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von
großherzoglich=mecklenburgischem
Archiv=Rath,
Conservator der
Kunstdenkmäler des Landes,
Regierungs=Bibliothekar,
Director der
großherzoglichen Alterthümer= und
Münzen=Sammlungen zu Schwerin,
Ritter
des Rothen Adler=Ordens 3. Classe, des
Oldenburgischen Haus=, und Verdienstordens
3. Classe und des Dannebrog=Ordens 3.
Classe, Inhaber der großherzogl. meklenb.
goldenen Verdienst=Medaille und der königl.
hannoverschen goldenen Ehren=Medaille für
Wissenschaft und Kunst, der kaiserlich
österreichischen und der kaiserlich
russischen goldenen Verdienst=Medaille für
Wissenschaft,
correspond. Mitgliede der
königlichen Akademien der Wissenschaften zu
Göttingen und zu Stockholm, der kaiserl.
archäolog. Gesellschaft zu St. Petersburg
und der oberlausitz. Gesellschaft der
Wissenschaften zu Görlitz, Ehrenmitgliede
der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig und
Ehrencorrespondenten der kaiserl. Bibliothek
zu St. Petersburg, Mitvorsteher des
naturgeschichtlichen Vereins für
Meklenburg,
Ehrenmitgliede
der
geschichts= und alterthumsforschenden
Gesellschaften zu Dresden, Mainz,
Hohenleuben, Meiningen, Würzburg, Sinsheim,
Königsberg, Lüneburg, Luxemburg und
Christiania,
correspondirendem
Mitgliede
der geschichts. und
alterthumsforschenden Gesellschaften zu
Lübeck, Hamburg, Kiel, Stettin, Hannover,
Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau,
Kassel, Regensburg, Kopenhagen, Gratz,
Reval, Riga, Leyden, Antwerpen,
als
erstem Secretair des Vereins für
meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.
Mit einer Kupferstichtafel, einer Steindrucktafeln und funfzehn Holzschnitten.
Mit angehängten Quartalberichten.
Auf Kosten des Vereins.
In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung (Didier Otto).
A. Jahrbücher für Geschichte. |
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I. | Joachim von Jetze, Canzler des Herzogs Albrecht von Meklenburg, von dem Pastor Ragotzky zu Triglitz | 3 | ||||
II. | Joachim von Jetze, Canzler des Herzogs Albrecht und dessen Regierung, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch | 9 | ||||
Ueber die Reformation zu Gadebusch | 22 | |||||
III. | Ueber des Dr. Johann Knutzen Gesandtschaftsreise an den Kaiser Karl V. in Italien im Jahre 1533, von demselben | 48 | ||||
IV. | Ueber die Reformation zu Stuer, von demselben | 55 | ||||
V. | Ueber den fürstlich werleschen Gestüt= und Jagdhof Pustekow bei Güstrow, von denselben | 60 | ||||
VI. | Ueber die Töchter und Schwiegertöchter des Fürsten Johann II. von Werle=Güstrow, von demselben | 69 | ||||
VII. | Miscellen und Nachträge. | |||||
1) | Das Schloß Kobelbrück | 76 | ||||
Nachtrag S. 303. | ||||||
2) | Die Schlösser zu Wismar und Schwerin | 77 | ||||
3) | Das St. Georgen=Hospital zu Plau | 79 | ||||
4) | Die von Moltke in der Schlacht bei Axenwalde | 81 | ||||
5) | Tolle Wölfe in Meklenburg | 81 | ||||
6) | Andreas Mylius | 82 | ||||
7) | Hiob Magdeburg | 83 | ||||
8) | Adam Siberus | 84 | ||||
9) | Elias Aderpol | 85 | ||||
10) | Faustinus Labes | 86 | ||||
11) | Die Annaten des Bisthums Schwerin | 87 | ||||
12) | Die Saline zu Golchen | 87 | ||||
13) | Die Einräumung des Klosters Ribnitz | 88 | ||||
VIII. | Urkunden=Sammlung, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch | 90 | ||||
B. Jahrbücher für Alterthumskunde. |
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I. | Zur Alterthumskunde im engern Sinne | 113 | ||||
1) | Vorchristliche Zeit | 115 | ||||
a. | Steinzeit | 115 | ||||
Ueber die Hünengräber von Alt=Sammit, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch | 115 | |||||
a. | Bronzezeit | 135 | ||||
Ueber die Bronzealterthümer von Stubbendorf und die Götterzeichen der Germanen, von demselben | 138 | |||||
Mit einem Holzschnitt. | ||||||
Ueber Emaillirung der Schwertgriffe, von demselben | 146 | |||||
Mit zwei Holzschnitten. | ||||||
Ueber Bronzewagen, von demselben | 150 |
c. | Eisenzeit | 161 | ||||
Ueber das Alter der Eisenperiode und das Grab von Wotenitz, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch | 161 | |||||
Mit vier Holzschnitten. | ||||||
Ueber die bronzenen Hängeurnen, von demselben | 172 | |||||
Mit vier Holzschnitten. | ||||||
d. | Alterthümer gleich gebildeter europäischer Völker | 177 | ||||
Ueber eine hetrurischeUrne in München, von demselben | 177 | |||||
2) | Alterthümer des christlichen Mittelalters und der neuern Zeit | 179 | ||||
II. | Zur Baukunde. | |||||
1) | Vorchristliche Zeit | 181 | ||||
Ueber den Burgwall von Teterow und die Stiftung des Klosters Dargun, von demselben | 181 | |||||
Ueber die Burg Glaisin und die Connoburg, von demselben | 196 | |||||
2) | Christliches Mittelalter | 213 | ||||
a. | Weltliche Bauwerke | 213 | ||||
b. | Kirchliche Bauwerke | 215 | ||||
Ueber die Glasmalereien in der Kirche zu Dargun, von demselben | 215 | |||||
Ueber die Kirche zu Bernit und ihre Wandmalereien, von demselben | 232 | |||||
III. | Zur Münzkunde. | |||||
Ueber den Silberfund von Schwaan, von den Archiv=Räthen Lisch und Masch | 241 | |||||
Mit einer Kupferstichtafel und einem Holzschnitt. | ||||||
IV. | Zur Geschlechter und Wappenkunde | 285 | ||||
Ueber das Wappen der Familie von Flotow, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch | 288 | |||||
Mit einem Holzschnitt. | ||||||
V. | Zur Kunstgeschichte | 291 | ||||
Ueber den bronzenen Thürring in der Petrikirche zu Lübeck, von dem Maler Milde zu Lübeck | 291 | |||||
Mit einer Steindrucktafel. | ||||||
Ueber die Bilder der Königin Margaretha Spraenghest von Dänemark, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch | 293 | |||||
Mit einem Holzschnitt. | ||||||
VI. | Zur Naturkunde. | |||||
Ueber Rennthiergeweihe, von demselben | 298 | |||||
Nachtrag: Ueber das Schloß Kobelbrück, von demselben | 303 |
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für
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Mitgetheilt
von dem Pastor Ragotzky zu Triglitz 1 ).
J oachim von Jetze, ein für die meklenburgische Geschichte nicht unwichtiger Mann, gehört einer altmärkischen adeligen Familie an, deren Stammeseinheit und ursprüngliche Zusammengehörigkeit mit den v. Gartow, v. Kerkow, v. d. Knesebeck und andern Geschlechtern schon durch ein und dasselbe Wappenbild - die Greifenklaue - und durch die nahe bei einander liegenden Stammsitze wahrscheinlich gemacht wird, theilweise auch noch urkundlich zu begründen ist. Die v. Jetze sind bis auf die neuere Zeit fast nur in der Altmark begütert gewesen, in Meklenburg zu keiner Zeit. Joachim v. Jetze mag ungefähr 1480 geboren sein: sein Vater war Henning v. Jetze auf Büste bei Bismark, nach dessen Tode (1506) er nebst seinen drei älteren Brüdern mit den väterlichen Gütern mitbelehnt,
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auch bei einer Verpfändung derselben 1509 als betheiligt aufgeführt wird. Joachim trat in den geistlichen Stand und wird 1512 als der jüngste Domherr zu Stendal genannt; im J. 1516 wird er, jedoch ohne nähere Bezeichnung seines Standes, wieder mitbelehnt, 1519 ist er nicht mehr in der Heimath anwesend und ebenso 1522, wo er bei einer neuen Belehnung durch seinen Bruder Claus vertreten werden mußte. Es ist nicht nachzuweisen, wohin er zunächst sich begeben habe, aber nach einer sehr dankenswerthen Mittheilung des Herrn Archiv=Raths Dr. Lisch tritt Joachim v. Jetze von 1529 an als Propst 1 ) des Nonnenklosters Eldena bei Hagenow urkundlich auf, jedoch nur in Geschäften des Klosters, die sonst kein Interesse haben. Am 14. April 1532 unterschreibt er sich in einem Geschäftsbriefe als der Herzöge "cappelan Jochim vhan Jetze prawest zur Eldenha" und versiegelt denselben mit einem Ringsiegel, das die Greifenklaue zeigt in einem Schilde, über welchem die Buchstaben A. I. stehen; ebenso am 29. Mai 1533.
In dieser Stellung hat er die Aufmerksamkeit des Herzogs Albrecht des Schönen auf sich zu ziehen gewußt, und, wenn auch nur auf kurze Zeit, doch sicher schon seit dem J. 1530 für denselben Geschäfte als Canzler 2 ) versehen. In Briefen der Grafen Christoph von Oldenburg und Johann von Hoya, so wie des lübecker Bürgermeisters Jürgen Wullenwever an jenen Herzog wird er geradezu Canzler desselben genannt ("ern Joachim Jetze cantzler") 3 ).
Zu Anfange des Jahres 1535 sandte ihn der Herzog Albrecht nach Kopenhagen, damit er dort dessen Interesse vertrete. Es handelte sich damals um den Königsthron von Dänemark, ja selbst um den Besitz von Schweden. Christian II. von Dänemark saß gefangen, der Thronprätendent Herzog Christian von Holstein, nachmals König Christian III., konnte mit seinen Ansprüchen auf die Krone nicht durchdringen, zumal die Lübecker unter ihrem Bürgermeister Jürgen Wullenwever ihn heftig bekämpften. Die Gegner des Herzogs von Holstein, welche zugleich den Verbündeten desselben, den König Gustav von Schweden, befehdeten, hatten dem Herzoge Albrecht den
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schwedischen Thron versprochen, wenn er sie in der Wiedereinsetzung des gefangenen Königs Christian II. unterstützen wolle: Albrecht mochte auch wohl selbst auf den Besitz von Dänemark sich Rechnung gemacht haben 1 ).
Joachim v. Jetze kam am 6. Januar 1535 in Kopenhagen an 2 ) und wußte durch mancherlei Versprechungen und geschickte Unterhandlungen die Sache seines Fürsten besonders bei der Volkspartei so gut zu vertreten, ebenso aber auch die damals dort dominirenden auswärtigen wie einheimischen vornehmen Persönlichkeiten so für denselben zu gewinnen 3 ), daß, wie er am 1. Februar schrieb, "ein Jeder Herzog Albrechten haben will" 4 ). Er rechnete dabei vorzüglich auf das Volk: "wir wollen, schrieb er, Herrn Omnes aufwecken und das Unkraut (den Reichsrath) ausweiden, sonst können wir zuvor zu keinem Thun kommen" 5 ). Doch mahnt er dabei immer zur größten Vorsicht: "derowegen wollen sich Ew. F. Gn., noch die Ihren, keineswegs hören oder vermerken lassen, daß Sie etwas mehr vom Reiche begehrten, oder begehrten König zu sein; denn es haben schon Etliche allhie Meuterei unter dem Volke gemacht, als meinte Ew. Gnaden nicht König Christian, sondern das Königreich" 6 ). Endlich am 4. März meint er Alles so weit geleitet zu haben, daß er dem Herzoge schreiben kann, derselbe möge "Gott den Allmächtigen getreulich in demüthiger Bitte anrufen, loben und danken für seine göttliche Gnade und Barmherzigkeit, daß er sichtbar in dieser Sache E. F. G. erhört hat; das ist seine göttliche Gnade und Gabe, sonst wäre das unmöglich, daß das ganze Volk und Königreich E. F. G. so heiß begehren, und schreien und klagen über E. F. G. Verzögerung; wie die lieben Altväter begehrten die Zukunft unseres Herrn, so begehren sie Ihre Gnaden" 7 ).
Aber trotz der dringendsten Bitten des Joachim v. Jetze erschien weder Herzog Albrecht selbst zur rechten Stunde, noch sandte er die von seinem Kanzler eben so dringend erbetenen Hülfstruppen, noch die nöthigen Gelder für die schon vorhandene kleine Mannschaft; er scheint selbst an dem glücklichen Ausgange des Unternehmens gezweifelt zu haben, auch durch
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andere gleichzeitige politische Verhandlungen behindert worden zu sein. Selbst als Joachim v. Jetze das dem Herzoge übertragene Wordingborg auf Seeland in Besitz nahm, und Alles zum Empfange desselben in Bereitschaft setzte 1 ), und als nun alle Freunde den rechten Zeitpunkt zum entschiedenen Handeln für Albrecht gekommen meinten, zögerte er immer noch. Dies und andere politische Combinationen ließ den Eifer für Herzog Albrecht erkalten und brachte seinen Kanzler den Machthabern in Kopenhagen gegenüber in eine so mißliche Stellung, daß er schon am 9. März über die dortige Stimmung sich unmuthig also äußert: "daß sich wohl etliche Leute hören lassen, sie könnten nichts Anderes vermerken, denn daß Ew. Gnaden ein Königreich mit Schreiben und Briefen wollen einnehmen, und hab so lange den Leuten vorgelogen und getrogen, daß ich schier Niemand mehr recht ansehen darf; derowegen ich mich auch in acht oder vierzehn Tagen will aufmachen und hinausziehen, denn ich muß mich deß vermuthen, wenn Ew. Gn. so bald nicht kommen, daß man mir und denjenigen, so Ew. Gn. hereingeschickt, den Hals entzweischlägt" 2 ). Dazu kam noch, daß auch in religiöser Beziehung das anfangs schon vorhandene Mißtrauen gegen Herzog Albrecht zunahm. Dieser gehörte noch der katholischen Partei an, während die Bewegung in Dänemark den Protestantismus begünstigte. Joachim v. Jetze fordert deßhalb seinen Fürsten mehrfach dringend auf, "sich der Messe und aller alten Ceremonien zu entschlagen, und mit dem gemeinen Mann zu helfen und zu bewilligen, die Bischöfe, Abte und den Adel zu verjagen und auszutreiben, und sich in allen Dingen auf die evangelische Weise zu schicken: wenn man erführe, daß Ew. Gn. mit Messen und anderen Ceremonien in der papistischen Weise umgingen, so wäre alle Mühe und Arbeit verloren" 3 ). Er bittet auch in einem sehr offenherzigen Schreiben vom 4. März, in welchem er sich E. F. Gn. armer elender Pfaffe unterzeichnet, daß nur "E. F. Gn. der Lutherei anhange, das sie das Wort Gottes nennen; es muß auch E. F. Gn. ganz heimlich halten mit dem hochwürdigsten Amt der heiligen Messe" 4 ). Aber auch in dieser Beziehung scheint des Kanzlers Bemühung vergebens gewesen zu sein, wie denn das ganze Unternehmen im J. 1536 gründlich gescheitert war.
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Mit einem kurzen Briefe aus Kopenhagen vom 4. Mai 1535 hören die Nachrichten über den Aufenthalt des Joachim v. Jetze in Dänemark auf. Darnach wird seiner in dieser Sache nur einmal noch gedacht: er begleitete nämlich - hier noch Kanzler genannt - am 17. August 1536 eine Anzahl gefangener vornehmer Dänen "alze einer vann eren giselernn" von Güstrow nach Hamburg 1 ).
Sehen wir auf die politische Thätigkeit des Joachim v. Jetze zurück, so ist die Gewandtheit gewiß nicht zu verkennen, mit welcher er jene so schwierige Mission durchführte, bis sie an der Macht der Umstände scheiterte. Er erscheint in diplomatischen Künsten und Umwegen bewanderter, als man es von dem geistlichen Herrn erwarten sollte; auch in seiner religiösen Ueberzeugung und kirchlichen Stellung weiß er sich nach den Umständen zu wenden, und sein Verhalten in dieser Beziehung ist zweideutig genug. Daraus, daß der katholische Herzog grade ihn zum Unterhändler mit den lutherisch gesinnten Lübeckern und Dänen wählte, so wie aus seinen Versprechungen, daß der Herzog nach der evangelischen Weise sich halten werde, namentlich aber auch aus seinen oben erwähnten religiösen Aeußerungen scheint hervorzugehen, daß er innerlich ziemlich indifferent zu den jene ganze Zeit so mächtig bewegenden religiösen Fragen stand, und vielmehr der Ansicht folgte, daß sich die äußere Stellung zu dem religiösen Bekenntniß ganz nach dem persönlichen politischen Interesse richten müsse. Nach seinem Briefe vom 4. März (s. o.) scheint er indeß dem lutherischen Glauben ganz abgeneigt gewesen zu sein, es wäre denn, daß jene Ausdrücke über die Lutherei auch nur Diplomatie waren. -
In den märkischen Lehnacten erscheint Joachim v. Jetze nach dem Regierungsantritt Joachims II. 1536 wieder als Propst von Eldena, ohne jedoch bis dahin persönlich gehuldigt zu haben, weil er damals noch in Meklenburg sich aufhielt. Nach einer von Dr. Lisch aufgefundenen Abschrift einer Urkunde verkaufen "prawest unde preyorin unde gantze convent unde Matheus van Jetze in (- vulhord oder volmacht ist hier durch Flüchtigkeit des Abschreibers sicher ausgelassen) des prawestes des closters tor Eldena" dem Jürgen v. Plate zu Perleberg und seiner Hausfrau Anna Negendanck auf 15 Jahre die zwei Höfe mit 6 1/2 Hufen in dem Dorfe Schoneveld, welche das Kloster bis dahin besessen hat. Diese Urkunde besiegelt auch Joachim van Jtze prawest des closters Eldena".
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Aus Familien=Urkunden geht ferner hervor, daß Joachim v. Jetze im J. 1545 Senior seiner Familie ist und als solcher mit seinen Verwandten die Lehen nachsucht, auch - vermuthlich damals in seiner Heimath anwesend, um Familien=Angelegenheiten zu ordnen - am Pfingstmontage desselben Jahres einen Afterlehnbrief ausstellt. Uebrigens hat er sich, so weit ermittelt werden konnte, weder an Käufen noch an Verpfändungen seiner Angehörigen weiter betheiligt. Wahrscheinlich zu Anfange des Jahres 1551 ist er gestorben, denn am Freitage nach corporis Christi dess. J. hat Jacob v. Jetze, "nachdem Er Joachim gestorben", die Gerechtigkeit zur Verleihung geistlicher und weltlicher Lehen, so denen v. Jetze zustehen, "als der Elteste" erhalten.
Bald nachher ist auch - im J. 1556 - das Kloster Eldena aufgehoben.
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:
Ueber
des Herzogs Albrecht von Meklenburg
und dessen Regierung,
von
G. C. F. Lisch.
D er meklenburg=güstrowsche Canzler Joachim v. Jetze ist in der meklenburgischen Geschichte eine sehr wichtige Person, obgleich sie bisher gänzlich unbekannt gewesen ist. In der Geschichte unsers Vaterlandes ist die Regierung des hochherzigen Herzogs Johann Albrecht höchst bedeutsam, um so mehr da noch fast die ganze Gegenwart in derselben wurzelt. Zur richtigen Erkenntniß seiner großen und bewegten Zeit ist es aber nothwendig, daß man nicht allein ihn selbst, sondern auch den Gegensatz seines Strebens, die Regierung seines Vaters Albrecht, der schon mit seinem Bruder Heinrich in Widerstreit lebte, genau erkennt. Die Regierung des Herzogs Albrecht des "Schönen" ist bis jetzt aber völlig dunkel; wir kennen zwar den Gang seiner dem Geiste der Zeit widerstrebenden Handlungen, aber nicht die Hebel, welche ihn zu seinen Handlungen brachten. Wir müssen also seine geheimen Räthe kennen, und diese waren ohne Zweifel zwei bedeutende Geistliche: Joachim v. Jetze und Johann Knutze, jener Minister der innern, dieser Minister der auswärtigen Angelegenheiten, um die Stellung nach heutigen begriffen zu bezeichnen, beide klug, schlau, gewandt, heftig papistisch.
Der Herzog Albrecht war mit seiner Gemahlin Anna von Brandenburg im Anfange seiner alleinigen Regierung
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"gut martinsch", d. h. lutherisch gesinnt 1 ). Aber im J. 1530 traten beide offen mit heftiger Entschiedenheit zu der papistischen Kirche zurück und verharrten darin bis zum Tode. In dieser Zeit treten auch die beiden diplomatischen Papisten Joachim v. Jetze und Johann Knutze am Hofe zu Güstrow mit Uebergewicht auf und sind höchst wahrscheinlich die Urheber der Sinnesänderung des Herzogs und der Herzogin und vieler anstößiger Begebenheiten, welche freilich gerade das beförderten, was unterdrückt werden sollte.
Es ist daher höchst wichtig, das Leben des Joachim v. Jetze möglichst genau zu kennen. Bisher war die Person, selbst dem Namen nach, völlig unbekannt. Durch gemeinschaftliche Arbeit mit unserm Freunde und correspondirenden Mitgliede Ragotzky entstand die vorausgehende Abhandlung, welche ich so habe abdrucken lassen, wie sie aus gemeinsamen Studien bis zum Ende des J. 1859 hervorgegangen ist, da sie aus einem Gusse gearbeitet ist und aus hier schwer zugänglichen märkischen Quellen und Forschungen mehr das äußere Leben des Joachim v. Jetze darstellt. Angeregt durch die gewonnenen Ergebnisse habe ich aber weiter geforscht und bin, wenn auch nur durch sparsame Bruchstücke, zu einer vollständigen Erkenntniß des innern Lebens des Joachim v. Jetze gekommen, welches allerdings höchst merkwürdig ist.
Joachim v. Jetze war Canzler des Herzogs Albrecht von dessen Rücktritt zur papistischen Kirche bis zu seinem Tode und von strenger und heftiger papistischer Gesinnung.
Joachim v. Jetze gehörte dem geistlichen Stande an und war 1512 der jüngste Domherr zu Stendal, aber seit 1519 nicht mehr in der Altmark anwesend. Am Ende des J. 1527 tritt er zuerst in Meklenburg auf: am Montage in Weihnachten 1527 verhandelte er ("ern Joachim von Jetzte") ohne weitern Titel zu Waren für Hermann v. Kamptz, als dieser das Dorf Godow an Anna v. Dewitz, Wittwe des Achim v. Kamptz, und ihre Söhne Achim und Ewald verkaufte.
Im J. 1529 ward er Propst des meklenburgischen Nonnenklosters Eldena, zwischen Grabow und Dömitz, und blieb es bis zum Aufhören seiner Wirksamkeit in Meklenburg. Am 29. Jan. 1529 ward mit dem bisherigen Klosterpropst Heinrich Möller über dessen Verwaltung seit 24 Jahren abgerechnet; Heinrich Möller, welcher Domherr zu Güstrow ward, wird am Frohnleichnamstage 1529 der "Vorige Propst"
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und Joachim v. Jetze im J. 1532 "Propst" genannt und erscheint seitdem öfter in Geschäftsangelegenheiten des Klosters. Möglich ist es, daß der Herzog Albrecht den Joachim v. Jetze durch Heinrich Möller in Güstrow kennen lernte, welcher seinen Nachfolger als einen begabten Mann vielleicht dem Fürsten empfahl.
Seit dem J. 1529 erscheint Joachim v. Jetze sicher auch als Canzler des Herzogs Albrecht. Als solcher war er bisher völlig unbekannt. Um aber das Canzleramt des Joachim v. Jetze klar zu erkennen, ist es durchaus nothwendig, auch einen Ueberblick über das Leben der übrigen Canzler des Herzogs Albrecht zu haben, welche bisher ebenfalls fast ganz unbekannt gewesen sind.
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Der Canzler Dr. Wolfgang Ketwig.
Die Canzler in dem güstrowschen Landestheile lassen sich nach der im J. 1520 vorgenommenen Landestheilung erst seit dem Anfange des J. 1526 verfolgen. Der erste güstrowsche Canzler war Dr. Wolfgang Ketwig, welcher am 6. Januar 1526 als Canzler angestellt sein wird, da die Markgrafen von Brandenburg späterhin sagen, daß seine Bestallung mit dem Tage der Heil. Drei Könige 1530 ablaufe und er nach andern Nachrichten auf 4 Jahre berufen war. Ketwig stand zuerst in brandenburgischen Diensten, wie die brandenburgischen Geschichtschreiber sagen und aus spätern Aeußerungen der Kurfürsten, daß "er dieser Lande Gelegenheit erfahren" habe, hervorgeht. Sein Vaterland war bis auf die neuern Zeiten nicht bekannt; v. Ledebur sagt in seinem Adels=Lexicon, I, S. 428, daß er "vermuthlich aus Westphalen stamme und der Begründer eines mit dem Obristlieutenant Johann Wilhelm Lebrecht v. Ketwig 1 ) um das J. 1780 wieder erloschenen Geschlechtes
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geworden" sei, welches Güter in der Alt= und Neumark besaß, namentlich Matschdorf bei Sternberg. Seidel's Bildersammlung verdienter Männer, Berlin 1751, enthält sein Bild und Nachrichten über ihn in dem Texte von Küster, welcher zum Theil aus einer Jubelrede von Sartorius vom J. 1606 geschöpft hat. Hiernach war Ketwig ein Mann von großen Geistesgaben und Rechtskenntnissen, welcher in Italien Doctor und sogar Rector der Universität zu Padua geworden war. Nach seiner Rückkehr in Deutschland ward er Canzler am brandenburgischen Hofe. Buchholtz in seiner Geschichte der Mark Brandenburg erzählt: "Kurfürst Joachim war auf dem Reichstage zu Nürnberg 1524 erst selber gegenwärtig; da es aber auf demselben sehr unruhig herging und er ohnedem in Lebensgefahr gerathen war, von einer trunkenen Köchin erschlagen zu werden, reiste er wieder weg und ließ Dr. Wolfgang Ketwigen, seinen Canzler, als Gesandten" allda.
Am 6. Jan. 1526 ging Dr. Wolfgang Ketwig in meklenburgische Dienste als Canzler. Ohne Zweifel überließ der Kurfürst Joachim I. ihn dem Herzoge Albrecht von Meklenburg=Güstrow, welcher seit zwei Jahren mit des Kurfürsten Tochter Anna vermählt war, um den seit einigen Jahren durch die Landestheilung ihm zugefallenen Landestheil zu ordnen; denn der Kurfürst schreibt selbst am 20. Mai 1529, an den Herzog, daß er "ihm hievor dem Herzoge zuzuziehen gnädig und geneigt erlaubt" habe. Am 9. Januar 1526 ("am dinstage nach trium regum") verschrieb der Herzog Albrecht seinem "Canzler, Rath und lieben getreuen Ern Wolfgangk Ketwigk, der Rechten Doctori, und seinen männlichen Leibeslehnserben aus besondern Gnaden und auf geschehenen Vortrag, auch um seiner Dienste willen, die er sich vier Jahre lang laut seines Bestellbriefes zu thun verpflichtet" habe, ein Angefälle 1 ) von 1500 Gulden aus des Oswald v. Dohren
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Lehngütern (zu Rehberg bei Woldeck im Lande Stargard), sobald solche nach Dohrens Tode stch erledigen und heimfallen würden. Diese Verschreibung war nach der ganzen Fassung ohne Zweifel eine Folge der erst kurze Zeit vorher gegebenen Bestallung. Dr. Wolfgang Ketwig wird sowohl in dieser Verschreibung, als in einem spätern Briefe und in der Bestallung des Kurfürsten von Brandenburg mit dem Titel "Ern" (Abkürzung aus "Herr") geehrt, welcher nur Rittern und Priestern zukam, Beides war Ketwig aber nicht; es mag daher wohl sein hoher Rang als Doctor und Canzler diese Titulatur ausnahmsweise veranlaßt haben.
Das Geschlecht der Dohren auf Rehberg starb aber erst am Ende des 17. Jahrh. aus, und es mochte sich wohl bald herausstellen, daß das Aussterben noch nicht zu vermuthen sei. Deshalb verschrieben am 11. Nov. 1527 die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg ihren Canzlern Caspar v. Schöneich und Dr. Wolfgang Ketwig jedem die Hälfte der Lehngüter, welche durch das Erlöschen des Geschlechts der Stalbom nach dem Tode des Vicke Stalbom erledigt und an die Lehnherren heimgefallen waren, nämlich des Gutes Ballin im Lande Stargard, welches zwar dem Rath Henning Behr verschrieben war, aber da auch dieser keine Leibeslehnserben hatte, auch wieder zu Falle stand, und des Gutes Rosenow im Amte Stavenhagen. Die Herzoge verliehen diese Güter ihren Canzlern wegen ihrer getreuen Dienste und besonders dafür, daß sie ihre Archive in Ordnung bringen 1 ) sollten "(unser Privilegien, Briefe, Siegel und Handlungen zu Schwerin in unser beider Gewölb verwahrt zu besichtigen und zu registriren"). Diese Güter kamen in den Besitz der Canzler. Bernd und Joachim v. Ketwig, Söhne, und Wolfgang v. Ketwig, Enkel des verstorbenen Canzlers Wolfgang v. Ketwig, "Vettern," auf Matzdorf erbgesessen, verkauften am 11. Nov. 1554 die Hälfte des Gutes Ballin an den Burgemeister Eitel Schencke zu Neu=Brandenburg auf 24 Jahre für 500 Gulden, und am 11. Nov. 1563 die Hälfte des Gutes Rosenow an ihren "Schwager" Joachim v. Arenstorf, welcher "Vicke Stalboms eine Tochter zur Ehe hatte, zu einem ewigen Kaufe" für 850 Gulden.
Ueber die kurze Zeit der Wirksamkeit des Canzlers Ketwig in Meklenburg ist bisher nichts bekannt geworden; so viel ist aber gewiß, daß der Herzog Albrecht und seine Gemahlin Anna, so lange Ketwig ihnen zur Seite stand, sich zur lutheri=
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schen Reformation 1 ) hielten, aber gleich nach seinem Abgange unter der Einwirkung strenge papistischer Canzler und Räthe wieder zur katholischen Kirche zurücktraten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Canzler großen Einfluß auf den Herzog und dessen Gemahlin übten, wenn es auch möglich sein mag, daß der Herzog sich Canzler nach seinem Sinne wählte.
Im J. 1529 verließ Ketwig seine Stellung in Meklenburg und trat als Canzler wieder in brandenburgischen Dienst.
Nach einem Schreiben des Kurfürsten Joachim d. ä. von Brandenburg vom 20. Mai 1529 ("Cölln a. d. Spree, dornstags nach pfingsten") war der brandenburgische "alte Canzler Doctor Sebastian Stublinger mit Krankheit seines Leibes fast beschwerlich beladen, daß er seines Amtes übel abwarten konnte". Schon im März hatte der Markgraf Joachim d. j. den Herzog Albrecht gebeten, seinem Canzler Dr. Ketwig Urlaub zu einer Reise an den brandenburgischen Hof und zu dem brandenburgischen Dienst zu geben, der Herzog dies aber, nach dem von dem schwerinschen Canzler C. v. Schöneich entworfenen Schreiben, abgeschlagen; der Markgraf wiederholte daher am 11. April ("Bernewitz, Sontags Misericordia domini") die Bitte, demselben baldigst auf ungefähr acht Tage Urlaub zu gönnen, da er "wegen seiner Nothdurft und Sachen mit ihm zu reden" habe. Der Herzog schlug aber dem Dr. Ketwig wieder den Urlaub ab und ließ dabei die Vermuthung durchblicken, als wolle der Kurfürst ihm "seinen Canzler abtrünnig machen". Da bat der Markgraf am 23. April ("Rathenow, freitags nach Jubilate") zum dritten Male und sprach unverhohlen aus, daß er die Weigerung nicht vermuthet habe; sein Herr Vater der Kurfürst sei um einen andern Canzler bemüht, weil der bisherige Canzler mit Schwachheit und Unvermögenheit beladen sei, und habe aus eigenem Bewegen den Dr. Ketwig, ohne dessen Wissen, dazu vorgeschlagen und ihm die Unterhandlung mit demselben befohlen; er habe auch seinen Herrn Vater abzurathen nicht gewußt, da er ihn dazu "geschickt und geübt, und sonderlich als einen der dieser Lande Gelegenheit erfahren kenne, dem die Unterthanen von Adel und Städten fast zugethan und geneigt seien", und bitte deshalb noch einmal um Beurlaubung des Dr. Ketwig, in der Hoffnung, daß es die Wege erreiche, daß er sich in brandenburgischen Dienst be=
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gebe, da dies dem Herzoge eben so sehr und viel mehr förderlich sein werde, als wenn er an dem herzoglichen Hofe bliebe. Darauf wird Ketwig Urlaub zur Reise an den brandenburgischen Hof erhalten haben. Am 20. Mai 1529 ("Cöln a. d. Spree, dornstags nach pfingsten") erklärte der Kurfürst Joachim von Brandenburg dem Herzoge Albrecht geradezu, daß er "den hochgelehrten seinen Rath und lieben getreuen Ern Wolfgang Ketwig Doctor zum Canzler bestellt" habe, und bat, denselben schon zu nächstem Johannis zur Uebernahme des brandenburgischen Canzleramtes zu beurlauben, da er früher nicht allein ihn, sondern auch seinen Arzt Doctor Sebastian Schwarzwalder auf längere Zeit dem Herzoge überlassen habe. Dasselbe theilte Joachim d. j. am 21. Mai ("Cöln a. d. S., Freitags nach dem heiligen pfingstage") dem Herzoge mit und bat um Verabschiedung des Canzlers zu Johannis, obgleich dieser dem Herzoge noch bis zu nächstem Heil. Drei Königs=Tage mit Diensten verwandt sei. Am 7. Junii 1529 ("Cöln a. d. Spree, montags nach octavas corporis christi") bestellte 1 ) der Kurfürst Joachim "den hochgelehrten seinen Rath und lieben getreuen Ern Wolffgang Ketwig, der Rechte Doctor, zum Canzler die Zeit seines Lebens" und verschrieb ihm ebenfalls für "1500 Gulden Werth Güter zum Angefälle", in Ansehung daß er die Zeit seines Lebens dienen wolle. Der Herzog Albrecht sperrte sich zwar gegen die Entlassung, aber die Markgrafen Joachim, Vater und Sohn, erklärten ihm am 14. Junii (Montags am Abend Viti, Cöln a. d. Spree) 1529 in einem gemeinschaftlichen Schreiben, daß, da die Handlung vollzogen sei und nicht zurückgehen könne, er den Canzler baldmöglichst, spätestens zu Jacobi (25. Julii), entlassen möge.
Seit dieser Zeit finden wir den Dr. Wolfgang Ketwig als Canzler in brandenburgischen Diensten. Nach Buchholtz Geschichte der Kurmark Brandenburg, III, S. 348, war er im J. 1530 im Gefolge des Kurfürsten auf dem Reichstage zu Augsburg. Ketwigs Abgang war ohne Zweifel ein großer Verlust für Meklenburg, während die Mark Brandenburg in einer sehr wichtigen Zeit großen Gewinn 2 ) von seiner ausgezeichneten Wirksamkeit zog.
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Ketwig blieb fortan mit dem Herzoge Albrecht in schriftlichem Verkehr und gab ihm oft sowohl im Namen des Kurfürsten, als für sich selbst offenen und ehrlichen Rath. Es liegen z. B. ausführliche Briefe aus "Berlin" aus den Jahren 1531 und 1535 an den Herzog vor, welche er als "Doctor "und Cantzler" unterzeichnet. Man hat hieraus irrthümlich geschlossen, daß er damals noch meklenburgischer Canzler gewesen sei, um so mehr, da er um Johannis 1535 zur Zeit der dänischen Grafenfehde sagt, daß er mit dem Herzoge "als seinem Landesfürsten und gnädigen Herrn ein treuliches und herzliches Mitleiden trage", was sich wohl noch auf die frühern Verhältnisse bezieht.
Ketwig starb im J. 1541. In Seidels "Bildersammlung" steht: "Seidel setzt seinen Tod, welchen der Kurfürst selbst beklagt haben soll, ins 1541 Jahr und merkt an einem gewissen Orte an, daß er in Berlin in der Nicolai=Kirche vor dem hohen Altare begraben worden. Das ihm zu Ehren errichtete Denkmal war ungefähr 1641 Alters halber heruntergefallen und nicht wieder in den alten Stand gesetzet worden."
