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b. Zeit der Kegelgräber.
Ueber
die ehernen Wagenbecken
der Bronzezeit,
von
G. C. F. Lisch.
Die auf ehernen Wagen ruhenden ehernen Becken oder Vasen der Bronzezeit nehmen wegen ihrer ausgebildeten Einrichtung, ihres hohen Alters und ihrer weiten Verbreitung eine so bedeutende Stelle in der Bildungsgeschichte der Welt ein, daß se eine nochmalige, ausführliche Besprechung verdienen, um s mehr, da sie wahrscheinlich die Veranlassung geben werden, ein hell Licht in eine große, aber noch dunkle Vorzeit zu werfen.
Da der bedeutendste und am klarsten ausgebildete Fund in Meklenburg gemacht ist, so liegt es nahe, daß ich den seit mehreren Jahren angeknüpften Faden wieder aufnehme, nachdem mehrere ähnliche wichtige Entdeckungen gemacht sind.
Der Bronzewagen von Peccatel.
Auf der Feldmark des Dorfes Peccatel, eine Meile südlich von Schwerin, standen auf zwei verschiedenen Bauerhufen mehrere kegelförmige Grabhügel der heidnischen Vorzeit nahe bei einander, von denen zwei durch ihre Größe vor den andern hervorragten. Der größte der Grabhügel hatte ungefähr 10 Fuß Höhe, 40 Fuß Durchmesser und 240 Fuß Umfang. Das nächstfolgende Grab hatte ungefähr einen eben so großen Umfang aber nur 5 bis 6 Fuß Höhe.
Da das zweite Grab zur Gewinnung von Chausseesteinen angebrochen war, ward es im J. 1843 wissenschaftlich unter meiner Leitung abgetragen (vgl. Jahrbücher IX, S. 369 flgd.). In dem weit ausgedehnten, sanft aufsteigenden Grabe wurden
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vier verschiedene Begräbnisse unter Steinhaufen gefunden, von denen zwei mit verbrannten Leichen in der Mitte des Grabes standen, die beiden andern je nördlich und südlich von den beiden mittlern. Das Grab lieferte ungefähr 20 Stück Alterthümer aus Bronze, welche nach Form, Einrichtung und Rost der ausgebildeten oder mittlern Zeit der Bronzeperiode angehörten, worauf auch der Bau des Grabhügels deutete. Unter den beiden mittlern Steinhügeln waren wahrscheinlich Mann und Frau beigesetzt gewesen, indem sich unter dem einen Steinhügel ein ganz mit Bronzebuckeln beschlagener Panzer von Leder in Bruchstücken und ein Stabbeschlag von Bronze, in dem andern Steinhügel mehrere kleinere Alterthümer von Bronze, z. B. eine Nadel, eine Heftel und ein Fingerring, fanden. Unter dem am südlichen Rande des Grabes stehenden Steinhügel wurden aber viele Alterthümer gefunden, welche zu den merkwürdigsten gehören, welche je entdeckt sind. Es fand sich hier nämlich außer einem Schwerte, einer Framea, einer Pfeilspitze und zwei Messern von Bronze, ein drei Loth schwerer, massiver goldener Armring und ein kleiner, vierräderiger, bronzener Wagen, welcher eine große bronzene Vase trug.
Ueber das andere ganz nahe dabei stehende größere Grab gingen in der Dorfschaft merkwürdige Sagen, welche sich höchst seltsamer Weise durch die Aufgrabung bewahrheiteten; an eine Selbsttäuschung kann nicht gedacht werden, da ich, als der größere Hügel noch unberührt war, am 18. April 1843 bei der Aufdeckung des kleinern Grabes die Sagen aus dem Munde des Volkes niederschrieb und über ein Jahr vor der Aufdeckung des größern Grabes (in Jahrb. IX a. a. O.) drucken ließ. Die Bewohner des Dorfes erzählten nämlich: in dem großen Hügel ("Rummelsberg" genannt) wohnen die Unterirdischen, welche hier eine Tafel haben, an welcher sie mitunter ein Mahl halten, wozu sie sich aus den übrigen Bergen Kessel, Messer und andere Geräte leihen. Wenn die Tafel zum Mahle auf dem Hügel steht und man etwas Geräth von der Tafel nimmt, so kann diese nicht eher wieder in den Hügel hineinkommen, als bis man das Geräte wieder hingelegt hat. Auch haben die Unterirdischen Kinder, welche sie gegen Dorfkinder vertauschen (Wechselbälge); diese zwergähnlichen Kinder der Unterirdischen pflegen zu singen: ,,Ick bün so old, als Böhmer Gold". Es wird zwar fast von jedem großen Grabe in Meklenburg gesagt, daß in demselben eine "goldene Wiege" stehe; aber eine solche, auch im Einzelnen ausgeführte Sage, wie die so eben mitgetheilte, ist sonst
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in Meklenburg nicht vernommnen. Das Merkwürdigste aber war, daß sich in den Gräbern das fand, was die Sage als in denselben vorhanden bezeichnete. Der Kessel, den sich die Unterirdischen leihen, war schon in dem kleinern Grabe gefunden. Die Tafel, auch mit einem Kessel, fand sich nun auch in dem größern Grabe. Da auch dieses größere Grab aus Gewinnsucht heimlichen Angriffen ausgesetzt ward, indem man glaubte, daß es so große Schätze berge, daß man damit das Dorf kaufen könne, so sah ich mich genöthigt, auch dieses Grab am 22. Nov. 1845 wissenschaftlich abzutragen (vgl. Jahrbücher XI, S. 366 flgd.). In der Mitte des Grabes fand sich unter einem Steinhaufen ein Begräbniß mit einer verbrannten Leiche und daneben eine Menge von bronzenen Alterthümern, nämlich Halsringe, Armringe, Handbergen, auch eine bronzene Schmuckdose und mehrere durchbohrte große Bernsteinknöpfe. Außer diesem Begräbnisse fand sich aber in dem Hügel ein höchst merkwürdiger Bau, welcher eben so gut zu der Bronzevase des andern Hügels, als zu den Sagen stimmte. In der Richtung von Osten nach Westen stand in einiger Entfernung von dem in der Mitte des Grabes stehenden Begräbnisse ein aus mehrern Theilen bestehender, zusammenhangender Bau eines Opferaltars. Zuerst im Osten stand eine kleine viereckige Erhöhung, 5 Fuß hoch und an jeder Seite 5 Fuß lang, aus lehmhaltigem Sande aufgebauet und mit einer doppelten Schicht von Feldsteinen bedeckt. Westlich daneben stand auf einem gleich hohen und breiten Unterbau von lehmhaltigem Sande ein durchaus regelmäßiger, runder Kessel, welcher 3 Fuß Durchmesser und 2 Fuß Tiefe hatte und mit dem Rande ungefähr 1 Fuß über den Altar hervorragte. Der Kessel war am Boden mit kleinen Feldsteinen ausgelegt; die ungefähr 2 Zoll dicke Wand war von lehmhaltigem Sande aufgemauert, an Ort und Stelle fest gebrannt und von Ruß und Theer oder Fichtenharz schwarz gefärbt und durchaus so fest, daß sie mit Hacken ganz frei gelegt werden konnte und einen Menschen trug; die Außenwand war einen Fuß dick mit lehmhaltigem Sande und kleinen Feldsteinen ummauert. Im Westen stieß an diesen Bau eine große, 10 Fuß lange und breite und 5 Fuß hohe Tafel, der Altar, welcher ebenfalls von lehmhaltigem Sande aufgebauet und mit einer doppelten Schicht von Feldsteinen belegt war. In der Mitte auf diesem Altare stand eine thönerne Urne, welche mit Zickzacklinien verziert war. Unten auf der Erde, im Westen unmittelbar an dem Altar stand, ebenfalls von Feldsteinen ummauert, eine 6 Fuß lange, 3 Fuß breite und 1 Fuß tiefe Mulde von
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schwarz gebranntem lehmhaltigen Sande, wie der Kessel, mit 3 Zoll dicken Wänden. In dieser Mulde lag das Gerippe einer unverbrannten Leiche, nach Osten, gegen den Altar und das Begräbniß hin schauend, mit dem Schädel im Rande des ganzen Grabes liegend. Das ganze Gerippe war in der Mulde in schwarze Brand= oder Wiedenerde gepackt. Ohne Zweifel war diesfer Bau ein Opferaltar und das Gerippe ein Geopferter. Der große Altar diente zur Darbringung des Schlachtopfers, der kleine Altar zum Standorte (άμαβάδρα) des Priesters oder der Priesterin, der zwischen beiden stehende und beide überragende Kessel zum auffangen des Blutes des Menschenopfers und die Wanne zur Aufnahme der Leiche des Geopferten. Diese ganze Einrichtung stimmt genau mit dem Opfern der Kriegsgefangenen überein, über welches Strabo 7, 2 von den Cimbern berichtet (vgl. auch Grimm's deutsche Mythologie S. 49). - Dieser ganze Fund von Peccatel war aber zuverlässig. Ich habe ihn einen ganzen Tag in Gegenwart des Archivsecretärs Dr. Beyer und von 30 Arbeitern genau bearbeitet, ganz frei gelegt und gründlich untersucht. Wie treffend diese Erscheinungen mit den Volkssagen übereinstimmten, geht daraus hervor, daß alle Arbeiter augenblicklich die "Tafel" und den "Kessel" der Sage erkannten und aus Furcht vor den "Unterirdischen", deren Wohnung zerstört sei, sich lange sträubten, die Arbeit fortzusetzen.
