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von
großherzoglich meklenburgischem
Geheimen Archiv_Rath,
Conservator der
geschichtlichen Kunstdenkmäler des Landes,
Direktor der großherzoglichen
Alterthümer= und Münzen=Sammlungen zu
Schwerin,
Commandeur des königl.
dänischen Dannebrog= und des königl.
preußischen Kronen=Ordens, Ritter des Rothen
Adler=, des Nordstern und des Oldenburg.
Verdienst=Ordens 3 Cl., Inhaber der
großherzogl. meklenb. goldenen
Verdienst=Medaille und der königl.
hannoverschen goldenen Ehren=Medaille für
Wissenschaft und Kunst am Bande, der
Kaiserlich österreichischen und der großen
kaiserlich russischen goldenen
Verdienst=Medaille für Wissenschaft,
wirklichem Mitgliede der königlichen
Gesellschaft für nordische Alterthumskunde
zu Kopenhagen und der königlichen Akademie
der Wissenschaften zu Stockholm,
correspondirendem Mitgliede der königlichen
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen,
der kaiserl. archäologischen Gesellschaft zu
St. Petersburg,
der antiquar.
Gesellschaft zu Abbeville und der
Oberlausitz. Gesellschaft der Wissensch. zu
Görlitz,
wirklichem Mitgliede der
archäologischen Gesellschaft zu Moskau,
Ehrenmitgliede der anthropologischen
Gesellschaft zu Berlin,
der geschichts=
und alterthumsforschenden Gesellschaften zu
Dresden, Mainz, Hohenleuben, Meiningen,
Würzburg, Königsberg, Lüneburg, Emden,
Luxemburg, Christiania, Zürich, Stettin und
Greifswald,
correspondirendem Mitgliede
der geschichts= und
alterthmsforschenden Gesellschaften zu
Lübeck, Hamburg, Kiel, Hannover, Leipzig,
Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau,
Cassel, Regensburg, Kopenhagen, Graz, Reval,
Riga, Leyden, Antwerpen, Stockholm und des
hansischen Geschichtsvereins,
als
erstem Secretair des Vereins für
meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.
In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung.
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A. Jahrbücher für Geschichte. |
Seite | |||
I. | Gadebuscher Amts= und Schloß=Rechnung von 1451, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch zu Schwerin | 3 | ||
II. | Ueber die Stiftung des Klosters zum Heil. Kreuz in Rostock, insonderheit über den Stiftungsbrief, von Archivar Dr. Wigger zu Schwerin. | 20 | ||
Mit 1 Holzschnitt | 49 | |||
III. | Ueber des Herzogs Magnus II. von Meklenburg Lebensende, von dem Geheimen Archiv=Rath Dr. Lisch | |||
IV. | Herzog Carl Leopold und die Geistlichkeit, von demselben | 59 | ||
V. | Steinernes Kreuz für den Canzler Thomas Rode in Rostock, von demselben | 62 | ||
VI. | Ueber die Stadt Neustadt, von demselben | 64 | ||
VII. | Erachten der Wismarschen Prädicanten vom Jahre 1534 über die Ehescheidung des Königs Heinrich VIII. von England, von Dr. Crull zu Wismar | 65 | ||
VIII. | Ueber des Dr. Johann Knutzen Herkunft, von dem Geh. Archiv=Rath Dr. Lisch | 87 | ||
IX. | Ueber den Mopsorden in Meklenburg, von demselben | 90 | ||
X. | Dr. Heinrich Gherwe, Dompropst zu Schwerin, von demselben | 96 | ||
XI. | Ueber die Rostocker Bauerntracht und das Land Drenow, von demselben | 97 | ||
XII. | Ueber Weise Regeln für die Stadtobrigkeiten in dem Stadtbuche von Ribnitz, von demselben | 101 | ||
XIII. | Ueber ein Meklenburgisches Wappen in Haßfurt, von demselben | 104 | ||
XIV. | Zur Geschichte des Buchweizens, von demselben | 107 | ||
XV. | Ueber den Schweriner Domherrn Volrad von Krempe, von demselben | 110 |
B. Jahrbücher für Alterthumskunde. |
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I. | Zur Alterthumskunde im engern Sinne. | |||||
1) | Vorchristliche Zeit. | |||||
a. | Steinzeit | 115 | ||||
b. | Bronzezeit | 123 | ||||
Gießstätte von Ruthen, von Dr. Lisch | 127 | |||||
Mit 1 Holzschnitt. | ||||||
Ueber Hausurnen, von demselben | 130 | |||||
Mit 1 Holzschnitt. |
Seite | ||||||
Zur Geschichte der Kesselwagen, von Pastor Dolberg zu Rövershagen | 133 | |||||
c. | Eisenzeit | 136 | ||||
d. | Alterthümer anderer europäischer Völker | 139 | ||||
Römische Alterthümer im nördlichen Norwegen, von Dr. Lisch | 139 | |||||
e. | Alterthümer außereuropäischer Völker | 145 | ||||
Steinzeit in Aegypten, von demselben | 145 | |||||
Mit Bericht von Dr. Reil zu Kairo | 147 | |||||
2) | Christliches Mittelalter | 152 | ||||
II. | Zur Baukunde. | |||||
1) | Vorchristliche Zeit. | 158 | ||||
Burg und Dorf Kussin, jetzt Neukloster | 158 | |||||
Der Burgwall von Neu=Nieköhr, von dem Pastor Dr. Krüger zu Boddin | 161 | |||||
2) | Christliches Mittelalter. | |||||
a. | Weltliche Bauwerke | 172 | ||||
Ofenkacheln des 16. Jahrhunderts, von Dr. Lisch | 172 | |||||
b. | Kirchliche Bauwerke | 177 | ||||
Kirche zu Warnemünde, von Dr. Lisch | 177 | |||||
Kirchen zu Leussow, Picher, Jabel, Klenow, von demselben | 193 | |||||
III. | Zur Münzkunde | 212 | ||||
IV. | Zur Siegel= und Wappenkunde | 218 |
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für
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[ Seite 3 ] |
|
:
Mitgetheilt
von
Dr. G. C. F. Lisch.
Es giebt, außer den Chroniken, wohl kaum andere schriftliche Denkmäler der Vorzeit, welche für die Erkenntniß des inneren Lebens vergangener Jahrhunderte so wichtig wären, als die bis auf die neuesten Zeiten fast ganz und ungebührlich vernachlässigten alten Rechnungen, welche in das häusliche Leben einen noch tiefern Blick gönnen, als die Chroniken. Eine der inhaltsreichsten alten Rechnungen, die mir je vorgekommen sind, ist die vollständig im Folgenden von mir mitgetheilte, welche ich vor längerer Zeit unter noch ungeordneten alten Papieren ("Rejectaneis") im Schweriner Archive fand. Vor den meisten andern ähnlicher Art zeichnet sie sich durch eine große Fülle von Ausdrücken aller Art von Gegenständen des häuslichen Lebens und durch eine seltene Reinheit der niedersächsischen (plattdeutschen) Sprache aus, wie auch die Handschrift für die Zeit eine ungewöhnlich klare, große und saubere ist. Für die Sprache wird diese Urkunde lange eine reiche Fundgrube und ein nachahmenswerthes Vorbild bleiben, zumal die Schreibweise der heutigen plattdeutschen Dichter und Schriftsteller (- nach der Aussprache -) grade keine empfehlenswerthe ist. Nicht minder giebt diese Rechnung eine ziemlich klare Uebersicht über die Lebensmittel, welche man vor 400 Jahren genoß.
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Auch für die Staatsgeschichte fallen in ausgezeichneten Rechnungen diese und jene Brosamen oft stark in's Gewicht. Die Rechnung nennt in den Ueberschriften keinen Ort. In den Hauptüberschriften wird jedoch gesagt, daß sie über ein Schloß ("tho des slotes behôff") geführt sei; sie ist also eine Hofrechnung und zwar ohne Zweifel für die Herzoge von Meklenburg. Es ist nun die Frage, über welche Hofhaltung sie geführt ist.
Viele Aufführungen deuten nur auf das Schloß Gadebusch. Vorzüglich sind es die Mühlen (die beiden "Roggenmühlen" p. 11), welche bestimmt auf Gadebusch hinweisen: die Kitzmühle und die Neue Mühle (p. 10). Die beiden letzteren Mühlen kommen in den Amtsrechnungen seit 1436 bei Gadebusch öfter und nur bei Gadebusch vor; ein Kitz (Fischervorstadt) war z. B. bei Schwerin und Wismar nicht. Auch der "Bauhof'' (p. 12), welcher noch heute steht, deutet auf Gadebusch. Daß in der Rechnung (p. 15) eine Strafe ("Bruch") aus Jarmstorf in Rechnung gebracht wird, weiset eben so gewiß auf Gadebusch hin.
Vor allen Dingen entscheidend ist aber, daß als Hauptverwalter wiederholt "Lüdeke von Bassewitz" (p. 2) mit dem Zunamen genannt wird und noch öfter als "Lüdeke" vorkommt (p. 14 und 16). Am 6. Jan. 1452 bestellte nämlich der Herzog Heinrich den Lüdeke von Bassewitz (wahrscheinlich aus dem Hause Maslow), zum "Vogt und "Amtmann über Schloß, Stadt und Vogtei Gadebusch" 1 ). Da nun die Rechnung den Zeitraum von Michaelis 1451 bis Michaelis 1452 umfaßt, und sich vorzüglich in dem Jahre 1452 bewegt, so ist es ohne Zweifel, daß die hier mitgetheilte Rechnung die erste Rechnung des Gadebuscher Küchenmeisters aus der ersten Zeit des Gadebuscher Vogtes Lüdeke von Bassewitz ist. Hiermit stimmen denn auch einige geschichtliche Ereignisse überein, welche in der Rechnung aufgezeichnet sind.
Wiederholt wird des Besuches des "Königs" und des "Herzogs Alf" gedacht, z.B. p. 2 zwei Mal: "do de koningh vnde hertich Alleff hîr weren". Ja, es wird (p. 5) genau gesagt:
1452. "Des donredâghes na (Purificacionis Marie)
quêmen de koningh vnde hertich Alleff hîr
vnde weren hîr III nacht myt hundert vnde vêre
vnde vêrtich pêrden."
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Sie kamen also am 3. Februar 1452 an und blieben bis zum 6. Februar Morgens.
Dieser König ist nun der König Christian I. von Dänemark aus dem Hause Oldenburg (1448-1481), welcher die Dorothea, Tochter des Markgrafen Johann des Alchymisten von Brandenburg zur Gemahlin hatte; diese war eine Brudertochter der Herzogin Dorothea, welche eine Tochter des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg und Gemahlin des Herzogs Heinrich von Meklenburg war: beide Frauen waren fast von gleichem Alter.
Der Herzog "Alleff" ist der Herzog Adolph VIII. von Schleswig und Graf von Holstein, letzter Herzog von Schleswig aus dem Hause Schauenburg († 1459), welcher auch mit dem Meklenburgischen Fürstenhause durch die Frauen vielfach verwandt war und Vaterbruder des Königs Christian I. von Dänemark.
Die Herzoge von Meklenburg waren mit dem Markgrafen Friedrich dem jüngeren von Brandenburg, welcher die Prignitz und Altmark besaß, wegen mannigfacher Uebergriffe und zahlreicher Raubfehden in "bittere Feindschaft" gerathen. Es waren wiederholt Versuche gemacht, die Irrungen beizulegen, jedoch vergeblich, bis es dem Könige Christian I. gelang, auf einer Versammlung zu Wilsnack die Streitigkeit zu schlichten und den Frieden herzustellen 1 ). Der König kam nach Deutschland über Lübek. Berckmann in der Stralsundischen Chronik 2 ) sagt:
"Anno 1452 -- do wasz koning Carsten tho
Lübeck vnd loch do vort tho der Wilsznack,
dar wehren vorbadet de städte vnd menner."
Nach der hier mitgetheilten Rechnung kamen der König und der Herzog Alf am 3. Febr. (des donredâghes na Purificacionis Marie) in Gadebusch an und blieben hier drei Nächte. Sie erholten sich hier durch Ruhe und Jagd; denn in der Rechnung heißt es:
"den jegheren vor ere jâgerichte, do de koningh
"vnde hertich Alleff hîr weren."
Am 6. Febr. zogen sie nach Wilsnack, allerdings etwas weit von Gadebusch, wo am 7. Febr. die Verhandlung war. Hier waren als "gekorne Schiedsherren" der König Christian
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von Dänemark, der Kurfürst Friedrich der ältere von Brandenburg, der Herzog Heinrich von Braunschweig und der Herzog Alf von Schleswig versammelt und brachten den Frieden zu stande 1 ). Wahrscheinlich nahm der König auch den Rückzug über Gadebusch, da es in der Rechnung p. 5 heißt:
"Festum Dorothee des donredaghes (Febr. 10) quêmen
de heren vnde myn vrowe hîr mit neghentich
pêrden vnd weren hîr twê nacht."
Unter den "Herren" sind wohl der König, der Herzog Adolph und die meklenburgischen Herrschaften zu verstehen, da das Datum grade zu der Rückreise paßt.
Eine andere geschichtliche Begebenheit wird auch vorzüglich durch diese Rechnung aufgeklärt. Es wird p. 8 für die Zeit von Ostern bis Michaelis 1452 gesagt:
"Item êne halue last bêrs quam to Rene, do dat
vroychen beghân wart."
Dieses fürstliche "Fräulein" ist die Prinzessin Katharine, erste Tochter des Herzogs Heinrich und der Herzogin Dorothea von Meklenburg, nach slagghert's Chronik des Klosters Ribnitz:
"Froychen Katherina was in eynem iuncfrowen-
closter werlick vmme ghestlyker tucht wyllen vnde
gude sede tho leren, vnde do se VII iar olt was,
vyl se van ener treppen, dar van se starff."
Aus unserer Rechnung lernen wir, daß das in der Chronik nicht genannte Kloster das Kloster Rehna, nicht weit von Gadebusch, und ihr Todesjahr 1452 (zwischen Ostern und Michaelis) war 2 ).
Das schloß Gadebusch, in einer angenehmen Gegend, wird im Mittelalter große Räumlichkeiten gehabt haben; dazu waren Schloß und Amt Gadebusch Leibgedinge der Herzogin Dorothea, welcher auch wohl das nahe Jungfrauenkloster Rehna besonders lieb war, in welches sie sich im Alter zurückzog und in welchem sie auch starb 3 ).
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Daher waren der Herzog Heinrich und die Herzogin, auch in Begleitung ihrer Söhne, der "jungen Herren", oft zum Besuche in Gadebusch, welches man für die alten Zeiten eine Neben=Residenz nennen kann. Was für Meklenburg=Schwerin jetzt Ludwigslust ist, war vor 400 Jahren Gadebusch.
Merkwürdig ist für jene Zeiten das große Gefolge, mit dem die Fürsten reiseten, und die große Anzahl von Pferden, da man im Mittelalter mehr ritt, als fuhr. Ein kurzer Ueberblick über eine kurze Zeit, wie sie unsere Rechnung vorführt, wird dies zur klaren Anschauung bringen. Die Fürsten kamen nach Gadebusch:
1452. Febr. 1 mit 144 Pferden.
Febr. 10 mit 90 Pferden.
März 8 mit 91 Pferden.
April 16 mit 116 Pferden.
Julii 27 mit 60 Pferden.
Sept. 10 mit 220 Pferden.
Dabei war der Verbrauch von Bier sehr bedeutend. Wahrscheinlich waren in Gadebusch große Brauereien, vielleicht auch eine Hofbrauerei. Von Privatbrauereien scheinen die von Preen und Strestorp genannt zu sein (p. 1). Denn es wird nach älteren Schloß=Rechnungen seit dem Jahre 1436 von Gadebusch sehr viel Bier nach Schwerin und Neustadt, auch nach Meklenburg geschickt. So z. B. wurden im Herbst 1451 auf dem Schlosse 36 Drömt Malz verbrauet.
Endlich wird die Rechnung zu vielen andern Betrachtungen über das tägliche Leben, welche hier nicht weiter verfolgt werden können, Veranlassung geben.
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p. 1. Anno domini MCCCCLI°.
Dit is dat ik ghekoft vnde vthegheuen hebbe tho der kôkene vnde des slotes behôff.
In dat erste X mark vôr III tunne kôulêsches vnde vôr I tunne botteren. Item X mr. vôr øre 1 ), soltendorsch, vor soltenlas, vor rekelink 2 ), raff 3 ), zelspek, grûneuische 4 ).
Item VIII mr. vor ôlige vnde vôr honnich. Item XVIII mr. vôr crût, also vôr saffrân, peper, engheuer, kannêlkonfecht, malmesyen 5 ), mandelen, rosynen, rîs.
Item XXIII tunne bêres, achte tunnen quêmen fôr Mekelenborch: dat bêre myt deme holte de tunne XII s., IIII witte den dregheren. Summa VI mr. IIII witte. Achte tunnen synt vp deme slote drunken: de tunne IX s.,
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den dregheren IIII witte. Summa mr. IIII witte. Item VII tunnen synt ghedrunken thoPreens hûs, wan myn here rîden wolde vnde de steuele antôch 1 ), IIII van Prene vnde III van Strestorpe 2 ): de tunne IX s. vnde XIIII den dregheren. Summa IIII mr. II .
Item IX mr. HI s. vôr II t. heringhes. Item XI mr. IIII witte vôr VII t. soltes. Item VIII s. vôr I lîespunt tallighes. Item VI mr. vôr VII grôte holtene kannen, IIII stîghe bekere, IX stîghe schâlen, II hundert vâte 3 ). Item III mr. V s. vôr III tunne etikes. Item XXX s. vôr I kûuen, vôr I emmer vnde vôr VIII bende vmme standen 4 ) vnde vmme kûuene. Item II mr. vôr II brantrôden 5 ), II hîserne kîle, vôr slôte, vôr slôtele, vôr neghele, vôr luchterpîpen.
Summa desser syden V vnde neghentich. mark II s. vnde II .
p. 2. Item I mr. vôr II wînuate. Item VI s. vôr cipollen. Item XXIIII s. vôr rôuen, XII vôr sennep, II s. vôr VIII schepele grutte to mâkende. Item IIII mr. XIII witte vôr witbrôd myt deme dat de koningh vnde hertich Alleff hîr weren. Item XXVIII s. vôr I dromet erweten. Item II mr. IIII s. den iegheren vôr ere iâgherichte 6 ), do de koningh vnde hertich Alleff hîr weren. Item XXX s. vôr grôneulêsch. Item III s. vôr I myssinghes horne tho mâkende. Item III mr. eneme herde, de de meste swîne hôdde tho Cremptze. Item I punt vôr I lutken wâghen. Item XII s. vôr I rêp tôme sôde. Item XIII s. vôr êghere. Item VIII s. êneme ketelbûter 7 ) vôr ketele vnde grâpen to lappende 8 ). Item
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II mr. vnde X s. vôr lôwent 1 ) to sekken. Item III mr. vôr V dromet hoppen 2 ). Item II mr. vôr kâlen.
Item dat lô e n vp deme slote. Item deme bakmêster II mr., deme coke XXIIII s., deme kelreknechte XXIIII s. Summa de lônes V mr.
Item Ludeken Bassewissen 3 ) VI mr. vôr want vnde vôr ênen vôderdôk 4 ). Item II punt vôr ênen zârdôk 5 ). Item X mr. vôr hâueren. Item Werneken coke XLIIII mr. Item noch Ludeken V mr.
Summa desser sîde hundert mark I mr. X .
p. 3. Dit is dat ik in de môlen kofft hebbe.
Item V s. vor III bende vmme de wellen. Item I mr. vôr II pâr wâghenschenen. Item II s. vôr I neueuerstok 6 ). Item XXVIII s vôr drê pâr râde. Item III mr. VI s. vôr VI dromet hâueren. Item X s. vor eyn lîuespunt taihghes. Item VIII s. vôr I hals to stâlende vnde vûr I ryne. Item II witte vôr I korff. Item III s. vôr III molden. Item VIII s. vôr XLVII sëlstrenghe 7 ). Item vôr IIII blocke to sâghende, de hadden XXX snede, vôr den snede IIII witte: summa II mr. Item vôr I bôchholt vnde vôr I armeholt 8 ), de hadden XII snede, de snede II witte: summa VIII s.
Item ôuer de vastene hadde de môlemêster II tymmerlûde to sick vnde hôwen eyn gruntwerk 9 ) vnde bûweden I môlenrad. De êne arbeidede XX dâghe, de ander arbeidede X dâghe, des dâghes V witte vnde deme môlenmêstere I punt to lône: summa IIII mr. VI s. Item XIIII s. IIII to deme môlenrâde. Item XXVI s. VIII vôr
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XX bicken 1 ) tho stâlende. Item XIIII s. de bicken 1 ) to scherpende. Item vôr hôffslach XXXVIII slichte îseren, dat îseren vôr VI : summa XIX s. Item XV stâlde îseren, dat îseren X : summa XII s. Item VIII mr. to lône in de môlen.
Summa desser sîden XXIX mr.
p. 4. Dit is dat ik vte den môlen entfanghen vnde verkoft hebbe
Vthe der moltmôlen XXXV dromet. Item I last II schepel, den schepel vôr VII witte. Summa XIIII mr. XIIII witte. Item XXVII dromet, den schepel vôr II s. Summa XLI mr. IIII s. Item vthe der kîsmôlen 2 ) XI dromet moltes, den schepel vôr II s. Summa XVI mr. Item vthe den beiden roghenmôlen XI dromet wêten; VI dromet den schepel vôr II s.: summa XI mr. IIII s.; item V dromet, den schepel vor VIII witte: summa X mr. Summa van molte vnde van wêten drê vnde neghentich mark IIII s. II witte. - Item XXXVI dromet moltes synt vorbrûwen.
Dit is dat ik vthegheuen hebbe vnde koft hebbe an den bowhoff.
Item V mr. V s. vôr îserwerk vnde vôr hôffslach 3 ). Item Clawes Hacker VI mr. XIIII s. Item II mr. vôr sëelen, vor sëlstrenghe vnde vôr bintzële 4 ). Dat lôn IX mr. X witte.
Summa XXIII mr. VI s. IIII .
p. 5. Post festum Dionisii des donredâghes (1451 Octbr. 14) quêmen myn here vnde myn vrôwe hîr vnde weren hîr sos nacht.
Festum Martini in deme âuende (1451 Novbr. 10) quêmen myn here vnde myn vrôwe hîr drê nacht.
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In profesto Purificacionis Marie (1452 Febr. 1) do quêmen myn. here vnde myn vrôwe hîr vnde weren hîr III nacht myt hundert vnde vêre vnd vêrtich pêrden vnde vortêrden m eren herberghen XIIII mr. XIIII s. vôr hâueren, vôr rûchuôder vnde vôr bêre.
Des donredâghes dâr nâ (1452 Febr. 3) quêmen de koningh vnde hertich Alleff hîr vnde weren hîr III nacht myt hundert vnde vêre vnde vêrtich pêrden vnde vortêrden in eren herberghen XIIII mr. XIIII s. vôr hâueren, vôr rûchuôder vnde vôr bêre.
Festum Dorothee des donredâghes (1452 Febr. 10) quêmen de heren vnde myn vrôwe hîr myt neghentich pêrden vnde weren hîr twê nacht. Summa des vôdergheldes III mr. XIIII s. VIII .
p. 6. Dominica Reminiscere des mytwekens (1452 März 8) quêmen de heren vnde myn vrôwe hîr myt ên vnde neghentich pêrden vnde weren hîr twê nacht. Summa des vôdergheldes II mr. VII s. VIII .
Summa desses vôdergheldes ôuer winter, dat ik vthegheuen hebbe, XXV mr. XIII s.
Summa Summarum der vtghift ôuer winter druddehalff hundert mr. XXV mr. X s.
Dy synt de nachte de de heren vnde myn vrôwe hîr ôuer zomer weset hebben vnde dat se an rûchuôder vortêret hebben.
Dominica Quasimodogeniti des suluen dâghes (1452 April 16) quêmen de heren vnde myn vrôwe hîr myt hundert vnde sosteyn pêrden vnde weren hîr drê nacht. Summa des vôdergheldes III mr. III s. VIII .
Festum Jacobi des donredâghes (1452 Jul. 27) quêmen de heren vnde myn vrôwe hîr myt sostich pêrden vnde weren hîr IIII nacht. To der suluen tyd blêuen myn vrôwe vnde de iunghen heren hîr VI nacht nâ myt XXXVIII pêrden. Summa des vôdergheldes IX mr. XV s.
Festum Natiuitatis Marie des sondâghes (1452 Sept. 10) quêmen de heren vnde myn vrôwe hîr vnde weren hîr III nacht, twê nacht myt twintich vnde twên hundert pêrden, de drudden nacht myt ê e n vnde neghentich pêrden. Summa des vôdergheldes III mr. XI s. IIII .
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p. 7. Item Busse van Bulowe 1 ) vnde de Zassenlender 2 ) weren hîr ôk twênacht: de êrsten nacht myt vêre vnde sostich pêrden: Summa der quîtinghe IIII mr. III s.; de anderen nacht myt achte vnde sôuentich pêrden: Summa der quîtinghe IIII mr. IIII witte.
Summa des vôdergheldes ôuer zomer XXV mr. II s. X .
Summa des vôdergheldes ôuer dat ghantze iâr veftich mr. XV s. X .
p. 8. Anno domini M°CCCCLII°.
Dit is dat ik van Paschen (1452 April 9) wente to sunte Michels dâghe (1452 Sept. 29) koft vnde vtegheuen hebbe tôr côkene vnde des slotes behôff.
Dominica Quasimodogeniti (1452 April 16). In der suluen wekene weren hîr twê mûrelûde, de den lutken kelre mûrden, de mêster IIII dâghe, des dâghes V witte, de knecht II dâghe, des dâghes I s. Summa VIII s. II witte.
Item X mr. IIII vôr øre 3 ), vor solten dorsch, vôr vlakuisch 4 ), vôr grôneuische 5 ). Item XVII mr. XII s. VIII vôr II tunnen solten kôulêsches vnde vôr kôge, vôr schâpe, vôr lammer, vôr goze. Item XI mr. VI s. vôr crût, alse vôr peper, vor saffrân, vôr neghelken, vôr engheuer, vôr wyn, vôr malmesien 6 ). Item XIII s. tôr têringhe, do dat gût koft wart. Item II mr. V witte vôr witbrôd. Item XV s. vôr eygere. IIII s. vôr grutte to mâkende. Item III mr. IX s. vôr II tunne soltes mit deme vôrghelde. Item II mr. IIII s. vôr ôlige vnde vôr honnich. Item XXI tunne bêrs. Ene last quam to Mekelenborch; II s. den dregheren: Summa VI mr. XIIII s. Item êne halue last quam to Rene, do dat vroychen
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beghân 1 ) wart, de tunnen IX s., den dregheren I s.: Summa III mr. VII s. Item III tunnen synt v p deme slote drunken, de tunne IX s., den dregheren VI : Summa XXVII s. Item noch IIII tunnen de quêmen to Swerin, vôr dat Barnowesche bêre 2 ) dat bêre mit deme holte vôr XI s.: Summa II mr. XII s.
Summa desser sîde neghen vnde sostich mark VI s. X .
p. 9. Item XII s. vor pertercilienwortelen. Item IX s. IIII vôr rôuen. Item XXIX s. vôr kâlen. Item VI s. vôr ênen nygen emmer, vôr III bende vmme standen. Item IIII s. vor neghele, vôr henghe, vôr hâken, vôr I vûreuorken. Item IX s. vôr I rê e p tôme zôde. Item XI s. vor glese. Item VII s. vor II nyge zëlen, vôr IIII hennepene strenghe to êneme lutken waghene. Item VII s. vôr III lechelen, vôr I holtene kannen, vôr III grôte schâlen, vôr III holtene bussen. Item IIII s. vôr I tëmes 3 ) in dat bakhûs. Item XX witte vôr II punt wasses.
Item dat lôn vp deme slote. Demo bakmêster II mr., êneme knechte XII s., deme côke XXIIII s., deme kelreknechte XXIIII s. Summa V mr. XII s.
Item III mr. vôr II dromet hoppen. Item XII s. IIII vôr lôwent. Item XXIIII s. vôr III elen wittes wandes, de krêch hertich Albert.
Item den iunghen heren XI elen brûnes Leydeschen wandes, de elen vôr XVIII s. Summa XII mr. VI s.
Summa desser sîden XXIX mr. XV s. IIII .
p. 10. Dit is dat ik in de molen koft hebbe ôuer somer.
Item II mr. I s. vôr IIII pâr râde. Item XXVII s. vôr III dromet hâueren. Item IX mr. vôr îserwerk, vôr bicken 4 ) to stylende vnde to scherpende vnde vor hôfslach 5 ), vôr neghele to den gruntwerken 6 ). Item êneme tymmermanne, de halp dat gruntwerk 6 ) bûwen, X s. vôr
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VI dâghe. Item XVIII s. vôr III vêrdendêl schiptêrs. Item IIII s. vôr zëlstrenghe 1 ). Item den zâgheren vôr XI blocke, de hadden hundert vnde twê vnde vêrtich snede, vôr den snede IIII witte. Summa XI mr. XIII s. IIII .
Item dat lôn in der môlen. Dem môlemêster II mr. dat (!) vôre dat he de gruntwerke 2 ) bûwede, II mr. vôr syn zamerlôn. Item deme voghendrîuer (?) II mr. In de Kismôlen 3 ) II mr. In de Nygemôlen II mr. Summa X mr.
Summa desser sîde XXXVII mr. IIII witte.
p. 11. Dit is dat molt, dat ik entfanghen hebbe vnde vorkoft: IIII leste VI dromet, den schepel II s. Summa sôuen vnde veftich mark.
Item vthe beiden roghemôlen: VI dromet wêten, den schepel VIII witte. Summa XIII mr.
Item XLI dromet moltes synt ôuer zomer vorbruwen.
p. 12. Dit is dat ik koft hebbe vnde vtegheuen to des bouhôves behôff.
Item VIII s. vôr VIII hennepe strenghe. Item IIII witte vôr II melkuôte. Item I mr. vôr zwîne vth to helende. Item VIII s. vôr XVI beker thêres. Item III mr. VI s. vôr yserwerk vnde vôr hôfslach. Item IIII mr. X s. twên deckederen, de de schûnen deckeden. Item IIII s. vôr II pâr byndelhanschen 4 ). Item XXIIII s. twên herden. XXIIII s. vôr II pâr râde. Item dat lo e n XXIX mr. XIIII witte myt deme â e rnlone 5 ).
Summa XLII mr. II s.
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Item dit is dat korne, dat ik vthe der bouschônen 1 ) vorkoft hebbe ôuer dat ghantze iâr.
Item dâr hebbe ik vp entfanghen XV mr. I s. van ghersten. Item V dromet roghen. Een dromet den schepel to twên schillinghen. Summa XXIIII s. Den roghen kreghen de herdes 2 ). De halue last krêch Eghert Heste, den schepel vôr VIII witte. Summa VIII mr. Item Stoppesacke XVIII schepel roghen, den schepel vôr VII witte. Summa II mr. X s. Item Bernd Doppe I dromet roghen, den schepel vôr VII witte. Summa XXVIII s. Item Zeltsiughe I dromet zwînekornes, den schepel II s. Summa XXX mr. XIIII s.
p. 13. Summa summarum der vtghift ôuer den zomer twê hundert mr. XIIII mr. XII s. VIII .
Summa summarum der vtghift ôuer dat ghantze iâr veftehalf hundert mark XXXVIII mr. XIII s.
Dit is de vpbôringhe 3 )
Summa van molte vnde van wêten ôuer dat iâre anderhalff hundert mark XIII mr. XII s. VIII . Item van tollen XIII mr.
Item van dem grôten brôke 4 ) twêhundert mark XXV mr.
Item sôuenteyn dromet pachtgersten, den schepel XVIII . Summa XIX mr. II s.
Item van gersten vnde van roghen vth der schønen XXX mr. XIIII s.
Summa van aller bôringhe vth den môlen, van tollen, van brôke, van pachtghersten vnd van korne vth der schûnen vefftehalffhundert mr. XI mr. IIII s. VIII . Sunder den brôke, de in der stad vallen is.
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p. 14. Item blift mynes heren gnâde Ludeken 1 ) schuldich van al desser vthgheuinghe van kôken, van môlen vnde van deme bôwhôue XXVII mr. X .
p. 15. Dit is de brôke, de in der stad vallen is ôuer dat ghantze iar, den my Kuleman antwerdet heft.
Festum Dyonisii (1451. Oct. 9) II punt van Ludeken windemollers weghen.
Dominica post Omnium Sanctorum (1451. Nov. 7) I punt van Salemans weghen.
II punt van ênes knechtes weghen, de was eyn Detmersche.
In vigilia Martini (1451. Nov. 10) I punt van Clawes bastôuers 2 ) weghen.
In vigilia Natiuitatis Christi (1451. Dec. 24) I punt van Pynnowen weghen.
Dominica ante festum Pauli (1452. Jan. 23) II punt van Baken weghen.
Item I mr. XIIII s. VIII van Pynnowen weghen.
Item II punt van Henningh Witten weghen.
Item II punt van Hornes weghen.
Des anderen sondâghes na Paschen (1452. April 23) I punt van Brandes weghen.
III mr. van Wolters weghen vppe deme Jermerstorpe.
In vigilia Laurencii (1452. Aug. 9) III punt: II punt van Weydemans weghen, I punt van Meyhanen weghen.
Summa XXVI mr. II s. VIII .
p. 16. Dit is dat ik van deme suluen brôke wedder vthegheuen hebbe.
Dominica post Omnium Sanctorum (1451. Nov. 7) X s. vôr I tunne bêres, II den dregheren; dat bêre wart vp deme slote drunken.
Dominica ante festum Pauli (1452. Jan. 23) borde Ludeke 3 ) IIII punt.
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Item des anderen sondâghes na Paschen (1452. April 23) antwerdede Culeman II tunne bêres, de tunnen vor IX s., VI den dregheren. Summa XXVII s.
Item X mr. IIII s. V vôr hâueren.
In die Johannis baptiste (1452. Juni 24) Ludeken 1 ) II mr.
Festum Laurencii des sonâuendes (1452. Aug. 12) II mr. vôr soshundert vlakuisches.
Item XXIIII s. êneme, de dat krûd vthe der Radegheste 2 ) snêt.
Item V s. êneme ketelbôter 3 ) vôr XXVII zwîne tho snîdende.
Item IIII s. vôr êne wyntho (?) to snîdende.
Item XX witte vôr II stîghe drinkkelschâlen.
Summa XXV mr. IX s. IX .
Hîr blift Ludeke myneme heren af schuldich IX s. VII .
Der Herzog Heinrich von Meklenburg bestellt den Lüdeke Bassewitz zum Vogt von Gadebusch.
D. d. Schwerin. 1452. Januar 6.
Wy Hinrick van godes gnâden hertoge to Mekelnborch . vnde greue to Zwerin bekennen ôpenbâr mit dusseme vnnszeme brêue vôr altzweme, dat wy deme duchtigen vnseme lêuen trûwen Ludeken Basseviscz vnsze slot, stad vnde vogedii to Godebusz vp rechten slotlôuen ingedân hebben, so dat he vnnsze voget vnde amptman wesen schal, vnde wes he vns dâr van deme sînen wynnet edder schâden nympt, de bewîszlick is, de wyle he dâr an vnnseme dênste is, des scholen vnde willen wy edder vnsze eruen deme vôrbenômeden Ludeken edder sînen eruen to ende [van schult vnde van schâden] vt benemen, ehr wanne wy edder vnsze eruen van eme
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edder sînen eruen vnsze slot, stad vnde vogedii Godebusz wedder innemen. To orkunde vnde furder bewâringe hebben wy vnsze ingesegel mit willen vnde witschop hengen hêten vôr dussen vnszen brêff, gegeuen to Swerin na godes bôrt viertheynhundert iâr dârnâ im twêvndeveftigesten iâre, amme dâge der hilgen dryer konynge.
Nach dem Original im großherzoglichen Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Siegel und Siegelband fehlen. Die hier eingeklammerten Worte: ["van schult vnde van schâden"] sind auf dem obern Rande ohne Verweisungszeichen von anderer Hand übergeschrieben, während in der Urkunde an der Stelle, wo hier die Worte eingeschaltet sind, die Worte: "zunder sînen schâden" durchstrichen sind.
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des Klosters zum Heil. Kreuz in Rostock,
insonderheit
Von
Archivar Dr. F. Wigger.
Das Archiv der Stadt Rostock birgt unter zahlreichen werthvollen Urkunden des Mittelalters auch den merkwürdigen Stiftungsbrief, welchen die Königin Margarete von Dänemark zu Rostock am 22. Septbr. 1270 dem dortigen Cistercienser=Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz ausgestellt hat. Dieses Document ist freilich erst neuerdings im zweiten Bande des Meklenburgischen Urkunden=Buches (unter Nr. 1198) abgedruckt; jedoch wiederholen wir hier zu größerer Bequemlichkeit des Lesers den Text, und zwar mit einzelnen kleinen Berichtigungen aus dem uns vorliegenden Original.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Margareta dei gracia regina Danorum vniuersis et singulis presencia visuris seu audituris salutem in omnium saluatore et rerum gestarum noscere veritatem. Cum ea, que in dei laudem et diuini cultus augmentum racionabiliter ordinantur, non solum debeant ampliari, verum eciam necessarium est ex litteris et sigillis eadem sortiri perpetuitatem: noscat igitur omnis generacio,
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tam presens quam futura, quod quondam labore nostre peregrinacionis peracto cum quadam particula de ligno sancte crucis, qua per manum domini nostri apostolici fuimus decenter honorata, attemptauimus terram Danorum nauigio pertransire, et post multorum euersionem monasteriorum per nos enormiter perpetratam disposuimus eadem desolata ac quedam alia in reconpensam reformare. Tribus igitur vicibus nauigatu attemptato, propter periculosissimas semper exortas tempestates regionem Dacie arripere minime valebamus. Destituta ergo cum omnibus nostris familiaribus omni humano solacio, in solum deum et beatam dei genitricem ac in sanctam crucem nostra vota direximus confidenter, et sic diuino auxilio impetrato, tranquillo fluctuum meatu super Warnouiam apprehendimus gratulanter. Diuina igitur prouidencia, dispositum habens pereunti mundo in omni loco semper prouidere de remedio salutis oportuno et, ut concepimus ex uirtute miraculi, in terra Slauorum monasteria fieri, sic in nobis preordinauit, vt hoc lignum salutiferum, nobis tam honorifice donatum, ibidem esset omnibus in refugium patronatus. Nos igitur vsa consilio omnium consiliariorum nostrorum, castrum dictum Hundesborgh in monasterium proposuimus ordinasse; sed ad peticionem discreti viri. domini Hermanni Krudener, proconsulis in Lubek, ac plurimorum honorabilium virorum ac de plenario consensu et libera voluntate adhibita nostri specialis amici et patrui domini nostri Woldemari de Rostok monasterium quoddam sanctimonialium intra muros ciuitatis Rostok in honorem dei patris omnipotentis et gloriose virginis Marie ac in laudem ligni preciosi sancte crucis et in remissionem peccaminum omnium nostrorum progenitorum fundauimus, situauimus et locauimus extunc, fundamus, situamus et locamus exnunc cum omni iuris libertate per presentes, ut per personas religiosas ibidem in vinculo caritatis congregatas diuinis solummodo vacando ministeriis laus domini et saluatoris nostri eo pocius amplificetur. Vt autem hec memorata fundacio firma permaneat et inconwlsa, eam presenti scripto autoritate domini Woldemari domini de Rostok, vt prefertur, stabilimus, ratificamus, confirmamus ac cuiusdam (!) nostri sigilli munimine, continentis formam capitis regine in maiestate sua
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residentis, firmiter roboramus. Testes huius sunt: Johannes de Snakenborgh, Lodowicus Kabold, Heynricus Fulmen, Johannes de Cropelyn, nostri milites, prefatus Hermannus Krudener et alii quam plures nostri consiliarii fide digni. Datum et actum Rostok, anno domini M°CC°LXX°, decimo kal. mensis Octobris.