Ketwigs Nachfolger im brandenburgischen Canzleramte war Johann Weinlöb (auch Weinleb und Weinleben genannt) aus Treuenbriezen, welcher schon im J. 1541 Canzler genannt wird, also sicher Ketwigs Nachfolger war, und am 10. Febr. 1558 starb und ebenfalls in der Nicolai=Kirche zu Berlin begraben ward.
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Der Canzler Joachim von Jetze.
Der Abgang des Canzlers Ketwig um Johannis 1529 war ohne Zweifel die Veranlassung, daß Joachim v. Jetze, welcher so eben im J. 1529 Propst des Nonnenklosters Eldena geworden war, von dem Herzoge Albrecht zum Canzler nach Güstrow berufen ward. Wenn auch J. v. Jetze erst im J. 1530 als Canzler vorkommt, so wird man doch annehmen müssen, daß er schon im J. 1529 unmittelbar nach Ketwigs Abgange sein Amt angetreten habe.
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Der Canzler J. v. Jetze war bisher ganz unbekannt. Rudloff in seiner Mecklenburgischen Geschichte III, 1, S. 237 (1. Aufl. S. 227) führt den Joachim v. Jetze unter den Canzlern des Herzogs Albrecht überall gar nicht auf, nennt aber dafür 1530 "Joachim von Eitzen Canzler des Herzogs Albrecht". Rudloff entnimmt diese Nachricht aus Schröders Evangelischem Meklenburg I, S. 168, welcher wieder aus Thomas Lutherus biseclisenex S. 19 schöpft, der in dem Gefolge des Herzogs Albrecht auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 zuerst den "Joachim von Eitzen Cantzler" aufführt; Thomas aber nennt als seine Quelle Coelestini historia comitiorum August. Der Name Joachim v. Eitzen ist aber nichts weiter als ein Lese= oder Druckfehler für Joachim v. Jetze, welcher sich von Buch zu Buch über hundert Jahre durchgeschlichen hat. Es kam darauf an, die erste Quelle der Nachricht zu entdecken. Die Quelle ist ohne Zweifel eine kleine, gleichzeitige, sehr seltene Druckschrift, von welcher die königliche Bibliothek zu Berlin ein Exemplar besitzt (vgl. Lisch Maltzan. Urk. V, S. 94, Nr. 928), mit dem Titel:
Warhafftig anzaygung wie Kaiser Carl der fünft ettlichen Fürsten auff dem Reychstag zu Augspurg im MCCCCCXXX jar gehalten, Regalia vnd Lehen vnder dem fan gelihen, was auch jr. Kai. Maie. vnd derselbe bruder Künig Ferdinand zu Hungarn vnd Behem ., auch andere Churfürsten, Fürsten vnnd Stende des Reichs für Räthe vnd Adelspersonen auff solchem Reichstag gehept haben.
In dieser Schrift heißt es:
Nach solchem fürbringen ward darauf alßbald durch etliche darzu verordenten der Herzogen von Pomern der Kaiserlich stul zum ersten berennt vnd nach dem berennen stunden die verordenten, so von wegen baider gebrüder Hertzogen von Pomern vor der Kai. Maie. ire bitt wie sich gebürt thun solten, von iren pferden abe, Nämlich Hertzog Hainrich der jünger von Braunschweigk und Lünenburgk, Hertzog Hainrich von Mechelburg, Hertzog Ernst von Braunschweigk vnd Lünenburg vnd Hertzog Albrecht von Mechelburgk, diese vier fürsten waren mit fürstlicher klaidung, auch mit perlin geschmücken vnd gulden ketten fast köstlich beklaidt, giengen alle vier neben einander die pruck in stiffel vnd sporn auffen zu dem kaiserlichen stul, darauff der Kaiser in seiner Maie. saß, knieten vor der Kai. Maie. nider, wie sich zu thun gebürt, die Kai. Maie. vmb belehnung der Fürsten zu
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bitten, vnd als die gemelten vier Fürsten, auch hinder denselben Fürsten etlich Pomerisch verordente Rath knieten, Nämlich Jacob Wobeser, Jobst von Dewitz vnnd Lorentz Kleist, fienge der obgemelt Hertzog Hainrich von Braunschweig an zu reden u. s. w. - - - - -Darnach im dritten Rennen kamen die zwen Fürsten nämlich Hertzog Jürg vnd Hertzog Barnym gebrüder beide Hertzogen zu Pommern u. s w.
Dann wird das Gefolge der Fürsten aufgeführt.
Caspar von Schöneich Cantzler.
Achim Haue.
Wentzel Herr zu Biberstain.
Hans Sperling Marschalck.
Parum von Dannenberg.
Volrath Preen.
Achim Wangelin.
Bastian Krauße.
Volrath von Bulow.
Volrath Sperling.
Clauß Hane.
Diterich Rhor.
Jtel Schencke von Sweinßberg.
Hanß Schencke von Sweinßberg.
Achim Ribe.
Kersten Gamme.
Hanß Parckentin.
Cristoffer Linstow.
Er Joachim von Yetzen Canzler.
Friderich von Wolffenrade Marschalck. Jörg von Helinger.
Claus Finicke.
Joachim Klainow.
Mathias Thernew.
Hainrich von Bulow.
Kone Pfüell.
Valtin von Krosigk.
Eustachius Haussener.
Gotfrid Gringe.
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Jörg Sidew.
Vicke Stralendorff.
Hans Leutzew.
Cistoffel Zabelsitz.
Item drey Edelknaben,
der ain ist ein Freiherr hayst
Er Lienhart von Lamberg,
der ander Busse von Berchenflete,
der dritte Philip Roloff.
Dieses Gefolge wird in derselben Reihenfolge auch bei Thomas eben so aufgeführt, so daß man klar sieht, daß er aus derselben Quelle schöpfte; nur sind bei ihm die Namen oft theils in einzelnen Buchstaben falsch, theils ganz entstellt.
Man sieht aber aus dem Original=Namensverzeichnisse, daß Joachim von Jetze ("Yetzen"), ein Geistlicher ("Er"), den Herzog Albrecht schon auf den berühmten Reichstag der augsburgischen Confession von 1530 als Canzler begleitete und denselben in seiner kirchlichen Umstimmung bestärkte. "Joachim von Eitzen" muß also in dieser Namensform aus der Geschichte gestrichen werden.
Von kaiserlicher Seite war auf dein Reichstage als kaiserlicher Rath auch der berühmte Ritter und Marschall Joachim Maltzan, welcher mit seinen Nachkommen am 2. Aug. vom Könige Ferdinand zum Freiherrn erhoben und am 12. Aug. vom Kaiser Carl V. bestätigt ward.
Die meklenburgischen Reichstagsacten berichten geradezu nichts über die Reise des Canzlers Joachim v. Jetze zum Reichstage; jedoch kommen gelegentliche Beweise vor, daß er dort war und wirkte. Es war nämlich auf dem Reichstage von meklenburgischer Seite ein anderer wichtiger Mann, welcher zwar nicht unter den Räthen und Hofleuten aufgeführt ist, aber von einer sehr bedeutenden Wirksamkeit war. Dies war der Domherr Dr. Johann Knutze 1 ), reich mit Pfründen behängt, der "König der Papisten" (vgl. Jahrb. XIV, S. 33-34), ein gewandter Mann, der von dem Herzoge Albrecht vielfach zu großen Gesandtschaften gebraucht ward, in Mitteleuropa sehr bewandert war und manche große Versammlung kennen gelernt hatte. Dieser wohnte zuerst 14 Tage in Augsburg bei Joachim v. Jetze, nahm aber späterhin eine eigene Wohnung. Knutze's Rechnung sagt hierüber Folgendes:
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Jtem dem werde in Jetzens herberge gegeuen in jegenwerdicheit M. Johanns Rutzen, her Johan Meyne, Joachim Kock, hertich Albrechts Secretarien, vor XIIII dage hur II g. munte IIII patzsen.
Jtem alse ick von Jetzen toch, quam ick tho einem prester by sunte Moweritzius her Wolfgangk genant, dem gaff ick vor eyne kamer myt der dorntzen vann Sondags vor Laurenti wente mandags nha omn. sanctorum mit alle X gulden VI patzssen.
Schon aus dieser Freundschaft mit Johann Knutze kann man auch mit Sicherheit entnehmen, daß Joachim v. Jetze ein entschiedener Papist war, wie es damals an dem Hofe des Herzogs Albrecht auch wohl nicht gut einen andern Canzler geben konnte, als einen katholischen.
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Joachim von Jetze als Probst zu Eldena.
Joachim v. Jetze war sehr heftig papistisch gesinnt. Dies offenbarte sich in vollem Maaße im J. 1537 zu Konow. Das Patronat der Pfarre zu Konow bei Eldena gehörte dem Kloster Eldena. Nun war aber durch Beförderung des "Magisters Egidius Faber, des Herzogs Heinrich Hofpredigers und Superintendenten", des Reformators der Stadt Schwerin, ein lutherischer Prediger Andreas Sachse zum Pfarrer zu Konow von der Gemeinde gewählt. Dieser berichtete am 4. Dec. 1537 an Egidius Faber über den Antritt seiner Pfarre folgende merkwürdige Vorgänge:
"Jwer jungsten prophecie nha kan ich Jwer werde beclagende nicht bergen, dath ich vmmhe bekentnissze godtlichs wordes alßbalde in der heymkunst des propstes einen vnhuldigen propst erlangeth, alß dath he mich ahm Sondage nach Omnium Sanctorum (4. Nov.) in myuer kercken tho Konow vor der predigt nicht ane vorkleininge vnd vorachtinge mynes pastor= vnnd sehelsorgeramptes, mitsampt
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auerpuchens mynes kosters alß ock thom Capelanampte in noden vnduchtig, vnde dem volcke auerredeth, wir weren leyen vnnd bleuen leyen, wolde ock den god vnnd Sacramente, ßo wir makeden, wol mith den vöten treden, vnnd wen wy dat makeden, ßo makede ein Dünel den anderen, dem koster derhaluen frevelich gebeden als synem vndersaten, he scholde sich allewege des entholden, angesehen he were ein monnick gewesen, vnnd hedde ein ehelich wyff, mich auer im schine halff frundtlich, mynes gnedigen hern hertzog Hinrichs vngnade befruchtende, erloueth, alß dath he das predigen mich wol vergunnen wolde, die Sacramente auer tho handelendhe, de wile ich kein gesalueder platteupape were, vorboth he mich, betth das ich van hochgedachtem m. g. h. hertzog Hinrichen ein schrifftlich bewiß ertogede, dath syne furstlicke gnade vonn mich sollichs nachgeue."
Nach dem weitern Berichte des Andreas Sachse war er auf Befehl des Herzogs Heinrich von Egidius Faber examinirt und genugsam geschickt zum Pastoramt befunden und feierlich am 1. Nov. 1537 zum Priester und Pastoramte ordinirt worden, hatte auch dabei in Gegenwart "vieler ehrbarer und frommer Klosterjungfrauen und Kirchspielleute" seine erste Predigt ("Testament") gehalten. Bis zum 30. Nov. hatte er fleißig und unangefochten Gottes Wort gepredigt und die Sacramente ausgetheilt. Da hatte der Propst, der ihm wohl das Predigen vergönnt hatte, von ihm verlangt, er solle sich einen "Plattenpfaffen" halten, welcher Messe lesen möge. Hierauf war Sachse selbst am 3. Dec. nach Eldena zum Propste gegangen und hatte ihn gebeten, von seiner Forderung abzustehen und ihm den Herzog Albrecht ("de nicht unses des Evangelii weges is") nicht zum ungnädigen Herrn zu machen. Aber der Propst hatte in Gegenwart etlicher Jungfrauen die obige Antwort gegeben und die Einwilligung beider Herzoge verlangt, da er "den Herzog Heinrich dazu nicht für voll ansehe, daß er einen zum Priester machen könne". Andreas Sachse bat daher um Schutz und Beistand.
Dieser Vorgang klärt die Gesinnung des Joachim v. Jetze vollständig auf. Sein Streben war also die Aufrechthaltung der alten Kirche und des Priesterthums mit der Messe; daneben aber fügte er sich in die Gestattung der lutherischen Predigt, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß diese mit der Zeit doch nicht von Bestand bleiben oder zu unterdrücken sein werde.
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Diese bestimmte Ansicht herrschte damals bei allen Priestern von entschiedenem Charakter, während eine große Menge unnützer Priester rathlos war und träge dahin brütete, bis die alte Kirche in sich selbst zerfiel.
Ein anderes Zeugniß für die Gesinnung des Propstes Joachim v. Jetze ist, daß im J. 1541 auch der Pfarrer zu Eldena ein Papist war, wie nicht anders zu erwarten ist. In dem Kirchen=Visitations=Protocolle vom J. 1541 heißt es:
"1541. Eldena. Her Dietrich kirchher ist pißher ein papist gewesen, aber er wil sich bessern, hat die freie kost vom kloster".
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Joachim Jetze als Pfarrer zu Gadebusch.
Vollständige Aufklärung über Joachim v. Jetze giebt aber die merkwürdige Geschichte der Pfarre und der Reformation zu Gadebusch, welche bisher völlig unbekannt gewesen und erst nach Ragotzky's Abhandlung entdeckt ist. Joachim v. Jetze war auch Pfarrer zu Gadebusch, wo er endlich seinen Untergang fand. Die Pfarre zu Gadebusch war reich dotirt und durch viele kleine Pfründen noch verbessert. Im Anfange des 16. Jahrhunderts, sicher 1480-1513, war Pfarrer Johann Berner, aus der adeligen Familie v. Barner, zugleich Domherr zu Lübeck und Vikar der S. Georgen=Kirche zu Wismar, ein begabter Mann, welcher auch 1473-1478 herzoglicher "Amtmann zu Gadebusch" und späterhin oft herzoglicher Gesandter und Bevollmächtigter in wichtigen Angelegenheilen war. Er wird im J. 1513 gestorben sein, da am 7. Aug. 1513 über seinen Nachlaß ("Johannes Berner zeliger") Rechenschaft aufgenommen ward.
Ihm folgte Johann Elling ("pfarrer" und "kerkhere to Gadebussze"), welcher als solcher 1513, 16 und 1525 genannt wird. Er starb wohl im J. 1529 vielleicht an der Schweißsucht, da im J. 1529 Joachim v. Jetze die Pfarre zu Gadebusch erhielt. Dies erklärt sich leicht dadurch, daß
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bei der Landestheilung vom J. 1520 Stadt und Amt Gadebusch dem Herzoge Albrecht zugefallen war.
In dem Visitations=Protocolle vom J. 1534 heißt es:
"Gadebusch. Dat kercklen is des fursten. Besitter Jochim Jetze, verlenet durch Hertzog Albrecht vor V Jaren vorgangen".
Unter diesen Umständen konnte von der lutherischen Predigt des Evangelii in Gadebusch nicht die Rede sein; vielmehr bot Jetze alles auf, den katholischen Gottesdienst zu stärken. In Gadebusch waren Marienzeiten mit 4 Priestern, welche wohl einige Zeit darnieder gelegen hatten; aber der Hertzog Albrecht und Jetze richteten sie wieder auf, nach dem Visitations=Protocolle von 1534:
"Jtem in der suluesten kercken IIII Commenden ad horas de domina in der Cappellenn, III daruan sindt des Fursten, die vierde is des Rades lehen. Darsuluest besitten Jochim Wilde, Petrus Horstman, Laurentius Westphall und Arnoldus Hacke, Anno 32. Diesse hebben de tide wedderumme angehauen van beuelh hartich Albrechts to ßingende".
Dagegen hob Jetze den Kaland auf, wahrscheinlich weil die Kalande Gesellschaften von gebildetem, meist weltlichen Personen waren:
"Der kalandt is nedderlecht, denn konde N. nicht wedderumme vpheuen, wente de forstender sedenn, dat her Jochim Jetze ere kerckher hedde von ene wechgenamen ere Register, breue vud Segell."
Joachim v. Jetze war dabei auch sehr irdisch gesinnt. Da er zugleich herzoglicher Canzler zu Güstrow und Klosterpropst zu Eldena war, so hatte er natürlich keine Zeit, die Pfarre zu Gadebusch selbst zu verwalten, sondern überließ den Kirchendienst Vikaren, während er die fetten Pfründen einnahm. Um sich aber vor jedem Reformationssturm zu sichern, hatte er, nach dem Berichte von 1534, den zu der Pfarre gehörenden Hausrath weggenommen:
"Jtem der kerckher heft vonn der wedeme (Pfarrhaus und Hof) wech genomen bedde, kannen, ketell, grapen, tinnen vate vnnd alle hußrat, so dar was to der wedeme, ock des kalandes Rentebreue, Register erer pechte."
Im J. 1510 wird die ganze Stellung des Joachim v. Jetze durch die Pfarre zu Gadebufch völlig klar. In einem
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Vertrage 1 ) zwischen der Geistlichkeit und dem Rathe der Stadt Gadebusch vom 15. Aug. 1540 über die von dem Rath nicht bezahlten Zinsen von einem der Geistlichkeit zugehörenden Capitale von 350 Mark lübisch, wird
"Herr Joachim Jeitze, Cantzler, Prawest thor Eldena und Kerckher tho Ghadebusch."
genannt. Seine ganze Stellung ist also hiedurch völlig aufgeklärt. Zu derselben Zeit war Jürgen von Karlewitz, einer der eifrigsten Hofdiener und Räthe des Herzogs Albrecht, auch Amtmann zu Gadebusch 2 ) und Wittenburg sicher, schon seit dem J. 1524 bis nach 1540.
Joachim v. Jetze wird aber nicht bis an sein Ende Canzler geblieben sein. Er trat schon im J. 1543, als die Staatsregierung größere juristische Kräfte erforderte, von dem Canzler=Amte zurück, welches er dem Peter v. Spengel überließ, wenn er auch sicher Rathgeber des Herzogs Albrecht mit dem Canzlertitel blieb.
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Der Canzler Peter von Spengel.
Am Neujahrstage des J. 1543 berief der Herzog Albrecht den Licentiaten Peter v. Spengel zum "Rath und Canzler auf drei Jahre lang". Peter v. Spengel war wohl ein ausländischer Adeliger. Unter seinem Dienstreverse vom Neujahrstage 1543 führt er ein großes Siegel mit einem Schilde mit drei linken Spitzen und der Umschrift PETER VON SPENGEL. Vielleicht stammte er aus Walhausen bei Sanger=
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hausen. Unter mehrern noch erhaltenen Privatbriefen wegen Beförderung sind einige aus Walhausen geschrieben, z. B. von einem Johann Steif, "gemeinen Diener zu Walhausen", welcher ihn 1543 um eine Anstellung bittet, da "der Herzog den ausländischen, fremden Leuten und getreuen Dienern mit Gnaden geneigt sein solle", ferner von einem Hans Ferneckel, der ihn seinen "Gevatter" nennt und seine "liebe Gevatter Gertrud", seine Kinder und "all, die gut walhausisch sind" grüßt. Hans von "Bendeleben" (mit einem quer getheilten Schilde im Siegel), Georg von Biela (mit zwei Beilen neben einem Baume? im Schilde), beide alten thüringischen Geschlechtern angehörend, und Jürgen v. Karlewitz (mit einem Dreiblatt im Schilde) nennen ihn in verschiedenen Briefen ihren "Schwager". Es ist daher wahrscheinlich, daß er seine Beförderung dem einflußreichen Rath Jürgen v. Karlewitz zu verdanken hat. Vielleicht hatte Spengel vorher in Hamburg gewohnt, da er hier bekannt war und später dahin zurückging. Er kam mit Frau und Kindern nach Güstrow.
Nach seinem Wirken und seiner spätern Stellung war er reiner, scharfsinniger Jurist, wahrscheinlich etwas ränkevoll, da er sich einige Male wegen übler Nachreden entschuldigt. Am güstrowischen Hofe gingen oft wunderliche Dinge vor. Im J. 1544 war er beschuldigt, "als sollte er und Jürgen v. Karlewitz die Herzogin Anna beredet und mit dieser beschlossen haben, den Herzog Albrecht mit des Kurfürsten von Brandenburg Hülfe und Zuthat des Regiments zu entsetzen und einen Sohn des Herzogs an die Stelle zu setzen", und die Herzogin dies in einem von dem Canzler entworfenen Schreiben dem Kurfürsten mitgetheilt haben. Spengel wandte sich, um diese Nachsage von sich abzuwehren, zur Rettung seiner Unschuld beschwerend an den Kurfürsten, welcher am 25. Nov. 1544 diesen Anschlag als "beschwerlich und erschreckenlich" erkannte, aber ihm seine Unschuld bezeugte, da ihm dieser Handel ganz fremd sei und er Spengels Person und Namen gar nicht kenne, auch den Herzog bat, seine Gemahlin, so wie Peter v. Spengel und Jürgen v. Karlewitz dieser Sache halber für unschuldig zu achten.
Peter v. Spengel kommt in den Jahren 1543-1545 oft als Canzler vor und unterzeichnet sich: "Peter von Spengel, Cantzler, Licentiat".
Ob Spengel länger als die bestallungsmäßigen drei Jahre im Dienste des Herzogs Albrecht geblichen sei, ist noch nicht ermittelt; wahrscheinlich blieb er bis zum Tode des Herzogs in seiner Stellung. Mit dem Tode des Herzogs am 7. Jan.
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1547 erreichte seine Bestallung aber wohl sicher ihre Endschaft. Nach dem Tode des Herzogs ging Spengel mit Frau und Kindern nach Hamburg und lebte hier als Rechtsanwalt. Er zog sich hier aber bald die Ungunst und Verfolgung der Behörden zu, weil er "denjenigen, welche von dem Rath der Stadt an den Kaiser und das Reichskammergericht appellirten, zuständig und behülflich" war. Der Rath halte ihn daher "in schwer Gefängniß gelegt und thätliche gewaltsame Handlung wider Recht, Reichsordnung und Landfrieden gegen ihn geübt"; er war endlich des Gefängnisses entledigt, hatte aber Weib und Kinder verlassen und sich an "fremden Orten in großer Schwachheit aufhalten" müssen. Auf seine Klage befahl der Kaiser am 29. April 1551 dem hamburger Rath, sich jeden eigengewaltigen Landfriedensbruches gegen Peter v. Spengel zu enthalten.
Von Spengels weitern Schicksalen ist noch nichts bekannt.
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Der Canzler Gislerius Gisler.
Der Canzler Gislerius Gisler, "der Rechte Licentiat", Spengels Nachfolger in Güstrow, aus einem Geschlechte der Stadt Göttingen, war schon im J. 1548 in meklenburgischen Diensten und Donnerstag nach Christtag 1518 nach Juterbock gesandt. Am Tage Michaelis 1519 bestellte der Herzog Heinrich den "Gißlerum Gißler" "noch" auf zwei Jahre lang zum Hofrath, Inhalts der "vorigen Verschreibung" und gab ihm, da "er sich neulich kurz verschienener Zeit in ehelichen Stand eingelassen", freie Behausung zu Güstrow, ohne Zweifel, um die Lehns= und Landtagsgeschäfte nach dem am 7. Jan. 1547 erfolgten Tode des Herzogs Albrecht von Meklenburg=Güstrow in diesem Landestheile bis zur eigenen Regierung der Söhne des Herzogs Albrecht fortzusetzen. Sein Leben ist äußerst dunkel. Nur so viel ist gewiß, daß er immer zu Güstrow wohnte und noch in der Zeit 1557-1565 mehrere Male als Canzler des Herzogs Ulrich von Meklenburg=Güstrow auftritt. Am 2. Mai 1561 unterzeichnet
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er sich "Giseler Giseler Cantzler". Sein Todesjahr ist nicht bekannt. Eine besiegelte Schrift von ihm ist nicht vorhanden; jedoch sind Siegel von ihm auf Papieren vorhanden, welche Schriftzüge von seiner Hand enthalten und ihm ohne Zweifel gehören; er führt: im Schilde einen Querbalken und auf dem Helme zwei Hörner, daneben die Buchstaben G. G.
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Der Sturz des Katholizismus zu Gadebusch.
Die Pfarre zu Gadebusch ward aber die vernichtende Grube für Joachim v. Jetze, welcher sich nach seinem Rücktritte vom Canzleramt vorherrschend auf diese Pfarre zurückzog, da auch im Kloster Eldena nicht mehr viel für ihn zu machen war. Je weiter die Reformation um sich griff und von Bestand ward, desto gereizter und heftiger ward Jetze, wenn auch sein ganzes Thun ohnmächtig blieb. Jetze hatte, wahrscheinlich durch den Drang der Bürgerschaft getrieben, es zuletzt nicht hindern können, daß ein lutherischer Prädicant, Andreas Busse oder Bussow, zur Predigt des Evangelii berufen war. Als dieser nun um Ostern 1546 auch das Abendmahl reichen wollte, stürzte Jetze hinan, riß wütend die geweiheten Hostien vor dem Prädicanten von dem Altare und wollte damit zu einem Nebenaltare laufen, als ihm das Sacrament zur Erde fiel. Zugleich hatte er gepredigt: "Sieh, Du läufst nach Vietlübbe und Salitz nach den lutherischen Buben; siehe, mit dem Gott, den Dir die Lutherischen da geben, wollte ich meine Schweine mästen 1 ). Ich will meine Seele zu Pfande setzen, daß es genug sei, wenn man das Sacrament in Einer Gestalt empfängt." - Man kann sich kaum eine Vorstellung von einem solchen Fanatismus machen!
Bald nach diesem Auftritte, am 3. Junii 1546, starb Jetze's treuester Gesinnungsgenosse, der Domherr Dr. Johann
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Knutze, der "König der Papisten", und schon am 7. Januar 1547 folgte ihm der Herzog Albrecht 1 ) in die Ewigkeit, so daß Jetze in kurzer Zeit aller seiner kräftigsten Stützen beraubt ward. Um so heftiger ward seine zügellose Leidenschaft. Im Kloster Eldena mochte er sich nicht ganz wohl fühlen, da dort, wie es scheint, der Protestantismus früh Wurzel geschlagen hatte, indem schon 1537 einige Klosterjungfrauen die lutherische Predigt zu Konow hörten. Jetze zog sich also nach Gadebusch auf seine Pfarre zurück. Hier aber wiederholte er den ärgerlichen Auftritt, zu welchem er sich im J. 1546 hatte hinreißen lassen. Als am Palmsonntage (3. April) 1547 der Prediger das Abendmahl reichte, stürzte er wieder auf den Altar, ergriff den geweiheten Kelch und setzte ihn an den Mund, um ihn auszutrinken, bedachte sich aber, ergriff jedoch die Kanne mit dem Weine und stürzte diesen in den Kelch, daß es schäumte. Die Leute, welche zum Abendmahl gingen, glaubten vor Entsetzen in die Erde zu sinken und baten ihn dringend, daß er sich doch bedenken und ihnen das Sacrament, als den Leib und das Blut Jesu Christi, reichen lassen möge, worauf er ihnen antwortete: "er wolle ihnen den höllischen Teufel geben".
Da war das Maaß der Geduld in der Gemeinde erschöpft. Einige Tage darauf, kurz vor Ostern (10. April), kam der junge Herzog Johann Albrecht von seiner oberdeutschen Reise heim 2 ) und brachte mit sich Hoffnung ins Vaterland. Rath und Gemeinde von Gadebusch beschlossen daher, Klage 3 ) über das unkirchliche und unchristliche Benehmen ihres Pfarrers an den jungen Fürsten zu bringen. Sie stellten dem Herzoge die erlebten Vorgänge vor und erklärten, daß sie einen so harten Druck und einen so großen Uebermuth nicht länger ertragen und dulden können, und baten um einen gelehrten Prädicanten. Mit dieser Klage und Petition ging eine Deputation der Gemeinde, bestehend aus den beiden Burgemeistern, zwei Rathmännern, dem Stadtvogt und vier Bürgern, nach Schwerin und traten in Begleitung von zwei Notarien am 29. Junii 1547 vor den Herzog, welchem sie, unter Versicherung der Wahrheit, die Klage überreichten.
Die Folge davon war, daß Joachim v. Jetze am 10. Aug. 1547 abgesetzt ward. Am 10. Aug. 1547 ward durch des Herzog Johann Albrecht Rentmeister Sigismund
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v. Esfeld in Gegenwart des herzoglichen Küchenmeisters und des ganzen Raths zu Gadebusch ein Inventarium über die Güter und Kleinodien der Kirche "bei Absetzung Joachim Jetze's" ausgenommen 1 ). Bei der Inventur fand sich im Pfarrhause auch ein verschlossener Korb mit Siegeln und Briefen, welche für das herzogliche Haus von Werth ("thodrechlich") waren; ohne Zweifel hatte Jetze diese Urkunden noch aus der Zeit des Herzogs Albrecht und wahrscheinlich im katholischen Interesse heimlich mit sich genommen. Jetze mußte bei der Ablieferung bei seiner Seelen Seligkeit bekennen, daß er keine mehr bei sich habe und von keinen mehr wisse.
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Das Ende des Joachim Jetze.
Unter solchen Umständen konnte sich Joachim v. Jetze nirgends mehr halten, auch als Propst des Nonnenklosters Eldena nicht, da der Protestantismus auch in die stillen Klostermauern eingedrungen gewesen zu sein scheint und in den Klosterdörfern, z. B. in Konow, schon lange die Reformation blühete. Schon im Anfange des J. 1548 (11. Jan.) verhandelt die Priorin des Klosters wieder durch den alten güstrowschen Domherrn Heinrich Möller, welcher vor 19 Jahren nach 24jähriger Verwaltung der Würde eines Propstes des Klosters entsagt hatte.
Wahrscheinlich zog Jetze sich jetzt, nachdem ein Rückschritt unmöglich gemacht war, nach der Altmark auf die Güter seiner Familie zurück, deren Senior er sicher seit 1545 war, und starb hier bald darauf, wahrscheinlich im Anfange des J. 1551, sicher vor dem 29. Mai 1551.
Mit Jetze's Tode hörten am güstrowschen Hofe die papistischen Bestrebungen auf, welche jedoch noch die verwittwete Herzogin Anna zu Lübz und auf ihren Leibgedingsgütern bis zu ihrem Tode 1567 mit der entschiedensten Hartnäckigkeit, wenn auch ohne nachhaltige Folgen, fortsetzte.
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Die Reformation zu Gadebusch.
Nach der Absetzung des Canzlers Jetze ward die Reformation in Gadebusch ohne Anstoß und Schwierigkeit durchgeführt. Bald nach der Absetzung bat am 1. Sept. 1547 der herzogliche Rentmeister Sigismund v. Esfeld, derselbe welcher als herzoglicher Bevollmächtigter die Absetzung des Joachim v. Jetze hatte mit durchführen helfen, die Pfarre zu Gadebusch, welche "um Jetze's frühern Kirchherrn unchristlicher und schändlicher Verwirkung halben" erledigt sei, seinem unmündigen Sohne Ulrich zu verleihen 1 ), für welchen Fall er ihn auch bis zu seinen mündigen Jahren zum Studiren anhalten wolle, damit die Pfarre mit einem gelehrten, christlichen Prediger versehen werde. Dies ist ein merkwürdiges Beispiel, wie tief die papistischen Ansichten über Pfarrverwaltungen eingewurzelt waren, daß selbst Leute von angesehener Stellung und protestantischer Gesinnung noch den alten Unfug der Pfründenverleihung begehren konnten. Esfelds Wunsch ward natürlich nicht erfüllt, vielmehr ein älterer Mann als Pfarrer zu Gadebusch eingesetzt.
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Pfarrer Heinrich Storbek.
Nach Jetze's Absetzung ward an der Kirche zu Gadebusch kein Pfarrer und Prädicant neu angestellt. Der Herzog bestellte nun den Heinrich Storbek zum Pfarrer. Dieser Mann ist bis jetzt ganz unbekannt; wahrscheinlich hatte er schon längere Zeit zu Gadebusch gewirkt und sich von der papistischen Kirche nach und nach zum Protestantismus gewandt; vielleicht ist er derselbe Capellan, gegen welchen Jetze 1546 und 47 mit so maßloser Heftigkeit in der Kirche auftrat. Denn bei der Visitation vom J. 1554 wird gesagt, daß "der Pastor Ern Heinrich Storbek im Kirchendienste schwach und gebrechlich "allhier" geworden sei." Heinrich Storbek ward schwach und kränklich, so daß er im J. 1554 der Pfarre freiwillig entsagte. Bei der Visitation vom J. 1554 wird gesagt, daß "Er Heinrich Storbek in anderthalb Jahren nicht predigen und der Kirche dienen
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können und selbst williglich die Pfarre verlassen habe"; ja er war so schwach, daß er "Krankheit halber den Visitatoren keinen Bescheid über die sehr unklaren Register geben konnte". Es ward daher ihm, "dem gewesenen Pastor", eine Pension von 25 Mark, oder bei Geldmangel 20 Mark, ausgesetzt.
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Capellan und Pfarrer Andreas Bussow.
Neben dem Pfarrer ward im J. 1548 Andreas Bussow oder Busse als lutherischer Prediger fest angestellt. Andreas Bussow ist bisher auch nicht bekannt. In seiner im J. 1548, jedoch ohne Angabe des Tages, ausgestellten Bestallung wird freilich gesagt, daß "die Pfarre zu Gadebusch der Zeit mit keinem Pfarrer und Prädicanten zur Nothdurft versehen" sei. Aber es ist wohl nicht gut anzunehmen, daß in einer so bewegten Zeit wenigstens ein halbes Jahr lang gar kein Geistlicher in einer Stadt und großen Gemeinde gewesen sein sollte. Auch wird bei der Visitation im J. 1554 gesagt, daß "Andreas Busse, dem die ganze Kirche gut Zeugniß gebe, lange Zeit im Lande und in Gadebusch gedient" habe. Wahrscheinlich hatte er schon zu Jetze's Zeit in Gadebusch gepredigt und die oben angeführten Worte der Bestallung sind wohl nur so zu verstehen, daß es im J. 1548 an fest angestellten Predigern in genügender Zahl fehlte. Bussow ward nun im J. 1548 fest angestellt als "Prädicant und Pastor" und sollte "in dem Pfarrhofe und Hause seine Wohnung" haben. Jedoch sollte "neben ihm noch ein Prädicant und Pfarrer gehalten werden". In einem Verzeichniß der kleinen Lehen zu Gadebusch wird wiederholt gesagt, daß "die Prädicanten" kleine Lehen besitzen. Andreas Bussow wird ein begabter Mann gewesen sein, da der Herzog bei seiner Bestallung im J. 1548 verlangt, daß neben ihm ein Prädicant und Pfarrer gehalten werden solle, um "in seiner Abwesenheit dem Amte des Predigens vorzustehen, so oft er auf herzogliches Vorschreiben zu Hofe kommen werde". - Und wirklich finden wir den Andreas Bussow auch mitunter an dem Hofe Johann Albrechts, damals noch zu Güstrow. In der Renterei=Rechnung vom J. 1549 findet sich bei der Besoldung der Räthe, Prädicanten und Kammerdiener: "Er Andreas Bossow, Predicant zu Gadebusch, so man auß der Visitacion widerumb nemen soll, Dinstagk nach Quasimodogeniti geben auß beuelh m. g. h. 10 ". - Mag nun aber Bussow schon zu Jetze's Zeit in Gadebusch gewirkt haben, oder erst nach dessen Absetzung
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dahin gekommen sein, so ist er doch jedenfalls als der eigentliche Reformator von Gadebusch zu betrachten.
Bei des Pfarrers Storbek Abgang ward Andreas Bussow bei der Visitation 1554 zum Pfarrer berufen. Die Visitatoren sagen 1554: "Er Andreas Busse ist zum Kirchhern geordnet", und "weil der Prädicant der Kirche nicht allein hat vorstehen können, haben wir Heinrich Storbeks Mitgehülfen Ern Andreas Bussen, dem die ganze Kirche gut Zeugniß gegeben, auch weil er sonst lange im Lande und allhie gedienet, zum Pastor verordnet". Sonst ist bis jetzt nichts weiter von Busse bekannt geworden. Wahrscheinlich lebte er bis gegen das J. 1565, da in diesem Jahre der bekannte lutherische Prediger Thomas Holzhüter von Ribnitz nach Gadebusch kam (vgl. Jahrb. XXII. S. 120), welcher 1585 an der Pest starb (vgl. Conrad Schlüsselburg, von Tamms I, S. 31).
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Capellan Johann Wunne.
Da die Visitatoren im J. 1554 für "nöthig befanden, daß der Pastor einen Gehülfen habe", so ward nach Storbeks Abgang und Bussows Berufung zum Pfarramte "Her Johannes Wunne mit Vorwissen des Raths und des ganzen Kirchspiels zum Caplan oder Prediger berufen", und es wurden 1554 "dem neuen Prediger Ern Johann Wunnen zu den Kosten seines Umzuges von Arnsberg nach Gadebusch 6 Fl." gegeben.