Wichtiger aber noch, als dieser Bau, ist der Zusammenhang, in welchem ohne Zweifel die beiden neben einander liegenden Gräber zu einander stehen, indem sie, ungefähr aus derselben Zeit stammend, sich gegenseitig ergänzen. Das kleinere Grab enthielt sicher den Nachlaß eines Priesters oder Königs, und in demselben ist das auf einem Bronzewagen ruhende Bronzebecken das wichtigste von allen bisher in Meklenburg gefundenen Alterthümern.
Der im J. 1843 in dem Kegelgrabe von Peccatel gefundene Bronzewagen, welcher eine Bronzevase trägt, ist in den Jahrbüchern IX, S. 372 flgd. beschrieben und, mit den dabei gefundenen Alterthümern auf der dazu gegebenen lithographirten Tafel in den einzelnen Theilen, jedoch nicht im Zusammenhange, abgebildet. Der klaren Erkenntniß für den nicht völlig Eingeweihten stand jedoch immer der Uebelstand entgegen, daß das Gestell durch die im Grabe darauf gelegten Steine so sehr zerbrochen war, daß es nicht ganz aufgestellt, sondern nur in seinen einzelnen Haupttheilen neben
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einander gezeigt und zur Anschauung gebracht werden konnte. Seitdem ist es jedoch gelungen, durch geschickte Handwerker das ganze Geräte nach dem Originale, zum Theil nach den von dem Originale genommenen Formen, völlig getreu in Metall nachbilden 1 ) zu lassen und in seinem Zusammenhange aufzustellen. Hiernach ist nun die getreue Abbildung 2 ) genommen, welche hier mitgetheilt wird.
Die Grundlage des ganzen Gerätes, welches im Zusammenhange 15 3/4" hamburg. Maaß oder 38 Centimeter hoch ist, bildet ein kleiner Wagen von Bronze. Die beiden Achsen und die beiden Langbäume sind von ganz gleicher Größe und Gestalt und bilden im Grundrisse ein regelmäßiges, gleichseitiges Viereck von ungefähr 9 Zoll im Quadrat. Die Achsen
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und die Langbäume sind aus starken viereckigen
Bronzestäben gebildet, welche erst wohl grade
gegossen, dann aber zu ihrer eigenthümlichen
Gestalt gebogen sind, wie es auch am bequemsten
bei der Nachbildung geschehen ist. Der mittlere
Haupttheil der Achsen und der Langbäume ist
nicht grade, sondern in sehr gefälliger Form
bogenförmig nach oben hin wie ein Joch
oder wie der Umriß einer Glocke
gebogen. Dies giebt nun dem Ganzen ein viel
gefälligeres Ansehen, als wenn die Achsen und
Langbäume wagerecht lägen. Es ist aber auch
möglich, daß diese Form eine in jenen fernen
Zeiten beliebte Form der Langbäume der Wagen
war, damit die Räder nach den Seiten hin unter
den Wagen einbiegen konnten, und somit wäre
diese Form der Langbäume nur eine Darstellung
eines allgemeinen Gebrauches. Die Achsen laufen
in ihren Enden in horizontale, dünne, runde
Stäbe aus, auf welchen sich die vier Räder
bewegen. Die Enden der Langbäume laufen an
beiden Enden des Wagens, nach vorne und hinten,
auch in dünne Stäbe aus, welche sich ungefähr in
Form dünner Vogelhälse nach oben biegen und so
nicht allein einen hübschen Abschluß, sondern
auch an jedem Ende zwei bequeme Handhaben
bilden, an denen man den Wagen leicht vorwärts
und rückwärts ziehen kann. Dicht hinter den
Rädern sind die Langbäume auf die Achsen, dort
wo sich beide rechtwinklig schneiden, in einer
Verbreiterung der Bronzestäbe angenietet. Die
vier Räder, 4 1/2" im Durchmesser, sind aus
Bronze gegossen, wie die Gußnäthe zeigen, welche
noch überall an den Kanten zu sehen sind, und
wurden nicht durch vorgesteckte Pflöcke, sondern
durch Breitklopfung der Achsenenden auf den
Achsen festgehalten; die Räder sind weder
gefeilt, noch auf der Drehbank nachgedrehet, wie
es bei den römischen Rädern so häufig zu
bemerken ist. Was aber diese einheimischen Räder
vorzüglich charakterisirt, ist, daß sie nur vier
Speichen haben.
Alle alten Räder der alten Bronzeperiode Deutschlands waren vierspeichig. Wir besitzen glücklicher Weise in unsern Sammlungen nicht allein das Original dieses Wagens, sondern auch gewissermaßen eine Zeichnung dazu, welche ohne Zweifel aus derselben Zeit stammt. Auf dem mit gravirten Zeichnungen reich geschmückten bronzenen Heerhorn, welches bei Wismar am Meeresstrande in einem Moor gefunden ward, sind neben Spiralwindungen nicht allein antike Schiffe, sondern auch ein Mal 4 vierspeichige Räder und zwei Male 2 vierspeichige Räder dargestellt (vgl. die getreue Abbildung zu Jahresbericht III, S. 67). Diese Räder sollen ohne Zweifel alte Wagen vorstellen.
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Die vierspeichigen Räder scheinen zu jener. Zeit sehr verbreitet gewesen zu sein, da sie nicht allein, wie die antiken Schiffe oder Kähne, auf Stein= und Bronze=Denkmälern abgebildet, sondern auch in der Bronzezeit zur Verzierung der Enden der Messergriffe angewandt wurden; vgl. Worsaae Afbildninger fra det kongelige Museum for nordiske Oldsager i Kjöbenhavn, Kjöbenhavn, erste Auflage, 1854, Taf. 29 und 30, und zweite Auflage, 1859, Taf. 35, wo z. B. Nr. 124 und 170 ein am Ende des Griffes mit einem vollständigen Rade verziertes Messer abgebildet ist, welches auch mit den eingeschlagenen Zickzacklinien des wismarschen Heerhorns geschmückt ist.
Auch die Räder der griechischen Wagen waren vorherrschend vierspeichig (vgl. Weiß Kostümkunde S. 455, 907, 908).
Ein ähnlicher mit zwei Pferden bespannter Wagen mit zwei vierspeichigen Rädern, auf dessen gabelförmiger Achse der Wagenlenker steht, ist auch auf dem Kivik=Monument, einer alten Grabkiste in Schonen, abgebildet (vgl. Jahrb. III, S. 75, XI, S. 373 und XVI, S. 264).
Auf dem peccatelschen Wagengestelle, welches mit den Rädern 5 1/2" hoch ist, steht auf vier auswärts gebogenen, 2 3/4" hohen Füßen aus eben so breiten, aber dünnern Bronzestäben ein hohler Cylinder oder Säulenschaft (Hals) aus zusammengenietetem Bronzeblech, 6 1/2" hoch und 3 3/4" im Durchmesser. Der Cylinder ist mit drei Reihen kleiner Buckeln, welche vor der Zusammennietung des Blechstreifens von innen herausgetrieben sind, verziert, und ragt mit dem untern Buckelrande 3 Zoll über das Gestell empor. Die vier Füße sind inwendig an den Rand des Cylinders angenietet und stehen mit ihrem untern Ende auf den vier Verbindungspunkten der Achsen und der Langbäume, wo sie mit diesen durch ein Niet zusammengenietet sind. Oben hat der Cylinder einen schmalen, nach außen umgebogenen Rand, in welchem die auf diesem Rande stehende Schale angenietet ist. Der Cylinder mit seinen 4 Füßen ist so hoch, daß der obere Rand etwas über das Gestell der Achsen und der Langbäume emporragt und die auf dem Cylinder stehende Vase ganz frei steht.