Die "Königin der Dänen", Margarete, beurkundet also Folgendes: Nachdem sie einstmals die Mühseligkeit ihrer Wallfahrt überstanden, hat sie mit einem Stückchen vom Holz des heiligen Kreuzes, mit welchem sie "durch die Hand unsers apostolischen Herrn" ehrenvoll beschenkt war, eine Seefahrt durch das Dänenland angetreten und dabei die Absicht gehabt, nach der durch sie arger Weise begangenen Zerstörung vieler Klöster wieder eben diese verwüsteten und etliche andere zum Ersatz herzustellen. Sie hat also dreimal die Fahrt begonnen, aber, weil sich allemal höchst gefahrvolle Stürme erhoben, nicht vermocht in Dänemark ans Land zu kommen. Darum also schon mit aller ihrer Begleitung alles menschlichen Trostes beraubt, hat sie allein zu Gott und der seligen Mutter Gottes und zum heiligen Kreuze vertrauensvoll ihre Gelübde gerichtet, ist so göttlicher Hülfe theilhaftig geworden und unter ruhigem Wellengange auf der Warnow gelandet. Die göttliche Vorsehung, welche der ins Verderben eilenden Welt überall ein zweckmäßiges Rettungsmittel bieten und, wie die Königin aus dem Wunder ersehen, auch im Wendenlande Klöster gegründet haben will, hat ihr nun ins Herz gegeben, daß das heilbringende Holz, welches ihr so ehrenvoll geschenkt worden, dort Allen Zuflucht und Schutz bieten solle. Darum hat sie auf Zurathen aller ihrer Räthe beschlossen, die Burg Hundesburg zu einem Kloster herzurichten. Aber auf die Bitte des Lübischen Bürgermeisters Hermann Krüdener und sehr viel anderer ehrenwerther Männer und mit voller Zustimmung und freiem Willen ihres nahen Freundes und Vetters, Herrn Waldemars von Rostock, hat sie ein Nonnenkloster innerhalb der Mauern der Stadt Rostock zu Ehren des allmächtigen Gottes und der glorreichen Jungfrau Marien und zum Lobe des köstlichen Holzes vom heiligen Kreuze und zur Vergebung der Sünden aller ihrer Vorfahren damals gestiftet, gegründet und angelegt, und stiftet, gründet und legt es jetzt durch gegenwärtigen Brief an, mit aller Rechtsfreiheit, auf daß von durch das Band der Liebe verbundenen Ordenspersonen, die sich allein dem Gottesdienste widmen, die Ehre unsers Herrn und Erlösers um so mehr erhöhet werde.
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Margarete hebt schließlich noch einmal hervor, daß sie diese Bestätigung mit Vollmacht Herrn Waldemars von Rostock gebe, und zwar unter einem gewissen Siegel, welches das Haupt der Königin in ihrer Majestät darstelle.
Dieses "Siegel" hängt noch jetzt an der Urkunde; es zeigt folgende Gestalt:
Als die obige Urkunde vor zehn Jahren im Meklenburgischen Urkunden=Buche zum Abdrucke kam, konnte ich mich des Eindruckes nicht erwehren, daß sie unecht sei; das merkwürdige, in seiner Art einzige Siegel, der Ton des Textes und die Erwähnung eines anderweitig ganz unbekannten Lübischen Bürgermeisters Hermann Krüdener erweckten in mir starken Verdacht. Leider konnte ich aber damals das Original nicht selbst einsehen. Da mir indessen von einem sehr sachkundigen Manne versichert ward, daß die Schriftzüge durchaus unverdächtig und der Zeit, in welche die Stiftung jenes Klosters fällt, völlig angemessen seien, so gab ich mich der Ansicht hin, daß die Urkunde nicht in der Canzlei der Königin ausgefertigt, und der Bürgermeister Hermann Krüdener von dem Concipienten irrtümlich als ein Lübeker bezeichnet sein möchte. Aus dieser Vermuthung entsprang die unter dem Text versuchte Conjectur, jener Bürgermeister möge ein Rostocker gewesen sein, da sich gegen das Ende des 13. Jahrhunderts in Rostock wirklich ein "Hermannus Crudener" in den Stadtbüchern findet.
Hernach überzeugte ich mich bei weiteren Studien in den Rostocker Stadtbüchern jedoch bald davon, daß dieser
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Hermann Krüdener nirgends als Rathmann, geschweige denn als Bürgermeister bezeichnet wird, auch, um jene Zeit wenigstens, die Familie Krüdener zu den Rostockschen Rathsgeschlechtern nicht zählte, und nahm darum jene Vermuthung bald zurück 1 ).
Neuerdings hat nun der bekannte dänische Historiker C. Paludan=Müller, zum Theil angeregt durch die im Meklenburgischen Urkunden=Buche geäußerten Zweifel, vornehmlich aber, weil er in dem Stiftungsbriefe Irrthümer rücksichtlich der Geschichte der Königin Margarete entdeckte, im vierten Stücke seiner "Studier til Danmarks Historie i det 13 de Aarhundrede" 2 ), S. 61 flgd., diese Fundations=Urkunde der Königin aufs Bestimmteste für eine Fälschung erklärt, die "bedeutend jünger sein müsse, als sie sich ausgebe"; und er hat seine Verurtheilung ausführlich begründet. Es sind nicht weniger als sieben Beweisgründe, welche er für seine Behauptung anführt, nämlich:
1) empfange die Königin hier nur den Titel "regina Danorum", es fehle dabei mindestens der Zusatz "Slavorum-que";
2) eine Reise der Königin Margarete zum Papste sei anderweitig ganz unbezeugt;
3) es liege nicht das Mindeste darüber vor, daß sie "auch nur ein einziges Kloster zerstört habe, geschweige denn viele";
4) habe "in Lübek kein Bürgermeister mit Namen Hermann Krüdener existirt";
5) "unter den Zeugen sei kein einziger dänischer Mann", die Königin "allein von meklenburgischen Edelleuten umgeben";
6) die "in der Diplomatik ungewöhnliche Beschreibung des Inhalts des Siegels" (am Schlusse des Textes) "dränge sich sogleich als eine tendenziöse Vertheidigung der Bulle auf"; und
7) sei das anhangende Siegel falsch, weil es abweiche von dem in einem dänischen Exemplar 3 ) und in einem me=
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klenburgischen - an der im Mekl. Urkunden=Buche Bd. II, unter Nr. 1251 gedruckten Urkunde - erhaltenen echten Siegel der Königin 1 ), und seiner ganzen Beschaffenheit nach überhaupt kein Siegel zu nennen, da alle Merkmale desselben: die runde oder längliche Form, das flache Gepräge und die Umschrift, fehlen.
Als Zweck der Fälschung erscheint Hrn. Paludan=Müller die Absicht des Klosters zum Heil. Kreuz, unter den zahlreichen Fragmenten des Heiligen Kreuzes, deren große Menge nothwendig Zweifel hätte erwecken müssen, gerade seiner Reliquie 2 ) größere Glaubwürdigkeit zu verschaffen, indem in der Stiftungs=Urkunde gesagt wird, daß sie direct vom Papst gekommen sei.
Natürlich verwirft derselbe Gelehrte damit auch die schlecht beglaubigte längere Ausfertigung 3 ) von der Urkunde derselben Königin, in welcher diese zu Nykjöbing am 2. Juni 1272 dem Kloster zum Heil. Kreuz das Dorf Schmarl verleihet, da in diese längere Ausfertigung jener Stiftungsbrief von 1270 eingeschaltet ist, während er in der kürzeren, im Original erhaltenen und mit dem unbezweifelt echten parabolischen Siegel der Königin Margarete besiegelten Ausfertigung fehlt.
Da Hr. Paludan=Müller den Herausgebern des Meklenburgischen Urkunden=Buches einen Vorwurf daraus macht, daß sie - in der Note zu dem Abdruck - auf halbem Wege stehen geblieben und nicht bis zur gänzlichen Ver=
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urtheilung des Stiftungsbriefes vorgeschritten seien, so nahm ich hieraus Veranlassung, das Diplom selbst und die Gründe des dänischen Gelehrten einer Erörterung zu unterziehen, deren Resultate ich den Lesern dieser der meklenburgischen Geschichte gewidmeten Zeitschrift zu weiterer Prüfung vorlege.
Wie ich schon erwähnte, kam mir vor zehn Jahren das Original nicht zu Gesichte; und deshalb scheuete ich mich weiter zu gehen. Hr. Paludan=Müller hat das Original auch nicht gesehen, verfällt aber eben darum auch sofort in den nicht gleichgültigen Irrthum, als ob die Fälschung "bedeutend jünger sein müsse, als sie sich ausgebe."
Wäre die Handschrift des Originals "bedeutend jünger", so wäre die Unechtheit auch hiesigen Diplomatikern nicht entgangen, oder auch nur zweifelhaft gewesen. Ich kann aber, nachdem ich jetzt jenes Original wiederholt, lange und sorgfältig prüfend betrachtet habe, nicht anders Urtheilen - und Hr. Geh. Archivrath Lisch und Hr. Archivrath Beyer sind derselben Ansicht -, als daß Pergament und Schriftzüge gar keinen Verdacht erwecken, und daß die Urkunde, wie sie im Original vorliegt, spätestens um 1300 geschrieben sein muß. Das kräftige Pergament ist 43 Centimeter breit, 16 Centimeter hoch, die Schrift füllt 16 1/3 Reihen, sie ist sehr schön, kräftig und sorgfältig ausgeführt, ein breiter Rand ringsum gelassen, die ganze Ausstattung einer königlichen Stiftungs=Urkunde sehr würdig. Die Siegelschnur von rother und weißer Seide ist durchaus regelrecht in den umgeschlagenen unteren Rand eingezogen. Das "Siegel" ist wohl erhalten, nur die Nase der Königin ist im Laufe der Jahrhunderte platt gedrückt.
Richtiger könnte man dies Siegel allerdings, wie die Abbildung auf S. 23 ergiebt, ein nach Art der Gemmen gebildetes Portraitrelief nennen; mit einem Siegel hat es, wie Paludan=Müller richtig bemerkt, keine Aehnlichkeit. Darum aber heißt es auch im Texte: "cujusdam nostri sigilli", "continentis formam capitis regine in majestate sua residentis". Aus der flachen viereckigen, an den Ecken etwas abgestumpften Platte erhebt sich in der Mitte (über den durchgehenden Siegelschnüren) das Bild der Königin, den Schleier um das Haupt, auf dem Schleier das Diadem (oder die Krone, deren Verzierung dann aber abgestoßen ist); auf einem breiten Saum des Kleides am Halse ist ein Schmuck in Form eines Vierblatts sichtbar.
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Wenn es überall statthaft war, daß die Königin ihr Bildniß statt eines regelrechten Siegels (das sie vielleicht 1270, wo sie möglicher Weise nur zum Besuche bei der fürstlichen Familie in Rostock erschien, nicht bei sich führte) an eine Urkunde hing, so wird man kaum die Beschreibung desselben in der Urkunde mit Paludan=Müller für anstößig, sondern wohl eher - des Ausnahmefalles wegen - für geboten erklären. Aber daß die Königin sollte ein solches Bildniß als Siegel benutzt haben, ist durch keine Analogie zu stützen 1 ), es sei denn, daß man sich auf die Verwendung antiker Petschafte mit Portraits berufen wollte.
Aber, fragt man, wie verfiel ein Fälscher gerade auf solche Besiegelung? Fälscher unternehmen allerdings nichts Ungewöhnliches, sie bilden vielmehr mit ängstlicher Treue, so weit es ihnen möglich ist, Echtes nach, um ja allem Verdachte zu entgehen und durch den Schein der Wahrheit zu täuschen. Wer preußische Thaler fälschen will, wird ihnen nicht eine viereckige Gestalt geben, obwohl es ja quadratische Münzen gegeben hat. Dazu kommt noch hinzu, daß gerade das Kloster zum Heil. Kreuz in Rostock an der echten Urkunde vom 2. Juni 1272 ja ein echtes parabolisches Siegel der Königin Margarete besaß. War es nun für den Fälscher, der doch wohl im Auftrage des Klostervorstandes und für denselben arbeitete, nicht leichter, von dem echten Siegel etwa mittels eines Thonabdruckes ein falsches für den Stiftungsbrief herzustellen, als erst das Bildniß der Königin - sei es direct in Wachs zu bilden, oder gar zuvor in Holz oder Metall zu schneiden und daraus einen Wachs=
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abguß zu nehmen? Diesen Einwand könnte man Hrn. Paludan=Müller immer entgegenhalten. Gewiß ist jedenfalls, daß das Kloster ohne eine besondere Veranlassung auf den Gedanken einer solchen Besiegelung schwerlich verfallen wäre. Wir kommen hernach hierauf zurück.
Aber ja nicht das Siegel allein erregt Anstoß, der Text noch viel mehr!
Das ist gewiß niemand zweifelhaft, daß diese fast im Legendenton abgefaßte Urkunde nicht geschäftsmäßig in der dänischen Canzlei entworfen ist; diese hätte gewiß im Titel der Königin den Zusatz "Slavorumque" nicht vergessen. Aber mit solcher Wahrnehmung allein begründet man freilich keine Unechtheit. Denn eine nicht ganz kleine Zahl von mittelalterlichen Urkunden ist nicht in den Canzleien derjenigen Herren entworfen, welche als die Aussteller genannt werden; vielmehr sind solche Briefe gar nicht selten schon fertig von den Petenten vorgelegt und, wenn die Fürsten sie genehmigt hatten, durch Anhängung ihres Siegels vollzogen. Ich sehe hierbei natürlich ab von päpstlichen Urkunden in Parteiensachen, wo der Sachwalt der einen Partei, z. B. wenn er bestimmte Personen zu Richtern delegirt zu sehen wünschte, ein vollständig extendirtes päpstliches Mandat an diese dem Auditor causarum contradictarum vorlegte, und, nachdem der Sachwalt der Gegenpartei seine Zustimmung erklärt hatte, der Auditor den Canzleibeamten die Ausfertigung und Besiegelung des Mundums befahl 1 ).
Um ein nahe liegendes Beispiel anzuführen, so giebt sich Sophie, die Gemahlin des Fürsten Borwin III. von Rostock, auf ihrem aus dem Jahre 1237 erhaltenen Siegel 2 ) durch die drei Leoparden über einander im väterlichen Schilde ganz unzweifelhaft als eine Tochter des dänischen Königshauses zu erkennen. Wenn dann aber 1241 ihr Gemahl Borwin - in jener ganz unverdächtigen Urkunde, in welcher er dem Kloster Dargun die Kirche zu Levin vereignet und incorporirt - seiner "weiland Gemahlin Frau Sophia, Tochter des Königs von Schweden" (quondam vxoris nostre domine Sophie, filie regis Suetie) gedenkt: so wird sich diese unrichtige Angabe kaum anders erklären lassen, als wenn man annimmt, daß nicht des Fürsten Notar oder Canzler, der noch kurze Zeit vorher mit dem Siegel der Fürstin umgegangen war, solchen Fehler beging, sondern daß
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dies Privilegium von einem jenes Verwandtschaftsverhältnisses weniger kundigen Schreiber des Klosters Dargun entworfen und durch die Anhängung des fürstlichen Siegels vollzogen worden ist.
Noch merkwürdiger ist die Uebereinstimmung der Urkunden, welche die meklenburgischen Fürsten Lübischen geistlichen Stiftungen ertheilt haben, rücksichtlich einer großen Zahl juristischer Cautelen, die sich in andern ähnlichen meklenburgischen Diplomen jener Zeit nicht finden. Wollte man solche Uebereinstimmung nun auch auf bestimmte, für Lübek besonders geltende Formulare der meklenburgischen Canzlei zurückführen, so ist es doch sehr auffallend, daß in einer Urkunde vom 26. Aug. 1337 1 ) Fürst Albrecht dem Bischofe Heinrich von Lübek Eigenthum, Bede und Gericht der Dörfer Stove und Güstow, die der Bischof von den v. Plessen erkaufte, bestätigt mit Zustimmung seines Bruders Heinrich (consensu carissimi nostri fratris domicelli Hinrici). Glücklicherweise ist das (im 16. Jahrh. hierher ausgelieferte) Original sehr gut erhalten, und Inhalt, Schrift, Pergament und Siegel 2 ) sind völlig unverdächtig. Der Fürst Albrecht hatte aber keinen andern Bruder als den damals noch minderjährigen Fürsten Johann! Die fürstliche Canzlei kann unmöglich jenen Fehler begangen haben, wohl aber ein Lübeker Notar, der die Abkürzung "Hen." gelesen hatte und sie unrichtig nicht Hennekinus, sondern Henricus deutete. Dafür aber, daß dies Diplom in Lübek geschrieben und hernach auf des Fürsten Albrecht Befehl von seiner Canzlei durch die Besiegelung vollzogen ist, spricht ferner auch der Umstand, daß diesselbe Versehen schon früher gerade zu Lübek begangen war, namentlich in einer jetzt freilich nicht mehr im Original, sondern nur noch im Registrum Capituli Lubicensis II erhaltenen Urkunde vom 18. Januar 1336, durch welche Albrecht Testamentarien eines Lübischen Bürgers das Dorf Johannsdorf bestätigte 3 ). - Ob in diesen Fällen die fürstliche Canzlei einen solchen Fehler übersah oder ihn zu gering achtete, um eine neue Reinschrift anfertigen zu lassen, mag dahingestellt bleiben.
Um auf den Stiftungsbrief des Klosters zum Heil. Kreuz zurückzukommen, so würde also die Annahme, daß die
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Gönner des Klosters ihn hätten anfertigen lassen, und ihn der Königin zur Vollziehung vorgelegt hätten, oder daß die Königin 1270 ohne Canzlei nach Rostock gekommen wäre und auf Bitten jener Personen einem Rostocker Geistlichen den Auftrag zur Abfassung gegeben hätte, immerhin unwesentliche Verstöße - wie die Auslassung des Zusatzes Slavorumque im Titel, kleine Versehen in seiner Erzählung von der Entstehung des Klosters, die, wie wir sehen werden, schon etliche Jahre früher fiel, - und etwa sonst nicht zu erwartende Unbestimmtheiten des Ausdruckes - daß z. B. der Name des Papstes fehlt, daß das Kloster so unbestimmt als quoddam monasterium bezeichnet ist u. a. -, sowie auch den ascetischen Ton des Einganges, den dieser Brief übrigens mit andern Fundationsbriefen für geistliche Stifter theilt, hinlänglich erklären.
Indessen fragt sich doch, ob eine solche Vermuthung alle Zweifel beseitigen kann. Denn die Verstöße, welche Paludan=Müller dem Diplom vorwirft, sind nicht unbedeutend. Namentlich bestreitet dieser Gelehrte, wie oben angeführt ist, daß die Königin sich Klosterverwüstungen habe selbst vorwerfen oder sich zum Vorwurf habe machen lassen können in einer Urkunde unter eigenem Namen, da solche ihr nicht einmal von ihren Gegnern nachgesagt seien.
Werfen wir einen Blick in die jüngst voraufgegangene dänische Geschichte, um dort die Veranlassung zu solchem Ausdruck eines, wenn nicht ganz, so doch fast gleichzeitigen Urkundenconcipienten zu suchen, so stoßen wir zunächst auf den großen Aufstand der Bauern, der in Folge der Streitigkeiten König Christophs mit dem Erzbischof von Lund Jakob Erlandsön 1256 ausbrach und dann bis ins dritte Jahr gegen Adel und Geistlichkeit wüthete, wobei viele Burgen und vermuthlich auch Klöster verwüstet wurden. An diesem innern Kriege konnte sich aber Margarete keine Schuld beimessen, vielmehr hat ihr Gemahl dem Erzbischof, wenn auch unter dessen Widerspruch, den Ausbruch Schuld gegeben und den Aufstand selbst 1258 niedergeschlagen.
Oder war der Verfasser des Rostockschen Stiftungsbriefes der Zeitgeschichte so unkundig, daß er hier auf die wilden Verheerungen des Rujanerfürsten Jaromar auf Seeland und Bornholm (1259, 1260) anspielte? Jaromar war ja gerade der Gegner der Königin und trat für ihre Feinde, den Bischof Peter von Roeskilde und den Herzog Erich, ein!
Auf diese beiden verheerenden Kriege darf man die in Frahge stehenden Worte von der Klosterzerstörung keineswegs
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beziehen. Andererseits darf man aber auch nicht mit Paludan=Müller hierin einen Nachklang jenes Hasses finden, der vom Kloster Oem, weil die Königin einmal zwei Nächte demselben mit 1600 Reitern und Gefolge zur Last gelegen und den Bischof Tyge in einem Streite mit diesem Kloster unterstützt habe, und vom Ruhkloster ausgegangen sei, sich von den dänischen Cisterciensern zu den norddeutschen Klöstern dieses Ordens hin verbreitet habe "und viele Jahre später zu einem leichtfertigen Mönchs= und Nonnengeschwätze geworden" sei. Denn hier schreibt ein Mann, der mindestens bald hernach lebte, vielleicht noch ein Zeitgenosse genannt werden kann. Täuscht nicht Alles, so deuten jene Worte des Stiftungsbriefes auf etwas ganz Anderes hin.
Es erzählt uns nämlich der Annalist von Lund, der seine Jahrbücher bis 1267 fortführte, von dem Herzoge Albrecht von Braunschweig, der gleich, nachdem die Grafen von Holstein am 28. Juli 1261 auf der Loheide die Königin Margarete mit ihrem Sohne und vielen Anhängern gefangen genommen hatten, sich der Sache der Königin annahm und zunächst in Holstein einbrach, Folgendes 1 ): "1262. In diesem Jahre ging Erzbischof Jakob in die Verbannung nach Schweden. Und der Herzog von Braunschweig kam nach Dänemark und verübte viel Böses; und auf Befehl des genannten Herzogs und M. Gerhards und Johann Litles wurden alle Güter der Lundischen und der Roeskilder Kirche geraubt, desgleichen auch Güter der Domherren confiscirt, (die) Priester aber unter Hohn gefangen genommen und gefangen abgeführt und aller ihrer Habe beraubt. Es führte zu weit, wollten wir einzeln aufzählen, wie viel Böses Gott durch die Vorhingenannten, den Herzog von Braunschweig und seine Helfershelfer, zugelassen hat."
Es ist ein Feind des Herzogs und der Königin, der dies schreibt, und wahrscheinlich übertreibt er; aber ebenso wahrscheinlich ist es, daß die Königlichen, nachdem sie das Gut ihrer beiden unversöhnlichen Gegner, des Erzbischofs Jakob und des Bischofs Peter, und Gut und Leben ihrer Anhänger
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in ihre Hand bekommen hatten, nicht eben zart mit ihrer Beute umgegangen sind. Die. Königin konnte sich von diesem Vorgehen jedenfalls nicht freisprechen; denn als sie 1262 nach längeren Verhandlungen ihre Freiheit wiedererlangt hatte, kehrte sie nach Dänemark zurück und führte die Regierung für ihren Sohn (der erst 1264 in Freiheit kam).
So ganz grundlos war also die Annahme, daß die Königin über geraubtes Kirchengut Reue empfinden konnte, keineswegs. Doch darf man den Ausdruck immerhin als nicht zutreffend tadeln; vielleicht ist er auch nur aus einer gewissen Eitelkeit des Schreibers entsprungen, der statt "Kirchen" den Ausdruck Klöster wählte, um die Antithese Klosterverwüstungen und Klofterstiftungen zu gewinnen. Auf solche Bekenntnisse der Reue über Angriffe auf das Gut und die Diener der Kirche, die wir in manchen mittelalterlichen Urkunden weltlicher Herren finden, wenn sie sich veranlaßt sahen, die Kirche durch Schenkungen oder Stiftungen zu versöhnen, ist auch kaum immer großes Gewicht zu legen, und der Ausdruck rührt in der Regel von Geistlichen her. Immer aber ist der Ausdruck "Kloster" in diesem Zusammenhange jedenfalls nicht genau, wenngleich der Schreiber des Diploms eine ziemlich gute Kenntniß der Vorgänge in Dänemark verräth, so gut sie eben ein Ausländer haben konnte, mag er nun 1270 oder 20 Jahre später den Entwurf der Urkunde gemacht haben. Sollte aber die Königin sich 1270, also zu einer Zeit, wo ihr Streit mit dem Erzbischof Erlandsön noch nicht beigelegt war, schwerer Vergehen gegen kirchliche Stiftungen so urkundlich beschuldigen? zumal in Ausdrücken, welche über die wirklichen Facta weit hinausgingen? -
Leichter wiegt jedenfalls der Zweifel Paludan=Müllers, ob die Königin Margarete den päpstlichen Hof persönlich besucht habe. Die Möglichkeit bestreitet er nicht, ja er weis't sogar das Jahr vom Herbste 1267 bis zum Herbste 1268 als einen Zeitraum nach, in welchen die Reise gefallen sein könne, da während dieses Jahres die Königin im Norden nicht angetroffen werde. Und erwägt man, daß der Erzbischof Jakob Erlandsön sich 1265 zu dem neu gewählten Papste Clemens IV. begab, um diesen günstiger für sich zu stimmen, als dessen Vorgänger Urban IV. sich erwiesen hatte, daß Clemens daraus den Cardinallegaten Guido nach Dänemark sandte, dieser dann über das Land das Interdict aussprach und, nachdem er 1267 im Mai auf päpstlichen Befehl Dänemark verlassen hatte, noch im Herbste des Jahres 1267 gegen die Königin, ihren Sohn und ihren Anhang eine
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Bannbulle ausgehen ließ: so kann man darin wohl Veranlassung genug für Margarete finden, sich persönlich an den Papst zu wenden, um eine Umstimmung der Curie zu bewirken. (Denn auf eine solche Reise muß man, so scheint es, das Wort "peregrinatio" in Verbindung mit dem Ausdruck "per manum domini nostri apostolici" deuten.)
Am 29. Novbr. 1268 starb der Papst Clemens; später darf also die Reise der Königin keinenfalls angesetzt werden, da hernach, bis 1272 der erst 1271 gewählte Papst Gregor X. in Italien anlangte, der päpstliche Stuhl vacant blieb, auch, wie sich hernach zeigen wird, im Mai 1269 die Königin Margarete schon mit der Klosterstiftung beschäftigt war.
Aber daß die Königin nicht auch schon früher hatte die Fahrt nach Italien machen können als 1267, behauptet freilich Paludan=Müller, hat es jedoch unsers Erachtens nicht erwiesen. Denn daß sie "sich in den Jahren 1259-1266" immer "entweder frei oder als Gefangene in Dänemark und Norddeutschland befand", ist bei dem empfindlichen Mangel an Urkunden aus jenen Jahren eine gewagte Behauptung. Z. B. aus den Jahren 1262-1264 weisen die Regesta Danica nur zwei Urkunden nach, welche die Königin Margarete hier im Norden gegeben hat, einen Brief d. d. Randers, 28. November 1263 1 ), und das zu Rostock am 16. August 1264 der Stadt Lübek verliehene Privilegium gegen Ausübung des Strandrechtes an ihrem Gute in Dänemark 2 ). Der Stiftungsbrief, mit dem wir uns beschäftigen, giebt mit dem unbestimmten quondam keine Andeutung über die Zeit der Reise; nur muß man aus dem genauen zeitlichen Unterschied, welcher hier zwischen der ersten Stiftung und der jetzigen Bestätigung (fundauimus . . . extunc, fundamus . . . exnunc) gemacht wird, schließen, daß der Verfasser des Diploms die erste Stiftung um einen beträchtlichen Zeitraum früher angenommen hat. Jedenfalls aber ist es sehr wohl denkbar, daß die Königin im Jahre 1263, bevor der Herzog von Braunschweig im Herbst die Leitung der dänischen Angelegenheiten beschloß und nach Deutschland zurückkehrte, den Papst Urban IV. durch eine mündliche Aufklärung über ihre Lage gegenüber dem ihr so feindlichen Erzbischof Jakob, dem der vorige Papst Alexander IV. († 1261) so entschiedenen Beistand geleistet hatte, für sich günstiger zu stimmen versuchte. Vielleicht unternahm sie diese Fahrt von
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Norddeutschland aus absichtlich ohne viel Aufhebens; und daraus erklärt sich auch das Schweigen der dänischen Annalen über die Reise. Am 13. Septbr. 1263 cassirte der Papst Margaretens Wahl eines Bischofs zu Reval, bestätigte aber doch denselben Mann nun kraft apostolischer Machtvollkommenheit. Er wahrte also freilich der Königin gegenüber seine eigenen Ansprüche, nahm in der Person des Geistlichen jedoch keinen Wechsel vor. Aber in dem Streite der dänischen Krone mit dem Erzbischof von Lund und dem Bischof von Roeskilde ergriff Urban IV. jetzt entschieden die Partei der Königin, und immerhin kann ein Besuch derselben im Jahre 1263 darauf eingewirkt haben, daß er für die Dauer jenes Streites der Königin und ihrem Sohne, dem jungen König Erich, am 2. Januar 1264 auf ihre Bitte einen Schutzbrief gegen Bann und Interdict ertheilte und ihnen geheimen Gottesdienst während eines Interdicts gestattete, dann aber am 4. April dem Erzbischof Jakob die schärfsten Vorwürfe wegen Hochverraths u. s. w. machte und ihn zur Niederlegung seiner Würde aufforderte 1 ). - Vielleicht erscheint es Anderen bei näherer Erwägung und genauerer Kenntniß aller einschlagenden Verhältnisse zweckmäßiger, die Fahrt der Königin in den Frühling 1264 zu verlegen (zwischen den 2. Januar und den 4. April), und ihr damit nur die Erwirkung der letzten schweren Entscheidung über den Erzbischof zuzuschreiben. Wenn aber in die Jahre 1263 und 1264 eine solche Reise gefallen sein kann, wo die Königin vom Papste eine Reliquie vom "Holz des Heil. Kreuzes" empfangen konnte, "an dem unser Heil gehangen hat", wie sich Urban in der Bulle vom 4. April an den Erzbischof ausdrückt und damit den hohen Werth bezeichnet, den er auf solche Reliquie legte: so kann die Königin im August 1264 recht wohl eine Fahrt durch die dänischen Inseln hin angetreten haben, um dort allerlei Schäden der Kirchen zu heilen, und durch einen Sturm von ihrem Cours abgelenkt und nach Rostock verschlagen sein. Denn am 16. August 1264 finden wir sie, umgeben von einer Anzahl dänischer Räthe und Begleiter 2 ), zu Rostock, und
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zwar, wie schon bemerkt, beschäftigt mit einer Lübischen Angelegenheit, indem sie den Lübekern einen Schutzbrief für ihr in Dänemark gestrandetes Gut ertheilte. Daß Mitglieder des Lübischen Rathes in Rostock dies Privilegium erbaten und entgegennahmen, darf man von vorne herein annehmen, und daß ein Lübischer Bürgermeister dabei sich auch einen Rath in Sachen einer Klosterstiftung erlaubte, ist bei der großen Bedeutung Lübeks und bei der Gunst, in welcher die Lübeker bei der Königin standen, sicher nichts Auffallendes. (Wir werden übrigens noch weiterhin auf diesen Rath zurückkommen.) Immerhin könnten dann auch die in diesem Privilegium für Lübek genannten Dänen jene "quam plures nostri consiliarii" sein, deren im Stiftungsbrief für das Kloster zum Heil. Kreuz am Schlusse gedacht wird.
Es kam uns indessen nur darauf an, einen möglichen Fall zu zeigen; es kann die Königin auch in einem späteren Zeitpunkte nach Rostock verschlagen sein. Jedenfalls athmet die Erzählung, daß Margarete in großer Todesgefahr auf Hülfe wegen der Reliquie, die sie bei sich führte, gehofft und das Gelübde gethan habe, nach glücklicher Rettung ein Kloster zu stiften zu Ehren des Heil. Kreuzes, so sehr den Geist des Mittelalters, daß sich kaum ein innerer Grund auffinden lassen möchte, der diese, wenn nicht 1270, so doch jedenfalls kaum 20 bis 30 Jahre später aufgezeichnete und schon durch den Namen des Kreuzklosters bestätigte Geschichte erschüttern könnte.
Aber der Lübische Bürgermeister Hermann Krüdener, der die Stiftung des Klosters mitberathen haben soll, ist eine höchst problematische Persönlichkeit! Keine andere Urkunde giebt von seiner Existenz Zeugniß, auch fehlt er in den Rathslinien und im Oberstadtbuche 1 ). Gestehen muß man, daß die älteste Rathslinie auf einem erst im 14. Jahrhundert angelegten Necrologium beruht, und daß sie keineswegs als vollständig und zuverlässig angesehen werden kann 2 ), daß die Urkunden des 13. Jahrhunderts uns auch nicht mit annähernder Vollständigkeit die Namen aller Rathsmitglieder Lübeks überliefert haben können, und daß wir, nachdem uns 1263, am 17. Juni 3 ), Heinrich Vorrad und Johann von Bardewik als die "Bürgermeister in diesem Jahre" (magistri
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ciuium ipso anno) mit 17 andern Rathsherren "und dem gesammten Rath" genannt sind, hinsichtlich des Lübischen Rathes über die folgenden Jahre sehr wenig unterrichtet sind. Der Name "Krüdener" ist in Lübek im 13. Jahrhundert nicht unbezeugt; in einer Urkunde des Bisthums Lübek vom Jahre 1239 steht ein Gottschalk Krüdener, anscheinend ein Geistlicher, in der Zeugenreihe an einer Stelle, aus der man auf einiges Ansehen dieses Mannes schließen darf 1 ). Wäre nun Hermann Krüdener hier einfach als Rathmann, nicht als Bürgermeister, bezeichnet, so möchte zur Rettung seines Namens die Vermuthung erlaubt sein, daß er, weil er sich dem Großhandel zuwandte, vielleicht auch in verwandtschaftlichen Verhältnissen zu Rathsherren stand, in den Rath gekommen, aber auch der einzige Rathmann seiner Familie geblieben sein könne, weil er entweder keine Söhne hinterlassen habe, oder diese ausgewandert oder zum Kleinhandel zurückgekehrt seien, u. s. w. Daß aber ein Bürgermeister nicht in früheren Urkunden wenigstens schon als Rathmann Erwähnung gefunden haben sollte, erregt gerechtes Bedenken, und man kommt leicht zu der Vermuthung, daß, wenn dieser Angabe in dem Stiftungsbrief Thatsächliches zu Grunde liegt (was wir hernach wahrscheinlich zu machen versuchen werden), der Verfasser den Namen des Lübischen Bürgermeisters oder den Titel oder die Heimath Hermann Krüdeners nicht richtig erfahren hat. Von der ersten Stiftung waren bis 1270 schon einige Jahre verflossen, ein Irrthum der bezeichneten Art wäre nach diesem Zeitraume allerdings schon denkbar; erklärlicher freilich, wenn man annimmt, die Urkunde sei noch später abgefaßt.
Nicht viel weniger Anstoß nimmt Hr. Paludan= Müller endlich auch an den andern vier Zeugen in der Fundations=Urkunde des Kreuzklosters, da "unter ihnen nicht ein einziger dänischer Mann" ist, und wir die Königin "allein von meklenburgischen Edelleuten umgeben sehen." Er nimmt dabei an, daß der Ausdruck: "Testes huius sunt" sich nicht auf die Beurkundung am 22. Sept. 1270, sondern auf die erste, etliche Jahre früher geschehene Klosterstiftung bezieht. Wer unbefangen liest, wird auf den ersten Blick denken, mit "hujus" werde die Beurkundung und Bestätigung gemeint;
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da dann aber noch Hermann Krüdener hinzugefügt wird und die Annahme, daß dieser zweimal, früher und wieder 1270, zugegen gewesen sei, kaum statthaft erscheint, so bleibt nur übrig, entweder alle als Zeugen der ersten Stiftung, oder die vier dänischen Ritter deutscher Herkunft als Zeugen der Beurkundung im Jahr 1270, Hermann Krüdener aber und die zahlreichen Räthe der Königin als Zeugen der ersten Stiftung anzusehen.
Wie dem sei, daß die Königin allein von meklenburgischen Edelleuten umgeben gewesen, wird man hieraus nicht schließen dürfen; die "zahlreichen Räthe" konnten ja lauter Dänen sein. Daß aber die Königin in einer Privatangelegenheit, der Stiftung eines deutschen Klosters, sich vornehmlich mit einem deutschen Bürgermeister und mit Rittern von deutscher Herkunft in ihrem Gefolge, die vielleicht in Esthland Lehne empfangen hatten (nostri milites), berathen und darum auch Letztere als Zeugen genannt hat, würde an sich kaum anstößig gefunden werden, wenn nicht schon andere Gründe den Verdacht gegen die Echtheit des Diploms erweckt hätten. Auch würde man an sich gegen Ritter deutscher Abkunft im Gefolge der Königin gewiß kein Vorurtheil haben. Denn die Kriege König Christophs und hernach seiner Gemahlin Margarete boten dem allzeit kriegslustigen jungen Adel in den deutschen Ostseeländern Verlockung genug, sich in Dänemark den Ritterschlag und ein Lehn zu verdienen. König Christoph schloß 1253 mit dem Grafen Gunzel von Schwerin einen förmlichen Dienstvertrag 1 ) und sicherte ihm darin jährlich 1000 Mk. Pfennige zu; er erwartete also gewiß eine nicht unbedeutende Mannschaft, und gewiß nicht ausschließlich schwerinsche.
Auch die Namen der vier Ritter: Johann von Snakenburg, Ludwig Kabold, Heinrich Blixem (Fulmen), Johann von Kröpelin, erwecken keinen begründeten Verdacht. Keiner von ihnen gehört der Herrschaft Rostock an; auch sind sie nicht alle Meklenburger. Wenigstens Heinrich Blixem kann man kaum als einen Werler betrachten; seine Familie ist überall keine meklenburgische. Nur ganz vorübergehend erscheint in zwei Urkunden aus den Jahren 1241 und 1242 2 ) in der Umgebung des Fürsten Nicolaus von Werle ein Knappe mit dem Namen Heinrich Blixem. Da dieser dann in Meklenburg ganz verschwindet, mag er immerhin in
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dänische Kriegsdienste gegangen und hernach im Gefolge der Königin als Ritter nach Rostock gekommen sein. Uebrigens kann Letzterer auch ein anderer Mann desselben Geschlechts sein; da bestimmte Rufnamen in jeder Familie vor andern üblich waren und immer wiederkehrten, ist Gewißheit in diesem Falle, wie in tausend ähnlichen, nicht zu erlangen.
Die Familie Kabold, in welcher der Name Ludwig vorwaltet, gehört so gut dem Fürstenthum Rügen, wie dem Fürstenthum Werle an, ein Kaboldestorp (jetzt Kavelstorf) liegt bei Tribsees in Vorpommern, ein anderes bei Schwan in dem Werleschen. Schon 1221 war beim Fürsten Wizlav von Rügen Ludwig Kabold, aber anscheinend als Gefährte des meklenburgischen Fürsten Heinrich (Borwin); 1248-1264 kommt ein Ritter dieses Namens oft in der Umgebung des Fürsten Nicolaus von Werle vor 1 ). 1257 erscheint bei dem Rujanerfürsten Jaromar zu Tribsees ein Ritter Johann Kabold 2 ), dessen Erben in einer Urkunde des Fürsten Wizlav von 1267 3 ), dann 1275 Ludwig und Nicolaus Kabold 4 ), und von 1276 5 ) an findet sich der Ritter Ludwig Kabold Jahrzehnte lang in vorpommerschen Urkunden. In welcher Verwandtschaft zu diesen der dänische Ritter Ludwig Kabold in der Umgebung der Königin Margarete stand, ist schwer zu sagen.