Die ersten lutherischen Prediger seit der Einführung der Reformation in Gadebusch sind also:
Pfarrer. | Capellane. |
1548-1554 Heinrich Storbek. | 1546-1554 Andreas Bussow. |
1554-(1565) Andreas Bussow. | 1554- - Johann Wunne. |
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Ueber
den Canzler Peter von Spengel.
Nachtrag zu S. 25.
Nach Vollendung des Druckes des Abschnittes über den meklenburgischen Canzler Peter v. Spengel (S. 24 flgd.) kommen mir durch die Güte des Herrn Archiv=Secretairs Dr. Otto Beneke in Hamburg noch mehrere wichtige Nachrichten zu Händen, welche derselbe theils in den "Geschichtlichen Notizen über Wandsbecks Vorzeit" in der Zeitschrift des Vereines für hamburgische Geschichte, Bd. III, 1851 S. 367, schon hat drucken lassen, theils noch handschriftlich besitzt. Ich lasse daher noch nachstehenden Nachtrag folgen, welcher noch durch manche Nachrichten vermehrt ist, die im Staats=Archive zu Schwerin in Folge der Mittheilungen aus Hamburg weiter entdeckt werden konnten.
Die Frau des Canzlers Peter v. Spengel war Cecilie von Mehre aus Hamburg, eine Tochter des aus dem alten niederländischen Geschlechte der von Mehre stammenden Joachim v. Mehre zu Hamburg.
Joachim v. Mehre hatte mehrere Töchter, von denen Anna in erster Ehe an den Dr. Heinrich Salsborg verheirathet war, welcher 1524 Burgemeister zu Hamburg und bei der Krönung des Königs Friedrich I. von Dänemark von diesem sogar zum Ritter geschlagen ward. Heinrich Salsborg kaufte mit dem Gelde seiner Frau das Lehngut Wandsbeck bei Hamburg und der König Friedrich belehnte um das J. 1525 damit den Heinrich Salsborg, seine Frau und seiner Frau nächste Erben auf ihre Lebenszeit. Salsborg mußte in Folge der Reformationshändel 1531 seiner Burgemeisterwürde entsagen und starb im J. 1534 auf seinem Gute Wandsbeck. Er hinterließ eine Wittwe und einen Sohn Heinrich, welcher Rath des Herzogs von Geldern ward; ein Enkel Heinrichs ward Schöffe zu Cöln. Anna verheirathete sich im J. 1543 zum zweiten Male mit Heinrich von Zesterfleth; diese Ehe blieb kinderlos. Sie lebte bis zu ihrem Tode (1553) im ungestörten Besitze des Gutes Wandsbeck.
Eine andere Tochter des Joachim v. Mehre war Cecilie v. Mehre. Cecilie war auch zwei Male verheirathet. Ihr Mann zweiter Ehe war der Licentiat Peter v. Spengel,
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welcher früher wahrscheinlich zu Hamburg als Rechtsanwalt wohnte, aber Neujahr 1543 zum Canzler des Herzogs Albrecht von Meklenburg nach Güstrow berufen ward.
Mit dem Tode des Herzogs Albrecht am 7. Jan. 1547 verlor Spengel das meklenburgische Canzleramt und ging mit Frau und Kindern nach Hamburg zurück, wo er in einem seiner Frau und deren Kindern erster Ehe gehörenden Hause wohnte und wieder Advocaturgeschäfte trieb. Er blieb dabei jedoch noch einige Zeit in Verkehr mit Meklenburg, namentlich im J. 1549 "zur Ausrichtung der Geschäfte, welche der Herzog Georg von Meklenburg ihm befohlen" hatte, und war im Sommer 1549 nach Brabant gereiset. Während der Zeit hatte aber der Herzog Johann Albrecht von Meklenburg Ungnade gegen ihn gefaßt, wahrscheinlich nicht nur wegen seiner frühern Amtsführung, sondern auch wegen gefährlicher Umtriebe in der Zeit der Vorbereitung zum oberländischen Feldzuge gegen den Kaiser Carl V., und hatte "etliche auf ihn gestellt, ihn auf seiner Reise niederzuwerfen und gefänglich anzunehmen, wie ihm seine Hausfrau geschrieben, auch bei der erzbischöflichen Durchlaucht von Bremen die Werbung gethan, ihn gefänglich einziehen zu lassen, wie ihm sein Schwager Hans von Sondershausen, der Herzogin von Sachsen zu Neuhaus Hofmeister, berichtet habe." Spengel kam jedoch glücklich nach Hamburg und beschwerte sich am 30. Julii 1549 bei dem Herzoge, daß "man ihm also wider Gott und Recht nach Leib, Ehre und Gut trachte und ihm seinen treuen aufrichtigen Dienst, nachständige Schuld, Dienstgeld und verschriebenen Schaden so gar übel und mit unverschuldeter Ungnade vergelten" wolle. Spengel hatte auch dem Kaiser das ihm geschehene Unrecht geklagt und von demselben kaiserliches Geleit empfangen, welches er dem Herzoge mittheilte, indem er dabei um Aufklärung über das gegen ihn eingeschlagene Verfahren bat.
In Hamburg zog er sich aber als Advocat bald die Verfolgung der Behörden zu, weil er "denjenigen, welche von dem Hamburger Rath an den Kaiser und das Reichskammergericht appellirten, zuständig und behülflich" war. Der Rath von Hamburg hatte ihn daher im Sommer 1550 "nach seiner Heimkehr von einer Reise vom Rathhause aus durch viele Diener gefangen nehmen und wie einen Uebelthäter in schwer Gefängniß in einem Thurme werfen und in Ketten legen lassen, wider Recht, Reichsordnung und Landfrieden." Seine "Hausfrau Cecilia" wandte sich eiligst klagend an den Kaiser, welcher sogleich am 26. Aug. 1550 dem Rath befahl, des
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Reichs sonderlichen Schutz und Schirm und Geleite, das dem Spengel früher ertheilt sei, zu achten, und ihn sofort gegen gewöhnliche Urfehde aus dem Gefängnisse zu entlassen", auch sich wegen der verübten Gewaltthat zu verantworten. Spengel ward auch des Gefängnisses entledigt, hatte aber aus Besorgniß Weib und Kinder verlassen und sich "an fremden Orten in großer Schwachheit aufhalten" müssen. Auf seine erneuerte Klage befahl der Kaiser am 29. April 1551 dem hamburger Rath wiederholt, sich jeden eigengewaltigen Landfriedensbruches gegen Peter v. Spengel zu enthalten. Nach diesen wiederholten kaiserlichen Gunstbezeugungen in einer stark aufgeregten Zeit scheint Spengel auch geheimes Spiel mit den Gegnern der evangelischen Fürsten gespielt zu haben.
Anna v. Mehre auf Wandsbeck starb im J. 1553; ihr Sohn und ihr Enkel war schon vor ihr gestorben: ihre nächsten Erben waren also ihre Schwestern, Cecilia, vermählte v. Spengel, und Elisabeth, welche an den hamburger Bürger Georg v. Tzeven verheirathet war. Diese klagten daher 1553 gegen Annens zweiten Ehemann Heinrich v. Zesterfleth auf Herausgabe des Gutes Wandsbeck und anderer Besitzthümer der Anna. Der Proceß nahm einen für die Schwestern günstigen Fortgang, wird aber im J. 1557 durch Vergleich beendigt worden sein. Seit dem J. 1557 erscheint als Besitzer von Wandsbeck der berühmte Dr. Adam Traziger, zuerst hamburgischer Syndicus, seit 1558 holsteinscher Canzler zu Gottorp, welcher des Georg v. Tzeven Tochter Gertrud zur Frau hatte.
Peter v. Spengel setzte aber nach den ersten gegen ihn entstandenen Stürmen seine rabulistischen Wühlereien fort. Nach einer hamburgischen Instructionsschrift vom 15. Nov. 1555 hatte er "sich gröblicher Injurien gegen den Rath und dessen obrigkeitliche Amtshandlungen schuldig gemacht. Dabei hatte er sich für einen kaiserlichen Salvaguardian ausgegeben und als solcher des Raths Gerichtsbarkeit vielfach gehemmt, z. B. durch Ertheilung freien Geleits an rechtskräftig verurtheilte Personen, durch Verhinderung der Vollstreckung gerichtlicher Urtheile u. s. w. Auf des Raths Beschwerde hatte jetzt aber der Kaiser den Spengel vollständig Lügen gestraft und erklärt, daß er ihn nie zum Salvaguardian ernannt und zu den von ihm vorgenommenen Handlungen befugt habe. Auf eingeholte Rechtsbelehrung der leipziger Juristenfacultät erkannte der Rath nun den fiscalischen Proceß gegen Spengel wegen gröblicher Injurien und fälschlicher Anmaßungen. Da entwich im Sommer 1555 Spengel heimlich nach Stade,
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und der hamburger Rath verurtheilte ihn in contumaciam zur Ausweisung aus Hamburg, wogegen Spengel Beschwerde beim Reichsgerichte erhob."
Spengel trat nun sogleich in Stade als Canzler in "erzbischöflich=bremischen" Dienst bei dem Herzoge Christoph von Braunschweig=Lüneburg, welcher nicht allein das Erzbisthum Bremen, sondern auch das Bisthum Verden inne hatte, und erhob hier Klage gegen den hamburger Rath "in Assistenz seines nunmehrigen Herrn des Erzbischofs von Bremen." Gleich nach Spengels Uebernahme des Canzler=Amtes begannen die Verhandlungen über die Wahl des Prinzen Carl von Meklenburg zum Coadjutor des Herzogs Christoph und dereinstigen Administrator des Bisthums. Spengel correspondirte über diese Angelegenheit nicht nur mit dem Herzoge Johann Albrecht von Meklenburg, sondern auch mit dem meklenburgischen Rath Carl Drachstedt, mit Achim v. Lützow auf Lützow und Ulrich v. Stralendorf auf Goldebee, den er wiederholt "seinen lieben Schwager und Bruder" nennt. Schon am 30. Aug. 1555 zu Stade unterzeichnet sich "Peter von Spengel Lic. Bremischer Canzler" und eben so 21. und 31. Oct. 1555 und 24. April 1556, ferner zu Verden 15. Oct. 1557 und 30. Jan. und 5. Febr. 1558. Nachdem der Herzog Christoph am 22. Jan. 1558 gestorben und der Herzog Georg von Braunschweig=Lüneburg wieder zum Administrator des Erzstifts erwählt worden war, erscheint Spengel nicht mehr in erzbischöflich=bremischen Diensten.
An dem Vertrage über die Abtretung von Wandsbeck an Traziger scheint Cecilie Spengel, welche "vielleicht auf das übrige Erbtheil ihrer Schwester Anna angewiesen war, keinen Theil genommen zu haben. Sie klagte jedoch, wahrscheinlich auf Anstiften ihres Mannes, im J. 1558 beim hamburger Rath gegen den Syndicus Traziger, welcher den Hof Wandsbeck wider Gott, Ehr und Recht selbstwäldiglich eingenommen habe." In einem Schreiben in dieser Erbstreitigkeit an den Rath zu Hamburg vom 13. Aug. 1559, ohne Angabe des Ortes, nennt Cecilie sich "des Licentiaten und sächsischen Canzlers Herrn Peter von Spengel Hausfrau" und in dem beigelegten Klagelibell gegen Traziger wird Spengel "niedersächsischer Canzler" genannt. Peter v. Spengel war hiernach also als Canzler in sachsen=lauenburgische Dienste getreten.
Von Spengels lauenburgischem Canzleramte und Ende ist bis jetzt nichts bekannt geworden.
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Anlagen.
Nr. 1.
Die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg belehnen ihre Canzler Caspar von Schöneich und Dr. Wolfgang Ketwig mit den heimgefallenen Lehngütern der ausgestorbenen Familie Stalbom, namentlich mit dem Gute Balin, für die Ordnung ihres Archivs.
Wir Heinrich vnnd Albrecht, gebruder, von gotts gnadenn hertzogenn zu Meckelnburgk, fursten zu Wendenn, graffenn zu Swerynn, Rostogk vnnd Stergerdt der lande herrn, bekennen offentlich mit diesem vnserm brief fur vns, vnser erben vnnd nachkamendenn, nachdem das geslechte der Stalbome etzliche lehengutere inn vnseren furstenthumben vnnd landenn gelegenn vonn unsern vorelternn vnnd vns zu lehenn rurend innegehapt, besessenn vnnd genossenn vnnd sich dyeselbigenn lehenguter, die wir hiemyt gemeynt vnnd ausgedruckt habenn wollenn, gleich als die myt irenn gepurlichenn namenn vnd aller irer invnnd zugehorung hiereynn bestimpt vnnd benendt werenn wordenn, durch todtfall Vicke Stalboms, des letzstenn desselbenn geslechts, geofnet vnnd ann vns als die lehensherenn derselbigenn vorlediget habenn, vnnd weylend die hochgebornenn fursten herr Magnus vnnd herr Balthasar gebroder vnsers liebenn vatter vnnd vetter loblicher gedechtnys dem erbarnn vnnserm rath vnnd liebenn getrewenn Hennyngk Beeren das lehengut Ballyn oder wie es vngeferlich mit seinen namen vnd zugehorung benent ist, das wir auch hiemit gemeynt, specificiret vnnd ausgedruckt haben wollen, gnediglich als eynn new lehen vorlehent habenn vnnd er keyne leibs lehenserbenn getzeuget, wie auch nicht ferner vermutlich, so das solch lehengut nach seynem abganck auffenn fall stehet vnnd vns sich offnenn vnnd vorleddigenn wirt, vnnd die erbarnn vund hochgelerten Caspar vonn Schoneich, vnser hertzog Heinrichs cantzler, vnnd Wulfganck Ketwigk, der
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rechten doctor, vnser hertzogk Albrechts cantzler, rethe vnnd liebenn getrewenn, vns iederun im gemelten irenn cantzlers ampten getrewe vnnd vleyssige dienste gethann vnnd ferrer woll thuenn konen vund muegenn, auch wens inn vnser beyder gelegenheyt sein vnnd wir inenn des semptlich befelich gebenn wurdenn, vnser pryuilegien, brief, siegell vnnd handlung zu Swerynn inn vnser beyder gewelb vorwart, zu besichtigenn vnnd zu registriren, zu vnser beiderseitz notturft, nutz vund bestenn ires vormogens mit vleys zu thuenn erpotten haben, das wir zu gnediger ergetzung vnnd vorgleichung irer gethanenn dienste vnd die sie vns, wie angetzeigt vnnd sunst hinfur, thuen konthen vnnd mochten, vnnd dartzu aus besundernn gnadenn auch eigener gnediger bewegniss gemeltenn vnsernn cantzlernn, als wir hertzog Heinrich vnsernn gepurendenn halbenn antheill vnnd gerechtigkeyt vnserm cantzler Casparnn vonn Schoneich vnnd seynen leibs lehenserbenn vonn erbenn zu erbenn, vnnd wir hertzogk Albrecht vnserm cantzler Doctor Wolfganck Ketwigenn vnnd seynen leibslehenserbenn vonn erben zu erben vnsern gepurendenn halbenn theill vnd gerechtigkeit gemelter Stalbome vorlassenenn lehenguter aller orthenn, da die in vnsernn furstenthumben vnnd landenn belegenn vnd wie die namen habenn, nichts darnonn ausgeslossenn vnnd sich ann vns als denn lehensherenn derselbigen vorleddiget habenn, vnnd dartzu die gemelte lehenguter, die hochgemelte vnser vatter vnd vetter seligenn genantem Hennyngk Beernn geliehenn, mit allenn irenn zinsenn, pechten, dienstenn, eckernn, holtzenn, wassernn, mollen, deichenn, sehenn, gerichtenn, obristenn vnnd nidersten, vnnd allenn andernn irenn gerechtigkeiten inn= vnnd zugehorungen, wie die vonn alters vnd bis anher dartzu gelegenn, zu rechten erblichen manlehene gnediglich gegebenn, vorschrieben, gereichet vnnd geliehenn, auch sie inn gemelte vorfallene vnd aufgethane der Stalbome lehenguter geweysset habenn, wie wir sie auch hiermit wissentlich darein weisenn vnd derwegenn aller obenn berurter lehenguter halbenn vonn ine gewonlich lehenspflicht genomenn, die sie vnns auch darauf vndertheniglich gethann haben, so das sie solche der Stalbome vorfallene lehenguter vnnd die lehenguter, so vonn vilgedachten vnsernn vater vnnd vetter milder gedechtnis genantem Hennyngk Beernn geliehenn, so erst sich die durch seynenn todtfall vorleddigenn oder sie die myt seinem willenn bey seinem lebenn vonn ime bryngenn mochten, darin wir sie auch itzt alsdann vnnd denne vf solchenn fall als itzt weysenn vnnd geweiset habenn wollenn, solche lehenguter sie vnnd ire erben
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vonn erbenn zu erben gerugsam vnnd fridlich besitzenn, geniesenn vnnd geprauchenn, auch dieselbenn lehenguter vnnd solche ire gerechtigkeit, wenn vnnd weme sie wollenn, on vnser vnnd mennyglichs vorhinderung vorkeuffenn, vorgebenn oder vorlassenn, sich mit der Stalbomes seligenn zweyenn nachgelassenn töchternn vmb ire gerechtigkeit, die sie nach lands gewonheit an vilgemeltenn der Stalbome lehenguternn habenn mogenn, gutlich zu uortragen oder ires fals erwarten, gebenn, vorschrieben, reichenn vnnd leihenn semptlich vnnd sunderlich obenberurte der Stalbome ann vns gefallene lehengutere, auch die sie nach todtfall Hennyng Bernn, we er keyne seiner leibslehenserben hinder sich vorlassenn wirt, vorledigenn werdenn, mit allenn irenn gerechtigkeyten, in= vnd zugehorungen, nichts dauonn ausgeflossenn, gedachtenn vnsernn cantzlernn, ieder von vns seynenn gepurlichenn halbenn theill dauonn seynem cantzler, als wir hertzogk Heinrich vnserm cantzler Caspar vonn Schoneich vnd seynenn leibslehenserben vonn erbenn zu erben, vnnd wir hertzogk Albrecht vnserm cantzler doctor Wolfgang Ketwigen vnnd seynenn leibslehenserben von erben zu erbenn, alles inn craft vnnd macht dieses vnnsers briefs, doch mit dem vorbehalt, wo gemelts Bernn guter an gewonlichenn werdt sich vber tausendt guldenn streckenn wurdenn, das sie gemelte vnsere cantzlere sich vmb solche vbermasse inn erleddigung vnnd annemung solcher guter nach pilligheit vortragenn sollenn, aber die andernn der Stalbome guter sollen sie ane allenn abetzugk, wie gemelth, velligklich habenn vnnd behaltenn, doch vns ann vnsernn furstlichenn obrigkeitenn, mandinstenn vnnd sunst yderenn seinenn rechtenn one schadenn. Alles getrewlich vnnd vngeferlich. Des zu vrkundt habenn wir diesenn brief gleichs lauts fur yderenn vunsernn cantzler vnnd seyne leibsslehenserbenn eynenn mit vnsern eignen henden vnnderschriebenn, zwiefechtigenn vnnd mit anhangendenn ingesiegelnn wissentlich vorsiegeln vnnd gebenn lassenn zw Swerynn, am tage Martyni des heiligenn bischofs, nach Christi vnnsers herrnn gepurt funftzehennhundert vnnd siebenn vnnd zwantzigsten iare.
Heinrich, hertzog | Albrecht, hertzog |
zu Meckelnborgk. | zu Meckelnborgk. |
Manu propria. | Manu propria. |
Nach einer Abschrift aus der Mitte des 16. Jahrh. im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.
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Nr. 2.
Der Amtmann Jürgen v. Karlewitz zu Gadebusch verträgt den Pfarrer Joachim v. Jetze und die übrige Geistlichkeit von Gadebusch wegen der rückständigen Zinsen von einem Capitale von 350 Mark lüb., welches die Stadt von der Kirche geliehen hat.
Tho wethenn: Nademe der werdige, erbar vnnd hochgelerder her Jochim Jeitze, cantzler, Prawest thor Eldena vnnd kerckher tho Ghadebusch, vor szick vnnd szinen vicarien, dem erszamen Rade to Ghadebusch ludtt twyer vorszegelden houetbreue vmb dreehunderth L marcken lubb. vnnd etligker vorszeten Rente, szo der szuluigen vorfaren in orhem anliggen van der kercken tho Ghadebusch gelenet, geforderth vnnd gemaneth, dar twisken ick Jorgen van Karlewytzß Amptman tho Ghadebusch vp huten dato mith beiderszits bowyllinge gehandeltt vnnd szie vordragen, nomlich alszo, dewyle sick gnante radtt hochligken orhes vnuormogens, borurden heren Jochim van Jeitzen vnd den vicarien szodanen houetstoll vdttogefende, boclagit hebben, deszuluigen szulckes bowagen vnnd ehnne tho gefallen, ock datt szie der Radtt hirnamalß den kerckheren, vicarien vnnd kerckendeneren dester wylliger vnnd bohulplicher orhe sculde affthomanen szin scollen, vnd darto ßie in der stadtt ock der radtt vor ßig ßuluen to botalen bohulplich, darmidtt ßie ßodanes erlangen thu erschinende, ßo hebben deßuluige vorgedachter kerckher vnnd vicarien vor ßick vnd orhe nakomlinge gnanten Burgermeisteren, radtt vnnd orhen nakamen alle iar vpp Paschen vnnd Wynachten den kerckheren vnnd vicarien theigen marken lubb. vp twe tide, datt up ider termyn vyff marken thor Rente ßunder alle vdttfluchtt, inrede adder vortogeringe guthwyllich vann orhem Radthuße tho geuen vnnd vorreken, vnud efftt der brurde Radtt ehnne dem kerckheren vnnd vicarien sodan rente der X marken nychtt lenger wider adder mheer thu genen genegit adder gewylligit, alßdene schollen vnnd wyllen ßie dem kerckheren, vicarien adder orhen Nakomlingen de III C marken hoffttstol in guder, gangbarer, Megkelenburger Munthe in twen iaren, vpp ider Ostern de helffte thotostellen, wedder botalen vnnd entrychten. Alleß getrwlich vnnd vngeferlich. Demßuluigen also laue wy gedachter Burgermeister vnnd Radtt vor vnß vnnd vnße nakomlinge by vnserenn eren vnnd trwen vnd gudem ge=
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louen natokamende, dat wy borurden Burgmeister vnnd Radtth ßodanes to steder, vaster vnuorbrakener holdinge vor vnß vnnd vnßer nakomlinge vnßer vnnd der stadtt ingeßegell vnnd ick bmelter Jorge vann Karlewytzs myn angebaren pytzer tho einer wytlickheit ahn dyßen breff dhon hangen, vnnd is durch den kerckheren die houethbreffh vpp dyße vordrachtt vpp de III C marken dem Rade wedder thogestellett wurden. Gheschen tho Ghadebusch, ßondagis Marien hemeluardtt, anno dußent vyffhunderth vnnd veertich.
Nach dem Originale, auf Pergament, in Cursivschrift, im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. An Pergamentstreifen hangen:
1) das Secretsiegel der Stadt Gadebusch, in grünem Wachs,
2) ein Ringsiegel mit drei Blättern, deren Stengel in der Mitte zusammenstoßen, oben mit den Buchstaben l. K.
Nr. 3.
Klage der Gemeinde des Kirchspiels Gadebusch gegen ihren Pfarrherrn Joachim von Jetze.
Anno domini dusent viffundert souenundeuhertich, Indictione V, Middewekens ouerst des XXIX dages Junii ., synt vor deme Durchluchtigen Hochgebornen Fursten vnde Hern Hern Johansen, Hertogen to Mekelnborgh ., vnserm g. h., Jn vnserer hiebenedden geschreuenen Notarien vnde getugen kegenwordicheit die Ersamen Vude Vorsichtigen Burgermeistere vnde Radthmenne sampt etzlichen vth ohrer gemeinde der Stadt Godebusch Jn stridiger religionsaken, ßo tuschen deme werdigen vnde Erbaren ern Jochim von Jetzen ohren kerckhern vnde vorgenompten Jn stadt vnde ohren sulues, ock desses des gantzen kerspels nhomen der kerken darsulues erwassen, wo ock hiebenedden genompt werden, Jrschienen, Vnde hebbeu eynen klagebreff vndertheniglich ouergegeuen vnde densuluigenn denstlick gebeden to lesen, wo von worden to worden Jtzt folgett:
Durchluchtiger, Hochgebarner Fursth, g. h., vnße vorplichtige schulde vnnd ghehorßam vnderdenige deinste ßynth E. f. g. vnghespart lyues vnnd ghudes tho uorahn boreith. G. f. vnnd h. Dat wy E. f. g. goth loff vnnd danck myt
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ßundem ghelyue vnd luckzeliger woluarth wedder zw heyme ghekregen hebben, deß ßy der Almechtiger got hochgelaueth ., Vnnd khonneu E. f. g. vdt hoger dranckzeliger noeth Clagende nycht vorbergen, wo wy armen lude myt vnßerm Pastorun Ernn Jochim Jeytzen Jn der boßweringe vnnd Hogem Vordruck Jtz Jn dyßen hylligen tydenn gheßettenn, dat Jd ghade Jm hogen hymmell Erbarmen vnnd ßyner gothlichen barmherticheit Vnnd E. f. g. ghenuchzam nycht tho clagen steyt, vuß armen luden ock nycht lenger zw dulden adder zw lyden, Vnd hefft ßyck g. h. alßo togedragen, Dat korthuorschenen Palmßondage Etliche lude myt got dem hernn sick, wie christlich Vnnd Szelichlich, myt ßynem hochwerdigen lychnam vnnd blode vorenigen wyllen, Szo yst gedachter Jeytz, dewyle he dat gheßehenn, dat ßyn predicante dat ßuluige Jn beyderley ghestalt den folcke tho gefende anghefangen, by dat altar ghelopen vnud aldar ein vprur ghemaketh, welches hie Nhw vorme Jar ock ghedan, dat hie de Ostien, alß den lichnam Christi, Wile ße Sacrerth, vor dem Predicanten van dem altar furiose to hope gherapet vnnd dar myt na dem anderen altare ghelopen, vnnd die lude ßuluest berichten wyllen, Szo dat Em dat Sacrament vth der Handt vp die Erden ghefallen, Dar to, g. h., Jn deme ßuluen Jar ßuluesth gheprediget vnnd geßecht: "Sw, dw lopst hen tho Fytelubbe vnnd hen to Szaltze na den lutterschen bouen; ßich den got, den dy de luttherschen dar ghefen, dar wolde Jck myne Szwyne wol myt mesten ., Vnnd Jck wyl dyck myne ßele daruor to pande ßetten, Entfanget mau ßo Jn eyner ghestaltt, dat ydt dar ghenuch ahn sy ." Vnnd Nhw dyt Jar Vorgangen Palm=Sondaghe, g. h., auermal ein Schreeck ghemaket, tho dem Altar ghelopen, dar der Prester den luden dat hochwerdige Sacramenth vorreketh, myt demßulbigen Prester eynen kyff anghefangen vnnd den kelck, dar dat bloeth Jhesu Christi Jngheweßen, vdt daffendigem ghemote vp ghegrepen vnnd tho dem Munde gheßettet, ßuluesth vdt drincken wyllen Vnnd ßick noch bodachtt vnnd die khannen myt dem Wyne ghenamen, den wyn dar to hen Jn den kelck to dem blode her Jn ghestortett, dat ydt schwmede, Jck ßwige ., So dat die lüde, die dar by sthunden vnnd thom hochwerdigen Sacrament ghan wolden, gantz ßeer vorschrocken Vnnd nycht anders ghemeinth, ßie scholden van sthundth Jn die Erden gheßuncken, Dar to, g. h., deßuluen lude do uorth gedachten
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Jeitzen noch flytich ghebeden, hie muchte ßich doch bodencken vnnd En dat hochwertige Sacrament alß denn lyff vnnd dat bloeth Jheßu Christi (dewile id der almechtige goth also to uorgefinge vnßer ßunde nagegefen vnnd Jngheßettet) vorreken laten, Darup he gheanthwerdet, hie wolde En den helschen Duuel gefen, G. f. g.; dat wy armen lude ßo ghelich wie heyden vnnd torken leuen mothen, dat deme almechtigen vader vnnd E. f. g. alß vnserm g. l. f. vnd hernn vdt demodigem herten mothe gheclagit ßyn, dat wy armen Vnderdan Jn dem Vordruck deß boßen Vyendes ßweuenn mothen, g. h. f., wo wy armen lude myt Jeytzen Jn der boßweringe lenger lyggen schollen, bofruchte wyr vnß, dat wyr einmal vp grote ßorge vnnd moye myt Em khamen muchten, Denne wy khonnen Von Jm den auermoeth nycht lenger vordragen, ßo hie myt vnß armen luden, dat wy E. f. g. vp dyt mal ghenuchßam, wo hie myt vnß vmbgeit, nycht vdtdrucken mogen, wyllen derhalfen E. f. g. alß vnsern g. l. f. vnd h. gantz vnderdenich vnnd lutter vmb diß bytter lydendis Jhesu Christi wyllen vdt hertlichem ghemote ghebeden hebben, E. f. g. die wyllen doch dyt vnße klegelich byddent vnnd vnße vnßelich vnnd vnkristlich leuent guetlich bohertzigen vnnd außehen vud vnß doch myt einem ghelerden predicanten boßorgen, dat wy doch ock wie ander lude christlich leuen mochten, Denne, g. h., der Jeitz haet wol ßo felle ahn Egenen bwren, houen vnd acker vnnd Pechten, daß Ehr dar wol dreffalt einen Predicanten von holden khan, g. h. f., wyr armen lude wyllen E. f. g thor auerflot gebeden, Jw. f. g. die wyllen den auermoeth, ßo vnß van Jeytzen wedderfareth, styllen, denne wy khonens van Em nycht lenger vordragen, vnd wyllen E. f. g. dyße artikel heym gestellet vnd tho gnedigem ghedenck geghefen hebben, wat E. f. g. hyr uth boßinnen vnd maken wyllen, darmyt wy J. f. g. dem almechtigen Jn langer gheßuntheit vnnd luckzeliger woluart wyllen bofalen hebben. Datum Jn E. f. g. stadt Ghadebusch, Sondagis na Jo., Anno . XLVII.
J. F. G.
Borgermeister vnd
Raethmanne
vnd gemeine Jn E. f. g.
stadt
Gadebusch.
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Dem Durchluchtigen Hochgebarnen
Fursten vnnd Hernn hernn Johanßen Albrechtten, hertzogen zw Mecklenburch, Fürsten zw Wenden, Grauen zw Tzwe= rin, Roßstock vnnd Stargertenn der lande hernn, Vnßerm g. h. vnderdenich g. |
Alse nhu sodan vorangetogete klageschrifft ouerall verstendichlich gelesen vnde die sake, wo dar Jnne vermerkett gantz fele sorchsam vnde vhast wichtich, ßiut darvmme die suluigen klegere nicht alleine durch ohren hochgemelten Landtsfursten, dan ock durch Vnserer eynen Notarien tor ouerfludt by ohrem eydhe, darmit sie vnde ein Jder ohrem Landtsfursten verplicht, ohre sele selicheit betrachtenn wolden vnde scholden noch Vmme gnade, gloffte, gifft vnde gaue vnde sunst anderer rechts gebrugkligen gemeynen warninge angeholden, die warheit ohrer klacht schonen ., Sunder ßowoll vor ohre kegendeill alse sick war seggen . Dar tho hebben sie alle vnde ein Jslicher von ohn geanthwordet, datt alle wes ohre gelesene klageschrifft Jnhelt vudt vermagh, willen sie alle standthafftich dargedann vnde vngewandelt Ja hebben vnde enthlick dar by bliuen, wente sie hebbens sulues also touersichtichlich pro caussa scientie aldus gesehen vnde gehordt vnnde alsß war ruchtich gespordt . Darvmme ohn ock nach Rechtsform vnde gebruck darmitt ahn sich to holden geboden . Die Jennigen ouerst, ßo vonnem Ersamen Rhade der gemeinde vnde gantzen kerspels wegen der Stadt vnde kerken to Gadebusch to bouennberurter sake geschickt, ßint nhamhafftich dusse nhageschreuene:
kersten Kolbow burgermeister
kersten ploch burgermeister
peter rheme Rathman
Paul krywiße rathman
Hans schulte Stadtfoget
Hinrick bußekiste
Hans köler
Laurentz schunemhan
Herman Euerdes.
Vp sodane schrifftlicke vnde mundtliche belantenisse aller vnde Jslicher Vorgeschreueu hefft hochgemelter Vnser Gnediger herre my mit vndergeschreuenen mynem mitt Notaren syner Furstlichen gnaden eyn edder mher gemeyne Jnstrumente to fertigen vnde maken gesunnen. Geschen tho Tzwerin vppem Furstli=
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chen Huße dessuluigen Fursten vnde hernn, Am Jare, Dage vnde Jndiction, wo alle bouen geschreuen, Jn bywesende vnde kegenwordicheit der Erbarenn vnde Vhesten:
Achim rho e r Hoffmarschalck
Christoffer Metzradth
Leffin von Camptze
Mauritz Lynstow
semptlich Furstlichen Hoffdenern to dussem handell geheischeten vnde gebedenen getugenn.
Et ego Andreas Bekerher Notarius publicus ad huiusmodi premissum querelosum et superfitiale examen atque dicta eorundem conquerentium et deponentium conscribendorum cum Connotario meo infrascripto legitime requisitus, Ideo in euidens testimonium fideliter hec manu mea conscripsi et subscripsi.
Nach dem Original=Notariats=Instrumente im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Die abschriftlich eingeschaltete Klageschrift der Gemeinde ist hier nach dem Originale, welches dem Notariats=Instrument auch anliegt, buchstäblich wiedergegeben.
Nr. 4.
Inventirung der Kirchen= und Pfarrgüter zu Gadebusch bei der Absetzung des Pfarrers Joachim von Jetze.
Jnuentarium der kirchenn gutter vnd klenott ahn Monstrantzen, kelchen, Meßgewandt inn der kirchenn, auff dem Rathhauß vnd auff der Pfar zu Gadebusch in absetzung Jochim Jetzenn auff Laurenti (10. Aug.) Anno . XLVII durch Szigmundtt von Esfelth, in beysein deß Cuchmeisters vnd gantzen Rhatts, befunden ist.
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I Altar jegen dem wigelsteine, is nychts dar by, de hefft Jeytz gheopenth.
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I Altar in Sunth Annen kappellen, hefft de kerckher gheopent, dat hefft de Muntemeister inne.
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I lheen jegen dem hogen Altar boßit der kerckher Jeitz, scholde der kappelan hebben, vnd is deß hylligen krutzes Altar, dar by ghefunden II brune kamlut ghemißgewant, I roth ßindel mißgewanth, I Corporall, II altarlaken vp dem altar, I Scrin myt breuen, de ßuluigen togeßegelt dorch den Renthemeister vnnd den karckßwaren aueranthwerdeth.
I Altar gheheten dat fromissen altar, ghehort dem kerckhernn vnnd yst der fursten.
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Jtem weß ich vp der wedeme von Jochim Jeitzen entphangen habe, in byweßen des kuchmeisters vnnd gantzen Rades.
I kapßelken, darinne boßlossen der kyrchen vnd phaffen Register, dat ßulbige vorßegelt zw myr ghenhamen.
Noch II kaßell vnnd II kynder kappen, de ßulbigen dem koster vberanthwerdet.
I bybell, de Er auss der kyrchen ghenammen.
Noch eynen boßlaten korff von Jeitzen in kegenwardicheit der ßulbigen entphangen, den thogeßegelt, darinne etliche ßegell vnnd breue boslaten, mynem g. h. thodrechlich, welche ich nych bhoßehenn, vnnd bokant, daß Ehr by ßyner ßelicheit kheine mher by sych haeth edder von keynen mehr weith.
Noch II misszeboke entphangen, de he vdt den altaren ghenhamen, welche he in der kyrchen gheoffenth hedde.
Jtem szo haeth Jeytz vp der wedemen ghelasszen:
XII tynnen khannen guth vnnd boße.
VI stope
u. s. w.
Nr. 5.
Der Rentmeister Sigismund v. Esfeld bewirbt sich für seinen unmündigen Sohn Ulrich um die Anwartschaft auf die erledigte Pfarre zu Gadebusch.
