage Quasimodogeniti anno XV C vnnd imme XIIII.
Wylhelm Kollynck."
Der Erzbischof Christoph verwandte sich für Kollinck bei den Herzogen von Meklenburg und diese wandten sich wegen der Sache an den Rath der Stadt Rostock; Hermann Barckhusen berichtete aber,
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"dat de dinge so nicht synt, wo dorch Wilhelmum Kollinge angegeuen."
Die Herzoge erwiederten darauf, daß sie dem Magister Wilhelm Kolling zur Verfolgung seiner etwanigen Ansprüche bei den ordentlichen Gerichten ihres Landes alle mögliche Beförderung angedeihen lassen würden. Weiter enthalten die Acten nichts, sie geben aber die sichere Nachricht von der Ausführung des Brevierdrucks für das hamburger Dom=Capitel.
G. C. F. Lisch.
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Wirbelbein eines vorweltlichen Thieres,
4" lang, 31/2" im Durchmesser, mit Ansätzen von abgebrochenen Rippen, ohne Markröhre, vielleicht vom Schwanzende eines riesigen, vorweltlichen Thieres (?), gefunden in einer Mergelgrube zu Demern im Fürstenthume Ratzeburg, bei Rehna, geschenkt von dem Herrn Pastor Masch zu Demern. Dem Vernehmen nach soll der Herr Ober=Medicinal=Rath Brückner zu Ludwigslust ein ähnliches colossales Wirbelbein besitzen, welches ebenfalls in einem Mergellager gefunden ist.
G. C. F. Lisch.
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