Ein Johann von Snakenburg tritt in meklenburgischen Urkunden schon 1218, bei dem Fürsten Heinrich Borwin von Meklenburg, auf und war 1226 und 12 29 bereits einer der angesehensten meklenburgischen Räthe. Er hatte sein Lehen in der Herrschaft Werle, in der Nähe von Plau, und lebte dort noch 1259, gewiß schon in sehr hohem Alter. Dieser Mann kann hier wohl nicht mehr in Frage kommen 6 ). Sein einziger Sohn, der hier in Meklenburg vorkommt, führte den Namen Gerhard; immerhin könnte ein anderer mit dem Namen Johann sich nach Dänemark begeben haben.
Endlich lernen wir einen Güstrowschen Ritter Johann von Kröpelin schon 1230-33 kennen, dann kommt ein solcher 1253 bis etwa 1274 in den Urkunden des Fürsten Nicolaus von Werle vor 7 ). Unter den drei muthmaßlichen
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Söhnen desselben, denen wir seit 1262 in Werleschen Urkunden begegnen, hieß keiner Johann; auch ein solcher könnte in Dänemark Dienste gesucht haben. - Unsere Untersuchung über diese vier als Zeugen genannten Ritter ergiebt also keine sichern Merkmale der Unechtheit.
Wer sich anderweitig schon für die Unechtheit der Urkunde entschieden hat, ist vielleicht geneigt, dem Fälscher zuzutrauen, daß er auf gut Glück bekannte deutsche Ritternamen zusammengestellt habe. Aber Blixem war jedenfalls in Rostock ein sehr wenig geläufiger Name; auch sieht man nicht ab, warum der Fälscher nicht zu vornehmen dänischen Namen gegriffen haben sollte, die bei dem lebhaften Verkehr mit Dänemark in Rostock ja bekannt genug waren. Dies gilt zumal, wenn man mit Paludan=Müller annimmt, der Fälscher habe seine deutschen Landsleute nur über die Herkunft der Reliquie vom Heil. Kreuz täuschen und sie vor andern ähnlichen beglaubigen wollen.
Aber darin, dünkt uns, liegt der schwächste Punkt der Beweisführung jenes dänischen Kritikers, daß er keinen recht einleuchtenden Zweck der Fälschung anzugeben vermag. Denn wenn er meint, man habe mit derselben nur die Reliquie gegen Zweifel zu schützen beabsichtigt, so scheint er die naiv gläubigen Katholiken des dreizehnten mit den kritischen Protestanten des neunzehnten Jahrhunderts zu verwechseln. Und wer etwa im 13. Jahrhundert aufgeklärt genug war, die Echtheit der Reliquien in Zweifel zu ziehen, wird auch wenig darauf gegeben haben, ob diese oder jene durch die Hand des Papstes gegangen war. Von dessen Hofe kamen ja überdies die meisten!
Fassen wir kurz den Ertrag unserer Erörterungen über die Gründe, welche Hr. Paludan=Müller gegen die Echtheit des Stiftungsbriefes aufgestellt hat, zusammen, so ist von den aus dem Text entnommenen kaum einer allein so durchschlagend, daß daraus hin die Verurtheilung erfolgen dürfte, wenn die Urkunde durch ein ganz zweifelfreies Siegel beglaubigt wäre. Da aber das als Siegel anhangende Bildniß immerhin durch kein zweites Exemplar oder durch Analogien bekräftigt wird, so erwecken namentlich die Behauptung, als ob die Königin Klöster habe zerstören lassen, und der sonst unbezeugte Name des Lübischen Bürgermeisters einen allerdings wohl gerechtfertigten Verdacht.
Indessen darf unsere Untersuchung hier nicht stehen bleiben. Denn auch verdächtige oder erweislich gefälschte Urkunden sind nicht allemal werthlos für die Geschichte.
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Manche sind der Ausgangspunkt für ein neues Recht geworden, wie z. B. die um 1190 gefälschte, neben der echten vom Jahre 1171 hier im Archiv aufbewahrte Stiftungsurkunde Herzog Heinrichs für das Bisthum Schwerin, indem die in die Fälschung hineingetragenen Bestimmungen durch die Confirmation Kaiser Otto's IV. vom Jahre 1211 Rechtskraft erhielten 1 ). Andere sind in Theilen, die auf echten Urkunden beruhen, völlig zuverlässig, und es ist dann die Aufgabe der Kritik, den Zweck zu ermitteln, der die Fälschung veranlaßte, und danach das Unechte, so weit es möglich ist, abzugrenzen. Noch andere, wie z. B. manche Reinfeldische im hiesigen Archiv 2 ), erwecken durch ihren Inhalt gar keinen Verdacht, erweisen sich aber durch die zu junge Handschrift und durch Operationen an den echten Siegeln als Fälschungen; sie scheinen eigenmächtige Abschriften der Inhaber zu sein, welche den Inhalt der vermodernden echten Briefe auf diesem Wege zu retten suchten. Immer aber kommt es vornehmlich auf die Zeit an, in welcher die Fälschung geschehen ist.
In unserm Falle, wo die Schriftzüge erweisen, daß das zweifelhafte Diplom jedenfalls noch dem Ende des 13. Jahrhunderts angehört, können wir uns nicht begnügen, den Inhalt, so weit er sich auf die Umstände bei der Stiftung eines der bedeutendsten Landesklöster bezieht, ohne Prüfung zu verwerfen oder auf sich beruhen zu lassen. Denn man darf von vorne herein behaupten, daß, weil am Ende des Jahrhunderts noch viele Rostocker Augenzeugen der Klosterstiftung lebten, auch ein damaliger Verfasser noch richtige oder wesentliche richtige Aufschlüsse erlangen konnte. Es liegt uns ob, uns mit Hülfe unzweifelhaft echter Quellen ein Bild von dem ganzen Verlauf der Gründung zu entwerfen und damit die Angaben in der Stiftungs=Urkunde zu vergleichen.
Zwischen dem dänischen Königshause und dem Rostocker Fürstenhause bestanden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nahe verwandtschaftliche Beziehungen. Da, wie schon erwähnt ist, Sophie, die Gemahlin Borwin's III. von Rostock, dem dänischen Königshause angehörte, wird sie nach der Zeit, in die ihr Leben fiel, eine Tochter König Waldemars II., also eine Schwester König Christophs und mithin eine Schwägerin der Königin Margarete, gewesen sein. Die Fürstin Sophie war nun freilich früh verstorben; aber
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Margarete war auch in anderer Hinsicht mit dem alternden Borwin († 1277) und dem lange für ihn regierenden Sohn Waldemar verwandt. Sie nennt nicht nur in dem Stiftungsbriefe, der uns hier vornehmlich beschäftigt, Waldemar ihren nahen Freund und Vetter (specialis amicus et patruus), sondern auch in der unverdächtigen Urkunde vom 2. Juni 1272 (Nr. 1251) ihren Blutsfreund (dilecti consanguinei nostri domini Woldemari). Allem Anscheine nach war Mechthild, Margaretens Mutter, die Gemahlin des Herzogs Sambor von Liebschau, eine Schwester der Fürsten Johann von Meklenburg, Nicolaus von Werle, Borwin von Rostock und Pribislav von Richenberg 1 ). Bei so nahen Verwandtschaftsverhältnissen kann es nicht Wunder nehmen, daß gerade Borwin von Rostock und sein Bruder Nicolaus schon 1256 Versöhnungsversuche zwischen dem König Christoph und dem Erzbischof Jakob unternahmen, daß der Fürst Heinrich der Pilger von Meklenburg wiederholt an den dänischen Hof kam und noch kurz vor dem Antritt seiner Pilgerfahrt nach Palästina der Königin zu Nykjöbing einen Besuch machte 2 ), und daß die Königin Margarete wiederholt nach Rostock kam. Ja die letzte Urkunde, welche wir von ihr besitzen, ist am 4. December 1282 zu Rostock ausgestellt; sie machte der Wittwe des kurz zuvor, am 9. November 1282, verstorbenen Fürsten Waldemar, Agnes (einer gebornen Gräfin von Holstein), einen Besuch, und vielleicht ist sie gar nicht mehr nach Dänemark zurückgekehrt, sondern (am 26. März 1283) zu Rostock verstorben. Wenigstens widerspricht kein altes Zeugniß der Angabe Kirchbergs (Cap. 183), daß sie in der Kirche zu Doberan ihr Grab gefunden hat 3 ).
Wenn also die Königin auf der See in Todesnöthen das Gelübde gethan hatte, nach glücklicher Rettung ein
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Kloster zum Heil. Kreuz zu stiften, und nun, statt in Dänemark, bei Rostock das feste Land erreichte, so mag es ihr nicht schwer geworden sein, sich zu einem Klosterbau hier im Wendenlande, der Heimath ihrer Mutter, zu entschließen.
In einer Beziehung ist sie jedenfalls die Stifterin geworden, indem sie nämlich die ersten Mittel zum Bestehen dargereicht hat. In den Rostockschen Testamenten Dietrichs von Raven aus dem Jahre 1268 und Johann Friesens vom Jahre 1269 1 ), in denen so zahlreiche geistliche Stiftungen, und namentlich die Rostockschen bedacht sind, ist vom Heil.=Kreuz=Kloster noch nicht die Rede; man darf daraus also wohl schließen, daß es damals noch nicht vorhanden war. Erst im Jahre 1269 that die Königin zur Lösung ihres Gelübdes den ersten Schritt, indem sie am 24. Mai 1269 sich in einem von Rostock datirten Privilegium vom Fürsten Waldemar 2 ) die Erlaubniß ertheilen ließ, in seinem Gebiete nach ihrem Gefallen und ihrer Gelegenheit vier Pflug Landes zu erwerben. Der Fürst Waldemar übertrug ihr hiebei im Voraus das Eigenthumsrecht in der Weise, daß sie über diesen Acker ganz nach Gefallen verfügen könne, und er auf jegliche Zehnten und sonstige Gefälle Verzicht leiste. Solche Freiheit pflegten die meklenburgischen Fürsten über die Güter zu geben, die zu geistlichen Zwecken, zur Gründung oder zum Unterhalt geistlicher Stiftungen, bestimmt waren. Und in der That beurkundete die Königin Margarete zu Nykjöbing am 2. Juni 1272 in einer recht kurzen Urkunde 3 ) - unter ihrem parabolischen Siegel - , daß sie zu Ehren des Herrn Jesu Christi, zum Heil ihrer Seele, "dem Nonnenkloster zum Heil. Kreuz zu Rostock" "ihr Dorf" (villam nostram) Schmarl, welches 4 Pflug Ackers in Cultur habe, mit allem Zubehör, Zehnten und Abgaben, zu ewigem Besitz und zu freier Verfügung verliehen habe.
War dies die erste Urkunde, welche sie dem Kloster gab? Dann muß es in der That auffallen, daß sie sich hier auch nicht mit der leisesten Andeutung als die Gründerin des Klosters bezeichnet, wie nahe es auch lag, diesen Ruhm auf die Nachwelt zu bringen. Oder unterließ sie aus Demuth solche Erwähnung? Man vermißt sonst förmlich einen Stiftungsbrief. Oder konnte sie einen solchen nicht geben, weil das Kloster nicht unter dänischer Landeshoheit stand? - War
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aber ein solcher voraufgegangen, so war es an sich nicht unangemessen, ihn in diesen Bewidmungsbrief, der ihn gewissermaßen ergänzte, zu transsumiren, und auch auf den kurzen Schenkungsbrief hätte immer noch die so erweiterte, feierlichere Ausfertigung folgen mögen.
Oder hat sich die Königin vorbehalten, späterhin, bei weiterer Entwicklung ihrer Stiftung, einen solchen feierlichen Stiftungsbrief zu geben? und ist dieser wohl nicht zu Stande gekommen, und darum hernach ein solcher erdichtet?
Oder will man aus jenem Schweigen schließen, daß nicht sie die Stifterin gewesen sei? Aber woher dann die große Zuneigung, aus welcher sie zuerst das Kloster mit einem ganzen Dorfe beschenkte und dadurch erst die Existenz ermöglichte?
Und wer könnte denn sonst der Gründer gewesen sein?
Die beiden Urkunden des Papstes Innocenz V. vom 23. März 1276 1 ), in welchen dieser die Priorin und den Convent der Cistercienser=Nonnen des Klosters zu Rostock mit allem Klostergut unter seinen apostolischen Schutz nimmt und ihnen alle Freiheiten und Gerechtigkeiten bestätigt, sind, zumal im Vergleich zu den ausführlichen päpstlichen Urkunden, welche die Klöster Doberan (1209) und Neukloster (1267) empfangen hatten, leider auch recht kurz gehalten und geben über die Entstehung des Klosters keinerlei Aufschluß.
Der Fürst Waldemar, der, wenn nicht die Königin die Gründerin sein sollte, allein als der Stifter oder Mitstifter in Frage kommen könnte, dann aber doch auch gewiß als solcher vom Kloster anerkannt wäre, nahm, weil er es für seine Pflicht erachte, neue Pflanzstätten (novellas plantationes de novo plantatas) durch Werke der Barmherzigkeit zu befruchten (rigare), am 23. Oct. 1278 "die Kirche der Nonnen zum Heil. Kreuz" in Rostock unter seinen Schutz, indem er dieselbe von dem Parochialverbande der Jakobikirche eximirte 2 ), oder genauer: den Nachfolgern des damaligen Pfarrers Heinrich zu St. Jakob alles Recht zur Messe und auf die daselbst gespendeten Almosen und Opfer entzog. Aber er rühmt sich nicht, an der Stiftung irgend einen Antheil zu haben, giebt auch sonst keine Andeutung über dieselbe, die er ja mit Recht als allgemein bekannt voraussetzen konnte.
Merkwürdig ist es jedenfalls, daß das Kloster, zu welchem erst 1269 die erste Anstalt getroffen ward, und das
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erst 1272, oder doch wohl nicht viel früher, in den Besitz eines Dorfes kam, bald einen großen Aufschwung nahm und über sehr bedeutende Geldmittel verfügte. Schon 1274 kaufte es das Dorf Bandow um 1300 Mk. Pf., 1277: sechs Hufen in Damm für 210 Mk., 1278: Gr.=Sprenz um 950 Mk., 1284: Schwiesow um 883 Mk., dann im ruyanischen Vorpommern: 1289 fünf Hufen zu Behrenshagen und sieben zu Primersdorf um 480 Mk., 1293 eilf Hufen zu Alt=Willershagen um 554 Mk. 1 ) u. s. w.
Brachte nun auch wohl manche Nonne eine nicht unansehnliche Mitgift zu (wie z. B. Adelheid Vot im Jahre 1283: 90 Mk. 2 ), wurden die Klosterjungfrauen auch in manchen Testamenten der Seestädte mit schönen Vermächtnissen bedacht 3 ), und mehrten sich bei wachsendem Güterbesitze und geschickter Verwaltung desselben auch allmählich die Ueberschüsse: so reichten doch wenigstens in der ersten Zeit solche Hülfsquellen gewiß bei weitem nicht aus, um davon das Kloster zu erbauen, die Nonnen zu unterhalten und daneben noch bedeutende Güter anzukaufen. Man kommt unwillkürlich zu der Vermuthung, daß sich eine fürstliche Hand freigebig zu beträchtlichen Spenden aufgethan hat und daß, da Waldemar dem Kloster nicht ein ein einziges Gut geschenkt hat, vornehmlich die Königin Margarete ihre Mildtätigkeit leuchten ließ.
Uebrigens unterschied sich das Nonnenkloster zum Heil. Kreuz von den andern Cistercienserklöstern Meklenburgs wesentlich, insofern es kein Feldkloster war, sondern innerhalb der größten Stadt des Landes angelegt ward; und es drängt sich die Frage auf, warum ein Lübischer Bürgermeister den Plan der Königin, außerhalb der Stadt das Kloster zu gründen, durchkreuzte.
Der Stiftungsbrief giebt darauf eine befriedigende Antwort.
Die Lage der Hundesburg ist auch heutigen Tages noch allgemein bekannt. Der Platz, auf welchem sie im Jahre 1270 noch stand, ein Hügel südlich vom Hofe auf der Feldmark Schmarl, unmittelbar an dem westlichen Ufer der Warnow, wo dieses ein wenig in den Fluß hineinspringt, führt noch jetzt den Namen Hundesburg. Während weiter abwärts größtentheils Wiesen sich längs der Warnow hinziehen und der Fluß am Ufer wenig Tiefe hat, war die
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Wahl des Platzes für die Hundesburg wohl wesentlich dadurch mitbestimmt, daß dort sich eine gute Anfurt findet und der Fluß sich dort etwas verengt. Hier konnte die Königin, wenn sie an dem, vom Nordsturm vielleicht überflutheten, Dorfe Warnemünde vorüber und durch den Breitling hindurch in die Warnow gelangt war, sicher landen. Und eben dieses Schloß, wo sie das feste Land zuerst erreichte, wünschte sie nun zu einer Klosteranlage zu benutzen; man sieht auch, warum sie, nachdem dieser Plan verworfen war, gerade die Feldmark Schmarl für das Kloster ankaufte.
Die Burg Hundesburg gehörte dem Fürsten von Rostock, und Waldemar möchte sie seiner Cousine auch vielleicht überlassen haben. Aber, da sie die Warnow beherrschte, war die Hundesburg den Rostockern, die es mit Anstrengungen erreicht hatten, daß die Burgen der Fürsten innerhalb der Stadt verschwunden waren, ein Dorn im Auge. Nicolaus Glöde scheint eine Weile als fürstlicher Beamter auf derselben gesessen zu haben. In der letzten Zeit nämlich (1268-70) hatte es sich erst ereignet, daß dieser einen Rostocker, der zu Kessin hatte Vögel fangen wollen, verhaftete und auf die Hundesburg brachte; Glöde ward deswegen vor das Gericht zu Rostock geladen, erschien aber nicht und ward daraus verfestet 1 ). Was Wunder, wenn die Rostocker die Burg auch nicht als Kloster fortbestehen lassen mochten, das in gefahrvoller Zeit leicht von Feinden der Stadt in Besitz genommen und zur Sperrung oder Behinderung der Schiffahrt auf der Warnow benutzt werden konnte! Der Bürgermeister einer verbündeten hanseatischen Stadt leistete also den Rostockern einen großen Dienst damit, daß er der Königin jenen Plan ausredete und sie zur Verlegung des Klosters in die Stadt bewog; auch auf der Feldmark Schmarl wäre den Rostockern die Errichtung eines festen Klostergebäudes und Hofes kaum weniger unwillkommen gewesen. Wahrscheinlich haben sie dagegen sich dazu verstanden, innerhalb der Stadt den Raum zum Kloster unentgeltlich herzugeben. Wenigstens wird der Fürst Waldemar nicht als der Geber dieses Platzes, also als Mitstifter des Klosters, gerühmt, was doch wohl, wenn er es verdient hätte, nicht unterblieben wäre; nur seiner Zustimmung zu der Anlage in der Stadt oder zu der Verlegung des Klosters in die Stadt wird gedacht. Hätte die Königin aber den Klosterplatz von der Stadt Rostock käuflich erworben, so würde uns gewiß ein Kaufbrief in dem reichen
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Rostocker Urkundenschatze oder eine Inscription des Stadtbuches davon Kunde geben.
Beiläufig sei hier erwähnt, daß die Rostocker ihren Wunsch rücksichtlich der Hundesburg doch bald hernach erfüllt sahen. Wann und aus welcher Veranlassung sie abgebrochen ist, wissen wir nicht; aber am 21. Decbr. 1278 stand sie nicht mehr. An diesem Tage verkaufte der Fürst Waldemar die leere Burgstätte an die Stadt Rostock, und es ward im Kaufbriefe bedungen, daß weder dort noch überhaupt längs der Warnow zwischen Rostock und dem Meere bis auf eine Meile vom Flußufer je eine Burg wiedererbauet werden dürfe 1 ). Dem Kloster zum Heil. Kreuz aber war es störend, daß die Stadt jenen Hügel innerhalb der Feldmark des Klostergutes Schmarl besaß. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, kaufte es am 27. August 1307 von der Stadt Rostock "den Wall der Burg Hundesburg mit dem ganzen Raum und was dazu liegt." Aber auch jetzt war die Besorgniß der Rostocker vor einem möglichen Wiederaufbau einer Burg so groß, daß in den Kaufbrief die Bedingung aufgenommen ward, falls ein Herr sich des Walles bemächtigen wolle, sollten Kloster und Stadt dies gemeinschaftlich nach besten Kräften verhindern 2 ).
So sehen wir also in Allem, was die Stiftung des Klosters selbst betrifft, in dem Stiftungsbriefe der Königin Margarete nicht nur keinen einzigen Widerspruch gegen anderweitige untrügliche Nachrichten, sondern die Mittheilungen, welche wir durch sie empfangen, geben uns allein die erwünschten und in sich glaubwürdigen Aufschlüsse. Und selbst von dänischen Angelegenheiten zeigt der Verfasser eine so gute Kenntniß, als man von einem Rostocker nur erwarten kann. Damit mindert sich augenscheinlich unser Interesse an der Frage, ob jene Urkunde wirklich 1270 von der Königin Margarete gegeben, oder ob sie vielleicht fünfzehn bis zwanzig Jahre später auf ihren Namen gefälscht ist. Manche Ausstellungen, welche gegen sie gemacht sind, haben hoffentlich oben ihre Erledigung gefunden, anderen sind Zweifel entgegen gestellt. - Aber erwägt man, daß die Königin Margarete im Jahre 1270, als der Streit mit dem Lundischen Erzbischof noch nicht beigelegt war, schwerlich ihre Schuld an der Beraubung des Kirchengutes urkundlich hätte eingestehen und sich am wenigsten einer schrecklichen (enormiter!) Ver=
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Wüstung von Klöstern, die sie nie begangen hatte, schuldig hätte bekennen mögen, daß ferner ein Irrthum in dem Namen, oder in der Würde, oder in der Heimath des Bürgermeisters Hermann Krüdener im Jahre 1270 immerhin sehr auffallen müßte, während ein solcher 15-20 Jahre später einem auch sonst ganz sorgfältigen und sachlich wohl unterrichteten Verfasser leicht widerfahren konnte, und daß endlich die Besiegelung einer Urkunde mit dem Bildniß der Königin jedenfalls gegen allen diplomatischen Brauch war: so wird man sich doch entschließen müssen, hier eine pia fraus anzunehmen.
Und zwar eine pia fraus in besonderem Sinne. Denn seltsam wäre eine solche Urkunde von der Königin selbst, in welcher dem Kloster kein einziges Recht und kein Besitz verliehen, sondern lediglich der Hergang der Gründung erzählt, und die Bestätigung nicht, wie man doch zu erwarten berechtigt wäre, von dem Landesherrn, sondern "kraft Vollmacht" (auctoritate) des Landesherrn ausgeübt wird, ohne daß der Landesherr zum Zeichen seiner Genehmigung, wie doch sonst in solchen Fällen üblich war, sein Siegel anhing. Dagegen verlieren sich alle Bedenken mit der Annahme, daß der Vorstand des Klosters, weil dieses keinen Bestätigungsbrief vom Fürsten Waldemar und keinen Stiftungsbrief von der Königin Margarete empfangen hatte, nach dem Tode des Fürsten und der Königin den Verlauf der Gründung selbst zu beurkunden unternahm und dazu die unerlaubte Form einer Urkunde auf den Namen der Königin wählte. Wie leicht man sich im Mittelalter zu diesem schlimmen Wege entschloß, ist bekannt genug und wird auch für unser Land leider durch etliche Nummern des Meklenburgischen Urkunden=Buches bezeugt. In diesem Falle aber mochte man sein Gewissen über diese Fälschung um so leichter beruhigen, da man mit derselben niemand an irgend einem Rechte kränkte und mit einer Erzählung von der Stiftung der Gründerin des Klosters gewissermaßen ein Denkmal der Dankbarkeit zu setzen beabsichtigte.
Diesem letzten Gedanken entspricht nun auch die eigenthümliche Besiegelung: einem urkundlichen Denkmale für die Königin fügte man ihr Bildniß hinzu!
Es ist kaum denkbar, daß die Königin Margarete selbst, sei es in Italien, sei es hier im Norden, die Form zu diesem Reliefbilde von sich hat anfertigen lassen und solche etwa dem Kloster zum Heil. Kreuz oder einem Vorsteher desselben geschenkt hat; denn zum Siegeln verwandte man solche Hautreliefs nicht, und zu welchem andern Zwecke wäre
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sie nütze gewesen? Viel wahrscheinlicher dünkt es uns, daß dies Wachsbildniß auf eine Gemme oder auf ein silbernes oder goldenes Relief eines Armringes oder einer Spange oder eines andern Schmuckstückes zurückzuführen ist. Wir lassen aber dahingestellt, ob es von solchem vermittels einer Thonform genommen, oder nach demselben direct in Wachs modellirt ist; am flachen Rande scheint nämlich mit den Fingern nachgeholfen zu sein 1 ). Auf dem echten Siegel vom Jahre 1272 fand diese Darstellung ihr Vorbild nicht.
Ob dies Reliefbild statt des Siegels auch an der durch die Einfügung des Stiftungsbriefes erweiterten Ausfertigung des Schenkungsbriefes über Schmarl vom 2. Juni 1272 gehangen hat, bleibt ungewiß, da in dem Text keine Andeutung davon gegeben wird. Und da bisher weder das "Original" dieser Erweiterung, noch eine alte Abschrift sich hat auffinden lassen, ist es auch zur Zeit unmöglich zu ermitteln, ob dieses Transsumpt schon von dem Verfasser der Stiftungsurkunde herrührt, oder ob ein Anderer in seine Fußstapfen getreten ist.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Die Erkenntniß des Lebensendes bedeutender Manschen ist für die Beurtheilung ihres ganzen Lebens wesentlich wichtig. Das Lebensende eines Menschen ist, um einen bildlichen Ausdruck zu gebrauchen, der Besiegelung einer Urkunde zu vergleichen.
Einer der bedeutendsten Fürsten Meklenburgs war der Herzog Magnus II. († 1503), der Sohn Heinrichs IV. († 1477), der Stammhalter des jetzt blühenden Fürstenhauses und der erste Alleinherrscher aller Meklenburgischen Lande.
Rudloff in seiner Meklenburgischen Geschichte II, S. 891, urtheilt bei Gelegenheit von des Herzogs Tode: "Ihm war in dem Schoße seiner Familie die reinere Freude vor behalten, ein reiches Maaß häuslicher Glückseligkeit zu genießen." Allein ungetrübt war sein Lebensalter nicht. Er litt lange an einer unheilbaren Krankheit, an welcher er auch starb. Er litt an dem schrecklichen Aussatz (lepra), welcher damals auf dem ganzen Erdkreis grassirte. In seinem Epitaphium in der Kirche zu Doberan, welches von dem unten besprochenen kundigen herzoglichen Leibarzt Dietrich Ulsen verfaßt ist, heißt es, indem der Herzog sich selbst redend in etwas schwülstiger Sprache einführt:
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Dum magna paro, majora relinquo,
Injecere manus maxima fata mihi;
Nam dum saeva lues toto grassatur in orbe
Lichnica, crustosis ulcera stigmatibus,
Nulla meos potuit virtus superare dolores,
Quin perii, mortem nulla medela levat.
Während ich Großes bereite, das Größere aufgebend,
Ergriff mich das größte Schicksal.
Denn als jene wüthende Seuche auf dem ganzen Erdkreis grassirte,
Sich zeigend in Flechten mit räudigen Malen von Schwären,
Konnte keine Kunst meine Schmerzen stillen
Und kein Mittel meinen Tod verhüten.
Diese Krankheit kann nach meiner Ansicht nur der schreckliche Aussatz 1 ) ("räudiger Aussatz") sein. Sonst hat sich kein anderer Geschichtschreiber über die Ursache des Todes des Herzogs ausgesprochen, als Franck im Alten und Neuen Meklenburg VIII, S. 291, welcher nach dem Doberaner Epitaphium sagt, daß er an einer "ansteckenden Räudigkeit" gestorben sei.
Wahrscheinlich hatte der Herzog sich die Krankheit aus dem Orient und dem Süden geholt. Er hatte nämlich 1470- 1471 seinen Vetter, den Herzog Ulrich II. von Meklenburg=Stargard, den letzten seiner Linie, auf einer Wallfahrt nach dem Gelobten Lande, über Italien, wo er auch zwei Mal bei dem Papste war, begleitet 2 ).
In Ermangelung weiterer Nachrichten kann die Geschichte der herzoglichen Leibärzte den Gang der Krankheit des Herzogs aufklären helfen.
In seiner Noth sah sich der Herzog Magnus nach geschickten und erfahrnen Aerzten in der Ferne um, da in den Archivnachrichten Leibärzte aus früherer Zeit nicht bekannt
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sind. Am 26. Decbr. 1493 beriefen 1 ) die Herzoge Magnus und Balthasar den Meister Conrad Schwestermüller, der Arzenei Doctor, auf zwei Jahre zu ihrem "Leibarzt", der seine eigene "Häusung" und Wagen und Pferde zu Wismar haben sollte. Eigentlich ward Schwestermüller nur auf Urlaub geliehen. Er war Leibarzt am Brandenburgischen Hofe. Am 5. April 1483 verschrieb der Markgraf, spätere Kurfürst, Johann Cicero von Brandenburg († 1499) dem Meister Conrad Schwestermüller, der Arzenei Doctor, gewisse Lehen und Güter in der Herrschaft Brandenburg zum Angefäll und Mannlehn 2 ). Auch besaß Schwestermüller ein eigenes Haus in Berlin (Cöln an der Spree), wie sich weiter unten zeigen wird. Man sollte daher annehmen, daß er nur hin und wieder zum Rath nach Meklenburg berufen sei; aber der Verlauf zeigt, daß er einige Jahre wirklich in Meklenburg gewohnt hat. Die Kurfürsten und Markgrafen von Brandenburg erzeigten dem Herzoge diese Gefälligkeit wohl aus verwandtschaftlicher Liebe, denn des Herzogs Mutter Dorothea von Brandenburg († 1491) war eine Vaterschwester des Kurfürsten Johann.
Am 26. Decbr. 1493 erhielt also Schwestermüller seine Bestallung von den Herzogen von Meklenburg. Er war aber schon vorher nach Meklenburg gegangen. Am 27. Sept. 1493 bat der Bischof von Havelberg 3 ), Busso von Alvensleben, zu Wittstock, den Herzog Magnus, ihm den Doctor Conrad noch eine Zeit lang zu vergönnen, bis seine Krankheit eine andere Gestalt gewinne. Aber der Bischof starb schon am l6.Octbr. 1493.
Schwestermüller blieb nun seit Anfang des Jahres 1494 einige Jahre in Meklenburg. Am 8. Jan. 1496 forderte aber der Kurfürst Johann, indem er selbst kränkelte, seinen geschwornen Leibarzt und Diener Dr. Conrad Schwestermüller von den Herzogen zurück, da derselbe nicht entlassen, sondern nur auf etliche Jahre beurlaubt sei. Die Herzoge verweigerten aber die Entlassung des Arztes, welcher "zwei Jahre in ihren Diensten gestanden" habe, da er ihnen abgetreten sei und bei ihnen zu bleiben zugesagt habe; sie wollten ihn aber gerne 2 bis 3 Wochen beurlauben. Am 4. April 1496 forderte der Kurfürst den Doctor mit Bestimmtheit zurück. Aber diese zweite Aufforderung hatte ebenfalls keinen Erfolg.
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Nach dieser Zeit erscheint Schwestermüller nur selten in der Geschichte.
Der Herzog Magnus hatte am 17. Julii 1499 nach Schwestermüllers Abgang den Doctor der Medicin Nicolaus Scholle, welcher zu Wismar wohnte, auf halbjährige Kündigung zum Leibarzt angenommen und ihm dabei, wenn er es wünschen sollte, eine "Lectur in der Medicin" an der Universität Rostock in Aussicht gestellt. Von diesem Leibarzt ist aber weiter nicht die Rede.
Der Kurfürst Johann starb im Jahre 1499 und ihm folgte in der Regierung sein älterer Sohn Kurfürst Joachim I. Nestor († 1535), dessen Schwester Ursula mit des Herzogs Magnus ältestem Sohne Heinrich dem Friedfertigen vermählt ward.
Der Herzog Magnus lebte auch nicht lange mehr. Er starb an seinen Leiden, tief betrauert, am 20. Novbr. 1503 und ward in der Kirche zu Doberan begraben. Er hinterließ 3 Söhne: Herzog Heinrich (den "Friedfertigen"), Herzog Erich und Herzog Albrecht (den "Schönen"), von denen jedoch Erich auch kränklich war und schon 1508 starb.
Die Kurfürsten von Brandenburg hatten neben Schwestermüller noch einen andern Arzt, den Bruder Conrad Diell, Bruder des Barfüßer=Ordens, welcher nach dem Tode des Kurfürsten Johann um das Jahr 1499 seinen Dienst aufgab 1 ).
Schwestermüller war unter solchen Umständen, und vielleicht selbst alt, nach Berlin zurückgekehrt. Nach des Kurfürsten Johann Tode nahmen dessen Söhne, der Kurfürst Joachim und der Markgraf Albrecht, den "Meister Conrad Schwestermüller, der Arzenei Doctor, welchen ihr Vater löblicher Gedächtniß Kurfürst Johann die Zeit seines Lebens zu seinem Leibarzt gehabt hatte, zu ihrem Rath und Leibarzt wieder an 2 )". Riedel setzt die undatirte Urkunde in das Jahr 1503.
Jedoch ward Schwestermüller in schwierigen und bedenklichen Fällen in Meklenburg doch hin und wieder zu Rathe gezogen, namentlich wegen der Krankheit des Herzogs Erich, welcher vielleicht auch den Aussatz hatte. In den zuverlässigen Rechnungen des Rentmeisters Claus Trutmann zum Jahre 1505 heißt es:
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"1505.
"XXX gulden doctor Conrad Szwestermoller gegeuen, als he in myns g. h. h. Erichs kranctheyt to Szwerin was. In vigilia paschae (22. März)."
"XX ß. gegeben Lorentz dem burgermester, die hatte doctor Conradt in seinem hause vertzert, als er bei Hertzog Erich in seiner kranckheit waß."
Im Jahre 1506 lebte Schwestermüller noch. Der Kurfürst Joachim und der Markgraf bestellten, ohne Datum, den Meister Albrecht Rademann, der Arzenei Doctor, zu ihrem Leibarzt 1 ), mit der Versicherung, nach Abgang und Absterben des Doctors Conrath Swestermüller ihm seinen Sold mit 50 Gulden rheinisch zu verbessern. Riedel setzt die Urkunde in das Jahr 1506.
Im Jahre 1522 war Conrad Schwestermüller aber todt. In diesem Jahre bestätigte der Kurfürst Joachim 2 ) seinem Kämmerer Jacob Salberger den Besitz des Hauses, welches "Doctor Conrad seliger", früher des Kurfürsten Johann "Leibarzt, inne gehabt" und worauf er "aus seiner Stube ein Studorium (wohl: Museum und Bibliothek) gebauet". Aus dieser Andeutung mag sich schließen lassen, daß Conrad Schwestermüller ein wissenschaftlich forschender Mann war.
Nach dem Tode des Herzogs Magnus († 1503) beginnt mit dem Anfange des 16. Jahrhunderts unter seinen Söhnen, den jungen Herzogen Heinrich, Erich und Albrecht, in Meklenburg eine neue Richtung und Strömung. Im Anfang ihrer Regierung treten zwei bekannte Männer, von auswärts berufen, auf, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entscheidenden und nachhaltigen Einfluß haben: der Canzler Caspar von Schöneich und der Rath Dr. Nicolaus Marschalk. Caspar von Schöneich war schon seit 1503 als Rath und Gesandter für Meklenburg thätig und ward im Jahre 1507 nach dem Tode seines Vorgängers und Vetters Brandanus von Schöneich Canzler 3 ). Dr. Nicolaus
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Marschalk (Dr. Nicolaus Marschalcus Thurius), ein vielseitig gelehrter und gebildeter Mann, als Geschichtschreiber und Dichter viel besprochen und bekannt, kam 1505 als Rath und Gesandter in meklenburgische Dienste 1 ). Mit ihnen tritt der neue Leibarzt Dr. Dietrich Uelsen in die Erscheinung und zeigt sich als Freund Marschalks. Dietrich Uelsen, von Herkunft ein Friese, der freien Künste und der Medicin Doctor, war ein ausgezeichneter Arzt und gekrönter Dichter. In seinem zu Schwerin ausgestellten lateinischen Dienstrevers vom 7. Febr. ("dominica post Dorotheam") 1507 2 ) nennt er sich "Theodericus Ulsenius, artium "et medicinae doctor", und Nicolaus Marschalk sagt in seinen Annalen 3 ), daß "Udalricus 4 ) Ulsenius, Frisius, iatrus "excellens et poëta laureatus" geWesen sei. Ich habe geglaubt, den lateinischen Namen Ulsenius in Uelsen oder Uelzen verdeutschen zu müssen. Er soll früher, 1486, Stadt=Physikus in Nürnberg gewesen sein 5 ) und medicinische Schriften und Gedichte in lateinischer Sprache herausgegeben haben. In seiner von ihm entworfenen Dienstinstruction zu seinem Dienstrevers vom Jahre 1507 nennt er sich "kaiserlichen Leibarzt" ("Th. Vlsemus Caesareus Archiiatrius"). Vielleicht war er dies während seines Aufenthalts in der Reichsstadt Nürnberg geworden. Aber Uelsen wird nicht von Nürnberg nach Meklenburg gekommen sein. Man wird ihn unter einem andern Namen zu suchen haben. Auf der Rückseite seines Dienstreverses steht, anscheinend von der Hand des Herzogs Heinrich geschrieben: "Dochter Dytteriches Refersall". Man wird ihn also als "Leibarzt Doctor Dietrich " zu suchen haben. Und wirklich findet sich zu jener Zeit ein solcher in Lübek und Meklenburg. Er wird sich also von Nürnberg nach Lübek gewandt haben, wo damals reger medicinischer Verkehr herrschte und die Apothekerei 6 ) schon blühete. So viel ist gewiß, daß der Leibarzt Doctor Dietrich aus Lübek kam und zwar schon vor seiner Bestallung, seit dem Jahre 1505, dem herzoglichen Hofe diente. Wahr=
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scheinlich vermittelte sein Freund Nicolaus Marschalk seinen Uebertritt nach Meklenburg, da dieser schon im Jahre 1505, gleich nach seiner Berufung, oft in Staatsverhandlungen als Gesandter vielfach mit Lübek in Verkehr stand 1 ).
Die Landes= und Hofrechnungen des Landrentmeisters Claus Trutmann, welche durchaus zuverlässig sind, geben hierüber willkommenen Aufschluß.
Es heißt hierin z. B.:
1505.
II gulden Hanszen Barberen gedan vnnd geschickth na Lübeck to holen den doctor den liffartz, to Swerin (9. Septbr.).
II ß. dem doctor to hofslage to Gadebus (16. Sept.).
VI gulden gedan doctor Diderik vp die apteken to Lübeck to Gadebus vnnd to hulpe syner teringe (7. Oct.).
II gulden doctor Diderik, de he vp der apteken to Lübeck hadde vthgegeuen (30. Octbr.).
XII gulden doctor Diderike myner g. h. arste,ehn to Lübek vp die abteken geschicket vth beuel mynes g. h. h. B. to Szwerin (22. Novbr.).
1506.
XV ßl. 1 Lorentz. Hadde doctor Didericks des artztes knecht verzehrt (Brandani).
XXV gulden gegeben doctor Diderick dem liparzt vp sinen solt (26. Febr.).
Endlich erfolgte im Febr. 1507 die feste Anstellung Uelsens als herzoglicher Leibarzt in Schwerin. Veranlaßt ward diese Anstellung wohl durch die Kränklichkeit des Herzogs Balthasar, des Bruders des Herzogs Magnus, welcher schon am 16. März 1507 starb, und durch die Krankheit des jungen Herzogs Erich († 1508). Dies scheint aus folgenden Aufführungen in den Renterei=Rechnungen hervorzugehen:
1507.
XV gulden doctor Diderik vp sin solt to Swerin (9. Jan.).
XX gulden doctor Diderick dem artz vp sin Solt to Swerin (11. Decbr.).
XIII gulden I Ort gegeuen to Lübeck vp die apoteke doctor Diderick witlick von wegen meines g. h. h. Erichs .
