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B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Zeit der Hünengräber.


Ueber die halbmuldenförmigen Quetschmühlen
oder
"Hünenhacken".

In dem nordöstlichen Deutschland und in Skandinavien finden sich in zahllosen Exemplaren halbmuldenförmig ausgehöhlte, große Granitsteine, welche von den pommerschen Landleuten "Hünenhacken" genannt werden, weil diese dieselben für versteinerte Fußspuren der Hünen halten. Diese Steine sind mittelgroße Blöcke, immer von festem Granit, von 1 bis 2 Kubikfuß Inhalt. Sie sind wie eine Mulde ausgerieben, jedoch immer so, daß das eine Ende offen ist, der ausgehöhlte Stein also eine quer durchschnittene, halbe Mulde bildet. Ich habe sie daher immer für Mühlsteine gehalten, in denen das Korn durch kleinere Steine mit der Hand zerrieben und aus denen das Schrot nach und nach aus der offenen Seite hinausgeschoben ward, wie noch jetzt solche Handquetschmühlen bei weniger gebildeten Völkern, z. B. den Wallachen, im Gebrauche sind. Ich habe diese Steine zuletzt in den Jahrb. XXIV, S. 275, mit Anführung der früheren Untersuchungen, behandelt.

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In der großen Sammlung vaterländischer Alterthümer zu Kopenhagen stehen nun in den Zimmern für die Alterthümer der Steinperiode sehr viele solcher Steine, auf denen fast vollendete Steinkeile liegen, und es herrscht bei den nordischen Forshern die Ansicht, als wenn diese Steine zum ersten Schleifen der Steinkeile in dem Steinalter benutzt worden seien. Die nordischen Forscher werden ihre Ansicht und Aufstellung ohne Zweifel durch triftige Gründe beweisen können und sie werden in vielen Fällen nicht unrecht haben; im Allgemeinen aber kann ich für Meklenburg ihrer Ansicht nicht beitreten.

Der Annahme der nordischen Forscher muß ich für Meklenburg folgende Gründe entgegensetzen:

1) Sind in Meklenburg solche Steine öfter, sicher vier mal, in Kegelgräbern der Bronzezeit gefunden, also dauerte ihr Gebrauch länger, als man Feuersteine schliff. Ich will dabei gerne einräumen, daß man auch in der Bronzezeit hin und wieder Keile verfertigt haben mag; in Meklenburg ist aber noch nie ein Feuersteinkeil in einem Grabe der Bronzezeit gefunden.

2) Halte ich es für unmöglich, daß die meisten dieser Steine zu Schleifsteinen für Keile gebraucht werden konnten. Viele, ja die meisten derselben, sind so tief ausgeschliffen und die Höhlung ist so eng, daß man unmöglich das schwierige Geschäft des Schleifens eines Steinkeils darin bewerkstelligen konnte; auch sind dazu gewöhnlich die inneren Flächen nicht regelmäßig und glatt genug. Es giebt sehr viele solche Steine, deren Höhlung ungefähr 3/4 Fuß tief und tiefer, und deren Breite auch nicht größer ist. Man konnte, meiner Ansicht nach, in so tiefen und engen Höhlungen nur Korn mit faustgroßen Steinkugeln zerreiben.

3) Besitzt die Sammlung zu Schwerin einen vollständigen Apparat, welcher das ganze Verfahren des Kornmahlens darlegt. Dies ist ein grobkörniger, mittelgroßer Granitblock, welcher oben noch sehr wenig ausgehöhlt ist, aber doch schon die Anlage zur muldenförmigen Aushöhlung zeigt. Auf diesem größern Granitblock liegt ein kleinerer Granit von ganz demselben Gestein von der Größe, daß er sich mit beiden Händen leicht hin= und herschieben läßt. Beide Steine sind auf den Berührungsflächen genau in einander passend, jedoch nicht platt, abgerieben, so daß der untere, größere Stein in denselben Linien concav ausgeschliffen ist, wie der obere kleinere Stein convex abgerieben ist. Dies ist also der erste Anfang einer Handmühle, zu welcher man noch einen größern Reibstein benutzen konnte. Wenn die Höhlung tiefer ward, so mußte man

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statt des breiten Reibsteins einen kleinern, kugelförmigen Stein nehmen, der mit einer Hand zu regieren war.

Ich glaube daher, daß diese Steine gewöhnlich zu Mühlsteinen dienten. Ich will dabei aber gerne zugeben, daß diese Steine auch zum ersten Schleifen der Feuersteinkeile gebraucht wurden. Die Feuersteinkeile wurden auf folgende Weise bearbeitet. Man schlug einen passenden Feuersteinblock zu der ungefähren Form des Keils roh zu; dann gab man ihm durch lange, spanförmige, endlich durch kleinere, muschelförmige Absplitterungen die Form, die er haben sollte und konnte; hierauf stellte man durch kleine Absplitterungen genau alle Kanten her, welche das Richtmaaß bildeten; dann schliff man im Rohen die Unebenheiten ab, wozu man glatt geschliffene Granit steine gebrauchen konnte, und endlich schliff und polirte man den Keil glatt auf Schleifsteinen von quarzigem "alten rothen Sandstein". Zu dem letzten Schleifen und Poliren konnte man nun keine Granitsteine gebrauchen, weil sie ein zu rauhes Gefüge haben; die ungemein glatten und blanken Flächen der polirten Keile beweisen, daß man sich zu dem letzten Schleifen eines sehr feinen Steins bediente, wie denn auch häufig halb polirte Keile auf Schleifsteinen von altem rothen Sandstein liegend gefunden sind. Aber zum ersten Abreiben der Unebenheiten nach Vollendung der Schlagearbeit konnte man sehr gut ebene Granitflächen benutzen. Und daher glaube ich auch, daß gewisse, nicht tief, sondern nur flach ausgeschliffene Granitsteine zum ersten Schleifen der zugerichteten Feuersteinkeile gebraucht wurden. Man findet auch solche Granitsteine, welche immerhin zum ersten Schleifen gebraucht werden konnten. Der Herr Pastor Masch zu Demern besitzt einen solchen Granit von ungefähr einem Quadratfuß Oberfläche, welcher nur sehr wenig ausgehöhlt und auf der Oberfläche ganz glatt geschliffen ist und offenbar einen Schleifstein bildete.

Man kann daher beide Ansichten sehr wohl vereinigen: daß viele, ja die meisten und namentlich die tief ausgehöhlten und nicht polirten Granitsteine zu Mühlsteinen, die weniger tief ausgeriebenen und glatt geschliffenen Granite zu Schleifsteinen gebraucht wurden. Man muß überhaupt für die Zeit, in welcher die Menschen nur sehr wenige Arten von Geräthen hatten, die Anwendungsweise möglichst weit ausdehnen. So wie die Keile sicher auf sehr mannigfaltige Weise, z. B. zum Kampfe, schlachten, Ackern, Spalten u. s. w., gebraucht wurden, so können auch die ausgehöhlten Granite zu verschiedenem Gebrauche gedient haben.

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Und so bekenne ich mich zu der Ansicht, daß die ausgehöhlten Granitsteine, je nach ihrer Beschaffenheit, zu Mühlsteinen und zu Schleifsteinen gebraucht wurden.

G. C. F. Lisch.     

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Hünengrab von Boldebuck.

Der Herr Ober=Inspector Metelmann zu Boldebuck, ein einsichtsvoller und theilnehmender Mann, theilte mir gesprächsweise folgende merkwürdige Erfahrung mit. Vor vielen Jahren ließ er zu Boldebuck bei Güstrow ein großes Kegelgrab von ungefähr 12 Fuß Höhe abtragen. Er fand die Bestattung der verbrannten Leiche der Bronze=Periode schon in einer Tiefe von 6 Fuß unter dem Gipfel des Kegels und darunter ein vollständiges Sogenanntes Hünengrab aus der Steinperiode, das von großen Seitensteinen im Oblongum aufgebauet und mit großen Decksteinen bedeckt war. Wir haben hier also wieder ein Beispiel von einer doppelten Bestattung aus zwei verschiedenen Perioden über einander in einem und demselben Grabhügel. Alterthümer von Bedeutung wurden bei der Aufgrabung nicht bemerkt.

G. C. F. Lisch.     

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Eine Streitaxt

aus porphyrartigem Grünstein oder Diorit, von der gewöhnlichen, einfachen Form, ward gefunden in dem Torfmoor der Stadt Bützow bei der Vierburg und von dem Herrn Friedrich Seidel zu Bützow geschenkt. Der Herr Seidel berichtet, daß nach den Aussagen der Finder beim Torfgraben noch ein hölzerner Stiel in dem Loche gesteckt habe, der aber bald zerbrochen und zerfallen sei.

G. C. F. Lisch.     

Ein Dolch aus Feuerstein,

sehr gut gearbeitet, 7" lang, gefunden zu Neu=Steinbeck, Amts Gadebusch, "in einer Mergelgrube", ward geschenkt von dem Realschüler Carl Schmidt aus Neu=Steinbeck zu Schwerin.

Ein halbmondförmiges Messer

aus Feuerstein, Säge oder Messer, gefunden in der Gegend von Gnoien, schenkte der Herr Staatsminister a. D. von Lützow auf Boddin bei Gnoien.


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b. Zeit der Kegelgräber.


Ueber

die ehernen Wagenbecken

der Bronzezeit,

von

G. C. F. Lisch.

Die auf ehernen Wagen ruhenden ehernen Becken oder Vasen der Bronzezeit nehmen wegen ihrer ausgebildeten Einrichtung, ihres hohen Alters und ihrer weiten Verbreitung eine so bedeutende Stelle in der Bildungsgeschichte der Welt ein, daß se eine nochmalige, ausführliche Besprechung verdienen, um s mehr, da sie wahrscheinlich die Veranlassung geben werden, ein hell Licht in eine große, aber noch dunkle Vorzeit zu werfen.

Da der bedeutendste und am klarsten ausgebildete Fund in Meklenburg gemacht ist, so liegt es nahe, daß ich den seit mehreren Jahren angeknüpften Faden wieder aufnehme, nachdem mehrere ähnliche wichtige Entdeckungen gemacht sind.

Der Bronzewagen von Peccatel.

Auf der Feldmark des Dorfes Peccatel, eine Meile südlich von Schwerin, standen auf zwei verschiedenen Bauerhufen mehrere kegelförmige Grabhügel der heidnischen Vorzeit nahe bei einander, von denen zwei durch ihre Größe vor den andern hervorragten. Der größte der Grabhügel hatte ungefähr 10 Fuß Höhe, 40 Fuß Durchmesser und 240 Fuß Umfang. Das nächstfolgende Grab hatte ungefähr einen eben so großen Umfang aber nur 5 bis 6 Fuß Höhe.

Da das zweite Grab zur Gewinnung von Chausseesteinen angebrochen war, ward es im J. 1843 wissenschaftlich unter meiner Leitung abgetragen (vgl. Jahrbücher IX, S. 369 flgd.). In dem weit ausgedehnten, sanft aufsteigenden Grabe wurden

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vier verschiedene Begräbnisse unter Steinhaufen gefunden, von denen zwei mit verbrannten Leichen in der Mitte des Grabes standen, die beiden andern je nördlich und südlich von den beiden mittlern. Das Grab lieferte ungefähr 20 Stück Alterthümer aus Bronze, welche nach Form, Einrichtung und Rost der ausgebildeten oder mittlern Zeit der Bronzeperiode angehörten, worauf auch der Bau des Grabhügels deutete. Unter den beiden mittlern Steinhügeln waren wahrscheinlich Mann und Frau beigesetzt gewesen, indem sich unter dem einen Steinhügel ein ganz mit Bronzebuckeln beschlagener Panzer von Leder in Bruchstücken und ein Stabbeschlag von Bronze, in dem andern Steinhügel mehrere kleinere Alterthümer von Bronze, z. B. eine Nadel, eine Heftel und ein Fingerring, fanden. Unter dem am südlichen Rande des Grabes stehenden Steinhügel wurden aber viele Alterthümer gefunden, welche zu den merkwürdigsten gehören, welche je entdeckt sind. Es fand sich hier nämlich außer einem Schwerte, einer Framea, einer Pfeilspitze und zwei Messern von Bronze, ein drei Loth schwerer, massiver goldener Armring und ein kleiner, vierräderiger, bronzener Wagen, welcher eine große bronzene Vase trug.

Ueber das andere ganz nahe dabei stehende größere Grab gingen in der Dorfschaft merkwürdige Sagen, welche sich höchst seltsamer Weise durch die Aufgrabung bewahrheiteten; an eine Selbsttäuschung kann nicht gedacht werden, da ich, als der größere Hügel noch unberührt war, am 18. April 1843 bei der Aufdeckung des kleinern Grabes die Sagen aus dem Munde des Volkes niederschrieb und über ein Jahr vor der Aufdeckung des größern Grabes (in Jahrb. IX a. a. O.) drucken ließ. Die Bewohner des Dorfes erzählten nämlich: in dem großen Hügel ("Rummelsberg" genannt) wohnen die Unterirdischen, welche hier eine Tafel haben, an welcher sie mitunter ein Mahl halten, wozu sie sich aus den übrigen Bergen Kessel, Messer und andere Geräte leihen. Wenn die Tafel zum Mahle auf dem Hügel steht und man etwas Geräth von der Tafel nimmt, so kann diese nicht eher wieder in den Hügel hineinkommen, als bis man das Geräte wieder hingelegt hat. Auch haben die Unterirdischen Kinder, welche sie gegen Dorfkinder vertauschen (Wechselbälge); diese zwergähnlichen Kinder der Unterirdischen pflegen zu singen: ,,Ick bün so old, als Böhmer Gold". Es wird zwar fast von jedem großen Grabe in Meklenburg gesagt, daß in demselben eine "goldene Wiege" stehe; aber eine solche, auch im Einzelnen ausgeführte Sage, wie die so eben mitgetheilte, ist sonst

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in Meklenburg nicht vernommnen. Das Merkwürdigste aber war, daß sich in den Gräbern das fand, was die Sage als in denselben vorhanden bezeichnete. Der Kessel, den sich die Unterirdischen leihen, war schon in dem kleinern Grabe gefunden. Die Tafel, auch mit einem Kessel, fand sich nun auch in dem größern Grabe. Da auch dieses größere Grab aus Gewinnsucht heimlichen Angriffen ausgesetzt ward, indem man glaubte, daß es so große Schätze berge, daß man damit das Dorf kaufen könne, so sah ich mich genöthigt, auch dieses Grab am 22. Nov. 1845 wissenschaftlich abzutragen (vgl. Jahrbücher XI, S. 366 flgd.). In der Mitte des Grabes fand sich unter einem Steinhaufen ein Begräbniß mit einer verbrannten Leiche und daneben eine Menge von bronzenen Alterthümern, nämlich Halsringe, Armringe, Handbergen, auch eine bronzene Schmuckdose und mehrere durchbohrte große Bernsteinknöpfe. Außer diesem Begräbnisse fand sich aber in dem Hügel ein höchst merkwürdiger Bau, welcher eben so gut zu der Bronzevase des andern Hügels, als zu den Sagen stimmte. In der Richtung von Osten nach Westen stand in einiger Entfernung von dem in der Mitte des Grabes stehenden Begräbnisse ein aus mehrern Theilen bestehender, zusammenhangender Bau eines Opferaltars. Zuerst im Osten stand eine kleine viereckige Erhöhung, 5 Fuß hoch und an jeder Seite 5 Fuß lang, aus lehmhaltigem Sande aufgebauet und mit einer doppelten Schicht von Feldsteinen bedeckt. Westlich daneben stand auf einem gleich hohen und breiten Unterbau von lehmhaltigem Sande ein durchaus regelmäßiger, runder Kessel, welcher 3 Fuß Durchmesser und 2 Fuß Tiefe hatte und mit dem Rande ungefähr 1 Fuß über den Altar hervorragte. Der Kessel war am Boden mit kleinen Feldsteinen ausgelegt; die ungefähr 2 Zoll dicke Wand war von lehmhaltigem Sande aufgemauert, an Ort und Stelle fest gebrannt und von Ruß und Theer oder Fichtenharz schwarz gefärbt und durchaus so fest, daß sie mit Hacken ganz frei gelegt werden konnte und einen Menschen trug; die Außenwand war einen Fuß dick mit lehmhaltigem Sande und kleinen Feldsteinen ummauert. Im Westen stieß an diesen Bau eine große, 10 Fuß lange und breite und 5 Fuß hohe Tafel, der Altar, welcher ebenfalls von lehmhaltigem Sande aufgebauet und mit einer doppelten Schicht von Feldsteinen belegt war. In der Mitte auf diesem Altare stand eine thönerne Urne, welche mit Zickzacklinien verziert war. Unten auf der Erde, im Westen unmittelbar an dem Altar stand, ebenfalls von Feldsteinen ummauert, eine 6 Fuß lange, 3 Fuß breite und 1 Fuß tiefe Mulde von

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schwarz gebranntem lehmhaltigen Sande, wie der Kessel, mit 3 Zoll dicken Wänden. In dieser Mulde lag das Gerippe einer unverbrannten Leiche, nach Osten, gegen den Altar und das Begräbniß hin schauend, mit dem Schädel im Rande des ganzen Grabes liegend. Das ganze Gerippe war in der Mulde in schwarze Brand= oder Wiedenerde gepackt. Ohne Zweifel war diesfer Bau ein Opferaltar und das Gerippe ein Geopferter. Der große Altar diente zur Darbringung des Schlachtopfers, der kleine Altar zum Standorte (άμαβάδρα) des Priesters oder der Priesterin, der zwischen beiden stehende und beide überragende Kessel zum auffangen des Blutes des Menschenopfers und die Wanne zur Aufnahme der Leiche des Geopferten. Diese ganze Einrichtung stimmt genau mit dem Opfern der Kriegsgefangenen überein, über welches Strabo 7, 2 von den Cimbern berichtet (vgl. auch Grimm's deutsche Mythologie S. 49). - Dieser ganze Fund von Peccatel war aber zuverlässig. Ich habe ihn einen ganzen Tag in Gegenwart des Archivsecretärs Dr. Beyer und von 30 Arbeitern genau bearbeitet, ganz frei gelegt und gründlich untersucht. Wie treffend diese Erscheinungen mit den Volkssagen übereinstimmten, geht daraus hervor, daß alle Arbeiter augenblicklich die "Tafel" und den "Kessel" der Sage erkannten und aus Furcht vor den "Unterirdischen", deren Wohnung zerstört sei, sich lange sträubten, die Arbeit fortzusetzen.

Wichtiger aber noch, als dieser Bau, ist der Zusammenhang, in welchem ohne Zweifel die beiden neben einander liegenden Gräber zu einander stehen, indem sie, ungefähr aus derselben Zeit stammend, sich gegenseitig ergänzen. Das kleinere Grab enthielt sicher den Nachlaß eines Priesters oder Königs, und in demselben ist das auf einem Bronzewagen ruhende Bronzebecken das wichtigste von allen bisher in Meklenburg gefundenen Alterthümern.


Der im J. 1843 in dem Kegelgrabe von Peccatel gefundene Bronzewagen, welcher eine Bronzevase trägt, ist in den Jahrbüchern IX, S. 372 flgd. beschrieben und, mit den dabei gefundenen Alterthümern auf der dazu gegebenen lithographirten Tafel in den einzelnen Theilen, jedoch nicht im Zusammenhange, abgebildet. Der klaren Erkenntniß für den nicht völlig Eingeweihten stand jedoch immer der Uebelstand entgegen, daß das Gestell durch die im Grabe darauf gelegten Steine so sehr zerbrochen war, daß es nicht ganz aufgestellt, sondern nur in seinen einzelnen Haupttheilen neben

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einander gezeigt und zur Anschauung gebracht werden konnte. Seitdem ist es jedoch gelungen, durch geschickte Handwerker das ganze Geräte nach dem Originale, zum Theil nach den von dem Originale genommenen Formen, völlig getreu in Metall nachbilden 1 ) zu lassen und in seinem Zusammenhange aufzustellen. Hiernach ist nun die getreue Abbildung 2 ) genommen, welche hier mitgetheilt wird.

Bronzewagen von Peccatel

Die Grundlage des ganzen Gerätes, welches im Zusammenhange 15 3/4" hamburg. Maaß oder 38 Centimeter hoch ist, bildet ein kleiner Wagen von Bronze. Die beiden Achsen und die beiden Langbäume sind von ganz gleicher Größe und Gestalt und bilden im Grundrisse ein regelmäßiges, gleichseitiges Viereck von ungefähr 9 Zoll im Quadrat. Die Achsen


1) Die Wissenschaft verdankt diese Nachbildung der Gnade Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz.
2) Die Zeichnung ist nach dem originale von dem Herrn Geschichtsmaler Milde zu Lübeck entworfen, von dem in solchen Gegenständen gewandten Herrn Magnus Petersen zu Kopenhagen radirt und in der Anstalt der Herren Kittendorf & Aagaard zu Kopenhagen chemitypirt.
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und die Langbäume sind aus starken viereckigen Bronzestäben gebildet, welche erst wohl grade gegossen, dann aber zu ihrer eigenthümlichen Gestalt gebogen sind, wie es auch am bequemsten bei der Nachbildung geschehen ist. Der mittlere Haupttheil der Achsen und der Langbäume ist nicht grade, sondern in sehr gefälliger Form bogenförmig nach oben hin wie ein Joch Detail des Bronzewagens oder wie der Umriß einer Glocke gebogen. Dies giebt nun dem Ganzen ein viel gefälligeres Ansehen, als wenn die Achsen und Langbäume wagerecht lägen. Es ist aber auch möglich, daß diese Form eine in jenen fernen Zeiten beliebte Form der Langbäume der Wagen war, damit die Räder nach den Seiten hin unter den Wagen einbiegen konnten, und somit wäre diese Form der Langbäume nur eine Darstellung eines allgemeinen Gebrauches. Die Achsen laufen in ihren Enden in horizontale, dünne, runde Stäbe aus, auf welchen sich die vier Räder bewegen. Die Enden der Langbäume laufen an beiden Enden des Wagens, nach vorne und hinten, auch in dünne Stäbe aus, welche sich ungefähr in Form dünner Vogelhälse nach oben biegen und so nicht allein einen hübschen Abschluß, sondern auch an jedem Ende zwei bequeme Handhaben bilden, an denen man den Wagen leicht vorwärts und rückwärts ziehen kann. Dicht hinter den Rädern sind die Langbäume auf die Achsen, dort wo sich beide rechtwinklig schneiden, in einer Verbreiterung der Bronzestäbe angenietet. Die vier Räder, 4 1/2" im Durchmesser, sind aus Bronze gegossen, wie die Gußnäthe zeigen, welche noch überall an den Kanten zu sehen sind, und wurden nicht durch vorgesteckte Pflöcke, sondern durch Breitklopfung der Achsenenden auf den Achsen festgehalten; die Räder sind weder gefeilt, noch auf der Drehbank nachgedrehet, wie es bei den römischen Rädern so häufig zu bemerken ist. Was aber diese einheimischen Räder vorzüglich charakterisirt, ist, daß sie nur vier Speichen haben.

Alle alten Räder der alten Bronzeperiode Deutschlands waren vierspeichig. Wir besitzen glücklicher Weise in unsern Sammlungen nicht allein das Original dieses Wagens, sondern auch gewissermaßen eine Zeichnung dazu, welche ohne Zweifel aus derselben Zeit stammt. Auf dem mit gravirten Zeichnungen reich geschmückten bronzenen Heerhorn, welches bei Wismar am Meeresstrande in einem Moor gefunden ward, sind neben Spiralwindungen nicht allein antike Schiffe, sondern auch ein Mal 4 vierspeichige Räder und zwei Male 2 vierspeichige Räder dargestellt (vgl. die getreue Abbildung zu Jahresbericht III, S. 67). Diese Räder sollen ohne Zweifel alte Wagen vorstellen.

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Die vierspeichigen Räder scheinen zu jener. Zeit sehr verbreitet gewesen zu sein, da sie nicht allein, wie die antiken Schiffe oder Kähne, auf Stein= und Bronze=Denkmälern abgebildet, sondern auch in der Bronzezeit zur Verzierung der Enden der Messergriffe angewandt wurden; vgl. Worsaae Afbildninger fra det kongelige Museum for nordiske Oldsager i Kjöbenhavn, Kjöbenhavn, erste Auflage, 1854, Taf. 29 und 30, und zweite Auflage, 1859, Taf. 35, wo z. B. Nr. 124 und 170 ein am Ende des Griffes mit einem vollständigen Rade verziertes Messer abgebildet ist, welches auch mit den eingeschlagenen Zickzacklinien des wismarschen Heerhorns geschmückt ist.

Auch die Räder der griechischen Wagen waren vorherrschend vierspeichig (vgl. Weiß Kostümkunde S. 455, 907, 908).

Ein ähnlicher mit zwei Pferden bespannter Wagen mit zwei vierspeichigen Rädern, auf dessen gabelförmiger Achse der Wagenlenker steht, ist auch auf dem Kivik=Monument, einer alten Grabkiste in Schonen, abgebildet (vgl. Jahrb. III, S. 75, XI, S. 373 und XVI, S. 264).

Auf dem peccatelschen Wagengestelle, welches mit den Rädern 5 1/2" hoch ist, steht auf vier auswärts gebogenen, 2 3/4" hohen Füßen aus eben so breiten, aber dünnern Bronzestäben ein hohler Cylinder oder Säulenschaft (Hals) aus zusammengenietetem Bronzeblech, 6 1/2" hoch und 3 3/4" im Durchmesser. Der Cylinder ist mit drei Reihen kleiner Buckeln, welche vor der Zusammennietung des Blechstreifens von innen herausgetrieben sind, verziert, und ragt mit dem untern Buckelrande 3 Zoll über das Gestell empor. Die vier Füße sind inwendig an den Rand des Cylinders angenietet und stehen mit ihrem untern Ende auf den vier Verbindungspunkten der Achsen und der Langbäume, wo sie mit diesen durch ein Niet zusammengenietet sind. Oben hat der Cylinder einen schmalen, nach außen umgebogenen Rand, in welchem die auf diesem Rande stehende Schale angenietet ist. Der Cylinder mit seinen 4 Füßen ist so hoch, daß der obere Rand etwas über das Gestell der Achsen und der Langbäume emporragt und die auf dem Cylinder stehende Vase ganz frei steht.

Auf dem Cylinder steht, mit 7 Nieten angenietet, eine schöne, große Bronzevase ohne Fuß, den der Cylinder bildet, 7 1/2" hoch und über 15" weit im Bauchrande, aus einem Stücke Bronze kalt sehr dünne getrieben, wie es auch bei der Nachbildung geschehen ist. Auf dem Bauchrande stehen vier concentrische Kreise von kleinen Buckeln, welche von

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innen herausgetrieben sind; der ausgebogene, 15 3/4" weite Rand der Vase ist mit zwei Reihen gleicher Buckeln verziert, gleichwie das eherne Meer (1. Kön. 7, 24 und 26). Die Vase hat vier Henkel aus viereckigen Bronzestäben, welche wie die Halsringe gedrehet und mit Nieten befestigt sind, an jeder Seite zwei, so daß über je zwei Handhaben der Langbäume zwei Henkel stehen. Man konnte also die auf dem Wagen stehende Vase mit beiden Händen nicht allein an den Verlängerungen der Langbäume, sondern auch an den Henkeln der Vase fassen und vorwärts und rückwärts ziehen; daher hat die Vase vier Henkel. Die Arbeit aus kalt getriebener Bronze und die Berzierung mit Buckelreihen ist an einheimischen Gefäßen Norddeutschlands und des skandinavischen Nordens sehr häufig, und es läßt sich durch eine lange Reihe in gleicher Zeit gleich gearbeiteter Gefäße darthun, daß die Vase im Lande gearbeitet ist, wofür auch die Bearbeitungsweise des Cylinders und des Wagens zeugt.


Andere Bronzewagen in Europa.

Nicht lange nach dieser merkwürdigen Entdeckung wurden andere Funde gemacht, welche mit dem Wagen von Peccatel in Uebereinstimmung und denselben zu erläutern im Stande waren.

Um das Jahr 1843, ungefähr zu derselben Zeit, als der Wagen zu Peccatel gefunden ward, soll in Meklenburg zu Pennewitt bei Warin ein kleiner metallener Wagen mit vier Rädern, mit zwei Pferden und einer auf dem Wagen stehenden Figur in einer Urne gefunden sein (vgl. Jahrb. XV, S. 276); aber da dieser Wagen zerbrochen und weggeworfen ist, so ist auf diesen Fund nicht zu geben.

Im J. 1846 wurden bei Friesack in der Mark Brandenburg zwei vierspeichige Bronzeräder gefunden, welche ohne Zweifel zu einem Wagengestelle gehört haben, das jedoch verloren gegangen ist; die Räder sind in die Sammlung des verstorbenen Grafen v. Zieten auf Wustrau gekommen. Diese Räder, welche in Jahrbüchern XVI, S. 265 abgebildet sind, sind zwar vierspeichig und ungefähr eben so groß, als die peccatelschen, jedoch viel sauberer, namentlich an den Naben, bearbeitet, und scheinen entweder fremden Ursprunges oder jünger zu sein.

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Wichtiger ist ein in der Gegend von Frankfurt a. d. O. um das J. 1848 beim Bau der Chaussee von Frankfurt nach Drossen gemachter Fund, welcher ebenfalls in die Sammlung des wailand Grafen v. Zielen auf Wustrau gekommen ist. Hier ward auch ein Bronzewagen gefunden, welcher eine gabelförmige Deichsel, wie der Wagen auf dem Kivik=Monument in Schonen, und drei vierspeichige Räder auf Einer Achse hat. Die Räder dieses (in Jahrbüchern XVI, S. 262) abgebildeten Wagens, den ich im Originale zu vergleichen Gelegenheit gehabt habe, gleichen ganz den Rädern des Wagens von Peccatel und stammen sicher aus derselben Zeit. Die Bestimmung dieses Wagens ist schwer zu errathen; jedoch glaube ich, daß die auf verschiedenen Stellen der Deichsel stehenden vogelartigen Bildungen nur bestimmt gewesen sind, etwas zu tragen, und keine selbstständige symbolische Bedeutung gehabt haben, wie in Jahrbüchern XVI, S. 266 flgd. vermuthet ist. Wenn nun auch die Einrichtung des Wagens von Frankfurt eine ganz andere ist, als die des Wagens von Peccatel, so sind doch beide an Größe, Metall, Arbeit, kurz in allen Einzelnheiten völlig gleich, so daß man an dem Ursprunge beider aus einer und derselben Zeit nicht zweifeln kann.

Die Spur dieser Bronzewagen läßt sich jedoch noch weiter gegen Süden verfolgen.

Einige Zeit vor dem Jahre 1850 ward in Steiermark bei Judenburg auf einem alten Begräbnißplatze neben vielen bronzenen und eisernen Alterthümern ein merkwürdiger Bronzewagen gefunden, welcher in den Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark, Gratz, Heft III, S. 67 flgd. (vgl. Jahrbücher XX, S. 290 flgd.) beschrieben und abgebildet ist. Dieser Wagen hat dieselbe Größe und denselben Zweck, aber eine andere Einrichtung. Der Wagen hat ebenfalls eine gleiche Einrichtung nach vorwärts und rückwärts, also keine Deichsel; an den Enden stehen an den vier Ecken kurze Thierköpfe, Pferdeköpfen ähnlich, welche wohl als Handhaben gedient haben. Die vier Räder sind achtspeichig. Auf den horizontalen Achsen ruhet ein Bronzeblech. In der Mitte dieses Bleches oder Bodens steht eine hohe weibliche Figur, welche die Hände über den Kopf hält, ohne Zweifel, um ein Gefäß zu tragen. Umher stehen auf dem Bleche viele kleine Figuren, welche, wie die größere Figur in der Mitte, nur roh gearbeitet sind. Neben der Hauptfigur stehen an jeder Seite zwei Reiter mit Schild und Speer. An beiden Enden steht ein Hirsch, welchen zwei Männer am Geweih halten, und dahinter eine männliche Figur mit einem Beile in der Hand und

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eine weibliche Figur. Es scheint hier ein ganzer Opfercultus, zu welchem der Wagen selbst gedient haben wird, dargestellt zu sein. Die Einrichtung dieses Wagens ist höchst merkwürdig; jedoch scheint er aus etwas jüngerer Zeit zu stammen, als die Wagen von Peccatel und Frankfurt.