Durchlauchtiger, Hochgeborner Furst. E. F. G. ßindt Mein vntherthenigk Dinnst Jn aller Vntherthenigkheitt vnge=
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spartts vleis zuuor. Gnediger Furst vnd her. Weil denn Jtzo die Pfar zw Gadebusch Vmb Jetzen etwan kirchhern daselbst Vnchristlicher, schendtlicher Verwirckung halben hatt musßenn Ledigk gemacht vnd Nun widerumb mit Cristlichenn Pastorn, wie gottes Ordnung vnd beuelch mitbringtt, soll vnd musß Verßorgtt werden, Jst an E. F. G. alß meinen gnedigen Fürsten vnd hern Mein vntherthenigs bitten, E. F. G. Wollenn mich mitt gnediger Furschrifft An E. F. G. Vetternn Vnd Hern Hern Johanß albrechten, Hertzogkh zu Megkellnburgkh ., Meinen gnedigen Fursten vnd Hern, Daß J. F. g. solche Pfar Auß gnaden Meinem Szhon Vlrichenn gnediglich verleihenn wollenn, gnediglich verßhenn, Dan ich Szolche Pfar mit einem gelertten Cristlichenn Prediger, Daran Sz. f. g. vnd alle der Pfar Zuhorenden gnedigs vnd guts gefallen tragen soll, versehen wil, Auch bemelthen Meinen Szhon Vom Absent (?) zw studiren Biß zu seinen Mundigen Jarenn Halten, Vnd Szo solcher aißdan Dass Amptt zu brauchen nicht Annemen wurde oder nicht tuglich Darzu wher, Szo soll sie widerumb Reßingnirtt werden, Will aber gott trawen, Derselb werde Jhm gnad vnd Barmhertzigkheit zur lher verlihen, E. F. G. wollen Hirum Mein g. f. vnd her ßein, Szich Deß gnedigklich nicht beschweren, Daß Erkhen ich mich Jn aller vntherthenigkheit gegen E. f. g. zu uordienen schuldigkh, will auch ab got will Vnthertheniglich mit vleis befunden werden. Bitt E. F. G. gnedige Antworth. Datum Parchim, Am tagk Egidii, Anno . XLVII.
E. F. G. | |
Vntertheniger
gehorsamer Szigmudth Von Esfelth. |
Dem Durchlauchtigen, Hochgebor=
nen Fursten
vnd Hern, Hern Mang=
nussen, Hertzogen zw
Megkelluburgkh,
Fursten zw Wenden, Grauen
zu Schwer=
rin, Rostock vnnd stargardth Der
Lande
hern
.
Meinem gnedigen Fursten vnd hern.
Nach dem Originale, im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Daselbst wird auch noch das Vorschreiben des Herzogs Magnus an den Herzog Johann Albrecht d. d. Grabow am Sonntage nach Egidii aufbewahrt.
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:
Des
an
den Kaiser Carl V. in
Italien
im Jahr 1533,
von
G. C. F. Lisch.
I n den Jahrbüchern XXIII, S. 91 flgd. ist ein Gesandtschaftsbericht und Tagebuch über den Reichstag zu Regensburg Julii und August 1532 mitgetheilt, welcher äußerst wichtig und belehrend ist. Es ist a. a. O. zwar erkannt, daß dieser Bericht sehr werthvoll, von einem Meklenburger verfaßt und an den meklenburgischen Hof eingeschickt sei; jedoch konnte damals der Verfasser nicht ermittelt werden. Dies ist jetzt gelungen, da ein von derselben Hand geschriebener und mit dem vollen Namen unterzeichneter Bericht über eine Gesandtschaft an den Kaiser Carl V. in Italien entdeckt ist, welcher die Verhältnisse völlig aufklärt.
Der Verfasser des regensburger Reichstagsberichts vom J. 1532 in den Jahrb. a. a. O. ist der Dr. Johann Knutze oder Knutzen, Domherr zu Schwerin, Lübeck und Schleswig, Propst zu Lüneburg, Pfarrer zu S. Marien in Wismar und Inhaber sehr vieler kleiner Pfründen 1 ). Dieser Mann, welcher am 3. Junii 1546 starb und zu Lübeck begraben
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liegt 1 ), hatte sehr bedeutende Fähigkeiten und Erfahrungen und hing mit diesen in aller Kraft und Zähigkeit dem papistischen Glauben an, weshalb man ihn auch den "König der Papisten" nannte. Er war ohne Zweifel der letzte bedeutende Papist in Meklenburg und wahrscheinlich der bedeutendste von allen in Meklenburg während der Reformation. Daher diente er auch in diesem Sinne dem Herzoge Albrecht dem Schönen von Meklenburg zu Güstrow, welcher mit seiner Gemahlin Anna von Brandenburg um das Jahr 1530 zur papistischen Kirche zurückkehrte 2 ) und bis zum Tode (7. Jan. 1547) strenge darin verharrte. Der Hebel zu den vielen merkwürdigen Vorgängen am güstrowschen Hofe war ohne Zweifel der Dr. Johann Knutze, welcher schon früh in herzoglichen Diensten stand, aber vorzüglich seit dem J. 1530 seinen Einfluß geltend machte und dem Herzoge nicht nur in kirchlichen Angelegenheiten rathend zur Seite stand, sondern auch in dessen vielfachen politischen Angelegenheiten in der wichtigsten Zeit als Diplomat mit Eifer diente. Er war des Herzogs Albrecht beständiger Gesandter zu zahlreichen Höfen Europas und Versammlungen und hatte bei bedeutender Geschäfts= und Personen=Kenntniß alle wichtigen Angelegenheiten des Herzogs in seiner Hand. Er war schon vor dem J. 1525 3 ), wahrscheinlich als Secretair, am Hofe, da er unter den Räthen, welche Hofkleider erhielten, zugleich mit dem Dr. Nicolaus Marschalk Thurius († 1525) und dem Leibarzt Dr. Rembert Gilzheim (vor 1535) aufgeführt wird.
Schon im J. 1530 begleitete er den Herzog Albrecht zu dem berühmten Reichstage zu Augsburg, auf welchem die meklenburgischen Herzoge sich nicht an der augsburgischen Confession betheiligten; Knutze war zwar nicht unter den Räthen und Hofdienern des Herzogs Albrecht, jedoch im Stillen wirkend in Augsburg gegenwärtig und wohnte eine Zeit lang mit dem ihm ohne Zweifel geistesverwandten Canzler Joachim von Jetze in Augsburg zusammen 4 ). Im J. 1532, als sich die lutherische Reformation schon siegreich Bahn gebrochen hatte, schickte der Herzog ihn als Gesandten an den Reichstag
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zu Regensburg 1 ) wegen eines General=Concils; hier machte er die Bekanntschaft des Cardinals Campegius, welcher schon 1525 die Unterdrückung der Reformation in Meklenburg betrieb 2 ) und mit Knutze in Verbindung blieb.
Das nächste wichtige Ergebniß dieser Forschungen ist nun, daß in einer sehr wichtigen, entscheidenden Zeit auch die Staatsgeschäfte des Herzogs Albrecht in den Händen zweier papistischer Geistlichen (Knutze und Jetze) lagen.
Das in Jahrbüchern XXIII, S. 91 flgd. mitgetheilte Tagebuch über den Reichstag zu Regensburg ist nun von Johann Knutze eigenhändig verfaßt und geschrieben und gewinnt dadurch ungemein an Wichtigkeit.
Nachdem nun die Stellung und die Handschrift des Dr. Knutze entdeckt ist, mag es auch gelingen, seine Wirksamkeit, welche äußerst wichtig ist, weiter zu verfolgen, und werden die bisher erforschten Nachrichten feste Grundsteine dazu liefern. Ueber die Herkunft und das Leben dieses wichtigen Mannes ist bisher wenig bekannt geworden. Möglich ist es, daß er ein Schleswiger war, da er auch die Würde eines Domherrn zu Schleswig bekleidete, und aus der dortigen vornehmen Bürgerfamilie Knutsen stammte 3 ); jedoch läßt sich hierüber noch nichts Bestimmtes aussprechen.
Im J. 1533 schickte der Herzog Albrecht den Dr. Johann Knutze über Frankfurt und Speier nach Ober=Italien, um bei dem Kaiser Carl V. viele Angelegenheiten zu betreiben, bis der Kaiser nach Spanien ging. Knutze folgte vom 14. März, über Trient, immer der Reise des Kaisers nach Mailand, Alessandria und Genua, und trat auch mit dem Cardinal Campegius in Verbindung. Der hier folgende Bericht über diese Gesandtschaft, welcher von Knutze eigenhändig in seiner kleinen, sehr schwer zu lesenden Handschrift geschrieben ist und durch seine Namens=Unterschrift zur Entdeckung seiner Handschrift geführt hat, ist der eigentliche Gegenstand der gegenwärtigen Mittheilung.
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Des Dr. und Domherrn Joann Knutzen Bericht an den Herzog Albrecht von Meklenburg über seine Gesandtschaft an den Kaiser Carl V. in Italien.
Durchluchtiger, hochgeborner furste, gnediger her. Juwer furstliken gnaden synt myne ganßwillige gehorßame denste stedes vorahn boreith. Gnedige furste vnde her. Jck twiuel nicht, J. f. g. hebben myne breue vth Franckfort, Spyr gegeuen, entfangen, vnde kan J. f. g. wider nicht bergen, dath ick nach dem willen gades, wowol by wegelanck etliker mathe ganß swack gheweßen, am XIIII. in Martio to Trendth ingekamen, darsuluest nha dem Cardinal, in meninge J. g. warue vnde beuel, offt syn g. J. g. breue an Doctor Mathias gesanth, natokamende, ßo was syn g. van dar vor etlyken dagen in Osterich na dem Romischen koninge vorrucket, vude byn nach entfangener kuntschup, alße dath Ke. Mtt. vppe dusse syth Allexandrien noch syn schulde, vpgeseten vnde na Meylandt geredenn. Alße ick darsuluest am 18. in Martio in quam, was vor IIII daghen ohre Mtt. na Pigrucii myth dem hertogen van Meylanth in die jacht gereden. Dewyle myne perde mode vnde affgereden, byn ick dorch de post wente dar gekamen. De keyßer was dar, auerst doctor Mathias edder de cantzeler nicht. Des andern dages reth K. Mtt. na Valrutz, horth dem hertogen van Meylandt tho, vndt ßo vp Allexandrien, dar henne ick dorch de post in eynem dage reth. Am XX. dessuluigen Mantes quam Ke. Mtt. in Alexandrien vnde doctor Mathias am XXII, voruogede my by ohne, aueranthwordede ohm J. g. credentie myth aller instruction der articulen nach J. g. beuel, brochte idth ßo vor, dath he am 24 to pallaß toch, was myth ohm dar van III wente to VII vppe den auenth, kunde neue audientie krygenn. Darsuluest to Allexandrien krech ick mynes dynges eyn affscheth, muste J. g. sake haluen doctor Mathias synem beuel vnde gudtbeduncken nha wente to Genua volgen, dar ick hen reth dorch de post, was vul nha vmme den halß gekamen, byn des dodes ßo na ny gheweßen, quam darsuluest am XXVIII Martii, dede mennichuoldige anroginge, was myth ehm III edder IIII mal to pallaß, kunde nycht vorkamen, ist mandages nha palmarum (7. April), donsuluest gaff he my dusszen boscheth: Erstlich, dath he hadde van dem Cardinal van Trenth J. g. breue entfangen, wulde ouerst nicht ßo syn, wo J. g. mende, kunde edder muchte derhaluen by Ke. Mtt. nichtes
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vthrichtenn, myth widern worden . Tom andern an de Commissarien auermals tho schriuende, flitlich vpßenth tho hebbende, J. g. myth dersuluigen Juwen g. broder gudtlich edder rechtlich mochte entscheden werden, achte Ke. Mtt. billich, hadde ock datsuluige ohm doctori Mathie ernstlich beualen, ouerst de doctor entschuldigede syck, kunde dar nicht sehen, muste volgen in Hispanien, welker ick my beswerde. To dem drudden myth den Hollendern . nam ohre Mtt. myth hogenn gnaden ahn vnde wyl ßodanes vm J. f. g. myth allen gnaden vnde guden bedenken vnde wyl na ripem bedenckenth darup J. g. vnde dem Churfursten van Brandenborg wider schrynen. Koning Christians frouchen Koning fredericks ßone tho vortruwende, koninck Christian to gude, leth syck Ke. Mtt. wol geuallen, myth dem jungesten frouchen, dewyle dat oldeste dem hertogen van Meylandth togesecht. Dath ouerst Ke. Mtt. ßodanns jegen alle anderen schulde beuele, beswerde sick, ohre Mtt. wolde nichten van sick suluest ßodanns vornemen, lete ohre Mtt. wol gheschenn, doch ßo wolde ohre Mtt. dat in eyn bedenckenth nemen vnde darup J. g. wider schryuen.
Des tollens haluen wollde ohre Mtt. ock yn eyn bedenckenth nemen vnde vp wider ansokenth J. g. eyn gnedich boscheth geuen Doctor Mathias mende, mhen worde J. g. ßodanns nicht affslan, de sick erbuth vnde erbaden, J. g. in deme vnde anderen to denende.
Szo vel der bewillinge des vordrages myth J. g. ohme van Sasszen belangeth, kunde der acht haluen nichtes gheschenn, wanner he wedderumme der entleddigeth, muchten J. g. wider antoginge doen edder doen laten by Ke edder koninglike Mtt., worde ane twiuel nenen mangel habbenn. Ke. Mtt. werth J. g. radth schryuenn.
Vppe de andern articule der lutterschen hendele haluen kunde ick nhen boscheth edder antwerth erlangen. De sake suth my alßo ahn, vormarke ock nycht anders, sunder dath mhen werth vnde wyl dusche Nation in ohren vprorischen hendelen vnde vnencheith blyuen lathenn, in touorsicht, sick dar dath suluesth werde reformeren. To Bononien, ßo ick vorsta, ys ethwes jegen etlyke fursten sollicitiret vnde am dele upgebracht, wowol nichtes sunderges; wolde wol ick tho huß ghebleuen were, befruchte my, wowol dar nicht to der stede gheweßen, dath men my wat vordechtlich helden, mhen werth dath anders vinden; de dat gethan hebben vnde doenn, werden des wol stendich ßyn, synth des ock wol bekanth.
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Doctorn Hoetfilter hebbe ick nergens gefunden, hebbe ehm J. g. credentie myth Campegius des cardinals synem breue vnde J. g. meninge scrifftlick dorch de post togeschicketh, de suluige werth J. g. edder my kortlich anthwerden.
Jck hebbe ock, gnedige furste vnde here, doctor Mathias eyn memorial lathenn van den articulen vnde J. g. beuel vnde eynem van Ke. Mtt. trabanten Hans Torne genanth, is J. g. vnderdane van Nigenbrandenborch, wolde dath ick J. g. den vor eynen dener ghewunschet hadde vp J. g. hußer eyn, beualen, by doctor Mathias autoginge tho donde, dath ick my wyl vorßenn, dath J. g. eyn gudt boscheth vth dem haue bekamende werth, wo auerst nycht, kan J. f. g. alle dynck in koningliker Mtt. haue vorder sollicitiren vnde vpbringen.
Jck wyl my eyn tydtlanck, ßo verre ick gelt bekamen kan, in welsche landth vorßeen, dar nha in eyn bath rucken vnde vorth na dem borgermeister, wo nhu desuluige my in koninglike Mtt. hoff schyckende worde, wyl ick mynen plichten nha J. g. in deme haue ock truwelich denen, wenner my J. g. scryfft, vnde J. g. schickt gelt by der sake.
Nigetidinge ßo vorlepich, befinden J. g. vth ingelechter cedulen.
Gnedige furste vnde her, yck byn in der vnderdenigen thouorsicht, J. f g. hebben myner gnedichlick gedacht vnde werden noch gedencken vnde myn gnediger her syn, my gnedichlick entschuldiget nemen, dath ick J. f. g. nicht ehr vth welsche lanth geschreuen hebbe, kunde dar tho nicht kamen, ehr ick boscheth hadde, ock kunde ick nene bodscup bekamen. Ke. Mtt. leth alle post vpnemen vnde affschryuen vor ohre Mtt. afftoge van Genua. Wes sust mher vorlopeth, schal J. f. g. vnuorhalen nycht blynen vnde beuele hyr myth J. f. g. myth dersuluigen gemal myner g. frawen dem almechtigen vnde my ganß vnde gar J. f. g. vude dersuluigen gemal.
Datum Meylandth des mandages in den paschen ao. XXXIII.
Jck wyl g. h. vor gudth achten, J. f. g. schryue dem Cardinal nach Trendt, dewyl de by Romische koninglick Mtt. ys; he werth baldt torugge vthruckken.
J. F. G. | |
vnderdeniger
Capellan
Jo. Knutze. |
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Dem durchluchtigenn
hochgeborenn
furstenn vnde herrnn herrn Albrechten hertogen tho Meklenborch, furstenn tho Wendenn, graue tho Szwerin, Rostock vnde Stargarde der lande here, mynem gnedigen herrn vnderdenichlich. Jm lande tho Meklenborch, syne gnaden to egen handen. |
Nach dem Originale, auf einem Bogen Papier, ganz von der Hand des Dr. Johann Knutzen, ohne Siegel, im großherzogl. meklenburg. Geh und H. Archive zu Schwerin.
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:
Ueber
und
in der ersten Zeiten der Reformation,
von
G. C. F. Lisch.
D ie actenmäßigen Nachrichten über die Einführung der Reformation sind äußerst selten und daher ist die Erkenntniß des Entwickelungsganges der großen Begebenheit noch immer nicht völlig klar. Bei dem gebildeten und festen, wenn auch gemäßigten Willen des Herzogs Heinrich des Friedfertigen und seines jungen Sohnes Magnus, Administrators des Bisthums Schwerin, so wie bei der fast durchgängigen Unfähigkeit der papistischen Geistlichkeit hielt es nicht sehr schwer, die evangelische Predigt im Lande durchzusetzen; entschiedenen und heftigen Widerstand fanden die evangelischen Prädicanten bei den papistischen Pfarrern aber in der Verwaltung der Sacramente, namentlich des Altars, welche nicht selten die allerheftigsten und ärgerlichsten Auftritte 1 ) veranlaßte. Die katholischen Pfarrer behaupteten nämlich, daß nur ein vom Bischofe katholisch geweiheter, "gesalbter" Priester das Sacrament des Altars verwalten könne und dürfe, und daher waren die evangelischen Prädicanten oft genöthigt, sich dazu einen katholisch ordinirten Priester neben sich zu halten, namentlich auf dem Lande, wo es an einer größern Gemeinde fehlte, welche durch entschiedenen Ausspruch das Wirken des Predigers unterstützen konnte.
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Ein belehrendes, seltenes Beispiel 1 ) giebt die Reformation zu Stur. Die v Flotow auf Stur waren sehr früh protestantisch geworden; es werden die Brüder Dietrich 1505-27, Hartwig 1505-15, Jaspar 1505-27 und Melchior 1505 auf Stur genannt. Schon um das Jahr 1524 oder 25 hatten sie einen lutherischen Geistlichen, Cyriacus von Bernburg, als Lehrer ihrer Kinder bei sich aufgenommen und ihm dabei die Predigt des Evangelii erlaubt, weil die Geistlichen zu Stur "gar ungeschickt und ungelehrt" waren. Er hatte so 5 bis 6 Jahre gewirkt, als ihm die Flotow die Pfarre verliehen, an welcher er zwei Jahre lang das reine Evangelium predigte. Aber es war
"in Meklenburg keine gewöhnliche Weise für die Prediger des Evangelii, die Sacramente des Altars ohne Zulassung der Bischöfe zu celebriren,"
und Cyriacus von Bernburg hatte sich
"zur Ministrirung der Sacramente einen gesalbten Capellan um der Schwachheit des Volkes willen neben sich halten müssen,"
da das "gemeine Volk die Sacramente nicht gerne anders als von Gesalbten empfing."
Deshalb bat Cyriacus von Bernburg am 5. Junii 1532 den Herzog Heinrich, ihm die Verwaltung der Sacramente durch Einführung durch den Prediger zu Plau übertragen und ihn an das ganze Kirchen= und Pfarramt weisen zu lassen. Der Erfolg dieser Bitte ist nicht bekannt, aber es ist nicht zu bezweifeln, daß der Herzog die Erfüllung des Wunsches gewährt habe, da im J. 1532 die Reformation schon ziemlich feste Wurzel geschlagen hatte.
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Anlage.
Der Pfarrer Cyriacus von Bernburg zu Stur bittet den Herzog Heinrich von Meklenburg, ihn in seinem evangelischen Pfarramte zu bestätigen und ihm die Verwaltung der Sacramente und übrigen kirchlichen Amtspflichten zu übertragen.
Dorchluchtiger, hochgeborner furste, gnediger herre. Myne vnderdenige, gehorsame, plichte deinste syn j. f. g. stets thouorn. Gnediger herre. Jck armer j. f. g. vnderdane geue j. f. g. hirmit vnderdenichlich tho yrkennen, wo ick nu eyne tydt lanck vngeferlich viff edder sos jar by den Erbarn den Flotowen thom Stur erhe kynder tho vnderwysende erholden geworden Vnde etliche tydt darnha van den Flotowen, alße mynen gunstigen junckern, deme Euangelio tho stur vnd hulpe (dewile ßie gar vugeschickte vnd vngelerte der schrifft yn erher kercken thom Stur gehat), vth sonderliker gunst vnde deinstbarheit my die vorbemelte kerken vorlenth vnde thogesecht ys worden, Derhaluen Jck denne (nachdeme dat arme Volck thor kercken gehorich van solchen vngelerthen pastorn der schrifft klechlich voruoreth) vororsaket vnd van Ampts wegen (dewyle ick my der kercken angenamen) vnde ock vth Christliker leue nicht hebbe konnen vnder wegen lathen, sunder dy armen lude der kercken thom Stur nach gnaden mynes vorstandes vnde vormogens myt wethen vud anfordernth myner Junckern Nu by twen Jaren vngeferlich dath reyne Euangelion gepredigt vnd vorgedragen hebbe. Gnediger Furste vnd Herr, nachdeme denne alhir jn j. f. g. landen tho Mekelnborch beth her die Sacramente des altares neffen deme Euangelio Ane besokinge vnde tholatinghe der Bischoppe anthofangende vnde to celebrieren keyne gewonliche wiße gewesen Vnde ick derwegen beth her tho ßodanen Sacramenten ministriren eynen gesalueden Cappellan vmme swackheit willen des Volckes vp mynen grothen schaden hebbe neuenst my holden mothen, denne de kercke thom Stur des vermogens nicht ys, eynen Cappellan tho holdende, Szo sin doch j. f. g. (gade pris vnd danck) wol des vorstandes jm gades worde gegrundeth, Dat dye Sacramenta des
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altars vth deme Euangelio vnde nicht dat Euangelion vth den Sacramenten fleten vnd kamen, denne dat worth yn dessen vnsen christliken saken dat rechte houeth ys, Alßo wol dat worth vth gotlicher gnade vnde eschunge driuen kan, mach ock wol de volginge vth deme worde driuen vnd handelen, ane besokinge der wielbischoppe erhe kresem vnd ansmeringe tho halende, Szo hedden de gemeine vnd Christlichen broder, de my thom Euangelio geeschet hebben, wol wider macht (wo des j. f. g. wol vorstendich ys), my tho den Sacramenten vth deme worde volgende, der gemeyne darmith to denende, tho vorordenen, Dewile dene dath gemeine volck ßo deyp yn der vthewennigen saluinge vnde wiinge ßo ßer vordruncken ys, dat idt nich gerne de Sacramente sunder van den gesalueden entfangeth, vnde sunderliken dye gotlosen vele apenspels hyr van vnder dat gemeine volck strowen, de alletydt wath butheweniges schins soken, Dem alle nach, G. h. vnd Furst, Dewile ick denne nu alhir vnder Jwer f. g. herre son hern Magnus, hertoch tho Meckelnborch ., Alße bestetigten Bischoppe von Schwerin, m. g. h. (de wyle hyr Swerins stiffte ys,) eyn tidt lanck dat Euangelion gepreddiget vnde den anfanck der Sacramenta des altars tho mynistriern (vm der swacken willen) nergent anders dan allein by j. f. g., von wegen hochgemeltes j. f. g. herre ßones, alße van m. g. h., tho sokende weth, Denne ßo ick noch van andern bischoppen nach older gewonheit den Jnganck vnd anfanck der Sacramente des altares soken vnd fordern scholde, wolde my (dewile ick solches ym grunde fals wedder alle gotliche schrifft vp loßen wan gegrundet yrkenne) yu mynem geweten eyn grothen anstoth vnde boswer geuen, Nach deme eyn jder, ßo vor ehn den bischoppen derhaluen erschineth, muth lauen vnde beeyden, eren loßen vngegrunten vnd falschen vornemen vnd ordenunge nummer wedder tho redende, sunder tho bekrefftigende vnde tho verfechtende. Gnediger Furst vnd Herr, Js deme nach ahn J. f. g. alße ahn eynen sunderliken lieffhebber der warheit vnd eyn hanthauer des Euangelii myn vnderdeniges biddent, Jwe f. g. wyllen my von wegen hochgemeltes j. f. g. herr ßones, m. g. h, ahne wider ahnsokent anderer bischoppe eynen Jnganck der Sacramenten des altars (dewile idt dorch tholatinge des Euangelii vnde der schrifft wol gescheen mach) gnedichlich vorgonnen, vnde my des j. f. g. schyn (vm der swacken vnde gotlosen willen) by dessen gegenwerdigen gnedichlich (vm des Euangelii willen deme christliken Volcke tho deynste) geuen vnd mythdeylen, dar myt dath ick deme christliken Volke, wo angefangen, suluest mach
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verstan, de wyle ick des vermogens nicht byn, neuen my eynen Cappellan lenger tho holdende, Wyl ock j. f. g. bauen j. f. g. schin deme preddiger tho Plaw jn jwer g. Stat yn bouel don, dat he my moge alhyr thom Stur dorch eyn predige (went eme vnd my bequeme vnd gelegen ys) vor dem Christliken volcke vnd vorsamelinge van j. f. g. vnd j. f. g. herre sons wegen jn godtlichen Amptest bestedigen, Accesum 1 ) altaris geuen vnde de Sacramente sampt allen anderen kerckenampten beuelen, dar myth dath alle dinck mach ordentlich tho gha, nha der meininge Pauli: Dyt alle schal jn jwer f. g. gefallen stan, dan j. f. g. weth ahn myn vnderrichtent yn dessen vnd anderen saken wol tho handelen vnd vorth tho faren, Jwe f. g. sick yn deme vnbeswerth gnedichlich erthogen, Wyl ick vm j. f g. alße vm mynen g. h. vngespartes flytes, lyues vnd gudes myth mynen armen vordeinste tho vordenen boreith gutwillich vnd vnderdenich gefunden werden. Datum Stur, Middeweken nach Corporis Christi, Anno . XXXII.
J. F. G. | |
Vnderdenige vnd
gehorsame Ciriacus von Bernborch. |
Deme Durchluchtigen, hochgebaren
fursten vnd
heren, hern Hinrich, her=
toghe tho
Meckelnborch, furste tho Wen=
den, Grauen
tho Swerin, Rostock vnd
Stargarde, der
Lande heren, mynem
g. h., vnderdenich g.
Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.
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|
:
Ueber
vor dem Dewinkel bei der Klus,
von
G. C. F. Lisch.
E s ist bekannt, daß in Ungarn und im südlichen Rußland noch heute die Pferde und anderes Vieh in die weiten Rasensteppen getrieben werden, wo sie wild züchten und leben und zum Gebrauche eingefangen werden. Diese Steppen heißen bekanntlich im Ungarischen Pußten. Dieses Wort ist aber nicht magyarisch, sondern slavischen Ursprunges, nach folgender Etymologie: 1 )
Wurzel: | pust, verwandt mit dem Sanskrit pust: spernere. |
Verbum: | pust - iti: lassen, verlassen, loslassen. |
Substantiv: |
puszt', pusztka, bömisch und
slovakisch,
pustotins, pustatina, bömisch und slovakisch, pushawa, windisch in Krain, puszcza, pustynia, polnisch, pusczina, lausitzisch, pustosz, pustyr, russisch, puslosx, pusxtina, serbisch und dalmatisch, überall in der Bedeutung: Wüste, Wildniß, sowohl als Steppe, als auch als große, wilde, ungehauene Waldung. |
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Adjectiv: | pust, pusty, verlassen, wild, desertus. |
Ableitungen: |
pustenik, pushawnek, puszenik,
pustiniak,
pustynnik, pustelnik, Einsiedler. pust-ka, pust-kowie: wüst liegender Ort, wüste Gegend. pustki, pustost: Leerheit, Einsamkeit. |
Auch in Meklenburg und sonst in Deutschland herrschte im Mittelalter der Brauch, die Zuchtpferde ("Wilden" genannt) in die großen Urwälder zu treiben, 1 ) und wir finden auch in Meklenburg unter ähnlichen Verhältnissen einen Ort, welcher wendisch Pustekow 2 ) oder abgekürzt Pustow heißt.
Ungefähr eine Stunde von der Stadt Güstrow beginnen große Urwaldungen, welche sich von dem jetzigen fürstlichen Forsthofe Klûs an der Landstraße nach Teterow hin noch jetzt sehr weit ausdehnen. Der Wald wird durch ein Thal, welchen ein Fluß, die Lösnitz, durchfließt, der sich nicht weit von dem Anfange der Waldung in den Nebel=Fluß ergießt, in zwei Theile geschieden, von denen der nördliche der Primer heißt, welcher schon früh (1228) der Stadt Güstrow zur Holzungsgerechtigkeit verliehen ward, aber den Landesherren zum Eigenthum und zur Jagd vorbehalten blieb, der südliche der Dêwinkel heißt, welcher bis heute fürstlich geblieben ist. Dicht vor dem Anfange dieses Waldes Dewinkel und nahe an dem Primer und der Lösnitz lag an dem Nebelflusse in alten Zeiten ein alter fürstlicher Landhof Pustekow, welcher den Fürsten von Werle, später von der Linie Güstrow, gehörte und an das Dorf Rosîn grenzte, in dessen Feldmark das Feld des untergegangenen Hofes Pustekow zum großen Theile aufgenommen ist.
Pustekow heißt nun nach der oben mitgetheilten Etymologie: Wüstendorf oder Einödendorf oder Einödenort, also der Ort an der Pustka oder Puste, d. h. Wildniß. Diese Etymologie wird auf eine überraschende Weise durch die Verleihung des angrenzenden Dorfes Rosin an das Kloster Michaelstein vom 1. Junii 1229 bestätigt, indem das Kloster die "Güter in der Einöde beim Dorfe Rosin" ("bona in solitudine ad villam Resin antiquitus pertinentia") 3 )
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geschenkt erhielt. Diese Puste führte früh, sicher schon im Anfange des 14. Jahrhunderts, den Namen Dewinkel. Man könnte versucht sein, den Namen Dêwinkel für die plattdeutsche Form des hochdeutschen Wortes: Diebswinkel, zu halten. Jedoch würde die plattdeutsche Form hierfür Dêwswinkel lauten; ich habe aber nie diese Form, sondern an Ort und Stelle von Jugend auf nur die Form Dewinkel gehört. Es dürfte daher gerathen sein, auch in diesem Waldnamen eine slavische Wurzel zu suchen, welche dem Inhalte nach zu dem Ortsnamen Pustekow stimmt. Die slavische Wurzel diw, diwy, diwoky heißt 1 ): wild, wildwachsend, in der Wildniß lebend, von Thieren und Menschen; diwoke pole heißt: wildes Feld, Steppe, diky, diwoky: wüster Wald, Urwald, oder was oft, namentlich in der Mark Brandenburg, auch Haide heißt, um so mehr, da der Dewinkel mehr Nadelholz, der Primer mehr Laubholz hat.
Vielleicht hat das benachbarte Dorf Rosîn, welches in alten Urkunden freilich oft Resin heißt, auch von seiner Lage den Namen, indem man diesen von rog: Rand, Ecke, Saum, mit der Bildungssylbe — în ableiten und rozîn: einen Ort am Saume, am Rande des Holzes oder durch einen verpallisadirten Ort, von rozin: Pfahl, Spieß, Pallisade, erklären 2 ) könnte.
Auf diesem Hofe Pustekow hatten nun die Fürsten von Werle schon sehr früh ein Wilden=Gestüt, dessen Pferde in den Dewinkel getrieben wurden. Als die Fürsten von Werle am 2. Dec. 1316 3 ) ihre Lande theilten, ward auch bestimmt, daß Hof und Dorf Pustekow mit dem Dewinkel bei der Linie Güstrow bleiben, die Gestütpferde aber zu gleichen Theilen getheilt werden sollten:
"Pustecowe dorp vnde hof vnde de Defwinkel scal licken vnde bliuen in deme dele tho Gustrow, mer de stutperde scole wy like delen."
Das Wort "Stut" heißt 4 ) nämlich im Mittelalter: Gestüt. Auch der Fürst Heinrich der Löwe hatte zu derselben Zeit (1328) ein Gestüt zu Dierhagen bei Ribnitz an der rostocker Haide, welches ebenfalls "stût" hieß, (equitium seu gregem equorum, stût vulgariter appellatum").
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Die Fürsten von Werle=Güstrow hatten also im Anfange des 14. Jahrhunderts zu Pustekow einen Gestüthof, welcher ohne Zweifel auch als Jagdschloß diente, da die großen Wälder des Dewinkel und des Primer ohne Zweifel das Jagdrevier dieser Fürsten bildeten, während die übrigen Ländereien um Güstrow schon früh an die Stadt und an Vasallen zu Lehn weggegeben waren.
Der an Pustekow grenzende Hof Rosin war seit dem J. 1229 dem Cistercienser=Mönchskloster Michaelstein 1 ) bei Halberstadt geschenkt, welches in Rosin umfängliche Culturanlagen, z. B. eine Walkmühle und eine Kornmühle, hatte; und so hatten die Fürsten nahe bei ihrem Jagdschlosse auch eine namhafte geistliche Stiftung.
Von diesem alten Gestüthofe zu Pustekow zeugen noch die Namen der Wiesen im Dewinkel. Im Jahre 1709 werden von dem "Pustowschen Felde" unter den "Wiesen, so die Holzbauern müssen abmähen, hinter dem Dewinkel" noch die "Studtwiese an der Hoppenradenschen Scheide und die Kälberwiese hinter den Pustowschen Hopfendämmen" genannt.
Durch die Entdeckung dieses Hofes Pustekow erhält die Werlesche Fürstengeschichte eine überraschende Aufklärung. Der Fürst Nicolaus II., der Vater des Fürsten Johann III., welcher am 2. Dec. 1316 mit seinem Oheim Johann II. die werleschen Länder und das Gestüt zu Pustekow getheilt hatte, erhielt die im Mittelalter so sehr verbreitete Aussatz=Krankheit. Kirchberg in seiner Reimchronik C. 178 erzählt davon weitläuftig, daß der Fürst weit umher reisete, um Befreiung von seinen Leiden zu finden; sein Wunsch ward zwar nicht erfüllt, jedoch erhielt er in Montpellier guten Rath, so daß die Krankheit auf längere Zeit gestillet ward. Er konnte aber seinem Lande nicht wie früher vorstehen, sondern sah sich veranlaßt, die Regierung niederzulegen:
im wart doch die gnade
nach der wysen meystere rade,
daz die suchede sundir nyd
wart gestillet lange czyd;
abir her inkunde sundir wan
dy lant so genczlich nicht virstan
als her hatte getan vur ee,
auch virsuchte hers nicht me.
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Hiezu giebt nun der um das J. 1375 angefertigte fürstliche Stammbaum zu der Parchimschen Genealogie (in Jahrbüchern XI, zu S. 26) die seltene Nachricht:
Nicolaus leprosus factus in Pustecowe obiit.
Der siechende Fürst legte also seine Regierung nieder, zog sich auf den Hof Pustekow zurück, wo er im J. 1316 an der Krankheit starb. Es kann keinen Zweifel leiden, daß mit "Pustecowe" in der Stammtafel der Hof Pustekow beim Dewinkel gemeint sei, welcher also doch so eingerichtet war, daß ein Fürst dort in seiner Zurückgezogenheit wohnen konnte.