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Am 7. Febr. 1507 stellte er den oben erwähnten Dienst=Revers, auf halbjährige Kündigung lautend, aus, und machte den Entwurf einer Instruction für seinen Dienst.
"In der Jahresübersicht der Besoldung des Hofgesindes" vom Jahre 1507 heißt es:
I c VII gulden doctor Dittrich m. g. h. leipartzsten.
Von hier an kommt Doctor Dietrich nur wenig vor. Es heißt in den Renterei=Rechnungen:
1508.
X gulden dem artzt von Lübeck ghein godebus gehalt wardt hertzog Eriche .
VI gulden auf die apotek dem szelben artzt obberanthwurt.
Im August 1508 reisete die herzogliche Familie im Lande und mit derselben auch Herzog Erich. Aber schon am 22. Decbr. 1508 starb der Herzog Erich, erst 25 Jahr alt.
Seit dieser Zeit verschwindet Dietrich Uelsen aus der Geschichte. Er mag sich bei veränderten Verhältnissen wieder nach Lübek zurückgezogen haben. Es hat sich wenigstens keine Nachricht über ihn weiter finden lassen.
Johannis 1510 bestellten die Herzoge Heinrich und Albrecht den Johann Horn, der Arzenei=Doctor, zu Wismar, zu ihrem Leibarzt. Neben oder unmittelbar nach demselben kommen auch andere Leibärzte vor.
Der Doctor Dietrich Uelsen hat noch eine gewisse geschichtliche Bedeutung wegen des dichterischen
in der Kirche zu Doberan, über seinem Grabe. Man sollte glauben, daß Nicolaus Marschalk dieses Epitaphium gemacht habe, da dieser für Geschichte und geschichtliche Denkmäler sehr thätig war, auch in der Kirche zu Doberan 1 ), wo er mehrere andere Inschriften und Epitaphien gemacht hat, welche aber leider alle um das Jahr 1750 "renovirt" sind. Aber Marschalk sagt selbst 2 ),
daß Dietrich Ulsenius, ein ausgezeichneter Arzt und gekrönter Dichter, welcher mit ihm unter seinen Söhnen
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gedient habe, das Grab des Herzogs Magnus durch ein Gedicht verherrlicht hat,
und theilt dann das hier unten abgedruckte Gedicht mit, welches um so werthvoller ist, als Uelsen ein gleichzeitiger, erfahrener Arzt und zugleich Dichter war.
"Obiit vero (dux Magnus) diem post facinora
"egregia multa anno natali Christiano millesimo
"quingentesimo tercio X calendas Decembres, Do-
"berani tumulatus, cuius sepulchrum Udal-
"ricus 1 ) Ulsenius, Frisius, iatrus excellens et
"poëta laureatus, qui mecum post sub filiis illius
"militabat, carmine illustravit."
Das Original dieses Gedichts fand ich im Jahre 1860 in der Kirche zu Doberan bei dem Abbruch der alten im Jahre 1608 erbaueten Orgel. Es war eine große eichene Tafel mit goldenen Buchstaben auf schwarzem Grunde, wenn auch hin und wieder etwas ausgebessert, welche schon früh, vielleicht in der "Renovations"zeit, zu einer Staubklappe zum Schutze der Orgel benutzt war. Ich habe damals das Gedicht sorgfältig abgeschrieben und theile es hier nach dem Originale mit.
Megapolensis eram dux magnus nomine Magnus,
Caesaribus gratus principibusque viris.
Pronus Apostolica Papae bis cernor in aula,
Austriacus fouit Caesar uterque meos;
Perpetuam dedit ille rosam, sacra bractea regum,
Hi[c] mihi feudorum gratia bina fuit.
Etheriae patriam Solymae peregrinus adiui,
Militiam Domini sancta per arua petens.
Gaudebunt ataui titulis, tellure nepotes
Proxima cura subit, relligionis honos.
Auximus his fines, sed stemmata iunximus illis.
Nostra reformatis stat pia turba choris.
Rostochiumque ferox domui, tibi, diue Jacobe,
Sanguine cum proprio Canonicos statuens.
Quod pepuli Uerpos, Christi bona sacramenta
Stellarum Montis secta cremanda ferit.
Haec (?) pietas, dum magna paro, maiora relinquo,
Iniecere manus maxima fata mihi.
Nam dum saeva lues toto grassatur in orbe
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Lichnica, crustosis ulcera stigmatibus,
Nulla meos potuit uirtus superare dolores,
Quin perii, mortem nulla medela leuat.
Induperatorum regumque ducumque potestas
Et cunctae stellis subpeditantur opes.
Eheu magna cadunt, paruum est, quodcunque uidemus.
Jamque ducis Magni nomina sola manent.
Pectoribus loquor haec doctis, indocta rogabunt.
Sit mea cum patribus mens bene grata Deo.
Die Lesung wird sicher sein. Nur das erste Wort (Haec) in der 17 Zeile ist im Originale undeutlich.
Gedruckt ist dieses Gedicht schon früher in
folgenden Schriften:
1) David Chytraeus.
Oratio de judiciis ecclesiasticis. Rostock,
1571. Anhang. (Epitaphium Magni ducis
Megapolensis etc. sepulchro Doberani additum ab
Virico Vlsenio, Frisio.)
2) Schröder's
Wismarsche Erstlinge. 1734, S. 338.
3) V.
Westphalen Monumenta ined. (in Marschalci
Annales Herulorum). T. 1, 1738, p. 314.
4)
Franck's A. und N. Meklenburg, Buch VIII, 1754,
S. 296. (Nach Chytraeus).
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:
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Es sind mir durch einen Zufall im Staats=Archive einige Papiere in die Hände gekommen, welche leicht wieder in die Verborgenheit zurückgehen können, deren Inhalt aber eine Veröffentlichung verdient, da derselbe ein eigenthümliches Licht auf die Lebensumstände des Herzogs Carl Leopold in seinen letzten Lebensjahren wirft. Der Herzog († 28. Novbr. 1747) lebte bekanntlich in seiner letzten Zeit zu Dömitz in sehr eingeschränkten und bedrängten Verhältnissen. Diese waren so bekannt, daß ein Theil der von ihm so sehr begünstigten und ergebenen Geistlichkeit, obgleich der Stellenverkauf ziemlich offen betrieben ward, sich entschloß, im Todesjahre des Herzogs unter sich für ihn zu einem Geldgeschenke zu sammeln. Die Sache wird von dem Superintendenten Jacob Bernhard Polchow zu Parchim ausgegangen, aber ziemlich geheim betrieben sein. Am klarsten redet ein Protocoll des Lübowschen Cirkels, welchen der Senior Pastor Blanck zu Proseken zum 5. April 1747 nach Wismar zusammenberufen hatte. Hier haben die Versammelten "zwischen verschloßenen Thüren nach vorhergegangener einmüthiger Compromission bei ihren priesterlichen Ehren und Würden, den anzuhörenden Vortrag ver=
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schwiegen biß ins Grab zu behalten, von dem Herrn Seniore nomine des hochWerthesten Herrn Superintendentis umständlich und deutlich vernommen, Wie Ihro Hochfürstl. Durchlaucht Unser Regierender Herzog, gnädigster Fürst und Herr es vielleicht mit besonderen hohen Gnaden vermercken möchten, wenn bey jetzigen der Zeit Umständen Höchstderoselben E. Ehrw. Priesterschafft im Lande eigenwillig und ohne Consequence ein Don gratuit unterthänigst offeriren und dadurch ihre jeder Zeit gehegte allertreueste Devotion noch kennbahrer machen würden." Die anwesenden 5 Pastoren des Cirkels brachten aber viele Klagen über ihre eigene Nothdurft vor, entschlossen sich jedoch jeder 1 Ducaten zu geben, in der Kenntniß der "Eigenschaften eines großen Fürsten und besonders ihres gnädigsten Landesvaters, welcher nicht so sehr auf das Wenige ihres Vermögens als vielmehr auf das Zärtliche ihres Willens zu sehen pflege." Es war bald aus den Cirkeln Parchim, Neustadt, Lübow, Grabow, Wittenburg, Grevesmühlen und Lübz die Summe von 569 Thlrn. 36 ßl. zusammen, welche der Superintendent Polchow am 11. April 1747 zu Dömitz mit dem Verzeichniß der Beitragenden überreichte, mit folgendem Titel und Schluß:
"Für Se. Hochfürstl. Durchlaucht Unsern Regierenden,
Gnädigsten Landes=Fürsten und Herrn ist Anno 1747
den 5. Aprill ein freywilliges Don Gratuit von der
Priesterschafft in der Parchimschen Superintendentur
bewilliget worden und es haben würcklich dazu bei=
getragen:
(Folgen die Namen und Beiträge).
"Summa Summarum 569 Thlr. 36 ßl.
Ohne den Beitrag der Ehrn Prediger in Wittenburg"
"Welches hiebey unterthänigst präsentiret
Jacob Bernhard Polchow."
"Dömitz, den 11. April 1747.
Die meisten Prediger gaben 2 Ducaten oder 5 Rthlr. 24 ßl. oder 5 Thaler, nur die Prediger des Lübowschen Cirkels gaben 1 Ducaten oder 2 Rthlr. 36 ßl. Mehr und besonders viel gaben z. B. der Superintendent Polchow 50 Rthlr., der Kirchen=Visitations=Secretair Emmerich 50 Rthlr., die Parchimschen Pastoren Engel und Löscher jeder 10 Rthlr., die beiden Dömitzer Pastoren Loverentz und Schultz jeder 4 Ducaten oder 11 Thaler, der Präpositus Siggelkow zu Vellahn 20 Rthlr.,
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der Pastor Senstius zu Zarrentin 22 Rthlr., der Pastor Viereck zu Döbbersen 15 Rthlr., der Pastor Schmaltz zu Perlin 16 Rthlr., der Pastor Scharffenberg zu Parum 10 Rthlr., der Präpositus Schuster zu Grevesmühlen 18 Ducaten oder 49 Rthlr. 21 ßl., der Pastor Flege zu Kalkhorst 8 Ducaten oder 22 Rthlr., der Pastor Meelmann zu Klütz 22 Rthlr., der Pastor Schmidt zu Damshagen 11 Rthlr., der Präpositus Hartwich zu Lübz 10 Rthlr., der Präpositus zur Nedden zu Picher 10 Rthlr.
Man suchte die Ueberreichung möglichst zu beeilen. Daher waren bei der Ueberreichung der ersten Geldspende am 11. April 1747 "noch nicht eingekommene Circuli: 1) der "Wahrensche, 2) der Crivitzer, 3) der Hagenowsche, 4) der Gadebuscher, 5) der Mecklenburgische, 6) der Sternbergische". Nach und nach gingen noch die Beiträge aus den Crivitzer, Hagenowschen, Gadebuscher und Mecklenburgischen Cirkeln ein, welche jedoch nicht bedeutend waren und am 29. Mai 1747 von dem Superintendenten Polchow von Parchim aus nachgereicht wurden.
Aus diesem Verzeichniß ist besonders hervorzuheben:
"Aus dem Wahrenschen Circulo:
"Der eintzige Ehrn Pastor Schröder zu Anckershagen 20 Rthlr."
"NB. Die beyden in Wahren sind zurückgeblieben, und der Vielister ist ein Stieberianer."
"Aus dem Mecklenburgischen Circulo:"
"Von 8 Pfarren zusammen 22 Rthlr. Zurow ist mit einem Stiberianer besetzt und bleibt ausgeschlossen."
"NB. Der Sternbergische gantze Circulus hat sich entgegengesetzt."
Präpositus in Sternberg war damals der bekannte Geschichtschreiber David Franck.
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Denkmal für den erschlagenen
D. d. Güstrow. 1494. Junii 18.
Magnusz.
Vnnsen gunstigen grûdt touêre. Ersâmen, lêuen getrûwenn. Als wie jungst etliche rede mit jw gehat van wegen des crûces seligen Thomas Roden nâ to setten, in mâten wie besprôken vnd verreceszt worden isz, dâr wie jw anderszt nicht wan gûdwillich spôrden, dem szo to dônde geneiget weren, szo wie welcke van den vnszen dâr by worden verschigken to berâdtslagen, welgken enden solk crûtze beqwêmest vnd allergelelichst stan vnde gesetzt werden mocht, dem nach hebben wie dem werdigen vnsem râde vnd leuen andechtigen Ern Johan Tigler, dekent to Rostock, solke stede to besêhen vnd mit sampt jw entlich abedrach, wo solk crûtze na gelegenheit, an den enden he geslâgen worden isz, mochte gesetzt werden, to mâken, vnd ôck . . . . enclich szo eynem prêster nach to setten zcemet, vp dat aller reynicliste gehouwen vnd gemacht, vnd to verfûgen, das solks twuschen hier vnd Margarete schîrst kâmende alles entricht sy, wanne wie vp die tyd in die nâheheit
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der sulftigen vnser stadt wil godt denken to kâmen, jw hîr inne tôm besten gûdwillich lâten befinden, wullen wie in gnâden irkennen vnd danckbarlick verschulden. Datum Gustrow, 4ta post Viti, anno etc. XCIIII.
An den Rath to Rostock.
Nach dem Concept auf Papier im Staats=Archive zu Schwerin. Der herzogliche Canzler und Rostocker Dom=Propst Thomas Rode ward in dem Aufstande des Rostocker Pöbels in Folge der oft besprochenen Domstreitigkeiten in Rostock am 14. Jan. 1487 erschlagen. In dem nach Beilegung der Wirren geschlossenen Frieden ward auch bestimmt, daß die Stadt dem Gemordeten einen Denkstein oder ein "steinernes Kreuz 1 )", d. h. nach mittelalterlicher Redeweise einen Stein mit einem Crucifix (Kreuz) 2 ) und Inschrift, an der Stelle der That setzen sollte. Die vorstehende Schrift enthält nun die nähere Nachricht über die Setzung dieses Denkmals. Der Stein stand früher nahe bei der Jacobi Kirche im Anfange der Badstüber Straße frei an der Ecke zur Langen Straße, bei dem Eckhause, in welchem früher die Universitäts=Regentie zum Halben Mond war, seit 1789 aber die Justiz=Canzlei ihren Sitz hat. In neuern Zeiten ist der Stein an derselben Stelle von der Straße gerückt und in die Wand dieses Gebäudes eingemauert, wo er sich noch befindet.
Johannes Tegeler war Canzler und Rostocker Domdechant. Jm Jahre 1491 ward er in die Universitäts=Matrikel eingetragen: "1491: Johannes Tegheler cancellarius "decanusque ecclesie s. Jacobi Rost."
Dr. G. C. F. Lisch.
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berichtet der herzogliche Mathematiker Tilemann Stella am 8. Febr. 1576:
"Neustadt ist vorzeiten Glewen genannt worden, imo Gneven. Diß Gnewe ist aber an diesem ort, do die statt itzunder liegt, vorzeiten nit gewesen, sondern an dem ort, do es noch itzunder auff der alten stadt genant wirdt, liegt hinter dem Stadtvogt hinwegk vnd auch zum teil vber den Eldengraben vnd Strom. Die statt ist verbrant vnd wider new gebawet [in der neuen], liegt auff einem lautern Mor, ist allgemach verhohet worden." - - - Kitze, 14 Fischerkerle.
Dr. G. C. F. Lisch.
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Erachten
der Wismarschen Prädicanten vom Jahre 1534
betreffend
Von
Dr. Crull in Wismar.
S o gut man auch über die äußere Geschichte der Reformation in Meklenburg unterrichtet ist, so wenig bekannt sind doch im Ganzen die Ansichten der verschiedenen Personen, welche hier die Kirchenverbesserung in die Hand nahmen. Daß dieselben nicht in allen Punkten übereinstimmten, läßt sich von vorne herein vermuthen und ist auch, was Wismar insbesondere anlangt, zur Genüge bezeugt. Ein gemeinsames Erachten aber haben die Prädicanten alldort im Jahre 1534 zu Stande gebracht, welches eben so sehr als Zeugniß ihrer Meinungen der Veröffentlichung werth erscheint, wie der Sache wegen, auf die es sich bezieht; dieselbe ist keine geringere als der berüchtigte Ehescheidungshandel König Heinrichs VIII. von England.
Bei der knappen Weise, in welcher die gangbaren historischen Handbücher diese Angelegenheit behandeln, wird es sich zum Verständnisse empfehlen, dieselbe kurz zu vergegenwärtigen. Heinrich also hatte sich nach dem Tode seines älteren imbecillen Bruders im Jahre 1509 mit dessen Wittwe oder Verlobten - es ist nicht ausgemacht -
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Katharina von Arragonien auf Dispens des Papstes Julius II. vermählt. Die Königin war aber älter als ihr Gemahl und hielt sich ascetisch strenge, während dieser Wohlleben und Ueppigkeit liebte, und, als dazu die in solcher Ehe erzeugten Kinder bis auf eine Tochter alle bald nach der Geburt wieder starben, erweckten religiöse Scrupel und Sinnlichkeit mit einander in dem "Vertheidiger des Glaubens" den Gedanken, sich von Katharina zu trennen und ein Hoffräulein wieder zu ehelichen, welches durch Sprödethun seine Neigung zu schmachvoller Leidenschaft zu steigern gewußt hatte. Vorwand zur Scheidung bot der schon früher ausgesprochene Zweifel, ob der Papst befugt sei, von den Anordnungen der heiligen Schrift zu dispensiren. Der Proceß wurde bei der Curie anhängig gemacht und Clemens VII. ließ sich herbei, ein Commissorium zur Betreibung desselben in England zu ertheilen, rief den Prozeß aber, als die Königin appellirte, nach Rom ab. Heinrich, welcher bei dem Entgegenkommen des Papstes an der Erreichung seiner Absichten nicht gezweifelt hatte, fühlte sich dadurch auf das Tiefste verletzt und gerieth außer sich, als er vernahm, daß der Commissarius des heiligen Stuhles in Folge der Abrufung die bereits nach England mitgebrachte Bulle, welche die Scheidung aussprach, verbrannt habe. Mit Begierde ging er auf den ihm gegebenen Rath ein, überallher Gutachten einzuholen, um mit deren Hülfe sein Vorhaben als wohlberechtigt sich und aller Welt vorstellen zu können. Bei weitem die meisten dieser Response, vorzüglich die der Französischen und Italienischen Facultäten, erklärten sich für den Fragsteller und gegen Katharina, gegen die Muhme des Kaisers, die Englischen Doctoren waren schwieriger, Zwingli entschied sich für Trennung der Ehe und die Lutherischen sprachen sich nicht gleichmäßig aus 1 ). Da nun weiter der Proceß in Rom aus nahe liegenden Ursachen nicht von der Stelle kam und offenbar absichtlich in die Länge gezogen wurde, so riß dem Könige endlich die Geduld. Des Bischofs von Rom Primat wurde für nichtig erklärt, Peterspfenning und Annaten sollten nicht mehr gezahlt, Appellationen nicht weiter an den päpstlichen Stuhl gerichtet werden: auch in geistlichen Dingen wollte der hochmüthige Tyrann oberste und höchste Autorität für seine Unterthanen sein. Das erzbischöfliche Gericht zu
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Canterbury wurde mit der Entscheidung des königlichen Handels beauftragt und alsbald auch von demselben, am 23. Mai 1533, die Erklärung der Ungültigkeit des päpstlichen Dispenses und der Nichtigkeit der Ehe des Königs erlangt. Nachdem so der Bruch mit Rom vollständig war, ließ Heinrich alle seine Unterthanen einen Eid schwören, daß sie auf Grund der Nullität seiner früheren Verbindung einzig und allein diejenigen Kinder für legitim und successionsfähig anerkennten, welche die nunmehrige Königin, Anna, ihm gebären würde. Das war aber ein Bruch auch mit Kaiser Karl und führte dazu, daß der König mit dessen Widerwilligen Bündniß suchte.
Es war im September des letztgedachten Jahres, daß man im Englischen Cabinete den Gedanken faßte, Verbindungen in Deutschland anzuknüpfen und namentlich solche mit der Hanse. Demzufolge erschien im Frühjahre 1534 der D. Thomas Legius (Leigh oder Lee) als Englischer Abgesandter in den Wendischen Städten, um diese zu einer Conföderation mit Heinrich zu bewegen. In Lübek, wo er zuerst anklopfte, war dem Könige der Boden durch seinen Ritter Marx Meyer bereits vorbereitet, und man nahm hier die Eröffnungen des Legaten um so bereitwilliger auf, als Wullenwever eben factisch die Dictatur errungen hatte und im Begriffe stand, den unter dem Namen der Grafenfehde bekannten Dänischen Krieg zu beginnen. In Folge der gemachten Propositionen wurden Sendboten nach England abgefertigt und ziemlich weitgehende Instructionen denselben mitgegeben. Am 4. (!) April reiste D. Leigh von Lübek ab über Mölln, bis wohin ihn Sir Marx begleitete, also wohl nach Hamburg - wenn nicht etwa zunächst nach Lüneburg - wo der Rath ihm gegenüber mit ausgezeichneter Klugheit sich benahm. Gleichwie in Lübek ordnete derselbe eine Gesandtschaft ab, welche den Hamburgischen Handelsinteressen günstige Entschließungen der Englischen Majestät zu erwirken, politischen Verpflichtungen wider Kaiser und Reich aber auszuweichen wußte und, als sie die Heimreise antrat, den Superintendenten ihrer Stadt dem Könige hinterließ, um mit diesem seine Angelegenheit nach Herzensluft weiter zu tractiren 1 ).
Von Hamburg ging der Legat nach Wismar - am 11. April gab der Rath nach Rostock Kunde von der Botschaft
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- wo er Folgendes vortrug. S. M. von England, sagte er, sei durch die nichtswürdigsten Beleidigungen nicht veranlaßt, sondern gradezu gezwungen, der allgemeinen Kirche seine Sache zur Entscheidung vorzulegen und an ein demnächst abzuhaltendes allgemeines Concil feierlich zu appelliren. Der Römische Bischof habe diese Appellation nicht angenommen, sondern verworfen und dem Könige, dessen Sache er anfänglich sich günstig erklärt, seinen Glauben gebrochen, indem er das bezügliche Schriftstück habe verbrennen lassen. Auf diese Weise habe derselbe des Königs Person, Herrlichkeit und Ehre wider alles göttliche Recht, entgegen den Privilegien von England, die er doch respectiren zu wollen bei seiner Krönung eidlich versprochen, endlich auch gegen sein bischöfliches Amt durch die nichtswürdigsten Beleidigungen verletzt, indem er ausgesprochen und erklärt habe, daß alle diejenigen, welche die Autorität eines allgemeinen Concils oder den Ausspruch der allgemeinen Kirche seiner Autorität überordneten und erachteten, daß der Papst unter der Kirche stehen müsse, Ketzer und an ihm Verräther seien. Der Allerdurchlauchtigste König sei jetzt an die sieben Jahre durch die leersten Ausflüchte hingehalten und mit den größten Verletzungen und Unbilden beschwert und habe große Summen aufwenden und nichtswürdige Proceduren durchmachen müssen zum unverwindlichen Schaden seines Reiches, dem er aus diesen Ursachen keinen legitimen Thronerben habe geben können. Er ersuche daher den Wismarschen Rath, derselbe wolle sich S. M. in einem künftigen allgemeinen Concile günstig erweisen und beiständig in Bezug auf Genugthuung und auf Entschädigung für die S. M. von dem Römischen Bischofe zugefügten Beleidigungen und nicht minder sorgfältig und eifrig S. M. mit frommen christlichen Rathschlägen nach Kräften unterstützen, wie Hochdieselbe die Angelegenheiten der Stadt dort fördern werde. Weiter wolle der Rath die ihm bereits überantworteten Artikel genau erwägen und, auf welche weise wolche gegen des Papstes Ungerechtigkeit rechtlich zu vertheidigen wären, S. M. sichere Rathschläge mittheilen, wie sie engverbundener Freundschaft und innigem Zusammenhalten entsprächen, inzwischen aber bis zu einem künftigen Concile S. M. günstig und zugethan bleiben. Endlich möge der Rath S. M. geeignete und ausreichend und vollkommen instruirte Abgeordnete zufertigen mit den Artikeln und Punkten (falls sie welche hätten), so die wahre Religion und den reinen christlichen Glauben anlangten, und mit Vollmachten ein Evangelisches Offensivbündniß gegen des Römischen Bischofs Person, wie
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Lehren, so weit sie Gottes Wort widerstritten, zum Abschlusse zu bringen. Habe der Rath außerdem in weltlichen Dingen von des Königs Majestät irgend etwas zu bitten, so wolle S. M. billigem Verlangen überall gnädig und gewierig sich erzeigen und wiederum der Stadt rechten Rath und Beistand in Liebe und Erkenntlichkeit nicht weigern, ja, Alles thun, wodurch wechselseitige Freundschaft und Wohlmeinung genährt und gestärkt werden könnten 1 ). Ob der Legat vielleicht noch nähere Vorschläge wegen des Offensivbündnisses gemacht oder gar einen ähnlichen Vertragsentwurf vorgelegt hat, wie er es in Lübek gethan, muß dahin gestellt bleiben, die Artikel des Königs aber, von denen in seinem Vortrage die Rede ist, sind wesentlich dieselben, welche er dort wie in Hamburg übergab, und zwar folgende:
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Aus alle diese Dinge verlangte der D. Legius Antwort und Erklärung. In früheren besseren Tagen würde der Wismarsche Rath einen Gesandten des Königs von England mit eifrigem Entgegenkommen empfangen haben, aber Heinrichs Botschaft fiel in den Anfang des Endes der hansischen Conföderation. Während vordem der nordische Handel so gut wie ausschließlich in den Händen der verbündeten Städte lag, nahmen jetzt Holländer und Engländer immer weiter ausgedehnten Antheil an demselben, die Könige von Dänemark und Schweden emancipirten sich mehr und mehr von den Deutschen Kaufleuten und die Wohlfahrt der auf den Verkehr mit jenen Reichen angewiesenen Ostseestädte sank zusehends, die der einzelnen um so schneller, je weniger günstig dieselbe in commercieller Hinsicht situirt war. Am frühesten machte daher die Ungunst der veränderten Richtung des Handels in Wismar sich geltend, welches wohl den Schiffen einen ausgezeichneten Ankerplatz bietet, aber nur ein verhältnißmäßig unbedeutendes natürliches Handelsgebiet besitzt. Dazu kam, daß die letzten nordischen Kriege die schwindenden Mittel der Stadt bereits übermäßig in Anspruch genommen hatten, daß mehrjährige Differenz zwischen Rath und Bürgerschaft nicht lange erst ausgeglichen und gegenseitiges Vertrauen und Sicherheitsgefühl wohl schwerlich völlig wieder hergestellt waren. Landkundige Mittellosigkeit 2 ) und dabei sichere Aus=
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sicht auf einen neuen Krieg: nicht allzu angelegentlich wird man die Eröffnungen des königlichen Gesandten entgegen genommen haben. Und doch hörte man denselben vielleicht nicht ganz theilnahmlos an. Alte Erinnerungen mußten wieder aufleben, und welcher kühnen Pläne auch untergeordnete politische Kreise damals fähig waren, das zeigt die Geschichte Wullenwevers auf das Deutlichste. Zwar sind die Rathmannen in den übrigen Wendischen Städten von letzterem und den durch seine Briefe und Emissäre aufgeregten Bürgern zur Betheiligung an seinem Vorgehen offenbar mehr gedrängt worden, als daß sie demselben neben der Unterstützung auch rückhaltloses Vertrauen entgegen gebracht hatten, doch ist gleichmäßig wie der in den anderen städten auch der Wismarsche Rath von dem auf Neues und große Dinge gerichteten Geiste, welcher die Gemeinden beherrschte, ohne Zweifel nicht unberührt geblieben. somit wies man die Englischen Propositionen nicht schlechthin von der Hand, aber man hatte doch auch den Muth nicht mehr, wie Hamburg für die mercantilen Interessen der stadt Vortheile aus der Situation zu erstreben. Der Rath antwortete dem Legaten ausweichend, Verbindlichkeiten hinausschiebend und ganz allgemein. Er sagte willig dem Könige die guten Dienste der Stadt zu, in soweit sie solche zu leisten vermöge, und versicherte ihre Bereitwilligkeit, ihm nach Kräften beizustehen, wo das die übrigen Wendischen Städte auch thun würden. Die Artikel anlangend, so möchten sie wohl im Evangelium begründet sein, dem man auch in Wismar anhange und bei welchem man zu bleiben gedenke. Schriftliche Antwort wurde dem Legaten auf seine Wiederkunft zugesagt. Dieselbe ist nicht erhalten, doch läßt sich vermuthen, daß sie bezüglich des Bündnisses und der Hülfe, welche der König wollte, grade so wenig eingehend, so unverbindend gewesen ist, wie man sich bereits dem D. Legius gegenüber mündlich geäußert hatte. Desto mehr aber war man bedacht, auf die Artikel zu dienen, da dies unverfänglich und mit Kostenaufwand nicht verknüpft war. Der Rath beantwortete solche jedoch nicht selbst, sondern überwies sie, sei es aus seltener und darum anerkennenswerther Bescheidenheit oder aber, weil man in diesen Dingen nicht übereinstimmte 1 ), den Prädicanten, damit selbige ein Erachten darüber ausstellten, welches man der Antwort zu Grunde zu legen oder in seinem Wortlaute beizugeben im Sinne hatte. Dies Erachten
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ging am 16. April aus der Schreiberei ein und besagte Folgendes:
Wir erachten gemäß dem göttlichen Gesetze, unter welchem wir das heilige göttliche in der Schrift enthaltene Gebot Gottes, wie uns dasselbe von den Evangelisten und Aposteln überliefert ist, ja auch das alte Testament verstehen, bezüglich der Thesen des Königs solchermaßen.
Die Ehe anerkennen wir als eine göttliche Sache, halten sie in höchsten Ehren und nehmen uns selbst ihrer an.
In der Schrift des evangelischen Gesetzes, welches wir das göttliche Recht nennen, sind bestimmte Grade der Blutsverwandtschaft oder Verschwägerung bei Eingehung einer Ehe mit ausdrücklichen Worten den Gläubigen von Gott weder geboten, noch untersagt, sondern von Christus und seinen Aposteln freigelassen, wie auch denen solche Grade frei standen, welche nach dem Rechte der Natur lebten.
Im Mosaischen Gesetzbuche aber, unter dem wir nicht stehen, sind derartige erlaubte und verbotene Grade in Bezug auf Eheschließung festgesetzt; ja es ist bekannt, daß göttliches und natürliches Recht die Hausfrau des ohne Kinder verstorbenen Bruders zu ehelichen gebieten.
Wenn wir unter dem evangelischen Gesetze stehend beim Eingehen einer Ehe diesen oder jenen Grad der Blutsverwandtschaft oder Schwägerschaft berücksichtigen, so thun wir dies nicht deswegen, weil solche uns von Christus und seinen Aposteln mit ausdrücklichen Worten verboten wären, sondern vielmehr um Anstoß und Aergerniß bei den Schwachen zu vermeiden, welche das Gesetz Gottes und die Evangelische Freiheit noch nicht begriffen haben, oder weil die Gewohnheit unserer Zeit solche und dergleichen Verbindungen noch nicht ertragen und zulassen kann.
Das endlich bekennen wir nach Christus' Ausspruche im Evangelium unerschütterlich als göttliches Recht und Gebot: wer seine Hausfrau verstößt außer um Hurerei willen und eine andere freiet, der begeht Ehebruch und es begeht Ehebruch auch der, welcher eine Geschiedene freiet.
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Den übrigen Sätzen des Königs schließen wir uns vollständig an und stimmen ihnen bereitwilligst zu.
Um uns aber nicht das Ansehen zu geben, als glaubten wir es besser zu wissen denn Einsichtigere und ordneten uns solchen über, so unterwerfen wir uns und vorstehende unsere Meinungsäußerung dem weiseren Rathschlusse und Urtheile der allgemeinen christlichen Kirche und Anderer, die es besser als wir verstehen, diese Sache zu lösen und zu entwickeln 1 ).
Bei dem Wismarschen Rathe kann dies Erachten, dessen sachliche Beurtheilung billig der Fachwissenschaft überlassen bleibt, den Verfassern kaum besonderen Dank eingetragen haben, denn da dasselbe dem Könige gefallen haben würde wie Paulus' Rede dem Felix, so war man genöthigt, bei der Abfassung des dem Gesandten zugesagten Schreibens auf seine Benutzung schlechterdings zu verzichten. Man wird es zu den Acten genommen und dem Legaten bei seiner Rückkehr von Rostock und Stralsund, wo er vor dem 14. April eingetroffen und auf einen gemeinsamen Beschluß der Städte vertröstet worden ist, eine Antwort mitgegeben haben ohne greifbaren Inhalt, ohne reelle Zusagen, aber voll allgemeiner und klingender Redensarten, in denen die Diplomatie der Hansestädte hinreichend gewandt war. Weitere Folgen hatte diese Englische Gesandtschaft übrigens nicht, weder für die Wendischen Städte in ihrer Gesammtheit, noch für Wismar insbesondere.
Das mitgetheilte Erachten ist von den Einzelnen, die an seiner Abfassung betheiligt waren, nicht unterzeichnet, noch sind dieselben im Eingange genannt, ja auch die Hand, welche dasselbe geschrieben, ist keine bekannte; so ist die Frage nach den Verfassern nur mit theilweiser Sicherheit zu beantworten.
Es dauerte Jahre, ehe die Reformation in Meklenburg Fuß faßte. Die große Masse der Laien betrachtete wohl die religiösen Bewegungen im Oberlande lange, wie die von jeher gewohnten geistlichen Zänkereien, und auch dem Klerus brannte schon das Dach über dem Kopfe, ehe er gewahr wurde, um was es sich handelte. Die damaligen Landesherren, Herzog Heinrich V. und Herzog Albrecht VII., verhielten sich im Anfange gleichfalls beobachtend und erst im Jahre 1524 ist von letzterem entschieden Partei genommen.
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Derselbe vermählte sich am 17. Januar dieses Jahres mit einer Brandenburgischen Markgräfin und brachte von seiner Hochzeit einen Lutherischen Capellan mit nach Wismar 1 ), welchen er hier in S. Jürgen, der Hofkirche, die Fasten= und Osterzeit predigen ließ. Die Wismarschen waren übel damit zufrieden, wie der eingeborene zeitgenössische Chronist Reimer Kock berichtet, aber vermuthlich deswegen, weil sie in jener Anordnung einen fürstlichen Uebergriff sahen 2 ), denn keinen Widerwillen, sondern Förderung vielmehr fanden die Predigten Hinrich Nevers, welcher im Grauen Mönchen=Kloster als Reformator sich aufthat, und zwar in dem Maße, daß der Rath am 14. März 1525 den bisherigen Gardian absetzte und jenen wiederum als solchen bestellte. Ob der Rath aus eigener Machtvollkommenheit oder mit Gutheißen der beiden Landesherren diesen Schritt gethan, ist nicht bekannt. Herzog Albrecht mag damit einverstanden gewesen sein und Herzog Heinrich hat mindestens sich nicht widersetzt, sondern sich damit begnügt, Excessen vorzubeugen, welche dem Klerus von Seiten der aufgeregten Menge drohten. Nevers Ansichten waren selbständige, aber solche, welche allseitig Beifall fanden, und so konnte er auch nach dem Siege des Lutherthums im Lande in seiner Wirksamkeit sich behaupten bis zum 26. December 1541, wo er abgesetzt wurde, da die allgemeine Meklenburgische Kirchenvisitation erklärt hatte, Never sei "ein Sacramentarius und Papist" und halte nichts von der heiligen Taufe und Absolution 3 ). Nach dieser Stellung Nevers in der Stadt kann es keinem Zweifel unterliegen, daß er an unserem Gutachten und vermuthlich in vorwaltendem Maße betheiligt gewesen ist.
Ein zweiter Barfüßermönch Namens Clemens Timme hat Never bis zum Jahre 1527 secundirt, wo er die Schule zu S. Nicolai übernahm. Später ging er aus Wismar fort und kommt also bei dem Erachten nicht in Betracht; eben so wenig ein dritter Mönch, Johannes Windt mit Namen,
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der nur bei einem Scandale in S. Nicolai 1524 aufgetreten zu sein scheint.
In S. Nicolai Kirchspiel, in dem das Kloster der grauen Mönche eben lag, brach der Sturm mit so größerer Heftigkeit los, als hier ein, wie es scheint, eben so schwacher wie unfähiger Mann, Franz Werkmeister, seit 1509 Pfarrherr war. Schon 1518 behandelten ihn die Vicare und Commendisten seiner Kirche respectwidrig, und als die reformatorische Bewegung in Wismar im Jahre 1524 in Fluß kam, bat er im Bewußtsein seiner Untüchtigkeit Herzog Heinrich, eine Permutation eingehen zu dürfen 1 ). Das ist ihm aber abgeschlagen, und so reichte er am 11. November seine Resignation ein, welche aber vom Herzoge auch nicht sofort angenommen worden ist, da Werkmeister am 18. December es erleben mußte, daß die Seeleute seine Kanzel für den bereits genannten Johannes Windt mit Gewalt erzwangen 2 ). Ja, es ist sogar wahrscheinlich, daß Werkmeister Pleban geblieben ist und fürstlichen Schutz gefunden hat, da er 1526, April 18, vom Rathe und 1528 von den Vicaren noch als solcher bezeichnet wird. Im Jahre 1533 nennt er sich selbst Kirchherr zu s. Nicolai und So nennt ihn auch der Rath 1536, 1538, 1539, 1545, 1546, 1550 und 1551; nur ein Mal, 1537, October 15, steht er mitten inne zwischen anderen Mitgliedern des minderen Kalands, als diese dem Rathe ihre Rentenbriefe aushändigten, ohne alle Auszeichnung. Ferner paßt das, was in dem Protocolle der Kirchenvisitation von 1541 von dem - nicht mit Namen aufgeführten - Pastor zu s. Nicolai gesagt ist, ganz wohl auf Werkmeister, welcher - seine Hausfrau wird 1545 erwähnt - schließlich in die neue Ordnung der Dinge sich gefunden hat. Wann dies geschehen, ist aber nicht zu ermitteln, und daher auch seine Betheiligung am Erachten zweifelhaft, im Falle derselben diese aber schwerlich von Bedeutung gewesen.
Hat Herzog Heinrich durch schutz des von ihm eingesetzten Pfarrherrn seine landesherrliche Autorität gewahrt, so hat er doch auch dem Verlangen der Menge Genüge gethan, indem er 1527 Jürgen Berenfelder als Prediger zu s. Nicolai anstellte. Die Thatsache wird nicht zu bezweifeln sein, wenn Berenfelder auch, wie schröder schon bemerkt, in Wismarschen Archivstücken nicht begegnet 3 ).
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Er war aber Ende 153l bereits in Friedland 1 ) und hat somit keinen Antheil an unserem Gutachten.
Ebenso wenig wurde sein Nachfolger Laurenz Heisack oder Heißacker dabei thätig, welcher, 1518 zuerst vorkommend, als Testamentarius des Vicars Christian Reberg, 1531, November 18, bis 1533 Capellan zu S. Nicolai gewesen ist; am 25. November des letztgenannten Jahres war er bereits verstorben. Ein Bürger gleichen Namens, muthmaßlich sein Sohn, kommt 1557 vor 2 ).
Seit vor 1531 predigte in Wismar auch Hinrich Timmermann, da am 19. Juni dieses Jahres von Seiten Rostocks vertraulich angefragt ist, ob man Jenen, der guter Lehre und guten Wandels sein solle, wohl fortlassen würde. Aus seinem Weggange ist aber nichts geworden und wird er sowohl im Visitationsberichte von 1535 als auch in dem Mahnschreiben der Hansestädte vom selbigen Jahre, wie endlich im Visitationsprotokolle von 1541 als Meinungsgenosse Nevers genannt; gleichzeitig mit diesem wurde ihm das Predigen gelegt. Unter diesen Umständen ist seine Betheiligung an dem Erachten nicht in Frage zu stellen 3 ). Wo aber Timmermann gepredigt hat, ist nicht sicher. Nach dem hansischen Schreiben erscheint er als Nevers Specialcollege, während das Visitationsprotokoll ihn Capellan zu S. Nicolai nennt. In Beihalt dessen, daß unmittelbar darauf an letzterer Stelle gesagt ist, der Pastor zu s. Nicolai bedürfe eines Capellans, und Herzog Heinrich 1541, August 14, einen Prediger für die nicht wohl versorgte Kirche zu S. Nicolai anbot, scheint die Bezeichnung des Visitationsprotokolls auf einem Versehen zu beruhen und Timmermann wirklich zu der "Versamlung, de jetzund (1534) dar is to samende" 4 ) im Franziskanerkloster, gehört zu haben.