Im Jahre 1830 ward bei Radkersburg in Steiermark ein großer Fund von Bronzealterthümern gemacht, unter denen sich auch vier Räder denen von Peccatel an Größe ähnlich und ein kleineres Rad befinden. Diese Räder, welche achtspeichig sind, gehören sicher der Bronzeperiode an. Vgl. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark, Heft IV, 1853, S. 235, und Jahrbücher XX, S. 291.

Etwas anderer Art sind wohl die Bronzeräder und Wagen, welche in Ungarn gefunden sind. So befinden sich in der Esterhazyschen Sammlung große Bronzeräder, welche in Ungarn gefunden sind und 2 Fuß 5 Zoll und 2 Fuß 9 Zoll im Durchmesser haben. Zwei ähnliche Räder sollen sich in Toulouse, ein drittes in Paris befinden (vgl. Jahrb. XVIII, S. 253).

Näher scheinen den norddeutschen Wagen die Funde zu kommen, welche in Siebenbürgen gemacht sind. Hier ward ein einzelnes Rad gefunden, welches 4 174 Zoll im Durchmesser hält (vgl. Jahrb. XVIII, S.254). Auch ein kleiner Bronzewagen ward 1834 in Siebenbürgen, Szatzvaroser Stuhl, gefunden. Ueber diesen Bronzewagen, welcher im k. k. Antiken=Cabinet zu Wien aufbewahrt wird, habe ich von dem Herrn Director Arneth zu Wien (vgl. Jahrb. XVIII, S. 254) und von dem Herrn Dr. Bruzelius zu Lund, welcher 1858 den Wagen in Wien studirt hat, genauere Nachricht. Der Wagen ist jedenfalls sehr klein; nach Arneth haben die Räder 2 3/4 Zoll im Durchmesser, nach Bruzelius Beschreibung wäre das ganze Geräte kaum so hoch. Die vier Räder sind zwar vierspeichig, jedoch sind die Speichen schon künstlich gearbeitet, indem sie sich nach den Felgen hin verbreitern und ausgeschweift sind, wie die Räder der griechischen Rennwagen, vgl. Weiß Kostümkunde S. 907; die Achsen und die Langbäume sind in der Mitte etwas nach unten gebogen und die Langbäume gehen nach beiden Enden horizontal etwas gebogen zu Handhaben aus, so daß die Enden Vogelhälsen ähneln: der Wagen ist also auch an beiden Enden gleich eingerichtet. Auf den Langbäumen steht ein kleines amphorenartiges Gefäß mit Fuß. Das Ganze scheint ein Toilettengeräth, eine Salbenbüchse, zu sein und aus einer etwas Jüngern, raffinirtern Zeit zu stammen, vielleicht aus Griechenland.

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Diesem Wagen ähnlich ist das Bild auf den seltenen Münzen der griechischen Stadt Krannon, auch Ephyr genannt, in Thessalien, zwischen Pharsalus und Larissa. In der k. Münzsammlung zu Kopenhagen befindet sich ein Original dieser kleinen Münzen, eben so zu London, Paris und Wien. Diese Münzen, welche ungefähr in das 2. oder 3. Jahrhundert vor Christi Geburt fallen, haben auf der Rückseite einen vierrädrigen Wagen mit horizontalen Langbäumen, auf welchen eine Amphore steht; Vgl. T. E. Mionnet décription de médailles antiques, Paris, 1807 Tom. II, p. 10, Nr. 76, 77, und Supplement Tom. III, p. 281, Nr. 132; -Sestini lettere e dissertazioni numisinatiche, Firenze, 1821, Tom. V, p. 29; - N. F. Haym Thesaurus etc., Vindob., 1765, T. II, p. 148. Alle beschreiben das Bild dieser Münzen so: eine Vase steht auf einem kleinen Wagen, und auf jedem Rade steht ein Vogel; unter den auf den Rädern sitzenden Vögeln könnten vielleicht die Handhaben zu verstehen sein. Haym a. a. O. erklärt aus Antigoni Mirabil. Narrat. Lat. Ed. Basil. 1568, cap. 15, p. 123, das Bild so, daß die Bewohner von Krannon bei anhaltender Dürre einen eisernen Kessel auf einen Wagen gesetzt und im Pomp umhergeführt und wie eine Glocke geschlagen haben, um Regen von den Göttern zu erflehen Wenn diese krannonischen Wagen auch nicht ganz zu dem Gebrauche der übrigen Bronzewagen stimmen mögen, so scheint doch die Idee im Hintergrunde zu liegen, daß man auch in Griechenland Tempelgefäße auf Wagen hatte und ähnliche Gefäße leer umherfuhr, um es den Göttern nahe zu legen, sie zu ihrem eigenen Dienste zu füllen.

Bedeutende Anhaltspunkte geben noch die hetrurischen oder altitalischen Bronzewagen. 1 ) In G. Micali Mon. antich. pop. ital. XL, 4 ist ein kleiner Wagen in halber Größe abgebildet, dessen sechsspeichige Räder 2 1/2 Zoll im Durchmesser halten. Auf den horizontalen Achsen ruht eine dicke Platte, welche in der Mitte ein niedriges, einem Kasten ähnliches Gestell hat. Auf jeder Ecke der Platte ruht ein nach dem Ende hin sehender Löwe. Auf dem Kasten in der Mitte steht eine gegen 7 Zoll hohe Figur, welche auf dem Kopfe eine ungefähr 2 Zoll hohe Vase trägt, diese Darstellung ist der Darstellung auf dein judenburger Wagen ziemlich ähn=


1) Ich verdank dankbar diese Nachweisung dem Herrn Professor Weiß in Berlin, welcher auf der Versammlung der deutschen Geschichts= und Alterthumsforscher in Berlin 1858 die Vergleichung der alten Wagen des südlichen Europas hervorhob.
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lich. Eine tuskische(?), in Sardinien gefundene Bronze, welche einen gerüsteten Krieger auf dem Marsche zeigt, wie er neben Waffen und Gepäck einen kleinen Handwagen auf dem Rücken trägt, hat für den gegenwärtigen Zweck keine andere Bedeutung, als zu zeigen, wie weit schon im Alter die Anwendung der Wagen ging (vgl. Winkelmann's Briefe über die neuesten herculan. Entdeckungen und Gesch. und Beschreibung der Abbildungen, Weiß Kostümkunde S. 1086).

Von großer Bedeutung zur Vergleichung sind die homerischen metallenen Vasen oder Tripoden, welche auf Rädern liefen (vgl. Jahrb. XV, S. 271). Als Thetis in der Wohnung des Gottes Hephaistos erschien, um für ihren Sohn Achilleus Waffen von ihm zu erbitten:

Ihn dort fand sie im Schweiß, um die Blasebälge beschäftigt,
Eifrig; denn Dreifüße bereitet' er, zwanzig in Allem,
Rings zu stehn an der Wand des wohlgegründeten Saales.
Goldene Räder befestigt er jeglichem unter dem Boden,
Daß sie aus eigenem Trieb in die Schaar eingingen der Götter,
Dann zu ihrem Gemach heimkehrten, Wunder dem Anblick.
Sie nun waren so weit gefertigt, nur noch der Henkel
Kunstwerk fehlte daran; jetzt fügt er sie, hämmernd die Nägel.
(Homer Ilias XVIII, 372-379, nach der Uebersetzung von Voß).

Diese Beschreibung stimmt nun ganz zu dem Wagen von Peccatel, von dem sich die homerischen Götterwagen nur dadurch unterscheiden, daß sie von Gold gearbeitet und Automaten waren, die sich nach eigener Einsicht oder auf Befehl von selbst bewegten. Sonst ist die homerische Beschreibung noch dadurch sehr bezeichnend, daß Hephaistos die kunstvollen Henkel mit Nägeln an die Vase nietete (und nicht löthete), wie an der Vase von Peccatel. Da Hephaistos selbst die Tripoden als Hauptkunstwerke für die Götter in den Olymp setzte, so muß man schließen, daß Homer diese erdichtete Beschreibung den zu seiner Zeit üblichen, jedoch wohl seltenen Kunstwerken, welche sicher auch zu heiligem Gebrauche dienten, entnahm. Dreifüße (τρíποδες) werden nach unzähligen Stellen die gewöhnlich auf drei Füßen ruhenden Vasen oder Gefäße ge=

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nannt, welche, da man schon früh die größte Kunst auf die Füße verwandte, sehr bald auch nach den Füßen benannt wurden, obgleich die Vasen die Hauptsache bildeten. Sicher hatten die Gestelle nicht immer drei Füße, sondern auch wohl vier oder zwei. Die Tripoden des Hephaistos werden wohl ein Wagengestell mit vier Rädern gehabt haben, da Dreifüße mit drei Rädern schwerlich gut zum Fahren geeignet sind.

Wenn auch Homer Jl. V, 722 dem Götterwagen der Here achtspeichige eherne Räder giebt, so haben doch viele Abbildungen griechischer Wagen nur vierspeichige Räder (vgl. Weiß Kostümkunde S. 455, 907, 908).

In jüngern Zeiten kommen besondere Wagen, wie Götter Wagen, Triumphwagen, Streitwagen, Fahnenwagen u. s. w., in der verschiedensten Art oft vor; vgl. J. Grimm's Rechtsalterthümer I, S. 262 flgd.; J. Grimm's Mythologie I, S. 138, 687. Der carrocio der Lombarden ist bekannt. Diese Wagen können hier jedoch nicht zur Vergleichung gezogen werden, da die Hauptsache fehlt, die Bestimmung, eine Vase zu tragen.

Die jüngste Hindeutung auf Wagen mit Gefäßen scheinen die karrâschen im Parzival von Wolfram von Eschenbach, Ausgabe von Lachmann 237, 22, und 240, 12, zu sein. Im Festsaale des Grals auf der Burg Montsalvatsch

vier karrâschen muosen tragen
manec tiwer goltvaz
ieslichem ritter der dâ saz.
man zôhs zen vier wenden.
vier ritter mit ir henden
mans ûf die taveln setzen sach.

Diese Wagen scheinen aber nur dazu bestimmt gewesen zu sein, viele goldene Gefäße auf kleinen Wagen in den Saal zu fahren, wo sie abgeladen und vorgesetzt wurden; die Wagen waren nicht mit Gefäßen fest verbunden und kamen nicht auf die Tafel.


Betrachtung und Vergleichung.

Es scheint Stoff genug vorzuliegen, um die aufgeführten kleinen Bronzewagen beurtheilen und bestimmen zu können. Der Wagen von Peccatel scheint der älteste, vollständigste und wichtigste zu sein. Demfelben gleich an Größe, Arbeit und Metall ist der Wagen von Frankfurt a. d. O. Wichtig für die Ausschmückung mit Figuren ist der Wagen von Judenburg, wenn er auch etwas jünger zu sein scheint. Dagegen

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scheinen die Räder von Radkersburg in die Zeit zu fallen, welcher der Wagen von Peccatel angehört. Die hetrurischen Wagen sind gewiß auch alt und kommen in der Zeit wohl dem Wagen von Peccatel nahe. Die Frage, wie alt diese Wagen sein können, läßt sich wohl mit Bestimmtheit dahin beantworten, daß alle diese Wagen aus der Zeit vor Christi Geburt stammen. Es sind schon so viele Wagen und Nachrichten und Zeichnungen von denselben vorhanden, daß sich ihre Verbreitung über Mittel und Südeuropa zu einer gewissen Zeit klar verfolgen läßt; es läßt sich annehmen, daß zu einer bestimmten Zeit, ehe man im Süden Europas Prachtgebäude bauete, die Bronzekultur von Morea bis Jütland dieselbe war, und daß der Geschmack in jener Zeit in Nordgermanien wenigstens eben so sehr ausgebildet war, als in Griechenland.

Wir haben freilich kein historisches Zeugniß, keine Inschrift, keine Jahreszahl über das Alter unserer Bronzealterthümer. Aber es läßt sich durch scharfe Beobachtung von tausenden von Alterthümern und Gräbern und durch Vergleichungen ein ziemlich bestimmter Schluß ziehen, in welchem alle besonnenen Forscher übereinstimmen.

In den unzähligen Gräbern der reinen Bronzeperiode wird in Norddeutschland nie Eisen und Silber, sondern nur Bronze und Gold gefunden; Eisen und Silber erscheinen aber in Norddeutschland neben gestempelten römischen Gefäßen und Münzen bald nach Christi Geburt. Der Wagen von Peccatel gehört der reinen und ausgebildeten Bronzezeit an. Die Metallmischung desselben, wie überhaupt aller norddeutschen alten Bronze, welche aus Kupfer und Zinn besteht, ist alt und der altgriechischen Bronze gleich; mit ihr tritt Goldreichthum auf. Der Rost der peccatelschen Bronzealterthümer ist alt und tief und sicher über 2000 Jahre alt, wie sich dies mit größter Wahrscheinlichkeit durch Vergleichung alter Bronzemünzen darthun läßt. Die Verfertigung von Gefäßen aus kalt gehämmerter Bronze und das Nieten derselben gehört wesentlich der ausgebildeten Bronzeperiode an. Ich trage daher kein Bedenken, den Wagen von Peccatel in die Zeit um das Jahr 1000 vor Christi Geburt zu setzen. Durch Vergleichung läßt sich diese Annahme jedoch noch fester bestimmen. In Gräbern von gleicher Beschaffenheit aus der Bronzeperiode werden neben Bronze und Gold auch Perlen von meerblauem Glase gefunden (vgl. Jahresber. IV, S. 28 und Jahrb. X, S. 275, und XIV, S. 314). Dieses älteste gefärbte Glas fällt nach den Beob=

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achtungen sicherer Forscher, wie des k. k. österreichischen Gesandten Freiherrn v. Koller zu Berlin, ziemlich genau in die Zeit um das Jahr 1000 v. C. Damit stimmen wieder die Beschreibungen in Homer und die in Hetrurien gefundenen Bronzen überein, da sowohl die (Grundlagen der homerischen Dichtung, wie die alte hetrurische Cultur in die Zeit um das Jahr 1000 v. C. fallen mögen. Von bedeutender Wichtigkeit werden die alten Bronzewagen aber dadurch, daß sie sich mit gleichzeitigen Geräthen des jüdischen Alterthums in Verbindung bringen lassen.


Die salomonischen Kesselwagen.

Der Bronzewagen von Peccatel erhält eine überraschende Erläuterung durch die "Gestühle" oder Kesselwagen, welche als große Kunstwerke vor dem Tempel Salomonis standen. Als ich in der Versammlung der Geschichts= und Alterthumsforscher in Berlin im Sept. 1858 den Bronzewagen von Peccatel vorzeigte und zu erläutern und mit andern Bronzewagen in Verbindung zu bringen suchte, war es der Herr Professor Piper zu Berlin, welcher auf die Aehnlichkeit des peccatelschen Wagens mit den salomonischen Kesseln aufmerksam machte, da die Versammlung sich ihrem Schlusse näherte, so konnte die Untersuchung nicht weiter fortgesetzt werden. Später setzte ich mich auch mit dem Herrn Professor Ewald zu Göttingen in Verbindung, welcher mir im März 1859 eine handschriftliche Erläuterung der Stelle im 1. Buche der Könige 7, 27-39 und späterhin eine am 9. Julii 1859 der Gesellschaft der Wissenschaften überreichte Abhandlung mittheilte; vgl. Nachrichten von der Universität und der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, 1859, Nr. 13, Juli 8, S. 131-146. Die lutherische Uebersetzung der äußerst schwierigen Stelle ist sehr dunkel, kann aber, bei der höchsten Achtung vor Luther staunenswerther Arbeit durch sprachvergleichende Forschung in den semitischen Dialekten ohne Zweifel bedeutend aufgeklärt werden; ohne eine solche Aufklärung ist aber ein klares Verständniß und eine Vergleichung mit andern Alterthümern kaum möglich. Es kann nicht in meiner Absicht und in dem Zweck unserer Jahrbücher liegen, eine kritische Abhandlung über alttestamentliche Archäologie zu liefern, auch würde es zu weit führen, eine vergleichende Forschung der bedeutenden Litteratur über den salomonischen Tempel vorzunehmen; ich muß mich begnügen, hier die Forschungen des

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Herrn Professors Ewald, mit seiner Erlaubniß, mitzutheilen, so weit sie zur Erkenntniß der Kesselwagen nöthig sind.

Nachdem der König Salomo den Tempel vollendet hatte, ließ er durch Hiram von Tyrus zwei eherne Säulen, ein ehernes Meer und zehn eherne Kesselwagen machen und im Vorhofe des Tempels aufstellen. Nach 2. Chron. 4, 2 und 6:

2. machte er ein gegossen Meer
6. und er machte zehn Kessel, derer setzte er fünf zur Rechten und fünf zur Linken, darinnen zu waschen, was zum Brandopfer gehört, daß sie es hineinstießen, das Meer aber, daß sich die Priester darinnen wüschen.

Diese großen Gefäße waren also zur Reinigung bestimmt, wie zu allen Zeiten die körperliche Reinigung als ein Sinnbild der geistigen Reinheit betrachtet ist.

Das Meer und die Kessel werden in 1. Kön. 7, 13 flgd. genau beschrieben. Ich lasse hier die Beschreibung nach Luthers Uebersetzung und an den die Kessel betreffenden Stellen darunter nach Ewalde Uebersetzung mit einigen nothwendigen Erläuterungen von demselben folgen, bemerke dabei jedoch, daß ich die Folge der Verse, wie sie nach dem Inhalte Zusammenpassen, da sich der Inhalt zu wiederholen scheint, an einigen Stellen umgestellt habe.

1. Kön. 7, 13 flgd.

Luthers Uebersetzung.

13. Und der König Salomo sandte hin und ließ holen Hiram von Tyrus,

14. Einer Wittwe Sohn aus dem Stamme Naphthali, und sein Vater war ein Mann von Tyrus gewesen; der war ein Meister in Erz, voll Weisheit, Verstand und Kunst, zu arbeiten in allerlei Erzwerk. Da der zum Könige Salomo kam, machte er alle seine Werke.

15. Und machte zwo eherne Säulen. - - - -
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21. - - - - - - - - - - - - - - - -
Und die er zur rechten Hand setzte, hieß er Jachin; und die er zur linken Hand setzte, hieß er Boas.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

23. Und er machte ein Meer, gegossen, zehn Ellen weit, von einem Rande zum andern rund umher, und fünf

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Ellen hoch, und eine Schnur dreißig Ellen lang war das Maaß ringsum.

24. Und um dasselbige Meer, das zehn Ellen weit war, gingen Knoten an seinem Rande rings ums Meer her; der Knoten aber waren zwo Reihen gegossen

25. Und es stand auf zwölf Rindern, - - - und das Meer oben darauf, daß alle ihre Hintertheile inwendig waren.

26. Seine Dicke aber war einer Hand breit, und sein Rand war wie eines Bechers Rand, wie eine aufgegangene Rose, und es ging darein zwei tausend Bath.

27. Und er machte auch zehn eherne Gestühle, einen jeglichen vier Ellen lang und breit und drei Ellen hoch.

28. Es war aber das Gestühle also gemacht, daß es Seiten hatte zwischen den Leisten.

29. Und an den Seiten zwischen den Leisten waren Löwen, Ochsen und Cherubim. Und die Seiten, daran die Löwen und Ochsen waren, hatten Leisten oben und unten, und Füßlein daran.


Ewalds Uebersetzung.

27. Dann machte er (Hiram) die zehn ehernen Gestelle (mechonoth), vier Ellen die Länge jedes Gestelles, vier seine Breite und drei seine Höhe.

Anm. Gestelle heißen sie, insofern sie die Kessel zu tragen bestimmt waren. Die Räder werden mit diesem Namen nicht einbegriffen, und so sind die Zahlen in diesem V. 27 zu verstehen.

28. Und das ist die Kunst des Gestelles: sie haben Einfassungen, und Einfassungen zwischen den Leisten;

Anm. Die Grundtheile jedes Gestelles sind die Einfassungen und die Leisten; von den Leisten aus erhebt sich der Träger des Kessels oder das Mundstück (bei Luther: der Hals) mit seinen vier Füßen. Die Einfassungen sind nach V. 31 viereckige Streifen, auf den Achsen befestigt, von einem Ende zum andern gebend, aber nach V. 35 in der Mitte sich bis zur Höhe des Gestelles erhebend. Der Name erklärt sich daraus, daß sie so auf beiden Seiten das Gestelle einfassen oder seine wesentlichste Außenseite bilden. Vorne aber und hinten waren die Räder durch die Achsen verbunden; aber diese Achsen V. 30 dienten zugleich ganz ähnlich wie die beiden Einfassungen das Gestelle vorne und hinten einzufassen, erhoben sich in der Mitte eben so hoch, und heißen daher zwar V. 30 mit dem gewöhnlichen Namen Achsen, sonst aber Leisten V. 28 oder mit einem noch nähern hebräischen Ausdruck Halter.

29. und auf den Einfassungen zwischen den Leisten sind Löwen, Stiere und Kerube, wie auf den Leisten eben so, oberhalb; unterhalb aber von den Löwen und Stieren sind Kränze herabhangend eingegraben.

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Luthers Uebersetzung.

30. Und ein jegliches Gestühle hatte vier eherne Räder, mit ehernem Gestell. Und auf den vier Ecken waren Achseln gegossen, eine jegliche gegen der andern über, unten an den Kessel gelehnt.

34. Und die vier Achsen auf den vier Ecken eines jeglichen Gestühls waren auch am Gestühle.

31. Aber der Hals mitten auf dem Gestühle war ein Elle hoch, und rund, anderthalb Ellen weit; und waren Pockeln an dem Hals, in Feldern, die viereckigt waren und nicht rund.

35. Und am Halse oben auf dem Gestühle, eine halbe Elle hoch, rund umher, waren Leisten und Seiten am Gestühle.


Ewalds Uebersetzung.

30. Und vier eherne Räder hat jedes Gestelle, mit ehernen Achsen; seine vier Füße aber haben Schulterstücke unterhalb des Kessels; die Schulterstücke sind gegossen, hinter eines jeden Seite Platten.

34. Die vier Schulterstücke an den vier Ecken jedes Gestelles steigen vom Gestelle selbst empor.

Anm. Wohl nicht weit einwärts von da, wo auf den Achsen die Seiteneinfassungen befestigt waren, waren auch die vier Füße befestigt, welche sich grade emporhoben und oben in etwas stärkere Schulterstücke ausliefen. Sie erhoben sich an den vier Ecken des Gestelles hinauf und waren die stärksten Stützen des oben über ihnen stehenden Kessels.

31. Seine Höhlung zwischen den Schulterstücken und weiter hinauf drei Ellen; sein Mundstück rund, gleicher Arbeit, anderthalb Ellen hoch, und auf dem Mundstücke Eingrabungen. Seine Einfassungen aber sind viereckig, nicht rund.

35. Oben aber am Gestelle ist es anderthalb Ellen hoch, rings herum rund; und bis zur Höhe des Gestelles erheben sich seine Halter und Einfassungen von ihm aus.

Anm. Innerhalb des Zwischenraumes oder der Höhlung zwischen den Füßen war ein rundes Mundstück (wie es hebräisch heißt) oder nach Luther ein Hals befestigt, auf dessen Rande ein Kessel ruhen füllte. Dieses Mundstück füllte die obere Hälfte der drei Ellen, die das ganze Gestell hoch war; unten standen also die Füße 1 1/2 bloß, und die Schulterstücke, womit sie oben endigten, gingen nicht ganz so weit nach oben hinauf, als der obere Rand des Mundstückes reichte. Dieses inwendig an die vier Füße angegossene Mundstück (man könnte es Zylinder nennen) bestand aus runden ehernen Platten.

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Luthers Uebersetzung.

32. Die vier Räder aber standen unten an den Seiten, und die Achsen der Räder waren am Gestühle. Ein jegliches Rad war anderthalb Ellen hoch.

33. Und waren Räder, wie Wagenräder. Und ihre Achsen, Naben, Speichen und Felgen war alles gegossen.

36. Und er ließ auf die Fläche derselbigen Seiten und Leisten graben Cherubim, Löwen und Palmenbäume, ein jegliches am andern, rings umher daran.

37. Auf diese Weise machte er zehn Gestühle, gegossen, einerley Maaß und Raum war an allen.

38. Und er machte zehn eherne Kessel, daß vierzig Bath in einen Kessel gingen; und war vier Ellen groß; und auf jeglichem Gestühle war ein Kessel.


Ewalds Uebersetzung.

32. Was aber die vier Räder unterhalb der Einfassungen und der Halter der Räder am Gestelle betrifft, so ist die Höhe jedes Rades anderthalb Ellen.

33. Die Arbeit der Räder aber ist wie die des Wagenrades, ihre Halter, Felgen, Speichen und Naben, alles gegossen.

Anm. Von den Rädern ist V. 32 und 33 noch ein Mal bestimmter die Rede, um ihre Höhe nachzuholen und zu sagen, daß sie übrigens ganz gewöhnlichen Wagenrädern glichen.

36. So grub er denn auf diese Platten, die Halter und die Einfassungen jedes Gestelles Kerube, Löwen und Palmenlaub, wie jedes am Platze war, mit Kränzen ringsum.

Anm . Die Verzierungen oder nach V. 31 Eingrabungen im Erze werden noch einmal deutlicher hervorgehoben. Sie bestanden aus Kerzen, Stieren, Löwen und Palmen, welche auch sonst bei den salomonischen Heiligenthümern immer vorkommen; aber hier stand unter einer Reihe dieser vier Bilder (von denen bisweilen zufällig nur zwei oder drei genannt werden) immer eine andere Reihe von fortlaufenden Kränzen, als untere Reihe nach unten hin gekehrt.

37. Also machte er die zehn Gestelle: einen Guß, ein Maaß, eine Gestalt haben sie alle.

38. Dann machte er zehn eherne Kessel: vierzig Maaß Wasser enthält jeder Kessel, vier Ellen hoch ist ein jeder hervorragend über einem der zehn Gestelle.

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Luthers Uebersetzung.

39. Und setzte fünf Gestühle an die rechte Ecke des Hauses, und die andern fünf an die linke Ecke; aber das Meer setzte er zur rechten vorne an gegen Mittag.


Ewalds Uebersetzung.

39. Und er stellte von den Gestellen fünf auf die rechte (südliche) Seite des Hauses (Tempels) und fünf auf die linke Seite desselben, das Meer aber stellte er auf der südlichen Seite südöstlich auf.


Diese salomonischen Kesselwagen gleichen nun, mit Ausnahme der "Einfassungen und Leisten" oder der Seitenverzierungen des Gestelles, ganz dem bronzenen Kesselwagen von Peccatel, nur daß die Größe beider sehr verschieden ist, indem die großen (zum Fahren auf der Erde bestimmten) salomonischen Wagen frei im Vorhofe des Tempels auf der Erde standen, der kleine (tragbare) meklenburgische Wagen auf einem Tische oder Altare zu stehen und zu rollen bestimmt war. Der Wagen von Peccatel bildet ein Quadrat mit vier gegossenen ehernen Rädern, welche ein Gestell tragen, auf welchem mit vier Füßen ein Cylinder (Hals oder Mundstück) steht, der einen ehernen Kessel trägt. Grade so sind die salomonischen Kesselwagen eingerichtet. Vier gegossene eherne Räder (V. 30, 32 und 33) tragen ein quadratisches (V. 27) Gestell, von dessen Ecken vier Füße (V. 34) emporsteigen, welche ein rundes Mundstück (V. 31) tragen, auf dem ein eherner Kessel ruht (V. 38). Beide Kesselwagen stimmen also in ihrem Bau fast ganz mit einander überein. Zwar wird das Gestell nicht genau beschrieben, aber es wird dem des peccatelschen Wagens ähnlich gewesen sein, da sowohl auf dem peccatelschen, als auf den salomonischen Wagen der Kessel von einem Cylinder getragen wird, und nicht von einer Figur, wie auf den übrigen Bronzewagen. Die salomonischen Kesselwagen unterscheiden sich von dem peccatelschen, außer durch die Größe, allein in der Verzierung dadurch, daß die salomonischen Kesselwagen eine Verkleidung des Gestelles durch glatten (Einfassungen und Leisten) (V. 28) hatten, welche mit Löwen, Stieren und Cherubim und herabhangenden Kränzen (V. 29 und 36) verziert waren. Hierin ähnelt der etru=

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rische Wagen den salomonischen, indem auf den vier Ecken einer breitern Unterlage Löwen zur Verzierung liegen; auch der Wagen von Judenburg erinnert daran, welcher auf der auf den Achten ruhenden glatte vielerlei Figuren trägt. Die salomonischen Kesselwagen werden übrigens schon in den alten plattdeutschen Bibeln, namentlich der von Ludwig Dietz in Rostock herausgegebenen plattdeutschen Bibel, dem peccatelschen Wagen ziemlich ähnlich, abgebildet, und die geschichtliche Verfolgung der Ideen in den Abbildungen könnte ein erhebliches Interesse bieten.

Abgesehen davon, wie alt die biblischen Beschreibungen sind, so fällt die Verfertigung der salomonischen Kesselwagen ungefähr auch in das Jahr 1000 vor Christi Geburt, oder genauer ungefähr in die Zeit 1022-1015 v. Ch.; wir gelangen hindurch zu der merkwürdigen Entdeckung, daß ungefähr zu einer und derselben Zeit um das Jahr 1000 v. C. in den entferntesten Gegenden, in Jerusalem und in den Ostseeländern, dieselbe seltene gottesdienstliche und gewerbliche Bildung herrschte, ein Ergebniß, welches eine feste Grundlage der Alterthumswissenschaft werden und ein ungeahntes Licht in dieselbe werfen kann.

Ewald sagt in den göttinger Nachrichten: "Die salomonischen Kesselwagen werden nicht etwa aus später Zurückerinnerung und so vielleicht minder anschaulich und zuverlässig, sondern von alter, kundiger Hand, als sie noch neu waren und eben als neue die Aufmerksamkeit desto mehr reizten, beschrieben. - - Denn daß diese Beschreibung der heiligen Kesselwagen wirklich von einem sehr alten, ja ihrer Verfertigung gleichzeitigen Erzähler herrührt, habe ich in der Geschichte des V. J. Bd. I und III so bestimmt erwiesen, daß es hier als sicher vorausgesetzt werden kann. Dadurch wächst nun zwar für uns sehr die Wichtigkeit dieser noch aus dem elften Jahrhundert vor Chr. - -stammenden Beschreibung; allein das hebräische Wortgefüge giebt sich hier offenbar, sobald man das ganze Stück zu verstehen versucht, als ein durch spätere Hände ziemlich entstelltes zu erkennen. - - Die Beschreibung geht noch in das Zeitalter Salomos selbst zurück". - - "Das größte Ergebniß ist hier, daß wir eine nähere Verwandtschaft zwischen althebräischen und alteuropäischen Gebräuchen und Einrichtungen sehen, welche man schwerlich leicht in dieser Weise vorausgesetzt hätte. Die Kesselwagen, welche man an verschiedenen Orten Europas wiedergefunden hat, stimmen zwar nicht in jeder Einzelnheit mitten alt=

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hebräischen überein, aber im Ganzen und Großen giebt sich zwischen ihnen die denkwürdigste Aehnlichkeit zu erkennen. - - Wir können nicht voraussetzen, daß diese in Europa gefundenen Alterthümer etwa bloße Nachahmungen oder absichtliche Nachbildungen der hebräischen seien: - - nach allem, was wir bis jetzt erkennen können, führen uns diese alten Geräthe in jene entfernten Zeiten hinauf, wo überhaupt zwischen den heiligen Gebräuchen der verschiedensten Völker Asiens und Europas noch eine größere Gleichheit herrschte."