Die genaue Lage des fürstlichen Hofes Pustekow oder Pustow hat sich nun noch ganz bestimmt erforschen lassen. Der Hof Pustow lag dicht neben dem jetzigen Forsthofe Klueß oder Klûs, 1/2 Meile von Güstrow, und bildet einen Theil des Ackers des Forsthofes. Dicht hinter dem Forsthofe Klueß, nach Rosin hin, liegt an der Nebel ein jetzt beackerter, etwas erhöheter Platz, welcher noch heute "auf dem Püster" ("up den Püster") genannt wird. Gerade vor der Chaussee nach Teterow und dem Chausseehause, hinter dem Forsthause der Klus, erkennt man 1 ) deutlich ein großes, regelmäßiges, erhöhtes, ebenes längliches Viereck, welches sich von dem festen Boden vor dem Chausseehause durch die Nebelwiese bis gegen die Nebel erstreckt und jetzt Kornland ist; an den Seiten dieses Plateaus sind in der tiefen Nebelwiese noch breite Gräben oder Teiche erkennbar, an deren Rande sich noch oft starke eichene Planken finden, mit denen die Gruben an den Rändern ausgesetzt waren. Von diesem Plateau ging in der Mittellinie desselben eine Brücke über die Nebel, von welcher noch eichene Pfähle in dem Flusse stehen, und in der Richtung der Brücke liegt in den Wiesen am andern, linken Ufer der Nebel noch ein alter Steindamm in der Richtung nach Güstrow hin. Diese Stelle heißt noch heute der "Püster" und ist die Stelle des alten Fürstenhofes Pustow oder Püstow oder Pustekow, Pustkow.
Die Lage und Richtung der verschiedenen Oertlichkeiten wird durch die folgende Bezeichnung der einzelnen Stellen, so weit es ohne eine Karte möglich ist, klar zu erkennen sein.
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Noch jetzt werden dort zuweilen Ueberreste von dem alten Fürstenhofe gefunden. Oft findet sich Bauschutt, auch kommen noch zuweilen einzelne Ziegel von dem größten Format des Mittelalters vor. Besonders merkwürdig ist es aber, daß noch verzierte Fußbodenziegel von der alten Fürstenwohnung gefunden werden. Diese dünnen Ziegel sind achteckig, ungefähr 6" im Durchmesser, durch eingeritzte Linien in Felder getheilt, welche buntfarbig: roth, grün und gelb, gefärbt und glasurt sind. Diese Ziegel gleichen den bekannten schönen figurirten Fußbodenziegeln des 13. und 14. Jahrhunderts; leider haben sich in neuern Zeiten keine finden lassen.
Es leidet also keinen Zweifel, daß diese Stelle der Ort des alten werleschen Fürstenhofes Pustekow ist.
Der Hof und das Dorf Pustekow sind im dreißigjährigen Kriege untergegangen. Der Rest davon ist noch heute der Forsthof Klueß. Es ist die Frage, woher "die Klueß" den Namen habe. Der Name Klueß ist nicht ganz jung, wenigstens älter, als man wohl glaubt. Der Name kommt zuerst im J. 1663 vor, wo bei den Hebungen der Pfarre Rosin von den Hofländereien Rosin und Püstkow auch "die Leute, so auf der Clueß wohnen", erwähnt werden. Dann wird im J. 1703 in dem Beichtkinderverzeichniß "Püstkow oder Kluße", genannt. Auf der um das Jahr 1720 vollendeten v. hoinckhusenschen Karte von Meklenburg steht neben dem Dorfe "Pustau" auch schon "Klus" als abgesonderter Wohnort, und in der Tabelle dazu aufgeführt: "der Meyer=Hoff Püstau benebenst der Kluß." Dies sind die ältesten Beispiele, die ich habe finden können. Clûs ist bekanntlich die plattdeutsche Form für das hochdeutschewort: Klause, Einsiedelei, wie Kirchberg C. 123 die ehemalige Stelle des
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Klosters Sonnenkamp bei Parkow "die clûs by Westingebrucke" nennt und der lübische Canzler Albert von Bardewick in seiner lübischen Chronik zum J. 1298 sagt, daß die Friedebrecher von Glaisin rechtlos gelegt seien "an kerken unde an clusen unde in allen godeshusen", wo unter "clusen" ohne Zweifel "Klöster" zu verstehen sind (vgl. Grautoff Lüb. Chron. I, S. 416). Es ist möglich, daß im Mittelalter bei dem Hofe Pustekow eine Einsiedelei oder Klausnerei gestanden und die Stelle davon den Namen behalten habe. Es ist aber auch eben so leicht möglich, daß Klus nichts weiter als eine deutsche Uebersetzung des slavischen Namens Pustekow ist, da im Slavischen z. B. pustenik: Einsiedler heißt. Und für das letztere möchte ich mich entscheiden, daß also Pustekow und Klûs gleichbedeutend seien.
Die neuere Geschichte des Hofes und Dorfes Pustekow, welche die gegenwärtigen Mittheilungen noch mehr aufhellen, läßt sich ziemlich klar verfolgen.
Der Hof Pustekow blieb immer ein fürstlicher Hof. Nachdem der Hof Rosin von dem Kloster Michaelstein im J. 1433 an das Kloster Doberan verkauft und mit diesem im J. 1552 säcularisirt war, ward der Hof Pustekow oft von dem nahen Hofe Rosin mitverwaltet. Nach den Rechnungen des Amtes Güstrow ward der "Hof Pustkow" 1515 und 1525 von dem Amte verwaltet; nach dem Visitationsprotocolle vom J. 1552 gehörten zu der Pfarre Rosin: "beide Rosin, der Hof Rosin und der Hof Pustkow." In den schlimmen Jahren des dreißigjährigen Krieges brannten Hof und Dorf Pustow ab; in einem Amtsberichte vom 26. März 1639 heißt es:
"Die Meyerhöffe seindt theilß fast gahr in fewer aufgangen, als Puestow und Roßiehn"
Der Ort lag noch lange wüst. In einem Verzeichniß der Bauern und Kossaten vom J. 1644 wird Pustow gar nicht genannt und im Visitationsprotocolle vom J. 1646 wird noch gesagt:
"Hoff Püstow, so wüste."
In Kirchen=Rosin wohnten im J. 1646 nur 3 Bauern und in Mühlen=Rosin im Ganzen nur 6 Personen.
Bald darauf ward jedoch wieder eine Forstwohnung zu Pustekow gebauet, wenn auch gewiß nur zur Nothdurft, und hiedurch ward der Grund zu der Försterei Klueß gelegt. Am 6. Mai 1658 räumte der Herzog Gustav Adolph von Meklenburg=Güstrow seinem Jägermeister Jochim von der Osten den im Amte Güstrow belegenen Meierhof Pü=
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stow mit einem Bauern in Bölkow auf Lebenszeit ein, so daß er denselben bewohnen und die beiden Schläge nach dem Landwege wärts besäen, zehn Kühe halten und auf einer Wiese 20 Fuder Heu werben könne, und gab ihm dazu freies Holz und 100 Thaler jährliche Besoldung. Mit der Zeit ward diese Ansiedelung baufällig: nach dem Amtsbuche von 1693 war "der Kathe zu Pustow alt und baufällig." Nach dem Beichtkinderverzeichniß vom J. 1703 wohnte in dem ehemaligen Pustekow nur ein fürstlicher Holzvoigt mit seiner Familie, und weiter werden keine Personen aufgeführt. Der Hof Pustow wird mit seinen Abgaben zwar noch immer aufgeführt, er war aber in der Wirklichkeit nicht vorhanden, sondern es werden darunter nur die herkömmlichen und gemessenen Abgaben von dem Felde gemeint, welche der Hof Rosin zu leisten hatte, zu welchem der größere Theil des Ackers gelegt war. Das Beichtkinderverzeichniß vom J. 1703 sagt:
Fürstl. Hoff Rosien 1 ) und Püstkow. Der Verwalter Johann Maroht. Der Schefer. Der Hofhirt u. s. w.
Jochim Prabst Fürstl. Holzvoigt hat mit seiner jetzigen Frauen 3 Söhne und aus erster Ehe 1 Sohn und 1 Tochter; hat eine Magd und einen Jungen, so frey sind."
Nach der Domanial=Landesvermessung im Anfange des vorigen Jahrhunderts lagen im J. 1709 der Hof Rosin, Pustow, die Bölkowsche Koppel und die Wiesen im Dewinkel in Einer Verwaltung; die "Dewinkelswiesen" mußten noch von den "Holzbauern" geworben werden. Nach der Vermessung war das zum Hofe Rosin gelegte "Pustowsche Feldt: der Kamp auf der Dorfstätte bei den sieben Buchen, der Brachschlag auf der Dorfstätte, der Sommerschlag an der Lößnitz, der Brachschlag, die Hopfendämme, die Hofstelle und der Garten, die neue Radewiese zwischen der Dorfstätte und der Löschnitz, die Wiesen hinter dem Dewinkel." Vielleicht war am Ende des vorigen Jahrhunderts wieder ein Pächter auf dem Forsthofe vorhanden, wenn am 23. Februar 1788 "von den Höfen Rosien und Püstow und dem Dorfe Mühlen=Rosin, folglich inclusive der Cluß und des jetzigen
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"Pächters von Püstow", die Rede ist. Auf der großen schmettauischen Karte von Meklenburg steht neben der Kluß noch der Name Pustohof. Dies scheint das letzte Vorkommen zu sein; denn gegenwärtig haben ältere Leute keine Kunde mehr davon, was der "Püster" gewesen ist. In den neuesten Zeiten ist nur der Forsthof Klueß bekannt.
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:
Ueber
die Töchter und Schwiegertöchter
des
Fürsten Johann II. von Werle-Güstrow,
von
G. C. F. Lisch.
I n der Zeit von 1316 bis sicher 1337 regierten im Lande Werle zwei Fürsten Namens Johann, Oheim und Neffe, nämlich Johann II. zu Güstrow und Johann III. zu Goldberg, nach folgender Stammtafel:
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Hinsichtlich der Söhne 1 ) stimmen hiemit auch die doberaner und die parchimsche Genealogien (Jahrb. Xl, S. 16-19) überein, indem diese ausdrücklich sagen, daß Nicolaus II. nur einen einzigen Sohn ("heredem unicum") Johann III., der sich zu Goldberg ein Schloß gebauet, - Johann II. aber zwei Söhne, Nicolaus III. und Bernhard III. gehabt habe.
Ueber die Töchter der beiden Fürsten Johann sind aber die Geschichtschreiber in ihren Angaben nicht zuverlässig. Rudloff giebt dem Fürsten Johann II. zwei und dem Fürsten Johann III. drei Töchter.
Es sollen hier die Töchter des ältern Fürsten Johann II. zur Sprache kommen.
Rudloff sagt (Mekl. Gesch. II, S. 282), daß die ältere Tochter, deren Name nicht bekannt geworden ist, im J. 1341 mit dem Herzoge Albrecht IV. von Sachsen=Lauenburg=Bergedorf in dessen zweiter Ehe vermählt worden sei, und ihm folgen neuere Schriftsteller, wie z. B. v. Kobbe. Die Quelle dieser Angabe ist Detmar's lübische Chronik, welcher sagt: "1341. In der tyd nam hertoghe Albert von Sassen sin andere wif, hern Johannes dochter van Wenden. Na siner hochtid toch he to deine keisere" u. s. w.
Es ist allerdings möglich, daß die Gemahlin des Herzogs Albrecht von Sachsen=Lauenburg eine Tochter Johanns II. von Werle war, da Kirchberg in seiner Reimchroinik C. 178 sagt, daß Johann II. "viele Töchter" gehabt habe, von denen er aber leider keine bei Namen nennt:
Von Werle der andir Johan,
hern Niclaws brudir sundir wan,
dy nam eyn wib erbar vnd mild
dy waz geheyszin Mechthild,
wirdig, wise vnd da by kurg,
herczogin Otten tochtir von Lunebrg,
dy hy ime czwene sone gebar
vnd andirs tochtere vil virwar.
Aber sie wird weiter nicht genannt, und daher wird es gerathen sein, sie einstweilen auch als eine Tochter Johanns II. anzunehmen, wenn man auch nach dem Tone der Erzählung Detmars annehmen sollte, daß damals im J. 1341 der Vater der Neuvermählten noch am Leben gewesen sei, während Johann II. schon am 27. Aug. 1337 starb; jedoch mag dies keinen Ausschlag geben. Wahrscheinlich aber war die Herzogin
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von Sachsen=Lauenburg, wenn sie eine Tochter Johannas II. von Werle war, eine ältere Tochter, da eine jüngere bei ihrer Vermählung um das Jahr 1349 erst im 20. Lebensjahre stand.
Dagegen hatte der Fürst Johann II. von Werle wirklich eine andere vermählte Tochter, deren Name und Vermählung erst in den neuesten Zeiten entdeckt ist. Der junge Herzog Barnim IV. von Pommern=Wolgast, welcher nach vollendeter Minderjährigkeit im J. 1338 mit seinen Brüdern die Regierung angetreten hatte nämlich zur Zeit der heftigen rügischen Erbfolgekriege zwischen den Herzogen von Pommern und den Fürsten von Meklenburg und Werle, während eines der vielen in diesem Kriege geschlossenen Waffenstillstände zur Stillung der Kriegsnoth in seinem 25. Lebensjahre die im 20. Lebensjahre stehende Princessin Sophia, 1 ) Tochter des verstorbenen Fürsten Johann von Werle auf Rath der Verwandten und der Räthe des Herzogs und der Brüder der Princessin, geheirathet ("matrimonium contraxerunt et consummaverunt"). Nach der Vermählung ward es offenbar, daß die jungen Eheleute im dritten Grade blutsverwandt waren, und dieses Vergehen ward beim Papste Clemens VI. anhängig gemacht, welcher sie jedoch, um weiteres Blutvergießen und Anstoß zu verhüten, am 21. März 1350 unter der Bedingung dispensirte, daß sie sich eidlich verpflichteten, ein solches Verbrechen nicht wieder zu begehen und zu befördern, und drei ewige Vikareien in ihrem Lande mit 70 Goldgulden jährlicher Einkünfte stifteten. Dies alles wird durch die hier mitgetheilte päpstliche Bulle 2 ) völlig klar, welche wir durch eines warmen Freundes Mittheilung aus dem Geheimen Archive des Vatikans gewonnen haben.
Mit dieser Princessin Sophie, Herzogin von Pommern, ist nun ganz sicher eine Tochter des Fürsten Johann II. von Werle=Güstrow gemeint, da dieser schon im Jahre 1337 gestorben war, während Johann III. erst nach dem J. 1352 starb, und da Sophie "Brüder" ("fratres") hatte, während Johann III. sicher nur einen Sohn besaß. - Es steht jedoch noch zur Frage, ob Sophie auch die Tochter des Fürsten Johann II. sein könne. Johann II. war im J. 1311 mit der Herzogin Mechthild von Braunschweig verlobt und vor dem
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12. Mai 1318 vermählt; die Gemahlin starb aber schon im J. 1332 1 ). Da man nun annehmen muß, daß über die Verhandlungen mit dem päpstlichen Stuhle zu der Dispensation im März 1350 längere Zeit vergangen sein wird, so mag Sophie, da sie zur Zeit der Vermählung im 20. Lebensjahre stand, um das Jahr 1329, also einige Jahre vor dem Tode ihrer Mutter, geboren sein. Es ist also sicher, daß Sophie, des Herzogs Barnim IV. von Pommern=Wolgast Gemahlin, eine Tochter des Fürsten Johann II. von Werle=Güstrow war.
Mit diesen urkundlichen Nachrichten stimmen auch die Berichte der pommerschen Chroniken überein. In Kanzow's Chronik von Pommern, herausgegeben von v. Medem, heißt es S. 205: "Im Jar 1364 ist gestorben Sophia, Herzogs Barnims von Pommern Gemalin und ist zu Belgard begraben und des andern Jars darnach ist auch ihr her Herzog Barnim gestorben und gen Camin geführt und daselbst begraben." Klemzen im Pommerlande S. 50 sagt: "Barnim starb 1356, ist zu Camin begraben. Seine Gemalin "Sophia von Wenden verstarb zu Belgard 1364, ward zu Marienthron begraben." Hiernach bemerkt schon Rudloff II, S. 282, Not. v., daß in den pommerschen Chroniken Barnim's IV. Gemahlin Sophie genannt werde.
Johann II. von Werle=Güstrow hatte außer der genannten Sophia sicher noch eine Tochter, welche im J. 1344 in das Kloster Dobbertin gegeben ward. Hierüber redet eine geschichtlich wichtige Urkunde 2 ) sehr deutlich. Am 14. März 1344 zu Güstrow gaben nämlich die Brüder Nicolaus III. und Bernhard III. Fürsten von Werle ihre Schwester zugleich mit der Tochter des verstorbenen Knappen Heine von Gehrden in das Kloster Dobbertin, in Betracht der unermeßlichen Treue des Klosters gegen das Fürstenhaus und auf Bitten der Fürsten, und schenkten dafür dem Kloster das Eigenthumsrecht der Dörfer Sietow und Lärz, wogegen das Kloster der Schwester der Fürsten jährlich 12 Mark und der Jungfrau v. Gehrden 4 Mark Hebungen zahlen und den Nonnen jährlich zwei Male eine reichliche und festliche Fleischspende ("servitium") ausrichten sollte, um das Andenken ihres verstorbenen Vaters Johann und ihrer verstorbenen Mutter Mechthild, der verstorbenen ersten Gemahlin Agnes des Für=
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sten Nicolaus und der noch lebenden Gemahlinnen der beiden Fürsten, Mechthild und Elisabeth, nach deren Tode würdig zu feiern. Die in der Gegend von Malchow angesessene, längst ausgestorbene Familie v. Gehrden stand dem fürstlich werleschen Hause sehr nahe. Am 6. Julii 1300 hatte Dietrich v. Gehrden das Dorf Sietow von der Fürstin Sophie von Werle gekauft und ward damit von deren Sohne dem Fürsten Nicolaus II. belehnt (vgl. Lisch Gesch. des Geschl. Hahn II, A, S. 256 und II, B, S. 3, Urk. Nr. LXXXVII); am 25. Aug. 1342 hatten der Ritter Johann v. Gehrden, Mar schall der Fürsten von Werle, und dessen Bruder der Knappe Heyne von Gehrden das Dorf Sietow mit der Schamper Mühle an das Kloster Dobbertin verkauft, und die Fürsten Nicolaus und Bernhard bestätigten diesen Verkauf. Dies waren ohne Zweifel die Veranlassungen, aus welchen die Tochter des Heine v. Gehrden zugleich mit der Schwester der Fürsten am 14. März 1344 in das Kloster gegeben ward. Wie die fürstliche Klosterjungfrau geheißen habe, wird in den bisher bekannt gewordenen Originalquellen nicht gesagt. Rudloff nennt sie Anna, wahrscheinlich aus jüngern Chroniken oder aus Nachrichten des Klosters Dobbertin; schon Chemnitz in seiner handschriftlichen meklenburgischen Chronik, in welcher zuerst auch der Name nicht angegeben ist, hat das ursprüngliche N. N. durchgestrichen und Anna übergeschrieben.
Es ist also völlig sicher, daß der Fürst Johann II. von Werle wenigstens zwei Töchter hatte, von denen die wahrscheinlich ältere Sophie um das J. 1349 mit dem Herzoge Barnim IV. von Pommern vermählt, die jüngere Anna im J. 1344 Klosterjungfrau zu Dobbertin ward. Außerdem muß man einstweilen annehmen, daß Johann II. noch eine dritte Tochter hatte, welche im J. 1341 dem Herzoge Albrecht IV. von Sachsen=Lauenburg=Bergedorf vermählt ward und nach allen Umständen die älteste war.
Bei dieser Gelegenheit mag ein Irrthum berichtigt werden, welcher die Gemahlinnen der beiden Brüder der erwähnten Princessin betrifft. Die Brüder Nicolaus III. und Bernhard III., Söhne des Fürsten Johann II. von Werle, hatten sich auch im J. 1341 mit zwei Schwestern, Töchtern des Grafen Johann III. von Holstein=Plön, vermählt, welche in der dobbertiner Urkunde von 1344 ausdrücklich Mechthild und Elisabeth genannt werden. Von diesen lebte Elisabeth, die Gemahlin des Fürsten Bernhard II. von Werle=Waren am längsten und kommt noch sehr spät vor. Sie hatte ihr Leibgedinge im Lande Röbel, über welches 1362-1379
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wiederholt verhandelt ward 1 ). Am 12. März 1390 entsagte sie mit Bürgen aus dem Lande Werle zu Plön allen Ansprüchen auf ihr väterliches und mütterliches Erbe zu Gunsten ihrer Vettern Claus und Gerd von Holstein. In der in der holsteinschen Urkundensammlung abgedruckten Urkunde 2 ) nach dem Originale im Geheimen Archive zu Kopenhagen nennt sie sich "Elsebe van Godes gnaden vrowe van Wenden, wannedaghes her Berndes wif van Wenden, deme God gnedich si", grade so wie sie sich auch in einer meklenburgischen Urkunde 3 ) vom 25. April 1379 nennt. In einer zweiten Original=Ausfertigung derselben Urkunde vom 12. März 1390, welche mit dieser völlig gleichlautend und von welcher der Eingang und der Schluß in der holsteinschen Urkundensammlung ebenfalls gedruckt 4 ) ist, nennt sie sich aber "Beke van Godes gnaden vrouwe van Wenden, wannedaghes her Berndes wyf van Wenden, deme God gnedich si." Es ist in beiden Ausfertigungen derselben Urkunde nur der Name der Ausstellerin verschieden: "Elsebe" und "Beke". Hieraus schließen die Herausgeber der holsteinschen Urkundensammlung in dem Register zu dem Worte "Werle", daß Beke die Gemahlin des Fürsten Nicolaus III. gewesen, daß also in der zweiten Ausfertigung der Urkunde der Gemahl der Beke "irrthümlich wieder Bernd genannt" sei. Ein solcher Schreibfehler ist aber unmöglich anzunehmen und es ist kein Grund vorhanden, der zu einer solchen Annahme berechtigte, um so weniger, als auch der Name Beke für ein Versehen angenommen und in Mechthild oder Mette verändert werden müßte, da Beke nimmer eine Abkürzung aus Mechthild sein kann. Ich halte daher die beiden gleichlautenden Entsagungsurkunden vom 12. März 1390, wie ich schon angedeutet habe, nur für zwei verschiedene Ausfertigungen derselben Urkunde von derselben Ausstellerin, 5 ) welche
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in der einen Urkunde Elsebe und in der andern Urkunde Beke genannt wird, da der weibliche Vorname Elisabeth. theils durch Apokope in Elsebe, Else, Ilse, theils durch Aphäresis in die diminutivartig gebildete, ungemein häufig vorkommende Form Beke abgekürzt wird.
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1.
Das Schloß Kobelbrück.
N ach einer neu entdeckten Urkunde 1 ) vom 20. Aug. 1292 hatte der Fürst Nikolaus von Werle in dem heftigen Kriege gegen seine vatermörderischen Vettern gleich zu Anfange das Schloß Kobelbrück (also später wohl Kavelbrück ausgesprochen) erbauet. Um den Kriegsschauplatz genauer kennen zu lernen, würde es von großer Wichtigkeit sein, die Lage dieser nicht mehr vorhandenen Burg, welche bisher nicht weiter genannt ist, kennen zu lernen. Es ist möglich und wahrscheinlich, daß sie in der Gegend von Penzlin lag, welche reich an alten Burgplätzen ist (vgl. Jahrb. XXV, S. 271), und daher wünschenswerth, zu erforschen, ob in dortiger Gegend ein Burgplatz, eine Erhöhung oder ein Ackerstück liegt, welches noch diesen Namen führt.
In der Gegend von Penzlin hat sich trotz der sorgfältigsten Nachforschungen durch den Herrn Pogge auf Gevezin und in den Urkunden des Archivs kein Ort mit dem Namen Kobebruck finden wollen. Jedoch ist es möglich, daß der Ort bei der Stadt Alt=Strelitz an dem Durchgange zwischen den vielen Seen lag und in der Stadtfeldmark von Strelitz untergegangen ist. Bei der Stiftung der Stadt im J. 1349 legten nämlich die Grafen von Fürstenberg zu der Stadtfeldmark drei Dörfer, und unter diesen auch die Feldmark von Cobelbruke: "och late wy em dryer dorp veltmarken, de umme Streltz lighen, alse de veltmarke tu Domiuche unde de veltmarke tu Buristorpe unde de veltmarke tu Cohelbruke, ene ysleke veltmarke mit druttich hoven";
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nach Latomus lag "Kavelsbrok" am Quassower Bach. (Vgl. Boll Gesch. des Landes Stargard, II, S. 29 und 223). Dieser Annahme steht aber entgegen, daß dieses Dorf Cobelbruck nicht im Lande Werle lag.
G. C. F. Lisch.
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2.
Zur Geschichte
der Schlösser zu Wismar und Schwerin.
Bei der großen Wichtigkeit des Schloßbaues zu Schwerin ist es von Einfluß, die Geschichte auch des alten Baues möglichst genau zu verfolgen. Es sind in den neuesten Zeiten einige bisher unbekannte Nachrichten entdeckt, deren Mittheilung der Zweck dieser Zeilen ist. Für die Geschichte des Schlosses zu Schwerin ist die Geschichte des Fürstenhofes zu Wismar von Bedeutung, da die herzoglichen Bauten in Wismar gewöhnlich den Bauten in Schwerin voraufgingen.
Der alte Hof in Wismar, von welchem nichts mehr steht, mußte im Anfange des 16. Jahrhunderts schon sehr baufällig sein. Schon im J. 1487 klagte der Herzog Magnus, daß das Haus zu Wismar so undicht sei, daß er "vor Regen nicht darin liegen könne", und bat den Rath der Stadt, zu seiner bevorstehenden Ankunft das Dach etwas bessern zu lassen. Vgl. Anlage Nr. 1. Darauf ließen der Herzog Heinrich der Friedfertige 1512 und der Herzog Johann Albrecht 1553 die neuen Gebäude aufführen (vgl. Jahrb. V, S. 12 und 15), welche allein noch stehen.
In Schwerin mochte es damals nicht besser aussehen. Daher ließ der Herzog Heinrich um das Jahr 1525 auf dem Schlosse ein neues Gebäude aufführen (vgl. Jahrb. V, S. 48), welches nicht mehr steht, und der Herzog Johann Albrecht im J. 1553 das von dem Herzoge Magnus aufgeführte lange Haus ausbauen und nach dem Muster des neu erbaueten wismarschen Hauses verzieren (vgl. Jahrb. V, S. 35), wie es jetzt restaurirt ist. Aber auch 1534-35 ließ der Herzog Heinrich in Schwerin bauen. Am 7. März 1535 bat der Herzog den Rath der Stadt Wismar, den "Meister Achim, den er ein
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Jahr vorher zum Maurermeister für das neue angefangene Gebäude angenommen" habe, abziehen zu lassen, damit er die Arbeit vornehmen möge, da es zum Beginn der Arbeit Zeit sei. Vgl. Anlage Nr. 2. Es läßt sich noch nicht ermitteln, ob dieses neue Gebäude auf dem Schlosse stand, oder ob es ein anderes fürstliches Gebäude war. Um dieselbe Zeit, nach dem Stadtbrande von 1531, hatte der Herzog den Stall an der Salzstraßenecke aufführen lassen, in welchem die erste lutherische Predigt in der Stadt gehalten ward; jedoch scheint dieses Gebäude im J. 1535 schon fertig gewesen zu sein.
G. C. F. Lisch.
Nr. 1.
D. d. Bukow. 1487. Nov. (3).
Vnnsen gunstigen grud vnnde guden wille tovorn. Ersamen vnnde wisen, liuen getruwen. Wy sint in meyninge, will got, nah gelegenheydt vnnser saken am sonauende nechst mit den vnnseren tor [Wismer[ inkomende werden, so vorfare wy, dat vnnse hus vlack sy vnde vor regen dar inne nicht wol liggen konen, is derhaluen vnse beger mit flite biddende, bynnen . . . . . . . . vnse hus bestigen vnnde etlike schottilyen, die vthgefallen sint, wedder beteren willen lathen, dar mith wy droge liggen mogen . . . . . . . . . . . . . . mith gunstigen gnaden (?) yegen juw verschulden . . . . . . . . . . Bukow, am . . . . . . . . na omnium sanctorum, Anno etc. LXXXVII.Magnus van gots gnaden hertoge to Mekelenborch. furste to Wenden, graue to Swerin etc.
Denn ersamen vnnde wisen
vnsen
leuen getruwenn borgemesteren vnde radmannen vnser stad Wismer. |
Nach dem Originale, auf Papier, durch Moder stark mitgenommen, im Archive der Stadt Wismar, mitgetheilt von C. D. W.
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Nr. 2.
D. d. Schwerin. 1535. März 7.
Vnnsernn gunstigen grues zuuorn. Ersamen, lieben getrewen. Weyl wir denne vorm jhare mit ewerm zulassen, bewilligung vnd guthem willen meister Achim den maurer bey euch vor vnserm maw(r)meister alhie zu Swerin vnsers newen angefangen gebewes angenommen haben, vnnd es nun vmb die tzeit ist, das wir zu erbeyten anheben lassen werden, dartzu wir seyner nottorfftigk sein, So ist demnach vnser gutlichs bogern, Wollet demselben ewerm mitburger vergonnen, das er vff vnser erfurdern sich alher verfugen vnd dieselbe vnser arbeith furnemenn muge, Mit gutwilliger ertzeigunge, Jn dem thut ir vns gefallen, Wydderumb kegen euch in gnaden zu erkennenn. Datum Swerin, Sontags Letare, Anno XXXV.Heinrich van gots gnaden hertzogk zu Meckelnborgk, furste zu Wendenn .
Denn ersamen vnnsern lieben
getrewenn
borgermeistern vnnd rathmannen vnser stadt Wysßmar. |
Nach dem Originale, auf Papier, versiegelt mit des Herzogs Ringsiegel, im Archive der Stadt Wismar, mitgetheilt von C. D. W.
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:
3.
Das S. Georgen=Hospital zu Plau.
Bei der großen Wichtigkeit, welche die Geschichte der ursprünglich zur Aufnahme von Aussätzigen gestifteten S. Georgen=Hospitäler in den neuesten Zeiten gewonnen hat, ist die Gewinnung von alten Nachrichten von Bedeutung, da, wenn auch wahrscheinlich jede meklenburgische Stadt ein Georgenhaus vor dem Thore gehabt hat, doch alte Nachrichten über diese Stiftungen sehr selten sind.
Auch die Stadt Plau hatte ein S. Georgen=Hospital vor dem Thore; aber die Nachrichten gingen nicht über das Jahr 1370 hinaus (vgl. Jahrb. XVII, S. 173). In den neueren Zeiten sind aber noch Nachrichten entdeckt, welche bis zum J. 1298 hinaufreichen.
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Am 28. Jan. 1298 hatte der Bürger Dietrich Filter zu Plau dem Georgen=Hospitale 5 Hufen in dem Dorfe Kuppentin mit 16 Mark jährlicher Geldpacht aus denselben und aller Freiheit und Gerechtigkeit, wie der Ritter Johann Pren dieselben von dem Bischofe von Schwerin zu Lehn getragen, zur Unterhaltung der Armen mit der Bestimmung geschenkt, daß der Rath zu Plau dieser Schenkung vorstehen und die Austheilung der Gelder beaufsichtigen solle, und der Bischof von Schwerin bestätigte diese Schenkung am 28. Jan. 1298 1 ). Am 21. Oct. 1298 hatte derselbe Bürger Dietrich Filter dem S. Georgen=Hospitale 16 Mark jährlicher Geldpacht aus denselben 5 Hufen in Kuppentin und seinen sonstigen Gütern zur Stiftung einer ewigen Vikarei und zur Unterhaltung eines Priesters zu S. Georg, unter dem Patronat des Bischofs von Schwerin, geschenkt und der Bischof von Schwerin bestätigte diese Schenkung am 21. Oct. 1298 2 ).
Ohne Zweifel sind dies zwei verschiedene Schenkungen, die eine zur Unterhaltung der Armen, die andere zur Unterhaltung eines eigenen Priesters, beide wohl aus denselben 5 Hufen zu Kuppentin, nur daß den Armen der Besitz der Hufen, also auch wohl mit Diensten, Nebenabgaben ., dem Priester aber nur eine Geldpacht von 16 Mark geschenkt war.
Nach diesen Urkunden stand also schon im J. 1298 das S. Georgen=Hospital vor Plau, und die Annahme der Visitatoren, daß diese Urkunden die "Confirmatio" und "Fundatio S. Ceorgii" sei, kann nicht richtig sein. Wahrscheinlich ist es aber, daß die Vikarei zu S. Georg erst durch die zweite Schenkung gestiftet ward. Die beiden Urkunden werden aber dem Anscheine nach die ältesten Urkunden des Georgen=Hospitals zu Plau gewesen sein, welche im 16. Jahrh. erhalten waren.
Beide Urkunden sind vom J. 1298 datirt und in der ersten Urkunde wird der Bischof Gottfried I. von Schwerin, welcher 1292-1314 regierte, als Confirmator genannt. In der zweiten Urkunde wird aber der Bischof Nicolaus von Schwerin genannt; dies kann aber nur ein Schreibfehler sein, da die beiden schweriner Bischöfe Namens Nicolaus erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebten.
Die beiden Urkunden fallen aber um so sicherer in das Jahr 1298, da der Stifter, der plauer Bürger Dietrich Filter, sicher zu dieser Zeit lebte. Am 9. Dec. 1299 war
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nach einer Original=Urkunde Thidericus Viltere der älteste Rathmann der Stadt Plau (vgl. Jahrb. XVII, S. 292); ohne Zweifel ist auch der älteste Rathmann Tidericus, welcher im J. 1293 noch ohne Vornamen neben Johann vom Berge ("Tidericus, Johannes de Monte") vorkommt (vgl. Jahrb. XVII, S. 281), derselbe Dietrich Vilter, da beide in der Urkunde 1299 mit vollem Namen getrennt genannt werden. Der Rathmann "Niclaws Vildhyder" 1307 (Jahrb. XVII, S. 295) ist wahrscheinlich des Rathmanns Dietrich Filter Sohn.
G. C. F. Lisch.
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4.
Die von Moltke
in der Schlacht bei Axenwalde (?) 1389.
Zeugen=Verhör vom J. 1563.
Frage: Wie die Moltken geheissen, die von Herrn Albrechten Koning in Schweden zuerst daß dorffs Goltberg zu Lehen sollen empfangen haben.
Aussage: Solchs sei ihm nicht gesagt, hab aber woll gehört, daß vff einmall zwolff Moltken in der schlacht vmbkommen.
Aus einem Zengenverhör vom Dec. 1563 in einem Processe zwischen Vicke v. Oertzen zu Gerdshagen gegen Otto Moltke zu Belitz wegen des Gutes Goldberg.
G. C. F. Lisch.
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5.
Tolle Wölfe in Meklenburg.
Zeugen=Aussage vom J. 1563.
Zeugin habe von den alten gehort, daß vff dem Nienhauer Felde (zu Tützen gehörig) ein hauehoff gestanden, welcher den Moltken gehort habe, darauf eine Erbjungfraw
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Beata Moltken geheissen einen mit Namen Tarleuitz soll gefreihet haben, die Fraw sey von einem tollen Wolffe gebissen, das sie daran gestorben, damalß der hoff verwüstet vnd einsteils ackers zu dem Dorff Goltberg geleget vnd die hoffe daselbst, welchs nur katen gewesen, damit gebessert worden.
Aus einem Zeugenverhör vom Dec. 1563 in einem Processe zwischen Vicke v. Oertzen zu Gerdshagen gegen Otto Moltke zu Belitz wegen des Gutes Goldberg.
G. C. F. Lisch.
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6.
Ueber Andreas Mylius
ist in den neuesten Zeiten eine Entdeckung gemacht, welche für denselben und für den Herzog Johann Albrecht von großem Interesse ist. In der Lebensbeschreibung des A. Mylius in Jahrb. XVIII, S. 16 ist nachgewiesen, daß derselbe im J. 1548 in des Herzogs Dienste trat. Es ist die Frage, in welcher Form dies zuerst geschah. Die im J. 1860 unter alten Renterei=Papieren aufgefundene höchst wichtige Renterei=Rechnung des Rentmeisters Sigismund Esfeld für die Jahre 1547-50 giebt den willkommenen Aufschluß, daß A. Mylius zuerst nur als "Student" Gesellschafter des Herzogs war. In der Renterei=Rechnung heißt es:
"1549. Andreas Mylius studens auß beuelh m. g. h. 12 thaler."
"Biß auff Michaelis itzt Anno . 49 in Besoldung entricht wie volgth."
"1549 vnd 50. Andreas Mylius studens, so ihm m. g. h. aus der Pacht zw Ribbeniz 10 thaler Petri Pauli, 10 thaler zw Vnterhaltung Bartholomei."
"Demselben 3 thaler den sonabendt nach Laurentii."
Im J. 1550 ward er "Präceptor" des Herzogs Christoph (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 21 flgd.) und im J. 1556 "Hofrath" (vgl. S. 61).
G. C. F. Lisch.
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7.