Wenn Hinrich Timmermann nach Heißackers Toden icht Capellan zu S. Nicolai gewesen ist, so hat Franz Werkmeister entweder keinen wieder gehabt, was nicht glaublich, oder der Name desselben ist nicht aufbewahrt. Wahrscheinlich ist er, wie auch 1541, nur temporär ohne Unterstützung gewesen, denn zu einer gewissen Zeit, die ich zwischen 1538 und 1541 glaube setzen zu dürfen, wird der 1528 aus Lübek fortgewiesene Michael Fründt als an S. Nicolai in Thätig=
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keit genannt 1 ). Derselbe kommt nur bei einer einigen Gelegenheit vor und ist nicht zu erkennen, ob er 1534 bereits in Function war.
Mit großer Sicherheit dagegen darf man Erasmus Veddermann unter die Mitarbeiter an unserem Erachten zählen. Er war 1514 Küster am H. Geiste 2 ), 1518 wird er Priester der ersten Messe und zuerst 1526 Kirchherr daselbst 3 ) genannt. Sein Anschluß an die Reformation mag sehr früh datiren, da der Rath Patron der Kapelle des Hauses zum H. Geiste war, jedenfalls vor 1533, da in diesem Jahre der Klerus von S. Jürgen, zu dem Veddermann gehörte, sich in seiner Gesammtheit, wie es scheint, der weltlichen Obrigkeit auf Discretion ergab. Im Jahre 1548 kommt Veddermann zuletzt vor.
Eben so unzweifelhaft und jedenfalls bedeutender als die Theilnahme Veddermanns, der im Visitationsprotokolle von 1541 ein ziemlich flaues Lob erhält, ist diejenige des oben bereits genannten Heinrich Möllens. Diesem verlieh Herzog Albrecht nach M. Joachim Litzemanns Tode 1527 die Pfarre zu S. Jürgen, und hat er dieselbe bis 1545 inne gehabt; 1546 wird seine Wittwe genannt. Das Visitationsprotokoll von 1541 bezeichnet ihn als einen gelehrten Prediger und qualificirt mit demselben rühmenden Prädicate auch seinen Capellan, der aber wie jener nicht mit Namen genannt ist. Es muß also dahin gestellt bleiben, ob Johann Kale bereits 1534 diesen Posten einnahm. Schröder führt ihn überall als Möllens' Gehülfen auf, doch nöthigt der Wortlaut Seiner Quelle, deren Zuverlässigkeit überdies nicht allzu groß erscheint, kaum zu der Annahme, daß Kale dies von vorne herein gewesen ist. Im Jahre 1535, wo er zuerst begegnet, bittet der Propst von Neukloster, ihn nebst einigen Bürgern als Vormund einer Klosterjungfrau zu bestätigen, und bei dieser Gelegenheit wird er schlechthin als Priester
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bezeichnet 1 ). Jedenfalls wird er aber 1538 Capellan zu S. Jürgen gewesen sein 2 ).
An S. Marien ist für die Zeit unseres Erachtens kein Prädicant nachzuweisen. Kirchherr war hier, vermuthlich seit 1515, der bedeutende, dem Herzog Albrecht bediente D. Johann Knutzen, welcher noch 1543 auf S. Marien Wedem eine Urkunde ausgestellt hat und 1546 starb, ein entschiedener Anhänger der alten Kirche 3 ). Als erster und zwar 1528 von Herzog Heinrich bestellter Pastor wird freilich Paul Meklenburg genannt, doch ist die Quelle dieser Angabe eine solche, die nicht viel Vertrauen fordern kann 4 ), und es widerspricht derselben die Thatsache, daß der Rath sich im Anfange des Jahres 1535 um einen Evangelischen Prädicanten zu U. L. Frauen bemühet hat 5 ), Meklenburg auch vor 1538 in Wismarschen Urkunden, so weit sie erhalten sind, nicht genannt wird 6 ). Letztere Zahl legt aber die Vermuthung nahe, daß er eben 1538 und nicht 1528 eingesetzt worden ist.
Eine jetzt nicht mehr vorhandene "kleine geschriebene Wismarische Chronika eines Ungenannten" führt noch als Kleriker, die nicht allein zustimmend, sondern auch gewissermaßen fördernd schon 1527 auf Nevers Seite traten, folgende auf: M. Johannes Hane, M. Johannes Kröger, Albert Ruge, Laurenz Bonsack, Johannes Holste und den Schulmeister zu U. L. Frauen Johannes Hertenus 7 ). Abgesehen von der Frage, wie viel Glauben diese sogenannte Chronik, die offenbar keine gleichzeitige, sondern ein viel späteres Elaborat gewesen ist, sowohl allgemein, wie bezüg=
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lich dieser Angabe verdient, können die gedachten Personen an dem Erachten keinenfalls mitgewirkt haben, denn die Unterschrift desselben bezeichnet nicht die Evangelisch gesinnten Geistlichen Wismars überhaupt, sondern speciell die Prädicanten alldort als Votanten, und eine solche Stellung ist von keinem der Obgemeldeten nachzuweisen oder auch nur wahrscheinlich zu machen 1 ).
Sonach kann mit Sicherheit angenommen werden, daß Hinrich Never, Hinrich Timmermann, Heinrich Möllens und Erasmus Veddermann Theil genommen haben an der Herstellung des Erachtens, während die Frage, ob auch Franz Werkmeister und Johann Kale dazu beitrugen, vor der Hand unbeantwortet bleiben muß, bis sich etwa Daten finden, welche eine engere Begränzung ihrer Thätigkeit ermöglichen, und das gilt von Michael Fründt und einem schattenhaften Prädicanten zu S. Jakob, Johann Schröder 2 ), noch viel mehr.
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Franz Werkmeister, Pfarrherr zu S. Nicolai in Wismar,
an Herzog Heinrich V.
D. d. Wismar. 1524. Juni 26.
Dorchluchtige, hochgeboren furste vnd here, gnedige furste vnd here. Myn demodige bedt thu gade deme heren vnd myne boreide willige denste syn J. f. g. myth vngespareden flite alle tidt vor ahn wolboreidt. Gnedige furste vnd here. Ick bedancke J. f. g. aller gnaden vnd gnediges willen, dar myth J. f. g. my armen manne gnedichlik vorsorget hebben, alze myt der kercken sancti Nicolai bynnen J. f. g. stadt Wismer. Dewile nhu leyder de grote twispaldrige erdoem vnder deme Cristlikeme volcke gewussen vnd sunderlix merckliken in mynem berortem carspell vppgesta e n, dath dath gemeyne volck gar vorbisterth vnd gans errich dweleth, ock sick vast affdeith kercklike gerechtigheidt to holdende vnd tho betalende, dath my tho grotem schaden vnde nadell myner tafelen vnd husholdinge gelanget. Ick bovole my ock von ampts wegen myner kercken alze eyn pastor schuldigh myne bovalen vnde ghetrweden schape to weidende myt guder lere, szo byn ick doch dar tho gans vngeschickt vnd dorgh myne lange trwen denste vorsumet, dath ick my ock in myner jungen jagedt dar tho nicht hebbe gegeuen, dath ick sodan carspell (wo sick dath woll eegeth vnd gebort) in synen ampten vnd gerechtich-
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eiden szo gans woll nicht kan vnd weth vortostande. Dath ock dath karspeluolck (dorch my alzo scholde vorsumeth werden) vorth ahn erren vnd dwelen scholde, dath were myner armen zelen vnd conscientien eynn grodt bedruck, besorge my ock myner armen zelen dusses eyne entgeldtnussze vnde sware straffe. Ick hebbe ock to tiden myth der kercken denheren, alze capellan, vicarien, scolemesteren vnd costerenn, vmme onre vorsumenissze vnde vnschicklicheidt vele wedderwillen vnde vordretes, dath ick ohn bowilen nicht raden kan. Vnd alzo vth dusszen vorigen orsaken vnd anderen anliggenden hebbe ick vaken by my suluen gedacht, dath myne gedachte kercke wol egende eynen guden vorstendigen man, de des predickstols vnd der anderen godtliken ampte suluest gewarden konde, dath he de vorsumenisse vnd trachlike vortgenge des capellans vnd der anderen kerckendenhre mochte dorch sick suluen vorkomen, wente de kerckhere tor tidt hofft ock nichts in renthen vnd jarliken vpkumpsten von der kercken, men allene, alze he dageliks vth der kercken vordenet. Wowoll ick ock nicht anders, den dusse vorscreuen kercken. hebbe, dar ick my vppe de lenge moge von voden, szo wolde ick denne noch gans gerne alhir in sunte Niclawesz kerken alhir thor Wismer (vmme gunst vnd kunschup der gedachten karspellude) bliuen vnd byn myth jegenwardigen heren Corde Huxter, prester vnd in dusser myner vorscreuen kercken vicario, (de itlike jare myt kercken vnd capellanien hefft vmmegegan, ock dar tho geschickt) vmme gedachte syne vicarien vnd ander boringe vnd myne kercken tho permuterende dorch gudtlike vorhandelinge auer eynn gekomen. Vnd is derhaluen myne demodige bede myth hogen flite an J. f. g., de suluen willen my mynes langen denstes (den ick trwelick geda e n) gnedichlick laten geneten vnd my hir inne nicht anders denne myt deme bestenn bodencken vnd in szodane permutacion consentieren vnd gnedichlick willigen vnd vulborden, ock alze denne vppe myne resignacion vpgemeltenn heren Corde tho der vakengenomeden kercken sancti Nicolai tor Wismar vorth an denomineren. Dath willen he vnd ick sampt vnd besunderenn vmme J. f. g. myth vnseme demodigen bede tho gade deme allmechtigenn vnd vnszen willigen densten nach alle vnsem vormoge stedtlick gerne vordenen, kennet godt, deme ick J. f. g. in gluckzeligem regimente lange sunth vnd saligh tho entholdende bouele. Vth der Wismer
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Sondages nha Johannis baptiste anno dommi MDXXIIII vnder myneme signete.
Jwer furstliken gnaden
gehorsame capellan vnd willige denher
Franciscus Werckmester.
Dem dorchluchtigen hoichgebornen fursten vnnd heren heren Hinricke, hertogen thu Meckelenborgh, fursten tho Wenden, grauen tho Zwerin, Rostock vnd Stargarde der lande heren, myneme g. heren. vnderdanichlick.
Nach dem Originale im Großherzoglichen Archive zu Schwerin nach Mittheilung des Geb. Archiv=Raths Dr. Lisch. Das Siegel zeigt einen mit drei schräge abwärts gestellten Kleeblättern belegten rechten Schrägebalken im Schilde; über diesem die Initialen F. W.
Franz Werkmeister, Pfarrherr zu S. Nicolai in Wismar,
an H. Heinrich V.
Minenn vnderdanighenn, vorplichtigen, steden, bireiden denst etc. Dorchluchtige hochgeborn forste, gnediger here. Ick voge Jwer f. g. klegeliken. weten, wo nu amme Sondage negest vorschenen idhke myner kerspellude buthen mynen willen vnde bywust weltliken eyn vorlopen monnick (wo mhen secht) vppe denn predickstoel binnen in myner ^ kercken (van Jw. f. g. gnedeliken vorleneth) ingheuorth tho prediken des morgen, nha seuen slegen, dar ik byn entiegen ghekomen. midt hulpe frowen vnde mannes, den suluen dar affghewiseth etc. Dar bauen, g. l. h., noch andermals de szulffte vorlopen monnick midt idliken borgeren vnnde ander szyne anhengeren midt mesten vnnde bilen vppen slach van tuelffen gheprediketh my in eyme scampf vnnde in vne e re, ok vorkortinge mynes standes Jw. f. g. kercken tho holden. Is hir vmme, dorchluchtige, hochgebaren g. f. vnnde here, myn demodige bigher ok dorch godt, Jw. f. g. my als Jwer f. g. arme dener mochte szo gnedich sick logen vnnde in dissen saken vnnde articulen vnnde ankameden faerlicheiden rades haluen behulplich vnnde
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tho troste komen, dath sulke auerfall vnnde vorweldinge afghestalt mochte werden, ick midt den mynen rowszu e m in frede vnghemoyet mochte bliuen, wente de sulffte sick hefft luden lathen, amme dage Thome apostoli vnnde wider ander festdage szo weltliken dencket tho prediken vnnde dath simpel volck in erdoem tho forende. Jw. f. g. erstmals wolde vorscriuen amme radt vnnde depurterde (!) borgher, szulkes mochte affghestalt werden, offte Jw. g. dachte dar anderwisze vorthonemende szulkes tho stillende, is myn demodige vnnde gans oethmodige bigher vann Jw. f. g. vnnde nha allen vermoge tiegen Jwen f. g. als myn g. l. h. stedes tho vordenen vnderdanich, kendt godt alweldich, den ik Jwen f. g. in ewicheit biuele. Datum Wiszmer amme auende Thome apostoli anno etc. XXIIII.
Franciscus Werckmester,
Jw. f.
g. vnderdanige dener.
Deme dorchluchtigenn, hochgebarnn forstenn vnnde heren heren Hinrick, hertogen tho Mekelenborch, forsten tho Wenden, grauen tho Swerin, Rostock vnnde Stergerden der lande here, mynen g. l. h. vnder[da]nich vnnd denstliken ghescreuen.
Nach dem Originale im Großherzoglichen Archive zu Schwerin nach Mittheilung des Geh. Archiv=Raths Dr. Lisch.
Vortrag des D. Thomas Leigh, Legaten Heinrichs VIII,
von England, vor dem Rathe zu Wismar.
(1534, April 4-11).
Primum . postquam regia maiestas Anglie, multis atrocissimis iniuriis non tantum excitata, sed etiam coacta, vniuersalis ecclesie judicio se submisit atque ad futurum generale consilium solemniter appellauit, quam appellacionem Romanus episcopus non solum reiecit et contemsit, sed etiam fidem serenissimo regi breue quodam propria eius manu regi conscripto et proprium eiusdem judicium, quo ab initio justiciam cause regie suis scripturis et
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decretale quadam sua epistola, quam postea secrete comburire et igni tradere jussit, maxime ille ipse adprobauit, datam fregit sueque maiestatis personam, gloriam et honorem contra omnem juris diuini et humani equitatem, contra regni Anglie priuelegia, que obseruare tempore coronacionis sue juramento suo fuit astrictus et obligatus, denique contra suum episcopale officium atrocissimis iniuriis postea violauit aperte dicens et proclamans omnes homines consilia vniuersalia siue vniuersalis ecclesie judicium sue aucthoritati preferentes et papam ecclesie subesse debere sencientes esse hereticos et sui corporis proditores, rogat ergo serenissimus rex nunc per septem continuos annos inanissimis delacionibus elusus et maximis iniuriis et inequitate pregrauatus non sine maximo aeris sui dispendio nec non diuersis processibus omni jure nullis et inualidis obruta cum irrecupabile regni sui detrimento non prouidendo eidem legittimam successionem, quod eius ruinam in foribus esse ostendebat, vt senatus Westmariensis velit in futuro generali consilio sue maiestati quoad resarciendas et reparandas iniurias 1 a Romano episcopo sue maiestati illatas fauere et adesse consiliumque pium et christianum pro virili prestare non minori cura et diligencia, quam sua celsitudo ciuitatis Westmariensis negocia sit ibidem tractatura.
Secundo . senatus Westmariensis velit articulos nuper oblatos examussim perpendere et, qua racione contra pontificis iniurias iure sint defendendi, tuta consilia et talia, que ad amicorum deditissimorum arctissimaque mutue amicitie officia spectant, dare et sue maiestati amice intimare et interim vsque ad futurum consilium sue maiestati fauere et adherere.
Tercio . senatus velit sue maiestati mittere idoneos legatos et sufficienter et apprimo instructos cum quibusdam articulis et capitulis, si que habent, veram religionem et puram christianam fidem concernentes cum plena auctoritate et mandato de Euangelico federe et liga in Romanum episcopum offensiua, tam contra personam quam doctrinam, quatenus verbo dei repugnant, sanctienda.
Si preterea habeat senatus in rebus prophanis et ciuilibus quedam a regia maiestate petenda, vult semper se sua regia maiestas promptam et benignam iustis et equis peticionibus offerre et ciuitati Westmariensi recta cnsilia et auxilia mutua charitate et gratitudine non denegare, immo omnia adimplere, quibus Westmariensium
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amicitia et beneuolentia cum sua celsitudine inita non tantum nutriri 2 , sed [etiam] augmentari possit.
Im Wismarschen Raths=Archive auf einem Bogen Papier, dessen Wasserzeichen eine offene Hand ist, die auf der Spitze des Mittelfingers einen fünfstrahligen Stern trägt und auf ihrer Fläche nahe dem Handgelenke einen halben Mond zeigt. Die Schrift ist eine gewandte zierliche Cursivschrift, wie sie in Meklenburgischen Schriftstücken erst später gesehen wird. so daß das Dokument wohl der Feder des Schreibers der Legation entstammt. Die Worte 1 iniurias (für inimicitias) und 2 non tantum nutriri (eingeschaltet) sind von einer anderen Hand, vermuthlich der des Legaten. Bei den Acten findet sich auch eine Uebersetzung vorstehenden Schriftstücks von des Stadtschreibers Hand, deren Ueberschrift lautet: 1534. Articuli ofte puncta, so D. Thomas, k. M. to Engelandt legate, in Latine deme ersamen rade vorgegeuenn.
Erachten der Wismarschen Prädicanten über die
ihnen
vorgelegten Thesen Heinrichs VIII.
von England.
D. d. Wismar. 1534. April 16.
Nos qui per jus diuinum, sacram, diuinam atque scripturam dei legem nobis ab Euangelistis atque apostolis traditam, immo et vetus testamentum intelligentes. Ad caput harum regis Anglie proposicionum sic respondendo concludimus
Matrimonium diuinam rem esse nouimus, ipsumque summo honore colimus, et ipsi amplectimur
Jn scriptura Euangelice legis, quam nos jus diuinum appellamus, non sunt expressis verbis certi gradus consanguinitatis auf auinitatis . in matrimonio contrahendo, lidelibus a deo mandati auf prohibiti, sed a Christo et eius apostolis liberi permissi, quemadmodum et hiis, qui sub tempore legis nature, tales gradus liberi permittebantnr,
Jn lege autem Mosaica : sub qua nos non sumus : tales gradus permissionis auf prohibicionis in contrahendo statuuntur. Jmmo eciam . ducere vxorem fratris mortui sine liberis . jure diuino et naturali mandatum esse nouimus
Quando autem nos sub lege Euangelica, illum aut istum gradum consanguimtatis uel affinitatis : in contra-
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hendo matrimonio : intermittimus, non ob id hoc facimus, quia per Christum auf apostolos suos expressis verbis nobis interdictus est, sed magis propter offendiculum aut scandalum infirmorum vitandum, qui adhuc legis dei et libertatis Euangelice ignorantes sunt, auf quia consuetudo nostri temporis adhuc tales aut huiusmodi contractus minime sustinere et admittere potest
Jllud tandem diuinum jus et decretum esse inconcusse profitemur . quod Christum dicit in euangelio. Quicumque repudiauerit vxorem suam : nisi ob stuprum : et aliam duxerit, is committit adulterium, Et qui repudiatam duxerit . is adulterium committit
Sequentes regis Anglie conclusiones sane amplectimur : et facile in eas consentimus
Ne videamur tamen aliis sapientibus nos superiores esse, aut nos illis preferre voluisse . submittimus nos et hec nostra. communis ecclesie Christi et aliorum in ea nobis doctiorum : melius hunc passum soluere et enucleare valentium : saniori consilio et iuditio.
Predicantium Wismariensium. juditium et par consensus ad proposita regis Anglie themata.
Im Wismarschen Raths=Archive auf einem Bogen Papier in alterthümlicher Schriftweise. Die Wismarsche Kanzlei hat darüber geschrieben:
Oblati sunt huiusmodi articuli Jouis post Quasi modo geniti anno 34. Die Interpunction ist genau so gegeben, wie das Original sie hat.
Berichtigungen.
S. 66, Z. 19, l. zweifelt.
S. 78, Nr. 3, Z.
2, l. Rathmanns statt Bürgermeisters.
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Herkunft.
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Der Dr. Johann Knutzen 1 ) († 3. Juni 1546), Domherr zu Schwerin, Lübek und Schleswig, Propst zu Lüneburg, Pfarrer zu S. Marien zu Wismar, Rath und Gesandter des Herzogs Albrecht des Schönen von Meklenburg=Güstrow, ist in dem zweiten Viertheil des 16. Jahrhunderts eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der papistischen Parthei in Norddeutschland und daher von den gleichzeitigen Protestanten auch der "König der Papisten" genannt. Er war nicht allein am Hofe zu Güstrow, neben dem Canzler Joachim von Jetze, die Hauptstütze seiner Parthei, sondern auch als vielfältiger Gesandter des Herzogs weit und breit von großem Ansehen und Einflusse. In den Jahrbüchern ist häufig von ihm die Rede gewesen, zuletzt noch in Jahrb. XXVI, S. 48 flgd. Wenn auch die Persönlichkeit des Mannes bei seinem häufigem Auftreten jetzt völlig klar erscheinen muß, so ist doch seine Herkunft bisher ganz dunkel gewesen. In den
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Jahrbüchern a. a. O., S. 50, ist vermuthet, daß er aus der vornehmen schleswigschen Bürgerfamilie Knutzen stamme, weil er auch Domherr zu Schleswig war, und diese Vermuthung ist jetzt durch eine urkundliche Entdeckung bestätigt.
In Kiel lebte ein Ratsherr Mathias Knutzen, welcher am 14. Februar 1559, 64 Jahre alt, starb. In v. Westphalen Mon. ined. IV, p. 3359 ist die Nachricht über diesen Mann nach dem Epitaphium in der Nicolai=Kirche zu Kiel gegeben: "Memoria Mathiae Knutzen, senatoris Kiloniensis, ex epitaphio in templo s. Nicolai". Mathias Knutzen war zu Husum in einer ehrbaren Familie geboren und erzogen. Sein Vater war Hans Knutzen zu Husum, seine Mutter Geseke eine natürliche Tochter des Königs Friedrich I. von Dänemark. Mathias war in Husum ein begeisterter und aufopfernder Beförderer der Reformation, so daß er nicht nur die ersten protestantischen Prädicanten beschützte, sondern auch den Protestanten sein Haus zu den kirchlichen Versammlungen einräumte, so lange ihnen eine Kirche versagt blieb. Später ward er Rathsherr in Kiel, wo er auch starb. Westphalen a. a. O. giebt sein und seiner Frau Ursula Schröder († 1569) Bildnisse in Kupferstich nach alten Gemälden.
Ein Bruder dieses Mathias Knutzen war der Dr. Johann Knutzen, welcher ohne Zweifel noch vor der Reformation zum Priester erzogen und eben so entschieden papistisch, wie sein Bruder protestantisch war. Der Herr Dr. Crull zu Wismar hat im Archive der Stadt Wismar einen sehr langen Mahnbrief aufgefunden, welcher dies in den Hauptangaben beweiset, in der langen Ausführung aber sonst werthlos ist. Ein Auszug aus diesem Brief lautet folgendermaßen:
Vnßen frunthlichen grudt myt jrbedinge vnses jnnigen bedes tho Gade allmechtich stedes voran bereyt. Ersame vnde vorsichtige, wolwise here, beßunderge gude vrunth vnd guner. Wy dragen neynen twiuel, dan J. achtbar I. noch jn frischer gedechtenisse erholden sy, welcher gestalt de hoichgelerte vnde werdige herr Johannes Knutzen, der billigen rechte doctor, juwe liffliche nathurlike broder, seliger dechtenisse, vns myt synen eruen hundert marck Lubesch myt viff marck jarlicher rente vor Gade vnde myt alleme rechte schuldich is gebleuen. - - - - - - - - - - - - - - - - - -- - - - - -
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Datum Wismer, Svnnauendes vp den dach Panthaleonis martyris, Anno domini liiii
Bartholomeus Houingk, Christianus Haby, procuratores, vnde de gemeynen presterschop der kercken unser leuen frowen thor Wismar.
erßamen vnd vorsichtigen, wolwisen heren Matthias Knutzen, radtmannen der Stadt Kyle, vnßem gunstigen heren, frunde vnd guner f. g.
Aus dieser Darlegung geht auch hervor, daß die richtige Form des Namens "Knutzen" oder "Knudsen" ist, da die Familie ursprünglich wohl eine dänische war, wenn auch der Dr. Johann mitunter "Knutze" sich selbst nennt und genannt wird.
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:
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
I n Folge der Ausbreitung der Freimaurerei in Norddeutschland um die Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden noch mehrere geheime gesellschaftliche Orden, welche in vielen Stücken dem Orden der Freimaurer nachgebildet waren. Bei Gelegenheit der Erforschung der früheren Meklenburgischen Orden in den Jahrbüchern VII, 1842, S. 211 flgd. ist auch der Meklenburg=Strelitzische Orden "du chêne et du tombeau" besprochen und beschrieben, welchen Dorothea Sophia, Gemahlin des Herzogs Adolph Friedrich III., in Folge des Todes und zunächst zum Andenken des verdienten Amtshauptmanns v. Behmen († 1747) stiftete und in welchen dieselbe die verwittwete Frau v. Voß, geb. v. Jasmund, ihre Hofdame Louise v. Rieben und den Geheimenrath Brunsich aufnahm. Viele Symbole dieses Ordens waren nach einer auf den Orden geschlagenen Medaille und den Siegeln des Ordens offenbar freimaurerische. Behmen und Brunsich waren Mitglieder der Freimaurerloge zu Hamburg, welche schon im J. 1733 von England aus eingeleitet war, aber erst am 6. December 1737 wirklich ins Leben gerufen ward 1 ).
Bei dieser Gelegenheit habe ich aus gewiß sicherer, aber jetzt nicht mehr nachweisbarer Quelle in den Jahrbüchern a. a. O. Seite 213, Note 1, gesagt:
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"Wie dieser Strelitzische Orden seine Symbolik der Freimaurerei entnommen hatte, so bestand auch im vorigen Jahrhundert unter den Damen des Schweriner Hofes der Mopsorden, der auch freimaurerisch war. Genaueres hierüber zu erforschen, ist bis jetzt nicht möglich gewesen."
Trotz aller Aufmerksamkeit und Forschung ist es aber bis auf die neuesten Zeiten nicht möglich gewesen, irgend eine Spur von dem Mopsorden in Meklenburg aufzufinden. Erst in den neuesten Zeiten bin ich durch den Herrn Dr. Pyl in Greifswald in den Stand gesetzt worden, über diesen Orden schätzbare Aufschlüsse zu gewinnen, während in neuern Zeiten in der freimaurerischen Literatur Nachrichten über den Mopsorden im Allgemeinen erforscht sind, z. B. in Kloß Geschichte der Freimaurerei in Frankreich, I, 40; Kloß Bibliothek Nr. 1860-66; Thory histoire du Grand Orient de France, p. 347; Lenning Handbuch der Freimaurerei, Leipzig, 1865, II, S. 346, in Lenning's Encyklopädie der Freimaurerei, Leipzig, 1845; Venedey Denkschreiben eines Freimaurers an Alban Stolz, Lahr, 1861, S. 21.
Lenning sagt a. a. O. S. 346:
"Mopsorden (Mopsloge, ordre des Mopses, "lodge of the mopse, Mopse-lauget). Dieser androgyne Orden, dessen läppische Gebräuche in dem l'ordre de Francs-Macons (Kloß Bibliothek Nr. 1860 - 66) mitgetheilt werden, ist hinsichtlich seiner Entstehung noch unenthüllt. Die gewöhnliche Annahme ist die, daß nach der Bannbulle Clemens XII. viele (deutsche?) Katholiken sich gescheut hätten, ferner dem Freimaurerbunde anzugehören, oder ihm beizutreten, daß dieselben aber nun, um das Vergnügen dieser Verbindungen zu haben, unbeschadet der Bannbulle die Verbindung der Möpse errichtet hätten. Unter ihnen habe sich auch der galante geistliche Kurfürst von Köln, Clemens August, Herzog von Bayern, befunden, der vor dem Erscheinen der Bannbulle Freimaurer gewesen sei und die Stiftung der Möpse vorzüglich deshalb mit begünstigt habe, weil durch denselben der Umgang mit Damen, den er sehr liebte, erleichtert würde. Ob bei diesem Orden, welcher keinen Eid, nur das Ehrenwort verlangte, die Durchführung der Verordnung, daß alle Mitglieder
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"römisch=katholisch sein müssen, genau genommen wurde, steht sehr dahin und ist auch nicht ganz glaublich. Wo der Orden wirklich bestand, selbst das ist fraglich, wenigstens hinsichtlich des Entstehens. Die Franzosen schieben ihn den Deutschen zu und diese jenen. Er soll in Frankfurt a. M. bestanden haben, was in Abrede gestellt wird. Er soll in Holland verbreitet gewesen sein; auch das wird in Abrede gestellt. In Deutschland ist mit Sicherheit derselbe nicht nachzuweisen, trotz Thory's Histoire du Grand Orient de France, S. 347 bis 349. Sicher ist nur die Hannoversche Verordnung vom 8. Februar 1748, welcher zufolge der Mopsorden auf der Universität zu Göttingen eingeführt gewesen war, und als akademischer Orden behandelt und streng untersagt wird. Auf Frankreich als Entstehungsort weist der gemeine Ausdruck "mopse" für die Gattin eines Freimaurers hin, weniger die Inschrift: "Assez"' auf der bei "Merzdorf, Denkmünzen, S. 42, Nr. 94" erwähnten Medaille, eher noch die im Abschnitte befindliche Legende L. C. D. M. F. A. N. ce 10. Jan. 1745, welche zu erklären ist mit: Loge centrale des Mopses fondée à Nancy. Freilich stammt eins der wenigen bekannten Exemplare dieser kleinen Medaille aus Nürnberg, was wieder zu allerlei Skrupeln Veranlassung bietet. In dem Zachariasschen Nachlasse (Verzeichniß 1849, S. 123, Nr. 96) fand sich ein Bijou dieser Gesellschaft, bestehend aus einem messingenen vergoldeten Bilderrahmen, in demselben unter Glas ein Gemälde, einen Mops vorstellend, der auf musivischem Boden sitzt. Nachdem die Maçonnerie d'Adoption (s. d.) aufkam, verschwanden die Möpse. (Vgl. Kloß Geschichte der Freimaurerei in Frankreich, I, 40 flgd. Kloß Bibl., Nr. 1860 flgd.)
In dem "Denkschreiben eines Freimaurers" a. a. O. S. 21 heißt es:
"Clemens August ist der Gründer des Mopsordens und der Mops der erzbischöflichen Favoritmaitresse hat dem Bunde den Namen leihen müssen. Dieser Bund war im leichtfertigen Sinne der Zeit und des erzbischöflichen Hofes zugleich Hohn gegen den Papst und gegen die Maurerei, eine Aftermaurerei
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"für die leichtfertigen Feste des Hofes, an denen männliche und weibliche Mitglieder "Möpse und Möpsinnen" Theil nahmen, während der Erzbischof als "Großmops" den Vorsitz führte und den Ton angab. Er fand vielerwärts Nachahmung, bis er im Sturm der Revolution dem Ernste der Ereignisse weichen mußte."
Es kommt hier darauf an, aus sicherer Quelle nachzuweisen, daß der Mopsorden auch in Meklenburg bestanden hat. Herr Dr. Pyl zu Greifswald hat die Quelle eröffnet, indem er eine Stelle aus der Selbstbiographie des Tribunals=Präsidenten Augustin von Balthasar mittheilt, welche mit dessen großer genealogischer Sammlung ("Vitae Pomeranorum") jetzt in der Tribunals=Bibliothek zu Greifswald aufbewahrt wird. Augustin von Balthasar, ein bekannter, zuverlässiger, sehr bedeutender Mann, geboren 1701, war Professor der Rechte in Greifswald 1734, Präsident des schwedischen Tribunals zu Wismar 1778, starb 1786. (Vgl. Pyl Pommersche Genealogien, Bd. II, Heft 1, Vorrede).
Balthasar sagt in seiner Selbstbiographie 1 ):
"Mit wahrem Widerwillen, doch aber auf inständige persuasion und Betheurung der Frau Directorin v. Essen, geb. Bugenhagen, nebst ihrer Fräul. Schwester, wie auch des Oberstl. Bugenhagen, eines alten ehrwürdigen Greises, daß der "Mopsen=Orden", wovon erstere Meisterin, letztere Mitglieder waren, nichts Tadelhaftes, vielmehr einen guten Endzweck mit sich führe, ließ ich mich bereden, daß meine Tochter am 14. Octbr. 1750 2 ) von ihr darin aufgenommen wird. Mir sind aber die Regeln unbekannt geblieben, ebenso wie die der Freimaurer."
Die von Balthasar genannten Personen 3 ) haben sich nun im Schweriner Archive erforschen lassen und werfen ein
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helles Licht auf den Mopsorden in Meklenburg und auf manche Verhältnisse der damaligen Zeit.
Die Directorin v. Essen, geb. Bugenhagen, und ihre Schwester waren geborne Meklenburgerinnen und Töchter des Obersten von Buggenhagen.
Balthasar Dethlof v. Buggenhagen stammte aus einem bekannten alten vorpommerschen Adelsgeschlechte; nach seinem Tode wird er Erbherr auf Buggenhagen (bei Lassahn) und Nehringen (bei Demmin - Tribsees) genannt. Er trat jung in Militairdienste und kam früh in den Meklenburgischen Militairdienst. Am 20. Jan. 1703 war er hier Capitain und ward als Commandant der Festung Dömitz vom Herzoge Friedrich Wilhelm zum Oberstlieutenant ernannt. Am 25. März 1709 ward er zum Obersten befördert. Unter dem Herzoge Carl Leopold gerieth er, gleich manchen Andern, in Ungnade und Untersuchung und mußte seine Stelle aufgeben, worauf er sich nach Barth in Schwedisch=Pommern, seinem Vaterlande, zurückzog. Am 21. April 1738 schreibt er aus Barth an den Herzog Carl Leopold, daß er, ein "37jähriger Meklenburgischer getreuer Oberster und Commandant in hohem Alter bereits schon 17 Jahre mit seinen 3 Kindern zu Barth in Schwedisch=Pommern in einem offenbaren exilio gelebt habe."
Er hatte 3 Töchter: Sophie Charlotte, Hedwig Juliane und Anna Johanna, welche nach ihrer Mutter frühem Tode (vor 1732) unter der Vormundschaft ihres "Vaterbruders" Hans Ernst v. Buggenhaagen standen, welcher königlich schwedischer Oberstlieutenant (wahrscheinlich in Schwedisch=Pommern) war und ohne Zweifel der von Balthasar genannte Oberstl(ieutenant) Bugenhagen ist.
Der Oberst Balthasar Dethlof v. Buggenhagen starb nach Anzeige seiner Kinder aus Barth am 11. März 1746.
Von seinen Kindern war eine Tochter an den königlich schwedischen Hofgerichts=Director von Essen verheirathet. Am 12. Jan. 1752 schreibt die "von Essen, geborne von Buggenhagen", an den Meklenburgischen Obersten und Commandanten v. Krackewitz, damals zu Dömitz, "daß sie sich mit ihren Schwestern wegen Absterbens ihrer Tante, der Oberforstmeisterin von Criwitz, gegenwärtig in Klein=Brütz (Brüsewitz bei Schwerin) aufhalte und nennt ihren Mann den königlichen Hofgerichts=Director." Im
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Jahre 1751 lebte ein "Fräulein von Buggenhagen" im Kloster Rühn bei Bützow 1 ).
Nach v. Gamm's genealogischen Nachrichten war Cuno Henning von Criwitz auf Brütz (Brüsewitz) herzoglichMeklenburgischer Oberforstmeister und starb etwa 1750 als der letzte seines Geschlechts. Seine Gemahlin war Margaretha Friderica v. Paulsen, Tochter des dänischen Admirals Mathias v. Paulsen.
Nach mehreren Aeußerungen in den Acten war die Frau des Obersten Balthasar Dethlof v. Buggenhagen eine Schwester der Oberforstmeisterin v. Criwitz, geb. v. Paulsen. Im Jahre 1732 nennt der Oberforstmeister v. Criwitz die Töchter des Obersten v. Buggenhagen "seiner Frauen leibliche Schwesterkinder."
Dies sind also die Personen, welche an dem Mopsorden in Schwedisch=Pommern und Meklenburg mehr oder weniger betheiligt waren.
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In den Jahrb. XV, 1850, S. 179, theilt der verstorbene Professor Wiggert zu Magdeburg mit, daß im Dome zu Halberstadt Heinrich Gherwe, Dompropst zu Halberstadt und Schwerin, ("prepositus eccl. Halberstad. et Zwerinensis")(† 1474) unter einer Messingplatte begraben liege. In Jahrb. XXI, S. 181 flgd., theilt Deecke aus einem Lübeker Memorialbuche mit, daß in Lübek die Gedächtnißfeier auf Dr. Heinrich Gherwe, Dompropst zu Halberstadt, Dechant zu Dorpat, Domherrn zu Lübek, Schwerin und S. Gangolf zu Magdeburg am Tage der H. Praxedis (21. Julii) angesetzt war, und bezweifelt, daß Heinrich Gherwe Propst war, indem er glaubt, daß er nur Domherr zu Schwerin gewesen und von Wiggert bei Schwerin wohl das Wort Domherr ausgelassen sei. Bei Gelegenheit der Vereins=Versammlung zu Halberstadt im Septbr. 1865 hat nun Wiggert die Messingplatte, welche nicht mehr, wie früher, im Schiffe des Doms zu Halberstadt liegt, sondern auf den Chor über dem südlichen Seitenschiffe versetzt ist, selbst untersucht und gefunden, daß die Inschrift, wie ich selbst mich überzeugt habe, wörtlich folgendermaßen lautet:
Der Ausdruck, daß er Propst der Kirchen (ecclesiarum) zu Halberstadt und Schwerin gewesen sei, läßt keinen Zweifel an der Richtigkeit der Mittheilungen Wiggerts aufkommen. Gherwe hielt sich aber wohl meistentheils in Halberstadt auf, und es sind auf dem Leichensteine nur seine Propsteien, aber nicht seine Canonicate aufgeführt.
Uebrigens starb er nach der Inschrift am 22. Julii; in Lübek aber ward sein Memorie am 21. Julii, also an der Vigilie seines Sterbetages gefeiert, was oft vorkommt.
Dr. G. C. F. Lisch.