Auf dem Cylinder steht, mit 7 Nieten angenietet, eine schöne, große Bronzevase ohne Fuß, den der Cylinder bildet, 7 1/2" hoch und über 15" weit im Bauchrande, aus einem Stücke Bronze kalt sehr dünne getrieben, wie es auch bei der Nachbildung geschehen ist. Auf dem Bauchrande stehen vier concentrische Kreise von kleinen Buckeln, welche von
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innen herausgetrieben sind; der ausgebogene, 15 3/4" weite Rand der Vase ist mit zwei Reihen gleicher Buckeln verziert, gleichwie das eherne Meer (1. Kön. 7, 24 und 26). Die Vase hat vier Henkel aus viereckigen Bronzestäben, welche wie die Halsringe gedrehet und mit Nieten befestigt sind, an jeder Seite zwei, so daß über je zwei Handhaben der Langbäume zwei Henkel stehen. Man konnte also die auf dem Wagen stehende Vase mit beiden Händen nicht allein an den Verlängerungen der Langbäume, sondern auch an den Henkeln der Vase fassen und vorwärts und rückwärts ziehen; daher hat die Vase vier Henkel. Die Arbeit aus kalt getriebener Bronze und die Berzierung mit Buckelreihen ist an einheimischen Gefäßen Norddeutschlands und des skandinavischen Nordens sehr häufig, und es läßt sich durch eine lange Reihe in gleicher Zeit gleich gearbeiteter Gefäße darthun, daß die Vase im Lande gearbeitet ist, wofür auch die Bearbeitungsweise des Cylinders und des Wagens zeugt.
Andere Bronzewagen in Europa.
Nicht lange nach dieser merkwürdigen Entdeckung wurden andere Funde gemacht, welche mit dem Wagen von Peccatel in Uebereinstimmung und denselben zu erläutern im Stande waren.
Um das Jahr 1843, ungefähr zu derselben Zeit, als der Wagen zu Peccatel gefunden ward, soll in Meklenburg zu Pennewitt bei Warin ein kleiner metallener Wagen mit vier Rädern, mit zwei Pferden und einer auf dem Wagen stehenden Figur in einer Urne gefunden sein (vgl. Jahrb. XV, S. 276); aber da dieser Wagen zerbrochen und weggeworfen ist, so ist auf diesen Fund nicht zu geben.
Im J. 1846 wurden bei Friesack in der Mark Brandenburg zwei vierspeichige Bronzeräder gefunden, welche ohne Zweifel zu einem Wagengestelle gehört haben, das jedoch verloren gegangen ist; die Räder sind in die Sammlung des verstorbenen Grafen v. Zieten auf Wustrau gekommen. Diese Räder, welche in Jahrbüchern XVI, S. 265 abgebildet sind, sind zwar vierspeichig und ungefähr eben so groß, als die peccatelschen, jedoch viel sauberer, namentlich an den Naben, bearbeitet, und scheinen entweder fremden Ursprunges oder jünger zu sein.
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Wichtiger ist ein in der Gegend von Frankfurt a. d. O. um das J. 1848 beim Bau der Chaussee von Frankfurt nach Drossen gemachter Fund, welcher ebenfalls in die Sammlung des wailand Grafen v. Zielen auf Wustrau gekommen ist. Hier ward auch ein Bronzewagen gefunden, welcher eine gabelförmige Deichsel, wie der Wagen auf dem Kivik=Monument in Schonen, und drei vierspeichige Räder auf Einer Achse hat. Die Räder dieses (in Jahrbüchern XVI, S. 262) abgebildeten Wagens, den ich im Originale zu vergleichen Gelegenheit gehabt habe, gleichen ganz den Rädern des Wagens von Peccatel und stammen sicher aus derselben Zeit. Die Bestimmung dieses Wagens ist schwer zu errathen; jedoch glaube ich, daß die auf verschiedenen Stellen der Deichsel stehenden vogelartigen Bildungen nur bestimmt gewesen sind, etwas zu tragen, und keine selbstständige symbolische Bedeutung gehabt haben, wie in Jahrbüchern XVI, S. 266 flgd. vermuthet ist. Wenn nun auch die Einrichtung des Wagens von Frankfurt eine ganz andere ist, als die des Wagens von Peccatel, so sind doch beide an Größe, Metall, Arbeit, kurz in allen Einzelnheiten völlig gleich, so daß man an dem Ursprunge beider aus einer und derselben Zeit nicht zweifeln kann.
Die Spur dieser Bronzewagen läßt sich jedoch noch weiter gegen Süden verfolgen.
Einige Zeit vor dem Jahre 1850 ward in Steiermark bei Judenburg auf einem alten Begräbnißplatze neben vielen bronzenen und eisernen Alterthümern ein merkwürdiger Bronzewagen gefunden, welcher in den Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark, Gratz, Heft III, S. 67 flgd. (vgl. Jahrbücher XX, S. 290 flgd.) beschrieben und abgebildet ist. Dieser Wagen hat dieselbe Größe und denselben Zweck, aber eine andere Einrichtung. Der Wagen hat ebenfalls eine gleiche Einrichtung nach vorwärts und rückwärts, also keine Deichsel; an den Enden stehen an den vier Ecken kurze Thierköpfe, Pferdeköpfen ähnlich, welche wohl als Handhaben gedient haben. Die vier Räder sind achtspeichig. Auf den horizontalen Achsen ruhet ein Bronzeblech. In der Mitte dieses Bleches oder Bodens steht eine hohe weibliche Figur, welche die Hände über den Kopf hält, ohne Zweifel, um ein Gefäß zu tragen. Umher stehen auf dem Bleche viele kleine Figuren, welche, wie die größere Figur in der Mitte, nur roh gearbeitet sind. Neben der Hauptfigur stehen an jeder Seite zwei Reiter mit Schild und Speer. An beiden Enden steht ein Hirsch, welchen zwei Männer am Geweih halten, und dahinter eine männliche Figur mit einem Beile in der Hand und
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eine weibliche Figur. Es scheint hier ein ganzer Opfercultus, zu welchem der Wagen selbst gedient haben wird, dargestellt zu sein. Die Einrichtung dieses Wagens ist höchst merkwürdig; jedoch scheint er aus etwas jüngerer Zeit zu stammen, als die Wagen von Peccatel und Frankfurt.
Im Jahre 1830 ward bei Radkersburg in Steiermark ein großer Fund von Bronzealterthümern gemacht, unter denen sich auch vier Räder denen von Peccatel an Größe ähnlich und ein kleineres Rad befinden. Diese Räder, welche achtspeichig sind, gehören sicher der Bronzeperiode an. Vgl. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark, Heft IV, 1853, S. 235, und Jahrbücher XX, S. 291.
Etwas anderer Art sind wohl die Bronzeräder und Wagen, welche in Ungarn gefunden sind. So befinden sich in der Esterhazyschen Sammlung große Bronzeräder, welche in Ungarn gefunden sind und 2 Fuß 5 Zoll und 2 Fuß 9 Zoll im Durchmesser haben. Zwei ähnliche Räder sollen sich in Toulouse, ein drittes in Paris befinden (vgl. Jahrb. XVIII, S. 253).
Näher scheinen den norddeutschen Wagen die Funde zu kommen, welche in Siebenbürgen gemacht sind. Hier ward ein einzelnes Rad gefunden, welches 4 174 Zoll im Durchmesser hält (vgl. Jahrb. XVIII, S.254). Auch ein kleiner Bronzewagen ward 1834 in Siebenbürgen, Szatzvaroser Stuhl, gefunden. Ueber diesen Bronzewagen, welcher im k. k. Antiken=Cabinet zu Wien aufbewahrt wird, habe ich von dem Herrn Director Arneth zu Wien (vgl. Jahrb. XVIII, S. 254) und von dem Herrn Dr. Bruzelius zu Lund, welcher 1858 den Wagen in Wien studirt hat, genauere Nachricht. Der Wagen ist jedenfalls sehr klein; nach Arneth haben die Räder 2 3/4 Zoll im Durchmesser, nach Bruzelius Beschreibung wäre das ganze Geräte kaum so hoch. Die vier Räder sind zwar vierspeichig, jedoch sind die Speichen schon künstlich gearbeitet, indem sie sich nach den Felgen hin verbreitern und ausgeschweift sind, wie die Räder der griechischen Rennwagen, vgl. Weiß Kostümkunde S. 907; die Achsen und die Langbäume sind in der Mitte etwas nach unten gebogen und die Langbäume gehen nach beiden Enden horizontal etwas gebogen zu Handhaben aus, so daß die Enden Vogelhälsen ähneln: der Wagen ist also auch an beiden Enden gleich eingerichtet. Auf den Langbäumen steht ein kleines amphorenartiges Gefäß mit Fuß. Das Ganze scheint ein Toilettengeräth, eine Salbenbüchse, zu sein und aus einer etwas Jüngern, raffinirtern Zeit zu stammen, vielleicht aus Griechenland.