Hiob Magdeburg,
Lehrer des Prinzen Johann von Meklenburg.
Nachtrag zu Jahrb. XIX, S. 30.
Ueber Hiob Magdeburg, Lehrer des Prinzen Johann von Meklenburg 1574-1578, dessen Stellung in Jahrb. XIX, S. 30, dargelegt ist, theilt der Herr Pastor Seidemann zu Eschdorf bei Dresden eine Abschrift des folgenden eigenhändigen Briefes desselben aus dem königlich=sächsischen Staats=Archive zu Dresden mit:
Durchlauchtigster vnd hochgeborner Churfurst, Gnediger Furst vnd herr. E. C. G. seindt meyne vnderthenige vnd schuldige gehorsame Dinst alle Zeit Zuuorn . Gnediger Churfurst vnd herr. E. C. G. gnediges abfordern aus disen landen beineben der vormeldung, Zu was dinsten dieselben mich Zu gebrauchen bedacht, hab Jch in vnderthenikeit gelesen vnd vornommen . Hierauf thue E. C. G. vnderthenig Zu wißen, das mir vor dieser Zeit nichs libers wehr gewesen, den das ich in meynem liben Vaterlande, darin Jch Zwar ein gutte lange Zeit gedient, ferner hett dinen sollen, Auch noch nichs libers wunschen wolte, Do es Gottes Wille, den das Jch darin leben vnd sterben möchte ., Aus was vrsachen aber solches nicht hat sein wollen, haben sich E. C. G. gnedigst Zu erinnern, Wie denn auch des, das Jch mit vorwißen aus dem lande geschiden, vnd mir lauts des abschides aus E. F. G. Cantzelej, nach meynem gefallen mich Zu dinste Zu begeben gnedigst vergonnet worden: Demnach hab Jch auch dise Zeit, do ich mich nuhn der Widerkunft in meyn libes Vaterland fast verzeihen müßen, vnd es meyne vnd der meynen notturft erfordert, mich von Lübeck wenden vnd in des Durchlauchtigen vnd Hochgebornen Fürsten vnd herrn, herrn Johann Albrechtes, hertzogen Zu Meckeinburgk . m. g. h. bestallung begeben müßen, weil dan Jch vor wenig Wochen an gedachten dinst getreten, vnd S. f. g. solch vertrauen auf mich nicht gestellet, das Jch von S. f. g. gelibten eldesten Sohn, Zu des präceptoren er meyner gebrauchet, mich Widerumb so balde begeben würde, So haben E. C. G. gnedigst zu bedencken, das mir gewißens, vnd dan auch ehr vnd glimpfes halben beschwerlich fur=
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fallen vnd dartzu schimpflich vnd nachtheilig sein wolde, wo Jch mich aus S. f. g. dinsten So unuorsehens entbrechen solte, Zu dem so erkenne Jch mich Zu der vorgeschlagenen Condition Zu gering vnd viel Zu wenig, als der wider mit geschicklikeit, noch Dignitet, wie eyn solche stelle erfordert, begabet ist, Dartzu nuhn auch durch das alter vnd viel ertragene arbeit, sorge vnd bekummernis, fast geschwechet ., Gelanget derhalben an E. C. G. meyn vnderthenige bitte, sie wolle angezogene vrsache, warumb Jch noch Zur Zeit itzigen dinst nicht vorlaßen vnd dan auch mich nicht Zu vorgeschlagener Condition brauchen kan laßen, gnedigst erwegen, vnd meyns nicht erscheinens keynen vngnedigen gefallen tragen, Welches dan von E. C. G. Jch mich in vnderthenikeit tröste, vnd schuldigen gehorsam vnd danckbarkeit dafur Zu erzeigen, Desgleichen vor E. C. G. vnd alle ihre gelibten gesundheit vnd selige regirung teglich zu bitten pfligtig erkenne . Datum Schwerin, den XI. Julii, Anno LXXIIII.
E. C. G.
vndertheniger
gehorsamer
Hiob Magdeburgk.
DEm Durchlauchtigsten vnnd
Hochgebornen
Fursten vnd herrn
Herrn Augusto, des
heiligen Ro=
mischen Reichs Ertzmarschall
vnd
Churfursten, Landgrafen in Dö=
ringen, vnd Marggrafen Zu Mey=
ssen, vnd
Burggrafen Zu Magde=
deburg, meynem
gnedigsten fursten
vnd herrn Zu handen.
Nach dem eigenhändigen Originale im königl. sächsischen Staats=Archive zu Dresden, Acten über den Krypto=Calvinismus, Locat. 10, 311. Das Siegel ist undeutlich.
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8.
Adam Siberus.
Nachtrag zu Jahrb. XIX, S. 26 flgd.
Adam Siberus, Rector der Fürstenschule zu Grimma († 1584), war der Bruder des Heinrich Siberus, welcher
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Ostern 1572 zum Lehrer des Prinzen Sigismund August, des Jüngern Sohnes des Herzogs Johann Albrecht I, berufen ward. Wie eng damals die wissenschaftlichen Bande das höhere Leben umschlangen, beweiset eine im J. 1573 von Adam Siberus herausgegebene lateinische Uebersetzung der Psalmen, mit dem Titel:
Psalterium Davidis prophetae et Regis Hebraeorum, veteris translationis, cum M. Lutheri praefatione, et lemmatibus ac notis Adami Siberi. Lipsiae, M. D. LXXIII.
und dem Schlusse:
Lipsiae. Johannes Rhamba excudebat Anno M. D. LXXIII.
Dieses Buch ist durch ein vom 1. Aug. 1572 datirtes lateinisches Gedicht den beiden Söhnen des Herzogs Johann Albrecht gewidmet:
Illustriss. principis ac domini d. J. Alberti ducis Megalburgensis etc. filiis J. Allberto et Sigismundo Augusto fratribus.
Das vorliegende Exemplar stammt aus der Bibliothek des Herzogs Johann Albrecht; es ist in gepreßten Pergament gebunden und auf dem Deckel mit goldenen Buchstaben bezeichnet:
Dieses Exemplar stammt ohne Zweifel aus den Resten der Bibliothek des Herzogs, welche der Professor Tychsen auf die Universitäts=Bibliothek zu Rostock entführte. Von dieser ward das Buch auf einer Doubletten=Auction vor ungefähr 30 Jahren verkauft, von dem jetzigen Herrn Oberlehrer Steffenhagen zu Parchim erstanden und von demselben jetzt dem Verein zum Geschenke gemacht.
G. C. F. Lisch.
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9.
Elias Aderpol.
Nachtrag zu Jahrb. XXII, S. 182.
Elias Aderpol, Pastor zu Jesendorf, Prilwitz, Lübz und Flotow, Sohn des bekannten reformatorischen Predigers
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Thomas Aderpol zu Gressow, Malchin und Bützow, ward in den Criminal=Proceß wegen Ermordung des Valentin Voß auf Flotow durch seinen Schwager den Wildschützen Claus Grünewald wegen angeschuldigter Mitwissenschaft verwickelt und in peinliches Verhör genommen und so weit getrieben, daß seine Hinrichtung in Aussicht stand. Die Archiv=Acten sind nicht vollständig. Cleemann in seinem Archiv=Lexicon, S. 6, berichtet, daß Elias Aderpol Gelegenheit zur Entweichung gefunden und nach Hessen geflohen sein soll. Dagegen theilt C. D. W. mit, daß in einem Fragment eines Schreibkalenders zu Wismar eingetragen ist:
(1576) "Oct. 5. Elias Aderpul zu Gustrow gekopfft vnd gevierteilt."
Bis zu weitern Entdeckungen wird hier diese interessante Nachricht mitgetheilt.
G. C. F. Lisch.
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10. Faustinus Labes.
Nach den Darlegungen in Jahrb. XII, S. 243 flgd. war der Priester Faustinus Labes der Reformator der Stadt Sternberg. Er war aus Treptow gebürtig und als Priester geweihet. Seine frühern Lebensumstände, welche in Meklenburg bisher noch nicht besprochen sind, werden aufgeklärt durch eine Nachricht in Gerhard Dröge's Leben Franz Wessel's, gedruckt in Rostock durch Stephan Möllmann, 1570, wieder gedruckt in Barth. Sastrowen Herkommen, herausgegeben von Mohnike, III, S. 316 (vgl. Vorrede I, S. LXII). Hiernach predigte Faustinus Labes im J. 1525 lutherisch zu Stralsund, einige Jahre nach der Einführung der Reformation daselbst (1522). In F. Wessel's Leben bei Mohnike a. a. O. S. 316 heißt es:
"Folgen die Namen aller Euangelischen Prediger, welcker selige her Franz Wessel gekant, gehöret vnd befördert. - - - -
Faustinus Labes, hoff an im Hilligen Geiste tho predigende, anno 1525."
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Diese Angabe stimmt auch mit der Rechtfertigung der sieben evangelischen Prädicanten Stralsunds vom 24. Jan. 1525 überein, unter denen Faustinus Labes als der letzte genannt ist; vgl. den Abdruck in Johann Berckmann's Stralsundischer Chronik, herausgegeben von Mohnike und Zober, S. 255 flgd. Wenn Mohnike aber a. a. O. Einleitung S. XLI meint, daß Labes im J. 1525 gestorben sei oder Stralsund verlassen habe, so ist diese Ansicht nicht ganz richtig. Faustinus Labes ward der zweite lutherische Prädicant in Güstrow und predigte hier nach Jochim Kruse's Abgang 1531-1533 im Heiligen Geist und auch in der Pfarrkirche. In der Zeit 1533-1545 war Labes Prädicant zu Sternberg.
G. C. F. Lisch.
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11.
Die Annaten des Bisthums Schwerin
nach Rom waren 668 Gulden, wie in einer Druckschrift, mit dem Titel: In Hoc Libello Pontificii Oratoris continetur legatio, in conuentu Norembergensi, Anno M. D. XXII. inchoato, und dem Schlusse: Noremberge, apud Friderichū Peypus, Anno M D. XXIII, auf Blatt M III angeführt ist.
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12
Die Saline zu Golchen
(an welcher Broda und Dargun Antheil hatten).
Nachtrag zu Jahrb. XI, S. 162 flgd.
In der Mecklenb. Zeitung 1859, Nr. 178, den 3. Aug., steht in den "Reife=Briefen von E. B. (= Ernst Boll):
"In geognostischer Hinsicht bietet überhaupt diese Gegend (von Wietzow an der Tollense in Vor=Pommern) noch manches Interessante: an manchen Stellen um Klempenow herum (z. B. bei Burow und
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Peselin) liegt dicht unter der Bodenoberfläche weiße Kreide und an andern Orten ein sehr schöner (tertiärer?) Thon in ansehnlichen Lagern; beide Mineralien werden durch Kalköfen und Ziegeleien ausgebeutet. Auch eine schwache Salzquelle ist endlich bei Golchen , wo man derartiges schon lange vermuthete, aufgefunden worden, und dadurch hat die Conjectur, daß unter dem Orte Colchele, wo, wenn ich nicht irre, dem Kloster Broda urkundlich Salzquellen verliehen werden, der Ort Golchen zu verstehen sei, eine neue Stütze erhalten."
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13.
Die Einräumung des Klosters Ribnitz.
Nachtrag zu Jahrb. XXII, S. 139.
Unter dieser Ueberschrift enthält die "Rostocker Zeitung" und nach derselben die "Mecklenb. Zeitung", 1859, 8. März, Nr. 56, S. 3, Folgendes:
"In dem vierten Artikel der Reversalen vom J. 1572, so wie in der fürstlichen Instruction vom 7. October desselben Jahres war die wirkliche Einräumung des Klosters Ribnitz Seitens der Herzoge von dem Ableben der Aebtissin Ursula, Herzogin von Meklenburg, abhängig gemacht. Als daher diese Fürstin, 76 Jahre alt, am 22. April 1586 gestorben war, durften die Stände allerdings erwarten, daß nun auch dieses Kloster, welches ihnen längst überwiesen war, ihnen wirklich ausgeliefert werden würde. Indessen verzögerte es sich damit doch noch beinahe vierzehn Jahre; weshalb die Bemerkung von Lisch (Jahrb. 22, S. 139): ""Mit ihrem (der Aebtissin Ursula) Tode fiel die Verwaltung des Klosters Ribnitz an die Landschaft"", einer Berichtigung bedarf. Nachdem die Stände schon über drei Jahre vergeblich auf die Auslieferung des ihnen zugesicherten Klosters gewartet hatten, erinnerten sie am 10. Juni
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1589 an diese Auslieferung, erhielten aber vom Herzog Ulrich am 1. October zur Antwort, daß der Herzog sich seiner Zusage zwar sehr wohl entsinne, aber befinde, daß es mit der Einräumung von Ribnitz zur Zeit noch nicht so große Eile habe, indem in den beiden andern Klöstern noch weit mehr Jungfrauen aufgenommen und unterhalten werden könnten, als daselbst bis dahin untergebracht wären. Bis diese beiden Klöster gänzlich besetzt wären, könnten die Einkünfte von Ribnitz mit zur Abtragung der fürstlichen Schulden verwandt werden, ohne daß darum die Assecuration ungültig sein sollte. Die Stände erneuerten ihr Gesuch auf den Landtagen von 1590, 1595 und 1598, bis zuletzt der Herzog sich bereit erklärte, dem Hauptmann und den Provisoren das Kloster ausliefern zu lassen. Jedoch machte er, unter gleichzeitiger Wiederholung verschiedener schon früher gestellter Bedingungen, den Vorbehalt, daß eine Princessin des meklenburgischen Hauses darin zur Aebtissin bestellt würde. Die Einräumung erfolgte endlich am 18. December 1599. Die damit beauftragten fürstlichen Commissarien, der Canzler Bording, der Hauptmann Joachim von Oldenburg und der Landrentmeister Schönermarck, suchten die Bedingung wegen der meklenburgischen Princessin durchzusetzen. Doch lehnten die ständischen Deputirten, Johann Cramon, Dietrich Bevernest und der Rostocker Bürgermeister Dr. Stalmeister, dieses Ansinnen entschieden ab."
Seite 90 |
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:
von
G. C. F. Lisch.
Nr. I.
Der Papst Urban III. bestätigt das Bisthum Schwerin.
D. d. Rom. 1185 Febr. 23.
Nach dem Originale im königlich-hannoverschen Staats-Archive zu Hannover.
Urbanus episcopus, seruus seruorum dei, Venerabili fratri Bernoni Magnopolitane ecclesie episcopo eiusque successoribus canonice substituendis in perpetuum. Benedicta gloria domini de loco sancto suo, de quo pater omnipotens ad nostre mortalitatis cursum solita pietate respiciens ecclesiam suam nove prolis fecunditate multiplicat et fidelium predicatorum uerbo pariter et doctrina dilatat, trahens in sagena fidei barbaras etiam nationes, ut qui fuerant aliquando tenebre, filii lucis effici mereantur, et iuxta uerbum prophete, in cubilibus, in quibus prius dracones habitabant, uiror calami et iunci rore sancti spiritus oriatur. Ex eius itaque munere fuit, qui uult omnes homines saluos fieri et ad agnitionem ueritatis uenire, quod tu, uenerabilis in Christo frater episcope Berno, ad predicandum paganis et seminandum uerbum fidei episcopus institutus, exposuisti te ipsum laboribus et periculis, et attendens, quod Christus pro nobis mortuus est, ut qui uiuit, iam non sibi uiuat, sed ei, qui pro nohis mortuus est et resurrexit, in ancxietatibus mul-
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tis sparsisti semen diuinum et erogasti talentum tibi creditum ad usuram, et gentes plurimas, que ignorabant deum, ueritatis lumine illustrasti et reduxisti ad cultum dei, que ante captiue laqueis diaboli tenebantur. Nunc igitur, quoniam a sede apostolica postulasti, ut episcopalem sedem in loco, qui dicitur Zuerin, auctoritate sacrosancte Romane, cui deo auctore deseruimus, ecclesie, confirmemus, nos tue postulationi grato concurrentes assensu, ad exemplar felicis memorie Alexandri pape, predecessoris nostri, pontificalem cathedram in eodem loco mauere statuimus et ei subscripta loca diocesiana lege futuris deinceps temporibus decreuimus subiacere: claustra et ecclesias edificatas uel edificandas per prouincias ducis Henrici, quarum una, que Mykelenburch nuncupatur, tendit usque ad prouinciam, que dicitur Brezen, usque in mare, et sic iuxta maritimam peruenit terminus episcopalis usque in Ruyiam, ipsam insulam dimidiam includens, a Ruyia autem usque ad Penum fluuium, ubi idem fluit in mare, inde autem usque Wolegost, et a Wolegost Penum fluuium sursum versus usque Mizerech, ipsam terram Myzerech usque Plote includens, et terram Plote totam usque Tolenze, ipsam prouinciam Tolenze cum omnibus insulis suis et terminis totam includens, a Tolenze autem ad siluam, que dicitur Bezwt, que distinguit terras Hauelherge scilicet et Moriz, eandem quoque terram Moriz et Veprowe cum omnibus terminis suis ad terram, que Warnowe uocatur, includens, et terram Warnowe cum omnibus terminis suis ex utraque parte fluminis, quod Eldene dicitur, usque ad castrum, quod Grabowe nuncupatur, ipsum flumen transiens ibidem tendit ad fluuium, qui dicitur Zuden, comprehendendo omnia attinentia prouincie Zuerinensis, et ab hoc fluuio procedunt termini secundum distinctionem prouinciarum Razeburk et Zuerin usque ad Brezen; ex predicti ducis dono secundum distinctionem ipsius partem ciuitatis Zuerinensis a domo piscatoris cuiusdam, cui nomen erat Suk, ad uetus cimiterium directe tendentem et idem transeuntem usque in Scalam, cuius medietatem includit, et ultra paludem eidem Scale proximam totam insulam et molendinum a ciuitate in parte aquilonis situm, et parrochiam predicte ciuitatis cum omni iure; quatuor villas in prouincia Zuerinensi: Medewede, Honthorp, Rampe, Wotuekiz nuncupatas; ex altera parte Albie tres uillas, et in Sadelbandia unam uillam Borist, et in terra, que dicitur Brezen, duas
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villas, insulam, que dicitur Lypiz, et duas uillas Klinen et Galanze, et castrum Butessowe cum terra sibi attinenti, et octo uillas in Mikelenburch, quas Pribizlaus cum omni iure in Butessowe commutauit, quarum nomina sunt hec: Nezebul, Warin, Glambeke, Colenin, duas Mankemase uocatas, Lubitze, Dargemezle, et omnes uillas terre, que dicitur Noue, cum omni iure in Butessowe commutatas a Pribizlauo, a Butessowe in utraque parte aque, que Nebula dicitur, usque ad terram, que Tribeden uocatur; a Butessowe autem sursum uersus aquam, que dicitur Warnowe, ad locum, qui Ztulp nominatur, et terram adiacentem Butessowe, Werle dictam, usque ad fluuios Tichmenzeke et Zarnowe dictos, cum omni iure, et in terra, que Ylowe nuncupatur, decem uillas cum omni iure; Doberan uero et totam terram Gobange spectantem; in terra Kizin duas uillas, villam sancti Godehardi scilicet et aliam sibi adiacentem cum omni iure; ex dono Kazamari, principis cliristianissimi, in Bard duas uillas cum omni utilitate et terram eidem adiacentem Pitne dictam, cum omni iure; duas uillas prope Dimin: Wteneke et aliam adiacentem, et locum Dargun dictum, in quo predictus episcopus cenobium fundauit, et duas uillas in Scircipene, vnam uillam in Moriz et unam in Warnowe, et omnem decimam per uniuersum episcopatum. Preterea quascumque possessiones, quecumque bona eadem ecclesia in presentiarum iuste et canonice possidet aut in futurum concessione pontificum, largitione regum uel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis prestante domino poterit adipisci, firma tibi tuisque successoribus et illibata permaneant. Decernimus ergo, ut nulli omnino hominum liceat, prefatam ecclesiam temere perturbare aut eius possessiones auferre uel ablatas retinere, minuere aut aliquibus uexationibus fatigare, sed omnia integra conseruentur, eorum, pro quorum gubernatione ac sustentatione concessa sunt, usibus omnimodis profutura, salua in omnibus apostolice sedis auctoritate. Si qua igitur in futurum ecclesiastica secularisue persona hanc nostre constitutionis paginam sciens temere contra eam uenire tentauerit, secundo tertioue commonita, nisi reatum suum digna satisfactione correxerit, potestatis honorisque sui dignitate careat reamque se diuino iudicio existere de perpetrata iniquitate cognoscat et a sacratissimo corpore et sanguine dci et domini redemptoris nostri Ihesu Christi aliena fiat atque in extremo
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examine diuine ultioni subiaceat; cunctis autem eidem loco sua iura seruantibus sit pax domini nostri Ihesu Christi, quatenus et hic fructum bone actionis percipiant et apud districtum iudicem premia eterne pacis inueniant. Amen ac Amen.
(
Monogramma
pontificale
)
Ego Urbanus catholice ecclesie episcopus
ss.
BN.
† Ego Theodinus Portuensis et sancte Rufine sedis
episcopus ss.
† Ego Henricus Albanensis
episcopus ss.
† Ego Theobaldus Hostiensis
et Velletrensis episcopus ss.
Links:
† Ego Iohannes presbiter cardinalis tt. sancti
Marci ss.
† Ego Laborans presbiter
cardinalis S. Marie frans Tiberi m u. Ca lixii
ss.
† Ego Pandulfus presbiter cardinalis
tit. basilic. XII apostolorum ss.
† Ego
Albinus tit. Sancte crucis in ierusalem
presbiter cardinalis ss.
† Ego Melior
presbiter cardinalis Sanctorum Iohannis et Pauli
tit. Pagmachii ss.
† Ego Adelardus tit.
Sancti Marcelli presbiter cardinalis ss.
rechts:
† Ego Arditio diaconus cardinalis Sancti Theodori
ss.
† Ego Gratianus sanctorum Cosme et
Damiani diaconus cardinalis ss.
† Ego
Soffredus Sancte Marie in via lata diaconus
cardinalis ss.
† Ego Bollandus Sancte Marie
in Porticu diaconus cardinalis ss.
† Ego
Petrus sancti Nicholai in carcere Tulliano
diaconus cardinalis ss.
† Ego Randulfus
Sancti Georgii ad velum aureum cardinalis
diaconus ss.
Datum per manum Transmundi, sancte Romane ecclesie notarii, VII kal. Martij, indictione IIII a , incarnationis dominice anno MCLXXXV°, pontificatus uero domni Urbani pape III. anno primo.
Nachdem Originale, auf Pergament,
im königlich-hannoverschen Staats-Archive zu Hannover.
Links von der Unterschrift des Papstes:
steht das monogrammatische reichen des Papstes:
und im Kreise um dieses Zeichen der Wahlspruch:
† Ad te d e Leuaui animam meam.
Rechts von der Unterschrift des
Papstes steht das bekannte päpstliche
Monogramm für
BENE VALETE.
Die Stelle im Pergament, wo die papstliche
Bleibulle gehangen hat, ist mit dieser
halbkreisförmig ausgeschnitten.
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Die Urkunde war bisher nur durch eine lindenbrogsche Abschrift aus einem Copialbuche der bremenschen Kirche im Archive der Stadt Hamburg bekannt, nach welcher sie von dem Herrn Archivar Dr. Lappenberg in Hamburg verglichen und in Lisch Meklenb. Urkunden III, S. 38 flgd. gedruckt ist. Im J. 1851 machte mich der Herr Archiv-Registrator Dr. Sudendorf zu Hannover auf das Original im Archive zu Hannover aufmerksam und verglich die wichtigsten Stellen und Namen nach dem Originale. Im J. 1859 verglich der Herr Archiv-Secretair Dr. Grotefend zu Hannover die ganze Urkunde sorgfältig mit dem Originale, und hiernach ist der vorstehende Abdruck veranstaltet.
Der Gewinn einer sichern Abschrist von dem Originale dieser Urkunde ist wegen der vielen Ortsnamen sehr wichtig, da diese Urkunde die Grundlage zu mehrern folgenden Bestätigungen geworden ist.
Nr. II.
Der Herzog Boleslav von Schlesien und Polen schenkt der Kapelle zum H. Martin in Golgau die Freiheit des Kruges dieses Dorfes zur Haltung von Licht.
D. d. Gorkau. 1247. Oct. 1.
In nomine domini amen. Nos Boleslaus, dei gracia dux Slesie et Polonie, notum facimus vniuersis christifidelibus tam presentibus, quam futuris, presentem paginam inspecturis, quod nos ad honorem dei sanctique Martini, ob peticionem domini Vincencii abbatis sancte Marie fratrumque suorum in Wratislauia, de consensu comitis Boguslaui, castellani de Nemsi, capelle sancti Martini in Gogolow ad luminaria comparanda pro remedio anime patris mei ac predecessorum meorum circa terminos pretacte ville tabernam ab omni exaccione liberam perpelua donamus libertate gaudere. Vt autem hec donacio nulla valeat tergiuersacione immutari, presentem paginam sigilli nostri munimine fecimus roborari coram testibus ydoneis, scilicet duce Sobeslao, comite Boguslao castellano de Nemsi, comite Predeborro castellano de Slenecz, comite Iohanne de Domanez et filiastro suo comite Debessio et comite Prebirore de Parichim et aliis quam pluribus. Acta sunt hec in Gorckaw, anno ab incarnacione domini millesimo ducentesimo quadragesimo septimo, in festo beati Remigii.
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Nach dem Abdruck in Heyne's Documentirter Geschichte des Bisthums Breslau, Breslau, 1860, I., S. 239, mitgetheilt von dem Herrn F. W. Kretschmer zu Berlin.
Unter dem unter den beugen aufgeführten "comite Prebirore (Pribicone?) de Parichim" ist wohl der meklenburgische Fürst Pribislav I. von Parchim-Richenberg zu verstehen, welcher sich auch in einer andern Urkunde vom J. 1247 und sonst "Pribizlaus dominus in Parchim" nennt (vgl. Jahrb. XI, S. 238) und mit einer hinterpommerschen Princessin vermählt gewesen sein soll (vgl. Jahrb. XI, S. 51).
Der Ausstellungsort Gorkau ist ein Dorf am Fusse des Zobtenberges und war bis 1810 im Besitze des Klosters der Augustiner auf dem Sande in Breslau.
Goglau ("Gogolow") ist ein Dorf bei Schweidnitz.
Unter den Zeugen ist:
dux
Sobeslaus: Herzog von Böhmen,
Boguslaus
castellanus de Nemsi: von Nimptsch,
Predeborus castellanus de Slenecz: vom
Schlosse auf dem Zobtenberge,
Johannes
de Domanez: von Domanze bei Schweidnitz.
Herr Kretschmer fügt die Vermuthung hinzu, dass Pribislavs I. Enkelin Lutgard, welche in Jahrb. XXV, S. 85 -87 entdeckt ist, wahrscheinlich die zweite Gemahlin des Herzogs Wladislav von Beuthen ward und um das Jahr 1360, wahrscheinlich zu Beuthen, gestorben sein wird, wo sie auch 1358 als Wittwe in ihrem Leibgedinge regierte (vgl. Sommersberg Script. rer. Siles. I, p. 886). Die schlesischen Chronisten kennen sie unter dem Namen Lukardis, wissen aber ihre Herkunft nicht.
Nr. III.
Der Fürst Nicolaus II. von Werle verleiht dem Ritter Heinrich Voss von Wolde zur Entschädigung für seine Dienste in der Kriegsnoth, besonders zur Erbauung des Schlosses Cobelbruck, die Bede, Münzpfennige, Dienste und Gerichte von den Dörfern Lupelow und Rosenow.
mit einem transsumt,
Nach beglaubigten Abschriften im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Wy Bernd Bugghenhagen, her Arnd Buggenhagen sône deme godt gnedich sy, Reyward Drake,
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Hermen Vos tho Kerstorp vnde Gunter Stallb m to Bryghowe, knapen, bekennen vnde bet6#251;gen ôpenbâare an desser iêgenwardigen scrifft dat wy hebben geseen Nicolaus brê e f heren van Wenden, den hee hefft gegeuen her Hinrik Vos, ridder, van dem Wolde, in aller gantzheit vnde vngesêregeit, dâruôr ys ghehenget syn ingesegel, dat ghestalt ys alz een schilt, vnde dat ossenhôuet dâr inne steit vngesêreget, myd den bôcstâuen, de dâr vmme gâ e t, dede spreken: Ingesegel liere Nycolaus van Wenden, dat gantz heel ys vnde vngebrôken, in aller mâte alz een ingesegel bôrt to wesende, vnde de pressele, dâr yd ane hanget, heel ys vnde vntwêgh ghesneden, vnde de scrifft des brêues vngedelget vnde vngeuelschet vnde gantz alles wandels vrygh, dâr me ênen brêf mede magh tobreken vnde velschen, vnde begint sik an dessen wôrden:
In nomine domini Amen. Nos Nycolaus dei gratia dominus de Werle omnibus cliristifidelibus, ad quorum notitiam praesens scriptum peruenerit, cupimus fore notum, quod de bona et libera uoluntate nostra seu consensu haeredum nostrorum successorum dilecto et fideli nostro Hynrico militi dicto Vohs de Wolde ac suis ueris haeredibus dimisimus et contulimus pro seruitio nobis facto in nessessitate nostre gwerre uidelicet ad constructionem castri Cobelbruck et aliis temporibus nobis competentibus omnem precariam, denarios monete et omne seruitium, cum iudicio maiori et minori, cum omni fructu et utilitate et cum omni iure, quod ad nostrum dependebat domineum, de villis Lupegloue et Rosenowe perpetualiter possidendum, ita quod nos, nec nostri haeredes, successores siue iudicii nostri exsecutores incolas praedictarum villarum in nullo debeamus aggrauare. Vt autem collatio nostra firma et inuiolabilis perseueret, presentem litteram nostri sigilli munimine fecimus roborari. Huius facti testes sunt: Nycolaus Hane et Matthyas Ketelhot, Hinricus et Conradus Vulpes, necnon Reynerus et Echardus Cruse, milites, et alii quamplures fide digni. Datum et actum Stouenhaghen, anno domini millesimo ducentesimo nonogesimo secundo, in die decollationis beati Johannis baptiste.
Dat dyt aldus ys, des hebbe wy vôrbenômeden Bernd, Reyward, Hermen vnde Gunter
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tho êuer grôten ôrbârende betûginglie vnse ingezcgele ghehenget vôr dessen brêff, dcde screuen ys to dem Wolde, na godes bôrt drutteynhundert iar vnde in deme een vnde achtentigesten iâre, an deme dâglie sunte Marien Magdalenen.
Mit der pressel, daran das letzte sigel henget, ist auch ein pergamenen zettel durchgestochen vnd an disz Transumpt gefftet, der also lautet:
Vortmehr were dat her Bernd van der heren weghen zegghen wolden, dat myn brîff yerne mede verbrôken were edder verbôzed, dâr zegghe ick nê e n tô vnde hope to rechte, ick zy my des nêgier to wêrende, wen her Bernd my ôuer to zeggliende edder yênnich man van der heren weglicn, vnde ôk heft her Bernd gezecht, dat myn Brêff nerne mede schal vorbrôken wesen, vnde desse here, de nû here an deme lande is, is ên recht erfnâme des heren, de den brêf vtghegheuen hefft, vnde ick Bernd Vos ên recht erfnâme byn her Hinrik Vosses, deme de brêf tôschreuen is, vnde hôpe des to rechte, na der tyd dat id is, also alsz hîr vôre gheschreuen ys, dat my her Bernd van der heren weghen nerne ane bewêren schole an deme gûde to Rosenow vnde schole my na rechte lyk dô e n vmme dat he my dâr ane beworen hefft, wente ick de oldesten bewyzynghe hebbe. Rechtes lôue ick Bernd Vo e s iuw lêuen vrunden Hartwych Breyde vnde Rychard Vo e s.
Im grossherzoglich-meklenburgischen Geheimen und Haupt-Archive zu Schwerin befinden sich zwei von dem Notar Daniel Clandrian geschriebene und beglaubigte Abschriften:
1) von der Original-Urkunde vom J. 1292 allein mit folgender Beglaubigungsformel:
Dise Copey ist von mir Daniel Clandrianen auss key. Maytt. gewalt offenbaren Notario auss dem vorsiegelten Original welchs an schrifft und sigel vnargwonig befunden von wort zu worten, auch mit den buchstaben so etlicher wegen im Original nicht orthographice gesetzt, mit eigener handt abgeschrieben, welches ich mit diser meiner subscription thue bezeugen. Actum 13. Martij Anno 1584.
2) von dem Transsumpt vom J. 1381 mit dem eingeschalteten Originale, mit folgender Beglaubigungsformel:
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Das dise Copey mit dem Transumpt daran vier sigel hangen vbereinstimmt, vnd dan auch der angeheffte Zettel also laute wie hieruor geschrieben bezeuge ich Daniel Clandrian auss Key. maytt. Gewalt offenbarar Notarius mit dieser meiner subscription. Descriptum 13. Martii Ao. 1584.
In dem vorstehenden Abdruck ist die Haupturkunde vom J. 1292 getreu nach der von dem Originale genommenen beglaubigten Abschrift wiedergegeben.
Beide clandriansche Abschriften, nach dem Original und dem Transsumpte, weichen nur in unbedeutenden orthographischen Verschiedenheiten von einander ab; die bemerkenswerthesten Abweichungen bestehen darin, dass
nach dem Original: | nach dem Transsumt: |
Vohs
nessessitate Cobelbruck |
Vo
e
s
necessitate Kobelbruk |
geschrieben ist.
Bei den Abschriften liegt ein Zettel, auf welchem steht:
Einuerschlossene Copein hat mein gnediger Fürst und herr mir den 18. Martii Ao. 1584 zu Buetzouw aufzuheben zugesandt.
Dem H. Doctori
Martino
Bolfrassen zu eigen handen zu uberantworten. |
Nr. IV.
Der Bischof Gottfried von Schwerin und der Fürst Nicolaus von Werle bestätigen nach Anordnung des Ritters Nicolaus von Brüsewitz den Sprengel und die Hebungen der von dem alten Ritter Nicolaus von Brüsewitz gegründeten Kirche zu Brütz bei Goldberg und die Besitzungen und Hebungen der Pfarre und Küsterei deselben Kirche.