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:
und
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Allgemein bekannt im Lande ist oder war die eigenthümliche, reiche Bauerntracht in der Gegend von Rostock 1 ). Wer hat sich nicht oft gefreut, diese kräftigen Bauerngestalten in der kleidsamen Tracht durch die Straßen der Stadt Rostock gehen oder mit stattlichen Viergespannen fahren zu sehen! Herrschend war die Tracht im ehemaligen Lande Rostock und daher außer hier auf dem Lande am häufigsten in der bedeutenden Handelsstadt Rostock zu sehen. Gewöhnlich ward diese Tracht die Biestower genannt, von dem südwestlich nahe bei Rostock gelegenen Bauerndorfe Biestow. Die Tracht ist aber auch auf dem Lande im Westen von Rostock und der Unter=Warnow bis nach Doberan hin herrschend, also in der Gegend, wo die "Hagendörfer" dicht liegen. Im Allgemeinen wird die Tracht die schwarze genannt 2 , weil alle Kleidungsstücke der Männer und Frauen von schwarzer Farbe sind; die Frauen tragen oft auch scharlachrothe Strümpfe. Gegenwärtig ist diese Tracht stark im Verschwinden begriffen und
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es macht einen nicht befriedigenden Eindruck, wenn man neben der alten Mutter in der schwarzen Tracht die junge Tochter in der bunten, d. h. modernen, Tracht gehen oder fahren sieht. Man unterscheidet die Biestowsche Tracht 1 ), die fast ausgestorben ist, von der "Hägerörtschen", welche noch ziemlich viel getragen wird; im Ganzen ist es dieselbe Tracht mit einigen Abweichungen, besonders an den Hüten der Männer und Frauen. Die Hüte der Männer und Frauen in den "Hägerörtern" sind größer. Die Hüte der Biestowschen Männer sind von einer aus weißen Fäden bestehenden Schnur mit Quast umschlungen, während die "Hägerörtschen" ein schwarzes Band tragen. Außerdem sind die Kleidungsstücke der Biestower Frauen mehr mit farbigem Seidenzeug eingefaßt.
Da die schwarze Tracht am meisten in der Gegend westlich von Rostock, zwischen der Unter=Warnow und der Abtei Doberan herrschend ist, so lag es nahe, diese Tracht vorzüglich dem in den Jahrbüchern XXXVIII, S. 25 flgd., entdeckten "Lande Drenow" zuzuweisen. Dieses "Land Drenow", deutsch Wald= oder Hagenland, ist die Gegend zwischen der Unter=Warnow und der Abtei Doberan, vom Meere bis gegen die Vogtei Schwaan. Hier liegen die "Hagendörfer" oder Dörfer mit der deutschen Bezeichnung - hagen, vorzüglich in den Pfarren Lichtenhagen und Lambrechtshagen. Daher wird die Gegend auch der ,,Hägerort" genannt und die Bewohner die "Hägerörtschen". Das Land Drenow war, wie der wendische Name andeutet, zur heidnischen Zeit Waldland und ward nach der Einführung des Christenthums ohne Zweifel deutschen Anbauern hingegeben, welche den Wald oder Hagen ausrodeten und hier die Hagendörfer gründeten. Daher hatten die Bauern hier zum Ersatz für die Urbarmachung des Bodens auch die "Hägerhufen" (von 60 Morgen) nach "Hagerschem Recht 2 ), welche noch ein Mal so groß, als die deutschen Hufen, und vier Mal so groß, als die wendischen Hufen waren.
Man hat früher die schwarze Tracht wohl für eine alte wendische Tracht gehalten. Dies wird aber nicht richtig sein, da sie vorherrschend in dem Hagenlande Drenow verbreitet ist und
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auch noch in der Gegend der Abtei Doberan, welche wohl dieselben Ansiedler in ihr Gebiet zog.
Ich bin daher geneigt, die schwarze Bauerntracht für eine uralte deutsche Bauerntracht zu halten und sie wesentlich den Hagenbauern des Landes Drenow zuzuschreiben 1 ).
Und hiemit stimmen auch die folgenden Ortsforschungen des Herrn Pastors a. D. Ritter auf Friedrichshöhe bei Rostock überein, unsers alten bewährten Mitarbeiters, welcher bei oder in der Drenow wohnt und bei seinem Sinn für volkstümliche Forschungen die Gegend genau kennen gelernt hat.
Die "Hägerörtsche" schwarze Tracht ist herrschend in den ganzen Gemeinden von Lichtenhagen, Lambrechtshagen und Rethwisch, also auf der Drenow, sodann in den zum Kirchspiel Parkentin gehörenden (Doberaner) Dörfern Parkentin, Bartenshagen und Allershagen.
Die Biestower Tracht herrschte in den Gemeinden Biestow, Buchholz und Hansdorf, sodann in den zum Kirchspiel Parkentin gehörenden (Doberaner) Ortschaften: Hohenfelde, Ivendorf, Wilsen und Stäbelow. In Hansdorf herrschte eine kleine Abweichung vor.
Eben so hatte in den Dörfern Diedrichshagen, Großen= und Lütten=Klein die Nachbarschaft von Warnemünde 2 ) auf die Kleidertracht eingewirkt, so daß sie fast der Warnemünder gleich war.
Ritter schließt nach der Tracht: das Land Drenow wird die Gemeinden Lichtenhagen, Lambrechtshagen und Rethwisch, ferner einen Theil von Parkentin im Norden und die Gemeinden Biestow, Buchholz und Hansdorf, sowie einen Theil von Parkentin im Süden umfaßt haben.
Ritter berichtet endlich, daß die Hagendörfer nach deutscher Weise der Länge nach bebauet sind, während in dem nach dem Namen ehemals wendischen Parkentin bei Doberan die Häuser nach wendischer Art in der Runde (oder in Hufeisenform) liegen.
Woher bei der Einführung des Christenthums die deutschen Anbauer nach Meklenburg gekommen sind, ist noch nicht vollständig und sicher urkundlich nachgewiesen. Nach der noch heute lebendigen Volkssprache waren es Nieder=
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sachsen, theils aus dem jetzigen Hannoverschen, theils aus Westphalen. Der älteste und bedeutendste Hauptstock wird aus Westphalen gekommen sein. Ich habe viel, auch in Westphalen, darnach geforscht und endlich das Stammland im Bisthum Münster und in der Grafschaft Mark, also in den Gegenden nördlich von der Lippe und der Minden=Kölner Eisenbahn zu finden geglaubt. Hier ist auf dem Lande noch Alles so 1 ), wie in den alten Meklenburgischen Bauerdörfern: der Körperbau und Gesichtsausdruck, die niederdeutsche Sprache (auch in alten Schriftdenkmälern), das Bauerhaus, die Nahrung (Schwarzbrot und Schinken), dann alle häuslichen und Ackergeräthe, wie die Pferdesielen, das Ochsenjoch, die Hakensense, die "Wassertracht", die Schiebkarre, die Kerbhölzer und vieles andere mehr. Nur die Hägerörtsche schwarze Bauerntracht habe ich noch nicht finden können, wohl aber den grauen Leinwandkittel, welcher auch in vielen Gegenden Meklenburgs herrscht. Alles ist hier ganz so, wie in Meklenburg. Südlich von der Lippe 2 ) und im Rheinlande wird plötzlich Alles anders. Dies Alles bedarf noch einer gründlichem ausführlichem Forschung und Darstellung.
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Ueber
in
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
In den Jahrbüchern XXVII, S. 278, sind zwölf "Weise Regeln" für die Stadtobrigkeiten in niederdeutschen Reimen mitgetheilt, welche in das bald nach dem großen Brande der Stadt Ribnitz im Jahre 1455 angelegte Stadtbuch sicher gleichzeitig im Jahre 1456 eingetragen sind.
Es ist nun von großem Interesse, daß sich diese Regeln in lateinischen Hexametern auch auf einer Steintafel vom Jahre 1491 im Eingang der oberen Rathhaushalle des Rathhauses zu Bremen über einer der Thüren angebracht finden; diese sind vom Dr. Ehmck in den "Denkmalen der Geschichte und Kunst der freien Hansestadt Bremen", Heft I, 1862, S. 28 flgd. und Taf. III, veröffentlicht.
Ich theile beide Inschriften zur Vergleichung hier mit:
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I. Plattdeutsche Regeln in Ribnitz von 1456.
Bistu Stad Rêghementes man,
Twelff artikel sêe merklik an:
Welk stad nicht desse stucke hâ e t,
De zelden zunder zorge stâ e t.
II. Lateinische Regeln in Bremen von 1491.
Urbis si fueris rector, duodena notabis:
Urbsque si caret his, raro fulget
sine curis.
Alteram partem audite.
1491.
Es läßt sich nicht bezweifeln, daß beide Texte dem Sinn nach vollkommen übereinstimmen, und daß der eine aus dem andern geflossen sein muß. Nur in der 11. Regel weichen beide wesentlich von einander ab. Der lateinische Text hat: 11. Dominum cole = Verehre den Herrn. Dies soll sich nach den mittelalterlichen Geltungen der Worte ohne Zweifel auf die Verehrung Gottes beziehen, um so sicherer, als die Weisen Regeln ohne die Empfehlung dieser Tugend nicht vollständig sein würden. Die ribnitzer Bearbeitung bezieht diese Worte mit schönem Ausdruck auf die Herrschaft der Landesherren: Lâ e d landesheren heren blyuen, wohl sicher mit Rücksicht auf die demokratischen Bewegungen in den wendischen Hansestädten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
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Es ist die Frage, welcher Text die Quelle ist. Der Herr Dr. Ehmck in Bremen hat gegen mich in freundlicher brieflicher Mittheilung die Ansicht ausgesprochen, daß er den ribnitzer plattdeutschen Text für die Quelle und den bremer Text für eine Uebersetzung von jenem halte, da die höchst charakteristische Umwandlung der Verehrung des Landesherrn in die Verehrung Gottes, für eine zur Reichsunmittelbarkeit aufstrebende Stadt, die den Landesherrn vergessen machen wolle, näher liege, als umgekehrt die Umwandlung des allgemein herrschenden und bekannten Ausdrucks für Gottesverehrung (dominum cole) in die Ehrfurcht vor dem Landesherrn. Derselben Ansicht ist auch E. H. Meyer, welcher die bremischen Sprüche in dem Bremischen Jahrbuch für Bremische Geschichte und Alterthümer, Band I, 1864, wiederholt und bespricht.
Ich glaube jedoch, daß der lateinische Text der Urtext ist, da die plattdeutsche Uebersetzung so breit und behaglich ist, daß ein lateinischer Uebersetzer ihn schwerlich so kurz gefaßt haben würde, auch manche Redensarten und Wendungen für einen plattdeutschen Text viel zu steif und gezwungen sind. Die letzte Zeile z. B.: de zelden zunder zorge stâ e t, ist rein und vollständig dem lateinischen Texte Wort für Wort nachgebildet, während ein plattdeutscher Text gewiß ganz anders gefaßt worden wäre; schon die Worte zelden und zunder scheinen nicht rein plattdeutsch, sondern aus dem Hochdeutschen verplattdeutscht zu sein, da noch heute mit hochdeutscher Aussprache selten gesprochen und für zunder (sonder) immer âne (ohne) gebraucht wird u. s. w. Auch die Redensart: desse stucke hat (statt heft) ist durchaus nicht plattdeutsch. Man würde z. B. eher gesagt haben: Welk stad nicht dusse stucke hölt, Jn not un sorgen dicke fölt. Ich glaube daher, daß der lateinische Text ein viel verbreiteter, sehr alter war, welcher in Bremen 1491 nur neu aufgelegt ward. Ist dies richtig, so kann die Zeitfolge nicht entscheidend sein.
Nach einer spätern Mittheilung des Herrn Dr. Pyl zu Greifswald findet sich der lateinische Text auch in einer Aufzeichnung über die Belagerung von Greifswald, 1412 bis 1415, im Archive der Stadt Greifswald. Der Greifswalder Text hat nur geringe Abweichungen von dem Bremer Text, welche vielleicht versehen sind. Jedoch hat der Greifswalder Text: 11. Et dominum terre cole, stimmt hierin also mit dem Ribnitzer Text überein.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
U nter dem Titel:
"Deutsches Fürsten= und Ritter=Album der Marianischen Ritterkapelle in Haßfurt, von Karl Alexander von Heideloff, mit genealogischen Notizen und Vorrede, von Dr. A. v. Eye. Stuttgart, 1868" (6 Thaler),
ist, prachtvoll, vielleicht auch etwas anspruchsvoll ausgestattet, ein Werk erschienen, welches die 248 Wappenschilde abbildet und erläutert, welche an dem Chor der Marien= oder Ritterkapelle zu Haßfurt im Würzburgischen am Main bei Bamberg zur Verzierung angebracht sind. Die Wappen sind von dem bekannten verstorbenen Baumeister v. Heideloff zu Nürnberg gezeichnet und vom Dr. v. Eye erläutert. Die Wappen sollen mit der Kapelle aus der Mitte des 14. Jahrh. stammen und zum Andenken der Versöhnung der deutschen Gegenkönige Friedrich von Oesterreich und Ludwig von Baiern erbauet sein.
Zur Beurtheilung der Zeit und des Werthes der Wappen und der Annahme Heideloffs über die Zeit der Erbauung fehlt es aber in dem Werke an jeder kritischen und eingehenden, ja überall an einer Beschreibung; wenn auch Heideloff über seine Annahme in "mehreren, genugsam bekannten Schriften weitläufig" gehandelt hat, so vermißt
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man doch die Namhaftmachung dieser Schriften und die Wiedergabe des Inhalts derselben.
Dann haben wir zu rügen, daß der Titel wohl nicht ganz richtig ist. Das Buch ist "Deutsches Fürsten= und "Ritter=Album" genannt. Es hätte aber richtiger ,,Süddeutsches" Ritter=Album genannt werden müssen, denn die Wappen gehören vorherrschend nur zu dem Adel von Franken, Schwaben, Baiern und Rheinland. Man wird fast vergebens suchen, wenn man nach norddeutschem Adel forscht. Von Fürsten und Rittern des nordöstlichen Deutschlands sind nur die Schilde von Pommern und Meklenburg vorhanden; der ganze Adel dieser Länder 1 ) fehlt.
Endlich scheint es auch, namentlich beim Mangel einer kritischen Beschreibung und Untersuchung der Wappen, noch sehr zweifelhaft zu sein, ob die Wappen richtig und so alt sind, wie sie ausgegeben werden. Ein verbürgtes Meklenburgisches Wappen aus der Mitte des 14. Jahrh. würde äußerst willkommen sein. Im Allgemeinen scheinen die Formen der Schildzeichen nicht strenge Copien nach den Originalien, sondern bedeutend modernisirt zu sein, wie Heideloff überhaupt das Modernisiren liebte. Nun erschrickt man, wenn man Nr. 187 "Herzog von Mecklenburg" aufschlägt. Abgesehen davon, daß die Fürsten von Meklenburg erst 1348 "Herzoge" wurden, muß man staunen, hier ein modernes veraltetes Meklenburgisches Wappen zu finden, grade so, wie der selige Gatterer es in seiner "Practischen Heraldik" 1791 und früher darstellt. Der Stierkopf ist möglichst unheraldisch und von moderner Form, die Krone um die winzigen Hörner ist roth, das Maul ist geschlossen und darin hängt ein gewaltig großer silberner Ring. Diese Darstellung ist nun rein eine Erfindung des bekannten Rixner aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und jetzt längst abgeschafft. Dagegen kennen wir das Meklenburgische Wappen aus dem 14. Jahrhundert bis in das 16. Jahrhundert auch in den Farben sicher und genau: es ist im goldenen Schilde ein schwarzer, kräftiger, kurzer Stierkopf mit starken, weitgeschwungenen silbernen Hörnern, mit goldener Krone, mit aufgerissenem Maule, so daß die weißen Zähne zu sehen sind, ohne Nasenring, mit herabhangendem abgerissenem Halsfell.
Das von Heideloff dargestellte Meklenburgische Wappen in Haßfurt ist also ent=
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weder willkührlich modernisirt, oder die Haßfurter Wappen sind jung.
Andere Annahmen bleiben nicht übrig. - Darf man aber das Meklenburgische Wappen als Maaßstab annehmen, so sieht es mit der Richtigkeit der übrigen Haßfurter Wappen sehr mißlich aus.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Es gilt die Ansicht, daß der Buchweizen (Polygonum fagopyrum) vor Anfang des 16. Jahrh. in Europa gar nicht bekannt gewesen sei 1 ). E. Boll fand ihn aber als eine schon im Anfange jenes Jahrhunderts in Meklenburg häufig angebauete Pflanze erwähnt und glaubte hieraus schließen zu müssen, daß diese Pflanze schon viel früher eingefügt sei. Boll meint, daß der Buchweizen durch die Slaven nach Europa gekommen sei, und schließt dies scharfsinnig aus dem Namen. Bei den Slaven (wenigstens in der Lausitz) hieß die Buchmast: bukwiza, eine Benennung und Wortform, welche leicht auf die ähnlich gestalteten Früchte des Buchweizens übertragen werden konnte und aus welchem die Deutschen, welche in dem slavischen Worte wiza das deutsche Wort Weizen zu erkennen glaubten, den Namen Buchweizen bildeten.
Auch ich hatte lange nach dem Alter des Buchweizens in Meklenburg geforscht und theilte E. Boll auf dessen Wunsch einen urkundlichen Beweis mit, aus welchem hervorgeht, daß der Buchweizen schon im Jahre 1436 in Meklenburg bekannt war, und Boll machte die Ergebnisse der beiderseitigen Forschungen öffentlich bekannt 2 ).
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Es heißt nämlich in einem Geldregister des Amtes Gadebusch vom Jahre 1436:
Anno domini °. . XXX sexto des dunredages na Invocauit beuolen myn gnedige vrouwe vnde heren my de molne vnde schune to Godebusse, also hebbe ik van der bede, pacht, kornepacht vnde schunen vtegeuen, alse nascreuen steit:
Dominica qua cantatur Misericordia domini:
Vor stenkruse VI s.
Item uor bukweten
grutte to makende.
Ebenso forschte Dr. Schiller nach diesem Worte in gedruckten Schriften und fand den Buchweizen in Berckmann's Stralsunder Chronik zu den Jahren 1456 und 1457, sowie in der Cölner Bibel 1480 und in der Lübeker Bibel 1494. Vgl. Schiller Zum Thier= und Kräuterbuche des Meklenburgischen Volkes, Heft 3, Schwerin, 1864, S. 27.
Ich habe mich seitdem fleißig nach mehr alten Zeugnissen umgesehen, jedoch in vielen Jahren keines finden können, bis es mir im Jahre 1866 gelang, im Archive des Klosters Malchow die im Nachstehenden im Auszuge mitgetheilte Urkunde zu entdecken, aus welcher hervorgeht, daß schon im Jahre 1450 von einem Felde eine Getraidepacht von einem Drömt Buchweizen verkauft oder verpfändet werden konnte, damals also der Bau dieses Getraides schon im Großen betrieben ward.
Henning Lübow verkauft dem Kloster Malchow eine
Hebung von 5 1/2 Drömt Korns aus dem Dorfe Lübow.
Vor allen guden cristenen luden, dar disse bref vorkumpt, de ene szen edder horen lesen, bekenne ik Henningh Lubouwe mit mynen rechten eruen, dat ik mit gudem
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vrigen willen vnde wollbedachtem mode, na rade myner eruen vnde frunde witliken hebbe vorkofft vnde vorlathen in crafft desses breues deme erwerdighen manne her Nicolao Reepst, vorstender, Margharethe Kolres, prioren, vnde den meynen iuncfrouwen der vorsamelinghe des closters to Malchouw vnde alle eren nakomelinghen sostehalf dramet korns, benomelken II dramet roggen, II dramet haueren vnde en dramet bockweyten vor sauentich Lubische mark Stralen geldes tho Lubouw. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -. Screuen na der bort Christi verteyen hundert iar dar na in deme vefteghesten iare, des anderen daghes na der hillighen dryer koninghe daghe.
Nach einer beglaubigten Abschrift aus dem Anfange des 16. Jahrh. im Archive des Klosters Malchow.
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Der
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Der Archivrath v. Mülverstedt zu Magdeburg hat im Correspondenzblatt des Gesammtvereins der Deutschen Geschichtsvereine, 1872, Nr. 7, S. 50 flgd., einen Bischof von Brandenburg Volrad von Krempe näher bestimmt, welcher vorher Domherr zu Schwerin war. Da der Gegenstand auch Bedeutung für Meklenburg hat, so theile ich hier den wesentlichen Inhalt der neuesten Forschungen mit.
Volrad war 1296-1302 Bischof von Brandenburg. Lentz (Stiftshistorie von Brandenburg, 1750,) entdeckte diesen bis dahin unbekannt gewesenen Bischof, dessen Regierungszeit sich später immer klarer herausstellte. Jedoch blieb seine Herkunft und frühere Tätigkeit dunkel, bis Wiggert 1847 auf seinem Rücksiegel die Umschrift Secretvm Volradi de Crempa fand und auf seinem Hauptsiegel sein Familienwappen, einen Schild mit einem "Flug". Schon im Jahre 1843 hatte ich in den Jahrbüchern (VIII, S. 252) eine Urkunde vom 26. Novbr. 1284 abdrucken lassen, in welcher ein Schweriner Domherr Volradus de Krempa genannt wird, und schon im Jahre 1841 in den von mir herausgegebenen "Meklenburgischen Urkunden", II, S. 72 (jetzt auch im Meklenb. Urkunden=Buche III, S. 115) eine Urkunde der Schweriner
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Domherren Richard und Volrad vom 25. Jan. 1284, an welcher auch Volrads Siegel hängt. Das freilich sehr beschädigte Siegel, dessen Umschrift ganz fehlt, zeigt unter einer Heiligenfigur einen knieenden Geistlichen zwischen zwei Wappenschilden. Der Wappenschild vor diesem Geistlichen hat ganz klar einen "Flug"; ebenso zeigt der hintere Schild bei Schärferer Betrachtung noch ein Mal dasselbe Wappen, nicht ein Agnus Dei, wie ich früher vermuthet habe. Auf ein geistliches Stift kann dieser letztere Wappenschild um so weniger Beziehung haben, als es damals in Meklenburg noch keine geistliche Stiftswappen gab.
Es ist also nicht daran zu zweifeln, daß dieser hier genannte und nach den Siegeln sicher gekennzeichnete Volrad immer dieselbe Person ist.
Volrad war zuerst (ungefähr seit 1273) Domherr zu Lübek; im Jahre 1276 erscheint wiederholt ein Volrad als lübeker Domdechant (Mekl. Urk.=Buch II, S. 536 und 547). In Meklenburg tritt er seit dem Jahre 1280 als Domherr zu Schwerin auf und war daneben Propst des dem Bisthum Schwerin untergebenen Collegiatstiftes zu Bützow. Er wird in Meklenburg zuerst am 17. Aug. 1280 als "Domherr zu Schwerin und Propst zu Bützow" aufgeführt ("Volradus canonicus Zwerinensis et prepositus Butzowensis": Mekl. Urk.=Buch, II, S. 638). Am 17. Febr. 1282 wird er nur Bützowscher Propst genannt ("Wlradus prepositus Butzoviensis": Mekl. Urk.=Buch, III, S. 36), dagegen am 25. Jan. 1284 nur Schwerinscher Domherr Mekl. Urk.=Buch, III, S. 115). Am 16. März 1285 hatte er in Schwerin eine Domherrncurie ("curia domini Volradi dicti de Krempe": Mekl. Urk.=Buch III, S. 169). Nachdem der Dompropst von Schwerin und Lübek Nicolaus, Fürst von Meklenburg, im Jahre 1290 gestorben war, ward Volrad Dompropst zu Schwerin; am 6. Mai 1291 wird er in Schwerin als Propst bezeichnet (Mekl. Urk.=Buch III, S. 418), am 5. Septbr. 1292 nennt er sich "Volrad von "Gottes Gnaden, Propst der Schweriner Kirche" ("Volradus dei gracia prepositus ecclesie Zwerinensis": Meklb. Urk.=Buch III, S. 472). Zugleich, war er auch Dompropst zu Lübek geworden (vgl. Mekl.=Buch III, S. 350, 629). Im Jahre 1296 ward Volrad von Krempe zum Bischofe von Brandenburg berufen. Schon Römer hat, im Register I zum Meklenb. Urkunden=Buch, S. 374, erkannt, daß der Brandenburger Bischof Volrad der frühere Dompropst Volrad von Krempe ist.
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Volrad von Krempe wird nach seiner ganzen Lebensgeschichte ein bedeutender Mann gewesen sein (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, Bd. 8, S. 75). Es ist wiederholt darnach geforscht, von welcher Herkunft Volrad von Krempe gewesen sei, ohne zur Aufklärung kommen zu können. Der Name von Krempe ist jedenfalls der Name seiner Familie, nicht der Name seiner Heimath. Nachdem jetzt Familien=Name und Wappen festgestellt sind, gelangt v. Mülverstedt zu dem gewiß richtigen Schlüsse, daß er aus der nach dem holsteinschen, zum Lübeker Stiftsgute gehörenden Orte Krempe benannten alten Holsteinschen Adelsfamilie stammt, von der er a. a. O. mehrere Mitglieder im 13. und 14. Jahrh. aufführt, wenn er auch noch kein Wappen nachweisen kann. Hierdurch erklärt es sich auch leicht, daß er zuerst im Lübeker Dom=Capitel erscheint. Meine frühere Vermuthung zur Urkunde vom 25. Jan. 1284, daß er nach seinem Wappen den Familien v. Plote oder v. Trechow angehört haben könne, fällt jetzt als unhaltbar hinweg.
Berichtigungen.
Zu S. 93 flgd. bemerkt Herr Dr.
Pyl zu Greifswald:
1) daß die
Selbstbiographie des Präsidenten Aug. v.
Balthasar sich nicht in dessen
genealogischen Sammlungen in der
Tribunals=Bibliothek zu Greifswald befindet,
sondern im Besitze der Familie, von welcher
Dr. Pyl sie geliehen gehabt hat;
2)
daß die nähern Personalien über die Familie
v. Buggenhagen in Gesterding's Pomm. Gen. I,
S. 179, gedruckt sind.
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im engern Sinne.
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A uf dem Domanialgute Kronskamp bei Lage stand in der Wiese im Reknitz=Thale ein Steingrab der Steinzeit von großen Granitblöcken aufgebauet und bedeckt. Das Grab mußte aus wirtschaftlichen Rücksichten abgetragen werden. Der Herr Pächter Witt beaufsichtigte selbst die Abtragung. Man fand in der Grabkammer außer Erde und Steinen nur unverbrannte Menschenknochen und einen Keil aus Feuerstein. Jedoch ist zu bemerken, daß man nicht bis auf den Boden grub, da das Grundwasser der Wiese zu sehr andrängte, als daß eine ruhige Untersuchung thunlich gewesen wäre. Dieses Grab ist ein seltenes Beispiel von dem Vorkommen eines Steingrabes (Dolmen) in einer tiefen, feuchten Wiese, da Gräber dieser Art gewöhnlich auf trockenem und oft auch auf etwas erhöhetem Boden stehen.
G. C. F. Lisch.
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bei Neukloster.
Der frühere Seminarlehrer Herr Dr. Krüger zu Neukloster, jetzt Prediger zu Boddin bei Gnoien, machte im Jahre 1867, außer den unten bei den Bauwerken der heidnischen Vorzeit dargestellten Forschungen über die Lage von Kussin bei Neukloster, noch eine andere Entdeckung, welche sehr merkwürdig ist. Auf der Oberfläche einer nordöstlich vom Neuklosterschen See gelegenen Anhöhe, nicht weit von der Klâs=Bek, fand er mehrere feuersteinerne Geräthe, welche bisher außerordentlich selten in Meklenburg beobachtet sind, und sandte dieselben zum Geschenk an den Verein. Diese Geräthe sind:
1) Ein spanförmiges Messer von weißgrauem Feuerstein, außerordentlich roh und plump, 4 Zoll lang und ungefähr 1 Zoll dick. Es ist künstlich geschlagen und hat, wie gewöhnlich, auf der einen Seite eine und auf der andere Seite drei Spaltflächen. Es ist an allen Kanten stark abgenutzt und ausgebrochen und offenbar viel gebraucht. Dieses ungewöhnliche Stück gleicht ganz den Feuersteinmessern aus dem Diluvium von Abbeville und würde für gleichzeitig mit diesen gehalten werden können, wenn es nicht auf der Erdoberfläche gefunden wäre und nicht noch die unveränderte Feuersteinfarbe und speckartigen Glanz hätte.
2) Ein Messer aus dunkelgrauem Feuerstein. Dies ist ein abgeschlagener und an einem Ende durch Abschlagen zugespitzter, dreieckiger Span, 5 1/2 Zoll lang und 1 Zoll dick, wie ein roher Dolch, auf zwei Seiten mit den natürlichen gewölbten Oberflächen des Feuersteins, auf der dritten Seite mit einer glatten Spaltfläche. Es ist an den beiden scharfen Kanten an der Spaltfläche und an der künstlich zugehauenen Spitze stark abgenutzt und ist ein offenbar viel gebrauchtes Geräth (zum Stechen?) gewesen, dem oben aufgeführten Messer sehr ähnlich.
3) Ein hammerförmiger Block von grauem Feuerstein, 4 1/2 Zoll lang und am dicken, viereckigen Ende überall 2 Zoll dick. Die hammerförmige Gestalt kommt aber wohl nicht von der Zubereitung zu einem Hammer, sondern die Hauptsache ist die hohl und spitz überall zugeschlagene Spitze, welche allerdings als Hammergriff erscheint, und der viereckige Hammer ist vielmehr der Griff des Werkzeuges. Die
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Spitze ist durch vielfaches Abschlagen künstlich geformt und an den Kanten auch vielfach abgenutzt.
4) Vier natürliche Feuersteinspitzen oder Zapfen von 2 bis 2 1/2 Zoll Länge und ungefähr 1 Zoll Dicke, natürliche Bildungen, auf der runden und zugespitzten Oberfläche ganz mit der natürlichen Oberfläche des Steins, ohne alle künstliche Bearbeitung. Nur das dicke Ende ist von größern Blöcken an allen vier Stücken in einer graden Fläche abgeschlagen. Die Stücke sehen fast aus, wie Kuheuterzitzen oder kleine Kegel. Die Stücke sind sicher mit Vorbedacht gesammelt und gebraucht, da sich so viele Stücke dieser Art wohl nur selten nahe beisammen finden. Vielleicht haben sie zu Geschoßbolzen dienen oder auch Pfeilspitzen aus denselben verfertigt werden sollen.
Diese kleine Sammlung von Einer Stelle ist sicher sehr merkwürdig. Da keine Anzeichen vorhanden sind, daß diese Stücke dem Diluvium angehören, auch die Bearbeitung für die ausgebildete Steinzeit zu roh ist, so werden sie der "ersten Steinzeit" angehören, welche in Dänemark häufig vertreten, in Meklenburg aber bis jetzt fast noch gar nicht bemerkt ist.
Herr Dr. Krüger hat vor seinem Abgange von Neukloster nach Boddin die Fundstelle an der Klâs=Bek noch ein Mal forschend abgegangen und noch 17 Stücke feuersteinerne Geräthe gesammelt, welche den oben beschriebenen ganz gleich sind, und dieselben im Jahre 1869 dem Vereine übergeben. Diese Stücke sind:
5) Ein spanförmiges Messer, an einer Seite dreiseitig, an der andern Seite eben, 3" lang und 1 1/2" breit, an der ebenen Seite mit einem stark ausgeprägten muschelförmigen Schlagansatz und an den Rändern abgenutzt, also gebraucht.
6) Vier keilförmig roh zugehauene und stumpf zugespitzte Feuersteinknollen, 4 bis 5" lang, und an den Enden sichtbar abgenutzt.
7) Vier dreieckige, zugespitzte Feuersteine, ungefähr 2 Zoll lang, an den Rändern abgenutzt, ohne Zweifel Stechwerkzeuge.
8) Drei hammerförmige, lange Knollen, 2 bis 4" lang, zum Theil mit rauher, natürlicher Oberfläche, an den Enden abgenutzt, sicher Schlagwerkzeuge.
9) Fünf von den merkwürdigen, oben beschriebenen runden Feuerstein=Spitzen oder Bolzen, mit natürlicher Oberfläche, an einem Ende aber abgeschlagen, 1 1/2 bis 3"
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lang und 1" dick, vielleicht Bohrer zum letzten Ausbohren oder Ausschleifen von Löchern, an dem abgeschlagenen Ende mit starken Spuren der Abnutzung.
Alle diese Steine haben deutliche und häufige Spuren der Abnutzung und des Gebrauchs durch Menschen, sind also sicher menschliche Geräthe der ersten Steinzeit. Spuren von geschliffenem Feuerstein haben sich an dieser Stelle nicht gefunden.
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Dr. med. Techen zu Wismar schenkte ein altes menschliches Kreuzbein (os sacrum), welches in einem Torfmoor zu Redentin bei Wismar gefunden ist, nach der Untersuchung des Herrn Dr. med. Döhn zu Schwerin von einer männlichen Leiche stammend. Vielleicht gehört dieser Knochen zu dem in dem Müllermoor zu Redentin gefundenen zerbrochenen menschlichen Oberschenkelknochen (femur), welcher in den Jahrb. XXXVIII, S. 126 flgd., vom Professor Dr. Virchow ausführlich besprochen ist.
G. C. F. Lisch.
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Im Frühling 1869 hat der Herr v. Oertzen auf Roggow bei Neu=Bukow beim Drainiren wieder mehrere sogenannte "Höhlenwohnungen" gefunden, welche mitten durchschnitten wurden, und die Ergebnisse aus einer derselben und die Nachrichten darüber an den Verein eingesandt. Es wurden wieder Scherben von großen, dickwandigen Vorraths= und Kochtöpfen ohne Verzierungen, zerschlagene Thierknochen und Zähne, Kohlen, schwärzlicher (Küchen=) Moder gefunden, und in diesem dies Mal auch Reste von feinen, dünnen Muschelschalen. Herr v. Oertzen berichtet über diese Spuren alter menschlicher Ansiedelungen unterhalb der Erdoberfläche noch Folgendes. In Roggow sind im Laufe weniger Jahre wohl über hundert solcher Stellen zu=
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fällig aufgedeckt, welche oft 1/4 bis 1/2 Meile entfernt von der hohen Ostseeküste lagen, also nicht Strandküchen sein konnten. Es fanden sich immer Topfscherben und Küchenmoder, seltener Knochen, nie bearbeitete Geräthe, außer einigen Reibsteinen ein Mal. Diese Stellen liegen auch nicht immer an Anhöhen und in der Nähe von Mooren, wo man auch Pfahlbauten vermuthen könnte, wie früher wohl beobachtet ist, sondern sie werden auch in bestimmt ausgeprägten Niederungen gefunden und entfernt von Stellen, wo Pfahlbauten hätten möglich sein können. Wahrscheinlich gab es bei starker Bevölkerung viele solcher halbunterirdischer Arbeits= und Wohnungsräume, auch ohne Pfahlbau=Burgen in der Nähe.
G. C. F. Lisch.
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(Höhlenwohnung.)
Es ist für die Geschichte der Stadt Schwerin gewiß von Interesse, auch die zur Heidenzeit bewohnt gewesenen Stellen kennen zu lernen, und daher Alles zu sammeln, woraus man auf solche Stellen vermuthen kann. Es sind schon früher wiederholt Entdeckungen mitgetheilt, und zuletzt noch in Jahrb. XXXI, 1866, S. 63 und 60, über Wohnplätze aus der Bronzezeit bei der Leimsiederei und zu Zippendorf. Im Sommer 1867 haben sich wieder Spuren von Ansiedelungen aus der Steinzeit gezeigt, welche früher auch auf der Schloßinsel unter den Schloßfundamenten beim Bau beobachtet ward. Der "Ostorfer Berg", auf welchem die Artillerie=Kaserne steht, fällt gegen Norden hin ziemlich rasch, jedoch noch sanft in die Tiefe ab, wo der Ostorfer See in die sogenannte "Seke" (Sieche) am ehemaligen "Sekenbom" (Siechenhausbaum), jetzt Berliner Thor, oder den "Fließgraben" gegen Schwerin hin abfließt. Hier, unmittelbar rechts vor dem Berliner Thor, dicht beim Großherzoglichen Jägerhofe, an der Seke und dem Ostorfer See, wo der Berg in einer sanften Abdachung endigt, hat sich der Herr Maler Suhrland im Jahre 1867 bis 1868 ein Haus mit großem Atelier bauen lassen, welches an einem sehr schön und günstig gelegenen Punkte steht. Der Boden ist noch fest, Lehm und Sand, und hat nur an der "Seke" etwas schmales Gartenland von schwarzer Erde.
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Beim Ausgraben der Erde zu den Fundamenten wurden hier im festen Boden einige steinerne Alterthümer gefunden, welche Herr Suhrland dem Verein schenkte:
ein spanförmiges Feuersteinmesser, 4 1/2 Zoll lang, außerordentlich regelmäßig geschlagen, zweischneidig mit dem Schlagansatz, und
ein Feuersteinspan, eben so lang, auch mit einer Spur von Schlagansatz, zu einem einschneidigen Messer zu gebrauchen, beide von Menschenhand geformt. Leider ward der Fund zu spät bekannt, um genauere Forschungen anstellen zu können.
Die Stelle, welche bisher unbeachtet gewesen ist, ist für eine menschliche Ansiedelung außerordentlich günstig gelegen, und erst jetzt nach Jahrtausenden wieder zur Geltung gekommen. Es wird hier in der Steinzeit eine Höhlenwohnung gewesen sein. Pfahlbauten können hier nicht gestanden haben, da der Boden aus fester Erde besteht; jedoch können diese in den Niederungen an oder in dem nahen Ostorfer See oder dem ebenfalls nahen Burgsee oder dessen Moorufern Stelle gefunden haben.
Im April 1868.
G. C. F. Lisch.
Hierdurch aufmerksam gemacht, hat Herr Suhrland im Frühling 1868 während der Vollendung des Baues und des Gartens schärfere Beobachtungen angestellt und in der Erde noch 4 größere und 12 kleinere Feuersteinspäne, dreiseitig und vierseitig, gefunden, welche theils zu Schneidewerkzeugen, theils zu Pfeilspitzen gebraucht werden können. Alle sind regelrecht von Menschenhand geschlagen und zeigen größtentheils den muschelförmigen Schlagansatz, einige auch Spuren von Gebrauch. Es ist daher wohl ohne Zweifel, daß an dieser Stelle in uralter Zeit Feuersteingeräthe von Menschen gemacht wurden. Herr Suhrland hat auch diesen Fund dem Vereine geschenkt.
Im Juni 1868.
G. C. F. Lisch.
Im Herbst 1868 entdeckte Herr Suhrland während des Grabens beim Einärnten von Gemüse im Garten wieder 40 Feuersteinspäne, welche er gleichfalls dem Vereine schenkte. Alle sind ebenfalls sichtlich durch Menschenhand geschlagen,
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meistentheils Abfall, jedoch fast alle zu Messern oder Pfeilspitzen brauchbar, einige Stücke besonders gut gestaltet. Manche scheinen auch gebraucht zu sein, andere sind Bruchstücke von zerbrochenen regelmäßigen Messern.
Im November 1868.
G. C. F. Lisch.
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Zu Blüssen bei Schönberg ward eine kleine, seltene Streitaxt auf dem Felde beim Pflügen gefunden und von dem Herrn Lehrer Splitter zu Lübsee bei Rehna erworben und dem Vereine geschenkt. Die sonst wohl geformte und erhaltene Streitaxt ist aus jungem, grauem Sandstein, ein sehr seltener Fall. Das Schaftloch ist noch nicht ganz fertig; es ist von beiden Seiten kegelförmig angebohrt und schon mit einer kleinen Oeffnung durchgebohrt, jedoch noch nicht ganz ausgebohrt und ausgeschliffen.
G. C. F. Lisch.
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Bei Zarrentin am Ufer des "Zarrentiner Sees" ward im Gerölle ein merkwürdiger Stein gefunden. Der Stein ist von feinkörnigem festen Granit, auf der Oberfläche ganz glatt abgerieben, ganz regelmäßig eiförmig, ein wenig abgeplattet, 11 Centim. lang und 5 1/2 Centim. dick und 1 1/3 Pfund schwer. An beiden breiten Flächen ist der Stein trichterförmig oder kegelförmig angebohrt. Auf den beiden obern Enden hat das Bohrloch 4 Centim. im Durchmesser und verjüngt sich nach der Mitte hin bis zu 1 1/2 Centim. im Durchmesser, wo noch ein enger, durchbohrter Ring stehen geblieben ist. Die Bohrung ist also augenscheinlich noch nicht vollendet. Die zweiseitige Anbohrung ist wahrscheinlich die Vorbereitung zu einem regelmäßigen Schaftloch für eine durchbohrte Streitaxt. Es giebt allerdings Fälle, welche dafür zeugen, daß zur Steinzeit zur Bereitung der Streitäxte die Schaftlöcher zuerst in die gewählten, rohen Steine eingetrieben und darauf erst dem Steine die herkömmlichen Formen der Aexte gegeben wurden. Es ist aber
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auch möglich, daß man diesem Steine seine rohe Form hat lassen und denselben so zu einem Hammer oder einer Art hat gebrauchen wollen, da der Stein sehr regelmäßig gestaltet ist. Auch zeigen die beiden spitzigen Enden schon Spuren von harten Schlägen. Daß der Stein zu einem "Senkstein" sollte bestimmt gewesen sein, ist nicht gut anzunehmen, da der Stein dazu zu gut und die Arbeit zu mühselig ist. Gefunden und geschenkt ist dieser Stein von dem Herrn Amts=Registrator Röhlcke zu Zarrentin (durch Vermittelung des Herrn Baumeisters Daniel zu Rehna).