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Diesem Wagen ähnlich ist das Bild auf den seltenen Münzen der griechischen Stadt Krannon, auch Ephyr genannt, in Thessalien, zwischen Pharsalus und Larissa. In der k. Münzsammlung zu Kopenhagen befindet sich ein Original dieser kleinen Münzen, eben so zu London, Paris und Wien. Diese Münzen, welche ungefähr in das 2. oder 3. Jahrhundert vor Christi Geburt fallen, haben auf der Rückseite einen vierrädrigen Wagen mit horizontalen Langbäumen, auf welchen eine Amphore steht; Vgl. T. E. Mionnet décription de médailles antiques, Paris, 1807 Tom. II, p. 10, Nr. 76, 77, und Supplement Tom. III, p. 281, Nr. 132; -Sestini lettere e dissertazioni numisinatiche, Firenze, 1821, Tom. V, p. 29; - N. F. Haym Thesaurus etc., Vindob., 1765, T. II, p. 148. Alle beschreiben das Bild dieser Münzen so: eine Vase steht auf einem kleinen Wagen, und auf jedem Rade steht ein Vogel; unter den auf den Rädern sitzenden Vögeln könnten vielleicht die Handhaben zu verstehen sein. Haym a. a. O. erklärt aus Antigoni Mirabil. Narrat. Lat. Ed. Basil. 1568, cap. 15, p. 123, das Bild so, daß die Bewohner von Krannon bei anhaltender Dürre einen eisernen Kessel auf einen Wagen gesetzt und im Pomp umhergeführt und wie eine Glocke geschlagen haben, um Regen von den Göttern zu erflehen Wenn diese krannonischen Wagen auch nicht ganz zu dem Gebrauche der übrigen Bronzewagen stimmen mögen, so scheint doch die Idee im Hintergrunde zu liegen, daß man auch in Griechenland Tempelgefäße auf Wagen hatte und ähnliche Gefäße leer umherfuhr, um es den Göttern nahe zu legen, sie zu ihrem eigenen Dienste zu füllen.
Bedeutende Anhaltspunkte geben noch die hetrurischen oder altitalischen Bronzewagen. 1 ) In G. Micali Mon. antich. pop. ital. XL, 4 ist ein kleiner Wagen in halber Größe abgebildet, dessen sechsspeichige Räder 2 1/2 Zoll im Durchmesser halten. Auf den horizontalen Achsen ruht eine dicke Platte, welche in der Mitte ein niedriges, einem Kasten ähnliches Gestell hat. Auf jeder Ecke der Platte ruht ein nach dem Ende hin sehender Löwe. Auf dem Kasten in der Mitte steht eine gegen 7 Zoll hohe Figur, welche auf dem Kopfe eine ungefähr 2 Zoll hohe Vase trägt, diese Darstellung ist der Darstellung auf dein judenburger Wagen ziemlich ähn=
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lich. Eine tuskische(?), in Sardinien gefundene Bronze, welche einen gerüsteten Krieger auf dem Marsche zeigt, wie er neben Waffen und Gepäck einen kleinen Handwagen auf dem Rücken trägt, hat für den gegenwärtigen Zweck keine andere Bedeutung, als zu zeigen, wie weit schon im Alter die Anwendung der Wagen ging (vgl. Winkelmann's Briefe über die neuesten herculan. Entdeckungen und Gesch. und Beschreibung der Abbildungen, Weiß Kostümkunde S. 1086).
Von großer Bedeutung zur Vergleichung sind die homerischen metallenen Vasen oder Tripoden, welche auf Rädern liefen (vgl. Jahrb. XV, S. 271). Als Thetis in der Wohnung des Gottes Hephaistos erschien, um für ihren Sohn Achilleus Waffen von ihm zu erbitten:
Ihn dort fand sie im Schweiß, um die Blasebälge beschäftigt,
Eifrig; denn Dreifüße bereitet' er, zwanzig in Allem,
Rings zu stehn an der Wand des wohlgegründeten Saales.
Goldene Räder befestigt er jeglichem unter dem Boden,
Daß sie aus eigenem Trieb in die Schaar eingingen der Götter,
Dann zu ihrem Gemach heimkehrten, Wunder dem Anblick.
Sie nun waren so weit gefertigt, nur noch der Henkel
Kunstwerk fehlte daran; jetzt fügt er sie, hämmernd die Nägel.
(Homer Ilias XVIII, 372-379, nach der Uebersetzung von Voß).
Diese Beschreibung stimmt nun ganz zu dem Wagen von Peccatel, von dem sich die homerischen Götterwagen nur dadurch unterscheiden, daß sie von Gold gearbeitet und Automaten waren, die sich nach eigener Einsicht oder auf Befehl von selbst bewegten. Sonst ist die homerische Beschreibung noch dadurch sehr bezeichnend, daß Hephaistos die kunstvollen Henkel mit Nägeln an die Vase nietete (und nicht löthete), wie an der Vase von Peccatel. Da Hephaistos selbst die Tripoden als Hauptkunstwerke für die Götter in den Olymp setzte, so muß man schließen, daß Homer diese erdichtete Beschreibung den zu seiner Zeit üblichen, jedoch wohl seltenen Kunstwerken, welche sicher auch zu heiligem Gebrauche dienten, entnahm. Dreifüße (τρíποδες) werden nach unzähligen Stellen die gewöhnlich auf drei Füßen ruhenden Vasen oder Gefäße ge=
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nannt, welche, da man schon früh die größte Kunst auf die Füße verwandte, sehr bald auch nach den Füßen benannt wurden, obgleich die Vasen die Hauptsache bildeten. Sicher hatten die Gestelle nicht immer drei Füße, sondern auch wohl vier oder zwei. Die Tripoden des Hephaistos werden wohl ein Wagengestell mit vier Rädern gehabt haben, da Dreifüße mit drei Rädern schwerlich gut zum Fahren geeignet sind.
Wenn auch Homer Jl. V, 722 dem Götterwagen der Here achtspeichige eherne Räder giebt, so haben doch viele Abbildungen griechischer Wagen nur vierspeichige Räder (vgl. Weiß Kostümkunde S. 455, 907, 908).
In jüngern Zeiten kommen besondere Wagen, wie Götter Wagen, Triumphwagen, Streitwagen, Fahnenwagen u. s. w., in der verschiedensten Art oft vor; vgl. J. Grimm's Rechtsalterthümer I, S. 262 flgd.; J. Grimm's Mythologie I, S. 138, 687. Der carrocio der Lombarden ist bekannt. Diese Wagen können hier jedoch nicht zur Vergleichung gezogen werden, da die Hauptsache fehlt, die Bestimmung, eine Vase zu tragen.
Die jüngste Hindeutung auf Wagen mit Gefäßen scheinen die karrâschen im Parzival von Wolfram von Eschenbach, Ausgabe von Lachmann 237, 22, und 240, 12, zu sein. Im Festsaale des Grals auf der Burg Montsalvatsch
vier karrâschen muosen tragen
manec tiwer goltvaz
ieslichem ritter der dâ saz.
man zôhs zen vier wenden.
vier ritter mit ir henden
mans ûf die taveln setzen sach.
Diese Wagen scheinen aber nur dazu bestimmt gewesen zu sein, viele goldene Gefäße auf kleinen Wagen in den Saal zu fahren, wo sie abgeladen und vorgesetzt wurden; die Wagen waren nicht mit Gefäßen fest verbunden und kamen nicht auf die Tafel.
Betrachtung und Vergleichung.
