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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Zeit der Hünengräber.


Ueber die halbmuldenförmigen Quetschmühlen
oder
"Hünenhacken".

In dem nordöstlichen Deutschland und in Skandinavien finden sich in zahllosen Exemplaren halbmuldenförmig ausgehöhlte, große Granitsteine, welche von den pommerschen Landleuten "Hünenhacken" genannt werden, weil diese dieselben für versteinerte Fußspuren der Hünen halten. Diese Steine sind mittelgroße Blöcke, immer von festem Granit, von 1 bis 2 Kubikfuß Inhalt. Sie sind wie eine Mulde ausgerieben, jedoch immer so, daß das eine Ende offen ist, der ausgehöhlte Stein also eine quer durchschnittene, halbe Mulde bildet. Ich habe sie daher immer für Mühlsteine gehalten, in denen das Korn durch kleinere Steine mit der Hand zerrieben und aus denen das Schrot nach und nach aus der offenen Seite hinausgeschoben ward, wie noch jetzt solche Handquetschmühlen bei weniger gebildeten Völkern, z. B. den Wallachen, im Gebrauche sind. Ich habe diese Steine zuletzt in den Jahrb. XXIV, S. 275, mit Anführung der früheren Untersuchungen, behandelt.

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In der großen Sammlung vaterländischer Alterthümer zu Kopenhagen stehen nun in den Zimmern für die Alterthümer der Steinperiode sehr viele solcher Steine, auf denen fast vollendete Steinkeile liegen, und es herrscht bei den nordischen Forshern die Ansicht, als wenn diese Steine zum ersten Schleifen der Steinkeile in dem Steinalter benutzt worden seien. Die nordischen Forscher werden ihre Ansicht und Aufstellung ohne Zweifel durch triftige Gründe beweisen können und sie werden in vielen Fällen nicht unrecht haben; im Allgemeinen aber kann ich für Meklenburg ihrer Ansicht nicht beitreten.

Der Annahme der nordischen Forscher muß ich für Meklenburg folgende Gründe entgegensetzen:

1) Sind in Meklenburg solche Steine öfter, sicher vier mal, in Kegelgräbern der Bronzezeit gefunden, also dauerte ihr Gebrauch länger, als man Feuersteine schliff. Ich will dabei gerne einräumen, daß man auch in der Bronzezeit hin und wieder Keile verfertigt haben mag; in Meklenburg ist aber noch nie ein Feuersteinkeil in einem Grabe der Bronzezeit gefunden.

2) Halte ich es für unmöglich, daß die meisten dieser Steine zu Schleifsteinen für Keile gebraucht werden konnten. Viele, ja die meisten derselben, sind so tief ausgeschliffen und die Höhlung ist so eng, daß man unmöglich das schwierige Geschäft des Schleifens eines Steinkeils darin bewerkstelligen konnte; auch sind dazu gewöhnlich die inneren Flächen nicht regelmäßig und glatt genug. Es giebt sehr viele solche Steine, deren Höhlung ungefähr 3/4 Fuß tief und tiefer, und deren Breite auch nicht größer ist. Man konnte, meiner Ansicht nach, in so tiefen und engen Höhlungen nur Korn mit faustgroßen Steinkugeln zerreiben.

3) Besitzt die Sammlung zu Schwerin einen vollständigen Apparat, welcher das ganze Verfahren des Kornmahlens darlegt. Dies ist ein grobkörniger, mittelgroßer Granitblock, welcher oben noch sehr wenig ausgehöhlt ist, aber doch schon die Anlage zur muldenförmigen Aushöhlung zeigt. Auf diesem größern Granitblock liegt ein kleinerer Granit von ganz demselben Gestein von der Größe, daß er sich mit beiden Händen leicht hin= und herschieben läßt. Beide Steine sind auf den Berührungsflächen genau in einander passend, jedoch nicht platt, abgerieben, so daß der untere, größere Stein in denselben Linien concav ausgeschliffen ist, wie der obere kleinere Stein convex abgerieben ist. Dies ist also der erste Anfang einer Handmühle, zu welcher man noch einen größern Reibstein benutzen konnte. Wenn die Höhlung tiefer ward, so mußte man

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statt des breiten Reibsteins einen kleinern, kugelförmigen Stein nehmen, der mit einer Hand zu regieren war.

Ich glaube daher, daß diese Steine gewöhnlich zu Mühlsteinen dienten. Ich will dabei aber gerne zugeben, daß diese Steine auch zum ersten Schleifen der Feuersteinkeile gebraucht wurden. Die Feuersteinkeile wurden auf folgende Weise bearbeitet. Man schlug einen passenden Feuersteinblock zu der ungefähren Form des Keils roh zu; dann gab man ihm durch lange, spanförmige, endlich durch kleinere, muschelförmige Absplitterungen die Form, die er haben sollte und konnte; hierauf stellte man durch kleine Absplitterungen genau alle Kanten her, welche das Richtmaaß bildeten; dann schliff man im Rohen die Unebenheiten ab, wozu man glatt geschliffene Granit steine gebrauchen konnte, und endlich schliff und polirte man den Keil glatt auf Schleifsteinen von quarzigem "alten rothen Sandstein". Zu dem letzten Schleifen und Poliren konnte man nun keine Granitsteine gebrauchen, weil sie ein zu rauhes Gefüge haben; die ungemein glatten und blanken Flächen der polirten Keile beweisen, daß man sich zu dem letzten Schleifen eines sehr feinen Steins bediente, wie denn auch häufig halb polirte Keile auf Schleifsteinen von altem rothen Sandstein liegend gefunden sind. Aber zum ersten Abreiben der Unebenheiten nach Vollendung der Schlagearbeit konnte man sehr gut ebene Granitflächen benutzen. Und daher glaube ich auch, daß gewisse, nicht tief, sondern nur flach ausgeschliffene Granitsteine zum ersten Schleifen der zugerichteten Feuersteinkeile gebraucht wurden. Man findet auch solche Granitsteine, welche immerhin zum ersten Schleifen gebraucht werden konnten. Der Herr Pastor Masch zu Demern besitzt einen solchen Granit von ungefähr einem Quadratfuß Oberfläche, welcher nur sehr wenig ausgehöhlt und auf der Oberfläche ganz glatt geschliffen ist und offenbar einen Schleifstein bildete.

Man kann daher beide Ansichten sehr wohl vereinigen: daß viele, ja die meisten und namentlich die tief ausgehöhlten und nicht polirten Granitsteine zu Mühlsteinen, die weniger tief ausgeriebenen und glatt geschliffenen Granite zu Schleifsteinen gebraucht wurden. Man muß überhaupt für die Zeit, in welcher die Menschen nur sehr wenige Arten von Geräthen hatten, die Anwendungsweise möglichst weit ausdehnen. So wie die Keile sicher auf sehr mannigfaltige Weise, z. B. zum Kampfe, schlachten, Ackern, Spalten u. s. w., gebraucht wurden, so können auch die ausgehöhlten Granite zu verschiedenem Gebrauche gedient haben.

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Und so bekenne ich mich zu der Ansicht, daß die ausgehöhlten Granitsteine, je nach ihrer Beschaffenheit, zu Mühlsteinen und zu Schleifsteinen gebraucht wurden.

G. C. F. Lisch.