Das Schicksal der salomonischen Kesselwagen läßt sich aus den Schriften des Alten Testaments genau verfolgen. In der Zeit von 1022-1025 v. C. wurden die salomonischen Kesselwagen mit den übrigen Tempelgeräthen verfertigt. Sie blieben gegen 300 Jahre lang unversehrt im Vorhofe des Tempels stehen. Um das Jahr 730 v. C. nahm der schwache König Ahaz dem Tempel manchen scheinbar weniger nöthigen Schmuck, um mit dessen Verkaufe die nöthigen Abgaben an den assyrischen König zu gewinnen, und riß dabei auch die verzierten ehernen Einfassungen oder Umkleidungen der Wagengestelle ab, nach 2. Kön. 16, 17:

17. Und der König Ahas brach ab die Seiten an den Gestühlen und that die Kessel oben davon und das Meer that er von den ehernen Ochsen, die darunter waren, und setzte es auf das steinerne Pflaster.

Es ist nicht ganz klar, ob Ahas außer den Einfassungen auch die Kessel, die er "abthat", verkauft oder auf die Erde gesetzt habe; vielleicht verkaufte er sie auch.

Die Wagengestelle bleiben noch über 150 Jahre vor dem Tempel stehen und bei der ersten Eroberung Jerusalems durch Nebucad=Nezar im J. 597 v. C. ungestörte wie Jeremias (seit 629 v. C.), der die große Begebenheit erlebte, Jerem. 27, 19 flgd. berichtet:

19. Denn also spricht der Herr Zebaoth von den Säulen und vom Meer und vom Gestühle und von den Gefäßen, die noch übrig sind in dieser Stadt, 20. welche Nebucad=Nezar, der König zu Babel, nicht wegnahm,

22. sie sollen gen Babel geführt werden und daselbst bleiben bis auf den Tag, da ich sie heimsuche und sie wiederum herauf an diesen Ort bringen lasse.

Daher konnte auch der Prophet Hesekiel (599 v. C.) noch das Gesicht haben, welches er Cap. 1 und 10 beschreibt, da er die Kesselwagen noch gesehen hatte.

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Bei der allgemeinen Zerstörung Jerusalems unter Nebucad=Nezar durch Nebusa=Adan im J. 586 v. C. wurden aber die Gestühle und das Meer zerstört, indem die Chaldäer die Geräthe zerschlugen und das Erz nach Babylon führten, nach 2. Kön. 25, 8-13 und Jeremias 52, 12-17.

2. Kön. 25, 8. Am siebenten Tage des fünften Monats, das ist das neunzehnte Jahr Nebucad=Nezars, des Königs zu Babel, kam Nebusar=Adan, der Hofmeister, des Königs zu Babel Knecht, gen Jerusalem,

9. Und verbrannte das Haus des Herrn und das Haus des Königs und alle Häuser zu Jerusalem, und alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer.

10. Und die ganze Macht der Chaldäer, die mit dem Hofmeister war, zerbrach die Mauern um Jerusalem her.

13. Aber die ehernen Säulen am Hause des Herrn und die Gestühle und das eherne Meer, das am Hause des Herrn war, zerbrachen die Chaldäer und führten das Erz gen Babel.

Auf die Nachrichten, welche Flavius Josephus bringt, ist kein Gewicht zu legen, da derselbe nur die griechische Uebersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta, benutzt.

Möglich wäre es, daß sich im Schutte von Jerusalem noch Ueberreste fänden, und sorgsame Nachgrabungen möchten sich wohl der Mühe verlohnen; wenn sich auch grade keine Ueberreste der Kesselwagen fänden, so würde doch gewiß vieles Andere von großer Wichtigkeit ans Licht treten.


Die Evangelisten=Symbole.

Die salomonischen Kesselwagen scheinen einen bildnerischen Einfluß gehabt zu haben, der sich bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt hat. Bekanntlich werden die vier Evangelisten durch Symbole dargestellt, Matthäus durch einen Menschen oder Cherub, Marcus durch einen Löwen, Lucas durch einen Stier, Johannes durch einen Adler, alle mit Flügeln, welche offenbar der Gestaltung der Cherubim entlehnt und altasiatischen oder ägyptischen Ursprungs sind. Diese Symbole sind bekanntlich einem "Gesichte" des Propheten Hesekiel entnommen, dessen Beschreibung ich der Wichtigkeit wegen mit den übrigen betreffenden Stellen hier ganz hersetze.

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Prophet Hesekiel.

Cap. 1.

1. Im dreißigsten Jahr, am fünften Tage des vierten Monats, da ich war unter den Gefangenen am Wasser Chebar, that sich der Himmel auf und Gott zeigte mir Gesichte.

4. Und ich sahe, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Mitternacht her mit einer großen Wolke voll Feuer, das allenthalben umher glänzte, und mitten in demselbigen Feuer war es wie lichthelle;

5. Und darinnen war es gestaltet wie vier Thiere, und unter ihnen eines gestaltet wie ein Mensch;

6. Und ein jegliches hatte vier Angesichter und vier Flügel;

7. Und ihre Beine standen gerade, aber ihre Füße waren gleich wie runde Füße, und glänzten wie ein hell glattes Erz.

9. Und wenn sie gingen, durften sie sich nicht herum lenken; sondern wo sie hingingen, gingen sie stracks vor sich.

10. Ihre Angesichter zur rechten Seite der Vier waren gleich einem Menschen und Löwen; aber zur linken Seite der Vier waren ihre Angesichter gleich einem Ochsen und Adler.

12. Wo sie hingingen, da gingen sie stracks vor sich: sie gingen aber, wohin der Wind stand, und durften sich nicht herum lenken, wenn sie gingen.

15. Als ich die Thiere so sahe, siehe da stand ein Rad auf der Erde bei den vier Thieren, und war anzusehen, wie vier Räder.

16. Und dieselbigen Räder waren wie ein Türkis, und waren alle vier eins wie das andere, und sie waren anzusehen, als wäre ein Rad im andern.

17. Wenn sie gehen sollten, konnten sie in alle ihre vier Orte gehen, und durften sich nicht herum lenken, wenn sie gingen.

18. Ihre Felgen und Höhe waren schrecklich; und ihre Felgen waren voller Augen um und um an allen vier Rädern.

19. Und wenn die Thiere gingen, so gingen auch die Räder neben ihnen etc. .

26. Und über dem Himmel, so oben über ihnen war, war es gestaltet, wie ein Sapphir, gleichwie ein Stuhl, und auf demselbigen Stuhl saß einer, gleichwie ein Mensch gestaltet etc. .

28. Dies war das Ansehen der Herrlichkeit des Herrn.

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Cap. 10.

1. Und ich sahe, und siehe, am Himmel über dem Haupt der Cherubim war es gestaltet, wie ein Sapphir, und über demselbigen war es gleich anzusehen, wie ein Thron.

2. Und er sprach zu dem Manne im Leinewand: gehe hinein zwischen die Räder unter den Cherub und fasse die Hände voll glühender Kohlen, so zwischen Cherubim, und streue sie über die Stadt.

3. Die Cherubim aber standen zur Rechten am Hause und der Vorhof ward inwendig voll Nebel.

4. Und die Herrlichkeit des Herrn erhob sich von dem Cherub zur Schwelle am Hause; und das Haus ward voll Nebel, und der Vorhof voll Glanz von der Herrlichkeit des Herrn.

6. Und da er dem Manne im Leinewand geboten hatte und gesagt: Nimm Feuer zwischen den Rädern unter den Cherubim; ging derselbige hinein und trat bey das Rad.

9. Und ich sahe, und siehe, vier Räder standen bey den Cherubim, bey einem jeglichen Cherub ein Rad.

19. Da schwungen die Cherubim ihre Flügel und erhoben sich von der Erde vor meinen Augen, und da sie ausgingen, gingen die Räder neben ihnen. Und sie traten in das Thor am Hause des Herrn gegen Morgen, und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen.

Der Prophet ist in der Gefangenschaft und sieht im Geiste sehnsuchtsvoll die "Herrlichkeit des Herrn" im Anschauen des "Vorhofes des Tempels des Herrn" zu Jerusalem. Hier sah er im Geiste vier Thiere mit Flügeln, welche glänzten, wie Erz, einen Menschen, Löwen, Ochsen und Adler, und ein Rad bei jedem Thiere, welches sich mit dem Thiere bewegte, jedoch nur vorwärts und rückwärts, denn sie konnten sich nicht herumlenken, wenn sie gingen. Diese Thiere sind ohne Zweifel die Thiere, mit denen die salomonischen Kesselwagen verziert waren. Wenn man den Vorhof des Tempels betrat, so erblickte man zuerst das Meer und die Kesselwagen. Da nun Hesekiel die Herrlichkeit des Herrn im Anschauen des Vorhofes des Tempels erkennt, so konnte er auch im Geiste nichts anders erkennen, als was er dort sehen konnte und was er dichterisch ausschmückte. Er sah die gleichen Kesselwagen und beschreibt jedes Rad mit dem darüber auf der "Einfassung" zur Verzierung angebrachten symbolischen Thiere. Man kann es nicht denken, daß der Prophet auf eine andere Weise zu einem solchen Gesichte gekommen sei; denn es ist fast nicht zu glauben, daß jemand, um die Herr=

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lichkeit des Herrn zu schildern, auf den sonst ganz fern liegenden Einfall kommen könnte, z. B. einen Ochsen darzustellen, neben welchem ein Rad läuft! Die vier Thiere, welche der Prophet sieht, sind also die vier Räder eines zur Reinigung und zum Opfer bestimmten Kesselwagens mit den darüber stehenden symbolischen Thieren, oder jedes Thier mit einem Rade ist ein Viertheil eines Kesselwagengestells. Zum sichern Beweise, daß der Prophet die Gestalten auf dem Kesselwagen meint, fügt er bedeutsam hinzu, daß sie sich nur vorwärts und rückwärts bewegen und nicht umlenken konnten. Dies ist den Wagen entnommen, welche fest zusammengenietet waren und nur vorwärts und rückwärts bewegt werden konnten. Zwar waren die salomonischen Kesselwagen mit Cherubim, Löwen, Ochsen und Palmen verziert, und Hesekiel sieht Räder mit Cherubim, Löwen, Ochsen und Adlern. Der Prophet hat also Adler statt Palmen. Hier kann aber irgendwo ein Irrthum stecken; vielleicht sind auch die Beschreibungen der Kesselwagen nicht ganz genau.

Durch diese dichterische Schilderung veranlaßt, glaube ich die Einrichtung der salomonischen Kesselwagen noch genauer muthmaßlich darstellen zu können, als oben geschehen ist. Die vier Räder trugen ein Gestell, d. h. eine Zusammenstellung von Achsen und Langbäumen, welches zur Bildung eines Wagens nothwendig war, um dem Ganzen Haltung zu geben, oder eigentlich den Haupttheil des Wagens bildete, ähnlich wie an dem peccatelschen Wagen. Dieses Gestell war mit ehernen, von Leisten begrenzten, breiten Einfassungen umkleidet, welche auf den Achsen ruheten, um das eigentliche, unkünstlerische Wagengestell zu verdecken; innerhalb dieser verzierenden Umkleidung standen, wie auf dem peccatelschen Wagen, auf den Achsen vier Füße, welche einen Säulenschaft (oder Hals, Mundstück) mit dem Kessel trugen. Die verkleideten Einfassungen waren mit eingegrabenen (V. 29) Palmen und Kränzen verziert. Auf den vier Ecken der Einfassungen, welche vielleicht oben zugedeckt waren, standen über den Achsen der Wagen aber die symbolischen Gestalten: ein Löwe, ein Ochse und zwei Cherube (oder ein Cherub und ein Adler) frei als Bildsäulen, vielleicht auch zu Stützen, um den Rand der Kessel zu halten. So ungefähr sind auch die alten südenropäischen Kesselwagen gebildet, indem die Gestalten frei auf den Platten stehen. Es wäre sonst freilich kaum zu erklären, wie Hesekiel die vollen Gestalten über den Rädern hatte sehen können. Jedenfalls verdient diese Darstellung eine gründliche Untersuchung gelehrter und umsichtiger Forscher im hebräischen Alterthum.


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Das Kegelgrab von Petersberg,

vom

Pastor Masch zu Demern.

Das Dorf Petersberg im Fürstenthnm Ratzeburg, welches jetzt von 10 Hauswirthen bewohnt wird, liegt in demjenigen Theile des Landes, welcher als Land Boitin zu der ersten Bewidmung des Bisthums Ratzeburg gehörte, und ward schon früh germanisirt, so daß sich kein slavischer Name desselben findet. Als im Jahre 1194 der Bischof Isfridus sich mit einem Capitel auseinander setzte (Masch, Bisthum Ratzeburg, S. 96), ward es dem letzteren überwiesen und gehörte seitdem mit den andern in dieser Gegend liegenden Capiteldörfern zur Vogtei Rupensdorf, und ward in demselben "dem alten Herkommen nach" das Landgericht gehalten, worüber ein Ausschreiben vom 25. Mai 1685 vorliegt.

Westlich von diesem Dorfe liegt ein Höhenzug, der auf der Schmettauischen Karte unter dem Namen des Heidegelsberges angegeben ist. Auf dem östlichen Ende desselben, wo das Land sich dem Dorfe zu abflacht und wo eine kleine Moorfläche lag, war der Ziegenberg, eine Anhöhe, mit Gestrüpp bewachsen.

Diese Anhöhe war im Ganzen rund, hatte 80 Fuß im Durchmesser und war etwa 8 Fuß hoch. Der Besitzer, der Hauswirth Badstein, beschloß, sie abzufahren und mit der Erde das erwähnte Moor auszufüllen, und begann im Herbste 1857 diese Arbeit. Seiner Angabe nach hat er etwa 1400 Fuder abgefahren, und es ergab sich, daß diese Erde Sandlehm war, eben so wie der später bloß gelegte Urboden.

Der Ziegenberg war ein mächtiger germanischer Grabhügel (ein Kegelgrab), welcher drei Gräber in sich schloß. Während der Abtragung desselben sind freilich keine wissenschaftliche Untersuchungen angestellt worden, aber Badstein ist mit großer Aufmerksamkeit allen Vorkommenheiten gefolgt und seine Angaben waren so genau und bestimmt, daß man sich ein ganz klares Bild von der ganzen Construction machen konnte, als ich im Sommer 1858 die ganz bloß gelegte Stelle in Augenschein nahm und die gefundenen Alterthümer erwarb.

Im Mittelpunkte des Grabhügels war das Hauptgrab gewesen; der Grund desselben, mit größeren Steinen umgeben, war mit kleinen Steinen wie mit einem Damme belegt.

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Darauf fanden sich, ohne alle Urnenscherben, die Gebeine des Bestatteten, mit den beigelegten Sachen, von denen später. Von den Gebeinen haben sich einige Knochen erhalten (die Pietät des Finders hat die meisten der Erde wieder gegeben); es sind Stücke von Beinröhren, von einer Rippe und ein Stück vom Hüftgelenke, zum Theil von den daneben liegenden Bronzesachen grün gefärbt. Sie weichen nicht von den gewöhnlichen Dimensionen eines größern ausgewachsenen Mannes ab. Ueber diese Gebeine war ein Haufen kleinerer Steine ohne eigentliche Verpackung, etwa 4 Fuß hoch, aufgehäuft; etwa 4 Fuder Steine wurden davon abgefahren.

Das zweite Grab, 26 Fuß vom Rande entfernt, lag nordwestlich von dem vorigen; ein großer Stein, über dessen Größe jedoch keine bestimmte Angabe vorhanden, bezeichnete dasselbe; darunter befand sich Gebein und eine kleine Urne und die Bronzenadel mit durchbrochenem Schilde.

Das dritte Grab lag östlich von dem mittleren, 20 Fuß vom Rande entfernt, es war länglich rund und von kleinen Steinen gebildet, von denen ein Fuder abgefahren wurde, und enthielt mit der Erde gemischt und zu einem Klumpen gebildet gebrannte Knochen in größeren und kleineren Bruchstücken, jedoch ohne Urne, wie überhaupt mir keine Urnenscherben zu Gesicht gekommen sind. Eine lange dünne Nadel, wie eine dicke Stricknadel und mit einem Knopfe wie eine Flintenkugel, war beigelegt, aber die Nadel selbst ist ganz und gar zerfallen, auch ist der Knopf verloren gegangen, so daß also nur diese allgemeine Nachweisung darüber gegeben werden kann.

Bei jedem der drei Gräber fanden sich Kohlen in Menge, in der Mitte war die Erde trocken, mit schwarzen Strichen und mit Kohlen gemischt: es ist also wohl dort die zuletzt erwähnte Leiche verbrannt worden, da die beiden andern unverbrannt bestattet wurden.

Ueber die Lage der den Leichen beigelegten Sachen läßt sich nun weiter nichts angeben; es muß ausreichen, daß man weiß, welcher Leiche sie beigelegt wurden.

Bei der unverbrannten Leiche in der Mitte des Grabhügels fand sich

1) ein goldener Ring. Er ist vollkommen rund gebogen in meine Hände gekommen; da er aber schon vorher von Vielen betastet und daran gebogen war, so ist es nicht gewiß, ob er diese runde, oder die gewöhnlichere länglich ovale Form gehabt hat. Es ist eine 2 Millimeter starke Goldstange, zu engen schraubenförmigen Gängen gewunden; die beiden äußeren Enden, etwa 3/8" hamb. lang, sind glatt geblieben, die Spiralen, worin

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sonst dergleichen Armringe auszugehen pflegen, fehlen. Der Durchmesser ist jetzt 2 3/8", die Länge der Stange 7 5/8". Das Gewicht ist 1 1/16 Loth und 4 Aß cölnisch, das Gold ist fein mit geringem Zusatz.

2) Das Schwert aus Bronze. Der kurze Griff ist bis zum Knopf 1 3/4" lang und die Griffstange mit 7 Scheiben mit gleichen Zwischenräumen besetzt, die 8 Scheibe ist unmittelbar unter dem Knopfe, der 3/4" mißt. Dieser Knopf hat 14 herabhangende, abgerundete Lappen, 1/4" lang, darüber 3 geriefelte schmale Stäbe und darüber eine 1/2" starke Platte, ob verziert, ist wegen des Rostes nicht anzugeben. Die obere Fläche des Knopfes, der über die Scheiben des Griffes, die 1 1/8" groß sind, hervorragt, ist rautenförmig, 2" lang und 1 3/4" breit, hat in der Mitte einen runden Knopf und, von dem ausgebend, ein schmales Kreuz, wo sich jeder Arm in einem Ring endet, zwischen jedem Arme liegt ein gleicher Ring, so daß also die Platte mit 8 Ringen, die stark hervortreten, geziert ist, welche von einem doppelten Rande, der äußere ist die Grenzlinie des Knopfes, eingeschlossen werden. Der Knopf ist auf die Griffstange genietet, und es sind noch Spuren von dem Holze zwischen ihm und der 2 Scheibe sichtbar, denn die erste ist ein nicht eingegossener Bronzering gewesen, die andern Scheiben haben keine Spuren von dem bewahrt, womit die Zwischenräume können ausgefüllt gewesen sein. - Auf diese gesonderten Scheiben folgt eine Platte, die den Schwertgriff, der, wie bemerkt, 1 1/8" stark ist, schließt, und nun ladet sich derselbe in einer sehr gefälligen Biegung bis zu einer Breite von 2 3/8" aus, wo dann die Klinge eingreift. Diese Ausladung hat in der Mitte eine große, etwas längliche Rundung, fast 1" groß, darüber eine halbrunde Leiste und darüber einen kleinen Kreis; an die Leiste schließen sich 6 Bänder, davon die 4 unteren immer je 2 einen Knopf (Niete) einschließen. Beide Seiten sind gleich. Die Klinge selbst ist 2' 7/8" lang, freilich jetzt zerbrochen, aber sicherlich ist das Schwert der Leiche unzerbrochen beigelegt worden, und alle Stücke sind vorhanden. Die Klinge ist zweischneidig, in der Mitte mit einem erhöheten, von 2 Linien eingefaßten Rücken, und hat als größte Breite 1 3/4" und geht spitz zu. Ob sie in den Griff eingenietet war, wie es die Nagelköpfe anzugeben scheinen, oder mit ihm aus einem Stücke gegossen, läßt sich durch den bloßen Augenschein nicht entscheiden, und die Feile wollte ich nicht anwenden. - Die ganze Länge des Schwertes, das so stark oxydirt ist, daß ein eigentlicher Metallkern an den Brüchen sich nicht mehr zeigt, ist 2' 5".

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3) Eine Framea (Meißel) von Bronze. Sie ist 4 1/2" lang und von der seltenen Form, ohne Ausladung an der Schneide, dagegen zu einer 5/8" breiten Schärfe sich viertseitig verjüngend, während sie am runden Schaftloche 1" im Durchmesser hat. In dem Schaftloche (oberhalb desselben ist die Framea durchgebrochen) findet sich noch das Ende eines zugespitzten eichenen Stabes, auf dem sie befestigt war.

4) Ein Knopf von Bronze. Er ist viereckig, in der obern Fläche 1 5/8", in der untern 1" breit, die gleichfalls viereckige Oeffnung ist 7/8" im Quadrat weit. Der untere gerade Theil (1/2") ist mit 6 Reifen umgeben, die ganze Höhe ist 1". - Vielleicht war dieser Knopf das Ende des Schaftes der vorhin angegebenen Framea.

5) Das Bruchstück eines Messers aus Bronze, 2 1/2" lang, 1" breit, aber zu formlos, als daß man anderes davon angeben könnte, als daß es einen starken, 1/4" breiten Rücken hat.

Im zweiten Grabe befand sich, wie gesagt,

1) eine Urne, ziemlich wohl erhalten; sie ist 4" hoch, die Oeffnung 2 1/4" weit, die Bodenfläche mißt 2"; der obere Rand ist einfach abgerundet. Ihre Gestalt erweitert sich bis zur halben Höhe zu einem Bauche, der 4" Durchmesser hat, und verjüngt sich dann wieder zur angegebenen Weite. Die Wände sind dünne, kaum 1/4" stark, der Thon ist schwärzlich, die Arbeit die gewöhnliche der germanischen Urnen. - Ihr Inhalt bestand, so weit er sich am Boden und an den Wänden erhalten hat, nur aus dem Sande des Bodens.

2) Von der beigelegten Nadel aus Bronze hat sich nur die Platte erhalten. Diese ist länglich rund, 2 5/8" breit und 3" lang. In der Mitte ist sie in einem Kreise durchbrochen, an dessen Wand sich 6 andere durchbrochene Halbkreise mit Rippen von der Dicke der Kreiswand, 1/4" stark, lehnen. Drei Reifen schließen diese Verzierung ein, welche sich unten in eine jetzt noch 1 1/4" lange Spitze endet, während 2 am obern Rande befindliche Erhöhungen zeigen, daß auf ihr noch etwas, wahrscheinlich eine halbrunde Oeffnung, sich befand. - Die Rückseite ist ganz flach.


Das Grab ist an sich schon interessant genug, sowohl in seiner Construction, wie in den Gegenständen, die aus ihm zu Tage gebracht wurden, aber es wird es noch um so mehr, wenn man es mit anderen, die derselben germanischen Urzeit angehören, vergleicht, wo man die Leichen unverbrannt bei=

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setzte. Solche Gräber waren das zu Peccatel (Jahrb. IX.) und das Kegelgrab zu Dabel, welches Jahrb. XXII, S. 280, ausführlich beschrieben ist, welches letztere vor dem Petersberger nur den Vorzug hat, daß es wissenschaftlich geöffnet wurde.

Auf eine ganz auffallende Weise stimmt das letztere, bei Sternberg gelegene Grab mit dem hiesigen überein, so schon in seiner äußern Erscheinung. Es war 12-13 Fuß hoch, und gleiche Höhe findet sich hier; es hatte ungefähr 230 Fuß im Umfang, und der gemessene Durchmesser des hiesigen von 80 Fuß giebt fast gleiche Peripherie. Gleiche Uebereinstimmung ist auch im Innern: ein Steinpflaster, von größeren Steinen begrenzt, ein Steinhügel von 4-5 Fuß, kegelförmig aufgeschüttet, darunter die unverbrannte Leiche eines Mannes, dort wie hier.

Das Schwert, das hier gefunden ward, ist dem dortigen so ähnlich, daß man annehmen darf, es haben beide denselben Verfertiger gehabt; sowohl an Größe, Form, Einrichtung und Verzierung ist nach der von Lisch angestellten Vergleichung die größte Aehnlichkeit da, aber ganz gleich, so daß man sagen dürfte, sie wären in derselben Form gegossen, sind sie nicht; so sind z. B. die Linien des rhomboidischen Schwertknopfes bei beiden nicht gleich, auch ist die Höhe von beiden Schwertknöpfen um ein Geringes verschieden. Angenommen nun, daß beide Schwerter von einem Manne gemacht sind, so läßt sich für die Technik der Satz gewinnen, daß die Bronzesachen nicht in feste Form gegossen wurden, sondern daß man leicht verschiebliche Sandformen benutzte. Uebrigens scheint die Form des Schwertgriffes mit den Scheiben und dem rautenförmigen Knopfe mit 8 Ringeln verziert, desgleichen die Rundung oberhalb der Schwertklinge eine sehr beliebte gewesen zu sein, denn das Schwert von Peccatel (Jahrb. IX, Taf. Nr. 5) hat dieselben Zierden: auch hier ist, wie in Peccatel, der hohle Knopf mit Holz, jedoch mit Eichenholz, ausgefüllt gewesen.

Aus dem wohl erhaltenen Schaftende in der Stoßwaffe, mag man sie nun Framea oder Meißel nennen, ergiebt sich ferner, daß kein scharf schneidendes Werkzeug dem Verfertiger zu Gebote stand; die Seiten sind rauh, so wie sie ausfallen, wenn man ein recht stumpfes Messer gebraucht, die Bronzemesser waren also wohl nicht geeignet, einen reinen Schnitt zu machen.

Das zweite Grab enthielt eine kleine Urne. Es ist neuerdings in Jahrb. XXIV, S. 206, die Wahrnehmung veröffentlicht, daß man von diesen "Kinderurnen" annehmen dürfe, es seien in denselben die Gebeine neugeborner Kinder neben der

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im Kindbett gestorbenen Mutter beigesetzt werden. Eine der Bronzeperiode angehörende, bei Dresden gefundene derartige Urne lieferte in ihrem Inhalte den Beweis dafür. Ohne daß man gerade sagen dürfte, diese Annahme werde durch unser Grab bestätigt, denn unsere Urne war ohne Gebeine, wie die meisten derselben, so scheint es doch, daß die Umstände, die hier zusammentreffen, eine Bedeutung im angegebenen Sinne haben können. Die Leiche der Mutter ward nicht verbrannt, denn neben der kleinen Urne fanden sich größere Gebeine; jedoch Kohlen fanden sich viele, und die können Bezug haben auf das Kind. Daß aber eine weibliche Leiche neben die Urne gelegt ward, ist aus dem Nadelschilde klar. Die Form desselben kommt in hiesigen Gräbern höchst selten vor; nur erst einmal, bei Wiek (Jahrb. Xll, S. 415) ist eine ähnliche gefunden, seitdem (1846) kommt sie erst hier wieder zum Vorschein. In andern Gegenden sind diese Nadelschilde allerdings häufiger, wie die a. a. O. von Lisch angegebenen Nachweisungen ergeben, und Klemm, Alterthumskunde, S. 61, bemerkt, daß in den Rheingegenden die Bauermädchen sich noch jetzt solcher Nadeln bedienen.

Das dritte Grab enthielt eine verbrannte, aber gleichfalls weibliche Leiche, wie die Nadel beweiset, deren Knochenüberreste sorgsam aus der Asche gesammelt sind, denn die bereits erwähnten Klumpen zeigen keine Spur von Kohle.

Es waren also drei größere Leichen, eine männliche und zwei weibliche, und, wenn man will, noch ein Kind, in diesem einen Hügel bestattet. Daß es gleichzeitig geschehen, ist kaum wahrscheinlich, man muß vielmehr annehmen, daß der Hügel auf dem Hauptgrabe, welches den Kern des Ganzen bildet, wieder geöffnet ward, um die andern beiden Frauenleichen aufzunehmen, und so erklärt es sich leicht, daß die Erde über den unverbrannten Leichen mit Kohlen und Asche gemischt war, indem die dritte Leiche, also wohl die späteste, auf dem Hügel verbrannt wurde.


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c. Zeit der Wendengräber.


Ueber den Namen der Wendenkirchhöfe,

von

G. C. F. Lisch.

Es ist in Meklenburg allgemein und mit Recht angenommen, daß die weiten Begräbnißplätze, auf welchen die bestimmt charakterisirten Todtenurnen mit den Alterthümern der Eisenzeit in den flachen Erdboden eingegraben sind, Wendenkirchhöfe genannt werden. Diese Begräbnißplätze liegen gewöhnlich in der Nähe noch stehender oder untergegangener Dörfer mit wendischen Namen, welche in Meklenburg die Mehrzahl bilden, und bestehen gewöhnlich aus leichtem Boden und befinden oder befanden sich nicht selten im Besitze der auf die wendische Cultur folgenden christlichen Kirchen und Pfarren. Die Wendenkirchhöfe schließen sich daher unmittelbar an die noch heute bestehenden Ortschaften und sind schon aus diesem Grunde sicher die jüngsten Heidenbegräbnisse, während die heidnischen Begräbnisse der Stein= und Bronze=Periode sich nie an einen noch stehenden Wohnort anschließen, sondern überall zerstreut auf Feldern und in Wäldern stehen und keine andere Ueberlieferungen tragen, als sagenhafte. Der Name der Wendenkirchhöfe ist noch heute nicht selten im Munde des Volkes zu finden, indem dieses oft noch den Raum eines "Wendenkirchhofs" nachweisen kann. Es würde wohl zu weit führen, alle die Namen der Stellen zu sammeln, wo noch heute "Wendenkirchhöfe" nachgewiesen oder in den Urkunden und Acten genannt worden. Aber bei der großen Wichtigkeit des Gegenstandes für die Alterthumskunde wird es willkommen sein, statt vieler Beispiele einige schlagende Stellen aus glaubwürdigen ältern Schriften über das Vorkommen von Wendenkirchhöfen beizubringen.

In dem Visitations=Protoeolle der Kirche zu Walkendorf (zwischen Tessin und Gnoien) vom J. 1662 heißt es:

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Visitation der Kirche zu Wolkendorf.
1662.

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Zum Kirchen=Katen belegen.

Ein Stück Landes auf dem Wendischen Kirchhofe, etwa von 4 sch. saett, liegt wüste und in der heyde.
Noch ein Stücke à 3 Sch. saett auf der Dorffstete, so der Herr Pator im gebrauch.
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Dem Pastori sein die 10 Ruhten auf dem Wendischen Kirchhofe - - eingethan.
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Ein Stücke auf dem Wendischen Kirchhofe à 3 sch. saett bey Jacob Barten dorff= vnd Jacob Hoppen feldwerts belegen.
Ein Stücke achter der Funte liegt in der Heyden.
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Alß auch dem Küster seine bißher gehabten und auff dem Wendischen Kirchhofe belegenen 4 Sch. Saett Acker abgenommen und dem Priester zugeleget worden.

Hier lag also bei der "Dorfstätte" eines untergegangenen Dorfes in der "Haide", theils wüste, ein Wendenkirchhof, welcher dem Pastor und dem Küster beigelegt war. Sehr bedeutsam ist es, daß hier auch eine "Fünte" (Taufe) war. Dies isft eines der ausführlichsten Beispiele. Eine Grenzbeschreibung von Fahrenholz vom J. 1584 ist nicht weniger merkwürdig:

Grenzbeschreibung von Fahrenholz.
1584.

Von diesem Steine - - vber den Kirchhof zum Hagen und lesset den glockenthurm - - linker handt ligen. Ferner vber den wendischen weg zwischen dem hirtenkaten vnd Schmide hindurch nach dem wendischen Kirchhoffe. Diser hirtenkate ligt vff der Pommerschen seiten, so Hinrichshagen genennet wirdt, die Schmide aber - wird Wendthagen genant. Die Schmide ist abgebrochen

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vnd ein bawhoff widervmb angelegt. Von dem Wendischen Kirchhoffe der Fahren nach zischen der Heger und Maltzane Acker hin bis vff daß Kirsenbiren Soll.