G. C. F. Lisch.
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Im Jahre 1846 ward zu Prützen bei Güstrow im Torfmoor ein schön gearbeiteter Dolch aus gelbem Feuerstein, mit viereckigem Griff, 7 1/4 Zoll lang, gefunden und von dem wailand Herrn Friedrich Seidel, unserm vieljährigen, thätigen und aufopfernden Mitgliede, erworben. Nachdem er seine ganze Sammlung bis auf Kleinigkeiten nach und nach an die Vereinssammlung geschenkt hatte, blieb ihm zuletzt nur dieser Dolch übrig, den er zum Andenken an seine Sammlung mit Liebe aufbewahrte, nach seinem Ableben aber sein Bruder Christoph Seidel zu Bützow dem Vereine bereitwillig schenkte.
G. C. F. Lisch.
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Die in den Jahrbüchern XXXVI, S. 132, beschriebene sehr seltene Streitaxt von Zippendorf, welche mit einem Ringbohrer erst angebohrt ist und den Dorn noch im Bohrloche stehen hat, wie die Streitaxt von Eldenburg (vgl. Jahrb. XXXVIII, S. 105,) ist durch Geschenk Eigenthum des Fräuleins Am. Buchheim zu Schwerin, Custodin der Schweriner Sammlungen, geworden und von derselben in der Generalversammlung am 11. Juli 1874 dem Vereine geschenkt.
G. C. F. Lisch.
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b. Bronzezeit.
Im Jahre 1866 trug der Herr Erbzinspächter Ripcke zu Neu=Zapel bei Crivitz auf seinem Felde (Erbzinsstelle Nr. 8) einen "Steinhügel" ab, welcher sich hinterher als ein Kegelgrab der Bronzezeit erwies. Er fand darin viele Kohlen und zerbrannte Menschengebeine und dabei folgende, hellgrün gerostete, bronzene Alterthümer, welche derselbe dem Verein zum Geschenk übergab:
1 Dolch= oder Speer=Klinge, mit kurzer, rundlicher Griffzunge, 6 1/2" lang;
1 kleines, dünnes Messer, sichelförmig gebogen, in der Klinge gegen 3" lang, mit Bronzegriff;
1 dünnen Armring, Bruchstück.
Bei Zapel sollen noch mehr Kegelgräber dieser Art sein, wie sich überhaupt in der Gegend südlich von Crivitz noch viele Gräber finden.
G. C. F. Lisch.
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Im Jahre 1873 wurden auf dem Felde des Herrn Erbzinspächters Ripcke zu Neu=Zapel bei Crivitz (Erbzinsstelle Nr. 8) beim Ackern unter einer niedrigen Erhöhung, welche ohne Zweifel ein Kegelgrab gewesen war, folgende Bronzen gefunden und von dem Herrn Ripcke zum Geschenke überreicht:
ein paar sogenannte Handbergen aus Bronze, zerbrochen, jedoch noch ziemlich vollständig vorhanden, tief gerostet,
ein Paar massiver, breiter Armringe, wie es scheint, zerbrochen, von Bronze.
G. C. F. Lisch.
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In dem Forst=Revier von Gädebehn bei Crivitz stand ein ziemlich hoher kegelförmiger, runder Hügel, welcher von größern Feldsteinen eingefaßt war. Da man 1873/74 Steine suchte, so fand man, daß im Innern des Hügels viele kleinere Steine lagen, welche man auszubrechen anfing. Dabei wurden folgende Alterthümer von Bronze, zum Theil mit edlem Rost, auch einige Bruchstücke von größern Menschenknochen gefunden:
zwei Armringe, quer und schräge gestreift verziert, fein aber voll gegossen;
zwei Hütchen ("tutuli"), von denen eines verloren gegangen ist, das erhaltene Spuren von blauem Rost hat;
ein "Stecken" (große Nadel), in 4 Enden zerbrochen, 72 Centim. oder 30 Zoll lang, ungefähr 1/2 Centim. dick, spitz auslaufend, im Anfange mit einer kreisrunden Scheibe von 4 Centim. Durchmesser, unter der Scheibe mit einem 6 Centim. langen und 1 1/4 Centim. dicken gewundenen Griff verziert; über diese oft besprochenen langen "Nadeln" oder von mir sogenannten "Stecken" von Bronze, vgl. Jahrb. XXXIII, S. 125 flgd. und XXXVIII, S. 138;
12 kleine hohle Kegel von dünnem Bronzeblech, ungefähr 1 1/2 Centim. hoch und eben so weit im Durchmesser an der Grundfläche, unten mit zwei umgebogenen Spitzen zum Einheften, offenbar Verzierungs=Besatz; drei derselben waren noch mit dünnem Leder oder Fell von dem verzierten Gewandstücke gefüttert.
Der Herr Förster Kolbow zu Gädebehn, unter dessen Aufsicht die Aufgrabung geschah, hat diese Gegenstände zur großherzoglichen Sammlung eingereicht und verheißen, bei der völligen Abtragung des Hügels auf fernere Funde aufmerksam zu sein.
Ohne Zweifel gehört dieses Grab zur der Gruppe der zahlreichen Kegelgräber aus der alten Bronzezeit, welche bei dem Bau der Chausseen zwischen Parchim und Sternberg, also nicht weit entfernt, abgetragen sind (vgl. Jahrb. XXXVIII, S. 137-144), da alle in diesen Gräbern gefundenen Alterthümer gleich sind.
G. C. F. Lisch.
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Nach der Vererbpachtung der Bauerhufen zu Barendorf bei Grevesmühlen haben die Erbpächter mit dem Jahre 1874 angefangen, ihre früheren Buschkoppeln auszuroden, um sie zu Acker zu machen. Die Buschkoppel des Erbpächters Ruge, der sogenannte Boizbusch, bildete zum größten Theile einen lang gestreckten Steinhügel. Beim Ausbrechen der Steine wurden mehrere Aschenurnen gefunden, welche jedoch zerbrachen und verloren gingen. Bis jetzt ist ungefähr die Hälfte des Hügels aufgebrochen. Bei genauer Untersuchung ergab sich, daß der ganze Kamm des Hügelrückens ein großer Begräbnißplatz war. Der in der Nähe wohnende Herr Förster Regenstein zu Jamel hat die Freundlichkeit und Theilnahme gehabt, die Abtragung zu überwachen und darüber Folgendes zu berichten. Die Gräber liegen auf dem Kamm des Hügelrückens nahe neben einander. Im Anfange der Ausrodung sind schon 15 bis 20 Gräber zerstört, welche nach Aussage der Arbeiter in Reihen neben einander standen, jedoch in unregelmäßigen Entfernungen. Auf der Oberfläche sind die Gräber durch Erhöhungen nicht zu erkennen. Im Februar 1874 zeigten sich wieder mehrere Gräber. Die Gräber hatten eine rundliche, mit Steinen umsetzte Gestalt, von ungefähr 1 Meter Durchmesser. Innerhalb des Grabes stand eine kleine Steinkiste aus flachen rothen Granitplatten, in welcher die Aschenurnen auf einem flachen Steine standen; zugedeckt war die Kiste mit einem flachen Deckstein, welcher nur wenige Centimeter tief unter der Oberfläche lag. Ausgesetzt im Innern schienen die Kisten mit Lehm zu sein, welcher sich außerhalb der Begräbnisse nicht befand.
Das erste, im Februar 1874, aufgebrochene Grab enthielt nach dem Berichte des Herrn Regenstein nur eine Urne, welche jedoch zerbrach. Nach den zusammen eingesandten Ueberresten enthielt das Grab aber zwei Urnen: eine große, rauhe, dunkelbraune mit sehr dicken Wänden, und eine ganz kleine, glatte hellbraune mit dünnen Wänden. Diese kleine Urne, von welcher fast eine senkrechte Hälfte vorhanden ist, hat eine eigenthümliche, noch nicht beobachtete Verzierung, indem um den obern Bauchrand zwei Reihen von Zickzacklinien mit nach unten gekehrten Spitzen laufen. Diese Verzierung scheint auf die Bronzezeit zu deuten. Wahrscheinlich ist diese kleine Urne eine Kinderurne gewesen,
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welche in der größern gestanden hat; hiefür scheinen auch einige von den zerbrannten Knochen zu sprechen, welche sehr fein und dünne sind.
In einem zweiten Grabe standen 4 Urnen, von denen Herr Förster Regenstein 2 ganz retten konnte, welche er noch zum Trocknen aufbewahrt.
Nach den Urnenscherben scheinen diese Gräber der Bronzezeit anzugehören. Hierzu stimmen auch die Aussagen der Arbeiter. Bei frühern Ausrodungen haben die Leute in einem besonders großen Grabe in einer Urne auch ein Stück Metall, das sie für eine "Helmspitze" gehalten, gefunden, welches hübsch "gravirt" und mit grünem Rost überzogen war; auch ein Stück "Kupferdrath" ward dabei gefunden; beide Stücke sind durch Achtlosigkeit leider verloren gegangen.
Die größere, noch unberührte Hälfte des Hügelrückens wird wahrscheinlich noch eine ziemliche Anzahl von Gräbern enthalten. Auch befinden sich auf demselben noch mehrere Hügel in Gestalt von Kegelgräbern, welche noch nicht berührt sind.
Der Fundort ist also ohne Zweifel eine größere Begräbnißstelle der Bronzezeit, wie sich solche in frühern Zeiten im Lande öfter fanden.
Schwerin, im Mai 1874.
G. C. F. Lisch.
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Zu Zidderich bei Goldberg ward ein kleiner Arbeitsmeißel aus Bronze gefunden, welcher sehr merkwürdig ist. Der Meißel, von alter Bronze, ist nur 5 Cent. lang und 1 Cent. breit, und hat ein Schaftloch zum Einstecken eines Griffes. Das Werkzeug hat offenbar zu feinen Arbeiten gedient und ist sowohl überhaupt, als besonders wegen seiner Kleinheit äußerst selten. Leider ist in neuern Zeiten die Schneide etwas stumpf geschlagen. Der Herr Pensionair Reichwald zu Zidderich schenkte diesen Meißel den Schweriner Sammlungen.
G. C. F. Lisch.
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Im Frühling des Jahres 1874 wurden auf dem Domanialpachtgute Ruthen bei Lübz in einem sehr kleinen Torfmoor beim Torfgraben auf dem Grunde des Moors von den Arbeitern viele alterthümliche Gegenstände aus Bronze neben einander gefunden und von dem Herrn Domanialpächter Seeler zu Ruthen mit anerkennenswerther Sorgfalt gerettet und sofort an die großherzoglichen Alterthümersammlungen eingeliefert. Das Gewicht dieses merkwürdigen und seltenen Fundes beträgt 4 Pfund Zollgewicht (2 Kilogramm) und die Anzahl der Gegenstände beläuft sich auf ungefähr 100 Stücke. Die Gegenstände allerlei Art sind fast alle zerbrochene, verworfene und verunglückte Stücke. Das Vorhandensein von Gießzapfen und Gießknollen spricht lebhaft dafür, daß hier eine Gießstätte für Bronzen und der Fund der zum Einschmelzen bestimmte Erzvorrath eines Bronzegießers war, wenn auch keine Gußform dabei gefunden ist. Alle Stücke sind, wie alle in Torfmooren gefundenen Bronzen, ohne Rost und nur von dem Torf etwas bräunlich gefärbt.
Der Fund gleicht also ganz dem Funde von Holzendorf, welcher in den Jahrbüchern XXXIV, S. 220 flgd., beschrieben und ausführlich besprochen ist.
Wie der Holzendorfer Fund gehört dieser Fund von Ruthen der jüngern Bronzezeit an und dürfte den Beweis liefern, daß die jüngern Bronzen an Ort und Stelle im Lande verfertigt wurden. Die Bronzen sind viel hohl gegossen und blechartig und überhaupt kleiner und kümmerlicher, als die kräftigern und in der Regel voll gegossenen und in Kegelgräbern mit schönem, edlem Rost überzogenen Bronzen der altern Bronzezeit, welche immerhin eingeführt sein mögen.
Die einzelnen Gegenstände dieses Fundes sind folgende:
1 Framea mit Schaftloch und Oehr (Celt), wie die in Jahrb. XXXIV, S. 224, abgebildete; der Rand des Schaftloches ist ausgebrochen und die Beilschneide abgebrochen.
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2 Bruchstücke von einer voll gegossenen Framea (Paalstab).
1 abgebrochene Beilschneide von einer Framea.
1 Gußknollen mit zwei Gußzapfen, welcher ohne Zweifel beim Guß einer Framea (Celt) abgebrochen ist. Dieser Gußknollen gleicht genau dem zu Holzendorf gefundenen und in Jahrb. XXXIV, S. 224 und 225 und hier wieder abgebildeten. Diese Gußknollen und Gußzapfen sind bekanntlich die sichersten Zeugen für eine Gießstätte.
1 dünner, offener, wahrscheinlich ausgebrochener Ring von gegossenem Drath, ungefähr 3 Millim. dick, 5 Centim. weit. Dieser Ring ist noch so, wie er aus der Gußform gekommen ist. In der Mitte sitzt noch der noch nicht abgebrochene, 3 Centim. lange Gußzapfen aus der Gießrinne mit dem Gußknollen am Ende. An diesem Stück ist klar die Methode des Gießens zu sehen.
1 kurzes Bruchstück von einem gleichen Ringe, an welchem noch der Gußzapfen mit der Gußknolle, ganz wie der vorige, sitzt; wahrscheinlich ist der Ring bei dem Versuche, den Gußzapfen abzubrechen, zerbrochen.
2 geschlossene Ringe von gleicher Größe und Dicke; es sind noch die Stellen zu sehen, wo die Gußzapfen abgebrochen sind.
2 geschlossene Ringe von ungefähr 3 1/2 Centim. Weite, ebenfalls mit den Gußmarken.
2 offene ähnliche Ringe.
15 Bruchstücke von ähnlichen Ringen, einige mit Gußmarke.
1 Ende zusammen gebogenen Draths von gleicher Dicke.
3 Enden von etwas dickerm Drath mit Gußmarken.
1 kurze Lanzenspitze mit Schaftloch, verbogen und ohne Spitze, welche offensichtlich abgebrochen ist.
5 Bruchstücke von einem kurzen, sehr schmalen Schwerte mit abgebrochener Griffzunge, wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher, zusammen gehörend, zusammen 40 Centim. lang, ähnlich einem Schwerte von Neuhof, Quartalbericht XXXVIII, 2, S. 3. Diese schmalen und graden Bronzeschwerter sind sehr selten und ohne Zweifel jüngern Alters.
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4 kleine und schmale Sicheln, mit senkrecht stehendem Knopf am Griffende, 2 mit halbmondförmiger Klinge, wie Frid. Franc. Taf. XVII, Fig. 9, und 2 mit geschweifter Klinge; von einem Stück ist die Spitze abgebrochen. Gußformen zu solchen Sicheln sind schon früher in Deutschland gefunden.
4 Bruchstücke von einer Hängeurne mit Drachenverzierungen, wie Jahrb. XXXVII, S. 205. Diese Hängeurnen gehören sicher einer jüngern Zeit an und sind nicht "hetrurisch".
1 Zange (Pincette), in zwei Hälften zerbrochen; auf einer Hälfte sitzt noch ein Schieber aus Bronzeblech.
1 zerbrochene Scheibe von einer Heftel mit zwei großen flachen Scheiben, ungefähr wie Worsaae Nordiske Oldsager, 1859, Taf. 51, Nr. 231.
1 kleines Bruchstück von einer ähnlichen Scheibe.
1 kleiner abgebrochener Nadelknopf in Gestalt einer flachen Scheibe, mit concentrischen Ringen verziert.
1 nicht zu deutendes Schmuckstück.
11 Bruchstücke von gewundenen Hals= und Kopfringen von verschiedener Dicke.
2 dünne viereckige Bronzestangen von 6 Centim. Länge.
7 Bruchstücke von glatten blechartigen Armringen; 4 daran haben am Ende ein dreieckiges Loch wie häufig jüngere Armringe dieser Art. Vgl. eine Abbildung in Jahrb. XXXIV, S. 227. Auch zu Holzendorf ward ein solcher Armring gefunden. Ein Bruchstück von Ruthen hat dieselben Linienverzierungen, wie der abgebildete Holzendorfer Armring.
10 Bruchstücke von dünnen, schmalen Armringen mit offenen halbkugeligen Enden, ähnlich wie bei Worsaae a. a. O. Taf. 56, Fig. 260.
4 Gehänge. Drei dünne kreisförmige Platten von ungefähr 3 Centim. Durchmesser mit einem Drathbügel hangen in einem geschlossenen Drathringe von 3 Centim. Durchmesser, welcher wieder in einem geschlossenen kleinern Ringe hängt. Die Ringe zeigen Gußmarken und sind an einer Seite (vom Tragen) etwas ausgescheuert. Einige Stellen der Platten sind im Guß nicht gekommen. Wahrscheinlich dienten diese Gehänge zum Schmuck; ein bestimmter Gebrauch läßt sich aber noch nicht errathen.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Seitdem schon im Jahre 1837 in Meklenburg, zu Kiekindemark bei Parchim, in einem Kegelgrabe eine ,,Hausurne" entdeckt und erkannt ist, haben die heidnischen Grabgefäße dieser Art eine Weite und große Theilnahme gefunden. "Hausurnen" sind die "bienenkorbförmigen" Grabgefäße der Bronzezeit genannt, deren Oeffnung, am häufigsten in Kuppelform, zugedeckt ist und deren Seitenwand eine viereckige Oeffnung hat mit einer einzusetzenden Platte als Thür. Man hat sie daher für eine Nachbildung eines Wohnhauses der Bronzezeit erklärt, in welchem die zerbrannten Gebeine des verstorbenen Bewohners beigesetzt sind. Diese Urnen sind in diesen Jahrbüchern, von Abbildungen begleitet, 1856, Jahrgang XXI, S. 243 flgd. (vgl. XXIV, S. 290 flgd.) besprochen. Die oben erwähnte Hausurne von Kiekindemark, welche in den Jahrbüchern XXI, S. 247 und hier wieder
1/4 Größe.
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abgebildet ist, hat eine sehr ausgebildete und bestimmte Form in der muthmaßlichen Gestalt eines Hauses.
Schon früher, im Jahre 1817, ward in Italien am Albanergebirge bei Castel Gandolfo 1 ) ein ganzes Lager von solchen Urnen entdeckt, welches zu seiner Zeit viel Aufsehen erregte (vgl. Jahrb. XXI, S. 251 flgd.).
Es giebt aber außer diesen Urnen in Gestalt eines runden Hauses oder einer Hütte auch Nachahmungen solcher Grabgefäße, welche ganz die Gestalt einer Urne oder eines cylindrischen Topfes haben, welche jedoch mit einem festen kuppelförmigen Dache oder mit einem losen Deckel bedeckt sind und ein viereckiges Thürloch in der Seitenwand oder in dem Dache haben.
Bei Alba Longa sind 1817 auch mehrere Urnen gefunden, deren Gestalt der Meklenburgischen von Kiekindemark gleich ist.
In den neuesten Zeiten ist aber in Norddeutschland wieder eine Hausurne gefunden, welche der oben abgebildeten Meklenburgischen von Kiekindemark ganz gleich ist. Im Jahre 1872 ward sie auf dem Felde des Gutes Luggendorf in der Mark Brandenburg, 1 1/2 Meilen von Pritzwalk, zwischen Pritzwalk und Perleberg, also ungefähr 5 Meilen südlich von Kiekindemark, beim Drainiren 1 bis 2 Fuß tief unter der jetzt ebenen Erdoberfläche zwischen Steinen ziemlich unverletzt gefunden; leider ist die viereckige Thonplatte zu der Thüröffnung verloren gegangen. Unter lebhafter Theilnahme des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz bei Pritzwalk, unsers vieljährigen correspondirenden Mitgliedes, welcher den seltenen Fund gleich erkannte, kam die Urne mit ihrem Inhalte bald in die Hände des Besitzers des Gutes, Herrn von Wartenberg, welcher den Fund sorgfältig bewahrte, bis er ihn im Frühling 1873 dem Museum zu Berlin übergab. Der Herr Pastor Ragotzky hat unserm Vereine eine ganz getreue, schöne colorirte Abbildung dieser Urne in halber Größe mit einem vollständigen Fundbericht geschenkt. Die Urne von Luggendorf ist in der Form ganz der von Kiekindemark gleich.
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Beide unterscheiden sich von einander nur dadurch, daß die Urne von Kiekindemark ein glattes Kuppeldach hat, die Urne von Luggendorf ein scharf gestreiftes Kuppeldach, als Nachbildung einer Rohr= oder Schilfbedachung. Uebrigens ist das Material der Urne eine grobe, dunkelbraune Thonmasse, wie diejenige aller Grabgefäße der alten heidnischen Vorzeit.
In der Urne befanden sich Knochenreste, Asche und Erde. Dazwischen fanden sich mehrere Gegenstände von Bronze, welche von den Arbeitern bei Seite geschafft und leider nicht sämmtlich wieder zusammen gebracht sind. Jedoch gelang es dem Herrn Pastor Ragotzky bei seinen Nachforschungen in Luggendorf noch folgende Gegenstände wieder zu erlangen: eine stark oxydirte, etwa 5 Zoll lange Nadel und einige kleine zierliche Schnallen von etwa 2 Zoll Durchmesser, mit sehr schöner, glatter, dunkler Patina überzogen. Dieser Fund beweiset also wieder, daß die runden Hausurnen der Bronzezeit angehören, wie ich schon früher zu beweisen gesucht habe.
Ungefähr um dieselbe Zeit ward noch eine Urne dieser Classe entdeckt. Der Herr Dr. Hostmann zu Celle fand nämlich im Winter 1871-72 in der Sammlung des Herrn Dompropstes Thiele zu Braunschweig eine sogenannte "Hausurne", welche in einem großen Urnenfriedhofe bei Nienhagen unweit Halberstadt gefunden ist. Diese Urne hat nun keine Aehnlichkeit mit einem Hause, sondern ist nur eine "Nachahmung", wie oben bemerkt ist: sie ist ein Topf in Becherform und mit einem losen, flachen Deckel zugedeckt. Aber sie hat im obern Theile einer Seitenwand eine viereckige Oeffnung, zu welcher noch die viereckige Thür aus Thon vorhanden ist; die Urne war mit Knochen gefüllt, die Thür mit einem "metallenen" Stift verschlossen. Daß diese Urne nicht ein Haus vorstellen soll, versteht sich von selbst; aber der Topf hat charakteristische Merkmale der Hausurnen. Eben so fanden sich auch am Albaner Gebirge neben vollständig ausgebildeten Hausurnen auch solche Töpfe von derselben Form wie die Urne von Nienhagen, welche auch eine Thüröffnung in der Seitenwand und einen losen Deckel jedoch in der Form eines Hausdaches, mit Sparren, First und Hahnebalken, hatten. Herr Dr. Hostmann hat die Güte gehabt, an den Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde und an den Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin eine Photographie der Urne von Nienhagen zu
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übersenden, und Herr Professor Dr. Virchow hat dieselbe in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Sitzung vom 15. Juni 1872, S. 16, in Holzschnitt abbilden lassen. Herr Dr. Hostmann setzt das Urnenlager von Nienhagen in das 3-4 Jahrhundert nach Chr. G., "wie er, nach seinen Worten, aus den Beigaben erweisen kann".
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In den Jahrbüchern XXV, S. 215 flgd., bei Besprechung des bronzenen Kesselwagens von Peccatel und anderer verwandter Funde macht Lisch auf die Aehnlichkeit desselben mit den sogenannten "Gestühlen" aufmerksam, die Salomo, nach 1. Kön. 7, 27 flgd., durch den Tyrer Hiram für den Tempel zu Jerusalem anfertigen ließ und theilt daselbst einen darauf bezüglichen Aufsatz Ewald's mit, der eben daraus eine nähere Verwandtschaft zwischen althebräischen und alteuropäischen Gebräuchen aufzuweisen sucht. Auf den Zusammenhang unserer nordischen und der orientalischen Bronzecultur, genauer der Aegyptens, dessen Kunst in inniger Beziehung zu der Phönizischen stand, von der Nilsson so scharfsinnig und mit so viel Gelehrsamkeit die nordeuropäische herleitet, weis't auch eine in dem ägyptischen Museum zu Bulaq aufbewahrte kleine goldene Barke auf vier bronzenen vierspeichigen Rädern ruhend, welche neben andern Kostbarkeiten, Schmucksachen und Waffen im Grabe der ägyptischen Königin Aah-hotep zu Drah-abou'l-neggah (Theben) gefunden ist. Nach der Vergleichung dieses Kunstwerkes, das in einer von Ralph in Cairo nach dem Originale genommenen Photographie mir vorliegt, und der Abbildung des Peccatelschen Kesselwagens in den Jahrbüchern a. a. O. sind die Räder an beiden einander durchaus gleich; doch während an diesem die Achsen und Langbäume glockenförmig nach oben ausgebogen, sind sie an jenem ls Träger zweier vierkantigen Hölzer, worauf die Barke ruht, grade gestreckt. Die nähere Beschreibung des ägyptischen Alterthums lasse ich am besten mit den Worten Mariette's in seiner Notice des principaux monuments du Musée d'antiquités égyptiennes à Boulaq, Paris 1872, No. 839 folgen, nur bemerkend, daß, während hier die
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Größenangabe fehlt, er die Länge einer ähnlichen goldenen Barke, aber ohne Bronzewagen, die auch bei der Mumie der Aah-hotep gefunden ward, unter Nr. 532 auf 0,39 m. bezeichnet.
"Une barque garnie de son equipage et montée sur un chariot à quatre roues. La barque ,est d'or massif, le train qui la supporte est de bois, les roues sont de bronze à quatre rayons. Par ses formes gracieuses et légères notre monument rappelle les barques célèbres du Nil faites, selon Pline, de papyrus, de jenes et de roseaux. L'avant et l'arriere sont releves et termines par des bouquets de papyrus recourbés. Les rameurs, au nombre de douze, sont d'argent massif. Au centre de la barque est assis un petit personnage tenant d'une main la hachette et le bâten recourbé. A l'avant un second personnage est debout dans une sorte de petite cabine decorée à l'exterieur de plusieurs des emblèmes nommés boucle de ceinture. Le timonier est à l'arrière. Il se sert du seul gouvernail connu alors, c'est à dire d'une rame à large palette. Une seconde petite cabine ou plutôt une sorte de large siège est derrière lui. Un lion passant, avec le cartouche - prénom de Kamés, - est gravé sur la paroi extérieure de cette seconde cabine. Ces trois personnages sont en or".
Die Aah-hotep, in deren Grabe dieses Kunstwerk gefunden, sieht Mariette für eine Königin der 18. Dynastie an, weil an unserer Barke und an einigen Waffen der Name des Königs Kames und an andern Schmucksachen dieses Fundes der des Ahmes zu lesen. Diesen letzteren erklärt er für identisch mit dem bekannten Besieger der Hyksos und Gründer des genannten Regentenhauses um 1700 v. Chr. Aber Mariette gesteht selbst, a. a. O. pag. 263, daß unlösliche Schwierigkeiten bei dieser Annahme entstehen, will man die Stellung beider Fürsten zu einander und der Aah-hotep zu ihnen näher bestimmen. Daher dürfte es sich empfehlen, Ahmes für einen noch unbekannten König der XI. Dynastie der Entefs zu nehmen, wie Mariette selbst bei Besprechung eines Amulets unter Nr. 579 genöthigt ist, einen Fürsten dieses Namens als "un roi inconnu de la XI e dynastie"
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zu statuiren und so auch die Königin Aah-hotep und die bei ihrer Mumie gefundenen Kostbarkeiten in diese Periode von 3060 vor Chr. hinabzurücken. Diese Annahme empfiehlt sich auch dadurch, daß der Name und Titel der Verstorbenen wie die ganze Begräbnißweise durchaus die der Zeit der Entefs sind. Darnach wären über 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Bronzewagen mit vierspeichigen Rädern wenigstens in Aegypten gebräuchlich gewesen.
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Der Herr Drost v. Pressentin zu Dargun berichtet im Mai 1868 Folgendes:
Zu Zarnekow (bei Dargun) sind vor Kurzem Gräber aufgedeckt, die in einer flachen Bodenerhebung mitten im Acker lagen. Die Urnen standen 1 bis 2 Fuß tief und waren theils aus Thon mit Glimmerfünkchen, theils aus Thon mit Grand, und dem Anschein nach nicht auf der Töpferscheibe gefertigt. Sie hatten weiter keinen Inhalt, als Asche und zerbrannte Knochen. Nur in einer oder zwei Urnen wurden zwei eiserne Hefteln gefunden.
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Auf dem reizend gelegenen großherzoglichen Hausgute Raben=Steinfeld am großen Schweriner See, werden südwestlich nahe vor dem großherzoglichen Palais, dort wo der Küchengarten beginnt, bei Thierknochen viele Topfscherben gefunden, von denen der Herr Secretair Fromm zu Schwerin mehrere überreicht hat. Diese Scherben sind nach heidnischer Weise mit Durchknetung von Sand bereitet und mit denselben Verzierungen geschmückt, welche die Topfscherben auf den fürstlichen Burgwällen der letzten Heidenzeit tragen, einige derselben sind so bezeichnend, daß man nicht daran zweifeln darf, daß sie der letzten Heidenzeit angehören.
G. C. F. Lisch.
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Vor einigen Jahren stieß der Herr Förster Feldten zu Cremmin bei Grabow beim Rajolen des Gartens des Forsthofes auf einen heidnischen Begräbnißplatz, auf welchem sich große Massen von Urnenscherben fanden. Er förderte auch eine wohl erhaltene Urne zu Tage, welche mit Asche und Knochenresten gefüllt war; leider ward dieselbe aber bald darauf zertrümmert. Andere Alterthümer wurden nicht gefunden. Nach den Scherben zu urtheilen gehört der Begräbnißplatz in die letzte Zeit des Heidenthums.
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Der Herr Kammer=Secretair Meyer zu Schwerin fand 1873 in seinem Garten hinter seinem Hause an der Poststraße, dem Posthause gegenüber, einen Spindelstein, den er dem Verein schenkte. Dieser Spindelstein, aus grauem Thon, mit Parallelkreisen umher verziert, ist der kleinste, den die Schweriner Sammlungen besitzen: er hat 2 Centim. im Durchmesser und 1 1/2 Centimeter Höhe.
G. C. F. Lisch.
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Auf dem Felde zu Nieder=Rövershagen bei Rostock fand der Gutspächter Herr Pätow einen seltenen Spindelstein und schenkte denselben durch Vermittelung des Herrn Pastors Dolberg zu Rövershagen dem Vereine.
Der Spindelstein ist von dunkelgrünem Glase. Die eine, etwas gewölbte Oberfläche ist mit eingelegten gelben Zickzacklinien oder Spitzen verziert; der Rand ist hellgrün oder gelblich.
Die Masse ist keine Paste, da eine kleine beschädigte Stelle am Rande einen glänzenden Glasbruch zeigt. Die Arbeit ist ohne Zweifel römisch.
G. C. F. Lisch.
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Auf dem Felde von Hinter=Wendorf bei Wismar wurden im Herbste 1864 auf einer kleinen Anhöhe zwischen dem Hofe Hinter=Wendorf, der Grenze des Gutes Hoben und der Ostsee, beim Abräumen eines Mergellagers mehrere Alterthümer gefunden, welche für eine ehemalige wendische Wohnstelle reden. Es wurden sehr viele Gefäßscherben gefunden, welche meistentheils roh und rauh gearbeitet und dickwandig sind; unter diesen ist auch die Scherbe eines Gefäßes, welches in den Seitenwänden von kleinen Löchern durchbohrt ist, also eines thönernen Trichters, wie dergleichen schon früher im Lande gefunden sind. Ferner wurden daneben unverbrannte Thierknochen und Rinderzähne gefunden, endlich auch eine vollkommen erhaltene eiserne Schere, in Form einer Schafschere, und ein eisernes Messer. Alle diese Alterthümer sammelte der Herr Rentier Mann zu Wismar und schenkte sie dem Vereine. Aus der Gestalt der Topfscherben und aus den Thierknochen muß man annehmen, daß hier ein Wohnplatz war, aber kein Begräbnißplatz.
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Hauptmann a. D. Baron v. Nettelbladt zu Güstrow fand auf dem Burgwalle Gotebant bei Mölln (Bahnhof, bei Stavenhagen) außer vielen verzierten Topfscherben auch einen Pfriemen aus Knochen, aus einem ziemlich starken Röhrenknochen, den er dem Vereine schenkte. Knöcherne Pfriemen werden in Meklenburg selten gefunden.
G. C. F. Lisch.
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Herr Ingvald Undset, Studiosus der Philologie zu Christiania, hat im J. 1873 im nördlichen Norwegen einen (auch für Meklenburg) höchst merkwürdigen Fund von römischen Alterthümern gemacht und denselben in den norwegischen Vereinsschriften beschrieben, mir auch in freundlicher Theilnahme außer der Beschreibung, einer sehr verdienstlichen und einflußreichen Arbeit, eine Photographie der gefundenen Alterthümer gesandt.
Der Fund ward auf der Lines=Insel (Linaesöe) an der Küste von Norwegen nördlich von Drontheim, nördlich vom 64. Grad nördlicher Breite (64 ° 1') gemacht, also nicht sehr weit vom nördlichen Polarkreise.
Die Lines=Insel wird so genannt nach den auf ihrem nördlichen Ende liegenden Höfen dieses Namens; im Volksmunde heißt sie allgemein Voks=Insel, und dies mag wohl der ursprüngliche Name sein. Auf der nördlichen Spitze der Insel findet sich eine Anzahl langer und runder Sandhügel. Höher hinauf liegen mehrere Steinhaufen. Auf dem Hofe Sörgård finden sich mehrere Steinhaufen. In einem derselben, welcher vor einigen Jahren beim Urbarmachen eines Ackerstückes ausgebrochen ward, fand der Besitzer des Gutes Nils Hansen auf dem Grunde eine Lage von Kohlen und Asche und ziemlich in der Mitte unter einigen großen Steinen folgende römische Alterthümer: einen "Krater" (Kessel oder Eimer mit Fuß), eine Kelle und ein Sieb, alle von Bronze. Glücklicherweise waren diese Sachen in einem Bootschuppen verwahrt, wo sie Herr Undset fand und erwarb.
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Auf die Erkenntniß und Bestimmung dieser Alterthümer hat die Entdeckung der Römergräber von Häven in Meklenburg, dargestellt in unseren Jahrbüchern XXXV, S. 100 flgd., welche Herr Undset kannte, entscheidenden Einfluß gehabt.
Der "Krater" ohne Henkel, war, wie häufig, zerbrochen; fast der ganze Rand und der Fuß sind jedoch erhalten, so daß die ursprüngliche Größe und Form zu erkennen sind. Die Mündung hat 14 1/2" im Durchmesser. Der Rand hat eine nach innen vorspringende Kante; inwendig unter der Kante sind einige Linien eingedreht. Auf dem Fuße sind mehrere Kreise abgedrehet. Dieser Krater stimmt also an Größe, Form und Bearbeitung völlig über ein mit dem zu Häven in Meklenburg in einem Römergrabe gefundenen und in Meklenb. Jahrb. XXXV, Tafel I, Fig. 2, abgebildeten Krater, und mit dem Krater in Worsaae Nordiske Oldsager, Tab. 74, Nr. 302.
Die Kelle hat unter dem Rande und auf dem Boden eingedrehete Kreise. Sie gleicht der bei Häven gefundenen, abgebildet in Meklenb. Jahrb. XXXV, Tafel I, Fig. 4.
Das Sieb paßt genau in die Kelle, so daß die Ränder sich decken. Der Griff ist abgebrochen. Die Löcher im Boden bilden eine Rosette, an den Seiten zwei paar Kreise, durch Schrägestriche verbunden.
Bei der Auffindung lag das Sieb in der Kelle, und beide zusammen lagen umgestülpt in dem Krater. Die Fundgegenstände gleichen also ganz den bei Häven entdeckten.
Dieser Fund ist dadurch außerordentlich wichtig, daß er der nördlichste Fund römischer Alterhümer 1 ) in den drei nordischen Reichen ist, und wieder einen Beweis liefert, wie stark der vom Römischen Reiche ausgehende "Kulturstrom" gewesen ist.
Wenn Herr Undset in seinem Briefe meint, es sei nicht unwahrscheinlich, zu vermuthen, daß der Fund von der Lines=Insel auf eine römische Handelsfactorei in Meklenburg hinweise, so möchte ich, obwohl voll Eifer für die Sache, so kühn nicht sein.
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Der Herr Kaufmann Lilliendahl zu Neu=Dietendorf bei Gotha hat dem Vereine aus Theilnahme zur Vergleichung einen Fund zum Geschenk gemacht, der allerdings geeignet, ist, Aufmerksamkeit zu erregen, wenn der Fund auch grade keine glänzende Außenseite hat. Er ward beim Grundausgraben zu einem neuen Hause in Neu=Dietendorf gemacht. Der Boden bestand aus Lehm; doch bemerkte Herr Lilliendahl, daß sich darin Gruben befanden, welche mit Humus gefüllt waren. In diesen Gruben fand derselbe in einer Tiefe von 3-6 Fuß nun folgende Sachen:
1) Zahlreiche Scherben von Töpfen und Schalen, alle nach heidnischer Weise bereitet, theils ganz roh, theils von feiner Arbeit, mitunter auch geglättet und schwarz von Farbe, alle von ziemlich großen Gefäßen. Alle Gefäße scheinen nach Gestalt und Größe zum häuslichen Gebrauche, nicht zur Leichenbestattung bestimmt gewesen zu sein. Unter diesen Scherben befindet sich
2) ein Randstück von einem sehr großen Gefäß, dessen Wandung 14 Millimeter dick ist; das Gefäß hat offenbar zu einem großen Vorrathstopfe oder Wasserkübel gedient.
3) Stücke von einem dicken, auf der Oberfläche geebneten, roth gebrannten Lehmschlag, über 7 Centim. dick, welcher offenbar die Oberfläche eines Feuerheerdes gebildet hat.
4) Stücke von Lehmschlag, welche auf der untern Seite Eindrücke von (hölzernen) Stangen haben, also wohl Wand= oder Dachbekleidungen gewesen sind.
5) Schlacken und mürbe gebrannte Steine.
6) Ein kleiner, 4 Centimeter langer, künstlich zugespitzter und geglätteter Pfriemen aus einem Vogelknochen.
7) Viele Thierknochen, namentlich Kinnladen und Zähne vom Rind, Schaf und Schwein.
Aus der Lage und Beschaffenheit der Fundstücke und durch Vergleichung mit ähnlichen Vorkommenheiten gelangt man bald zu der Ansicht, daß hier menschliche Ansiedelungen vorliegen, und zwar Höhlenwohnungen oder Grubenwohnungen, welche sich in Meklenburg mit ähnlichen Ueberresten auch immer 4-5 Fuß tief unter der Erdoberfläche zu finden pflegen. Es dürften also hiernach heidnische Höhlenwohnungen auch in Thüringen gefunden sein. - Aehnliche Beobachtungen scheint auch Dr. Klopfleisch zu Jena
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nach seinen Berichten auf der General=Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Schwerin, Septbr. 187l, in Thüringen gemacht zu haben.