Es scheint Stoff genug vorzuliegen, um die aufgeführten kleinen Bronzewagen beurtheilen und bestimmen zu können. Der Wagen von Peccatel scheint der älteste, vollständigste und wichtigste zu sein. Demfelben gleich an Größe, Arbeit und Metall ist der Wagen von Frankfurt a. d. O. Wichtig für die Ausschmückung mit Figuren ist der Wagen von Judenburg, wenn er auch etwas jünger zu sein scheint. Dagegen
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scheinen die Räder von Radkersburg in die Zeit zu fallen, welcher der Wagen von Peccatel angehört. Die hetrurischen Wagen sind gewiß auch alt und kommen in der Zeit wohl dem Wagen von Peccatel nahe. Die Frage, wie alt diese Wagen sein können, läßt sich wohl mit Bestimmtheit dahin beantworten, daß alle diese Wagen aus der Zeit vor Christi Geburt stammen. Es sind schon so viele Wagen und Nachrichten und Zeichnungen von denselben vorhanden, daß sich ihre Verbreitung über Mittel und Südeuropa zu einer gewissen Zeit klar verfolgen läßt; es läßt sich annehmen, daß zu einer bestimmten Zeit, ehe man im Süden Europas Prachtgebäude bauete, die Bronzekultur von Morea bis Jütland dieselbe war, und daß der Geschmack in jener Zeit in Nordgermanien wenigstens eben so sehr ausgebildet war, als in Griechenland.
Wir haben freilich kein historisches Zeugniß, keine Inschrift, keine Jahreszahl über das Alter unserer Bronzealterthümer. Aber es läßt sich durch scharfe Beobachtung von tausenden von Alterthümern und Gräbern und durch Vergleichungen ein ziemlich bestimmter Schluß ziehen, in welchem alle besonnenen Forscher übereinstimmen.
In den unzähligen Gräbern der reinen Bronzeperiode wird in Norddeutschland nie Eisen und Silber, sondern nur Bronze und Gold gefunden; Eisen und Silber erscheinen aber in Norddeutschland neben gestempelten römischen Gefäßen und Münzen bald nach Christi Geburt. Der Wagen von Peccatel gehört der reinen und ausgebildeten Bronzezeit an. Die Metallmischung desselben, wie überhaupt aller norddeutschen alten Bronze, welche aus Kupfer und Zinn besteht, ist alt und der altgriechischen Bronze gleich; mit ihr tritt Goldreichthum auf. Der Rost der peccatelschen Bronzealterthümer ist alt und tief und sicher über 2000 Jahre alt, wie sich dies mit größter Wahrscheinlichkeit durch Vergleichung alter Bronzemünzen darthun läßt. Die Verfertigung von Gefäßen aus kalt gehämmerter Bronze und das Nieten derselben gehört wesentlich der ausgebildeten Bronzeperiode an. Ich trage daher kein Bedenken, den Wagen von Peccatel in die Zeit um das Jahr 1000 vor Christi Geburt zu setzen. Durch Vergleichung läßt sich diese Annahme jedoch noch fester bestimmen. In Gräbern von gleicher Beschaffenheit aus der Bronzeperiode werden neben Bronze und Gold auch Perlen von meerblauem Glase gefunden (vgl. Jahresber. IV, S. 28 und Jahrb. X, S. 275, und XIV, S. 314). Dieses älteste gefärbte Glas fällt nach den Beob=
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achtungen sicherer Forscher, wie des k. k. österreichischen Gesandten Freiherrn v. Koller zu Berlin, ziemlich genau in die Zeit um das Jahr 1000 v. C. Damit stimmen wieder die Beschreibungen in Homer und die in Hetrurien gefundenen Bronzen überein, da sowohl die (Grundlagen der homerischen Dichtung, wie die alte hetrurische Cultur in die Zeit um das Jahr 1000 v. C. fallen mögen. Von bedeutender Wichtigkeit werden die alten Bronzewagen aber dadurch, daß sie sich mit gleichzeitigen Geräthen des jüdischen Alterthums in Verbindung bringen lassen.
Die salomonischen Kesselwagen.
Der Bronzewagen von Peccatel erhält eine überraschende Erläuterung durch die "Gestühle" oder Kesselwagen, welche als große Kunstwerke vor dem Tempel Salomonis standen. Als ich in der Versammlung der Geschichts= und Alterthumsforscher in Berlin im Sept. 1858 den Bronzewagen von Peccatel vorzeigte und zu erläutern und mit andern Bronzewagen in Verbindung zu bringen suchte, war es der Herr Professor Piper zu Berlin, welcher auf die Aehnlichkeit des peccatelschen Wagens mit den salomonischen Kesseln aufmerksam machte, da die Versammlung sich ihrem Schlusse näherte, so konnte die Untersuchung nicht weiter fortgesetzt werden. Später setzte ich mich auch mit dem Herrn Professor Ewald zu Göttingen in Verbindung, welcher mir im März 1859 eine handschriftliche Erläuterung der Stelle im 1. Buche der Könige 7, 27-39 und späterhin eine am 9. Julii 1859 der Gesellschaft der Wissenschaften überreichte Abhandlung mittheilte; vgl. Nachrichten von der Universität und der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, 1859, Nr. 13, Juli 8, S. 131-146. Die lutherische Uebersetzung der äußerst schwierigen Stelle ist sehr dunkel, kann aber, bei der höchsten Achtung vor Luther staunenswerther Arbeit durch sprachvergleichende Forschung in den semitischen Dialekten ohne Zweifel bedeutend aufgeklärt werden; ohne eine solche Aufklärung ist aber ein klares Verständniß und eine Vergleichung mit andern Alterthümern kaum möglich. Es kann nicht in meiner Absicht und in dem Zweck unserer Jahrbücher liegen, eine kritische Abhandlung über alttestamentliche Archäologie zu liefern, auch würde es zu weit führen, eine vergleichende Forschung der bedeutenden Litteratur über den salomonischen Tempel vorzunehmen; ich muß mich begnügen, hier die Forschungen des
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Herrn Professors Ewald, mit seiner Erlaubniß, mitzutheilen, so weit sie zur Erkenntniß der Kesselwagen nöthig sind.
Nachdem der König Salomo den Tempel vollendet hatte, ließ er durch Hiram von Tyrus zwei eherne Säulen, ein ehernes Meer und zehn eherne Kesselwagen machen und im Vorhofe des Tempels aufstellen. Nach 2. Chron. 4, 2 und 6:
2. machte er ein gegossen Meer
6. und er machte zehn Kessel, derer setzte er fünf zur Rechten und fünf zur Linken, darinnen zu waschen, was zum Brandopfer gehört, daß sie es hineinstießen, das Meer aber, daß sich die Priester darinnen wüschen.
Diese großen Gefäße waren also zur Reinigung bestimmt, wie zu allen Zeiten die körperliche Reinigung als ein Sinnbild der geistigen Reinheit betrachtet ist.
Das Meer und die Kessel werden in 1. Kön. 7, 13 flgd. genau beschrieben. Ich lasse hier die Beschreibung nach Luthers Uebersetzung und an den die Kessel betreffenden Stellen darunter nach Ewalde Uebersetzung mit einigen nothwendigen Erläuterungen von demselben folgen, bemerke dabei jedoch, daß ich die Folge der Verse, wie sie nach dem Inhalte Zusammenpassen, da sich der Inhalt zu wiederholen scheint, an einigen Stellen umgestellt habe.
Luthers Uebersetzung.
13. Und der König Salomo sandte hin und ließ holen Hiram von Tyrus,
14. Einer Wittwe Sohn aus dem Stamme Naphthali, und sein Vater war ein Mann von Tyrus gewesen; der war ein Meister in Erz, voll Weisheit, Verstand und Kunst, zu arbeiten in allerlei Erzwerk. Da der zum Könige Salomo kam, machte er alle seine Werke.
15. Und machte zwo eherne Säulen. - - - -
-
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21. - - - - - - - - - - - - - - - -
Und die
er zur rechten Hand setzte, hieß er Jachin; und
die er zur linken Hand setzte, hieß er
Boas.
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23. Und er machte ein Meer, gegossen, zehn Ellen weit, von einem Rande zum andern rund umher, und fünf
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Ellen hoch, und eine Schnur dreißig Ellen lang war das Maaß ringsum.
24. Und um dasselbige Meer, das zehn Ellen weit war, gingen Knoten an seinem Rande rings ums Meer her; der Knoten aber waren zwo Reihen gegossen
25. Und es stand auf zwölf Rindern, - - - und das Meer oben darauf, daß alle ihre Hintertheile inwendig waren.
26. Seine Dicke aber war einer Hand breit, und sein Rand war wie eines Bechers Rand, wie eine aufgegangene Rose, und es ging darein zwei tausend Bath.