D. d. Parchim. 1295. Aug. 10.
Nach einer Abschrift im grossherzogl. meklenburg. geh. u. Haupt-Archive zu Schwerin.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis Amen. Godfridus, dei gratia episcopus Zwerinensis, Nicolaus, dei gratia dominus de Werle, vniuersis presens scriptum
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inspecturis salutemn imperpetuum. Ne rerum gestarum memoria per decurrentium temporum languescat spatia, non improuide humana solertia scripturarum sibi consueuit adhibere remedia. Notum itaque tam futuris, quam presentibus esse volumus, quod nos piam deuotionem Nicolai de Bruseuisz militis sincero affectu approbantes, ea, que ipse dei zelo ductus ecclesie Bruseuisz contulit ob commemorationem dominoruin suorum spiritualium et secularium, scilicet Brunwardi episcopi Zwerinensis et suorum successorum, Borwini principis Slauorum suorumque heredum, Henrici et Nicolai de Werle, Nicolai de Gadebuz, Hinrici occisi et vxoris sue, Joannis et Bernardi, Pribzlaui ac vxoris sue et omnis posteritatis eorum, necnon et comitis Hinrici de Zwerin, Guncelini et vxoris sue ac omnium heredum eorum, a quibus ipse seculo militans bona et possessiones tenuit temporales, et in recordationem progenitorum suorum, scilicet antiqui Nicolai de Bruseuisz militis, primi fundatoris eiusdem ecclesie, et Alheydis sue vxoris, Hermanni de Hagenow militis et Mechtyldis vxoris sue, Hinrici de Hagenow militis et vxoris sue Gertrudis et filiorum suorum, Fred[erici] de Hagenow militis, Tanquardi de Gusteuene militis et Gertrudis vxoris sue, Johannis de Gusteuene militis et Mechtyldis vxoris sue, Werneri de Lucow militis et Alheydis vxoris sue, Nicolai de Bruseuisz militis, presentis negotii promotoris, et vxoris sue Gertrudis, Martini de Malin militis et Berthe vxoris sue et filiorum suorum, Ioannis de Kroghe militis et filiorum suorum, Ioannis et Ioliannis sacerdotum predicte ecclesie, Hermanni Westfali, auctoritatis nostre amminiculo perpetuo retinenda confirmamus. Vt autem melius hoc factum elucescat, euidentius illud decreuimus declarare, quod prefate ecclesie assignauit: quatuor ville ipsi ecclesie dotaliter incorporate sunt, in quarum qualibet sacerdos et custos habent frumentum vnctionis: de quolibet manso sacerdos habet dimidium modium silignis, custos quartam partem modii; in Bruseuisz sacerdos habet septem modios, custos quinque; in Distelow sacerdos vndecim, custos sextum dimidii; in Grambow sacerdos nouem modios, custos sextum dimidii; in Buzeelstorp sacerdos decimum dimidii, custos quinque. Preterea assignauit sacerdoti septem mansos m terminis Bruseuisz
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sitos et in Grambow duos mansos cum omni prouentu, preter ius regiminis, in molendino Distelow alterum dimidii chorum siliginis, ita videlicet quod sacerdos, quicunque pro tempore ibidem deseruierit, duos tenebit sotios sacerdotes et in qualibet septimana tres missas pro defunctis ad summum altare in memoriam predictorum dominorum, nisi spetialis officii necessitate septimana fuerit excepta, celebrare sit obligatus. Ad altare domine nostre omnibus diebus domincis missam de angelis, in reliquis autem feriis pro defunctis in felicem memoriam progenitoruin suorum predictorum, necnon et posteritatis sue, excepto sabbato, quum de beata virgine celebrabit; ad altare vero beate Katerine omnibus diebus dominicis missam de trinitate vsque ad aduentum domini, ab aduentu domini vsque ad festum trinitatis de omnibus sanctis in secundis feriis pro defunctis in commemorationem Hermanni Westfali, in tertiis feriis de sancta Katerina, in quartis feriis de sancto Thoma apostolo, in quintis feriis de sancto spiritu, in sextis feriis de sancta cruce, de sancto Iohanne evangelista vero in sabbatis celebrabit. Ad lumen perpetuum in eadem ecclesia dimidium chorum siliginis in molendino Distelow, sex modios siliginis in molendino Scolentin, sacerdos etiam de mansis in Bruseuisz annis singulis dabit octo solidos denariorum, que predicta tollent prouisores ecclesie et ibidem lumen perpetuum ordinabunt. Ad vinum libaminum et hostias altaris sex modios siliginis in molendino Distelow et quatuor iugera m campo Bruseuisz, que prefata tollet custos et de vino et hostiis ecclesie prouidebit. Vt igitur tam pium et laudabile talis ordinationis factum nemo in sue salutis periculum presumat aliquatenus infirmare, nos Godfridus episcopus auctoritate dei omnipotentis et nostra sub pena anathematis districtius, nos vero Nicolaus dominus predictus sub obtentu nostre gratie ac sub pena proscriptionis firmiter prohibemus, volentes inconuulsa et rata perhenniter hec haberi, et ob hoc presentem paginam sigillorum nostrorum munimine dignum duximus roborandam. Huius confirmationis et ratihabitionis sunt testes: Iohannes et Godfridus milites dicti de Bulow, Gerardus, Bernardus et Nicolaus milites dicti de Malin, Denekinus de Welcin, Coz. (?) et Hermannus de Clenow, Tanquardus de Gusteuene, Iohannes de Karckdorp, milites, et quam plures alii clerici et layci fide digni. Datum Parchem, anno
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dominice incarnationis M. CC°. XC.V., in die Laurentii martiris gloriosi.
Nach einer Abschrift aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
In dieser Urkunde haben wir einen zweiten Beweis für die Gründung einer Kirche durch einen Ritter, wie in der Stiftung der Kirche zu Frauenmark bei Crivitz (vgl. Jahrb. XXV, S. 284 flgd.). Nach den in der Urkunde genanntem Personen, welche im Andenken bleiben sollten, also sich um die Kirche verdient gemacht hatten, wird die Kirche zu Brütz schon vor dem J. 1227 gebauet sein, da der Fürst Borwin im J. 1227 und der Bischof Brunward im J. 1237 starb. Der (alte) Ritter Nicolaus v. Brüsewitz wird im J. 1236 genannt. Der (jüngere) Ritter Nicolaus v. Brüsewitz, welcher die vorstehende Bestätigung veranlasste, wird wahrscheinlich ein Enkel des Gründers gewesen sein. Leider ist die Kirche zu Brütz noch nicht untersucht.
Nr. V.
Der Bürger Dietrich Filter zu Plau schenkt dem S. Georgen-Hospitale vor Plau 5 Hufen mit 16 Mark jährlicher Pacht im Dorfe Kuppentin zur Unterhaltung der Armen unter dem Vorstande des Raths der Stadt.
D. d. 1298. Jan. 28.
Dieterich Filter, Burger zu Plawe, hatt im Dorffe Cobbendyn denn Armen zu S. Jorgen allhie vor Plawe funff huuen mit XVI Mk. jehrlicher pacht, mit wischen, weiden, holtzen, Acker, gebauwet vnd vnbebauwet, mit zu- vnd abwegen, mit Soeden, mit wassern vnd derselben abflussen, zu ewigen Zeiten queidt vnd frey zu besitzen, gegolten, welcher einkunfft zu ewigen Zeiten die Armen zu vnderhalten vnd zu den gottlichen Embtern gebraucht sollen werden, mit aller freyheit vnd gerechtikeit, wie Er Johan Preen Ritter dieselben vom Bischoff inns Lehn besessen hatt, Vnnd soll der Rath zu Plawe denn Armen zum besten solche huuen zu Ewigen Zeiten vohrstehen, damit die einkunfft derselben den Armen ausgeteilt vnd zu den gotlichen Embtern gebraucht werden.
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Confirmirt durch Bischof Niclaus [richtiger Gottfried] von Swerin vnd Geben Anno Domini 1298, den VIII ten tag nach Agnete Virginis.
Urkunden-Regeste in dem Visitations-Protocoll von Plau 1558.
Nr. VI.
Der Bürger Dietrich Filter zu Plau schenkt dem S. Georgen-Hospitale vor Plau 16 Mark jährlicher Pacht aus dem Dorfe Kuppentin zu einer ewigen Vikarei in dem Hospitale unter dem Patronate des Bischofs von Schwerin.
D. d. Bützow. 1298. Oct. 21.
Diederich Filter hat Sechzehn marck Jehrlicher pechte aus funff huuen zu Cobbentyn vnd seinen redisten gutern, die Ihm vnser herr Got verliehen hatt, vnd zu vnderhaltung des priesters zu S. Jorgen zu einer Ewigen Vicareien gelegt .
Ius patronatus gehort dem Bischoffe zu Swerin.
Confirmirt durch Bischoff Gothfriden, zu Butzow, Anno domini 1298, Am tage Vndecim M. Virginum.
Urkunden-Regeste in dem Visitations-Protocoll von Plau 1558.
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Nr. VII.
Peter, Graf von Neuenburg, Johann (Yesko) und Lorenz, Söhne des hinterpommerschen Palatins Swenza, verkaufen Ritter Gottfried von Bülow und dem Knappen Gerhard Ketelhot die Güter Crampe und Labuhn mit allen Freiheiten.
D. d. Bukow. 1313. März 25.
Nach einer alten Abschrift im königl. preuss. Archive zu Königsberg.
In nomine domini, Amen. Petrus, dei gracia comes de Nuwenburg, Iohannes et Laurencius. fratres, simul et filii honesti militis felicis memorie domini Szuensonis, tocius terre Pomeranie palatini, vniuersis Christi fidelibus presens scriptum visuris seu audituris salutem in filio uirginis gloriose. Quoniam humane uite inbecillitas nequaquam in eodem statu subsistere diu ualet, sed mutabilitati subiacent vniuersa, statuit consulta discrecio, ea que geruntur ne memoriam effugiant hominum, sigillatis apicibus aut uiua uoce testium perhennari. Hinc est quod cum manifesta recognicione presencium ad noticiam peruenire cupimus christifidelium vniuersorum, quod nos fidelibus nostris vasallis, videlicet domino Godefrido de Bulowe et Gerhardo Katelhode ac eoruin amicis duas villas, villam videlicet Crampen et villam Lebun, rite et racionabiliter, quemlibet mansum infra dislincciones ipsarum villarum mensuratum pro quinque marcis monete slauice taxando, vnanimi vtique consensu adhibito vendidimus cum subnotatis libertatibus iure hereditario libere et quiete perpetuo possidendas; predicti itaque nostri vasalli prenominatas villas absque omni seruicio et ab omni decima liberas cum mero iudicio aduocacie videlicet, cum sentencia manuali siue capitali et cum omnibus attinenciis ipsarum villarum, videlicet cum siluis, nemoribus, paludibus, pascuis, pratis, agris cultis pariter et incultis, aquis, riuis, molendinis et cum vniuersis vtilitatibus, que nunc ibidem sunt, uel que futuris temporibus ipsi et eorum heredes adipisci poterint, irrefragabiliter obtinebunt. Insuper patronatum ecclesiarum in terminis earundem villarum pro uoluntate ipsorum nostrorum vasallorum construendarum ipsos sine obstaculo ha-
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bere protestamur. Preterea si pro necessitate nostra in nostro dominio pro aliqua exaccione danda vasallos nostros, qui dare tenentur, rogare vellemus, communiter omnes tam dominum Godefridum et Godehardum (?) cum omnibus amicis ipsorum, quam eciam alios nostros vasallos conuocabimus, quos si exauditi fuerimus, omnibus graciarum accicnibus referemus, sed si propter aliquem defectum suorum subditorum rationalbiliter simul omnes nobis negarent, domino Godefrido et sociis suis seu ipsorum subditis nullam omnino violenciam specialiter faciemus. Prefati nichilominus nostri vasalli futuris temporibus, si alicui vendere vellent villas pretaxatas, illi vtique, qui emerit, semola omni condicione et cum premissa libertate porrigemus. Ceterum si sepenominatos nostros vasallos seu ipsorum villas modo supranotato a nobis emptas racione alicuius decime siue distinccionis aliquis molestando repetere vellet, quod absit, ipsos ab omni impeticione seu grauamine quitos et solutos obligatorie faciemus. Huius nostre accionis et uendicionis testes sunt: dominus Biramus, abbas in Buchouia, frater Hermannus, prior, frater Hinricus, cellerarius, dominus Paulus Buzcewitcz, dominus Wlnoldus de Belowe, dominus Conradus de Borsen, dominus Conradus de Polnowe, dominus Matheus, Iohannes de Bystowe, Smyle, Woysiaus, Grossemarus, Conradus de Versen, Hintzeke Weyten et alii quam plurimi fide digni. Vt autem liec nostra vendicio et accio rata et impermutabilis perpetuis temporibus perseueret, presens scriptum ipsis porrigimus sigillorum nostrorum firmiter munimine roboratum. Datum Buchiowe, anno domini M°. trecentesimo tercio decimo, in die annunciacionis Marie.
Nach einer alten Abschrift im königl. preuss. Archive zu Königsberg, gedruckt in Cramer Geschichte der Lande Lauenburg und Bütow, II, S. 16, Nr. 23. - Der Palatin Swenza war der mächtigste Mann in Hinterpommern und nach des letzten Herzogs Mestewin II. Tode († 1. Julii 1295) Statthalter von Hinter-Pommern. Von seinen Söhnen ward Peter Herr und Graf von Neuenburg an der Weichsel, Johann oder Yesko Castellan von Rügenwalde und Schlawe, Lorenz Castellan von Tuchel. Swenza starb vor 1313 und seine Söhne verkauften mit der Zeit ihre Besitzungen an den Deutschen Orden. Vgl. Cramer a. a. O. I, S. 29, 40, 44, 46 und 47.
Die Besitzungen Crampe und Labuhn lagen im südlichen Theile der hinterpommerschen Landschaft Stolp.
Sehr merkwürdig ist das erscheinen zweier meklenburgischer Ritter als Vasallen in Hinter-Pommern. Es ist gar
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nicht zu bezweifeln, dass Gottfried von Bülow und Gerhard Ketelhot Meklenburger waren, wenn auch Cramer a. a. O. II, S. 17, Note 1, ohne Grund den Namen Bülow für einen Schreibfehler statt Below halten möchte; aus demselben Grunde, dass sonst keine Bülow in Hinter-Pommern vorkommen, müsste man auch an der Richtigkeit des Namens Ketelhot zweifeln. Die Vornamen Gottfried und Gerhard gehören in alter Zeit den Familien v. Bülow und Ketelhot eigenthümlich an, und in beiden Familien lassen sich aus der Zeit der Ausstellung der vorstehenden Urkunde Glieder dieser Geschlechter mit diesen Vornamen nachweisen, wenn sich auch aus den gedruckten Geschichten beider Familien die Identität der in dieser Urkunde genannten zwei Glieder dieser Geschlechter mit andern gleichzeitigen gleiches Namens nicht beweisen lässt. Dass in der vorstehenden Urkunde Ketelhot zum zweiten Male mit Vornamen Gotthard statt Gerhard genannt wird, ist ohne Zweifel ein Versehen des Abschreibers, wie in den Namen der Zeugen viele Versehen zu stecken scheinen.
Gottfried von Bülow, Ritter, und Gerhard Ketelhot, Knappe, werden in Folge der langwierigen und weitverbreiteten Irrungen über die hinterpommersche Erbschaft nach dem Tode Mestwin's II., deren Bewegungen sich bis nach Rügen und Brandenburg erstreckten, und durch den mächtigen Wachsthum des deutschen Ordens vorübergehend nach Hinter-Pommern gekommen sein. - Ungefähr um dieselbe Zeit waren die Bere, aus den rügischen und vorpommerschen Landen, durch den Einfluss des mächtigen vorpommerschen Marschalls Henning Bere auf kurze Zeit auch Herren der hinterpommerschen Lander Bütow, Belgard und Quarkenburg.
Jedenfalls liefert die vorstehende Urkunde einen interessanten Beitrag zur meklenburgischen Adelsgeschichte und der Rittergeschichte jener Zeit überhaupt.
Nr. VIII.
Die Brüder Röggelin werden aus der Stadt Rostock vervestet, weil sie den Bardenflet in Gegenwart des Herzogs Albrecht von Meklenburg in der Jacobi-Kirche zu Rostock ins Gesicht geschlagen haben.
D. d. Rostock. 1343. Julii II.
Anno domini MCCCXLIII, item feria sexta ante Margarete, Hermen, Zabel et Gerhart fratres dicti Roghelin proscripti sunt pro eo, quod percusserunt Bardevlet ad
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dentes in ecclesia beati Jacobi in presencia domini nostri Magnopolensis et sub conductu dominorum consulum huius ciuilatis. Judices: Hinricus de Ymbria et Hinricus Cruse; aduocatus de Cene; Reyneke Cersebom, Conradus Mulart, Bernardus Bom, Johannis filius, Hermen Molner, Lupus in platea lapidum.
Aus dem Vervestungsbuche der Stadt Rostock mitgetheilt von dem Herrn Burgemeister Fabricius zu Stralsund.
Nr. IX.
Die Fürsten Nicolaus III. und Bernhard III. von Werle geben ihre Schwester mit der Tochter des Knappen Heine v. Gehrden in das Kloster Dobbertin, schenken dem Kloster des Eigenthum der Dörfer Sietow und Laerz und verordnen Seelenmessen für ihre Familien.
D. d. Güstrow. 1344. März 14.
In nomine sancte et indiuidue trinitatis, Amen. Nos Nicolaus et Bernardus fratres domicelli dei gracia domini de Werle, omnibus presentia visuris seu audituris salutem in eo, qui omnium est vera salus. Quoniam gen[eris] huma[ni] spiritus est vadens et non rediens, plura piorum facta laudabilia obliuionis nebula deperirent, nisi sapientum industria humano vsui sollicite (non) provideret, vt ea, que per lapsum temporis continuum a memoria hominum de facili euanescunt, saltem scripturarum et testium amminiculo notabili posterorum memorie perhenniter solidentur. Noscat igitur tam presentium natio reuerenda, quam felix successio futurorum, quod inspecta immensa fidelitate et dilectione, qua erga nos dilecti nostri et fideles prepositus, priorissa totusque conuentus sanctimonialium in Dobertyn propter deum et nostrarum supplicum precum interuentu fauorabiliter et amice preces nostras exaudiendo, sororem nostram dilectam una cum filia strennui famuli Heynonis de Gherden pie memorie in moniales receperunt, speciali fauore, quo ipsos amplectimur, tali recompensa ipsis et eorum monasterio fauorabiliter duximus prouidere, ita quod nostrorum
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fidelium tunc collateralium maturo consilio et bona deliberatione exacte prehabilis dedimus et dimisimus presentibus et donamus ipsi monasterio in Dobertyn proprietatem et ins proprietatis villarum infrascriptarum videlicet Sytecowe et Loretze, prius ipsi monasterio cum iure vasallico pertinentium, modo autem donamus cum omni iure maiori et minori, alto et basso, videlicet iudicandi in manum et collum, cum omni precaria pecuniaria et annonali, maiori et minori, cum agris cultis et incultis, pratis, pascuis, paludibus, viis et inuiis, aquis aquarumque decursibus, piscationibus, lignis, siluis et rubetis, cum vniuersis dictarum villarum Sytecowe et Loretze vtilitatibus, prout in suis iacent distinctionibus campestribus, terminis atque metis. Damus insuper specialiter ipsi monasterio et ecclesie in Dobertyn ins patronatus ecclesie parrocinalis ville Sytecowe supradicte, ita cum de celero et inantea ipsam ecclesiam Sytecowe vacare contigerit, prepositus, qui pro tempore fuerit, cum conuentu vni persone ydonee conferre dezent et presentare ad eandem. Preterea dedimus et specialiter presentibus donamus ipsi monasterio et conuentui in Dobertyn predictas villas Sytecowe et Loretze cum omni vtilitate et fructu secundum omnem earum positionem et situm in latum, longum et profundum, necnon cum omnibus et singulis, de quibus foret facienda mentio specialis, cum omni iure nostro, prout nostre essent, perpetuis temporibus possidendas. Insuper prepositus, qui pro tempore fuerit in Dobertyn, sorori nostre dilecte annis singulis duodecim marcarum redditus et filie Heynonis de Gherden quatuor marcarum redditus, dum vixerint de prouentibus et redditibus dictarum villarum erogabit expedite. Ceterum prepositus, quicunque fuerit in Dobertyn, de redditibus et prouentibus predidarum villarum annis singulis duo seruitia carnium, quodlibet seruitium de sex marcis monete vsualis, primum videlicetb seruicium die dominica qua cantatur Misericordia domini, secundum dominica proxima continua post festum beati Michaelis, monialibus large et sollempniter ministrabit, super eo vt meniales parentum nostrorum domini Iohannis patris nostri domini de Werle et Mechtildis matris nostre dilectorum atque Agnetis uxoris nostre domicelli Nicolai pie memorie noibis dilecte pariter et nostri et vxorum nostrarum Mechtildis et Elysabet, dum mori contigerit memoria quovis anno feria secunda post domini-
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cam quam cantatur Misericordia domini et feria secunda continua post festum beati Michaelis in vigiliis et missarum solempniis pro defunctis, vt oportet, in remissionem nostorum peccaminum et in salubre remedium animarum nostrarum perhenniter habeatur. Debent enim moniales predicte de choro earum descendere super eo vt hec nostra memoria et nostrorum progenitorum perpetuo et solempniter peragatur. Vt hec nostra donatio in omnibus et singulis premissis ipsi monasterio in Dobertyn a nobis, nostris heredibus et successoribus, officialibus nostris et potentibus rata et inconuulsa permaneat, de certa nostra scientia sigillis nostris appensis muniri fecimus et conscribi presens scriptum in seculorum secula valiturum, presentibus strenuis viris et ydoneis: Iohanne Cosze milite, Nicolao Hanen, Arnoldo Levetzowen Detmaro, nostre curie notario, thesaurario eeclesie Gustrowensis, Hermanno Distelowen, nostre curie officiali et aduocato in Gustrow, noibs fidelibus et dilectis, et quam pluribus aliis fide dignis. Datum et actum Gustrowe anno natiuitatis dominii millesimo tricentesimo quadragesimo quarto, die dominica qua cantatur Letare Ihierusalem.
Nach einer Abschrift in Rudloff's handschriftlicher Urkunden-Sammlung im Archive zu Schwerin und nach einem Auszuge der wichtigern Stellen von mir, beide aus dem Diplomatarium des Klosters Dobbertin vom J. 1748. Die Original-Urkunde habe ich im Kloster-Archive zu Dobbertin nicht finden können. G. C. F. Lisch.
X.
Der Papst Clemens VI. dispensirt den Herzog Barnim IV. von Pommern-Wolgast und dessen Gemahlin Sophie, Tochter des wailand Fürsten Johann II. von Werle-Güstrow, von dem dritten Verwandschaftsgrade.
D. d. Avignon. 1350. März 21.
Nach dem Concept im päpstlichem Geheimen-Archive zu Rom.
Clemens, episcopus, seruus seruorum dei, venerabili fratri . . . . . . . episcopo Caminensi salutem e. c. Exhi-
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bita nobis pro parte nobilis viri Barnym, principis Ruyanorum, et nobilis mulieris Soffie, nate quondam Iohannis domini de Werla, Zwerinensis dyocesis, petitio continebat, quod licet Barnym et Soffia predicti scientes se tercio consanguineitatis gradu inuicem fore coniunctos, tamen ipsi, ad sedandam duriciam guerrarum inter ipsum Barnym et fratres suos, ex una parte, et fratres dicte Soffie, ex altera, faciente humani generis inimico subortam et tranquillo statu patrie, adhuc Barnym infra vicesimum quintum et Soffia prodicta infra vicesimum etatum ipsorum annos existentibus, nobilibus viris fratribus Soffie et consanguineis et consiliariis Barnym predidorum ordinantibus et procurantibus, matrimonium licet de facto invicem contraxerunt illudque carnali copula consummauerunt, cum autem, sicut eadem peticio subiungebat, ex eorum separatione, si continget inter eos celebrari diuorcium, maximum scandalum et strages multorum hominum inde peruentura verisimiliter formidantur, pro parte ipsorum nobilium extitit nobis humiliter supplicatum, ut prouide eis super hoc de oportune dispensacionis beneficio dignaremur. Nos igitur, qui salutem querimus singulorum et libenter christifidelibus salulis et pacis comoda procuramus, huiusmodi scandalum et periculum obuiare ac ipsorum, Barnym et Soffie, supplicacionibus inclinati, fraternitati tue, de qua specialem in domino fiduciam gerimus, per apostolica scripta committimus et mandamus quot si est ila et tibi videatur expediens, quod dispensatio huius concedatur, super quo tuam conscienciam oneramus, ipsis Barnym et Soffia, prius ad tempus, de quo tibi expedire videbitur, separatis, ipsos a sentencia excemmunicacionis, quam propter premissa incurrisse noscuntur, absolucionis beneficium, si illud humiliter et deuote petierint, iuxta ecclesie formam impendes, iniunctis eis inter alia sub virtute iuramenti per eos prestandi, quod similia de cetero non committant, nec facientibus prebeant consilium, auxilium vel fauorem, et quod ipsi Barnym et Soffia infra annum a tempore dispensacionis huius conputandum teneantur, tribus perpetuis capellanis per eos in aliqua ecclesia terre sue tantum de bonis propriis perdotandis assignare, quod earum fructus, redditus et prouentus septuaginta florenos auri valeant annuatim, iure patronatus dictarum capellaniarum, postquam institute et
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dotate fuerint, ut prefertur, Barnym et Soffie predictis eoruimque heredibus et successoribus perpetuo remanente, ac eciam (iniunctis) eisdem Barnym et Soffie penitentia salutari et aliis, que de iure fuerint iniungenda, demum cum Barnym et Soffia predictis vt, impedimento, quod ex huiusmodi consanguinitate prouenerit, non obstante, matrimonium de novo contrahere et in eo, postquam contractum fuerit, licite remanere valeant, auctoritate nostra dispenses, prolem susceptam et suscipiendam ex iis legittimam nuntiando. Datum Auinione, XII. kalendas Aprilis, pontificatus nostri anno octauo.
Nach einer Abschrift aus dem päpstlichen Geheimen Archive zu Rom: "arch. secr. Vatica. Clementis VI. comm. an. 8. lib. 4. pars 2. fol. 139. epistola 506."
Nr. XI.
Bestimmung der Abgaben, welche die Antonius-Brüder für dem Besuch des heiligen Bisthums Camin (zum Einsammeln von milden Gaben) zu geben haben. D. d. (1400).
D. d. (1400)
Nach einer Abschrift im kön. preuss. Archive zu Stettin.
Item isti domini sancti Antonii in singulis annis visitantes cum reliquiis in diocesi Caminensi semper debent facere cum consensu, iussu et fauore domini Episcopi ecclesie Caminensis, Et pro Ista visitatione de Iure et sub pena Excommunicationis In tota diocesi Caminensi tenentur dare domino Episcopo ecclesie Caminensis et persoluent ad mensam suam in quolibet anno in perpetuis temporibus in curia sua ibidem in locis Cathedralibus Caminensibus predictis et ad Cameram suam in singulis annis in perpetuis temporibus in festo pasce Quinquaginta marcas denariorum Vinckonensium, et II talenta Croci et IIII talenta piperis et IIII talenta Sinzeberis et totidem talenta Cariofilorum, et vnum bonum cultellum et X paria Cyrotecarum de bono twino facta et X nachthuuen bona, Et I bonum balneamen et I bonum superplicium, Et in die Michaelis beati Archangeli etiam tenentur ei intrum (introitum?)
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dare, sicut in feste pasce ipsi dederunt, Insuper etiam tenentur dare de jure domino decano ecclesie Cathedralis Caminensis, quantumcunque stationem suam in dicta ecclesia sua fecerit seu tenuerit, vnum talentum sinziberis et I talentum Cariofilorum et (1/2) talentum muscatarum et vnum bonum cultellum et I nachthuue et I bonum par cyrothecarum de twino factum et II marcas denariorum vinckonensium, et plebano suo Capellano ibidem VIII solidos, et Custodi ibidem VIII solidos, et Subcustodi IIII solidos, et Rectori paruulorum VIII solidos, et IIII solidos cuilibet locato et Cancellario domini Episcopi predicti X marcas denariorum vinckonensium, Et subcancellario seu Notario eius quinque marcas eiusdem monete, Et vectigali suo II marcas et vnum bonum par ocrearum, Et sic etiam de Iure tenetur dare cuilibet plebano Ciuitatum vel opidorum in tota diocesi Caminensi, quantumcumque stationem in parrochialibus eorum tenuerit, et capellanis suis et custodibus et subcustodibus et rectoribus et locatis, sicut in ecclesia Caminensi decano dederunt et aliis ministris, Sub pena excommunicationis sententie et Interdicti pro illis in tota diocesi Caminensi, Statutum juratum et confirmatum ecclesie Camminensis.
Aus einem um das J. 1400 entworfenen Verzeichnisse der Einkünfte des Bisthums Camin, in Abschrift aus dem Anfange des 16. Jahrh. im Provinzial-Archive zu Stettin aufbewahrt, mitgetheilt vom Herrn Archivar Dr. Klempin zu Stettin.
Im J. 1340 schenkte der Herzog Barnim von Pommern den Antonius-Brüdern den Burglehnhof vor der Burg Demmin. Vgl. Tempzin. Urk. Nr. 3.
Nr. XII.
Der Abt von Reinfelden quittirt den Abt Johann von Doberan, als General-Collector der Cistrecienserklöster in den Ostseeküstenländern, über die Ablieferung gewisser eingesammelter Contributionen aus den Klöstern.
D. d. 1474. Julii 15.
Nach dem Originale im Geh. und Haupt-Archive zu Schwerin.
Frater Johannes abbas in Reynuelde, ordinis Cisterciensis, Lubicensis diocesis, publice protestando
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recognoscimus per presentes, nos a venerabili in Christo patre et domino Johanne, monasterii Dobbranensis, iam dicti ordinis, Swerinensis diocesis, abbate, stangnalium parcium reformatore ac contribucionum annalium collectore generali etc., pro nonnullis coniribucionibus per eundem dominum Dobbranensem a monasteriis infrascriptis collectis, videlicet de Dobbran X fl. de anno LXXIIII, de Nouo Campo X flor. de anno LXXIIII, de Dargu e n X fl. de anno LXXII et LXXIIII, item de Hilda X flor. vt supra, de Hiddensze quinque flor., de Colbatz XXX de annis LXXI, LXXII et LXXIII, necnon pro viagio ad sanctam sedem apostolicam et subsidio caritatiuo collectis, vt infra, videlicet de Colbatz octo flor., de Oliua octo fl., de Polplin octo, de Bukow sex, de monialibus in Sarneuisze quatuor fl., de monialibus in Keslyn duos fl., de monialibus prope Stettyn tres, de Nemore sancte Marie duos flor., de monasterio Locitch (?) duos et de omnibus premissis per totum duos flor. pro via recepisse in bono auro et legali pondere, de qua quidem floren. summula ipsum dominum abbatem Dobbranensem prenominatum quitamus, quitum habere uolumus ac eandem summam soluisse declaramus per presentes. In quorum fidem premissorum secretum nostrum presentibus est subimpressum. Datum anno domini millesimo quadringentesimo septuagesimo quarto, ipso die diuisionis apostolorum.
Studens domino suo abbati scribit toto cordis affectu sincerissimo me ipsum ad vestra mandata iugiter preparatum.
Religiosis ac honestis viris domino N. bursario necnon domino N. cellerario . . . . . . . . . . patribus suis in Christo diligendis.
Paternali reuerentia prelibati cum omnibus et singulis quibus mutue dilectionis fomenta (?) et conscientia roborantur.
Nach dem im grossherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin aufbewahrten Originale, auf einem Duodezblatt Papier, in einer sehr kleinen, stark abbrevirten, sehr undeutlichen, abgescheuerten und verblichenen Minuskel. Die Urkunde ist sehr schwer zu entziffern gewesen und in manchen, jedoch untergeordneten, Einzelnheiten vielleicht nicht ganz richtig wiedergegeben. Ein Siegel ist nicht vorhanden gewesen.
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für
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:
im engern Sinne.
1. Vorchristliche Zeit.
a. Steinzeit.
Hünengräber von Alt=Sammit.
vonG. C. F. Lisch.
Auf dem Felde von Alt=Sammit bei Krakow, welches schon früher reiche Bronzefunde aus Kegelgräbern geliefert hatte (vgl. Jahrbücher XI, S. 391, und XII, S. 407), standen mehrere große, mit gewaltigen Granitblöcken umstellte und bedeckte "Hünengräber" der Steinperiode, welche zu den ältesten ihrer Art gehörten; zwei derselben waren dem Anscheine nach noch völlig wohl erhalten und unangerührt und mußten aus unausweichbaren Bedürfnissen im Sommer 1860 abgetragen werden. Der Gutsbesitzer Herr Diederichs d. j. hatte kaum mit der Abtragung eines Grabes angefangen, als es sich mit Sicherheit ergab, daß wenigstens zwei von diesen Gräbern noch völlig wohl erhalten waren. Der Vater des Herrn Gutsbesitzers, der Herr Advocat Diederichs d. ä. zu Güstrow, vieljähriges Mitglied unsers Vereins, reiste auf Nachricht hievon aus wissenschaftlicher Theilnahme nach Alt=Sammit, um die aufgedeckte Hälfte des einen Grabes für den Verein genauer zu untersuchen. Als sich hiebei bald drei Keile aus Feuerstein, Feuersteinsplitter und Bruchstücke eines menschlichen Schädels fanden, ließen die Herren die weitere Forschung ruhen und luden mich ein, nicht nur dieses in Angriff genommene Grab, sondern auch ein zweites ähnliches Grab
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selbst abtragen zu lassen. Am 9. und 10. Julii 1860 führte ich unter der Oberleitung des Herrn Diederichs d. j. auf Alt=Sammit und unter dem theilnehmenden Beistande des Herrn Diederichs d. ä. aus Güstrow die Forschung aus; ich fühle mich verpflichtet, dem Herrn Diederichs d. j. nicht nur für die äußerst umsichtige Leitung der schwierigen Arbeit und die Ueberlassung des Fundes an den Verein, sondern auch für die liberale Uebernahme der Kosten und die mir geschenkte freundliche Aufnahme und Beförderung den aufrichtigsten und wärmsten Dank zu sagen.
Die beiden jetzt abgetragenen Gräber gehören ohne Zweifel zu den ältesten Gräbern 1 ) der Steinperiode, also zu den ältesten Gräbern menschlicher Cultur, und bildeten freistehende sogenannte Steinkisten, welche noch keine angesetzte, mit Ringsteinen umstellte, lange Erdhügel hatten. Beide Gräber waren fast völlig gleich, und daher kann die Beschreibung derselben im Allgemeinen zusammengefaßt werden. Die Gräber standen auf ebenem Sandboden. Jedes Grab bildete eine große Steinkammer, welches an jeder Langseite 4 große, hervorragende Granitpfeiler hatte, welche je 2 immer einen großen, flachen Deckstein trugen, so daß jedes Grab mit 4 Decksteinen belegt war, wie es im Lande vorherrschend zu sein pflegt; an jedem schmalen Ende war das Grab mit einem großen, aufgerichteten Schlußstein geschlossen. Die natürlichen, sicher nicht gespaltenen, flachen Seiten der Steine waren nach innen gekehrt und bildeten hier regelmäßige, ebene Wände. So hatten diese Steinhäuser im Innern eine Länge von ungefähr 18 Fuß und eine Breite von ungefähr bis 8 Fuß. Die Steinkisten standen frei auf dem Urboden; jedoch war außen etwa bis ungefähr 2 Fuß hoch und 3 bis 4 Fuß breit eine schmale, niedrige Erdböschung gegen die Tragepfeiler angebracht, welche nach außen hin durch kleinere Steine geschützt war; die Gräber hatten aber keinen Hügel (tumulus). Die Längenrichtung der Gräber ging von Norden nach Süden. Auf den Gräbern standen sehr alte und große Dornbüsche, deren Wurzeln bis auf den Grund der Gräber gingen.
Die Tragepfeiler und Schlußsteine waren durchschnittlich 6 Fuß hoch, 5 bis 6 Fuß breit und 3 Fuß dick; die Decksteine waren eben so breit und 3 bis 4 Fuß dick, aber
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6 bis 8 Fuß lang, so daß sie, auf den Seitenpfeilern ruhend, die innere Kammer queerüber bedeckten. Die einzelnen Steine mochten nach ungefährer Schätzung jeder 6 bis 10,000 Pfund schwer sein, und daher war die Abtragung mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft, welche jedoch unter einsichtsvoller Leitung durch schiefe Ebenen, Untergrabung, Walzen und Hebel glücklich überwunden wurden.
Die Aufdeckung dieser Gräber giebt viel Licht über die bisher in Deutschland ziemlich unbekannte, wahre innere Einrichtung der Gräber der Steinperiode, und dies ist der Hauptgewinn aus dieser Aufgrabung. Die Seitenwände bestanden an jeder Langseite aus 4 Tragsteinen, welche die 4 Decksteine trugen, und aus 2 Schlußsteinen, alle mit den ebenen Flächen nach innen gekehrt. Die Tragesteine und Schlußsteine an den Enden standen jedoch oben nicht unmittelbar neben einander, schon deshalb nicht, weil die Decksteine oft breiter waren, als die Tragsteine. Alle Seitensteine standen aber auch unten nicht dicht neben einander, sondern es war zwischen je 2 Trag= oder Schlußsteinen immer eine Lücke von 1 bis 2 Fuß, welche auf dem Grunde mit kleinern Steinplatten von etwa 2 Fuß Höhe ausgesetzt war; diese Füllsteine waren an den Seiten und unten mit noch kleinern Steinen verzwickt, so daß der untere Raum im Innern bis etwa 2 Fuß hoch über dem Urboden, also so hoch als die äußere Erdböschung, eine vollkommen geschlossene, glatte Kammer bildete. Die innere Ansicht einer Seitenmauer war also ungefähr folgende
Die Längenrichtung der ganzen Gräber ging von Norden nach Süden. Auf dem Urboden waren aber die Gräber queer über in kleine Kammern getheilt, welche in der Tiefe immer unter den Decksteinen lagen und von Westen nach Osten gerichtet waren. Diese kleinen Kammern waren durch flache, gespaltene, rothe Steinplatten, meistens von jungem rothen Sandstein, jedoch auch von jungem rothen Granit, welche ungefähr 1 Zoll und darüber dick und zwischen 1 und 2 Fuß im Quadrat groß waren, so gebildet, daß diese rothen Steinplatten einzeln, genau senkrecht und dicht auf einander folgend in den Sand des Urbodens gesetzt waren und
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kleine, ganz gerade Mauern bildeten; die etwanigen Lücken an den Tragsteinen und Füllsteinen waren auch sorgsam mit kleinen, rothen Steinen ausgefüllt. Der Grund dieser Kammern war mit einer dünnen Schicht Lehm, der sich in der Nähe nicht findet, ausgeschlagen, und diese dicht mit einer Lage zerschlagener, ausgeglüheter, weißer Feuersteine (wie mit einer Chaussee) bedeckt; diese Lehm= und Feuersteinschicht war ungefähr 2 bis 3 Zoll dick. Die Feuersteine sind sehr unregelmäßige Stücke und fast alle durch Feuer ausgeglüht, von Fett befreiet und weiß gebrannt; nur wenig Stücke sind noch vom Feuer unberührt und diese sind fast alle Stücke von natürlichen Außenseiten von Feuersteinen. Weshalb dieser Feuersteingrund gelegt ist und weshalb die Feuersteinstücke im Feuer ausgeglüht sind, ist schwer erklärlich; jedoch kommt diese Erscheinung in allen Hünengräbern vor, war also in einer gewissen Zeit allgemein. Mir scheint diese Bildung der kleinen Kammern theils zur Sicherung gegen wühlende Thiere, theils zum Schmuck also eingerichtet worden zu sein. In jenen fernen Zeiten hatte man gewiß wenig Farben. Man mußte aber sehr bald dahinter kommen, daß der durch Feuer ausgeglühete und vom Fett befreiet Feuerstein sich rein weiß brenne. Auf die angegebene Weise erhielt man innerhalb der grauen Granitmauern kleine Grabkammern, welche mit hellrothen Steinen eingefaßt und mit Weißen Steinen gepflastert waren: eine Farbenzusammenstellung, welche sehr gut stimmt. Der innere Kieselkern der Feuersteine ist immer ganz weiß, die äußere Schale von den Feuersteinknollen oft röthlich gebraunt, da die Feuersteinknollen des Tieflandes oft einen Ueberzug von Thon haben. Die Feuersteinstücke scheinen der Abfall von Feuersteinblöcken bei der Verfertigung der Feuersteingeräthe zu sein; daher finden sich in diesen Fußbodenlagern auch keine Stücke, welche noch zu Geräthen gebraucht werden könnten, z. B. keine Späne, welche zu Messern und Pfeilen gebraucht wurden: die ausgeglüheten Stücke sind immer kurze, dicke, eckige Stücke und kleiner Grus in sehr großen Massen.