Hier lag also ein Wendenkirchhof ebenfalls entfernt beim "Hagen" bei einem Hirtenkaten und einer Schmiede, welche "Wendhagen" genannt ward, wohin ein "wendischer Weg" führte.

Wegen der vielen schüsselförmigen Urnen, welche auf den Wendenkirchhöfen ausgepflügt oder ausgegraben werden, nannte man die Wendenkirchhöfe auch "Wendfelder" oder "Schüsselfelder" (Schottelfeld).

Landbuch des Amts Neubukow.
1580.
Hoff Ferbenn.

Dieser Hoff ist auß Dobberanischer Amptteilung. Hertzog Johans Albrechten - zugefallen. - Desselben Acker ist auch vnstreitig, außgenommen des Wendt= oder Schottelfelt, so vormals Dobberanisch Eigentumb gewesen vnd die Dorffchaft Kaertlow vmb benante Huer gebraucht.

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Ueber die Gewinnung des Eisens in der wendischen Eisenperiode,

von

G. C. F. Lisch.

Die Frage, woher die Wenden das Eisen nahmen, das sie so tüchtig verarbeiteten, ist, wie überhaupt die Geschichte der Metalle, für die Bildungsgeschichte von Bedeutung. Es ist möglich und wahrscheinlich, daß schon seit uralter Zeit viel Eisen aus Schweden kam, da auch die Sagen von nordischen Eisenschmieden erzählen; es ist aber auch möglich, daß die meklenburgischen Wenden auch das Eisen verarbeiteten, welches in Meklenburg gefunden wird. Im ganzen südlichen Meklenburg liegt sehr viel Raseneisenstein oder Morasteisen, in Meklenburg Eisenklump oder Klump, auch Ortstein oder Ort genannt, welcher ungefähr 33 Procent reines Eisen giebt und

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auf welches sicher seil dem Anfange des 16. Jahrh. bei Grabow, Neustadt, Wittenburg und Dömitz in großem Umfange und mit Erfolg gebauet ist (vgl. Jahrb. VII, S. 52 flgd.).

Eine Andeutung auf die Gewinnung des Eisens aus dem einheimischen Raseneisenstein giebt folgender merkwürdiger Bericht des Herrn Rogge auf Jaebitz. Das Feld des Gutes Jaebitz, südlich vom plauer See, an der märkischen Grenze, wo in historischer Zeit nicht auf Eisen gebauet ward, ist ganz niedrig, von schwärzlichem Aussehen, oben aus etwa 1 Fuß hoch Moorsand, unten aus Seesand bestehend, zwischen welchen beiden Erdschichten hin und wieder Raseneisenstein in Nestern gefunden wird. Ferner steht auf dem Gute Kalk in den Wiesen und gelber und blauer Lehm überall auf den Höhen. Nun finden sich nicht selten auf dem Felde am Rande von Niederungen an Stellen, die früher seit ewigen Zeiten als Weide lagen und mit Holz und Busch bewachsen waren, große Haufen von Eisenerz, welche 2 bis 3 Fuß über dem Erdboden erhaben sind und 1 bis 2 Schachtruthen Erzstücke enthalten. Bis jetzt sind 8 Stellen dieser Art auf dem Felde gefunden. Nach dem äußern Anscheine bestehen diese Haufen aus Eisenschlacken, da sie einen porösen Bruch und künstliche, wenn auch unregelmäßige Formen und eine gewisse Dicke haben, als wenn sich die Masse durch Schmelzen abgelagert hätte. Man wird um so mehr zu dieser Vermuthung geführt, da sich neben den Erzhaufen, 8 bis 12 Fuß davon entfernt, öfter kleinere Erhöhungen von ganz schwarzer Erde finden, welche vermuthen lassen, als wenn dort das Schmelzen geschehen und die Schlacken bei Seite geworfen wären. Alterthümer sind an diesen Stellen noch nicht gefunden.

Es stand nun zunächst zur Frage, ob diese Erzstücke natürliche Bildungen oder künstliche Eisenschlacken seien, welche vom Schmelzen des Eisens auf offenen Heerden herstammen. Die Schlacken wurden an den Herrn Professor Dr. Schulze, Professor der Chemie der Universität Rostock, zur Prüfung eingesandt, welcher damals mit der Untersuchung des bei Ludwigslust vorkommenden Raseneisensteins beschäftigt war und grade die beste Gelegenheit zur Vergleichung hatte. Derselbe giebt folgendes Urteil: "Die eingesandten Stücke sind ganz unzweifelhaft Rennheerdschlacken vom Ausschmelzen derselben Art von Raseneisenstein, welcher dem südlichen Meklenburg angehört. Ich selbst habe früher ähnliche Schlacken in der Gegend von Greifswald an verschiedenen Orten gefunden, wo ehemals Raseneisensteinlager gewesen sein mögen, z. B. bei dem Dorfe Koytenhagen. Die

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Schlacken sind viel eisenhaltiger, als man sie bei dem gegenwärtigen Hochofenbetrieb erhält; der Schmelzproceß geschah auf eine rohe, Eisen und Holz verschwendende Weise in sogenannten Rennheerden. Die Schlacken sind ein stark basisches Silicat mit mehr als 60 Procent Eisenoxydulgehalt. Der außerdem ermittelte verhältnißmäßig große Gehalt an Mangan und Phosphorsäure und die unzweideutigen Spuren von Baryt stimmen zu sehr mit der Eigenthümlichkeit des im südlichen Meklenburg vorkommenden Raseneisensteins überein, als daß sich ihr Ursprung aus solchem Eisenerze im geringsten bezweifeln ließe. Ich habe auch einige Versuche gemacht, aus dem analysirten Raseneisenstein regulinisches Eisen auszuschmelzen. Die Ausbeute betrug über 30 Procent. Die so gewonnenen kleinen Proben metallischen Eisens sind weiß und sehr hart, dabei nicht kaltbrüchig." Der Herr Professor Schulze hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen des Raseneisensteins von Ludwigslust im Archiv für Landeskunde, Schwerin, 1859, Heft I und II, S. 57 flgd. mitgetheilt und dabei S. 60 bemerkt, daß "der meklenburgische Raseneisenstein gegen 33 procent Eisen enthält und dieses sich durch weiße Farbe, Härte, Leichtflüssigkeit und dadurch auszeichnet, daß es nicht kaltbrüchig" ist.

Es scheint also sehr wahrscheinlich, daß auch schon die Wenden aus dem meklenburgischen Raseneisenstein Eisen gewonnen haben. Von Wichtigkeit würde es sein, wenn sich in oder bei den Schlackenhaufen wendische Gefäßscherben oder andere wendische Alterthümer finden sollten.

Diese chemischen Untersuchungen scheinen auch mit den Ergebnissen der Aufgrabungen übereinzustimmen. Es finden sich in den Wendenkirchhöfen zwar sehr häufig eiserne Geräthe, aber in der Regel sind sie so stark gerostet, daß eine technische Untersuchung mit Feile und Messer nicht gut möglich ist. Aber einzelne zufällig gut erhaltene Stücke, wie z. B. die im Folgenden aufgeführte eiserne Heftel aus dem Wendenkirchhofe von Wotenitz zeigt ziemlich klar, daß wenigstens einiges Eisen der Wenden sehr weiß, hart und zähe war.


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Wendenkirchhof von Wotenitz,

von

G. C. F. Lisch.

Am 13. Jan. 1859 fand ein Forstarbeiter beim Ausroden von Baumstämmen in den Mühlentannen von Wotenitz bei Grevismühlen, rechts an der Landstraße von Grevismühlen nach Gadebusch, ungefähr 2000 Schritte vom Wege und 1500 Schritte von der Stepenitz, auf einer niedrigen, natürlichen, sandigen Anhöhe in einer Tiefe von 2 Fuß unter der Erdoberfläche eine Begräbnißurne, welche jedoch beim Ausheben zerbrach. Am folgenden Tage nahm der Herr Forstadministrator Waterstras zu Gostorf bei der Beaufsichtigung die zerbrochene Urne mit allen darin enthalten gewesenen Alterthümern an sich und sandte sie an den ihm vorgesetzten Herrn Oberforstmeister v. Lehsten zu Rehna ein, welcher sie dem großherzoglichen Antiquarium übermittelte, und Se. Königliche Hoheit der Großherzog hatte die Gnade, dem Finder den Werth der Sachen zu vergüten.

Dieser Fund ist nun äußerst werthvoll und wichtig und vielleicht einzig in seiner Art in allen deutschen Ländern, so weit Wenden gewohnt haben. Der Fund stammt nach der Begräbnißweise, der Form und Verzierung der Geräthe und den Metallen offenbar und ohne Zweifel aus der schon ausgebildeten Eisenperiode oder der Wendenzeit und dürfte vielleicht ungefähr in das 8. oder 9. Jahrhundert n. C. fallen, da er schon eine ungewöhnliche Kunstbildung und Andeutungen auf einen weiten Weltverkehr trägt. Der Fund charakterisirt nicht allein die ausgebildete Eisenperiode vollständig, sondern überschreitet die besten Wendenbegräbnisse bei weitem, indem er nicht allein alle Metalle und Kunstfertigkeiten des Heidenthums zeigt, sondern auch Kunstwerke von absolutem Werthe enthält. Vorzüglich wichtig ist das Vorkommen des kunstreich bearbeiteten Goldes, welches bisher in Meklenburg in wendischen Gräbern noch nicht beobachtet 1 ) ist, indem die wendischen Gräber gewöhnlich nur Silber, Bronze und Eisen zeigen. Da die Urne ungewöhnlich reich verziert und der Inhalt derselben ungewöhnlich reich an edlen Metallen ist, so gehörte das Grab wahrscheinlich einer vornehmen Person.

Die Art der Beisetzung ist der Beisetzung aller andern Begräbnißurnen der Eisenperiode in den sogenannten


1) Bisher ist nur ein Mal eine viereckige Goldplatte an einer großen eisernen Heftel aus der Gegend von Neustadt=Eberswalde beobachtet. Vgl. Jahrb. XVI, S. 282.
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"Wendenkirchhöfen" völlig gleich. Die Urne stand, wie gewöhnlich, 1 bis 2 Fuß tief im Sande, ohne daß ein Hügel oder ein Steinbau das Begräbniß bezeichnete. Die Wenden gruben ihre Todtenurnen stets nur in die Erde ein, ohne einen Hügel darüber zu errichten.

Die Leiche war verbrannt, wie die in der Urne befindlichen zerbrannten Knochensplitter zeigen. Leider sind die meisten Knochen verschüttet und verloren gegangen; aber einige Ueberreste von den Schädel=, Röhren= und Rippen=Knochen beweisen klar, daß die verbrannte Leiche eine sehr junge und zarte Person war.

1) Die Urne, welche freilich zerbrochen ist, sich aber in einer Hälfte von oben nach unten vollständig, also zur vollkommenen Erkenntniß der Form hat wieder zusammensetzen lassen, zeigt den vollständigen Charakter der ausgebildeten Eisenperiode. Die Urne ist, nach der Art der heidnischen Urnen aus Thon, stark mit Kiessand und Granitgrus gemengt, mit seinem, geschlämmten Thon überzogen und hellbraun (nicht schwarz) von Farbe. Sie ist 10" hoch und 10" weit im Bauche und hat die Gestalt der Urnen aus den ausgeprägten Wendenkirchhöfen von Kothendorf und Camin, wie sie im Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 1 bis 8, und in den Jahrbüchern XII, S. 432 bis 433, abgebildet sind, namentlich wie Frid. Franc, a. a. O. Fig. 7 und Jahrb. Fig. 6 und 7, und hat im Allgemeinen die Gestalt und dieselben Verzierungen, wie die hieneben abgebildete, in dem Wendenkirchhofe zu Camin gefundene Urne. Ueberhaupt scheint die Urne mit dem merkwürdigen Wendenkirchhofe von Kothendorf, welcher in Frid. Franc. Erl. S. 89 -96 beschrieben ist, zusammenzufallen. Die Urne von Wotenitz ist auf der ganzen Oberfläche sehr voll und dicht verziert. Um den obern Bauchrand unter der Oeff=

Urne
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nung laufen zwei Reihen nach unten gekehrter, gefüllter Spitzen oder Dreiecke, welche an einer Doppellinie hangen.

Verzierungen

Alle diese Linien bestehen aus an einander gereiheten, kleinen, eingedrückten Vierecken, welche scheinbar mit einem laufenden gezahnten Rade gebildet sind, ein charakterisches Zeichen der Eisenperiode. Der ganze untere Theil ist mit dicht an einander gestellten, feinen Parallellinien verziert, welche oben (unter den Dreiecken) horizontal, nach unten hin bis zum Fuße perpendiculair stehen.

Die Alterthümer, welche in der Urne lagen, sind sehr reich und bestehen aus folgenden Gegenständen:

Zwei, vielleicht drei eiserne Messer, ungefähr 4 bis 6 Zoll lang, sehr verrostet und zerbrochen.

Ein Bruchstück von einer eisernen Messerscheide, wie es scheint.

Einige eiserne Hefteln oder Schnallen oder ähnliche gebogene, kleine Gegenstände, stark verrostet und an andere eiserne Gegenstände angerostet und zerbrochen.

Zwei kleine, zierliche, ganz gleiche bronzene Hefteln. Schon früher wurden bronzene Hefteln von ähnlicher Form in einem andern Wendengrabe zu Wotenitz auf dem Schullehreracker gefunden (vgl. Jahrb. XXIII, S. 288).

Zwei größere, ganz gleiche, schwere, silberne Hefteln, von denen eine ziemlich erhalten, die andere sehr zerbrochen ist, ganz von der Form, wie sie in Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 13 und im Jahresber. VIII, S. 48 und hieneben wieder abgebildet ist.

Heftel

Die beiden silbernen Hefteln sind zwar breiter und derber, als die beiden bronzonen, aber mit Punktgravirungen sehr sauber und geschmackvoll verziert. Eine ganz ähnliche silberne Heftel ward auch im Wendenkirchhofe zu Kothendorf gefunden und ist in Frid. Franc. Tab. XX, Fig. 14, abgebildet (vgl. Erl. S. 95-96).

Ein Stück zusammengeschmolzenes Silber, vielleicht von einer kleineren Heftel.

Acht grade silberne Nadeln, jede 3 bis 3 1/2" lang, mit rundem Knopfe.

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Zwei kleinere, oben im rechten Winkel gebogene, silberne Nadeln, jede ungefähr 2 1/2" lang, mit rundem Knopfe. Das eine obere Ende einer solchen Nadel ist an die eiserne Messerscheide angerostet.

Zwei gleiche kleinere, gebogene, silberne Nadeln, mit gereiftem Knopfe oder vier ausgefeilten Knöpfchen.

Das Silber ist sehr weich, zerbrechlich, rein und ohne Rost. Grade solche silberne Nadeln von beiden Formen wurden auch im Wendenkirchhofe von Kothendorf gefunden; vgl. Frid. Franc. Erl. S. 95 und Abbildungen Tab. XXIV, Fig. 17 und 18.

Zwei gebogene bronzene Nadeln mit rundem Knopfe. Zwei gebogene bronzene Nadeln mit gereiftem Knopfe. Eine bronzene Nähnadel mit Oehr, ungefähr 3 1/2" lang, wie die zu Kothendorf gefundene und in Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig. 24 abgebildete Nähnadel.

Ein schmaler bronzener Beschlagstreifen, 2 1/2" lang.

Ein rundlich gebogener, offener, silberner Haken, mit Schaftspitze, aus starkem Silberdrath sich verjüngend, in grader Linie gut 6" lang.

Eine offene, silberne Spange oder ein Armband. Diese bildet in der Mitte einen dünnen (jetzt rundlich gebogenen) Silberdrath von ungefähr 3 1/2" Länge, welcher sich nach den beiden Enden flach bis 3/8" verbreitert und an jedem der beiden Enden mit zwei Halbkugeln von 5/8" Durchmesser verziert ist. Das Ganze ist ungefähr 8 1/2" lang und jetzt in sechs Stücke zerbrochen; das eine Ende mit einer Halbkugel ist fest auf ein Stück von einem eisernen Messer gerostet, während die übrigen Stücke sowohl von Silberrost, als von Eisenrost völlig frei sind. Das breite Ende ist an einer Seite mit kleinen Augen von zwei eingeschlagenen concentrischen Kreisen verziert. In der Sammlung zu Kopenhagen wird ein ähnlich gearbeiteter, einzeln gefundener Fingerring aufbewahrt, welcher in Worsaae Afbildninger, zweite Auflage, Taf. 88, Nr. 383, und Boye Oplysende Fortegnelse, 1859, S. 108, Nr. 655, abgebildet ist. Dieser besteht aus drei parallel laufenden, zwei mal gewundenen, breiten Ringen, deren Enden der wotenitzer Spange ganz ähnlich ist. Es möchte daher nach dem wotenitzer Funde dieser kopenhagener "Ring nicht dem jüngern", sondern dem "ältern Eisenalter" zuzuschreiben sein (vgl. unten die Vergleichung).

Eine silberne Perle, mit kurzem Halse, 3/4" hoch und dick, hohl gearbeitet und auf der ganzen Oberfläche mit dichten, äußerst feinen Schrägestrichen sehr sauber verziert.

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Zwei Glasperlen, aus weißem Glase mit hellblauen Stellen, an die eiserne Messerscheide fest angerostet.

Ein Stück Räucherwerk, ungefähr 3/4" groß, von brauner Farbe, einem Stückchen Braunkohle ähnlich; es brennt ununterbrochen mit heller Flamme am Licht und riecht stark harzig, fast wie Braunkohle, jedoch angenehmer. In einer wendischen Urne bei Malchin wurden ganz gleiche Stücke gefunden; vgl. Jahresber. II, S. 75. - Dieses Harz scheint fabrikmäßig in großen Massen gemacht und verhandelt zu sein. Im J. 1845 wurden zu Togårp in Schweden 14 große Harzkuchen dieser Art gefunden und in Lund 1 ) zerstreut, jedoch mehrere derselben für die Museen gerettet. Diese runden, braunen Harzkuchen sind wie Scheiben gebildet und ungefähr 6" im Durchmesser und 1" dick.

Wenn dieser Reichthum der verschiedensten Gegenstände, welche alle für eine bestimmte Zeit äußerst bezeichnend sind, in Einer Urne schon eine große Seltenheit ist, so wird dies alles doch durch ein vortreffliches goldenes Geschmeide  übertroffen, welches ebenfalls wohl erhalten in der Urne lag. Dies ist eine Kette mit Bommel aus reinem Golde. Leider war die sonst wohl erhaltene Kette von dem Finder an einem Ende durchgerissen und es läßt sich nicht mehr ermitteln, ob sie noch in ihrer ganzen Länge vollständig erhalten ist oder ob zwischen den Bruchenden jetzt ein Ende fehlt. Die Kette ist ganz wie eine moderne sogenannte "venetianische Kette" aus 8 Dräthen, wie es scheint, äußerst zierlich, dicht und genau geflochten, rund, 1/8" dick und mit den Endringen und dem Schließhaken 14 1/2" hamburger Maaß oder 35 Centimeter lang. An jedem Ende sitzt ein zierlich gearbeiteter Knopf und ein Ring zur Aufnahme eines nach zwei verschiedenen Seiten gebogenen, eben so zierlich gearbeiteten Hakens (von welchem ein Ende abgebrochen war), welcher die beiden Enden zusammenhalten kann. Lose auf die Kette sind zwei sehr sauber gearbeitete Knöpfe oder dicke Scheiben, und zwischen dieselben an einem Ringe eine Bommel gezogen, so daß diese Ringe und die Bommel nicht von der Kette gezogen werden oder fallen können. Die Bommel ist ebenfalls aus reinem Golde, hohl gearbeitet, äußerst kunstreich verziert, von hübscher, birnenförmiger Gestalt und 1 1/4" hamb. Maaß oder 2 1/4" Centimeter lang und 3/4" oder 1 1/2 Centimeter an der


1) Pfingsten 1859 habe ich diese Harzkuchen in Lund persönlich untersucht.
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Goldenes Geschmeide

dicksten Stelle im Durchmesser. Die ganze Oberfläche der Bommel ist mit einer sehr großen Menge ganz kleiner Knötchen in doppelten Spiralwindungen dicht und sauber bedeckt, wie es scheint in 24 concentrischen Reihen, von denen die längste über 50 Knötchen enthält, so daß wohl gewiß über 600 Knötchen, welche dem Ganzen nur ein punctirtes Ansehen geben, auf der Bommel sitzen. Der Metallwerth des ganzen Schmuckes beträgt ungefähr 18 Thlr. Preuß. Cour.

Der Zweck dieses äußerst kunstreich gearbeiteten Geschmeides ist jetzt nicht völlig sicher zu bestimmen. Es kann, was jedoch am wahrscheinlichsten ist, ein Halsband gewesen sein, wenn man annimmt, daß beim Zerreißen ein Ende verloren gegangen ist; noch jetzt paßt die Kette grade um einen nicht dicken Hals, jedoch knapp, so daß beim Schließen der Kette die Bommel beinahe fest anliegt. Es kann aber auch, was jedoch nicht wahrscheinlich ist, ein Armband gewesen sein, so daß die Kette zwei mal um den Unterarm geschlungen ward und die Bommel herabhing, wie es auch jetzt wieder Mode ist; noch jetzt kann die Kette grade zwei mal um einen nicht dicken Arm geschlungen werden. Zu berücksichtigen ist hiebei allerdings, daß die hier bestattete Person nach den Knochenresten offenbar jung und zierlich war und die Kette daher sehr gut ein Halsband für diese Person bilden konnte.

So ganz ungewöhnlich nun auch diese Kette für die heidnische Eisenperiode in Deutschland und das Heidenthum überhaupt ist, so giebt grade sie, mit den dabei gefundenen Sachen, einen Beweis für eine gewisse Zeit. So wie für die

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Mehrzahl der bei Wotenitz gefundenen Sachen die Zeit des bestimmt ausgeprägten Wendenkirchhofs von Kothendorf zur Vergleichung gezogen werden kann, so kann für die Kette ein Fund zur Vermittelung dienen, der um das Jahr 1853 zu Milow in der Prignitz an der meklenburgischen Grenze bei Grabow gemacht ward und theilweise in die schweriner Sammlung kam. Hier ward nämlich neben einer silbernen Heftel auch eine Bommel von verziertem Silber gefunden, welche an Größe ganz und an Gestalt und an Verzierungsweise ungefähr der Bommel von Wotenitz ähnlich, jedoch nicht völlig so kunstreich gearbeitet ist.

Silberne Bommel

Die silberne Heftel von Milow ist aber den kleinen bronzenen Hefteln von Wotenitz an Größe, Gestalt und Verzierung völlig gleich, so daß alle aus derselben Form gekommen zu sein scheinen und ohne Zweifel einer und derselben Zeit angehören. Diese beiden Sachen von Milow geben aber den Beweis, daß diese Bommeln aus der Zeit der silbernen Hefteln und des Eisens nicht ohne Beispiel in Deutschland sind.

Daß die Kette von Wotenitz nicht von wendischen Händen gemacht ist, ist wohl als gewiß anzunehmen. Sie muß von einem kunstfertigen Volke eingeführt sein. Es bedarf aber noch einer sehr genauen Ermittelung, ob sie aus dem Morgenlande mit kufischen Kunstsachen, oder aus dem Abendlande, aus dem fränkischen Reiche gekommen ist. Bekanntlich ist im nordöstlichen Deutschland immer sehr viel kunstreiches Geschmeide mit kufischen Silbermünzen zusammen gefunden; aber dieses Geschmeide bestand immer, so viel ich unterrichtet bin, aus Silber. Es finden sich aber bei solchen kufischen Silberfunden auch ganz gleich nach "venetianischer" Art gearbeitete Drathketten aus Silber. Dagegen ist es bekannt, daß im fränkischen Reiche zur Zeit der Merovinger noch viel Gold verarbeitet ward, wie die zahlreichen merovingischen Goldmünzen beweisen.

Dieser Fund wird außerdem ungemein wichtig durch die in Dänemark gefundenen Geschmeide gleicher Art. In der großen königlichen Sammlung vaterländischer Alterthümer zu Kopenhagen wird ein ganzer Kasten voll ähnlicher Alterthümer aufbewahrt, welche, einzeln gefunden, dort in ihrem Zusammenhange jedoch noch nicht mit Bestimmtheit erkannt sind. 1 ) Es finden sich dort wenigstens 12 goldene Bom=


1) Im Junii 1859 habe ich diese Sachen persönlich in Kopenhagen untersucht.
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meln, von denen die größte und die kleinste in Worsaae Afbildninger fra det Kongelige Museum for Nordiske Oldsager, Kjöbenhavn, erste Auflage, 1854, S. 74, Nr. 299 und 300, zweite Auflage, 1859, Taf. 87, Nr. 377, und 378, abgebildet sind; in Boye Oplysende Fortegnelse, I, Kjöbenhavn, 1859, S. 56, sind die goldenen Bommeln ("Berlok") im königlichen Museum zu Kopenhagen beschrieben und die größte derselben ist daselbst S. 56 zu Nr. 318 wieder abgebildet. Neben diesen Bommeln wird in Kopenhagen auch eine ganz gleiche Kette, wie die schweriner jedoch ohne Ringe und Schließhaken, aufbewahrt; es sind dort aber noch einzelne Endringe und Ringe zum Aufziehen, so wie ein vereinzelter Doppelhaken zu finden. Es sind in Kopenhagen also alle Theile zu vollständigen Ketten vorhanden. Bei diesen Ketten und Bommeln sind goldene und bronzene Hefteln, silberne Ringe und silberne Nadeln mit goldenen Knöpfen gefunden, welche eben so gearbeitet sind, wie die Wotenitzer Bommel; vgl. Worsaae Afbildninger S. 74, Nr. 294.

Die dänischen Forscher (vgl. Warsaae und Boye) schreiben diese Goldsachen dem "ältern Eisenalter" zu, und dies würde ungefähr zu meiner Ansicht stimmen, nach welcher ich diese goldenen Arbeiten in die Zeit der Merovinger setze. Freilich scheint die Wotenitzer Urne auf eine jüngere Zeit zu deuten; jedoch ist die Zeit der punctirten Urnen in Meklenburg noch nicht genau bestimmt.

So viel ist gewiß, daß in Meklenburg der Fund von Wotenitz das erste Gold aus der Eisenperiode bietet, und daß in Meklenburg noch nie ein so reiches wendisches Grab geöffnet ist, als das Grab von Wotenitz, daß wir also zum ersten Male ein Grab gefunden haben, welches einer vornehmen wendischen Person angehört.

Zur Bestimmung der Zeit und zur Erläuterung der Culturgeschichte ist aber dieses Begräbniß von Wotenitz ungemein wichtig, indem es alle Mineralien der Heidenzeit in den bestimmt ausgeprägten Formen der Eisenperiode bietet: Gold, Silber, Bronze, Eisen, Glas, Thon und Erdharz.

Die große Wichtigkeit der Urne und ihres reichen Inhalts bewog mich, an der Stelle, wo dieselbe gefunden war, weiter nachforschen zu lassen, da die Wahrscheinlichkeit vorhanden war, daß hier ein sogenannter Wendenkirchhof liege. Ich beauftragte daher den Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar, Mitglied des Vereins, welcher durch wiederholte andere Nachgrabungen schon Erfahrungen gesammelt hatte, an der Fundstelle Nachgrabungen anzustellen, und derselbe hat mit Vorsicht und Ge=

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schick den Auftrag ausgeführt und ansehnliche Beute gemacht. Er hat an der Fundstelle der zuerst gefundenen, wichtigen Urne acht Tage lang gegraben und den Begräbnißplatz wahrscheinlich ganz ausgebeutet. Im Ganzen wurden noch 28 braune Urnen gefunden, von denen 5 vollständig und 5 zur Hälfte oder in größern Bruchstücken erhalten sind; alle diese und 2 ganz zerbrochene Urnen, welche alle ungefähr die Gestalt und Verzierung der oben abgebildeten Urne hatten, enthielten viele Alterthümer aus Eisen und Bronze. Die Urnen, welche alle eine bräunliche, und nicht die in Wendenkirchhöfen oft vorkommende gleichmäßig dunkelschwarze Farbe hatten, waren so stark mit Tannenwurzeln um= und durchwachsen, daß die meisten in kleine Stücke auseinandergedrängt waren und zerfielen, und nur mit großer Mühe einzelne größere Stücke gerettet werden konnten. Die Urnen standen auf dem Begräbnißplatze im Sande immer 2 bis 3 Fuß weit von einander und 2 1/2 Fuß tief. Der Begräbnißplatz war weder durch Hügel, noch durch Steine ausgezeichnet und bot also nur die gewöhnliche Erscheinung eines Wendenkirchhofs. In den entdeckten Urnen wurden noch über 60 Stück Alterthümer aus Eisen oder Bronze, keine von edlem Metall gefunden. Diese Alterthümer sind aber doch sehr wichtig, indem viele eine feine, geschmackvolle Form haben und alle nicht sehr gerostet sind. Mehrere Stücke haben merkwürdiger Weise gar keinen Rost und lassen daher die Bearbeitungsweise klar erkennen. Im höchsten Grade bemerkenswerth ist die ungewöhnlich kunstreiche Bearbeitung des Eisens, welche namentlich an der eisernen Heftel in der Urne 2 hervortritt. Die feine Perlenverzierung dieses Eisenschmucks ist so fein und so sauber, daß sie der Bearbeitung des Goldschmucks völlig gleich kommt, wenn nicht übertrifft. Dieses Stück ist äußerst wichtig für die Bildungsgeschichte des Eisenalters. Auch alle anderen Stücke sind sehr sauber und tüchtig gearbeitet.

Die durch die neue Aufgrabung gewonnenen Alterthümer sind folgende.

2) Eine Urne, sehr groß, über 13" Durchmesser im Bauche, zerbrochen und nur in einem großen Bruchstücke vorhanden, reich und kräftig verziert, am obern Rande mit zusammenhangenden Mäander= oder Hammerlinien verziert.

Verzierung

In dieser Urne lag in den zerbrannten Knochen:

ein eiserner Schildbuckel, ziemlich gut erhalten, an einer Stelle ohne Rost, 5" im Durchmesser und 4 1/2" hoch, einfach aus Eisenblech tütenförmig gebildet, ohne aufgesetzte

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Spitze; im Rande sitzen 4 ganz eiserne Niete mit runden Köpfen;

eine eiserne Schildfessel, 8" lang;

eine eiserne Lanzenspitze, 6" lang, mit dem Niet im Schaftloche, an der am Ende umgebogenen Spitze ohne Rost;

eine bronzene Heftel, ganz von der Größe und Gestalt, wie die oben S. 254 abgebildete, fein und schön verziert;

eine eiserne Heftel , von derselben Größe und Gestalt, vollständig erhalten und in der obern Hälfte ganz ohne Rost, wie neu. Diese Heftel läßt einen tiefen Blick in die Gewerbethätigkeit der wendischen Zeit thun; sie ist reich mit feinen Perlenreihen und anderen Verzierungen geschmückt, welche eben so fein gearbeitet sind, als die feinsten Verzierungen auf den gegossenen Hefteln aus Bronze. Diese ganz gewiß aus freier Hand mit unvollkommenen Instrumenten ausgeführte Arbeit ist jedenfalls eben so kunstreich, als die goldene Bommel und Kette, und verdient wahrhaft Bewunderung. Es existirt wohl kaum ein ähnliches Stück aus jener Zeit. Endlich fand sich:

eine eiserne Schnalle.

Dieses Begräbniß gehörte ohne Zweifel einem Kriegsmann.

3) Eine Urne, ziemlich groß, 6 1/2" hoch, 12" weit im Bauche, ebenfalls mit feinen Hammerverzierungen und Halbkreisen und Kränzen unter denselben geschmückt. In dieser Urne lagen:

eine bronzene Heftel, klein und sehr zierlich an Form und Verzierung, vollständig;
eine bronzene Heftel, eben so, Bruchstück;
ein bronzener Ring, 1" im Durchmesser, derbe und ohne Verzierung;
ein eiserner Ring, eben so groß und etwas dünner;
eine bronzene Schnalle, viereckig, 1" im Quadrat groß, sehr fein und zierlich;
ein eisernes Messer.