27. Und er machte auch zehn eherne Gestühle, einen jeglichen vier Ellen lang und breit und drei Ellen hoch.
28. Es war aber das Gestühle also gemacht, daß es Seiten hatte zwischen den Leisten.
29. Und an den Seiten zwischen den Leisten waren Löwen, Ochsen und Cherubim. Und die Seiten, daran die Löwen und Ochsen waren, hatten Leisten oben und unten, und Füßlein daran.
Ewalds Uebersetzung.
27. Dann machte er (Hiram) die zehn ehernen Gestelle (mechonoth), vier Ellen die Länge jedes Gestelles, vier seine Breite und drei seine Höhe.
Anm. Gestelle heißen sie, insofern sie die Kessel zu tragen bestimmt waren. Die Räder werden mit diesem Namen nicht einbegriffen, und so sind die Zahlen in diesem V. 27 zu verstehen.
28. Und das ist die Kunst des Gestelles: sie haben Einfassungen, und Einfassungen zwischen den Leisten;
Anm. Die Grundtheile jedes Gestelles sind die Einfassungen und die Leisten; von den Leisten aus erhebt sich der Träger des Kessels oder das Mundstück (bei Luther: der Hals) mit seinen vier Füßen. Die Einfassungen sind nach V. 31 viereckige Streifen, auf den Achsen befestigt, von einem Ende zum andern gebend, aber nach V. 35 in der Mitte sich bis zur Höhe des Gestelles erhebend. Der Name erklärt sich daraus, daß sie so auf beiden Seiten das Gestelle einfassen oder seine wesentlichste Außenseite bilden. Vorne aber und hinten waren die Räder durch die Achsen verbunden; aber diese Achsen V. 30 dienten zugleich ganz ähnlich wie die beiden Einfassungen das Gestelle vorne und hinten einzufassen, erhoben sich in der Mitte eben so hoch, und heißen daher zwar V. 30 mit dem gewöhnlichen Namen Achsen, sonst aber Leisten V. 28 oder mit einem noch nähern hebräischen Ausdruck Halter.
29. und auf den Einfassungen zwischen den Leisten sind Löwen, Stiere und Kerube, wie auf den Leisten eben so, oberhalb; unterhalb aber von den Löwen und Stieren sind Kränze herabhangend eingegraben.
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Luthers Uebersetzung.
30. Und ein jegliches Gestühle hatte vier eherne Räder, mit ehernem Gestell. Und auf den vier Ecken waren Achseln gegossen, eine jegliche gegen der andern über, unten an den Kessel gelehnt.
34. Und die vier Achsen auf den vier Ecken eines jeglichen Gestühls waren auch am Gestühle.
31. Aber der Hals mitten auf dem Gestühle war ein Elle hoch, und rund, anderthalb Ellen weit; und waren Pockeln an dem Hals, in Feldern, die viereckigt waren und nicht rund.
35. Und am Halse oben auf dem Gestühle, eine halbe Elle hoch, rund umher, waren Leisten und Seiten am Gestühle.
Ewalds Uebersetzung.
30. Und vier eherne Räder hat jedes Gestelle, mit ehernen Achsen; seine vier Füße aber haben Schulterstücke unterhalb des Kessels; die Schulterstücke sind gegossen, hinter eines jeden Seite Platten.
34. Die vier Schulterstücke an den vier Ecken jedes Gestelles steigen vom Gestelle selbst empor.
Anm. Wohl nicht weit einwärts von da, wo auf den Achsen die Seiteneinfassungen befestigt waren, waren auch die vier Füße befestigt, welche sich grade emporhoben und oben in etwas stärkere Schulterstücke ausliefen. Sie erhoben sich an den vier Ecken des Gestelles hinauf und waren die stärksten Stützen des oben über ihnen stehenden Kessels.
31. Seine Höhlung zwischen den Schulterstücken und weiter hinauf drei Ellen; sein Mundstück rund, gleicher Arbeit, anderthalb Ellen hoch, und auf dem Mundstücke Eingrabungen. Seine Einfassungen aber sind viereckig, nicht rund.
35. Oben aber am Gestelle ist es anderthalb Ellen hoch, rings herum rund; und bis zur Höhe des Gestelles erheben sich seine Halter und Einfassungen von ihm aus.
Anm. Innerhalb des Zwischenraumes oder der Höhlung zwischen den Füßen war ein rundes Mundstück (wie es hebräisch heißt) oder nach Luther ein Hals befestigt, auf dessen Rande ein Kessel ruhen füllte. Dieses Mundstück füllte die obere Hälfte der drei Ellen, die das ganze Gestell hoch war; unten standen also die Füße 1 1/2 bloß, und die Schulterstücke, womit sie oben endigten, gingen nicht ganz so weit nach oben hinauf, als der obere Rand des Mundstückes reichte. Dieses inwendig an die vier Füße angegossene Mundstück (man könnte es Zylinder nennen) bestand aus runden ehernen Platten.
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Luthers Uebersetzung.
32. Die vier Räder aber standen unten an den Seiten, und die Achsen der Räder waren am Gestühle. Ein jegliches Rad war anderthalb Ellen hoch.
33. Und waren Räder, wie Wagenräder. Und ihre Achsen, Naben, Speichen und Felgen war alles gegossen.
36. Und er ließ auf die Fläche derselbigen Seiten und Leisten graben Cherubim, Löwen und Palmenbäume, ein jegliches am andern, rings umher daran.
37. Auf diese Weise machte er zehn Gestühle, gegossen, einerley Maaß und Raum war an allen.
38. Und er machte zehn eherne Kessel, daß vierzig Bath in einen Kessel gingen; und war vier Ellen groß; und auf jeglichem Gestühle war ein Kessel.
Ewalds Uebersetzung.
32. Was aber die vier Räder unterhalb der Einfassungen und der Halter der Räder am Gestelle betrifft, so ist die Höhe jedes Rades anderthalb Ellen.
33. Die Arbeit der Räder aber ist wie die des Wagenrades, ihre Halter, Felgen, Speichen und Naben, alles gegossen.
Anm. Von den Rädern ist V. 32 und 33 noch ein Mal bestimmter die Rede, um ihre Höhe nachzuholen und zu sagen, daß sie übrigens ganz gewöhnlichen Wagenrädern glichen.
36. So grub er denn auf diese Platten, die Halter und die Einfassungen jedes Gestelles Kerube, Löwen und Palmenlaub, wie jedes am Platze war, mit Kränzen ringsum.
Anm . Die Verzierungen oder nach V. 31 Eingrabungen im Erze werden noch einmal deutlicher hervorgehoben. Sie bestanden aus Kerzen, Stieren, Löwen und Palmen, welche auch sonst bei den salomonischen Heiligenthümern immer vorkommen; aber hier stand unter einer Reihe dieser vier Bilder (von denen bisweilen zufällig nur zwei oder drei genannt werden) immer eine andere Reihe von fortlaufenden Kränzen, als untere Reihe nach unten hin gekehrt.
37. Also machte er die zehn Gestelle: einen Guß, ein Maaß, eine Gestalt haben sie alle.
38. Dann machte er zehn eherne Kessel: vierzig Maaß Wasser enthält jeder Kessel, vier Ellen hoch ist ein jeder hervorragend über einem der zehn Gestelle.
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Luthers Uebersetzung.
39. Und setzte fünf Gestühle an die rechte Ecke des Hauses, und die andern fünf an die linke Ecke; aber das Meer setzte er zur rechten vorne an gegen Mittag.
Ewalds Uebersetzung.
39. Und er stellte von den Gestellen fünf auf die rechte (südliche) Seite des Hauses (Tempels) und fünf auf die linke Seite desselben, das Meer aber stellte er auf der südlichen Seite südöstlich auf.