Das Alter dürfte schwer zu ermitteln sein. Die Gefäßscherben sind gut und sorgsam gearbeitet und deuten auf eine alte Zeit. Die Knochen sind aber noch ziemlich frisch und fest.
Ein Zeugniß könnten vielleicht
8) einige verzierte schwarze Gefäßscherben geben. Es sind Scherben von schwarzen Gefäßen vorhanden, welche mit eingeschnittenen Parallellinien verziert sind. Solche Gefäße gehören in Meklenburg der altern Eisenzeit an. Es ist aber auch eine feine schwarze Scherbe vorhanden, welche reiche Verzierungen von Punktlinien hat, welche offenbar mit einem Werkzeug eingedrückt sind. Solche Urnen kommen bekanntlich in Meklenburg häufig vor und fallen in die Zeit der Römergräber oder römischen Alterthümer in Meklenburg, also ungefähr in das 2.-3. Jahrhundert n. Chr. Ich würde daher aus allen diesen Gründen kein Bedenken tragen, diesen Fund von Neu=Dietendorf eben dieser Zeit anzuweisen. Bemerkenswerth ist jedoch die Eigenthümlichkeit, daß die "Punkte" in den "Punktlinien" nicht, wie in Meklenburg, aus kleinen Vierecken, sondern aus Dreiecken wie kleine Pfeilspitzen bestehen.
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Dr. L. Schultze zu Gotha, Mitglied des Vereins, schenkte demselben eine große steinerne Streitaxt, welche zu Gerolstein in der Eifel gefunden; er erhielt dieselbe mit einer Sendung von Petrefacten von Gerolstein. Diese Streitaxt, welche aus braunem vulkanischen Gestein besteht und 3 Pfund schwer ist, hat genau die Gestalt der ältesten Streitäxte der baltischen Länder mit roh abgerundeter Bahn; das Stielloch ist etwas Schräge, oben nach hinten zu, durchgebohrt. - Diese Streitaxt kann also als ein Zeichen gleicher Cultur des Westens mit dem Nordosten gelten.
G. C. F. Lisch.
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Bekanntlich gehört die Entdeckung der ,,Kjökkenmödding" (Küchenabfälle) an den Küsten des Kattegat und deren Bearbeitung zu den großartigsten wissenschaftlichen Eroberungen der neuesten Zeit, deren Mittelpunct die großen wissenschaftlichen Anstalten Kopenhagens bilden. Ohne hier tiefer auf das Wesen dieser merkwürdigen Erscheinungen eingehen zu können, sei nur bemerkt, daß die Kjökkenmödding ungeheure Hügel oder Bänke von weggeworfenen Speiseresten bilden, welche zum größten Theil aus Muschelschalen (eßbaren Meermuscheln), Thierknochen, Fischgräten und Feuersteingeräthen bestehen: die Muschelschalen gehören größtentheils den Austern und Herzmuscheln an; die Thierknochen stammen von wilden Säugethieren und zahlreichen Vögeln (von Hausthieren ist nur der Hund vertreten); die Feuersteingeräthe sind roh geschlagen und nicht polirt. Diese Ueberreste menschlicher Ansiedelungen gehören einer sehr fernen Zeit an, der Zeit des nicht polirten Feuersteins.
Während des glänzenden internationalen Congresses für vorhistorische Archäologie zu Kopenhagen (27. August bis 3. Septbr. 1869), aus welchem Männer der Wissenschaft aus ganz Europa versammelt waren und an welchem auch der Geh. Archivrath Dr. Lisch aus Schwerin Theil nahm und zu einem der Vicepräsidenten erwählt ward, war am 30. Aug. auch eine Fahrt nach dem zunächst liegenden Kjökkenmödding=Haufen bei Sölager veranstaltet. Sölager liegt am Ausgange der Roeskilde= und Ise=Fjords in das Kattegat, bei Lynaes, 6 Meilen nördlich von Roeskilde. Die glänzend ausgerüstete Expedition ging zuerst auf der Eisenbahn durch Extrazug bis Roeskilde, von Roeskilde auf einem großen Dampfschiffe 6 Meilen durch den Fjord nach Sölager und von hier auf vielen von den Landleuten der Umgegend gestellten Wagen zu den gegen 1/2 Meile von Sölager an der Küste liegenden Kjökkenmödding. Hier waren unter der Leitung der Herren Professor Steenstrup und Kammerrath Herbst einige Tage vorher geeignete Anstalten zur Untersuchung des innern, auf der Oberfläche schon bewachsenen, lang gestreckten und hohen Hügels getroffen, indem weite und tiefe Gräben auf und ab durch den Hügel gezogen waren, so daß das Innere des Hügels in den Seitenwänden der Gräben von der großen Gesellschaft genau durchwühlt und durchforscht werden konnte, was denn auch von Allen mit der größten Begier ausgeführt ward. Das ganze Innere
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des Hügels oder Berges stellte sich als eine ungeheure Masse von Millionen von uralten Muschelschalen dar, welche reichlich mit Thierknochen, Fischgräten, Feuersteingeräthen gemischt war. Die zahlreichen Funde bei der Ziehung der Gräben waren bei der Ankunft der Congreßmitglieder unter einem Zelte geordnet ausgestellt. Jeder der Anwesenden arbeitete, forschte und suchte selbst in wissenschaftlichem Verkehr. Bei der Rückkehr am Abend in Roeskilde ward die Gesellschaft durch Erleuchtung des eben restaurirten prachtvollen Domes und vollendetes Orgelspiel überrascht. Der ganze Tag war ein wahrer Festtag bei günstigem Wetter. Die Ausbeute, welche der Geh. Archivrath Dr. Lisch gewonnen und dem Vereine als Geschenk mitgebracht hat, besteht aus folgenden Stücken:
35 | Austerschalen (Ostrea edulis); |
48 | Herzmuscheln (Cardium edule); |
7 | Miesmuscheln (Mytilus edulis); |
4 | Strandschnecken (Litorina (Turbo) littorea); |
5 | Säugethierknochen; |
12 | Vogelknochen; |
2 | polirte knöcherne Pfriemen, davon 1 von dem Herrn Jägermeister Bruun auf Humlebek bei Helsingör gefunden und geschenkt; |
12 | von Menschenhand scharfkantig geschlagene, unregelmäßige Feuersteinstücke; |
1 | Austernbrecher von Feuerstein; |
1 | "Schraper" von Feuerstein; |
10 | Messer und Pfeilspitzen von Feuerstein; |
3 | geschlagene Steine von andern Arten; |
1 | kleiner cubischer Granitstein, mit darüber gebogener Muschelschale beklebt. |
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Seit mehreren Jahren ist oft von zerschlagenen und gespaltenen Feuersteinen (silex) die Rede gewesen, welche in Aegypten häufig gefunden sind 1 ), namentlich durch französische Reisende und Gelehrte in Ober=Aegypten, und man ist durch diese Funde veranlaßt worden, auf eine "vorhistorische Steinzeit" auch in Aegypten zu schließen. Gegen diese Ansicht erhob sich Lepsius 2 ), "indem er alle diese Funde für zufällige Ergebnisse der Zersplitterung des Gesteins durch solare und atmosphärische Einflüsse erklärte". Diese Ansicht erregte überall großes Aussehen.
Herr Dr. Reil zu Cairo, "der Begründer des frühern Clinicums in der Abbasieh und jetzt des Schwefelbades Hélwan (oder Hélouan) bei Cairo", hat aber bei Hélouan nicht sehr weit von Cairo, eine Menge von feuersteinernen Werkzeugen gefunden, welche die Ueberzeugung aufdrängen, daß wir es "hier nicht mit angeblichen Naturspielen, sondern mit Werkzeugen von menschlicher Thätigkeit zu thun haben". Herr Dr. Reil, welcher die Funde mit Aufmerksamkeit durchforscht hat, hat darauf im Sommer 1873 photographische Abbildungen mit Beschreibungen an die anthropologische Gesellschaft zu Berlin geschickt 3 ), ohne hier jedoch ein bestimmtes Ergebniß zu erzielen.
Jetzt (im Mai 1874) hat Herr Dr. Reil Sr. K. H. dem Großherzoge Friedrich Franz von Meklenburg= Schwerin,
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welcher im Anfange des Jahres 1872 Aegypten bereiste und im Januar und Februar auch in Cairo war, für die Sammlungen zu Schwerin über 100 Stück Feuersteingeräthe geschenkt, welche er selbst bei Hélouan gesammelt hat und dieselben mit einem Fundberichte begleitet.
Diese Fundgegenstände von Feuerstein sind folgende:
1) "6 sägeförmig bearbeitete Silexsplitter."
Dies sind sehr regelmäßig und geschickt geschlagene Feuersteinspäne oder sogenannte Messer von 1 Centim. Breite und 3 bis 4 Centim. Länge, mit einer glatten Unterseite und drei bis vier Oberseiten, von trapezoidischem Durchschnitt, genau so gearbeitet wie die nordischen Spanmesser; die Zahnung der scharfen Seiten zu Sägen ist äußerst fein, regelmäßig und geschickt.
2) "25 gut charakterisirte Pfeilspitzen."
Dies sind sehr geschickt, sicher und regelrecht geschlagene dreiseitige glatte Spitzen mit einer glatten Unterseite und zwei glatten Oberseiten, meistens 3 Centim. lang, auch etwas länger und kürzer. Diese Pfeilspitzen sind auf den Oberflächen und Schneiden nicht gekröselt oder muschelig gedrückt, wie die bessern nordischen gewöhnlich zu sein pflegen, sondern einfach und sicher geschlagen. An vielen Exemplaren ist die Schlagmarke sehr deutlich ausgeprägt.
3) "28 untaugliche Pfeilspitzen."
Dies sind unvollkommene Exemplare von verschiedener Länge, aber alle geschlagen, theils von dreiseitigem, theils von trapezoidischem Durchschnitt. Einige zeigen auch die Schlagmarke.
4) "20 Kratzer, Schaber, größere unvollkommene Pfeilspitzen",
meistentheils Späne, ähnlich den Sägen, größtentheils von trapezoidischem Durchschnitt, zum Theil auch mit der Schlagmarke, vielleicht theils Messer, theils Pfeilspitzen.
5) "6 größere Schaber oder Messer",
wie die Messer und Sägen, aber stärker, größer und unvollkommener, einige auch mit der Schlagmarke.
6) "18 bei Bearbeitung des "Silex abgefallene Splitter ohne Deutung",
offenbar unregelmäßiger Abfall bei der Arbeit, einige Exemplare auch mit einer Schlagmarke.
7) "6 Kerne (nuclei) von "Silex, an welchen die Arbeit des Abschlagens der Splitter ersichtlich",
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derbe Knollen von ungefähr 3 Centim. Durchschnitt und Länge, mit vielseitiger Oberfläche durch das Abschlagen der Späne gebildet.
8) "4 natürliche Kieselsplitter und abgewetzte Kiesel" (Feuersteinbrocken) "aus einem zwischen zwei Thonschichten vorkommenden Kieselgeschiebe vom Plateau von Hélouan über dem tertiären Kalk."
Alle diese hier aufgeführten Gegenstände haben ihre Form ohne Zweifel durch Menschenhand erhalten.
Herr Dr. Reil giebt zu dieser Sendung und Aufzählung folgende handschriftliche Erläuterung.
"Ueber die in Hélouan bei Cairo (Aegypten) gemachten Funde an Silexinstrumenten.
Locales und Geologisches.
Vier Stunden (26 Kilometer) von Cairo südlich, zwischen den Bergzügen der arabischen Wüste und dem Nil, liegt in einer Ausdehnung von ungefähr 4 Kilometer ein sandiges und felsiges Plateau, das nicht nur 8 lauwarme Schwefelquellen (dem Bad=Etablissement Hélouan dienstbar) enthält, sondern auch sonst wie ein Schwamm mehrere Wasseradern in seinem Boden zwischen thonigen Sandschichten birgt, die dem tertiären Kalk aufgelagert sind. Dieser Umstand reichlicher Wassermenge, wenn auch salzigen Wassers, ist um so auffallender, als das Plateau von Hélouan 40 Meter über dem mittleren Wasserspiegel des Nil und 1-4 Kilometer vom Nil östlich liegt, auch kein nennenswert hoher Gebirgszug vorhanden ist, der als Druckwerk wirken könnte. Es bleibt nur die Annahme, daß dieselben vulkanischen Kräfte, welche die Schwefelquellen aus einer, der Temperatur von 32 ° Cels. nach, nicht unbedeutenden Tiefe heraufbefördern und in Masse von über 1000 Cubikmeter täglich frei abfließen lassen, durch Durchsickerung in die umgebenden Bodenschichten letztere fortwährend durchtränken. - Die Oberfläche des Plateaus von Hélouan besteht theils aus von den Bergen herabgewaschenem Kalksteingeröll, theils aus Sand, thonigem Sande, halbverwittertem Gyps, dünnen Kochsalz= und Magnesia=Lagern und compact gewordenem Sande, einer Art Sandstein jüngster Formation, in welchem große
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Stücke versteinerten Holzes und Kieselknollen an einzelnen Stellen gefunden werden. (Miocen=Bildung.)
Geschichtliches.
Wenngleich es bisher nicht gelungen ist, den geschichtlichen Beweis dafür zu liefern, daß die Schwefelquellen von Hélouan früher als zur ersten arabischen Zeit ausgedehnter Benutzung übergeben wurden, so läßt sich doch bei den bekannten und allen Völkern zu allen Zeiten inwohnenden Vorliebe für Quellen, besonders warme und sonst ausgezeichnete, annehmen, daß auch die Schwefelquellen von Hélouan in frühester Zeit wenigstens bekannt waren und von den damaligen Einwohnern Aegyptens besucht und benutzt wurden. Die älteste historische Quelle findet sich bei dem arabischen Compilator Macrisi, welcher erzählt, daß der ägyptische Herrscher Abdul Assis ibn Maruan beim Ausbruche der Pest 1 ) Fostad (erste Ansiedelung der Araber vor Gründung Cairos) verließ, sich gegen Osten in die Wüste an einen Ort zurückzog, wo er die Quellen fassen, Bäder, Palläste und Moscheen bauen ließ, Datteln und Weinreben pflanzte und lange mit seinem Hofstaat und Soldaten residirte. Fassung und Badebassin der großen Hauptquelle ist auch vom Unterzeichneten wieder aufgefunden worden, sowie auch zahlreiche Trümmerfelder auf dem ganzen Plateau alte arabische Bauten nachweisen lassen. Eine halbe Stunde östlich im Gebirge befindet sich auch ein kegelförmiger Berg, der an seiner Spitze durch einen 4 m. Durchmesser haltenden behauenen Schacht 21 m. tief durchbohrt ist und - aus den Trümmern eines Sarkophags aus schwarzem Granit zu schließen - wahrscheinlich einem alten ägyptischen Könige, vielleicht vor dem Pyramidenbau, zur Grabstätte diente. Inschriften fehlen.
Fundstelle der Silexgeräthe.
Seit December 1871, wo Unterzeichneter die ersten Silexsplitter von Menschenhand geschlagen auffand, hat derselbe gegen 10 Fundstellen entdeckt, die alle das gemeinschaftlich haben, daß sie sich in fast unmittelbarer Nähe der neu aufgefundenen Schwefelquellen und anderer wasserreichen Orte finden. Die Silexsplitter liegen hier lose auf dem Sande, manch=
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mal viele zusammen, manchmal über einen großen Raum durch Wind und Regengüsse zerstreut. Nie finden sich in unmittelbarer Nähe der Fundstellen Lager von Silexknollen der Wüste, entgegen den sogenannten Fundstellen von Hamy, Lenormant und Arcelin, die ihre angeblichen Silexwaffen grade inmitten unzählbarer Knollen der Kieselgeschiebe auf den Bergen auflasen.
Material und Bearbeitung.
Das Material, aus welchem die Silexsplitter herausgeschlagen sind, ist so verschiedenartig an Farbe, daß Unterzeichneter der Ueberzeugung ist, nur zum geringen Theile seien die in den Wüsten um Hélouan herum und in der gegenüberliegenden lybischen Wüste vorkommenden Silexknollen benutzt worden, sondern man habe das Material aus anderen Gegenden, zum Theil wenigstens, bezogen. Während nämlich schwarze und braune, auch graue Silexknollen in den beiden Wüsten nahe Hélouan genug vorkommen, fehlt die reine gelbe oder rosenrothe Feuersteinsorte daselbst gänzlich. Unterzeichneter hat letztere aber zahlreich in den Kalkfelsen, z. B. Miniéh gegenüber, gefunden.
Was die Methode der Bearbeitung anbetrifft, so übergeht der Unterzeichnete etwaige hierauf bezügliche Versuche und Hypothesen. Die Merkmale menschlicher Bearbeitung stehen bei den Kennern von Silexwaffen fest. Täuschungen sind bei den in Hélouan gefundenen Gegenständen nicht möglich, wohl aber bei den oberägyptischen Funden der oben angeführten Gelehrten. Einige der beigeschlossenen Sammlung angefügte Stücke (Nr. 8) von Kieselsplittern, die in einer zwischen Thonlagern eingeschlossenen miocenen Schicht Kieselgerölle gefunden wurden, wo ähnliche nach vielen Tausenden aufzulesen wären, mögen als Beispiel dienen, daß lackartiger Ueberzug und ausgebrochene Facetten nicht untrügliche Merkmale von durch Menschenhand hergestellten Silexgeräthen sind. Weit wichtiger ist die immer unwandelbar wiederkehrende Form der Silexsplitter -, hervorgebracht theils durch die Spaltungsgesetze der Silexknollen - muschelig -, theils durch die Intention des Schlagenden, der einen Gegenstand von bestimmter Form zu einem bestimmten Ge=
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brauch herstellen wollte: z. B. Pfeilspitzen, Messer, Schaber und Kratzer in Form von Meißel oder Säge. Letztere Form vor Allem, sowie die beigelegten nuclei, an deren Facetten man die menschliche Bearbeitung am deutlichsten sieht, möchte wohl den hartnäckigsten Zweifler überzeugen, daß dergleichen Formen nicht ein Spiel des Zufalls sein können.
Die Frage, ob die in Hélouan gemachten Funde einer sogenannten prähistorischen Zeit von Aegypten anzupassen sind, wagt Unterzeichneter nicht zu bejahen, da er die Behauptung aufzustellen wagt, man könne in Aegypten vielleicht selbst noch im ersten Zeitraum arabischer Herrschaft Pfeilspitzen aus Silex statt eiserner gebraucht haben, so gut als die jetzigen Beduinen noch Luntenflinten führen, trotzdem daß sie Percussionsgewehre à 2 Rth. in allen Läden Cairos kaufen können. Prähistorisch ist eben ein sehr relativer und elastischer Begriff."
Hélouan bei Cairo, 1873.
Dr. W. Reil."
Aus dem Vorgetragenen wird hervorgehen, daß diese bei Hélouan gefundenen Gegenstände ohne Zweifel von Menschenhand absichtlich hergestellt find, gleich denen im nördlichen Europa gearbeiteten, und nicht durch ein Spiel von Naturkräften gebildet sein können; die Bildung durch Menschenhand ist dem Kenner auf den ersten Blick klar. Ob aber diese Geräthe Zeugnisse für eine "prähistorische Cultur", d. h. für eine Steinzeit, in Aegypten sind, das mag noch unentschieden bleiben, bis man dort Gräber aus der Steinzeit (Dolmen) mit gleichen oder ähnlichen Geräthen oder kunstreicher bearbeitete Geräthe aus Feuerstein findet. Lepsius 1 ) glaubt, daß man aus diesen Geräthen nicht auf eine "prähistorische Zeit" schließen könne. Ich möchte es aber doch glauben, da man in allen anderen Gegenden aus solchen Geräthen auf das Vorhandensein einer vorgeschichtlichen Steinzeit schließen kann und zu schließen das Recht hat, und nicht einzusehen ist, warum Aegypten nicht auch eine Steinzeit, welche sicher immer sehr alt ist, gehabt haben sollte. Freilich ist es wohl möglich, daß manche Geräthe aus
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dem wohlfeilen und nutzbaren Feuerstein, wie Pfeilspitzen und Messer, aus der prähistorischen in die historische Zeit übergegangen sind. Aber deshalb braucht man die Steinzeit nicht gerade ganz zu leugnen.
Schwerin, im Mai 1874.
Dr. G. C. F. Lisch.
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Frau Doctorin Lehmann zu Rostock schenkte, durch Vermittelung des Herrn Baumeisters Luckow zu Schwerin, folgende in Mexico gesammelte altmexikanische Alterthümer:
1 flache menschliche Büste (Brustbild) aus rothem Thon, eine Frau mit einem kleinen Kinde auf dem Arme darstellend, 9 Centim. hoch;
1 kleinen menschlichen Kopf mit Kappe, aus gelbem
Thon, 4 Centim. hoch;
Bruchstücke von 3 1/2
Centim. Länge, den Meklenburgischen
4 Spanmesser aus Obsidian, mit den Schlagmarken, Feuersteinspänen oder Messern ähnlich;
1 Bruchstück von einem starken Dolch aus Obsidian, an Bearbeitung den Meklenburgischen aus Feuerstein ähnlich, 4 1/2 Centim. breit und 4 Centim. lang.
Dr. G. C. F. Lisch.
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I m Jahre 1870 wurden bei der Stadt Schwaan bei dem Bau der neuen Brücke über den Warnow=Fluß durch Ausbaggerung des Flußbettes mehrere aus dem christlichen Mittelalter stammende Alterthümer gefunden und von dem Magistrat der Stadt, vorzüglich auf Betrieb des Herrn Burgemeisters Burmeister, dem Vereine geschenkt. Unter diesen Alterthümern sind vorzüglich die Waffen, welche alle wahrscheinlich aus einer und derselben Zeit stammen, von alterthümlichem Werth, da sie außerordentlich gut geformt und gearbeitet und verhältnißmäßig gut erhalten sind, indem sie nicht vom Rost gelitten haben. Nach den Formen stammen sie wahrscheinlich aus dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts; in dieser Zeit ward auch die Burg und Stadt Schwaan von den kriegerischen Bewegungen in den Ländern Werle und Rostock, an deren Grenze die Stadt lag, oft berührt.
Die Alterthümer sind folgende:
1) Ein Schwert aus Eisen, gut erhalten, jedoch in der Mitte der Klinge quer gerade durchbrochen, und die Spitze fehlt etwa 2 Zoll lang. Das Schwert hat noch manche Eigenthümlichkeit der Schwerter des 12. Jahrhunderts, jedoch auch schon Kennzeichen des 14. Jahrhunderts. Das ganze Schwert ist ungefähr 52 Zoll oder 4 Fuß 4 Zoll lang und reicht mit dem Knopfe bis an die Schulter. Die zweischneidige Klinge ist ungefähr etwas über 40 Zoll lang, oben 2 1/2 Zoll und unten vor der (abgebrochenen) Spitze 1 Zoll breit. Die Klinge ist noch sehr breit, dünne ausgearbeitet und hat in der Mitte eine breite, tiefe sogenannte Blutrinne. Der Griff ist 9 Zoll lang. Der schwere, runde, scheibenförmige Knopf hat 2 1/2 Zoll im Durchmesser. Die grade Parierstange ist 9 Zoll lang und an beiden Enden beilförmig
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verbreitert. Auf beiden Seiten ist in der Klinge oben unter der Parierstange ein kleines Kreuz, 1/2 Zoll hoch, etwas weiter abwärts sind 3 in einander hangende Doppelkreise, 1 Zoll im Durchmesser, ungefähr gegen die Mitte ist ein kleiner Kreis mit abwärts stehender Stange, etwa wie ein Pfriemen, im Ganzen ungefähr 1 1/4 Zoll lang, von Bronze eingelegt. Solche eingelegte Verzierungen, auch Sprüche kommen auf alten Schwertern öfter vor.
2) Eine Lanzenspitze aus Eisen, sehr ausgezeichnet gearbeitet, 24 Zoll im Ganzen und 15 Zoll in der Klinge lang, mit achteckiger Schaftröhre.
3) Eine Lanzen Spitze aus Eisen, ebenfalls sehr gut gearbeitet, 15 Zoll im Ganzen und ungefähr gegen 10 Zoll in der Klinge lang, mit sechseckiger Schaftröhre.
4) Ein Dolchmesser ("Rüting") oder Faschinenmesser aus Eisen, eine große, schön gearbeitete, breite Messerklinge, 10 Zoll lang.
5) Ein Dolchmesser aus Eisen, etwas schmaler, 9 Zoll in der Klinge lang, mit 8 dünnen oblongen Scheiben aus dem Hefte, zur Haltung und Bildung einer Griffbekleidung.
6) Ein Sporn aus Eisen, mit einem kurzen Stachel statt des Rades.
7) Ein Sporn aus Eisen, eben so, auf den Bügeln verziert.
8) Ein Sporn aus Eisen, mit einem kleinen runden Knopf statt Stachel oder Rad.
9) Ein kleiner Becher oder Topf aus blaugrauem Thon, 3 Zoll hoch.
10) Ein Deckelkrug ("Seidel") aus Zinn, ohne Hausmarke und Fabrikzeichen. Jedoch sitzt im Innern auf dem Boden eine große, schöne, mittelalterliche, flache Rosette, welche für ein höheres Alter zu zeugen scheint.
Alle diese Sachen scheinen aus derselben alten Zeit zu stammen.
Jüngern Zeiten werden folgende Sachen angehören:
11) und 12) Zwei kugelförmige Vorlegeschlösser aus Eisen und
13) ein cylinderförmiges Vorlegeschloß aus Eisen, vielleicht vor Fischbehältern ("Hüdefässern").
14) Drei Eberhauer, ohne Werth.
G. C. F. Lisch.
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(Vgl. Jahrb. XXXI, S. 96 flgd.)
Beim letzten Ausgraben der Fundamente des Universitätsgebäudes zu Rostock im Herbst 1866 wurden noch folgende Alterthümer gefunden und von dem Herrn Hofbaurath Willebrand eingeliefert.
Ein kleines Säulenkapitäl aus Kalkstein in dem Charakter der frühen Zeit des 14. Jahrhunderts. Das Kapitäl ist von kleinen, schlanken Formen, 7" hoch, 7 1/2" im Quadrat in der Deckplatte und 4 1/2" im Durchmesser in der Fläche des Säulenschaftes. Es ist an der Deckplatte und sonst stark verstümmelt; alle Knäufe sind abgebrochen. Das Kapitäl stammt wenigstens von dem ehemaligen bischöflichen Bau (1370), wenn es nicht noch älter ist, und mag zu einem Fensterpfeiler oder dergl. gedient haben.
Eine viereckige Ofenkachel oder "Topfkachel" in Form eines viereckig gebogenen Topfes oder Schmelztiegels, der ältesten Form der Ofenkacheln, ohne Zweifel aus dem bischöflichen Bau stammend, in welchem also auch Oefen neben der Luftheizung (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 99) waren. Die Kachel ist inwendig, also an der ehemaligen Außenseite des Ofens, von Ruß geschwärzt, der Ofen also wohl in dem Brande von 1565 zerstört.
Ein Leuchter aus weißem Thon, ganz roh und architektonisch modellirt, wie sich solche von Ziegeln gemachte Leuchter öfter finden. Er ist zerbrochen und hat wahrscheinlich einen Doppelleuchter gebildet. Er stammt (schon nach dem Thon) höchst wahrscheinlich aus der Zeit des bischöflichen Gebäudes (1370).
Ein kugeliger thönerner Topf, mit 2 Henkeln und 2 Gußdillen (thönernes "Lechel"), hochgrün glasurt, mit der bekannten, schönen, grünen Glasur aus der Mitte des 16. Jahrhunderts;
der Fuß eines grünlichen Glaspokals und
ein messingener Zapfhahn mit einem Hahn als Griff:
alle drei Stücke wahrscheinlich aus der Zeit des neuen Baues nach 1565 stammend.
G. C. F. Lisch.
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Bei Aussieben von Grand, welcher von dem Gehöfte "Weinberg" bei Güstrow, der "Schöninsel" gegenüber, zum Bau angefahren war, ward ein ganz kleiner Siegelringstein gefunden, welcher im Jahre 1870 von dem Herrn Hauptmann a. D. Baron v. Nettelbladt zu Güstrow dem Vereine geschenkt ist. Der Stein, aus Bergkrystall, hat eine linsenförmige Gestalt und hat nur 3/8 Zoll oder 1/2 Centim. im Durchmesser; die eine Seite ist eben, die andere flach gewölbt. Auf der ebenen Seite ist ein ganz kleiner Frauenkopf in bloßen Haaren eingravirt. Die Haarfrisur erinnert an Frauenbilder aus dem Ende des 17. Jahrhunderts und so mag der Stein einer Dame des güstrowschen Hofes des Herzogs Gustav Adolph gehört haben, welcher viel auf der "Schöninsel" verkehrte. (Vgl. das Medaillon der Herzogin Margarethe Elisabeth, Jahrb. XXXI, S. 108.) Zu einer genauem Bestimmung ist der Stein und das Bild wohl zu klein; es ist überhaupt auffallend, daß der kleine Stein hat bemerkt werden können.
G. C. F. Lisch.
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Zu Wessentin bei Lübz ward im Frühling 1862 beim Graben eines Gartens ein seltener Würfel gefunden, welcher in den Besitz des Herrn Erbpächters Haupt zu Tressow gelangt und von demselben dem Vereine geschenkt ist. Der Würfel, von Serpentinstein, ist ein Cubus von 1 Zoll hamburg. Maaß, mit abgestumpften Kanten und Ecken, also mit 6 quadratischen Hauptflächen, 12 oblongen Kantenflächen und 8 triangulairen Eckenflächen, also mit 26 Flächen. Die 6 quadratischen Hauptflächen sind jede mit zwei großen lateinischen Buchstaben, die 12 oblongen Kantenflächen mit kleinen "Augen" (Kreisen) auf etwas vertieftem Grunde bezeichnet, die 8 kleinen triangulairen Eckenflächen sind leer. Legt man den Würfel so, daß von den Buchstabenpaaren 4 Paare in der Mitte umherlaufend aufrecht stehend und lesbar erscheinen, so bleiben oben und unten 2 Paare übrig, welche von 4 Feldern mit Augen umgeben sind, welche oben mit 1 Auge anfangen. In der Mitte umher wechseln Buchstaben= und Augenfelder. Es steht also, wenn man oben mit 1 Auge anfängt:
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oben: | unten: |
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Der Würfel geht also bis zu 12 Augen. Wahrscheinlich sind diese Würfel neuern Ursprungs. (Geschrieben zu Schwerin im April 1862.)
Genau dieselben Würfel aus Serpentin sind oft auch im Nassauischen gefunden und wiederholt beschrieben, auch abgebildet; vgl. Inscriptiones ducatus Nassoviensis latinae, 1855, und Annalen des Nassauischen Geschichtsvereins, 1850, S. 565 und 566. Diese Würfel sollen hier in "römischen Ruinen" gefunden sein. Im Museum zu Wiesbaden werden dergleichen von "unbekanntem Fundorte" und aus einem "tumulus bei Mainz" aufbewahrt. Im Nassauischen hat man sie daher lange für römisch gehalten. Sie haben aber ein ganz neues Ansehen und die Buchstaben sind sicher nicht römisch, namentlich und Z nicht. Die Buchstaben T haben die Formen des 13. oder 14. Jahrhunderts, namentlich das , dessen mittlerer Querbalken nach unten hin zugespitzt ist. Ich halte dies aber für Nachahmung älterer Schrift. Die Würfel werden ganz jungen Ursprunges sein, da sie alle wie neu erscheinen. Zu dem angeführten Bande der Nassauischen Annalen in der Stadtbibliothek zu Homburg v. d. H. sind dieselben Würfel, "gefunden im Burggarten "des Mylius", welche "nicht römisch, sondern Producte neuerer "Zeit sind", handschriftlich abgebildet und die Buchstaben nach der "Conjectur des Herrn C. Bernbeck zu Gießen" in den "Periodischen Blättern", 1855, S. 230, folgendermaßen gedeutet:
N | G | = | Nimm Ganz |
N | H | = | Nimm Halb |
N | D | = | Nimm Drittel |
L | S | = | Laß Sitzen |
S | Z | = | Setze Zu |
T | A | = | Todt Alles |
Wenn diese Bedeutung der Buchstaben vielleicht auch nicht ganz zutreffend ist, so mag sie doch annähernd richtig sein. (Geschrieben zu Homburg v. d. H. im Mai 1869.)
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Koch auf Dreveskirchen schenkte dem Vereine eine alte Ofenkachel, welche förmlich eine Geschichte hat und in mancher Beziehung für Meklenburg selten ist. Die Ofenkachel ist 12 Zoll hoch und 11 Zoll breit, also größer, als gewöhnlich die Kacheln in Meklenburg, und schwarz glasurt. Unter einem reichen Renaissancebogen steht vor einem Gitter mit Docken ein ritterlicher Mann in ganzer Figur, mit dem Federhute in der Hand, in der Tracht aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Neben der linken Hand der Figur über dem Gitter steht die Inschrift: aVGVSTus. Der erste und die letzten Buchstaben sind nicht deutlich. Der Ofen, zu welchem die Kachel gehörte, soll vom Fürstenhofe in Wismar stammen, und von hier in das Pfarrhaus zu S. Nicolai daselbst gekommen sein. Im Jahre 1753 schenkte der Pastor Behrens einer frühern Dienerin den Ofen, welcher vor ungefähr 30 Jahren umgesetzt ist. Bei Abbruch waren die meisten Kacheln des Ofens schadhaft und wurden verwerfen. Nur diese eine Kachel war unversehrt, und der damalige Hausbesitzer, Schneider Gühlstorf, ließ sie in den Fuß des Ofens einmauern. Nach einem wiederholten Abbruch in neuern Zeiten erwarb der Herr Koch diese eine übrig gebliebene Kachel.
G. C. F. Lisch.
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Nachdem meine Abhandlung über Neukloster in den Jahrb. XXXIII, für 1868, S. 3 flgd., im Herbst 1867 gedruckt war, sandte ich sogleich einige Aushängebogen an das Schullehrer=Seminar zu Neukloster zur Kenntnißnahme der Herren Seminarlehrer. In Folge dessen sandte der damalige Herr Seminarlehrer Dr. Krüger, seit 1868 Paster zu Boddin, seine frühern und darauf fortgesetzten Forschungen über die Oertlichkeit an mich ein, und sind dieselben zur Mittheilung im Folgenden wichtig genug. (Vgl. auch oben S. 116.)
In den Jahrb. a. a. O. S. 9 habe ich die Ansicht aufgestellt, daß die Burg Kussin auf der in einiger Entfernung vom Hofe im See liegenden Insel "Werder", welche durch ein Ellernbruch und einen durch dasselbe gezogenen Graben früher zur Insel gemacht gewesen ist, gestanden habe, obwohl der "Werder" etwas groß ist und sich auf demselben bis jetzt nur sehr wenige Spuren von heidnischen Alterthümern gefunden haben. Herr Dr. Krüger berichtet nun hiezu Folgendes: "Ich möchte Ihrer Annahme, "daß die Halbinsel unsers Sees, der Werder, einst die alte Feste Kussin getragen habe, zweifellose Wahrheit beimessen. Der tiefe und breite Graben, der sich durch das Erlenbruch zieht und die eine Bucht des hufeisenförmigen Sees mit der andern verbindet, kann keinen andern Zweck gehabt haben, als die Vervollständigung der Befestigung des Werders. Wiederholt suchte ich nun den Werder nach Alterthümern ab, aber umsonst. Da kam mir der Gedanke, daß, wenn hier, woran ich nicht zweifelte, eine Feste gelegen, diese auf der dem Erlenbruche zunächst gelegenen, nicht unbedeutenden Anhöhe gestanden habe. Mit besonderer Sorgfalt suchte ich darauf den Berg ab und fand hier einige Alterthümer von Feuerstein."
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Diese Alterthümer zeugen zwar dafür, daß diese Stelle einst bewohnt gewesen ist, aber in der sehr fernen Zeit der Steinperiode. Für die Feste Kussin können sie kein Zeugniß ablegen, da dieselbe bis in die erste christliche Zeit hineinreicht und ganz andere Alterthümer zeigen müßte.
Von größerm Einfluß sind die Forschungen, welche Herr Dr. Krüger an einer andern Stelle von Neukloster gemacht hat. In den Jahrb. a. a. O. S. 10 habe ich die Vermuthung aufgestellt, daß das wendische Dorf Kussin für die größere Masse der Bewohner des Ortes auf der Stelle des ehemaligen Klosters und jetzigen Hofes Neukloster zunächst vor dem Werder gestanden habe, obgleich hier nie Alterthümer gefunden sind, welche dafür zeugen könnten. Der Herr Dr. Krüger macht es aber mehr als wahrscheinlich, daß das Dorf an der Stelle gelegen habe, wo am See jetzt das Schullehrer=Seminar steht, eine weite Strecke, ungefähr 550 Schritte, vom Hofe entfernt. Herr Dr. Krüger berichtet: "Im October und November 1867 ward die südöstliche Ecke des Seminargartens, die, ziemlich niedrig gelegen, auf der einen Seite vom See und auf der andern Seite von der bis zu dem Erlenbruche sich hinziehenden Wiese begrenzt wird, rajolt. Etwa einen Fuß rief unter der jetzigen Erdoberfläche fanden sich öfter eine große Menge von Kohlen. Inmitten der Stellen, wo diese mit Erde gemischten Kohlen gefunden wurden, wären Steine mit ebenen Flächen zu kleinen Feuerherden zusammengestellt; die Steine waren schwarz gebrannt und meistens so mürbe, daß sie sich leicht zerschlagen ließen. In der mit Kohlen versetzten Erde fanden sich Topfscherben in großer Menge, Thierknochen, auch Schalen von Haselnüssen. Nirgends aber stieß man trotz der behutsamsten Aufgrabung auf ein noch vollständig erhaltenes Gefäß. Es konnte nicht zweifelhaft sein, daß hier wendische Feuerstellen aufgedeckt waren. - Aehnliche Stellen, an denen ebenfalls Topfscherben, Knochen u. s. w. in reicher Menge zu Tage gefördert wurden, fanden sich bald darauf auch in dem nordöstlichen Theile des Gartens, etwa 600 Schritte von der ersteren Stelle entfernt. - Auch schon früher hat man beim Graben im Garten häufig Scherben von heidnischen Töpfen angetroffen. - Es sind also bis jetzt in allen Theilen des ausgedehnten Seminar=Gartens solche wendische Kochstellen
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"aufgedeckt, und es ist zu vermuthen, daß am Ufer des Sees, da, wo sich der Acker an den Garten anschließt, deren noch eine nicht geringe Anzahl verborgen liegt."
Zur Belegung dieser Beschreibung hat Herr Dr. Krüger viele hier gefundene Alterthümer eingesandt, namentlich:
1) Eine Auswahl von bezeichnenden Topfscherben, welche nach heidnischer Weise zubereitet sind, meist hellbraun. Alle sind mit wellenförmigen und parallelen Horizontal=Linien, oft mit Mischung von beiden am Rande verziert, Kennzeichen der letzten Heidenzeit. Ein Bodenstück zeigt ein gleicharmiges Kreuz in schwachem Relief.
2) Ein fester dunkelgrauer Erdklumpen, der sich als Bodensatz eines Topfes vorfand.
3) Thierknochen, von Rind und Schwein.
4) Ein Stück von hellbraun gebranntem Lehmschlag ("Klehmstaken") mit ausgebrannten Stroheindrücken.
5) Ein Spindelstein aus leicht gebranntem Thon.
Alle diese Sachen gehören ohne Zweifel der letzten Wendenzeit an und sind zusammengehörig.
Es dürfte also wohl keinem Zweifel unterliegen, daß da, wo jetzt das Seminar mit seinen Nebengebäuden und seinem Garten liegt, und zwar längs des Sees, das alte Wendendorf Kussin gestanden habe. Unmöglich dürfte es aber auch nicht s