Dieses Grab gehörte nach den Geräthen und den Knochenüberresten ohne Zweifel einer erwachsenen weiblichen Person.

4) Eine Urne mit ganz gleicher Verzierung, nur etwas kleiner, 5 1/2" hoch und 10" weit im Bauche. In dieser Urne lagen:

eine eiserne Sichel, wie Frid. Franc. Tab. XVII, Fig. 12;
auf derselben ist angerostet:
ein eisernes Messer; ferner lag in der Urne:
ein eisernes Messer mit hölzernem Griff;

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ein eisernes Messer, in der Klinge nur 1 3/4" lang, mit hölzernem Griff;
eine bronzene Heftel, ohne Rost, sehr schmal und zierlich;
eine bronzene Schnalle mit rundem Bügel, wie Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig. 20, auf dem Bügel mit kleinen Kreisen verziert.
Unten an der Außenseite der Urne sitzt auch Eisenrost.

Dieses Begräbniß gehörte sicher ebenfalls einer weiblichen, nach den Schädelknochen schon bejahrten Person an.

5) Eine Urne, ungefähr von gleicher Größe und Gestalt, wie die vorige, jedoch ohne Hammerverzierungen. In dieser Urne lagen:

eine eiserne Sichel;
eine eiserne Sichel;
ein eisernes Messer mit hölzernem Griff;
ein eiserner Ring;
eine eiserne Heftel, sehr fein gearbeitet, jedoch gerostet;
eine bronzene Schnalle mit viereckigem Bügel, wie Frid. Franc. Tab. XXXII, Fig. 16;
ein Bronzebeschlag, 1" lang, aus zwei Blechstreifen mit zwei Nieten bestehend. Unten außen an der Urne sitzt auch Eisenrost.

Auch dieses Begräbniß gehörte sicher einer weiblichen Person, welche nach den an die Sichel gerosteten Schädelbruchstücken noch sehr jung war.

6) Eine Urne, von großer Form, nur noch in einem Bruchstück vorhanden. In dieser Urne lagen:

ein eisernes Messer;
ein eisernes Messer mit hölzernem Griff;
eine eiserne Pfeilspitze oder lanzetförmiges Messer,
dünn, mit hölzernen Schaftresten;
eine eiserne Pfeilspitze oder Messer, eben so;
eine eiserne Schnalle;
eine eiserne Heftel, Bügelbruchstück, breit;
eine eiserne Heftel, schmal, zerbrochen.

Nach den Schädelresten war die Person zwar ausgewachsen, aber noch jung.

7) Eine Urne, ganz zerbrochen, ohne Ueberreste.

Darin lagen:

eine eiserne Sichel, vollständig, nur 3 1/4" lang;
ein eisernes Messer, vollständig, nur 3" lang in der Klinge, mit hölzernem Griff;

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ein eisernes lanzetförmiges Messer, 2 1/2" lang, wie in der Urne 6;
eine bronzene Heftel, schmal und zierlich.

8) Eine Urne, zerbrochen, nur leicht mit Linien verziert. In dieser Urne lagen:

ein eisernes Messer mit hölzernem Griff;
ein eiserner Stift;
eine bronzene Heftel;
eine eiserne Heftel;
eine eiserne Heftel, deren Bügel aus einem flachen Blechstreifen besteht;
eine eiserne Schnalle, rund;
eine eiserne Schnalle, Bruchstück.

9) Eine Urne von mittlerer Größe, mit Hammerverzierungen, zerbrochen. In dieser Urne lagen:

eine eiserne Sichel;
eine eiserne Sichel;
ein eisernes Messer;
eine eiserne Heftel;
eine eiserne Schnalle;
eine eiserne Schnalle.

Nach den Ueberresten der Knochen gehörte dieses Begräbniß einer jungen Person.

10) Eine Urne, zerbrochen. In dieser Urne lagen:

ein eisernes Messer;
ein eisernes Messer;
eine eiserne Sichel;
eine eiserne Schnalle.

11) Eine Urne, niedrig und flach, zerbrochen. In dieser Urne lagen:

ein eisernes Messer;
ein eisernes Messer;
ein eisernes Messer, Bruchstück;
ein eisernes sichelförmiges Messer, ganz klein und stark halbmondförmig gebogen, nur 2 1/4" lang;
ein eisernes sichelförmiges Messer, eben so gestaltet und eben so groß;
eine eiserne Heftel, wie die oben abgebildete;
eine bronzene Heftel, eben so, zerschmolzen.

Nach den Knochenresten gehörte das Grab einer jungen, nicht stark gebaueten Person an.

12) Eine Urne, ganz erhalten, klein, 4 1/4" hoch und 8 1/2" im Durchmesser, nicht mit Punctlinien, sondern nur mit eingeritzten Strichen verziert. In dieser Urne lagen:

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ein eisernes Messer, kurz und breit, mit hölzernem Griff;
ein eisernes Messer;
eine eiserne Sichel, groß.

Die in der Urne liegenden Schädel= und andern Knochen gehören einem Kinde an.

13) Eine Urne, mit Punctlinien verziert, sehr klein, 4" hoch und 8" weit. In dieser Urne lagen:

ein eisernes Messer, klein;
ein eisernes Messer, klein, mit hölzernem Griff;
ein eisernes sichelförmiges Messer, ganz klein, nur 2" lang und 5/8" breit.

Die in der Urne liegenden Knochen gehören einem ganz kleinen Kinde an. Nach der Größe der Urne, der Geräthe und der Knochen ist diese Urne sicher eine Kinderurne, wie auch die nächst vorhergehende und vielleicht noch einige der vorauf aufgeführten.


Diese Begräbnißstätte ist also ein gewöhnlicher Wendenkirchhof wie viele andere. Die bei der zweiten Aufgrabung gefundenen Urnen und Alterthümer zeichnen sich durch nichts vor den in andern Wendenkirchhöfen gefundenen Alterthümern aus. Die Urnen sind alle braun (nicht schwarz) und mit den gewöhnlichen Punctlinien verziert, auch an Gestalt den Urnen aus den Wendenkirchhöfen ähnlich, in welchen sich schon Silber findet, namentlich den im Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 1 bis 8, und in den Jahrbüchern XXII, S. 432 bis 433 abgebildeten Urnen gleich. Die Alterthümer sind wenig gerostet, die Formen derselben leicht und geschmackvoll. Wenn wir auch noch keine verschiedene Abtheilungen im Eisenalter machen können, wie in Dänemark, da dort sicher verschiedene Völkerschaften gehauset und verschiedene Bildungsweisen geherrscht haben, während in Meklenburg das eine und dasselbe Volk der slavischen Wenden mit großer Zähigkeit gewiß wohl vom 6. - 12. Jahrhundert ruhig gesessen hat, so läßt sich doch aus Formen und Rost der Alterthümer, wenn man auch den trockenen Sandboden in Anschlag bringt, annehmen, daß dieser Fund aus der jüngern Zeit der Eisenperiode oder des Wendenthums stammt, um so mehr, da alle gleich gestalteten und erhaltenen Alterthümer dieselben Eigenthümlichkeiten tragen. Ich kann daher den Goldschmuck mit den dänischen Forschern nicht der ältern, sondern der jüngern

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Eisenzeit zuschreiben, es sei denn, daß ganz bestimmt bezeichnende Alterthümer mit solchem Goldgeschmeide gefunden würden.

Zugleich lehrt dieser Fund auch, daß auch vornehme Leute gleich den geringen in den Wendenkirchhöfen bestattet wurden. Die Urne mit den Gold= und Silbersachen war ohne Zweifel das Begräbniß einer vornehmen und reichen Person, und doch ward das Grab durch kein äußeres Zeichen vor den übrigen Gräbern ausgezeichnet. Man muß also den Gedanken aufgeben, daß die Gräber der vornehmen Wenden durch äußerlich hervorragende Denkmäler bezeichnet seien. Die Auffindung eines reichen Grabes ist daher immer nur Zufall.


Silberperle von Gudow.

Aus dem Torfmoore von Gudow in Sachsen=Lauenburg (bei Zarrentin) ward eine große, mit runden Knöpfen besetzte und mit Filigranarbeit verzierte silberne Perle mit einer Torfsode ausgegraben, welche im Ofen verbrannt ward; die Perle ward hinterher in der Asche, beim Herausnehmen derselben aus dem Ofen, gefunden und kam in den Besitz des Herrn Pastors Masch zu Demern. Diese Perle ist an Größe und Verzierung der Silberperle aus dem jungem Eisenalter gleich, welche in Worsaae Afbildninger, 1. Auflage, Taf. 89, Nr. 349, und 2. Auflage, Taf. 113, Nr. 468, abgebildet ist.


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II. Zur Baukunde.


Die Feldmark Damoster oder Moster
bei Marnitz,

von

G. C. F. Lisch.

Im Friderico-Francisceum, Erläuterung, S. 97 flgd., it ein großer Fund wendischer Alterthümer beschrieben, welcher auf der "kleinen Mooster", einem Haidemoor bei Marnitz gemacht ward. Bei der Wichtigkeit, auch die untergegangenen Dörfer möglichst vollständig zu ermitteln, verlohnt es sich der Mühe, auch die Mooster noch einmal zu beleuchten. Man hielt früher die Mooster für die Appellativ=Benennung eines Moors. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß es der Name eines untergegangenen Dorfes ist, welches auf dem weiten Raume zwischen Marnitz und dem östlich davon gelegenen märkischen Dorfe Redlin stand, und den Namen Damoster führte; hieraus ist die plattdeutsche Benennung "Demoster" entstanden, welche im Laufe der Zeit in zwei Wörter "de Moster" (= die Moster) getrennt ist, von denen man das erste fälschlich für den Artikel gehalten hat.

Das Dorf, über welches gar keine alte Urkunden reden und welches sehr frühe untergegangen sein muß, ward zwar immer zu Meklenburg gerechnet, gehörte aber zu den Gütern, welche die Gans zu Putlitz von den Bischöfen von Havelberg zu Lehn trugen und noch im J. 1492, mit Sukow, Drehnkow und Porep zu Lehn erhielten: vgl. Riedel God. dipl. 1, 3, S. 506. Im Laufe der Zeit war aber ein Theil des Dorfes in die Hände märkischer Besitzer übergegangen und dadurch unter brandenburgische Landeshoheit gerathen, wie dergleichen Beispiele fast überall an der südlichen Grenze Meklenburgs vor=

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kommen, da Brandenburg seit uralter Zeit mit einem ununterbrochenen, unblutigen Eroberungszuge gegen Meklenburg mit Erfolg beschäftigt gewesen ist.

In einer Beschreibung des Amtes Marnitz vom J. 1654 werden wiederholt genannt die Aecker "auf dem Damoster, das Damoster Holz, die Damoster Wiesen". In mehreren Berichten von 1717 wird gesagt, bei dem Dorfe Reddelin liege "eine wüste Feldmark die Damoster genannt", an welcher das Amt Marnitz und der Baron v. Putlitz Antheil hätten. In dem Vermessungs=Register vom J. 1726 heißt es aber schon: "Noch findet sich Land auf der wüsten Feldmark Mauster, so die Marnitzer Unterthanen in Besitz haben. Von der hintersten Mauster ist den Hrn. v. Putlitz der halbe Theil gehörig."

Dieses Dorf wird nicht allein durch die vielen dort gefundenen wendischen Alterthümer wichtig, sondern auch dadurch, daß ganz in der Nähe, vielleicht noch auf der alten Feldmark Damoster, ein alter wendischer Burgwall (von Marnitz) steht, welcher in Jahrb. XXIII, S. 303 flgd. beschrieben ist.


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Das Dorf Dobranten bei Rehna.

In einem alten Landbuche des Amtes Rehna werden die Ackerstücke des dicht bei Rehna liegenden Dorfes Löwitz aufgezählt und dabei auf dem "Acker zwischen den Bauern":

"auf dem Felde Dobranten 8 Stücke;
- - - - - - - - - - - - - - - -
by dem Dorpsteden=Soll 6 Stücke;
- - - - - - - - - - - - - - - - -
auf der bavensten Söring 1 Stück;
auf der neddersten Söring 4 Stücke."

Der Name des untergegangenen Ortes Dobranten wird mit den wendischen Wörtern dober: gut, und dobran: der Gütige, zusammenhangen und auf einen heidnischen Götzendienst deuten; in diesem Falle kann der Ort eine entfernte Veranlassung zu der Stiftung des Klosters Rehna gegeben haben, wie der Ort Doberan zur Stiftung eines Klosters Veranlassung gab.

G. C. F. Lisch.     


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III. Zur Baukunde


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Die Burg und das Land Goteband,

von

G. C. F. Lisch.

Das südöstliche Meklenburg ist in alterthümlicher Hinsicht noch sehr wenig erforscht, und doch ist eine genaue Kenntniß dieser Gegend für die alte Geschichte und Landeskunde von sehr großer Wichtigkeit. Von Norden her ist Meklenburg gegen Süden hin hierdurch starke Naturgrenzen gesichert; von der Ostsee ziehen sich von Ribnitz und Damgarten bis Sülz und Triebsees und weiter bei Dargun und Demmin vorüber weite und tiefe Moore und Sumpfwiesen an den Flüssen Reknitz und Trebel und weiter an dem Flusse Pene hinauf bis in den Cummerower und Malchiner See. Weiter südlich schützen die Müritz und dahinter die Tollense und die zahlreichen stargardischen und Havel=Seen das Land gegen den Osten. Nur zwischen dem Malchiner und dem Müritz=See ist das Land fest und offen. Daher ist diese Gegend, im Allgemeinen das Amt Stavenhagen, auch von großer Bedeutung für die Geschichte. Hier, in der Nähe westlich von Penzlin, liegt auch der Grenzpunct der drei Bisthümer Schwerin, Havelberg und Camin, ohne Zweifel nicht ohne alte, innere Bedeutung; bis in diese Gegend hat lange fremde Herrschaft gereicht und ist der Besitz oft bestritten worden; in dieses Land ist bei der Germanisirung schon früh eine mächtige Ritterschaft von Westen her gerufen, welche noch heute ein bedeutendes Ansehen im Lande hat.

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Es gab bisher zwar urkundliche Andeutungen über alte Landeseintheilungen dieser Gegend; es fehlte aber eine klare Einsicht und ein alterthümlicher Leitfaden, welchem die Schriftforschung folgen konnte. Es war mir daher sehr willkommen, daß Herr Pogge auf Gevezin bei Neu=Brandenburg in wissenschaftlichem Sinne eine Vorforschung in jener Gegend unternahm und nach Vollendung derselben mich zur Forschung an Ort und Stelle einlud. 1 )

Das Ergebniß der Vorforschung des Herrn Pogge war, daß sich dennoch im Osten des Landes Stavenhagen von Norden nach Süden ein langes Wiesenthal hinzieht, welches an mehreren Puncten stark befestigt ist. Der Herr Pogge sagt Folgendes. "Es geht ein mehrere Meilen langes Wiesenthal von Penzlin nach Wolde, welches nach allen Anzeichen vor nicht allzulanger Zeit ein sehr großer See gewesen sein muß. Die jetzigen Seen von Kastorf, Gädebehn, Mölln, Gevezin, Lapitz und der vor ungefähr 50 Jahren abgelassene See von Gr. Helle sind wahrscheinlich sämmtlich Ueberreste des einen großen Sees. Alle diese Seen liegen fast in gleichem Niveau. Das Ende dieses Thales bei Wolde liegt kaum 5 Fuß höher, als die niedrigste Stelle, wo der Abfluß des Sees zwischen Passentin und Mallin ist und wo früher der Durchbruch stattgefunden haben muß. Dieser lange See, der nicht allzutief gewesen sein kann, ist durch die Bildung einer Torfschicht, wie noch heute in den Geveziner Mooren zu bemerken ist, so wie durch die Tieferlegung des abführenden Baches bei Maliin und durch die Wegnahme der dortigen früheren Wassermühle allmählig bis auf die noch vorhandenen, genannten Seeüberreste verschwunden, und auch diese wachsen von Jahr zu Jahr allmählig immer mehr zu. Es geht auch unter den Leuten zu Gevezin die alte Sage, daß vor langer Zeit die Ritter von Penzlin nach Wolde ihren Weg zu Wasser genommen haben, und dieselbe Sage ist auch in Wolde verbreitet. Bestätigt wird die Ansicht, daß in alten Zeiten das ganze Thal von einem höher stehenden See gefüllt gewesen sei, noch dadurch, daß sich in dem jetzigen Thale mitten in den Wiesen mehrere alte Erddämme finden, welche von den frühern Anwohnern zum Zwecke der Fischerei angelegt sind; namentlich finden sich solche in Lapitz."


1) Ich fühle mich mit dem Vereine verpflichtet, dem Herrn Pogge auf Gevezin, so wie auch dessen Bruder, dem Herrn Pogge auf Blankenhof für die aufopfernde und lebendige Beförderung und Theilnahme an diesen Forschungen den aufrichtigsten Dank zu sagen.
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Mag nun auch diese Ansicht, welche allerdings viel Wahrscheinliches für sich hat, doch vielleicht einige Beschränkung erleiden, namentlich dadurch, daß einige alte Wohnstätten höher sein müßten, wenn sie über die frühere, höhere Oberfläche des Wassers hätten hervorragen sollen, so ist doch durch die Untersuchungen des Herrn Pogge festgestellt, daß ein großes Wiesenthal zwischen Wolde und Penzlin vorhanden ist und daß wenigstens die Wiesen neben den Seen in alten Zeiten ohne Zweifel viel mehr sumpfiger und wässeriger waren, vielleicht auch die Wasserspiegel der Seen höher standen, als jetzt.

Dieses mit Seen und Wiesen gefüllte Thal bildete also eine bisher unbekannte, feste Linie von Nord nach Süd in dem südöstlichen Meklenburg, ehe noch künstliche Dämme und Straßen durch dieses Wiesenthal gelegt wurden.

Es war nun auch wahrscheinlich, daß in diesem Wiesenthale mehrere künstliche Befestigungen liegen würden, um diese von Natur schon feste Linie noch mehr zu schützen. Und wirklich hatte Herr Pogge bei der Vorforschung in und an diesem Wiesenthale auch eine ganze Reihe von alten Befestigungen oder Burgwällen entdeckt, welche auch bei der genauern Untersuchung zur Frage gekommen sind, namentlich zu Wolde, Gädebehn, Mölln, Gevezin, Lapitz, Gr. Helle, Ruchow und Penzlin.

Am 15. und 16. April 1859 unternahm ich mit den Herrn Brüdern Pogge auf Gevezin und Blankenhof unter großen Anstrengungen eine genauere Untersuchung dieser Burgwälle.

Da nun die Burgwälle des christlichen Mittelalters noch mehr oder minder mit der Gegenwart und den noch bestehenden Ortschaften zusammenhangen, so haben dieselben, wenn sie nicht noch alte Gebäude von Bedeutung tragen, keine so große geschichtliche Bedeutung für die Landes= und Bildungsgeschichte, als die großen heidnischen Burgen. Und daher mögen jene hier vorweg genommen und kurz behandelt werden, um für die heidnischen Festen einen klaren Ueberblick zu gewinnen.

1) Die Burg Wolde liegt am nördlichen Ende des Wiesenthals am Durchgange von Stavenhagen her zwischen den wichtigen und festen Burgen Wolde und Cummerow, ohne Zweifel zum Schutze dieser von Natur wenig vertheidigten Gegend, ähnlich wie gegenüber am westlichen Ende von Meklenburg die Burg Dutzow. Daher war die Burg Wolde eine der festesten im ganzen Pommerlande. Die Burg Wolde ist bekannt; sie ist im Jahre 1491 von den Herzogen von Pom=

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mern in dem Kriege gegen den Ritter Bernd Maltzan auf Wolde zerstört (vgl. Lisch, Maltzan. Urk. IV, S. 167 flgd.); noch heute zeugen die mächtigen Wälle von der Wichtigkeit der Feste. Es ist möglich und wahrscheinlich, daß die Burg auf einer wendischen Anlage liegt; was aber jetzt davon zu erkennen ist, zeugt von dem Ursprunge aus dem christlichen Mittelalter und zwar aus der Zeit, als die Maltzan das Schloß besaßen.

2) Die Burg Penzlin liegt am südlichen Ende des Wiesenthals, an einer festen Stelle, welche die Durchgänge nach Osten, nördlich über Broda (= Fähre) und Neu=Brandenburg und südlich über die festen Burgen bei Prilwitz, nördlich und südlich vom Tollense=See, beherrscht. Die Burg, welche schon früh im landesherrlichen Besitze war und späterhin ebenfalls an die Maltzan überging, hat noch sehenswerthe Ueberreste von der mittelalterlichen Einrichtung. Was aber noch zu erkennen ist, scheint aus dem christlichen Mittelalter zu stammen, wenn auch die Anlage wahrscheinlich noch wendisch ist.

3) Auf der Feldmark der Stadt Penzlin liegt in der Nähe von Rahnenfelde und des Lapitzer Sees eine Burgstätte, welche auf der schmettauischen Charte mit dem Namen des "alten Walles" bezeichnet ist. Diese Burgstätte liegt auf einer von Wiesen umgebenen, natürlicher Anhöhe, welche ungefähr 50 bis 60 Fuß hoch ist, und mag ungefähr 500 □Ruthen groß sein; die Burgstätte fällt umher gut 10 Fuß tief steil auf die Anhöhe ab. Der innere Raum, welcher von Dornen dicht umgeben ist, wird jetzt beackert. Nach der Lage und Gestalt wird diese Burgstätte eine mittelalterliche Anlage sein.

4) Auf der Feldmark Puchow, bei Penzlin, an der Landstraße von Penzlin nach Stavenhagen, erhebt sich sehr steil und grade ein langer, schmaler, natürlicher Bergkamm, welcher an 70 Fuß hoch ist und sich neben dem Rahnenfelder See hinzieht. Das nördliche Ende dieses merkwürdigen, steil abfallenden Rückens, am nordwestlichen Ende des Rahnenfelder Sees, ist durch einen sehr tiefen Einschnitt abgegraben und oben viereckig umwallt, jedoch so, daß die östliche Seite offen ist. Dieser Berg wird der "Räuberberg" genannt; nach der Sage soll hier die Burg Lapitz gestanden haben; das letztere ist gewiß nicht der Fall. Die Anlage ist aber auf keinen Fall wendisch und mag auch nur eine vorübergehende Verschanzung gewesen sein. Von Ueberresten der Vorzeit ist keine Spur zu entdecken.

5) Auf der Feldmark von Gr. Helle liegt der sogenannte "Babandelberg", so genannt von einem "Raub=

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ritter Babandel" welcher in einer Fehde mit den Penzlinern von diesen erschlagen und darauf dessen Burg von denselben zerstört sein soll. Unter den Leuten des Gutes gehen noch ausführliche Sagen über diesen "Ritter Babandel". Der Herr Flügge auf Gr. Helle hat auf der Burgstelle noch viele Steine von den Fundamenten ausbrechen lassen und dabei mehrere mittelalterliche Geräthe gefunden, namentlich einen eisernen Helm, welcher jedoch verloren gegangen ist, und einen blauschwarzen Henkeltopf 1 ) ungefähr aus dem 14. Jahrhundert, welchen derselbe den Sammlungen des Vereins geschenkt hat. Jetzt ist die Burgstätte nur schwer zu erkennen.

6) Unmittelbar vor dem Hofe von Gevezin liegt in der Wiese ein kleiner, künstlich aufgetragener, runder Burgwall, ungefähr 40 □Ruthen groß, von einem jetzt zugewachsenen, aber noch erkennbaren Graben umgeben. An dem Rande des Burgwalles umher stehen in zwei Reihen eichene Pfähle, welche wohl die Gebäude getragen haben; dort wo der Burgwall dem festen Lande am nächsten ist, finden sich Reste einer Pfahlbrücke. Der innere Burgraum hat unter einer Erdschicht von ungefähr 3 Fuß Dicke natürlichen Torfgrund. Auf der äußern Seite der Ringpfähle fanden sich viele alte Ziegeldachsteine in der Form des sogenannten Mönchsdaches, auch einige Scherben von Töpfen des christlichen Mittelalters. Der Burgplatz ist zwar nicht groß, aber doch groß genug, um eine kleine mittelalterliche Burg zu tragen.

7) Im nordöstlichen Ende des Mölinschen Sees, unmittelbar neben dem jetzigen Hofe Gädebehn, durch einen Strich Sumpfwiese und Rohr vom festen Lande getrennt, liegt ein runder Burgwall von unbedeutender Größe und Höhe dem Burgwalle von Gevezin ähnlich. Nach den Mittheilungen des Herrn Neumann auf Gädebehn 2 ) sind dort schon viele Fundamente ausgebrochen und noch vorhanden. Auf diesem Burgwalle stand ohne Zweifel die mittelalterliche Burg Gotebant oder Gädebehn.

Alle diese Burgstätten, welche entweder offenbar Anlagen des christlichen Mittelalters sind oder in demselben fortgebaut und umgestaltet wurden, können für die ältere Landesgeschichte nicht in Betracht kommen.

8) Nördlich von Gädebehn, zwischen Gädebehn und Wolde, also im Anfange des Thales, lag mitten im See von Ka=


1) Der Herr Flügge auf Gr. Helle hatte die Freundlichkeit, die Untersuchungen möglichst zu befördern und weitere Theilnahme zu verheißen.
2) Der Herr Neumann auf Gädebehn hatte die Güte, vollständige Auskunft zu geben und fernere Aufmerksamkeit in Aussicht zu stellen.
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storf noch eine Burg, welche schon im J. 1249 "die alte Burg" genannt wird. Bei der Beschreibung der Grenzen der Güter Wildberg, Wolkow, Reinberg und Mönchhusen, welche der Herzog Wartislav von Pommern im J. 1249 dem Kloster Reinfelden verlieh, wird auch gesagt, daß die Grenze bei Kastorf durch den See bis zu der alten Burg gehe, welche mitten im See liege ("usque in stagnum usque ad antiquum castrum, quod est in medio stagno": Dreger Cod. dipl. Pom. p. 284 und Irisch Maltzan. Urk. IV, S. 175). Diese Burg ist noch zu entdecken und zu erforschen und könnte vielleicht von Wichtigkeit sein, da sie grade zwischen den Gauen und Burgen Gädebehn und Tüzen lag (vgl. unten). Vielleicht war diese Burg, die "alte Burg" von Wolde (Wald), welches nahe dabei liegt, eine neuere christliche Anlage. Der Herr Pogge auf Gevezin, welcher im Sommer 1859 die Gegend mit Aufmerksamkeit bereiset hat, berichtet dem Verein über diesen Burgwall Folgendes: "Die Insel liegt im Kastorfer See; ich bin zwar nicht auf derselben gewesen, habe aber auch keine alten Ueberreste auf derselben entdecken können. Aber unmittelbar am See in der Wiese, welche früher gewiß See gewesen ist, liegt ein Hügel, welcher unzweifelhafte Spuren einer ehemaligen wendischen Burgstelle an sich trägt. Dieser Hügel besteht aus künstlich zusammengebrachter Erde, ist ungefähr 20 bis 30 Fuß hoch und hat eine scharf abgegrenzte (oblonge) Form, ist jetzt jedoch auf der Oberfläche mit Gartenanlagen bepflanzt und dadurch ziemlich geebnet. Dies scheint die alte Burg Wolde im Kastorfer See gewesen zu sein."

Die wendische Gauburg Gotebant.

Die wendische Burg des Landes Gotebant lag ohne Zweifel in der Nähe des Hofes Gädebehn oder Gödebehn. Zwischen dem Hofe Gädebehn nördlich und dem Hofe Mölln südlich liegt ein lang gestreckter See, welcher jetzt der möllnsche See heißt, aber in heidnischer Zeit ganz zu Gädebehn gehört haben wird. Nördlich in diesem See neben dem Hofe Gädebehn liegt eine (oben unter Nr. 7 aufgeführte) Burgstelle aus dem christlichen Mittelalter, welche nach Lage, Größe, Bauart und Alterthümern nicht die wendische Burg Gotebant gewesen sein kann; auch findet sich sonst auf dem Felde und dem Hofe Gädebehn keine Stelle, welche von Natur zur Anlage einer wendischen Burg geeignet wäre. Dagegen liegt in dem süd=

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lichen Ende des Sees, dem mittelalterlichen Burgwall von Gädebehn gegenüber, nördlich neben dem Hofe von Mölln und jetzt zu demselben gehörig, also grade an der entgegengesetzten Seite von der Stelle, wo man eigentlich suchen sollte, ein sehr bedeutender wendischer Burgwall, welcher ohne Zweifel die Wendische Burg Gotebant ist. Diese nahe liegende Ansicht wird noch durch die in der Gegend verbreitete Sage bestärkt, daß ein Damm durch den See nach Gädebehn gehen soll. Die Lage dieses Burgwalles ist ganz der Lage der übrigen großen wendischen Burgwälle gleich. Nördlich vom Hofe Mölln 1 ) erstreckt sich eine weite und zum Theil sumpfige Wiesnfläche, in welcher fese Flächen und Wege liegen, gegen den See; dies Lage ist ganz den wendishen Vorburgen gleich, welche sich so häufig finden. Am Ende dieser Wiesenfläche erstreckt sich der Burgwall mit drei Seiten in den See. Diese Lage ist der Lage der großen wendischen Burgen Bisdede im gutower See bei Güstrow (Jahrb. XII, S. 453) und Schwerin ganz ähnlich. Der Burgwall von Gotebant bildet ein regelmäßiges längliches Viereck, welches ungefähr 1500 □Ruthen Oberfläche hat. Auf dem äußern Rande umher steht ein breiter Wall von ungefähr 5 Fuß Höhe, welcher an der Außenseite mit dem Burgwalle in ziemlich steiler Neigung in den See fällt; im Innern ragt der Ringwall so hoch über die vertiefte innere Fläche empor, daß man von innen nicht über den Wall sehen kann, daß also die Menschen und die Wohnungen bis zum Dache durch diesen Ringwall vollkommen geschützt waren. Das ganze Ansehen gleicht vollkommen den größern Burgwällen des Landes, z. B. den Burgwällen von Meklenburg, der freilich größer ist, von Bisdede, Ilow, Werle u. s. w.; jedoch muß man den Burgwall von Gotebant einen sehr großen Burgwall nennen. Der ganze Burgwall ist von zusammengetragener Erde aufgeschüttet. Da derselbe zur Wiesenverbesserung jetzt abgetragen werden soll, und damit am Eingange schon ein ansehnlicher Anfang, der jedoch noch nicht bis zu dem Raume innerhalb des Ringwalles reicht, gemacht ist, so läßt sich klar erkennen, wie die verschiedensten Erdschichten über einander liegen; es kam sogar eine ganze Schicht von kleinen Muscheln vom Seeufer zu Tage. Ungefähr 4 Fuß tief unter der Oberfläche


1) Die Frau Generalin v. Schuckmann auf Mölln hatte die Güte, auf die freundlichste Weise die Untersuchung zu befördern, an welcher, außer den Herren Pogge, auch die Herren v. Klinggräff auf Chemnitz Theil nahmen, und fernere Aufsicht und Theilnahme zu verheißen.
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kam eine ganze Schicht von großen Kohlen zum Vorschein, welche ohne Zweifel von abgebrannten Gebäuden am Eingange herrühren, welche beim Brande in die Kellerräume gestürzt sind.

Was aber besonders den schlagendsten Beweis giebt, ist die große Menge von wendischen Gefäßscherben, Thierknochen und Alterthümern, welche überall auf der Oberfläche zu finden sind. Bei jedem Schritt finden sich schon auf der Oberfläche unzählige Scherben von Gefäßen, welche alle ohne Ausnahme mit zerstampftem Granit durchknetet und am Rande mit den bekannten wellenförmigen Linien der letzten Wendenzeit verziert sind. Die Verzierungen auf allen diesen Scherben haben einen etwas feinern Charakter, als gewöhnlich. Scherben von Gefäßen des christlichen Mittelalters waren gar nicht zu finden, und da der Burgwall bei der Beackerung wegen der ungewöhnlich guten Erde gar nicht gedüngt wird, so waren auch keine Reste der neuern Zeit zu finden. Der Burgwall von Gotebant ist daher einer der größten, am besten erhaltenen und an Alterthümern am ergiebigsten im ganzen Lande.