Diese salomonischen Kesselwagen gleichen nun, mit Ausnahme der "Einfassungen und Leisten" oder der Seitenverzierungen des Gestelles, ganz dem bronzenen Kesselwagen von Peccatel, nur daß die Größe beider sehr verschieden ist, indem die großen (zum Fahren auf der Erde bestimmten) salomonischen Wagen frei im Vorhofe des Tempels auf der Erde standen, der kleine (tragbare) meklenburgische Wagen auf einem Tische oder Altare zu stehen und zu rollen bestimmt war. Der Wagen von Peccatel bildet ein Quadrat mit vier gegossenen ehernen Rädern, welche ein Gestell tragen, auf welchem mit vier Füßen ein Cylinder (Hals oder Mundstück) steht, der einen ehernen Kessel trägt. Grade so sind die salomonischen Kesselwagen eingerichtet. Vier gegossene eherne Räder (V. 30, 32 und 33) tragen ein quadratisches (V. 27) Gestell, von dessen Ecken vier Füße (V. 34) emporsteigen, welche ein rundes Mundstück (V. 31) tragen, auf dem ein eherner Kessel ruht (V. 38). Beide Kesselwagen stimmen also in ihrem Bau fast ganz mit einander überein. Zwar wird das Gestell nicht genau beschrieben, aber es wird dem des peccatelschen Wagens ähnlich gewesen sein, da sowohl auf dem peccatelschen, als auf den salomonischen Wagen der Kessel von einem Cylinder getragen wird, und nicht von einer Figur, wie auf den übrigen Bronzewagen. Die salomonischen Kesselwagen unterscheiden sich von dem peccatelschen, außer durch die Größe, allein in der Verzierung dadurch, daß die salomonischen Kesselwagen eine Verkleidung des Gestelles durch glatten (Einfassungen und Leisten) (V. 28) hatten, welche mit Löwen, Stieren und Cherubim und herabhangenden Kränzen (V. 29 und 36) verziert waren. Hierin ähnelt der etru=
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rische Wagen den salomonischen, indem auf den vier Ecken einer breitern Unterlage Löwen zur Verzierung liegen; auch der Wagen von Judenburg erinnert daran, welcher auf der auf den Achten ruhenden glatte vielerlei Figuren trägt. Die salomonischen Kesselwagen werden übrigens schon in den alten plattdeutschen Bibeln, namentlich der von Ludwig Dietz in Rostock herausgegebenen plattdeutschen Bibel, dem peccatelschen Wagen ziemlich ähnlich, abgebildet, und die geschichtliche Verfolgung der Ideen in den Abbildungen könnte ein erhebliches Interesse bieten.
Abgesehen davon, wie alt die biblischen Beschreibungen sind, so fällt die Verfertigung der salomonischen Kesselwagen ungefähr auch in das Jahr 1000 vor Christi Geburt, oder genauer ungefähr in die Zeit 1022-1015 v. Ch.; wir gelangen hindurch zu der merkwürdigen Entdeckung, daß ungefähr zu einer und derselben Zeit um das Jahr 1000 v. C. in den entferntesten Gegenden, in Jerusalem und in den Ostseeländern, dieselbe seltene gottesdienstliche und gewerbliche Bildung herrschte, ein Ergebniß, welches eine feste Grundlage der Alterthumswissenschaft werden und ein ungeahntes Licht in dieselbe werfen kann.
Ewald sagt in den göttinger Nachrichten: "Die salomonischen Kesselwagen werden nicht etwa aus später Zurückerinnerung und so vielleicht minder anschaulich und zuverlässig, sondern von alter, kundiger Hand, als sie noch neu waren und eben als neue die Aufmerksamkeit desto mehr reizten, beschrieben. - - Denn daß diese Beschreibung der heiligen Kesselwagen wirklich von einem sehr alten, ja ihrer Verfertigung gleichzeitigen Erzähler herrührt, habe ich in der Geschichte des V. J. Bd. I und III so bestimmt erwiesen, daß es hier als sicher vorausgesetzt werden kann. Dadurch wächst nun zwar für uns sehr die Wichtigkeit dieser noch aus dem elften Jahrhundert vor Chr. - -stammenden Beschreibung; allein das hebräische Wortgefüge giebt sich hier offenbar, sobald man das ganze Stück zu verstehen versucht, als ein durch spätere Hände ziemlich entstelltes zu erkennen. - - Die Beschreibung geht noch in das Zeitalter Salomos selbst zurück". - - "Das größte Ergebniß ist hier, daß wir eine nähere Verwandtschaft zwischen althebräischen und alteuropäischen Gebräuchen und Einrichtungen sehen, welche man schwerlich leicht in dieser Weise vorausgesetzt hätte. Die Kesselwagen, welche man an verschiedenen Orten Europas wiedergefunden hat, stimmen zwar nicht in jeder Einzelnheit mitten alt=
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hebräischen überein, aber im Ganzen und Großen giebt sich zwischen ihnen die denkwürdigste Aehnlichkeit zu erkennen. - - Wir können nicht voraussetzen, daß diese in Europa gefundenen Alterthümer etwa bloße Nachahmungen oder absichtliche Nachbildungen der hebräischen seien: - - nach allem, was wir bis jetzt erkennen können, führen uns diese alten Geräthe in jene entfernten Zeiten hinauf, wo überhaupt zwischen den heiligen Gebräuchen der verschiedensten Völker Asiens und Europas noch eine größere Gleichheit herrschte."
Das Schicksal der salomonischen Kesselwagen läßt sich aus den Schriften des Alten Testaments genau verfolgen. In der Zeit von 1022-1025 v. C. wurden die salomonischen Kesselwagen mit den übrigen Tempelgeräthen verfertigt. Sie blieben gegen 300 Jahre lang unversehrt im Vorhofe des Tempels stehen. Um das Jahr 730 v. C. nahm der schwache König Ahaz dem Tempel manchen scheinbar weniger nöthigen Schmuck, um mit dessen Verkaufe die nöthigen Abgaben an den assyrischen König zu gewinnen, und riß dabei auch die verzierten ehernen Einfassungen oder Umkleidungen der Wagengestelle ab, nach 2. Kön. 16, 17:
17. Und der König Ahas brach ab die Seiten an den Gestühlen und that die Kessel oben davon und das Meer that er von den ehernen Ochsen, die darunter waren, und setzte es auf das steinerne Pflaster.
Es ist nicht ganz klar, ob Ahas außer den Einfassungen auch die Kessel, die er "abthat", verkauft oder auf die Erde gesetzt habe; vielleicht verkaufte er sie auch.
Die Wagengestelle bleiben noch über 150 Jahre vor dem Tempel stehen und bei der ersten Eroberung Jerusalems durch Nebucad=Nezar im J. 597 v. C. ungestörte wie Jeremias (seit 629 v. C.), der die große Begebenheit erlebte, Jerem. 27, 19 flgd. berichtet:
19. Denn also spricht der Herr Zebaoth von den Säulen und vom Meer und vom Gestühle und von den Gefäßen, die noch übrig sind in dieser Stadt, 20. welche Nebucad=Nezar, der König zu Babel, nicht wegnahm,
22. sie sollen gen Babel geführt werden und daselbst bleiben bis auf den Tag, da ich sie heimsuche und sie wiederum herauf an diesen Ort bringen lasse.
Daher konnte auch der Prophet Hesekiel (599 v. C.) noch das Gesicht haben, welches er Cap. 1 und 10 beschreibt, da er die Kesselwagen noch gesehen hatte.
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Bei der allgemeinen Zerstörung Jerusalems unter Nebucad=Nezar durch Nebusa=Adan im J. 586 v. C. wurden aber die Gestühle und das Meer zerstört, indem die Chaldäer die Geräthe zerschlugen und das Erz nach Babylon führten, nach 2. Kön. 25, 8-13 und Jeremias 52, 12-17.
2. Kön. 25, 8. Am siebenten Tage des fünften Monats, das ist das neunzehnte Jahr Nebucad=Nezars, des Königs zu Babel, kam Nebusar=Adan, der Hofmeister, des Königs zu Babel Knecht, gen Jerusalem,
9. Und verbrannte das Haus des Herrn und das Haus des Königs und alle Häuser zu Jerusalem, und alle großen Häuser verbrannte er mit Feuer.
10. Und die ganze Macht der Chaldäer, die mit dem Hofmeister war, zerbrach die Mauern um Jerusalem her.
13. Aber die ehernen Säulen am Hause des Herrn und die Gestühle und das eherne Meer, das am Hause des Herrn war, zerbrachen die Chaldäer und führten das Erz gen Babel.
Auf die Nachrichten, welche Flavius Josephus bringt, ist kein Gewicht zu legen, da derselbe nur die griechische Uebersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta, benutzt.
Möglich wäre es, daß sich im Schutte von Jerusalem noch Ueberreste fänden, und sorgsame Nachgrabungen möchten sich wohl der Mühe verlohnen; wenn sich auch grade keine Ueberreste der Kesselwagen fänden, so würde doch gewiß vieles Andere von großer Wichtigkeit ans Licht treten.
Die Evangelisten=Symbole.
