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Ueber die Ziegelbauten der deutschen Ostseeländer.
Wir haben unablässig dahin gestrebt, die Werke unserer eigenthümlichen, gediegenen Ziegelarchitektur, an denen Meklenburg vor allen andern Ländern reich ist, zu entdecken, in unsern Jahrbüchern zur Sprache und der Theilnahme und weitern Beobachtung näher zu bringen. Wir suchen unsere Lobpreisungen unserer reichen Besitzungen durch folgende Aussprüche von Männern zu stärken, welche sowohl durch hohe und sichere Kunstbildung und Einsicht, als durch Vergleichung der bedeutendsten Werke Europa's ein zuverlässiges Urtheil zu geben im Stande sind, in der Hoffnung, durch diese Mittheilung einen festern Rückhalt zu gewinnen.
Der Baurath Stüler zu Berlin, einer der größten Baumeister unserer Zeit, welcher das unübertreffliche neueste Museum in Berlin bauet und gegenwärtig der Vollendung entgegenführt und der auch die neuesten Bauten in Basedow geleitet hat, fällt folgendes Urtheil:
"In der Versammlung des berliner Vereins für mittelalterliche Kunst am 21. December 1848 hielt Herr Baurath Stüler einen Vortrag über die Ziegelarchitektur des Küstenlandes zwischen der Oder und der Elbe, welche unter den im Mittelalter in diesem Material ausgeführten Gebäuden eine eigenthümliche und sehr reiche Gruppe bildet. Die wichtigsten Mittelpunkte für dieselbe bilden die Städte Anklam, Greifswald, Stralsund, Rostock, Doberan, Wismar, Schwerin und Lübeck. Für die Kirchen ist es charakteristisch, daß, während die Mehrzahl derselben in Preußen und in den Marken drei gleich hohe Schiffe und ein einfaches Langhaus haben, hier die Basilikenform mit stark vorspringenden Kreuzarmen in Anwendung gekommen ist. Der im J. 1154 im Rundbogenstyl erbaute Dom zu Ratzeburg und mehrere fast gleichzeitig in demselben Styl gebaute Kirchen in der Umgegend von Wismar haben hier zu Vorbildern gedient. Bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts haben die Verhältnisse der inneren wie der äußeren Architektur des Spitzbogenstyls eine bei Ziegelbauten äußerst seltene Schlankheit erreicht, so daß das Mittelschiff in den Kirchen zu Rostock und Wismar, in den Domen von Lübeck und Schwerin mit einer den kölner Dom noch übertreffenden Kühnheit empor steigt. So ist auch wie dort der Chor
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mit einem Kranz von Kapellen umgeben. Das Stabwerk der sehr schmalen und langen Fenster ist dagegen sehr einfach gehalten. Dagegen sind die Queerarme des Kreuzes öfter mit vier Gewölben von quadratischer Form, welche von einem achteckigen Pfeiler unterstützt werden, in einer sehr bedeutenden Weise ausgebildet, so in der Kirche zu Doberan, wie in der Marienund Georgen=Kirche zu Wismar. Die beiden Thürme der Westseite imponiren vornehmlich durch ihre Masse. Leider fehlt ihnen jetzt meist die einst vorhanden gewesene Spitze, welche der MarienKirche zu Anklam eine so schöne Zier gewährt. Zum Schmuck des Aeußeren dienen besonders bald grün, bald schwarz glasirte Ziegel. Unter den weltlichen Gebäuden zeichnen sich die Rathhäuser zu Lübeck, Rostock und Stralsund durch ansehnlichen Umfang, durch eine reiche, vielgegliederte Architectur, so wie durch sehr stattliche Höhenverhältnisse aus. Außerdem haben aber diese Städte eine Reihe der schönsten und reichsten Giebelhäuser aufzuweisen, welche mit reich gegliederten und verzierten Einfassungen und angenehm wirkendem Maßwerk in den Blenden ausgestattet sind. Ueberdies kommen noch öfter an den mannigfaltigen Umrissen antikisirende Relieffriese von grüner Glasur als Einfassung vor, welche sowohl Arabesken als Figuren enthalten. Diese unterscheiden sich von dem meist mehr constructiven und schematischen Charakter der Verzierungen an unseren heimischen Ziegelbauten dadurch, daß sie nach der Weise der italienischen Prachtbauten in Ziegel auf einzelnen Thonplatten und Kacheln befindlich, welche der Struktur mit Mörtel vorgesetzt sind. Eine noch ausgedehntere Anwendung hat diese Verzierungsart an den Schlössern zu Wismar, Schwerin und Gadebusch gefunden; denn hier sind die Fenstereinfassungen, so wie lothund wagerechte Streifen in denselben mit Arabesken, Figuren, Medaillons . geschmückt. In den ersten beiden Schlössern macht sich dieses Prinzip auch in zwei Sälen in der Bekleidung gemauerter Säulen und der sich auf dieselben stützenden Rippen reicher Sterngewölbe geltend. Man wäre hiernach versucht, auf italienische Architekten zu schließen, wenn nicht aus der Geschichte jener drei Schlösser von dem großherzoglich=meklenburgischen Archivar Lisch ausdrücklich hervorginge, daß diese vornehmlich von 1553-1576 ausgeführten Prachtbauten von deutschen Künstlern herrühren, unter denen sich die wahrscheinlich vom Niederrhein her berufenen Franz, Johann
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Babtist und Christoph Parr besonders ausgezeichnet haben. Diese Bemerkungen wurden durch eine reiche Folge von meisterlich gezeichneten Reise=Skizzen des Hrn. Stüler, welche das Charakteristische jener Bauwerke veranschaulichten, und sich, mit Ausnahme von Greifswald und Stralsund, über alle obigen Orte erstreckte, auf eine sehr glückliche Weise begleitet."
(Preuß. Staats=Anzeiger, 1849, Nr. 37, Beilage.)
Der Regierungs=Assessor Alexander von Minutoli, ein gediegener Kunstkenner, welcher vor mehreren Jahren ein Prachtwerk über die mittelalterliche Kunst in der Mark Brandenburg begann, welches in der Fortsetzung durch die Praxis des Lebens leider gestört ist, sagt:
"In den (der Mark benachbarten Städten der Hansa, namentlich in den) Städten Lübeck, Schwerin, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Danzig u. s. w. erhielt sich der Kathedralen=Styl länger und man leistete mit gebrannten Steinen fast Unglaubliches.
Alex. v. Minutoli Denkmäler mittelalterlicher Kunst in den brandenburgischen Marken, I; S. 10.
Der Graf Bastard zu Paris, der bekannte Herausgeber eines riesenmäßigen Prachtwerkes über alte Malerei, welcher fast ganz Europa durchforscht hat und vor mehreren Jahren, unter der Regierung des Großherzogs Paul Friederich, auch in Schwerin war, sagte staunend zu dem Unterzeichneten im Dome zu Schwerin:
"er habe nie einen schönern, edlern Kirchenbau gesehen, als diesen, eben so schöne freilich manche."
G. C. F. Lisch.