Bei der Untersuchung wurden in kurzer Zeit eine große Menge charakteristischer Scherben, ein abgesägtes Stück Hirschhorn, ein thönerner Spindelstein und viele Thierknochen aller Art gefunden. Vorher war beim Abgraben ein zerbrochenes Gefäß gefunden, in welchem viele kleine Stücke Bernstein gelegen hatten, von denen noch ungefähr 25 Stücke vorhanden sind. Die Frau Generalin v. Schuckmann auf Mölln hatte die Güte, diesen Fund den schweriner Sammlungen zu schenken und weitere Funde, wenn sie gemacht werden sollten, zu verheißen. Am Aufgange fand sich an einer niedrigen Stelle nahe am See unter der Erdoberfläche der Ziegelfußboden einer neuern Wohnung, welche hier seit Menschengedenken Fischer aufgeführt hatten. Zwei menschliche Gerippe, welche am Aufgange eingegraben waren, gehörten offenbar ebenfalls den neuern Zeiten an.

Die antiquarische Forschung in Meklenburg hat durch viele Beispiele unwiderleglich dargethan, daß in jedem "Lande" (terra, Gau oder Provinz,) eine große Burg lag, von welcher der Gau den Namen trug, und wohl die meisten dieser Gauburgen in Meklenburg=Schwerin 1 ) sind bereits nachgewiesen


1) Im Großherzogthume Meklenburg=Strelitz sind, nach F. Boll Gesch. des Landes Stargard, I, S. 6, "nur von einer einzigen slavischen "Feste Ueberbleibsel" erforscht, "nämlich von der sog. Ravensburg auf der Feldmark der Stadt Neubrandenburg" (vgl. Jahrb. V, B, S. 112).
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und erforscht. Wenn es nun nach dem Vorgetragenen auch keinen Zweifel leidet, daß die an dem See des Hofes Gädebehn bei Mölln liegende große wendische Burg die Hauptburg eines Landes oder Gaues Gotebant ist, so wird es doch willkommen sein, wenn diese Annahme urkundlich bewiesen wird. Es wird in einigen alten Urkunden ausdrücklich gesagt, daß mehrere östlich und nordöstlich an Gädebehn grenzende Güter im Lande Gotebant lagen. Nach einer Original=Urkunde schenkte am 21. Dec. 1303 der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Ivenack zehn Hufen im Dorfe Pinnow im Lande Ghotebende ("decem mansos in villa Pynnowe que sita est in terra Ghotehende"); das Dorf Pinnow grenzt östlich an Gädebehn. Im Jahre 1249 verlieh der Herzog Wartislav von Pommern dem Kloster Reinfelden den in Pommern an der Grenze liegenden Hof Mönchhusen im Lande Gotebant mit den dazu gehörenden Dörfern Wildberg, Wolkow und Reinberg ("grangiam Monekehusen in prouincia Gotebant cum villis adjacentibus Wilberge, Wolcowe, Reyneberge"), welche an das Dorf Gotebant grenzten ("vsque ao campos ville Gotebant"), und beschreibt genau die Grenzen derselben (vgl. Dreger Cod. dipl. Pom. p. 284), welche östlich bis gegen die Stadt Treptow, nördlich bis an das Dorf Schorssow und westlich bis in den See von Kastorf gingen.

Nach diesen genauen Bestimmungen wird sich die Lage des Landes Gotebant auch nach den Grenzen der umherliegenden Länder ziemlich genau bestimmen lassen.

Im Süden grenzte das alte Land Wustrow, die spätere Vogtei Penzlin (vgl. Boll Gesch. des Landes Stargard, I, S. 53 flgd.); der Klosterort Broda nüt den nördlich davon liegenden Dörfern Wolkenzin, Weitin, Chemnitz u. s. w. gehörte schon zur Vogtei Stavenhagen.

Im Südwesten grenzte das alte Land Schlön (später Waren ?), zu welchem noch das Dorf Rittermanshagen gehörte ("Ridermanshagen ad terram Zlone"); vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 104).

Nahe im Norden grenzte das alte Land Tüzen. Die Ausdehnung dieses Landes läßt sich ziemlich genau bestimmen. Nach einer Urkunde vom J. 1267 durch welche der Herzog Barnim von Pommern dem Kloster Reinfelden das Dorf Sülten, südlich von Ivenack und Stavenhagen bei Kittendorf, bestätigte, wird gesagt, daß es im Lande Tüzen liege ("villa Sulta in terra Tucen sita"). Das Land Tüzen hat aber ohne Zweifel den Namen von dem Dorfe Tützen, welches

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östlich von Ivenack und nördlich von Gädebehn liegt. Hier wird also ohne Zweifel auch noch irgendwo eine wendische Burg 1 ) liegen müssen, um so mehr, da das östlich an Tützen grenzende Dorf den Namen Borgfeld (Burgfeld) führt. Aus den beiden alten wendischen Ländern Gotebant und Tüzen ward in jüngern Zeiten ohne Zweifel die Vogtei Stavenhagen. Der Ort Stavenhagen war im J. 1252 eine christliche Burg, auf welcher der Ritter Reimbern v. Stove, von welchen der Ort den Namen erhielt, wohnte (vgl. Jahrb. VI, B, S. 103), und ward im J. 1282 eine Stadt. Nach einer reinfeldenschen Urkunde vom J. 1350 lag Sülten damals im Lande Stavenhagen ("villa dicta Sulte sita in terra Stouenhaghen") und eben so 1290 das Dorf Kleth ("villa Kleth sita in territorio et aduocatia Stouenhaghen"); nach einer ivenacker Urkunde vom J. 1303 gehörte das nördlich nahe bei Tüzen liegende Dorf Fahrenholz damals zum Lande Stavenhagen ("villa Vorneholt sita in terra Stouenhaghen").

Im Osten von Gotebant grenzte ein pommerscher Gau, welcher sich um Alt=Treptow ausgedehnt haben, aber noch nicht erforscht sein wird.

Es leidet also keinen Zweifel, daß das alte Land Gotebant seine Burg bei dem jetzigen Hofe Gädebehn zwischen Stavenhagen und Neu=Brandenburg hatte und sich um diese Burg erstreckte. Der Ort Gädebehn wird in alten Zeiten auch größer und bevölkerter gewesen sein, da in einer reinfeldenschen Urkunde vom J. 1326 ein Pfarrer von Gotebant als Zeuge vorkommt ("dominus Arnoldus plebanus in Gotebende").

Das Land Gotebant ist wohl mit Chotibanz verwechselt. Es ist aber in den Jahrbüchern XXIII, S. 22 flgd. (vgl. III, S. 18) bewiesen, daß Chotibanz weiter entfernt bei dem Orte Chutun, einem jetzt untergegangenen Dorfe Gottun, weiter südlich bei Dambeck und Kratzeburg, lag, daß also die Länder Gotebant und Chotibanz durch die Länder Schlön und Wustrow getrennt waren. Die Namen Gotebant und Chotibanz mögen allerdings in den Wurzeln gleich sein, und wieder mit den Namen Godebuz (jetzt Gadebusch) und Chotibuz (jetzt Kotbus) gleich sein und, von choti = Lust und bud = Wohnung hergeleitet, Lustwohnung, Festwoh=


1) Es würde von großem Interesse sein, wenn bei Tützen oder Borgfeld auch noch ein wendischer Burgwall gefunden würde.
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nung 1 ) bedeuten; die Formen scheinen aber dialektisch immer verschieden Gotebant und Chotibanz gelautet zu haben und ungefähr so verschieden gewesen zu sein, wie die plattdeutsche und hochdeutsche Aussprache desselben Namens. Daher ist ohne Zweifel anzunehmen, daß Gotebant und Chotibanz zwei verschiedene Gaue waren, deren Burgen in lieblichen, wasserreichen Thälern (nicht allein in flachen Sümpfen) lagen und davon den Namen Luft Wohnung trugen.

Die wendische Stadt bei Lapitz.

Zwischen den Seen von Lapitz und Mallin, am Südende derselben, wo diese beiden Seen nahe zusammenstoßen, liegt ein großer wendischer Wohnplatz, welcher jetzt "Fischerswerder 2 ) genannt wird; auf der schmettauischen Charte ist diese Stelle mit den Worten "im Walm" bezeichnet. Von dem festen Lande des Gutes Lapitz erstreckt sich gegen Süden hin zwischen beiden Seen an der bezeichneten Stelle eine weite Wiesenfläche, welche früher offenbar Sumpf oder See war. In dieser Wiese liegt ein sehr großer Burgwall, in der Gestalt eines regelmäßigen länglichen Vierecks, welcher ganz besonders gebauet ist, indem die beiden Hälften ganz verschiedene Höhenmaaße haben. Ungefähr die Hälfte im Süden ist viel niedriger, als die Hälfte im Norden. Der ganze Bau ist ungefähr 30 Ruthen lang von Norden nach Süden und 20 Ruthen breit und hat einen Flächeninhalt von gut 600 □Ruthen. Die südliche Hälfte bildet einen niedrigen Burgwall von viereckiger Gestalt, 14 Ruthen lang von Norden nach Süden und 20 Ruthen breit. Auf dem Rande umher steht ein Ringwall, welcher durchschnittlich wohl 2 Ruthen breit in der Grundfläche und außen 10 Fuß hoch ist. Der innere Raum, welcher aus aufgetragener Moorerde besteht, liegt ungefähr 4 Fuß niedriger, als der Ringwall, ist also ungefähr 6 Fuß über die umgebende Wiesenfläche erhaben; in einer Tiefe von 5 Fuß ist Sandgrund. Durch die Mitte von Süden nach Norden scheint eine Art Damm von kaum merklicher Erhebung nach der nördlichen Hälfte zu gehen; dieser Damm besteht nicht aus Moorerde, sondern hat mehr erdigen


1) Vgl. auch Cybulski Slawische Ortnamen der Insel Potsdam, 1859, und Jahrb. XXIII, S. 30.
2) Es scheinen in neuern Zeiten die Fischer isolirte Wohnungen auf Burgwällen angelegt zu haben, wenn diese an Seen liegen. Auch auf dem Burgwalle von Gotebant bei Mölln fanden sich Ueberreste von einer neuern Fischerrwohnung; vgl. o. S. 275.
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Grund. Nicht weit von dem südlichen Ende des ganzen Burgwalles fließt der Bach vorüber, welcher jetzt den mallinschen See mit dem lapitzer See verbindet; dieser hat an der Stelle, wo er dem Burgwalle am nächsten kommt und dem Querdamme gegenüber, auf eine Länge von 2 bis 3 Ruthen Sandgrund, während sich seitwärts nur Torfgrund findet. Es scheint daher von dieser Seite ein künstlicher Zugang gewesen zu sein. - Die nördliche Hälfte bildet einen hohen Burgwall, dessen Seiten mit dem niedrigen Burgwall in denselben Richtungen liegen, so daß die nördliche Hälfte nur mehr erhöhet ist, als die südliche Hälfte. Dieser hohe Burgwall ist ungefähr 16 Ruthen lang von Norden nach Süden und 20 Ruthen breit; der ganze jetzt schon etwas unregelmäßig gewordene Wall, welcher ebenfalls am Rande einen Ringwall oder eine Brustwehr gehabt zu haben scheint, ist außen ungefähr 20 Fuß hoch, die innere Fläche ist ungefähr 12 Fuß über die innere Fläche der niedrigen Hälfte erhaben.

Die nördliche hohe Hälfte ist wohl die Stelle für den Wohnsitz des Befehlshabers, die südliche niedrige Hälfte wohl die Wohnstelle für das Volk, welche sonst etwas entfernt vor der hohen Burgstelle zu liegen pflegt. Man hat hier also ein seltenes Beispiel, daß man die Wohnstätten für Herrscher und Volk in eine und dieselbe Umwallung hineingezogen und beiden unmittelbar neben einander und in denselben Grundformen nur eine verschiedene Höhe gegeben hat.

Dieser ganze Burgwall ist nun ohne Zweifel wendischen Ursprungs, da dies nicht nur durch die Lage und den Bau, sondern auch durch die gefundenen Alterthümer bewiesen wird. Auf dem niedrigen Burgwall finden sich überall die bekannten Gefäßscherben der letzten Wendenzeit, mit zerstampftem Granitgrus durchknetet und mit wellenförmigen Linien am Rande verziert. In einem einzigen Maulwurfshaufen fanden sich vier Scherben von verschiedenen Gefäßen und ein Pfriemen, aus einem Thierknochen geschnitzt. - Der hohe Burgwall wird jetzt von dem Herrn Neumann auf Lapitz zur Wiesenverbesserung abgetragen. Hier haben sich nun, namentlich bei dem Abgraben des Burgwalles, sehr viele Alterthümer gefunden, welche der Herr Neumann 1 ) den schweriner Sammlungen bereitwilligst überlassen hat. Als sicher wendische Alterthümer wurden auch hier zahlreiche


1) Ich fühle mich veranlaßt, dem Herrn Neumann auf Lapitz für die freundliche Beförderung und Theilnahme den aufrichtigsten Dank zu sagen.
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Gefäßscherben mit wellenförmigen Linien gefunden. Außerdem fanden sich sehr viele Stücke von röthlich gebranntem Lehm, welche offenbar die Ueberreste von abgebrannten, aus Lehm gebaueten Häusern der wendischen Vorzeit sind, oft in großen Lagern. Daneben lagen Kohlen, zum Theil 8 Fuß tief unter der Oberfläche. Endlich sind an Alterthümern bis jetzt noch ein knöcherner Pfriemen, ein kleiner Wetzstein und ein an den Enden geschnitztes Rehhorn gefunden, welche nach der wendischen Zeit angehören.

Der Herr Neumann auf Lapitz theilte auch die Beobachtung mit, daß er auf dem Burgwalle, wenn er nicht beackert gewesen sei, sehr viele und schöne Schlüsselblumen (primula veris) gefunden habe, ohne Zweifel eine noch aus wendischer Zeit stammende Zierblume, welche der Herr Pastor Willebrand zu Cladow auch auf dem Burgwalle von Gömetow (jetzt Friedrichsruhe) fand (vgl. Jahrb. XVIII, S. 275).

Der hohe Burgwall scheint aber auch in neuern Zeiten bewohnt gewesen zu sein. Es sind neben Bauschutt, welcher jünger zu sein scheint, als die röthlich gebrannten Lehmstücke der Wendenzeit, auch noch ein Beil, ein großes Messer und einige Stangen aus Eisen, eine große Kinnlade, ein Eberhauer und andere Gegenstände gefunden, welche nach Form und Erhaltung offenbar jüngern Zeiten angehören.

Ich habe diesen Burgwall von Lapitz im Gegensatze zu der Gauburg Gotebant bei Mölln, eine wendische Stadt nennen zu müssen geglaubt, weil der Bau nicht so mächtig ist, als gewöhnlich die wendischen Gauburgen zu sein pflegen, weil er eine Verbindung von Burg und Dorf (oder Stadt) zeigt und weil die Gauburg Gotebant in demselben Wiesenthale nur eine Meile von der Burg Lapitz entfernt liegt. Es ist aber auch möglich, daß die Burg von Lapitz etwas älter als Gotebant und die Burg Gotebant eine etwas jüngere Anlage ist, als Lapitz, da die Verzierungen der Gefäße von Lapitz etwas derberer erscheinen, als die von Gotebant, welche mehr einen feinern, zierlichem Charakter tragen.

Nicht weit, etwa 100 bis 150 Ruthen nördlich von diesem Burgwalle greift der feste Acker von Lapitz in der Gestalt einer Erdzunge in die Wiese hinein, auf deren südlicher Spitze der sogenannte "Borgwall" liegt, dessen jetzt beackerter Raum sehr groß ist und wohl 1500 □Ruthen Flächeninhalt haben mag. Man bemerkt hier allerdings die Spuren von Gräben, und der verstorbene Herr Neumann hat vor nicht langer Zeit eine Menge von Fundamenten dort ausgraben lassen. Ueber diese Stelle läßt sich nichts mehr erforschen,

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um so weniger, da sie jetzt völlig in Cultur gebracht ist; aber der Name und die Spuren von alten Bauten lassen doch vermuthen, daß hier früher etwas von Bedeutung gestanden hat, was vielleicht Beziehung zu dem wendischen Burgwall hatte. - Von diesem Burgwalle ziehen sich in kleinen Zwischenräumen viele kleine Wälle, welche 16 bis 24 Fuß breit und 12 bis 20 Ruthen lang sind, in die Wiese hinein; dies waren Dämme, welche für die Fischerei angelegt wurden.


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2. Kirchliche Bauwerke des christlichen Mittelalters.


Die Kirche zu Frauenmark,

von

G. C. F. Lisch.

Die Kirche zu Frauenmark bei Parchim, zwischen Crivitz und Parchim, ist eine der merkwürdigsten Kirchen in Meklenburg, da sie nach dem Baustyle, als eine vollständig ausgebildete romanische Felsenkirche, eines der ältesten Kirchengebäude im Lande ist. Die Entdeckung dieser Kirche im Sommer des Jahres 1858 überraschte mich um so mehr, als ich in dieser Gegend, welche wenig alte und große Gebäude aufzuweisen hat, einen solchen Bau nicht vermuthete und die romanischen Felsenkirchen mehr dem östlichen Theile des Landes zuzuschreiben veranlaßt war. Die Kirche zu Frauenmark gleicht ganz der im J. 1857 entdeckten Kirche zu Lübchin, welche ich in den Jahrbüchern XXIII, S. 311 flgd. beschrieben und mit andern ähnlichen Bauten in Zusammenhang zu bringen gesucht habe. Die Kirche zu Frauenmark zeichnet sich aber nicht allein durch ihren Baustyl, sondern auch durch die Nachrichten aus, welche über ihre Erbauung nach und nach entdeckt sind und zu den seltensten Schriftdenkmälern Norddeutschlands gehören.

Die Kirche zu Frauenmark, ein vollständiges Kirchenbauwerk fast aus Einem Gusse, ist ganz aus "Feldsteinen" (Granitgeschiebe) ohne Anwendung von Ziegeln aufgeführt. Die Kirche besteht aus folgenden, im Aeußern abgegrenzten Theilen von Osten gegen Westen: einer halbkreisförmigen Apsis, einem quadratischen Chor, einem etwas breitern, oblongen Schiffe und einem quadratischen Thurmgebäude,

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alles aus zugerichteten Granitsteinen in den Ringmauern ohne Ziegel gebauet; die Ecken sind regelmäßig behauen und der Chor und die Apsis haben einen gut gegliederten, behauenen Sockel. Die Apsis hat 3 Fenster, von denen das mittelste ein rundes Rosenfenster bildet, welches aber jetzt zugemauert ist; der Chor hat an jeder Seite 2 einzeln stehende Fenster; das Schiff hat an jeder Seite in der Mitte 3 neben einander stehende Fenster, von denen das mittelste höher ist, als die beiden andern; dies ist die ursprüngliche Anlage; in dem Ostende der südlichen Seitenwand ist aber ein größeres Fenster mit Ziegeleinfassungen neben den drei alten Fenstern durchgebrochen, wahrscheinlich um mehr Licht in die etwas dunkle Kirche zu lassen. Die Kirche hat also ihrer ursprünglichen Anlage nach 13 Fenster, oder vielmehr 12 Fenster und hinter dem Altare 1 Rosenfenster, nicht ohne tiefere Bedeutung, wie es oft in alten Kirchen zu sein pflegt. Alle Fenster sind eng und kurz, schräge eingehend und alle im Rundbogen von Granit gewölbt und in der Wölbung mit Kalk geputzt; der Kalkputz ist noch alt. Die beiden Gurtbogen neben Chor und Schiff sind im Rundbogen und von Ziegeln 1 ) aufgeführt; der Bogen zwischen Apsis und Chor wird jetzt durch Holzbogen, welche auf hölzernen Pfeilern ruhen, gestützt; der Bogen zwischen Chor und Schiff trägt deutliche Spuren von Reparatur. Der Chor und die Apsis sind mit Kuppelgewölben, ohne Rippen und Näthe, bedeckt und laufen nur nach unten in Näthe ohne Schmuck aus. Das Gewölbe des Chors ist von Ziegeln ausgeführt; das Gewölbe der Apsis scheint jetzt keinen Zugang zu haben. Das Schiff hat eine Balkendecke.

Die Kirche ist also in der Anlage und im Einzelnen in sehr alter Zeit ganz und rein im romanischen oder Rundbogen=Baustyle erbauet.

Die Pforten sind, im Widerstreite mit allen andern Eigenthümlichkeiten, spitz gewölbt. Es scheint aber, daß dies neuere Anlagen sind. Der Chor und die Apsis sind außen sehr niedrig, und daher mag die südliche spitzige Chorpforte eine jüngere Einrichtung sein. In der Nordwand des Chores ist eine zugemauerte Pforte, welche rundbogig gewesen zu sein scheint. Die Thurmpforte ist spitzbogig; jedoch ist das Thurmgebäude sicher eine jüngere Anlage, wie denn überhaupt der Bau der alten Kirchen von Osten gegen Westen hin fortschritt und die westlichern Theile in der Regel die jüngern sind.


1) Nach Untersuchung und gütiger Mittheilung des Herrn Pastors Passow zu Frauenmark.
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An den Wänden der Apsis und des Chors ist bis jetzt unter der jetzigen Kalktünche keine Malerei oder Färbung zu entdecken gewesen. Nur auf den beiden von Ziegeln aufgeführten Gurtbogen trat folgerichtig eine dunkelrothbraune Farbe mit Weißgelber Fugenausfüllung hervor. Auf der Südwand des Schiffes 1 ) zeigte sich unter der Kalktünche auf hellbraunem Grunde ein Engelskopf mit der Unterschrift LUCAE. 18, darunter Worte in Fracturschrift, von denen das Wort David deutlich hervortrat. Dem Anschein nach ist diese Malerei nicht alt. An der Nordwand hat sich nur etwas hellbraune Farbe gefunden.

Die Kirche scheint besonders dem Täufer S. Johannes 2 ) geweihet gewesen zu sein.

Der Altar stammt noch aus der katholischen Zeit und wahrscheinlich aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts; er ist den Altären der benachbarten Kirchen zu Rutenbek, Zapel, Raduhn etc. . ziemlich ähnlich und scheint nach dem Vorbilde des Altars der Marienkirche in Parchim gebildet zu sein.

Ueber den frühern Zustand des Kirchengebäudes giebt das Kirchen=Visitations=Protoeoll vom J. 1593 willkommene Nachricht: "Das Gotteshaus ist in ziemblichem Bawwesenn, inwendigk abgeweissett vnnd mitt newen Stülen vnnd Cantzel gezieret. Der Thurm aber vnnd das Leichhaus ist so gar bawfelligk, vnnd wo der Thurm bei Zeitten nicht niedergebrochen vnnd wieder erbawett wirdtt, ist zu besorgen, das es ohne grossen Schaden des Gotteshauses nicht abgehen werde". Unter dem "Thurm" ist hier wahrscheinlich die Thurmspitze zu verstehen. - Nach einer Nachricht im Meßbuche ward die Kirche im J. 1442 neu gedeckt.

Eben so merkwürdig, wie durch ihren Bau, ist die Kirche zu Frauenmark durch die verhältnißmäßig seltenen und zahlreichen Urkunden über ihre Erbauung und ihre Schicksale. Eine Haupturkunde über die Kirche ist eine Urkunde des Fürsten Günther von Werle 3 ) vom 21. Sept. 1312, durch welche derselbe der Kirche, Pfarre und Küsterei bedeutende Geschenke macht. In dieser Urkunde, welche in keinem guten Texte, oder vielleicht nur in einer plattdeutschen Uebersetzung erhalten ist, sagt der Fürst, daß der Ritter Hermann von Dargun der erste Fundator der Kirche zu Frauenmark und daß dessen Sohn der Ritter La=


1) Nach einer gütigen Mittheilung des Herrn Pastors Passow.
2) Nach der Urkunde vom 21. Sept. 1312 und dem Meßbuche.
3) Vgl. Urkunde Nr. 6.
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zarus von Dargun gewesen, mit dem das Geschlecht ausgestorben, indem eine Hufe an den Fürsten gefallen sei:

"her Herman die Dargun, die erste fundator der kercken tho Frounenmarckt vnd sein sohne Latzarus die Dargun, den gott gnedich sey."

Die erste Frage geht hiernach auf die Herkunft und Zeit des Ritters Hermann von Dargun, um die Zeit der Erbauung der Kirche bestimmen zu können. Hier ist nun alles dunkel, um so mehr, da das Geschlecht von Dargun in den ältesten Zeiten unserer Geschichte schon mit der zweiten oder dritten Generation ausgestorben ist. Bisher sind gar keine Ritter von Dargun, wenigstens nicht in genealogischen Darstellungen bekannt gewesen. Unsere genealogischen Nachrichten nennen nur im Allgemeinen ein Rittergeschlecht von Dargun, welches sehr früh verschwunden sei, nennen aber keinen Vornamen und keine Jahreszahl. Die Genealogen leiten das Geschlecht von dem Kloster Dargun her; dies ist aber ohne Zweifel eine willkürliche, falsche Annahme, da in dem Bereiche dieses Klosters in den ältesten Zeiten nur wendische Edle vorkommen und der Name von Dargun sicher in den vollständig erhaltenen Urkunden des Klosters Dargun zu finden sein dürfte, wenn die Familie aus jenen Gegenden stammte. Wir müssen daher die Familie von Dargun in einer andern Gegend des Landes suchen, und zwar im Lande Gadebusch, welches, wie das Bisthum Ratzeburg, eine reiche Quelle der alten Geschlechter ist. Ich glaube mit Sicherheit annehmen zu können, daß die Ritterfamilie v. Dargûn von dem Landgute Dragûn in der Pfarre Vietlübbe bei Gadebusch, welches früher und noch jetzt oft auch Dragahn genannt und geschrieben wird, den Namen trägt. In alten Zeiten führte nämlich dieses Gut nur den Namen Dargun, und die Namensformen Dragûn und Dragahn sind jüngere Entstellungen. Nun schweigen aber alle Urkunden aus jenen Gegenden, z. B. die Urkunden des Bisthums Ratzeburg, des Klosters Rehna, der Stadt Gadebusch, so viel bis jetzt bekannt ist, ebenfalls ganz über eine dortige Familie v. Dargun. Jedoch sind Spuren vorhanden, welche meine Annahme rechtfertigen. Als der Bischof Isfried v. Ratzeburg im J. 1194 durch Schiedsrichter die ratzeburgischen Stiftsgüter für das Domkapitel bestimmte, 1 ) war unter den Schiedsrichtern auch Eilbert v. Dargun vom Lande Gadebusch ("de Godebuz: Eilbertus de Darguhn"), welcher bei einem


1) Vgl. Westphalen Mon. ined. II, p. 2050; Schröder Pap. Meckl. I, S. 499; Lisch Maltzan, Urk. I, S. 4.
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so wichtigen Geschäfte damals gewiß nicht mehr sehr jung war. Dieser Eilbert von Dargun wird der Stammvater des Geschlechts gewesen sein.

Eine noch wichtigere Andeutung giebt das um das Jahr 1230 abgefaßte Zehnten=Register 1 ) des Bisthums Ratzeburg. Hier steht bei der Pfarre Vietlübbe, in der Nähe von Gadebusch: 2 )

"In parrochia Vitelube."

"Vitelube. Godefridus I. et Johannes I. ecclesia I. VIII vacant episcopo.
Vruwenemarke. Ecclesia Vitelubensis I. Hartmodus IIII. VIII vacant episcopo.
Dargun. Heinricus II. Christophorus I. Hermannus I. Quinque vacant episcopo.
Rosenowe. Thetleuus dimidiam decimam habet ab episcopo."

Der hier bei "Dargun" genannte "Hermann" ist ohne Zweifel der Ritter Hermann v. Dargun, welcher die Kirche zu Frauenmark bei Parchim bauete.

Ja, ich glaube noch weiter gehen zu können, wenn ich annehme, daß der Ritter Hermann v. Dargun auch das Dorf Frauenmark bei Parchim angelegt und nach dem bei seinem Stammorte Dargun liegenden Dorfe Frauenmark bei Gadebusch benannt habe, daß also Frauenmark bei Parchim eine Colonie von Frauenmark bei Gadebusch ist. Und damit mag denn auch wohl der Baustyl der Kirche nach Frauenmark bei Parchim gekommen sein. Die Kirche zu Vietlübbe, die Pfarrkirche für Frauenmark bei Gadebusch, ist ebenfalls ein uralter, in sich abgeschlossener, vollständiger, romanischer Bau von schweren, ernsten Formen. 3 ) Möglich ist es sogar, daß noch der Baumeister der Kirche zu Vietlübbe die Kirche zu Frauenmark gebauet hat. - Zur Zeit der Colonisirung des Landes Parchim mögen sich dort mehrere Geschlechter aus dem Lande Gadebusch unter dem jungen Fürsten Pribislav angesiedelt haben. So legte der Bischof Brunward von Schwerin am 3. Nov. 1235 zu dem Kloster Rühn die Zehnten von zehn Hufen in Holzendorf, die sein Blutsverwandter Thetlev von Gadebusch von ihm zu Lehn gehabt hatte, und die Zehnten von elf Hufen und den dritten


1) Vgl. das Zehntenregister des Bisthums Ratzeburg, von Arndt, S. 19.
2) Von den in dieser Stelle nur mit Vornamen genannten Besitzern sind: Gottfried und Johann v. Bülow, Thetlev v. Gadebusch.
3) Vgl. Jahresbericht IV, S. 82 flgd.
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Theil der Zehnten von dem Acker des Holzes, welches noch ausgerodet werden sollte, zu Grantzin. 1 ) Wir werden dem Kloster Rühn weiterhin in diesen Gegenden wieder begegnen.

Der Sohn des Ritters Hermann v. Dargun war der Ritter Lazarus v. Dargun, welcher allein in der Urkunde vom 21. Sept. 1312, und zwar als gestorben, aufgeführt wird.

Von diesem fielen die Güter an die Landesherren zurück, weil das Geschlecht der v. Dargun ausgestorben war.

Weiter ist von dem Geschlechte von Dargun nicht die Rede. In dem rostocker Landfrieden vom 13. Junii 1283 2 ) scheint unter den Vasallen des Landes Rostock noch ein Ritter Marquard v. Dargun vorzukommen. Die Lesarten sind in ältern Zeiten verschieden, nach dem Abdrucke im Urkundenbuche der Stadt Lübeck ist aber nach einer gleichzeitigen Ausfertigung "Marquardus de Dragun" zu lesen; früher las man wohl Draguer u. s. w. Es ist also möglich, daß dieser Marquard v. Dargun noch zu diesem Geschlechte gehört habe.

Es ist also die

Reihenfolge der Riter von Dargun:

Stammbaum

Wann das Geschlecht der Ritter v. Dargun ausgestorben sei, ist freilich für die Kirche zu Frauenmark sehr wichtig, aber nicht zu bestimmen. Der Fürst Günther von Werle sagt zwar, daß nach dem Tode des Ritters Lazarus v. Dargun dessen Lehn an ihn zurückgefallen sei; es ist aber hieraus nicht zu erklären, ob dieser Heimfall unmittelbar an den Fürsten Günther, oder durch die Hände verschiedener Fürsten geschehen sei. Das Land Parchim ging nämlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch eine ziemlich große Reihe verschiedener Fürsten, und seit dem J. 1264 ist von den Rittern v. Dargun in den Urkunden der Kirche zu Frauenmark nicht die Rede.


1) Vgl. Jahrbücher XI, S. 235 und 48.
2) Vgl. Sartorius und Lappenberg Gesch. der deutschen Hanse, II, S. 127; Lisch Maltzan. Urk. I, S. 74 und Gesch. des Geschlechts Hahn; Urkunde-Buch der Stadt Lübeck I, S. 408.
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Da der Ritter Hermann v. Dargun die Kirche gebauet und bewidmet hatte, so ist auch anzunehmen, daß er Patron derselben war; seit dem J. 1264 erscheinen aber andere Gewalten als Patrone der Kirche.