Die salomonischen Kesselwagen scheinen einen bildnerischen Einfluß gehabt zu haben, der sich bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt hat. Bekanntlich werden die vier Evangelisten durch Symbole dargestellt, Matthäus durch einen Menschen oder Cherub, Marcus durch einen Löwen, Lucas durch einen Stier, Johannes durch einen Adler, alle mit Flügeln, welche offenbar der Gestaltung der Cherubim entlehnt und altasiatischen oder ägyptischen Ursprungs sind. Diese Symbole sind bekanntlich einem "Gesichte" des Propheten Hesekiel entnommen, dessen Beschreibung ich der Wichtigkeit wegen mit den übrigen betreffenden Stellen hier ganz hersetze.
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Prophet Hesekiel.
Cap. 1.
1. Im dreißigsten Jahr, am fünften Tage des vierten Monats, da ich war unter den Gefangenen am Wasser Chebar, that sich der Himmel auf und Gott zeigte mir Gesichte.
4. Und ich sahe, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Mitternacht her mit einer großen Wolke voll Feuer, das allenthalben umher glänzte, und mitten in demselbigen Feuer war es wie lichthelle;
5. Und darinnen war es gestaltet wie vier Thiere, und unter ihnen eines gestaltet wie ein Mensch;
6. Und ein jegliches hatte vier Angesichter und vier Flügel;
7. Und ihre Beine standen gerade, aber ihre Füße waren gleich wie runde Füße, und glänzten wie ein hell glattes Erz.
9. Und wenn sie gingen, durften sie sich nicht herum lenken; sondern wo sie hingingen, gingen sie stracks vor sich.
10. Ihre Angesichter zur rechten Seite der Vier waren gleich einem Menschen und Löwen; aber zur linken Seite der Vier waren ihre Angesichter gleich einem Ochsen und Adler.
12. Wo sie hingingen, da gingen sie stracks vor sich: sie gingen aber, wohin der Wind stand, und durften sich nicht herum lenken, wenn sie gingen.
15. Als ich die Thiere so sahe, siehe da stand ein Rad auf der Erde bei den vier Thieren, und war anzusehen, wie vier Räder.
16. Und dieselbigen Räder waren wie ein Türkis, und waren alle vier eins wie das andere, und sie waren anzusehen, als wäre ein Rad im andern.
17. Wenn sie gehen sollten, konnten sie in alle ihre vier Orte gehen, und durften sich nicht herum lenken, wenn sie gingen.
18. Ihre Felgen und Höhe waren schrecklich; und ihre Felgen waren voller Augen um und um an allen vier Rädern.
19. Und wenn die Thiere gingen, so gingen auch
die Räder neben ihnen
.
26. Und über dem Himmel, so oben über ihnen war,
war es gestaltet, wie ein Sapphir, gleichwie ein
Stuhl, und auf demselbigen Stuhl saß einer,
gleichwie ein Mensch gestaltet
.
28. Dies war das Ansehen der Herrlichkeit des Herrn.
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1. Und ich sahe, und siehe, am Himmel über dem Haupt der Cherubim war es gestaltet, wie ein Sapphir, und über demselbigen war es gleich anzusehen, wie ein Thron.
2. Und er sprach zu dem Manne im Leinewand: gehe hinein zwischen die Räder unter den Cherub und fasse die Hände voll glühender Kohlen, so zwischen Cherubim, und streue sie über die Stadt.
3. Die Cherubim aber standen zur Rechten am Hause und der Vorhof ward inwendig voll Nebel.
4. Und die Herrlichkeit des Herrn erhob sich von dem Cherub zur Schwelle am Hause; und das Haus ward voll Nebel, und der Vorhof voll Glanz von der Herrlichkeit des Herrn.
6. Und da er dem Manne im Leinewand geboten hatte und gesagt: Nimm Feuer zwischen den Rädern unter den Cherubim; ging derselbige hinein und trat bey das Rad.
9. Und ich sahe, und siehe, vier Räder standen bey den Cherubim, bey einem jeglichen Cherub ein Rad.
19. Da schwungen die Cherubim ihre Flügel und erhoben sich von der Erde vor meinen Augen, und da sie ausgingen, gingen die Räder neben ihnen. Und sie traten in das Thor am Hause des Herrn gegen Morgen, und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen.
Der Prophet ist in der Gefangenschaft und sieht im Geiste sehnsuchtsvoll die "Herrlichkeit des Herrn" im Anschauen des "Vorhofes des Tempels des Herrn" zu Jerusalem. Hier sah er im Geiste vier Thiere mit Flügeln, welche glänzten, wie Erz, einen Menschen, Löwen, Ochsen und Adler, und ein Rad bei jedem Thiere, welches sich mit dem Thiere bewegte, jedoch nur vorwärts und rückwärts, denn sie konnten sich nicht herumlenken, wenn sie gingen. Diese Thiere sind ohne Zweifel die Thiere, mit denen die salomonischen Kesselwagen verziert waren. Wenn man den Vorhof des Tempels betrat, so erblickte man zuerst das Meer und die Kesselwagen. Da nun Hesekiel die Herrlichkeit des Herrn im Anschauen des Vorhofes des Tempels erkennt, so konnte er auch im Geiste nichts anders erkennen, als was er dort sehen konnte und was er dichterisch ausschmückte. Er sah die gleichen Kesselwagen und beschreibt jedes Rad mit dem darüber auf der "Einfassung" zur Verzierung angebrachten symbolischen Thiere. Man kann es nicht denken, daß der Prophet auf eine andere Weise zu einem solchen Gesichte gekommen sei; denn es ist fast nicht zu glauben, daß jemand, um die Herr=
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lichkeit des Herrn zu schildern, auf den sonst ganz fern liegenden Einfall kommen könnte, z. B. einen Ochsen darzustellen, neben welchem ein Rad läuft! Die vier Thiere, welche der Prophet sieht, sind also die vier Räder eines zur Reinigung und zum Opfer bestimmten Kesselwagens mit den darüber stehenden symbolischen Thieren, oder jedes Thier mit einem Rade ist ein Viertheil eines Kesselwagengestells. Zum sichern Beweise, daß der Prophet die Gestalten auf dem Kesselwagen meint, fügt er bedeutsam hinzu, daß sie sich nur vorwärts und rückwärts bewegen und nicht umlenken konnten. Dies ist den Wagen entnommen, welche fest zusammengenietet waren und nur vorwärts und rückwärts bewegt werden konnten. Zwar waren die salomonischen Kesselwagen mit Cherubim, Löwen, Ochsen und Palmen verziert, und Hesekiel sieht Räder mit Cherubim, Löwen, Ochsen und Adlern. Der Prophet hat also Adler statt Palmen. Hier kann aber irgendwo ein Irrthum stecken; vielleicht sind auch die Beschreibungen der Kesselwagen nicht ganz genau.
Durch diese dichterische Schilderung veranlaßt, glaube ich die Einrichtung der salomonischen Kesselwagen noch genauer muthmaßlich darstellen zu können, als oben geschehen ist. Die vier Räder trugen ein Gestell, d. h. eine Zusammenstellung von Achsen und Langbäumen, welches zur Bildung eines Wagens nothwendig war, um dem Ganzen Haltung zu geben, oder eigentlich den Haupttheil des Wagens bildete, ähnlich wie an dem peccatelschen Wagen. Dieses Gestell war mit ehernen, von Leisten begrenzten, breiten Einfassungen umkleidet, welche auf den Achsen ruheten, um das eigentliche, unkünstlerische Wagengestell zu verdecken; innerhalb dieser verzierenden Umkleidung standen, wie auf dem peccatelschen Wagen, auf den Achsen vier Füße, welche einen Säulenschaft (oder Hals, Mundstück) mit dem Kessel trugen. Die verkleideten Einfassungen waren mit eingegrabenen (V. 29) Palmen und Kränzen verziert. Auf den vier Ecken der Einfassungen, welche vielleicht oben zugedeckt waren, standen über den Achsen der Wagen aber die symbolischen Gestalten: ein Löwe, ein Ochse und zwei Cherube (oder ein Cherub und ein Adler) frei als Bildsäulen, vielleicht auch zu Stützen, um den Rand der Kessel zu halten. So ungefähr sind auch die alten südenropäischen Kesselwagen gebildet, indem die Gestalten frei auf den Platten stehen. Es wäre sonst freilich kaum zu erklären, wie Hesekiel die vollen Gestalten über den Rädern hatte sehen können. Jedenfalls verdient diese Darstellung eine gründliche Untersuchung gelehrter und umsichtiger Forscher im hebräischen Alterthum.