Späterhin war das Gut Frauenmark im Besitze der jetzt ausgestorbenen adeligen Familie v. Schönberg, welche ohne Zweifel von dem dicht bei Frauenmark belegenen Gute Schönberg den Namen führte und aus Friesland stammen soll, daher sie auch als Friesen=Schönberge bezeichnet wurden. 1 )

Wie dunkel nun auch alles sein mag, so scheint man doch annehmen zu können, daß der Ritter Hermann v. Dargun schon im Anfange des 13. Jahrhunderts lebte, einer der frühesten Colonisten im Lande Parchim war und die Kirche zu Frauenmark im Anfange des 13. Jahrhunderts bauete.

Genug, der Ritter Hermann von Dargun bauete nicht allein die Kirche zu Frauenmark, sondern bewidmete auch die Pfarre mit den herkömmlichen vier Hufen, welche auf dem Felde von Frauenmark lagen; der Pfarrer hatte an altem Bewidmungsgute, von welchem ihm freilich schon im 15. Jahrhundert nicht die Hälfte gehalten ward: vier Hufen auf dem Felde von Frauenmark, ein Morgen Ackers, der "gute Morgen" genannt, vier Wurten und mehrere Hopfendämme. Alles dies, hatte nach den Aufzeichnungen im Meßbuche der Kirche, 2 ) "Herr Hermann von Dargun, Ritter und Fundator der Kirche zu Frauenmark, dem Kirchherrn für ewige Zeiten gegeben".

Die ferneren Schicksale der Kirche und Pfarre Frauenmark sind nicht weniger merkwürdig als die ihrer Stiftung.

Die Pfarre Frauenmark, welche sich bis nicht weit von Crivitz erstreckt, gehörte noch zum Lande Parchim. Zuerst stand also die Pfarre unter dem Fürsten Pribislav I. von Parchim=Richenberg. Nachdem dieser in dem Kampfe mit dem Bischofe von Schwerin 3 ) im J. 1256 seine Regierung hatte niederlegen müssen, ward sein Land von den den Frieden vermittelnden Fürsten regiert. Im J. 1261 nahmen diese von dem Lande, das sie theilten, Besitz und die Herrschaft Parchim fiel dabei an den Grafen Gunzelin III. von Schwerin.


1) Vgl. Jahrbücher XI, S. 201.
2) Vgl. Urkunde Nr. 8.
3) In Beziehung auf alle diese politischen Vorgänge beziehe ich mich auf die ausführliche Darstellung von Beyer: Urkundliche Geschichte des Fürsten Pribislav I, in Jahrb. XI, S. 69 flgd.
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Bald darauf schenkte der Graf Gunzelin III. von Schwerin das Patronat der Kirche zu Frauenmark und der dazu gehörenden Kapelle zu Severin dem Kloster Rühn, welches in jener Gegend schon Besitzungen hatte. Die gräfliche Urkunde über diese Schenkung fehlt, da sie nach einer Erneuerung derselben vom 1. Mai 1295 im J. 1292 im Kloster Rühn verbrannt ist (vgl. unten 290). Die Schenkung ist jedoch nicht allein durch diese landesherrliche Erneuerungsurkunde, sondern auch durch bischöfliche Bestätigungsurkunden gesichert. Aber auch das Jahr der Bestätigung ist nicht völlig sicher. Wahrscheinlich war es jedoch im J. 1264, daß der Bischof Hermann von Schwerin dem Kloster Rühn das Patronat der Kirche zu Frauenmark und der Kapelle zu Severin bestätigte, welches der Graf Gunzelin von Schwerin dem Kloster geschenkt 1 ) hatte. Von dieser Urkunde, deren Existenz bisher gar nicht bekannt gewesen ist, habe ich im Mai 1859 im Geheimen Archive zu Kopenhagen eine beglaubigte Abschrift entdeckt, welche jedoch irgendwo einen Fehler haben muß. Der Name des Bischofs ist nicht ganz ausgeschrieben, sondern nur mit dem großen Anfangsbuchstaben h'.  bezeichnet; dieser kann nur den Bischof Hermann (1262 † 1292) bedeuten. Das Datum lautet aber M° CC° LXI° V° idus Februarii, d. i. 1261, Febr. 9. Im J. 1261 lebte aber noch der Bischof Rudolph, welcher erst am 19. Dec. 1262 starb. Es wird daher wohl der Name des Bischofs richtig, aber das Datum falsch aufgefaßt und statt

M° CC° LXI° V° idus Februarii (1261, Febr. 9)

vielmehr

M° CC° LX° IV° id. Februarii (1264, Febr. 13)

zu lesen oder vielmehr abzutheilen sein, da der Abschreiber wahrscheinlich die Jahreszahl falsch aufgefaßt und den Tag unrichtig ausgeführt hat. Diese bischöfliche Bestätigungsurkunde wird also sicher im J. 1264 gegeben sein.

Diese Annahme wird durch mehrere andere Gründe bestärkt. Am 23. Oct. 1264 gab der Bischof Hermann dem Kloster Rühn auch die Macht, die Kirche zu Frauenmark, deren Patronat der Graf Gunzelin dem Kloster gegeben hatte, durch einen Vikar verwalten zu lassen. 2 ) Es ist sehr wahrscheinlich, daß die ganze Ordnung dieses Patronats in einem und dem=


1) Vgl. Urkunde Nr. I.
2) Vgl. Urkunde Nr. 2, nach den Urkundenverzeichnissen des Klosters Rühn im Archive zu Schwerin. Diese Urkunde fehlt ganz, und habe ich im Archive zu Kopenhagen weder das Original, noch eine Abschrift davon entdecken können.
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selben Jahre 1264 aufgerichtet worden sei. Auch ist es gar nicht wahrscheinlich, daß die Ordnung noch beim Leben des Bischofs Rudolph, welcher zu dem Lande Parchim, in welchem Frauenmark lag, in einem feindseligen Verhältnisse stand, sollte gemacht sein, und daß der Graf Gunzelin schon im Anfange des J. 1261 das Patronat sollte verschenkt haben, als er wahrscheinlich noch gar nicht im Besitze der Regierung dieses Landestheils war. Vielmehr ist wahrscheinlich, daß solche Schenkungen erst einige Jahre nach der Ordnung der neuen Regierung gemacht wurden und diese, nach den urkundlichen Andeutungen, im J. 1264 geschahen.

Die Grafen von Schwerin behielten jedoch diesen Landestheil nicht lange, sondern verkauften ihn im J. 1265 an die Herzoge von Sachsen=Lauenburg. Unter ihrer Regierung ward im J. 1268 ein Streit des Klosters Rühn wegen der Grenzen von Granzin geschlichtet. 1 )

Endlich ward das Land Parchim im J. 1272 an die Fürsten von Werle verkauft. 2 ) Unter dieser Regierung verkaufte das Kloster Rühn im J. 1277 seine Besitzung von 12 Hufen in Granzin, welche das Kloster schon seit 1235 gehabt hatte (vgl. oben S. 286) zu Lehn. 3 )

Von jetzt an blieb das Land Parchim bei seinen durch die Erbfolge geordneten Herren von Werle.

Das Kloster Rühn hatte am 29. Mai 1292 das Unglück, daß es von Mordbrennern in der Nacht angezündet ward 4 ) und ganz abbrannte: 5 )

"1292 By dersulven tyd des dunredaghes to pinxsten in der nacht ward vorbrand dat closter to Rune van mortbernern, darvan de iuncvrowen quemen in groten schaden."

In diesem Brande verbrannte mit andern Urkunden auch die Urkunde über die Verleihung des Patronats von Frauenmark. Daher erneuerte am 1. Mai 1295 der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Rühn die durch den Brand ver=


1) Vgl. Urkunde Nr. 3.
2) Vgl. Beyer a. a. O. S. 77-78.
3) Vgl. Urkunde Nr. 4.
4) Vgl. Detmar's Lubische Chronik, herausgegeben von Grautoff, I, S. 167.
5) Wenn die Kirche auch vom Feuer ergriffen gewesen zu sein scheint, so hat sie doch dadurch nicht gelitten, da noch das erste Kirchengebäude im Uebergangsstyle aus der Zeit der Stiftung des Kloster fest und unversehrt steht.
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nichtete Urkunde 1 ) und befestigte demselben das Patronat über die Kirchen zu Frauenmark und Severin. 2 )

Im J. 1312 vollendete der Fürst Günther von Werle, welcher Domherr zu Güstrow, Camin und Magdeburg war, aber an den Regierungshandlungen seines Bruders Nicolaus zuweilen Theil nahm, die Bewidmung der Kirche und Pfarre zu Frauenmark. Damals war Johann Datenburg, 3 ) des Fürsten Günther "Beichtvater und Lehrer", Pfarrer zu Frauenmark. Aus Dankbarkeit und Liebe zu demselben schenkte 4 ) der Fürst Günther von Werle am 21. Sept. 1312 der Kirche zu Frauenmark eine freie Hufe, genannt die Schafhufe oder der Apfelhof, auf dem Felde von Frauenmark, welche nach dem Tode des Ritters Lazarus v. Dargun an den Fürsten heimgefallen war, zum Besten des Kapellans oder Küsters und zu Wachs für die Kirche, ferner der Pfarre den dritten Baum zu Bauholz für die Kirche und Pfarre und freie Mast für die Pfarre und Küsterei im Holze zu Frauenmark, ferner der Pfarre einen freien Hof zu Frauenmark, welcher im Besitze des Ritters Hermann v. Dargun, "des ersten Fundators der Kirche zu Frauenmark, und seines Sohnes Lazarus" gewesen und nach deren Tode an das Fürstenhaus heimgefallen war, ferner der Pfarre das freie Heuerland zu Domsühl und freie Weide auf den Feldern von Severin und Frauenmark, endlich der Pfarre den Roggenzehnten aus dem Dorfe Severin, wofür der Pfarrer alle Sonntage in der Kapelle zu Severin predigen und taufen sollte. Für alle diese Gaben sollte der Pfarrer zu Frauenmark alle Woche eine Seelenmesse für die verstorbener Fürsten von Werle halten. Die Schenkung des "dritten Baumes" und der Mast war auch 1411 in den Meßbuche 5 ) der Kirche mit andern Schenkungen und Rechten der Pfarre aufgezeichnet.


1) Vgl. Urkunde Nr. 5. Diese Urkunde fand ich im Mai 1859 im Geheimen Archive zu Kopenhagen im Original und in beglaubigter Abschrift. Unter den im dreißigjährigen Kriege aus Meklenburg nach Dänemark gebrachten Urkunden befinden sich namentlich mehrere Urkunden der Kirche zu Frauenmark. Die Urkunden dieser Kirche haben also von früh her ein ungewöhnliches Schicksal gehabt.
2) Die jetzt noch stehende Kirche in Severin ist ein kleines, schlechtes, sehr baufälliges Gebäude und stammt in ihrer jetzigen Gestalt aus dem 15. Jahrhundert. Im J. 1312 wird sie eine "Kapelle" genannt.
3) Möglich ist es, daß der Schreiber der Urkundenabschrift falsch gelesen hat und daß Datenberg oder Dotenberg zu lesen ist, so daß Johann Datenberg dem norddeutschen adeligen Geschlechte von Dotenberg angehörte.
4) Vgl. Urkunde Nr. 6.
5) Vgl. Urkunde Nr. 8.
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Im J. 1397 mischte sich der Papst Bonifacius IX. unmittelbar in die Besetzung der Pfarre zu Frauenmark, indem er den Vikar Hermann Köppen zu Lüchow, nachmaligen Bischof von Schwerin, welcher zwar vom Kloster Rühn vocirt und vom Bischofe Rudolf bestätigt, aber aus gewissen Ursachen noch nicht zum Besitze der Pfarre gekommen war, durch eine eigene Bulle durch Commissarien in den Besitz der Pfarre zu setzen befahl (vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 709 und Urkunde aus dem kopenhagener Archive).

Am 15. Junii 1404 verkaufte Jacob v. Schönberg auf Frauenmark der Pfarre daselbst die Dornhorst unter dem Holze zu Frauenmark und bewirkte es, daß die Landesherren dieser Horst das Asylrecht zulegten, wie der Kirchhof und die Pfarre dasselbe hatten, 1 )

Wegen des "Mastgoldes" stach der alte Gerke v. Schönberg, der Gutsherr, im J. 1442 den Pfarrer Peter Viti todt. 2 )

Der letzte katholische Pfarrer zu Frauenmark war wohl Matthäus Blomenberg, welcher im J. 1529 Capellan im Kloster Rühn war, am 26. März 1537 zur Pfarre Frauenmark präsentirt ward 3 ) und noch im J. 1542 ,"Capellan zu Rühn" genannt wird.



1) Vgl. Urkunde Nr. 7.
2) Vgl. Urkunde Nr. 9.
3) Vgl. Urkunde Nr. 10.
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Urkunden

der

Kirche zu Frauenmark.


Nr. 1.

Der Bischof Hermann von Schwerin bestätigt dem Kloster Rühn das Patronat der Kirche zu Frauenmark und der Kapelle zu Severin, welches dem Kloster von dem Grafen Gunzelin von Schwerin geschenkt ist.

D. d. Bützow. (1264. Febr. 13.)


H'. dei gracia Zwerinensis episcopus omnibus in perpetuum. Gum vir nobilis dominus Guncelinus comes Zwerinensis pio ductus zelo pro remedio anime sue et uxoris sue et progenitorum suorum, de consensu filiorum et heredum suorum, preposito, priorisse et conuentui sanctimonialium in Rune ins patronatus ecclesie in Vrouwenmarke et capelle in Ceberin donauerit perpetuo possidendum, prout in litteris predicti nobilis fide perspeximus oculata, nos, quia dicta donacio voluntate nostra et consensu facta est, ratam ipsam et gratam habentes eamque presentibus confirmantes, predictam ecclesiam et capellam presato con-

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uentui donamus cum omni vtilitate et fructu, mansis et decimis, villis etiam ad eas pertinentibus, in vtilitatem suam perpetuo conuertendam, archidiacono loci institutionem, visitationem, correctionem debitam nobis et successoribus nostris in eisdem ecclcsiis cathedraticum et alia inra episcopalia resernantes. In cuius rei testimonium presentes litteras sigilli nostri munimine roboramus. Testes huius rei sunt: Hermannus de Blucchere senior, Fredericns Hasenkop, Hermannus Bruszehauer, Henricus Grube iunior, Henricus de Insula, Henricus de Stralendorp, Hermannus de Blucchere iunior, Achylles, Johannes Man. Datum Butzowe, anno domini 1264 , id(us?) Februari(i?).

Auschultata et collationata est presens copia per me Johannem Dalhwsen, clericum Hauelbergensis diocesis, publicum imperiali auctoritate notarium, et concordat cum suo vero originali de verbo ad verbum, quod attestor hac manu propria.

Nach einer beglaubigten Abschrift aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im königl. dänischen Geheimen Archive zu Kopenhagen. Da der Bischof Hermann von Schwerin erst im Anfange des Jahres 1263 zur Regierung kam, inem sein Vorgänger Bischof Rudolph am 19. Decemher 1262 starb, so ist im Datum ohne Zweifel für die Jahreszahl M° CC° LX° IV° (1264, nicht 1261) zusammenzuziehen und statt V° idus Februarii ohne Zweifel nur: "id(ibus) Febr." (13. Februar) zu lesen.


Nr. 2.

D. d. Bützow. 1264. Octbr. 23.


Hermannus, Bischof zu Zwerin, gibt dem Probste zu Rune machtt, dass er die kirche zu Vrowenmarcke im lande Parchem, deren Jus Patronatus Guncelinus Graue zu Zwerin dem Kloster Rune

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gegeben, durch einen ewigen Vicarium muge verwalten lassen. Datum Butzow, 1264, 10. kal. Nouembris.

Ist gesund an pergamen vnd Sigil.
Noch 1 briff desselben inhaltss vnd eiusdem dati.
Dass Sigill hiran ist zerbrochen.

Aus "des Closlers Rune Brieffe vnd Sigel Extract vnd Registratur, Anno 1603." Die Urkunde fehlt.


Nr. 3.

D. d. Parchim. 1268. Jan. 23.

Johannes vnd Albertus, Hertzogen zu Sachsen, Engern vnd Westpfalen, verordnen, welcher gestalt die irrung zwischen h. Hinrichen, Probsten zu Rune, vnd Jordan von Lanken, wegen der scheide zwischen dem Dorffe Grantzin vnd dem dorffe Stralendorffe vnd Lanken, durch die darin benante Personen sollen vffgehoben werden. Datum Parchem, anno Domini 1268, in die Timothei, X. kal. Februarij.

Aus "des Closters Rune Brieffe vnd Sigel Extract vnd Registratur, Anno 1603." Die Urkunde fehlt. Der Tag Timothei ward gewöhnlich am 24., seltner am 22. Jan. gefeiert.


Nr. 4.

D. d. 1277. Febr. 24.

Hinricus, Probst, vnd Heylewig, Priorin vndl gantz Conuent zu Rune verkauffen mit Consens dess Bischoffs zu Zweri n zwolff hufen zu Grantzin mit aller nutzung vnd fruchtt vnd gerichte an 24 ssl. vnd darunter Herdero von Domelow vor 312 Mk., welche hufen sie Ihne zu lehne eingethan, dass er vnd seine erben dieselben nicht verkauffen sollen, sie haben sie dan dem

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Closter vorerst angebotten. Datum 1277, in die sancti Matthiae Apostoli.

Dieser Brieff ist sehr vermulschet vnd locherig.

Aus "des Closters Rune Brieffe vnd Sigel Extract vnd Registratur, Anno 1603". Die Urkunde fehlt.


Nr. 5.

Der Fürst Nicolaus von Werle bestätigt dem Kloster Rühn das Patronat der Kirchen zu Frauenmark und Severin, nachdem in dem Brande des Klosters mehrere Privilegien desselben verloren gegangen sind.

D. d. Plau. 1295. Mai 1.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Nycolaus dei gracia dominus de Werle omnibus Christi fidelibus hanc [l]itteram [visuris] vel audituris salutem in domino sempiternam. Cum venerabiles domine sanctimoniales in Rune, edific[iis] [clau]st[rali]bus p[er incendium destructis, necnon ornamentis ecclesiasticis et quibusdam priuilegiis, a[d v]sum testimonii super quodem iure patronatus ipsis perpetue collato necessariis, igne consumptis, graue dampnum pertulerint et iacturam, nos igitur huiusmodi earum importuno euentui affectu compassionis quam intimo condole[nte]s, ne gracia a predecessoribus nostris ipsis fauore pietatis concessa casualiter euanescat, quam eorum paternitas benigno donationis ac defensionis auxilio assueuerat confouere, ius [patro-] natus super ecclesiis [in u]illis Vrowenmarke et Ceberyn eisdem dominabus diuini amoris intuitu liberaliter ad fruicionem perpetuam duximus conferend[u]m, vt huius collationis et exhortationis instinctu diligenter ammonite memoriam nostram ac parentum nostrorum,

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cum tempus oportunum advenerit, pie deuocionis ac recordationis affectu p[era]gant reuerenter. Vt autem hec donatio a successoribus nostris rata et incommutabilis habeatur, presens scriptum sigilli [nostri muni]mine duximus roborandum. Testes huius rei, qui huic donationi presentes affuerunt, sunt hii: dominus abbas de Nouo Campo, dominus [T]hydericus plebanus de Plawe, item milites: dominus Hynricus de Osthen, dominus Bernardus de Belyn, dominus Nycolaus de Bruseuiz, dominus Nycolaus de Malyn, dominus Hermannus de Clenow, item burgenses de Plawe: Hynricus Niger Clericus, Johannes Marlow et quam plures alii fide digni. Datum Plawe, anno domini M °. CC°. nonagesimo quinto, in die apostolorum Phylippi et Jacobi.

Nach dem Originale, auf einem dünnen und an einigen Stellen zerfressenen Pergament, in einer schönen, festen Minuskel, im königl. dänischen Geheimen Archive zu Kopenhagen; Siegel und Siegelband fehlen. Ich fand im Mai 1859 im Archive zu Kopenhagen diese Urkunde und ausserdem eine in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. von dem Notar Johann Dalhusen angefertigte beglaubigte Abschrift, nach welcher die Lücken des Originals in [ ] ergänzt werden konnten. Diese Urkunde ist auch schon in Schröder's Pap. Meckl. II, p. 2984 gut und ziemlich correct gedruckt; Schröder hatte die Abschrift ohne Zweifel durch den Landrath v. Negendanck auf Zierow erhalten, welcher aber sicher nur eine Abschrift von der beglaubigten Abschrift erhielt. Unter den Namen der Zeugen steht im Originale: ".hydericus plebanus de Plawe", wofür sicher: [T]hydericus, zu lesen ist, wie auch die beglaubigte Abschrift: "Thidericus" hat; zu jener Zeit war auch wirklich Thiderich Pfarrer zu Plau (vgl. Jahrb. XVII, S. 154, 276 und 281). Die Lesart "Hinricus" bei Schröder ist also falsch.


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Nr. 6.

Der Fürst Günther von Werle schenkt der Kirche zu Frauenmark eine freie Hufe zu Frauenmark zum Besten der Capellanei oder Küsterei, der Kirche und Pfarre ein Dritttheil des Holzes zu Frauenmark zum Bauen und der Pfarre und Küsterei freie Mast im Holze zu Frauenmark, der Pfarre einen freien Hof zu Frauenmark, das freie Heuerland bei Domsühl, freie Weide zu Severin und Frauenmark und den Roggenzehnten aus Severin.

D. d. Parchim. 1312. Sept. 21.


Wy Guntherus, von gotts genâden herre von Warle vnde ridder, bekennen mit diesem vnsem breiue vࡠr vnsz vnd allen vnsen nakômmen vnd sonst vôr iêdermenniglichen, dat wi mit rîpem râde vnd gûden willen vnses geschlechtesz vnd freuntschop, tho ehren vnd lâue des allmechtigen gades vnd seiner lieuen môder Marien vnd des hilligen apostels sanct Joannis, vnsers hôuetthern, vnser kerspelkirchen tho Frouwenmarckt tho hulpe geuen tho êwiger gedechtenisse eine quîte frîgen hûffen vp vnsem velde tho Frouwenmarckt, welche vnsz angefallen ist von dem êrnduchtigen ridder her Latzarus de Dargun, dem gott gnedig sey; disse hôue landes hett die schâephûffen vnd licht bey des kerckhern vier hûffen in allen enden. Disse hûffen schal der caplân edder custer gebrauchen vnd bûuen vnd alle iâr einen gûden gulden dâruôr der kercke tho Frouwenmarckt tho wasse tho hulpe geuen, vnd nêmant schal disse hûffen gebrauchen edder bûuen, âne alleine der capelân edder custer scholen sie quîdt vnd frîg ahne tinse edder hulpe-

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gelt vnses ia aller vnsern nakâmen quîdt vnd frîg tho êwigen tîden beholden vnd brauchen. Ock geuen wy vôrgenômede Gunterus, von gotts gnâde herre von Warle vnd ridder, êrn Joanni Daddenborgk, kerckhern tho Frouwenmarckt, also vnsem lieuen bichtuâder vnd lêrer, und alle seynen nakâmelingen tho êwigen tîden in vnsem holte Frouwenmarckt den drudden bohm, weck vnd hart, klein vnd grôt, busch vnd strûck, mit allen fruchten vnd nutticheyden, tho tûnen vnd behôbe seines hûses, vnd alle seine schweine quîdt vnd frîg in die mast, vnd dem cappellâne edder custodi achte schweine frîgk, vnd alle holt thôr kercken vnde wêdemen gebûethe quîdt vnd frîgk darûth tho hôuende, ahne iênnige bekummeringe vnses edder alle vnser nakâmenden, vnd alle nutticheit, die vth dem holte Frouwenmarckede valt edder kumpt, schal die kerckher vnd alle nakâmende kerckhern stedes den drudden dêll hebben vnd beholden êwigk. Dârumme so geue wy Guntherus, von gotts gnâden herre von Warle vnd ridder, noch wîder dem kerckhern tho Frouuenmarckt vnd alle seinen nakâmen tho êwigem dechtenisse mit wêten vnd willen vnses geschlechtes vnd freundtschop, einen quîten frîgen hoff in vnserm dorpe Frouuenmarckt, dâr nu vp wähnet Arent Wigert mit alle seinen rechticheiden, also die hoff licht in alle seinen enden vnd scheiden, mit acker, mit holte, mit grâse, mit halsz, mit handt, mit dem hôgesten vnd sîdesten, mit brôecke, mit deinst, mit pacht, mit tegelam, mit rôckhôn, mit alle seiner herlichkeit, also vnse lêue vnderdân her Hermen die Dargun, die erste fundator der kercken tho Frouuenmarckt vnd sein sohne Latzarus die Dargun, den gott gnedich sey, den hoff vnd man aller frîgest gehatt hebben vnd von ehm an vnsz gefallen, so quîdt vnd frîg geue wy suluigen vôr vns vnd alle vnsen nakâmen dem kerckhern tho Frouuenmarckt vnd alle seinen nakâmen. Bidden wy vmme Jhesus nhâmen vnd sâlicheit vnser sêlen alle vnse nakâmenn, dit vôr vnd nhâ schreuen also bey der kercken

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tho Frouuenmarckt êwigk môgen blîuen lâten vnd helpen wâren vnd beschermen, dat dit lôffliche gadeszhûsz so mag bei den seinen blynen, dat wert god einem iêdern tho seiner tîdt vnbelôonet nicht lâten. So geue wy Guntherus, von gotts genâden herre tho Warle vnd ridder, âuermâlsz dem kerckhern tho Frouuenmarckt vnd alle seinen nakâmen tho êwigen tîden quîdt vnd frîgk dat frîgke hûrlandt hinder vnsem dorpe Domptzul mit alle seiner herlicheit, so dat licht in alle seinen enden vnd scheiden, nêmandt daran etwes tho hebben, also die kerckherre tho Frouuenmargkt vnd seine nakâmen, wille de de tinse dârnôr nemen, dat schal bi ehm blîuen, ôck den appelhoff edder schâephôfen vp vnsem velde tho Frouuenmarckede mit alle seiner herlichkeit, alse he gelegen hefft, den schal die kerckhere brauchen vnd bûen mit alle seinen nakâmelingen tho êwigen tîden, vnd alle sîn quick quîdt vnd frîg ahne vorhinderinge vff vnsem velde Sebbrin vnd Frouuenmarckt hôeden lâthen; so ôck die kerckher einen eigen herden by seinem quecke effte vhê holden will, schal ehm vnd alle seinen nakâmen dat tlio êwigen tîden vorgondt blîuen vnd nicht gewêret werden. Den furder geuen wy bâuennhômede Gunterus, von gotts gnaden herre tho Warle vnd ridder, tho lâue vnd ehren der hilligen drêfaldicheit vnd sanct Joannis des hilligen dôpers, vnses lêuen hern, ern Joanni Dattenborgh, vnsem lêuen bichtuâder vnd lerer, vnd alle seinen nakâmen tho êwigen tîden quîdt vnd frîgk mit vnseni wêten vnd willen vnses geschlechtes vnd freundtschop vnsen rogenteget, so wy hebben in vnsem dorpe Sebbrin von allen inwânern tho Sebbrin vff dem felde Sebbrin stedes datt teinde stîge roggen; hîruôr schal ern Johan Dattenborch vnd alle seine nakômelinge tho êwigen tîden alle sondâge in der capeln tho Sebbrin predigen vôr alle krancke lûde, die nicht konnen tho der kerspelkirchen tho Frouuenmarckede kâmen vnd ock tho Sebbrin dôpen alleine des winters allein vmme der kulde willen vnd

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gades weders, dat vordan kein grôter schâde mêr geschûth, dat godt behôde. Vnd ôck schal ern Johan Dat tenberch vnd alle seinen nakâmen tho êwigen tîden alle weken eine commendatio holden vndt godt bidden vôr alle dieiênnigen, die vth vnsem stammen vnd geschlechte in dem heren vorstoruen seindt vnd noch steruen môten, dat ehnn godt will gnedigk vnd barmhertigk sein. Hîrumme bidde wy Gunterus, von gotts gnaden herre tho Warle vnd ridder, also ein arme, elende creatur des hern, efft dat so quême, dat deme kerckhern tho Frouuenmarckede vnd der kercken dârsniuest vnfal edder afftogk in dissem vnsem allmissen geschenke schêge, dat diesuluigen vnsen nakâmenden mit allem flîte vnd treuuen, so ehm von dem kerckhern clâget wert, willen helpen, schutten vnd beschermen ; edder eine disse vnse âpene breiff durch vhr, durch wâter edder durch iênnigen andern vnfal edder vorredereye vmme quême vnde desses vnses [breiffes] vnd desziênnigen vortekenisse in korten edder langen iâren wedder funden, bidden wi alle vnse nakâmen bâuenschreuen, diesuluigen willen einem kerckhern tho der tîdt vnd allen nakômelingen sodânen breiff weddergeuen vnd vorsigeln vnd ehm in sodân vnse allmissen quîdt vnd frîgk wedder insetten vnd sie also âne afslog quîdt vnd frîgk tho êwigen tîden rôwsâmlichen willen helpen beschütten vnd beschermen vnd sitten lâten, dat ohne godt belônen wert vmb seines nâmens willen. Hîran vnd âuer thôr tûchnisse hebbe wy genômede von gotts gnâden herre tho Warle vnd ridder gehatt die ehrnduchtigen hern Zacharias de Mallin, hern Eggardus de Bulow, hern Nicolaus de Redickstorp, her Hermannus de Kopelow, her Olauus de Werden, vnse vnderdânen vnd noch mehr duchtige menner. Vnd des mehr tho grôter vnd vullenkâmener macht vnd tûchenisse hebbe wy vnder an dissem vnsem âpen breiff mit vnser eigen handt vnse furstliche vnd vâderlike ingesegell angehangen vnd gedrucket, welchere gegeuen ist vp vnsem hâue in vnser

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stadt Parchim, nha der gebûrt Christi vnses hern M. CC[C.] XII°, ahm dâge Matthei apostoli.

De copia der fundatien vnd alle rechticheiden der kercken tho Frouuenmarckt vindet men, wo vorhen angetoget; dat Original wert men tho Rhune im closter edder tho Butzow ihm welffte finden.

Nach einer zu dem Visitations-Protocolle vom J. 1593 übergebenen Abschrift im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin. Die in der Abschrift gegebene Jahreszahl MCCXII ist ohne Zweifel falsch und muss MCCCXII gelesen werden.


Nr. 7

Jacob von Schönberg zu Frauenmark verkauft an die Pfarre zu Frauenmark die Dornhorst unter dem Holze zu Frauenmark, welcher Horst die Landesherren das Asylrecht verliehen haben.

D. d. Dobbertin. 1409. Junii 15.


Vôr allen christenlûden, de deszen âpen brêff zên, hôren edder leszen, bekenne ik olde Jacop Schonenberg, wânhafftigen to Vrowenmarkede, bolegen in der vagedîge to Parchim, dat ik vnde myne eruen deme êrwerdigen heren her Brandanus Lydenow, karkheren to Vrowenmarkede, vnde allen zynen nâkâmen to ênem êwigen kôpe vorkoft hebbe de dorne host bolegen vnder deme holte to Vrowenmarkede, van der olden mâle den grauen lanck bonenenst deme olden mâlenkampe âuer den rydeweg na Gametow, van deme wege vp den reten stein vp des karkheren hilgen lande, van deme steine bet vp den Gametowesken karkenweg, den weg vort hentlanges bet vp de bornebeke, an de grôte

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êke vp deszer zyde by Hans Molres crûze vp den stein, van dâr wedder bet vp de olde mâle, desze host myt allem holte, weck vnde hart, myt allen gerechtigheden, heft my de benômde frâme man, êr mâket wart dussze brêff, wol to danke botâlet vp ênem brede, so scal vnde mag de karkhere desze host myt allen zynen nakâmen na zynen wyllen brûken myt mast vnde holtinge, panden laten edder zuluest panden, zo alze ik, myne aruen vnde alle myne nâkâmen dâr nicht an boholden vnde myt wyllen der vorsten dit hosten vorkoft hebbe. Ift ok quême dat ein by dôtslag edder anderen scâden quême vnde vp desze host zekerde, hebben de loffliken vorsten deszes landes vmme myner bede desze host bofredet, dat de zo zeker scal wezen, ist he vp deme karkhâue edder in der wêdeme were. Dusze host wyl ik olde Jacop Schonenberch vnde alle myne nâkâmen deme karkheren vnde alle zynen nâkâmen helpen boscutten vnde vordêgedingen. Hyr âuer to tûgen sint gerôpen: her Melcher Hagenow, prepositus to Dobbertyn, her Clement van Bulow, prepositus to Rune, vnde to grôter wârheit hebhe ik myn zegel vnder ân duszen brêf henget, gescreuen to Dobbertyn, na Christus bort M° CCCCIX, in die Viti.

Nach dem Originale, auf Pergament, im königl. dänischen Geh. Archive zu Kopenhagen. Die Schrift ist zwar noch gross, hat aber einen sehr cursivischen Charakter, so dass sie als um 1509 geschrieben erscheint, wiewohl der Charakter in den Grundzugen älter aussieht. Jedenfalls ist die Handschrift eigenthümlich, und vielleicht von dem Aussteller selbst geschrieben, oder die Ausfertigung ist auch eine jüngere Abschrift. Von einer Geschäftshand des J. 1409 ist die Urkunde nicht geschrieben. Das Pergament ist steif und dunkel und der untere Band ist nicht umgeschlagen. Ein Loch ist unter der Schrift eingeschnitten, es fehlt aber das Siegelband. Die Ausdrücke "host" (statt horst) und "rete" (statt "rechte") sind dieser Urkunde eigenthümlich.


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Nr. 8.

Aufzeichnungen in dem Messbuche der Kirche zu Frauenmark über die Hebungen des Pfarrers,

geschrieben 1411 und 1518.


Den drudden bohm alles holtes ihm holte tho Frouuenmarckt mit allem vnderbusche tho holdinge der thûne vnd erbûuinge der wêdem vnd seine schweine so vele he will in de mast drîuen, hefft her Guntzel, her von Warle, dem kerckhern vnd allen nakâmenden kerckhern tho Frouuenmarckt gegeuen quîdt vnd frîgk, also he dat alderquîtest gehat hefft, tho ewigen tîden dârby tho blînende, vp dat gadesz deinst nicht vorsûmet wert. Hîr scholen die hern disses landes, wen ein kerkher edder die pattôonen âuer wall edder vnrecht klâgen, dat dit stucke gûdes durch walt aller nakâmen tho Frouuenmarckt in korten edder in langen iâren von der wêdemen genâmen worde, trewlichen beistant dôn vp dat hôgeste, den kerckhern dar wedder instituiren vnd den deder vp CC mar. schlaues strâffen. Efft ock die breiff von dem genômeden hern von Werle hîr vp dem iunckfrouwencloster tho Ruhne gegeuen durch list edder andern schâden affhendig worde vnd eine vortekenisse in rullen, in misbôken edder an andern steden gefunden wurde vnd wedder vôr dat licht bracht werde, bidde ich Guntzelinck, dominus de Warle, vhm Jhesu willen von den heren disses landes, dat sie trewlichen thôn ehren vnd tho dem lâue gades vnd seiner leiuen môder vnd des hilligen apostels Johannisz, vnd vmme meines langen trewen deinstes, den ick ihm lange iâr gedân hebbe, disse mîne kleinen gauen willen wedder suluen ahne ansênt edder bede der besitters des dorpes Frouuenmarckt den kerckhernn einen nîgen fasten breiff dârup geuen, so wy armen elenden bedrôueden sunder doch eine stunde nicht eins pastorn entbêren vnd môten dach vnd nacht

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vnse knechte sein vnd mit gades hilligen predigen vnd hilligen sacramenten vns deinen vnd alle den vnsen. Dârumme hebbe ick dit holt dem kerckhern tho Frouuenmarckede gegeuen tho brûckende tho êwigen tiden, dat gades nâme mag gelâuet werden.

Disse vortekenisse von wort tho worden vindet men in dem hôuetoriginalbreiuen tho Ruhne vnd in dem miszbôke tho Frouuenmarckt. Actum anno M. CCCCXI, in die Natiuitatis Mariae.

Joannes Ladewich, notarius et ca-
pellanus in Frouuenmarckt, prote-
stor haec manu mea propria.


Ditt helft der kerckher frîgk, wo hîrna volget, âuerst idt wert ehm die helffte dârvon nicht geholden.

Nômlichen vîer hûeffen vff dem velde tho Frouuenmarckt, in allen schlegen, vîer stucke tho hôpe, von der einen veldtscheide bet tho der andern, nergent bûten, in hôuetstucken, in gar[den], an kâueln, an dwêrlanden vnd an holdtkâueln; so hefft ôck noch eine morgen, die gûden morgen genômet, die schal V 1/2  rôde brêt wesen von der vlôtkûlen an bet an den wech na Grabow; noch hefft hie vîer worde, twê achter der wêdemen, eine bei der kustereien vmme also die muhre lang bet an den wech na Kossebade, von dâr die mohre wedder entlang in dat gantze mohr, ein vff dem hilligen kampe ist tho der kercken belegen X rode breit, dat ander gehôret thôr kercken, disse licht beneuenst dem Schönenbergk; item noch ein holt vnd strûckuelt belegen an der Bornebeken vnder dem holte tho Frouuenmargkt XXX rôde langk, gehôret dem kerckhern tho.; item VIII hoppendemme achter dem Frouuenmarckeder holte, XXX bei dem sôgehâue, twê rîgedemme, VII lange demme.

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Alle disse demme sint tho hôpe in einer reigen vnd hôren tho des kerckhern vîer hûeffen. Dit hofft her Herman van Dargun, ridder vnd fundator der kercken tho Frouuenmarckt, dem kerckhern tho Frouuenmargkt geuen tho êwigen tîden. Disse hoppendemme scholen dem kerckhern thôr lehnwâr geuen 1/2  tunnen

Parchiiner bîers vnd 1/2  punt wasses tho leselichten. Die pacht hefft die kerckher suluest tho settende, so also hie man will. Actum post Christum natum M. XVIII°.

Nach den zu dem Visations-Protocolle vom J. 1593 übergebenen Abschriften im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.


Nr. 9

Nachricht über die Kirche und Pfarre zu Frauenmark.

1442. Junii 28.


Anno domini M. CCCCXLII wartt de kercke tho Frouuenmarcket nîe gedecket, vnde den starff de olde Gercke Schonenbergk, welcher ern Peter Viti vhmme dat mastegelt willen dôtt stack, geschehen ihn vigilia Petri et Pauli.

Nach einer Aufzeichnung in dem Messbuche der Kirche zu Frauenmark, zu dem Visitations-Protocolle vom J. 1593 übergehen.


Nr. 10.

Das Kloster Rühn präsentirt den Priester Matthäus Blomenberg zur Pfarre zu Frauenmark.

D. d. Rühn. 1537. März 26.


Venerabili spectabilique viro domino archidiacono Parchimensi vel eius officiali siue locum tenenti nos Hen-


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nyngus Warborch, prouisor, Catherina Driberch, priorissa, totusque conuentus cenobii sanctimonialium in Rhune, Swerinensis diocesis, salutem ac sinceram in domino charitatem. Ad ecclesiam parrochialem ville Frouwenmarcketh, eiusdem Swerinensis diocesis et vestri districtus, per obitum quondam domini Petri Scroders, illius vltimi et immediati rectoris et possessoris vacantem, cuius ius patronatus seu presentandi ad nos nostrosque successores pleno iure spectare dinoscitur et pertinere, prout spectat et pertinet, honorabilem virum dominum Mattheum Blomenberch, presbiterum diocesis Swerinensis antedicte, tanquam habilem et idoneum ad eandem duximus presentandum, prout presentamus eundem dei nomine per presentes, pro et cum eo fauorabiliter petentes, quatenus dictum Malheum Blomenberch ad ecclesiam prefatam instituere et inuestire ac in actualem, corporalem et realem vel quasi possessionem inducere sibique de eadem cum omnibus et singulis iuribus, fructibus, redditibus et emolimentis prouidere ac cetera alia in premissis et circa ea quomodolibet necessaria et oportuna facere et fieri demandare dignemini, premium ab omnium bonorum remuneratore pro hoc recepturi. In cuius fidem et testimonium has presentes litteras nostri conuentus sigillo subappendendo fecimus communiri. Datum in predicto cenobio nostro Rune, anno domini millesimo quingentesimo tricesimo septimo, die vero vicesima sexta mensis Martii.

Nach dem Originale, auf Pergament, im königl. dänischen Geh. Archive zu Kopenhagen.


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Ueber

die Kirche zu Ludorf,

von

G. C. F. Lisch.

Die Kirche zu Ludorf ist in Jahrb. XVI, S. 294 flgd. als ein sehr merkwürdiges und ganz ungewöhnliches Bauwerk beschrieben und zur Untersuchung gezogen; es ist dabei noch in Zweifel gestellt, ob die Kirche alt (etwa vom J. 1220) oder eine jüngere Nachbildung sein könne. Dabei ist von einer im Thurmknopfe gefundenen Weihungsurkunde die Rede, nach welcher die Kirche von einem Bischofe Busso von Havelberg im J. 1326 geweihet sein soll, wie auch die junge Thurmfahne die Jahreszahl 1326 in arabischen Ziffern trägt. Eine Abschrift dieser Urkunde ist jetzt wieder aufgefunden und ich theile dieselbe hier mit. 1 ) Nach dieser Urkunde weihete allerdings der Bischof Burchard von Havelberg, in dessen Diöcese Ludorf noch lag, die Kirche zu Ludorf am Montage (feria secunda) nach Jubilate, also am 8. Mai, des Jahres 1346, und berichtet zugleich, daß die Kirche mit 2 Hufen in Ludorf, mit 3 Hufen in Priborn und mit 2 Mark Hebungen aus Zilow dotirt und der Jungfrau Maria und dem Märtyrer Laurentius geweihet sei. Die Ueberlieferung aus dieser Urkunde, welche freilich nicht ganz richtig gewesen ist, hat also doch einigen Grund gehabt. Das Weihungsjahr trifft mit der Regierungszeit des Bischofs Burchard von Havelberg zusammen: der Bischof Burchard I. von Bardeleben regierte 1342-1348 († 18. Januar). 2 ) Die Urkunde konnte also nicht in das Jahr 1326 fallen, wenn ein Schreibfehler vorhanden sein sollte, da es vor dem J. 1342 keinen Bischof Burchard von Havelberg gab. Auf Burchard I. folgte Burchard II. Graf von Lindow 1348-1370.

Die Kirche stammt in ihrer jetzigen Gestalt also aus dem J. 1346. Ist dies wirklich der Fall, so ist die Kirche eine jüngere Nachahmung eines ältern Baustyls, was allerdings eine große Seltenheit ist. Es wäre freilich möglich, daß das Octogon ohne die Ausbauten als eine alte Taufkapelle schon vor dem J. 1346 gestanden habe und diese im J. 1346 nur erweitert und zur Pfarrkirche erhoben worden sei. Da=


1) Vgl. Urkunden=Anlage.
2) Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, S. 409.
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gegen scheinen aber die Ausdrücke der Urkunde zu sprechen, da der Bischof sagt, daß er die Weihe durch Dedication und Confecration vollzogen habe ("dedicavimus et consecravimus"), indem gewöhnlich unter Dedication die Grundsteinlegung, um den Ausdruck zu gebrauchen, oder die Widmung an gewisse Heiligen und zu bestimmten Zwecken, unter Confecration aber die Einweihung und Eröffnung der ganz vollendeten Kirche verstanden wird. Daher muß man denn wohl annehmen, daß die Kirche als ein Neubau im J. 1346 vollendet worden sei. Und allerdings hat die Kirche kein recht altes Ansehen, wenn auch manche Formen alt sind. Diese Abweichung von dem herrschenden Baustyle ist aber in Meklenburg einzig in ihrer Art und kann noch zu weitern interessanten Vergleichungen führen. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß die Kirche zu Ludorf eine Nachahmung der Kirche des Heiligen Grabes 1 ) sein soll, indem solche Nachahmungen gewöhnlich die achteckige Grundform trugen, welche noch spät, in Doberan 1 ) z. B. noch im J. 1422, angewandt ward. Es geht die Sage, daß ein Ritter v. Morin, der Besitzer des Gutes, zum Heiligen Grabe gezogen sei und nach seiner Rückkehr die Kirche zu Ludorf erbauet habe; daß dies zu Pribislav's Zeiten geschehen sei, kann freilich nicht richtig sein. Es geschah aber nicht selten, daß Pilger zum Heil. Grabe nach ihrer Heimkehr morgenländische Formen nachahmen ließen.



1) Vgl. Jahrb. XIX, S. 367 und 373 flgd.
1) Vgl. Jahrb. XIX, S. 367 und 373 flgd.
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Urkunde


Der Bischof Burchard von Havelberg weihet die Kirche zu Ludorf.

D. d. Ludorf. 1346. Mai 8.

Nach einer Abschrift im Gutsarchive zu Ludorf.


Nos Borchardus dei gracia Hauelbergensis ecclesie episcopus sub anno domini MCCCXLVI, feria secunda post dominicam Jubilate, primo dedicauimus et consecrauimus hanc ecclesiam in Ludorpe cum altare fundatam et dotatam de duobus mansis in uilla Ludorpe cum omni iure et libertate, item de tribus mansis in Priborne cum omni iure et libertate, in Silowe de reditibus duarum marcarum, in honorem gloriose virginis Marie et beati Laurencii martiris, permittente et cooperante nobis spiritu sancto.

Nach einer Abschrift im Gutsarchivc zu Ludorf. Die Urkunde soll vor längerer Zeit in dem Thurmknopfe der Kirche gefunden worden sein. Die zu Ludorf aufbewahrte Abschrift, welche nach den sichtbar ohne Verständniss nachgeschriebenen mittelalterlichen Abbreviaturen gewiss von einem Originale genommen ist, hat sehr viele offenbare Fehler und halbverstandene Abbreviaturen, welche in dem vorstehenden Texte verbessert sind. Die Verbesserung und Auflösung der Abbreviaturen ist ohne Zweifel richtig; ich muss hier jedoch bemerken, dass in der ludorfer Abschrift

"de duobus mansis cum illo Ludorpp"

steht, was gar keinen Sinn giebt, und ich dafür gesetzt habe:

"de duobus mansis in uilla Ludorpe."

G. C. F. Lisch.      


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Grabplatte
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IV. Zur Wappenkunde.


Das Wappen des Geschlechts von Knuth.

Mit einer Lithographie.

Das Wappen der Familie v. Knuth, namentlich die Helmzierde desselben, ist in neuern Zeiten etwas unklar geworden; auch sind die drei Kleeblätter neben dem Kesselhaken im Schilde zuweilen wohl als jüngeres Nebenwerk angesehen, obgleich sie seit dem Ende des 14. Jahrh. in den Wappen nie fehlen. Auf einem knuthschen Siegel vom J. 1353 (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 113 flgd.) sind allerdings die Kleeblätter nicht zu sehen. Dagegen ist im J. 1859 ein schöner Leichenstein vom J. 1370 in der Kirche zu Leizen bei Röbel, dem alten knuthschen Hauptlehn, entdeckt, welcher das knuthsche Wappen in großem Maaßstabe enthält und die Kleeblätter klar ausgeprägt zeigt. Wir haben das Vergnügen, dem Vereine hiebei eine lithographirte Abbildung dieses Leichensteines mittheilen zu können. Der Leichenstein liegt rechts vom Altare der Kirche zu Leizen auf dem Grabe des Knappen Heinrich Knut auf Priborn (vielleicht dem ältesten Lehn der Familie Knut), welcher noch in zwei Urkunden von 1351 und 1366 genannt wird, und seiner Gemahlin Margarethe v. Spiegelberg, aus einem alten adeligen Geschlechte, welche, wie es den Anschein hat, mit ihrem Gemahle an demselben Tage starb. Die Inschrift des Leichensteins lautet:

Inschrift

(= Anno domini M │ CCCLXX, feria II post festum Michaelis (Sept. 30) obiit Hinricus Knut de Pryborn et uxor ejus Margaretha Spegelberges. Orate pro eis.)


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V. Zur Geschlechterkunde


Zur Geschichte der Familie von Koppelow,

von

G. C. F. Lisch.

Die besten Stammbäume der Familie von Koppelow, z. B. die von v. Gamm und v. Oertzen, reichen nur bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts zurück, wenn auch in neuern Zeiten einige ältere Glieder des Geschlechts bis in das 13. Jahrhundert durch ans Licht gebrachte Urkunden bekannt geworden sind. Um so willkommener werden daher Urkunden sein, welche der noch jetzt im Lande blühenden Linie des Geschlechts eine feste Grundlage geben und außerdem einen werthvollen Beitrag zur Landesgeschichte bieten. Der Herr Obristlieutenant a. D. von Koppelow zu Schwerin bewahrt noch mehrere alte Urkunden der Familie und unter diesen auch die ersten Lehnbriefe über Möllenbek, welche derselbe mir zur geschichtlichen Benutzung gütigst vorgelegt hat. Diese Urkunden sind, im Verein mit mehrern Nachrichten des schweriner Archivs, von großem Interesse.

Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts besaß die Familie von Bösel (Bosel oder Bozel), auf Goldbek in der Mark erbgesessen, sehr viele Güter im westlichen Theile des südlichen Meklenburgs, z. B. außer Beckentin, Kolbow, Milow, Herzfeld, Zigendorf, Wulfsahl (Vulveshole, d. i. Wolfshöhle), auch Möllenbeck, Repzin und Menzendorf.

Schon vor dem J. 1442 hatte Joachim Gans, Herr zu Putlitz, die "wüsten Dörfer" Möllenbek, Repzin und Menzendorf von Hans Bösel gekauft, und nach dessen Tode belehnte der Herzog Heinrich von Meklenburg im J. 1442 den Johann Gans, Herrn zu Putlitz, und dessen Brüder mit diesen durch ihren verstorbenen Vater gekauften Gütern, 1 ) Die Gänse von Putlitz waren das ganze Mittelalter hindurch sehr oft, wenn auch nur vorübergehend, so daß sich kein bestimmtes Hauptlehn für sie nachweisen läßt, im Besitze von


1) Vgl. Urkunde Nr. 1.
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Gütern im südlichen Meklenburg. Die Herstammung dieser Brüder Gans läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit nachweisen, da die Stammtafel des Geschlechts noch immer nicht ganz aufgeklärt ist (Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 1, S. 290 flgd.). Aber in der Urkunde vom 6. Jan. 1468 sagt Katharine Frau von Putlitz, daß ihr verstorbener Gemahl Joachim Gans die Güter von Hans Bösel gekauft habe; also waren Johann und dessen Brüder, zu denen der spätere Bischof Wedege von Havelberg gehörte, Söhne des Joachim Gans, welche im J. 1442 noch jung sein mochten und durch den ältesten repräsentirt wurden. Diese Belehnung gönnt aber einen kleinen Blick in die gewaltthätigen Zustände jener Zeit, indem damals drei neben einander liegende Dörfer verwüstet waren und wenigstens noch ein Vierteljahrhundert hindurch wüst lagen. Ohne Zweifel waren dies die Folgen der aus der Mark Brandenburg im 15. Jahrhundert hereinstürmenden Fehden, 1 )

Diese zerrütteten Verhältnisse, in denen an eine ruhige und verständige Bewirthschaftung nicht zu denken war, waren denn auch wohl die Veranlassung, daß der Herzog von Meklenburg am 17. Jan. 1446 den Herren von Putlitz die Erlaubniß gab, die Güter an Claus Knak zu verpfänden 2 ) oder, wie wir sagen würden, auf eine bestimmte Zeit zu verpachten, so daß die Gänse wohl nie auf den Gütern gewohnt haben.

Aber die Gänse blieben nicht sehr lange im Besitze dieser Güter, welche noch nach einem Vierteljahrhundert wüst lagen. Am 6. Jan. 1468 verkaufte 3 ) Katharine, Frau zu Putlitz, des wailand Joachim Gans nachgelassene Wittwe, mit Bewilligung ihres Sohnes, des berühmten Bischofs Wedege Gans, Bischofs von Havelberg, die "im Lande Neustadt belegenen drei Wüsten Feldmarken Möllenbek, Repzin und Menzendorf, wie sie ihr verstorbener Gemahl einst von Hans Bösel gekauft hattet an Vicke von Koppelow, welcher damals auf Siggelkow, einem ältern Lehn der Familie von Koppelow, wohnte.

Aus dieser Urkunde scheint hervorzugehen, daß Joachim Gans, der schon im J. 1442 gestorben war, mehrere Söhne hinterlassen hatte, von denen 1442 Johann und 1468 der Bischof Wedege genannt werden, daß aber die Söhne, mit Ausnahme des Bischofs, vor dem J. 1468 ohne männliche


1) Vgl. Jahrb. XVII, S. 10 flgd.
2) Vgl. Urkunde Nr. 2.
3) Vgl. Urkunde Nr. 4.
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Erben gestorben waren und daher die noch lebende Mutter mit Zustimmung ihres geistlichen Sohnes die Güter verkaufte. Der Bischof Wedege Gans starb am 23. Jan. 1487. 1 )

Am 3. März 1468 belehnte der Herzog Heinrich von Meklenburg den Vicke von Koppelow zu Siggelkow mit den "in der Vogtei Marnitz belegenen Dorfstätten und Feldmarken Möllenbek, Repzin und Menzendorf" 2 ). - Vicke v. Koppelow war sicher 1458-1468 und wohl noch später herzoglicher Vogt zu Marnitz und Neustadt 3 ) und gewiß ein wichtiger Mann, da er in jener unruhigen Zeit zwei bedeutende Burgen gegen die Märker zu bewachen hatte.

Von dieser Belehnung bis in das gegenwärtige Jahrhundert, ungefähr bis zum Jahre 1822, ist die Familie von Koppelow im Besitze des Gutes Möllenbek mit Repzin gewesen. Die Linie Möllenbek ging aber nach der Urkunde vom 3. März 1468 aus der Linie Siggelkow hervor, welches alte Lehn auch längere Zeit im Besitze der Familie von Koppelow war.



1) Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand, I, 2, S. 417-419.
2) Vgl. Urkunde Nr. 5.
3) Vgl. Urkunde Nr. 3, erste Abrechnung mit Vicke v. Koppelow. Das schweriner Archiv bewahrt noch mehrere Abrechnungen mit demselben aus den folgenden Jahren.
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Urkunden.


Nr. 1.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg belehnt den Jaspar Gans, Herrn zu Putlitz, und dessen Brüder mit den wüsten Dörfern Repzin, Menzendorf und Möllenbek, die ihr verstorbener Vater von Hans Bösel gekauft hat.

D. d. Wilsnack. 1442.

Nacn dem Concept im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt-Arcnive zu Schwerin.


Item myn gnedige here heft vorlihen Johan Ganse herren to Pottlist vnde synen bruderen de wosten dorpere Robeczin, Menczendorpe vnde Molenbecke, die ere vader selige wandages von Hanse Bosel gekoft hadde etc., na lude sines breues van mynem heren darouer gegeuen to Wilsnack etc. XLII°.

Dominus mandauit     
et examinauit.        


Nr. 2.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg vergönnt denselben Herren von Antlitz, die vorgenannten Güter an Claus Knaken zu verpfänden.

D. d. Witstock. 1446. Januar 17.

Nach dem Concept im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.


Item myn here heft den bouenscreuen herren von Pottlist gegond, dat se de rudere mogen vorsetten

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vmme erer noed willen Clawse Knaken na [lude] eyns breues mynes heren gegeuen to Witstock, an sunte Peters auende kathedra anno etc. XLVI to .

Zwei Aufzeichnungen in einem Protocolle des herzoglichen Protonotars über Lehnsachen aus der Zeit 1442-1447, im grossherzoglich meklenburgischen Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin. Der Schreiber ist wahrscheinlich: "her Johan Hesse, prothonotarius, kerckhere to sunte Peter to Rostock", welcher in diesem Protocolle immer als Protonotar genannt wird.


Nr. 3.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg lässt mit Vicke von Koppelow, Vogte der Vogteien Marnitz und Neustadt, über die dreijährigen Einnahmen dieser Vogteien abrechnen.

D. d. 1461. Aug. 14 und 15.

Nach dem Originale im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt-Archive zu Scnwerin.


Int iar vnses heren dusent verhundert vnd in deme eynvndsostigesten, des fridages na sunte Tiburcii daghe, leth myn here van Mekelnborg rekenen mitVicke Koppelowen, vogede tor Merntze, van dersuluen vogedye vpboringe vnd vthghaue van dren iaren neghestverghangen, also eyn iegent ander gerekent blifft myn here vorbenomet Vicke Coppelowen schuldich verhundert stralen mark vnd souentich stralen marc teyn schillinge vnde enen witten. Hiir ouer desser rekenscop weren de kerkhere tor Merntze Johannes Rades vnd Thomas Rode schriuere.

Item des sunauendes tohant dar na leth ok myn here rekenen mit demsuluen Vicken, vogede to der Nygenstad, van dersuluen vogedye vpboringe vnd vth-

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ghaue ok van dren iaren neghestvorghangen, also blift myn bere Vicken schuldich hundert gude marc wismerscher munte vnd sos gude marc ane sos schillynge; hiir sint nicht mede ingerekent vefteyn rinsche gulden vnd anderhalffhundert gude marc, de Vicke mynem heren schuldich blift wedderumme. Ouer desser rekenscop weren her Bernd Krogher slotschriuer vnd Johannes vnd Thomas vorschreuen. To tuge sint desser schrift twe eyns ludes eyn vte der anderen gesneden, beyde dorch my Johanse geschreuen, in iar vnd dage bouenscreuen.

Nach dem Originale, auf einem Quartblatt Papier, in Treppen- und krummen Linien, ohne Schrift "eines aus dem andern geschnitten".


Nr. 4.

Katharine, Frau zu Putlitz, des Edlen Joachim Gans Wittwe, verkauft dem Vicke von Kopelow die drei wüsten Feldmarken Möllenbek, Repzin und Menzendorf, welche ihr verstorbener Gemahl von Hans Bösel gekauft hatte.

D. d. 1468. Jan. 6.

Nach dem Originale im Besitze der Familie von Koppelow.


Ik Katherina, vrouwe to Potlest, des eddelen Achim Gantzes zeliger naghelatene wedewe, bekenne apenbar vor alsweme, dat ik hebbe vorkoft vnde ieghenwardighen vorkope deme duchtighen Vicke Koppellow vnde sinen rechten eruen mit guden willen vnde ghehete myns leuen sons vnde heren heren Wedegen, bisschop to Hauelberghe, tho enem erfkope dre wuste veltmarke, alze Mollenbeke, Robezin vnde Menszentdorpe, beleghen in deme lande thor Nighenstad, mit aller nut, frucht, vriheyt vnde recticheyt, so zee myn leue here Achim zeligher van

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Hans Boszele zeliger ghekoft hadde vnde my zint thor tid myn gnedige here van Mekelenborch my vnde mynen sons gheuen vnde ghelegen tho enem erfgude vnde in lehn. Vor dat gud heft my Vicke Koppelow vorbenomet bereidet vnde wol betalet twehundert vnde achtentich gulden rinsch, de ik ghans vnde al vntfanghen hebbe, de ik in myne vnde in myner kinder nut vnde framen ghekeret hebbe. Des gudes vnde kopes wil ik em vnde sinen rechten eruen eyn recht were wesen vor alle deienne, de vor gherichte komen, dede recht gheuen vnde nemen willen. Des tho tughe vnde bekantnisse hebbe ik Katherina, frouwe tho Poetlest vorghescreuen, myns leuen heren heren Wedegen bisscop to Hauelberge mit sinem willen vnde witschop sines stichtes ingesegel hengen laten neden an dessen apen bref, gescreuen na der bord Christi dusent virhundert in deme achtensostigesten iare, in der hilgen driger koninge daghe etc.

Nach dem Originale, auf Pergament, im Besitze des Herrn Obrist-Lieutenants von Koppelow zu Schwerin. Das angehängt gewesene Siegel fehlt.


Nr. 5.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg belehnt den Vicke von Kopelow zu Siggelkow mit den Dorfstätten und Feldmarken Möllenbek, Repzin und Menzendorf, welche derselbe von des Joachim Gans Herrn zu Putlitz nachgelassener Wittwe gekauft hat.

D. d. 1468. März 3.

Nach dem Originale im Besitze der Familie von Koppelow.


Wii Hinrick, van godes gnaden hertoge to Mekelnborgh, ffurste to Wenden vnd greue to Zwerin, der lande Rostock vnd Stargarde here etc., bokennen apenbare bo-

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tugende vor alszweme, dat vor vns is gewesen de eddele vnd erbare seligen Joachim Gantzes, hereu to Potleste, nagelatene wedeme vnd heft vns to kennende geuen, wo see deme duchtigen Vicken Koppelouwen hebbe vorkoft to erue desse nagescreuene dorpstede vnd veltmarkede, also Molenbeke, Rogghetzin vnd Mentzendorpe, in vnser vagedie tor Merntze beleghen, mit eren tobehoringhen, nach lude enes kopbreues darup gemaket vnd vorsegelt, vnd heft vort sodane gud bauenscreuen vor vns vorlaten vnd vns demodigen angefallen vnd gebeden, wii dat vorscreuen gud, veltmarkede vnd dorpsteden deme genanten Vicken Koppelouwen tor Tzichelchouwe vnd sinen eruen mochten lenen nach lude vnd inholde des kopbreues, den Vicke darup heft, deme wii vmme sunderger gunst vnd gnade willen so gerne gedaen hebben, vnd belenen den vilgenanten Vicken Koppelouwen mit den vorscreuen guderen, dorpsteden vnd veltmarken, alse Molenbeke, Rogghetzin vnd Mentzendorp mit eren tobehoringhen nach lude des vorberorden kopbreues darup berameth so ieghenwardighen, so dat he sinen eruen vort an sodane vorscreuene gudere moghe eruen in craft desses vnses breues, daran wii to orkunde vnd merer sekerheit vnse groteste ingesegel henghen laten hebben, geuen na der bort Christi vnses heren verteigenhundert vnd amme achte vnd sostigesten iare, amme donredage vor deme sondage, also men singhet in der hilghen korken Inuocauit etc.

Nach dem Originale, auf Pergament, im Besitze des Herrn Obrist-Lieutenants von Koppelow zu Schwerin, mit dem anhangenden grossen Siegel des Herzogs Heinrich auf eingelegter rother Wachsplatte.


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VI. Zur Münzkunde.


Römische Goldmünze von Hornstorf,

von

G. C. F. Lisch.

Zu Hornstorf bei Wismar fand ein Dienstmädchen beim Aufsammeln von Kartoffeln auf freiem Felde im Herbste 1858 eine römische Goldmünze des Kaisers Hadrian (vom J. 118 n. C.), welche über 1 1/2 Ducaten wiegt und von reinem Golde ist und nahe am Rande ein durchgeschlagenes Loch hat, welches sich nach dem Rande hin länglich zeigt, so daß wohl anzunehmen ist, daß die Münze längere Zeit an einem Ringe getragen ist. Auf der Vorderseite steht in sehr erhabener Arbeit ein römischer Kopf mit einem Lorbeerkranze und umher die Umschrift:

IMP . CAESAR TRAIAN HADRIANUS AUG

Auf der Rückseite steht ein Brustbild mit einer Strahlenkrone, unter demselben das Wort

ORIENS

und umher die Umschrift

P M TR P COS DES II.

Ich verdanke die Nachricht von der Auffindung und die Beschreibung der Münze dem Herrn Pastor Stichert zu Hornstorf, in dessen Besitze sich die Münze befindet.

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Nachtrag.

Ueber die ehernen Wagenbecken, zu S. 219.

So eben, als ich die Correctur dieses letzten Bogens der Jahrbücher beendige, erhalte ich die Nachricht, daß in dem Nachlasse eines Predigers in Schonen ein "Bronzewagen, ganz wie der bei Peccatel in Mecklenburg ausgegrabene", entdeckt ist, welcher in einem Moor gefunden ist und lange als Kinderspielzeug gedient hat.

G. C. F. Lisch.     

 

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