Auf diesem in Lehm gelegten Feuersteingrund liegen oder sitzen die unverbrannten Leichen und die Alterthümer, welche denselben mitgegeben sind. Die Leichen sind in diesen uralten Steingräbern immer unverbrannt beigesetzt; von Leichenbrand ist keine Spur und die ausgeglüheten Feuersteine haben mit Leichenbrand nichts zu schaffen. In den Gefäßen, welche in den ältesten Gräbern stehen, finden sich nie verbrannte Knochensplitter und Kohlen, sondern sie sind immer leer. Zwar finden sich in den Hünengräbern gewöhnlich einige Koh=
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len oder kohlenähnliche Körper weit zerstreut; diese sind ungefähr 1 Zoll groß und finden sich nur einzeln. Diese Kohlen können aber nur zufällig in die Gräber gekommen sein und sind vielleicht Bruchstücke von den hölzernen Geräthen, welche zur Aufrichtung der Steingräber gebraucht wurden, da die Menschen der Steinperiode ihre Balken, Hebebäume und andere große hölzerne Geräthe durch Ab= und Ausbrennen gewannen, wenigstens vorbereiteten, weshalb auch viele Enden gewiß noch stark verkohlt waren. Vielleicht sind die Kohlen aber auch mit den ausgebrannten Feuersteinen in die Gräber gekommen.
Die Kammern und die Leichen mit den Alterthümern waren dann mehrere Fuß hoch fest mit starkem Sande und vielen kleinen natürlichen Feldsteinen von ungefähr 1/2 Fuß Durchmesser bedeckt, so daß das in den Ringwänden dicht vermauerte Grab im Innern fest und dicht verpackt war. Diese Einfüllung war immer etwas höher, als die zwischen den Tragepfeilern stehenden Füllsteine, und ungefähr so hoch, als die äußere Böschung, so daß von außen von der eigentlichen Einrichtung des Grabes nicht das Geringste zu sehen war. Die Gräber erschienen oben, so weit sie sichtbar waren, als aus der Erde hervorragende Tragsteine, auf welchen die Decksteine lagen.
Ich halte nun diese Gräber von Alt=Sammit für Gräber, welche noch vollständig erhalten waren, und glaube, daß alle ähnlichen Gräber im Lande, welche gewöhnlich leer sind, so daß man wie in einem Hause darin sitzen kann, im Innern schon zerstört und ausgeräumt sind. Wenn man nur einen Schlußstein am Ende, der gewöhnlich nichts trägt, abwälzt, so kann man diese Gräber mit gewöhnlichen Hacken sehr leicht bis auf den Grund ausräumen. Das niedere Landvolk ist der irrigen Ansicht, daß in diesen großen Steingräbern große Schätze verborgen sind, und deshalb sind diese Gräber seit vielen Jahrhunderten ununterbrochenen Angriffen ausgesetzt gewesen. Ich halte daher jetzt die meisten sogenannten Steinhäuser, Steinkisten, Opferaltäre u. s w. für ausgeräumte Gräber der ältesten Steinperiode, welche ursprünglich eben wo eingerichtet waren, wie die Gräber von Alt=Sammit 1 ).
Die Errichtung dieser Gräber war allerdings sehr schwierig, jedoch nicht so schwierig, daß man glauben müßte, ein Riesenvolk von ungewöhnlicher Kraft habe zur Erbauung noth=
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wendig gehört. Mit schiefen Ebenen, Hebeln, Walzen und Kugeln läßt sich bei einiger Erfahrung schon viel ausrichten. Die 28 großen und sehr vielen kleinern Steine der beiden Gräber von Alt=Sammit sind durch ungefähr 8 anstellige Arbeiter in höchstens 2 Tagen ab= und ausgehoben und von ihrer Stelle gebracht, freilich mit großer Anstrengung, aber doch nur mit ganz gewöhnlichen Mitteln, wie Hebebäumen, Hacken, Spaten u. s. w.
Die Gräber von Alt=Sammit geben aber besonders wichtigen Aufschluß über die Bestimmung der Gräber. Man hat bisher geglaubt, daß die gewöhnlich mit 4 Steinen bedeckten "Hünengräber" jedesmal nur Ein Grab gebildet hätten und daß die Decksteine queer über Eine Leiche gelegt worden seien. Dies ist aber nicht der Fall. Die Längenrichtung der Gräber von Sammit ging von Norden nach Süden so, daß die 4 Decksteine queer über die Länge der Gräber gelegt waren, also in der Längenrichtung von Westen nach Osten. Bei der Aufgrabung des Grundes der sammiter Gräber ergab sich nun, daß der Grund mit Kammern ausgesetzt war, deren Hauptabtheilungen immer grade unter einem Decksteine lagen, daß in jedem Grabe mehrere Leichen in den verschiedenen Kammern begraben waren, daß also ein solches Hünengrab mit 4 Decksteinen nicht ein Grab für Eine Person, sondern ein Bau von mehreren zusammengesetzten Gräbern ist, deren Kammern ihre Längenrichtung von Westen nach Osten haben, in welche die Leichen so gesetzt sind, daß der Kopf im Westen liegt, also nach Osten schauet. Hieraus erklärt es sich auch, daß man das Innere und Aeußere fest verpackte, weil immer neue Gräber angesetzt wurden und man die ältern Gräber nicht offen stehen lassen konnte. Man fing vielleicht im Norden an und setzte gegen Süden hin immer einen Schlußstein vor, welcher bei einer neuen Bestattung abgerückt und wieder benutzt werden konnte. Allerdings finden sich auch viele Gräber mit Einem Deckstein und Einer Kammer.
Die Alterthümer, welche in diesen Gräbern gefunden werden, sind immer von Stein oder Thon; von Metall ist nie eine Spur gefunden.
Ich werde jetzt das Innere der beiden Gräber und ihren Inhalt beschreiben, wobei ich immer die Kenntniß der vorstehenden allgemeinen Beschreibung voraussetze. Ich werde die Gräber, da sie fast gleich waren, durch Nr. I und Nr. II bezeichnen.
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Steingrab Nr. I.
Dieses Grab ward im Anfang April 1860 von den Arbeitern an der goldberg=lübzer Chausse im Beisein der Herren Diederichs in Angriff genommen, welche sich die Untersuchung des Grundes vorbehalten hatten. Der Anfang war im Süden gemacht.
A. Unter dem südlichsten Decksteine fand sich eine Kammer, welche mit Lehm und Feuersteinen ausgelegt war und von Westen nach Osten queer durch ging. In dieser fanden sie 3 Keile von grauem Feuerstein,
1) einen Keil, 5 1/2" lang, 5/8"
dick,
2) einen Keil, 5" lang,
5/8" dick,
3) einen Keil, 4"
lang, 1 1/4" breit, 3/8" dick.
Alle diese Keile sind an der Schneide auf beiden breiten Seiten gut geschliffen; die eine Oberfläche ist an mehreren Stellen angeschliffen, die entgegengesetzte Oberfläche außer der Schneide, und die beiden Seitenflächen sind aber noch gar nicht geschliffen. Dieser Mangel an durchgeführter Kunst läßt auf eine sehr ferne Zeit schließen. Alle 3 Keile sind sehr dünne und haben wohl zu Waffen gedient; es läßt sich überhaupt die Beobachtung machen, daß die in großen Gräbern gefundenen Keile in der Regel dünner sind, als die auf dem Felde gefundenen (welche wohl zu Ackergeräthen dienten).
B. Unter dem nächst folgenden Decksteine war wieder eine Kammer. In dieser fand sich
4) ein unverbranntes Gerippe eines erwachsenen Menschen, von welchem jedoch nur große Bruchstücke eines menschlichen Schädels erhalten sind. Die Bruchstücke sind alle vom Hinterkopfe; von Stirne, Zähnen u. s. w. fand sich keine Spur. Die Schädelbruchstücke sind sehr mürbe und haben sich queer gelöset, so daß meistentheils nur noch die Außenflächen vorhanden sind.
Als sich nun wissenschaftliche Ergebnisse herausstellten, untersagte der Herr Diederichs augenblicklich die Fortsetzung der Arbeit bis zu meiner Ankunft, nach welcher wir die Aufdeckung mit eigenen, anstelligem Leuten am 9. Julii 1860 fortsetzten.
Bei der genauem Aufräumung der zweiten Kammer fanden wir in derselben noch
5) zwei große Bruchstücke von einem thönernen Gefäße, aus denen sich jedoch der Charakter des Gefäßes nicht erkennen läßt, um so mehr, da sie keine Verzierungen haben.
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C. Unter dem dritten und vierten Decksteine war in der Mitte queer eine schmale, lange Kammer, 3 Fuß lang und 2 Fuß breit; an jeder Seite war eine etwas schmalere Nebenkammer. Unter dem dritten Decksteine fand sich in den Kammern nichts.
D. Unter dem vierten nördlichen Decksteine fand sich aber in der östlichen Kammer
6) gegen den dritten Deckstein hin ein Keil von Feuerstein, wie der Keil Nr. 3, jedoch etwas dicker, aber an beiden breiten Seiten ganz, an den schmalen Seiten nicht geschliffen.
In der nordöstlichsten Ecke unter dem nördlichsten Decksteine, nicht weit von dem Keile, lag
7) eine große Lanzenspitze von hellgrauem Feuerstein, 8 1/2" lang und 2" breit in der Mitte; diese Lanzenspitze ist zwar sehr regelmäßig, aber noch sehr derb und mit wenig Schlägen und großen Absplitterungen gearbeitet.
In der ausgeworfenen Erde fand sich nachträglich
8) ein Keil von Feuerstein, von dem es sich nicht genau bestimmen ließ, wo er in dem Grabe gelegen hatte. Derselbe ist schon in alter Zeit queer durchschlagen, vielfach abgesplittert und jetzt noch in dem Beilende gegen 4" lang vorhanden; in seiner ganzen Gestalt mag er 5 1/2" lang gewesen sein.
E. Hinter dem vierten, nördlichsten Decksteine hatte dieses Grab ausnahmsweise noch eine Kammer, und deshalb war der nördliche Schlußstein auch etwas weiter von den Decksteinen entfernt gesetzt, als gewöhnlich. Diese Kammer war nur 4 Fuß lang und 3 Fuß breit. In derselben fand sich eine unverbrannte Leiche sitzend beigesetzt, so daß sie gegen Osten schauete. Am westlichsten Ende der Kammer lagen nämlich ganz klar die Schädel=, Arm= und Rippenknochen über einander auf einem Haufen, so daß die Leiche nicht anders als sitzend beigesetzt gewesen sein konnte und die Knochen des Oberleibes beim Zusammensinken auf einander gefallen sein mußten. Die Beinknochen, welche von Anfang an wohl horizontal gelegen hatten, waren fast ganz vergangen. Von den Knochen des Oberleibes konnten nur einzelne Stücke ge=
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rettet werden. Die Bruchstücke des Hinterkopfes sind sehr dick und gehörten nach den verwachsenen Näthen einem alten Menschen; vom Gesichte ließen sich keine Spuren finden.
Steingrab Nr. II.
Das zweite Grab war wie das erste gebauet und eben so groß, hatte jedoch einige Eigenthümlichkeiten. Die Längenrichtung dieses Grabes war ebenfalls von Norden nach Süden. Auf den beiden südlichsten Tragepfeilern fehlte der Deckstein; dagegen war der nördlichste Deckstein, welcher sehr groß, aber am östlichen Ende viel dünner war, von dem östlichen Tragsteine abgeglitten und eingesunken, und ein zweiter, kleinerer, jedoch immer noch großer Deckstein, war auf dieses schräge eingesunkene Ende aufgelegt. Ob dies von Anfang an so eingerichtet und der Bau ein verunglückter gewesen ist, wie es scheint, läßt sich wohl nicht mehr entscheiden. Ferner war an der östlichen Seite gegen den ersten und zweiten Tragstein im rechten Winkel ein kurzer Gang angesetzt, in dem zwei Reihen kleinerer Steine von etwa 3 Fuß Größe, an jeder Seite 3 Stück, parallel, ungefähr 2 Fuß von einander, im rechten Winkel auf die eben so breite südlichste Lücke an der Ostseite gingen. Der innere Raum dieses Ganges war eben so mit Erde und kleineren Steinen ausgefüllt, wie der innere Raum des Grabes und das Aeußere war von der äußern Böschung des Grabes zum großem Theile bedeckt. Dieser Gang hatte keine Decksteine. Dieses Grab war also ein Grab von der Art, welche von Nilsson (Nordens Ur-Invånare Kap. III, p. 18) Ganggräber genannt und im Norden häufig gefunden werden. Ein von ihm aufgedecktes Grab (Pl. XVI, Fig. 197) hatte einen Gang, welcher auch 2 Fuß breit war.
A . Unter dem Räume des ersten, fehlenden Decksteins im Süden und
B . unter dem zweiten Decksteine waren wohl Kammerabtheilungen mit Lehm= und Feuersteinboden, aber keine Alterthümer.
C . Der Raum unter dem dritten Decksteine hatte jedoch einen reichen Inhalt. Auf dem Urboden waren in der Längenrichtung des ganzen Grabes, also in der Richtung von Norden nach Süden, drei mit Lehm und Feuersteinen ausgelegte, gleich große, schmale Kammern. In der Kammer neben dem östlichen Tragepfeiler war
9) ein unverbranntes menschliches Gerippe von einem erwachsenen Menschen; wahrscheinlich hatte auch dieses
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gesessen, da der Raum der freilich am Fußende nicht mehr scharf abgegrenzten Kammer zum Liegen zu kurz schien; es konnten nur bedeutende Bruchstücke von den Beinknochen wahrgenommen und herausgeholt werden, vom Schädel war keine Spur mehr zu entdecken. Links neben den Knochen standen an dem Tragsteine einige gespaltene Steine, welche mit einer schmierigen schwarzen Masse, wahrscheinlich von der Verwesung der Leiche, bedeckt waren.
Gegen die Füße hin lagen neben den Knochen, wie es schien zur rechten Hand, 2 Keile aus Feuerstein, nämlich
10) ein großer Keil, ebenfalls lang, breit und dünn, 6 3/4" lang, 2" breit und 3/4" dick, an beiden breiten Seiten ganz geschliffen, an den schmalen Seiten nicht geschliffen,
11) ein kleiner Keil, 4" lang, 1 1/2" breit und 1/2" dick, gar nicht geschliffen, auch an der Schneide nicht, sondern nur ganz roh zugehauen, und dazu noch etwas krumm und unregelmäßig.
Nach dem Kopfe hin, wie es schien zur linken Hand, lag
12) eine Lanzenspitze aus Feuerstein, ganz von derselben, etwas unfertigen Arbeit, wie die Lanzenspitze Nr. 7, und dick, jedoch nur 6" lang.
Diese Alterthümer scheinen die Waffen der Leiche gewesen zu sein.
Aus der Gleichheit der beiden Lanzenspitzen dürfte sich auf ein gleiches Alter beider Gräber schließen lassen.
In den beiden andern kleinen Kammern, welche mit dieser parallel lagen, konnten keine Alterthümer wahrgenommen werden.
Diese drei kleinen Kammern waren ungefähr 1 Fuß hoch mit Sand und kleinen Steinen fest bedeckt. Auf dieser Packschicht, also 1 Fuß hoher, als die Keile und die Lanzenspitze, lagen grade über den 3 kleinen Kammern 3 Meißel aus Feuerstein und mehrere thönerne Gefäße, namentlich
13) ein Meißel, 4 1/2" lang und 5/8" breit und dick, vollständig, an den beiden breitern Seiten und an einer schmalen Seite geschliffen;
14) ein Meißel, an den beiden breiten Seiten geschliffen, welcher eben so groß gewesen sein mag, aber an der untern Seite abgebrochen und hier nothdürftig zu einer Schneide zugehauen ist, ohne geschliffen zu sein; das Bruchstück ist jetzt 3" lang;
15) ein Meißelblock aus Feuerstein, roh zugehauen, jedoch ohne Schneide und nirgends polirt.
Neben diesen Meißeln lagen viele Scherben von zertrümmerten, hellbraunen Thongefäßen, jedoch ohne In=
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halt, wie es schien; das ist gewiß, daß sie nicht zerbrannte Knochen und Asche enthalten hatten, wie überhaupt in dem ganzen Grabe keine Spur von zerbrannten Knochen zu finden war. Einige wenige Kohlen, welche zerstreut umherlagen, scheinen zufällig in das Grab gekommen zu sein. Es lassen sich nach den Scherben 3 Thongefäße unterscheiden:
16) ein gradwandiges, dickes Thongefäß ohne Verzierungen;
17) ein ähnliches Thongefäß;
18) ein dünnwandiges, hellbraunes, kugeliges Thongefäß mit zwei kleinen Henkeln auf dem Bauchrande, mit schuppenartigen Verzierungen und Strichen am obern Theile verziert, wie die in Jahrb. X, S. 258 und 259 abgebildeten Verzierungen, namentlich an der Urne des Hünengrabes von Remlin (Jahrb. IX, S. 362), dessen Grabkammer mit den sammiter Gräbern viel Ähnlichkeit hat.
Leider ließen sich die Scherben nicht vollständig zusammenbringen.
19) Ein regelmäßig abgerundeter und abgeschliffener bohnenförmiger Quarzstein von ungefähr 5/8" Größe kann eben so gut ein durch Wellenschlag gebildetes Naturproduct, als ein durch Menschenhand gebildetes Kunstproduct sein.
Ueber den Meißeln und Thongefäßen waren die Kammern mit Sand und kleinen Steinen bis zur Höhe der übrigen Bedeckung zugepackt.
D . Unter dem nördlichsten Decksteine war eine Queerkammer von Westen nach Osten, in welcher
20) ein menschliches Gerippe eines erwachsenen Menschen von Westen nach Osten hin lag, so daß der Schädel im Westen lag und nach Osten schauete. Es waren nur noch die starken Schenkelknochen erhalten und es war nicht mehr zu erkennen, ob die Leiche gesessen oder gelegen hatte.
Es wäre möglich, daß die Meißel und Urnen Nr. 13 - 18 zu dieser Leiche gehörten.
Unter den ausgeworfenen Steinen, mit denen das Grab im Innern verpackt war, fand sich
21) eine grauweiße Sandsteinplatte von altem Sandstein, 10" lang, 6" breit und durchschnittlich gegen 2" dick, welche ganz die Gestalt der Schleifsteine der Steinperiode hat und dazu bestimmt und auf einer Seite schon etwas dazu benutzt gewesen zu sein scheint.
Ferner fand sich unter den ausgeworfenen kleinen
22) ein vollständig abgerundeter und regelmäßig geschliffener und abgeglätteter, fast kugelrunder Granit von
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der Größe eines ausgewachsenen Menschenschädels, ungefähr 6" im Durchmesser; an einer Seite fehlt ein Stück. Es läßt sich nicht ermessen, ob dieser Stein durch Kunst bearbeitet und zum Roll= oder Reibstein bestimmt gewesen, oder ob er durch Naturkräfte im Diluvium so gebildet ist. So große natürliche, abgerundete Steine scheinen äußerst selten zu sein; die künstlichen runden Steine dagegen sind in der Regel nicht halb so groß.
Der Grundriß dieses Grabes II ist ungefähr folgender:
Nr. 1 ist die Kammer mit einem Gerippe.
Nr.
2 ist die Kammer mit einem Gerippe und den
Keilen und der Lanzenspitze.
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Nr. 3 der Raum der Kammer, auf welcher 1 Fuß
höher die Meißel und die Urnen lagen.
Nr.
4, 5, 6 waren scheinbar leer.
Nach allen Erfahrungen und Erscheinungen gehören diese Gräber zu den ältesten Gräbern der Steinperiode 1 ). Die Aufdeckung derselben hat uns zuerst einen Blick in die Bestattungsweise gegönnt, indem bisher in Meklenburg, so viel ich mich erinnere, nur "Hünengräber" mit langen Hügeln aufgedeckt sind, welche ich für jünger halte, da in diesen schon oft Anzeichen von Leichenbrand auftreten. Besonders wichtig scheint mir die Erfahrung zu sein, daß diese Gräber oder Steinkisten mit 4 Decksteinen nicht Gräber für Eine Person, sondern für mehrere, wenigstens zwei Personen, also wahrscheinlich Familiengräber waren, welche nicht mit einem Male, sondern nach und nach aufgeführt wurden.
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Höhlenwohnungen von Bresen.
Ein Bauer zu Bresen bei Rehna ließ im Sommer des J. 1858 auf seinem Felde nahe an der Scheide des Dorfes Demern ein Wasserloch ausgraben, wobei in dem ausgeworfenen Moder eine große Menge von heidnischen Gefäßscherben, Kohlen und Asche zum Vorschein kam. Bei diesem Graben ward nun die Beobachtung gemacht, daß 3 kreisrunde Vertiefungen, jede 6 Fuß tief, im Dreieck, alle 7 Fuß von einander, liegend, vorhanden gewesen waren, deren concaver Grund mit Gefäßen und großen Massen von Gefäßscherben, Kohlen und Asche bedeckt war; zwei Vertie=
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fungen waren im Westen, die dritte war im Osten davon erkennbar. Etwa 10 Fuß östlich von der östlichen Vertiefung stand in der Erde ein 4 Fuß hoher, ausgehöhlter, fester Eichenstamm, 2 Fuß im Durchmesser tonnenförmig ausgehöhlt, 1 ) welcher, ohne zu wurzeln, auf die Erde eingesetzt und ebenfalls, wie die Erdvertiefungen, mit Gefäßscherben, Kohlen und Asche ausgefüllt war.
Die Gefäße waren mit Kohlen und Asche gefüllt, jedoch so zerbrechlich, daß es nicht möglich war, ein einziges zu erhalten. Die Gefäßscherben, welche alle nicht verziert sind, sind nach heidnischer Weise mit Grand und Granitgrus durchknetet, theilweise sehr dick, auch rauh auf der Oberfläche, ohne mit geschlämmtem Thon überzogen zu sein, und tragen den Charakter der ältesten Zeit der Bronzeperiode oder der jüngsten Zeit der Steinperiode, sind jedenfalls älter als die jüngste Wendenzeit Eine in die innere Wand einer Scherbe eingegrabene grade Linie hat ganz den Charakter der Steinperiode. Viele Scherben sind von ungewöhnlich großen Gefäßen, welche ungefähr einen Fuß im Durchmesser gehabt haben; die vielen Gefäßhenkel, welche sich fanden, sind alle verhältnißmäßig groß gegen die der Todtenurnen, so daß man bequem mit dem Zeigefinger durchgreifen kann. Alle diese Eigenthümlichkeiten deuten darauf hin, daß diese Scherben Gefäßen zum häuslichen Gebrauche angehörten. Zwischen den Scherben lagen gewöhnliche Feldsteine (vom Fußbodenpflaster?) von verschiedener Größe. Knochen und Lehmklumpen fanden sich nicht.
Diese runden Vertiefungen und die vielen aufgehäuften Scherben scheinen darauf hinzudeuten, daß diese runden Vertiefungen die Reste von unterirdischen runden Wohnungen oder von dazu gehörenden Küchen oder Kellern waren, deren Dächer auf der Erde auf dem Rande der Vertiefungen standen. Es ist schon öfter beobachtet, daß sich in einer Tiefe von gut 5 Fuß in der Erde Steinpflaster, Scherben, Kohlen, Knochen u. dgl. finden, z. B. zu Dreveskirchen ( Jahrb. XIX, S. 289, und XX, S. 276), welche sicher die Reste von alten Erdwohnungen sind. Die Scherben und die Rundung der Wohnungen scheinen auf die älteste
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Zeit der Bronzeperiode hinzudeuten, da nach der Gestalt der Hausurnen und der Grabhügel die Wohnungen während der Bronzeperiode sicher rund waren, die Wohnungen in der Steinperiode aber vielleicht viereckig gewesen sein mögen, da die Gräber dieser Periode viereckig sind.
Alterthümer wurden bei dieser Ausgrabung nicht weiter gefunden, als ein thönerner Spindelstein von 1 1/2" Durchmesser, welcher leider zerbrochen und verloren gegangen ist, und zwei Reib= oder Rollsteine aus sehr feinkörnigem Granit oder altem Sandstein; der eine ist sehr unregelmäßig und nur an den Rändern abgerieben, während zwei flache Seiten noch die natürlichen Bruchflächen haben: der andere ist ganz eiförmig, 4" lang und 3 1/2" dick im mittlern Durchmesser und völlig regelmäßig auf der ganzen Oberfläche abgerieben, sonst ganz wie die zahlreichen, in neuern Zeiten gefundenen 1 ) Rollsteine (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276).
Der Verein verdankt diese Nachricht und die Scherben und die Rollsteine den wiederholten sorgfältigen Nachforschungen des Küsters Herrn Bohn zu Demern.
G. C. F. Lisch.
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Höhlenwohnungen von Alt=Sammit.
Zu Alt=Sammit bei Krakow, welches nennenswerthe Alterthümer aus der Stein=, Bronze= und Eisen=Periode und aus dem Mittelalter geliefert hat (vgl. oben und bei den verschiedenen Abtheilungen), ward im Sommer 1860 ein auffallender Fund gemacht. Auf dem Hofe (hinter der neuen Scheure) wurden beim Sandausfahren in einer Tiefe von 2 bis 3 Fuß unter der jetzigen Erdoberfläche, welche wahrscheinlich schon etwas abgetragen ist, große Massen von großen, sehr alten, groben Gefäßscherben ausgegraben, bei welchen überall Kohlen, oft in größern Stücken, lagen; es wurden wenigstens 30 Scherben aufgesammelt, von denen wenigstens 12 Stück verschiedenen Gefäßen angehörten. Die Gefäße müssen alle sehr groß gewesen sein, größer als die größten Begräbnißurnen; die Scherben sind in der Regel 1/2" dick und noch dicker, mit sehr grobem Granitgrus durchknetet, auf der Außenseite noch rauh und noch nicht mit geschlämmtem Thon überzogen; einige Rand=
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stücke sind 1" dick. Ohne Zweifel sind diese Scherben Ueberreste von den Gefäßen unterirdischer Wohnungen oder Keller der ältesten Heidenzeit. Da mehrere Randscherben eine so weite Schwingung haben, daß die Gefäße so groß wie ziemlich große Tonnen gewesen sein müssen, so werden die Gefäße zur Aufbewahrung von Vorräthen, andere werden zum Kochen gedient haben. Es ist nicht unmöglich, daß hier (näher am Wasser) die Menschen der Steinperiode gewohnt haben, deren Gräber oben S. 115 flgd. beschrieben sind.
Diese unterirdischen Räume gewinnen ein hohes Interesse durch die (vorher beschriebenen) Ueberreste aus den Höhlenwohnungen zu Bresen bei Rehna, welche denen von Alt=Sammit so völlig gleich sind, daß an denselben Gebrauche und derselben Zeit nicht zu zweifeln ist.
G. C. F. Lisch.
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Steinhacke von Friedrichshöhe.
Der Herr Ritter fand auf seinem Gute Friedrichshöhe bei Rostock in einem Moderloche, neben welchem Ueberreste von drei Feuerheerden erkennbar waren, nach und nach wenigstens 16 kugelrunde, gleich große Reib= oder Rollsteine und einen Schleifstein aus weißem alten Sandstein, so wie viele alte heidnische Gefäßscherben.
Späterhin fand derselbe in der Modde noch einen Stein, welcher sicher zu einer Hacke gedient hat, in seiner Art in Meklenburg noch nie beobachtet und sehr merkwürdig ist. Der Stein ist ein rohes, noch nicht bearbeitetes Stück Geschiebe aus weißem alten Sandstein, welches von Natur ganz passend zu einer Hacke geformt und ziemlich regelmäßig ist. Der Stein ist 4 1/2" lang, ungefähr 2" breit, in der Mitte 1" dick und läuft nach den Kanten hin allmälig scharf aus und ist nur am oberen Ende voll 1" dick. Die untere Fläche ist von Natur durch eine ursprüngliche Bruchfläche ganz eben und glatt, die obere Fläche ist gewölbt, in der Mitte der Länge nach am erhabensten und läuft nach den Seiten und unten hin scharf aus. Der Stein hat also ungefähr die Gestalt einer längs durchschnittenen Streitaxt und eignet sich ohne Bearbeitung vortrefflich zu einem Hackstein, welcher auf eine hölzerne Hacke gebunden ward. Dies beweiset auch offenbar eine leichte, rohe Bearbeitung zu diesem Zwecke. Oben, 1" unter dem obern Ende, ist nämlich an beiden Seiten eine kleine, halbrunde Einbiegung und auf der obern Fläche eine
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flache Rille ausgehauen, um das Band oder die Sehne aufzunehmen, mit welcher der Stein auf der Hacke befestigt ward. Der Stein ward also mit der untern glatten Fläche auf eine von Natur gebogene Hacke von Holz oder Horn gelegt, so daß das untere, scharfe Ende, welches ein wenig scharf abgeschliffen ist, etwas überragte, und in der ausgehauenen Rille mit einer Sehne auf die Hacke gebunden. Diese Hacke glich also genau den mit einem aufgebundenen, geschliffenen Stein versehenen Hacken der wilden Völker der neuern Zeiten (vgl. Worsaae Dänemarks Vorzeit, 1844, S. 10, Fig. 1, und S. 11, Fig. 3) und zeigt, daß ähnliche Hacken auch in Norddeutschland in Gebrauch waren. Ohne Zweifel sind auch viele von den dicken Feuersteinkeilen, welche einzeln auf den Feldern gefunden werden und wenig geschliffen sind, zu gleichem Zwecke verwandt worden.
G. C. F. Lisch.
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Feuersteinkeil mit Holzgriff von Raduhn.
Zu Raduhn bei Crivitz ward beim Aufräumen des Baches in dessen Bette von den Arbeitern ein Feuersteinkeil gefunden, der an einem hölzernen Griffe befestigt war. Die Arbeiter zerschlugen den Griff und warfen ihn bei Seite, verkauften aber den Keil an den grade anwesenden Thierarzt Herrn Both aus Crivitz. Der Herr Kaufmann Hellerung zu Crivitz erwarb für den Verein theilnehmend nicht nur den Keil, sondern zog auch von dem Herrn Both genaue Nachricht und Zeichnung ein. Der Keil war nicht in oder auf den Griff gebunden, sondern als Herr Both ihn kaufte, in einen starken Holzklotz von 3 bis 4 Zoll Dicke sehr fest eingekeilt, so daß Both ihn daraus in der Schmiede zu Raduhn auf dem Ambos mit einem Hammer los geschlagen hat. In diesem Holzklotz ist ein hölzerner Griff von ungefähr 3 Fuß Länge befestig gewesen. Das Ganze hat nach der Zeichnung des Herrn Both folgende Gestalt gehabt:
Das Holz des ganzen Griffes ist späterhin verbrannt. Der Keil, welcher wahrscheinlich durch einen besonderen Gehalt des Wassers ein marmorirte grüne Farbe hat, ist an allen 4 Flächen und selbst an den Bahnende geschliffen und ziemlich
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dick. Es ist sehr zu beklagen, daß dieses seltene Stück des Alterthums nicht erhalten ist, da es wohl einzig in seiner Art gewesen wäre; jedoch verdient der Herr Hellerung doch immer noch großen Dank für die Einziehung der Nachrichten.
Die Art der Befestigung des Keils ist derjenigen der Keile aus den Pfahlbauten der Schweiz äußerst ähnlich. Die Steinkeile der Pfahlbauten sind erst in eine kurze Krone von Hirschhorn gefaßt, welche oben zu einem Zapfen ausgearbeitet ist, um diesen in den Stiel oder Griff einzulassen. Diese Fassung ist deshalb so gewählt, damit beim Schlage der Keil die Fassung nicht zersprengt; wenn auch der Stiel brach, so konnte doch die Hirschhornfassung noch halten. Aus demselben Grunde war der raduhner Keil erst in einen festen Holzklotz gefaßt, in welchem wieder der Griff befestigt war.
G. C. F. Lisch.
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Streitaxt aus Hirschhorn von Everstorf.
Im J. 1859 ward in der Everstorfer Forst bei Grevismühlen im Torfmoore in einer Tiefe von 6 1/2 Fuß eine sehr seltene Streitaxt aus Hirschhorn gefunden und durch den Oberforstmeister von Lehsten zu Rehna Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge für die großherzogliche Alterthümersammlung überreicht. Die sehr wohl erhaltene Streitaxt ist aus einer starken Hirschstange gearbeitet und 9" lang; die sehr gut erhaltene und ausgebildete Rose ist zum obern Ende benutzt; das Schaftloch ist oval und von beiden Seiten konisch durchgebohrt, vielleicht noch nicht ganz fertig, da es in der Mitte noch etwas eng ist, und an beiden Enden sehr glatt ausgeschliffen.
G. C. F. Lisch.
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Bearbeitete Hirschgeweihe von Gägelow.
Zu Gägelow bei Wismar wurden in einem Torfmoor 12 Fuß tief zwei Hörner von zwei Hirschgeweihen gefunden und durch die Bemühungen des Unterofficiers Herrn Büsch in Wismar von einem Erbpächter in Gägelow für den Verein gewonnen. Diese zwei Hörner, welche nicht zusammengehören, sind sehr merkwürdig, weil sie aus den allerältesten Zeiten stammen und eine Bearbeitung zeigen, welche ohne Zweifel der Steinperiode angehört. Zuerst sind beide Hörner gespalten, und zwar so, daß nur ein kleines Stück von der Rose mit abgekeilt ist, dann aber die Spaltung mehr in die Mitte dringt und sich bis an die Spitze fortsetzt. Dann
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sind alle Enden oder Zacken bearbeitet, entweder so, daß sie an der Stange ganz abgekeilt oder daß die Spitzen der Enden abgeschnitten sind, um möglichst grade und runde Enden zu gewinnen. Man hat offenbar nicht hörnerne Streitäxte oder auch Griffe zu Feuersteinkeilen aus diesen Geweihen gewinnen, sondern kleinere Geräte, wie Hohlmeißel, Pfriemen, Bohrer u. s. w. daraus verfertigen wollen. Die Enden und Spitzen sind nicht mit metallenen Sägen oder Aexten abgenommen, sondern mühsam und unregelmäßig rund umher, wahrscheinlich durch Feuersteinmesser und Keile, bis auf den Markkern durchschnitten, und dieser ist dann abgebrochen. Der Arbeiter ist gewiß in seiner Arbeit gestört worden und hat daher die unvollendete Arbeit in diesem Zustande hinterlassen. Ohne Zweifel stammen die Geweihe von Gägelow aus der Steinperiode und sind in Norddeutschland bis jetzt vielleicht einzig in ihrer Art, wenigstens doch gewiß äußerst selten.
Auch bei Bützow ward im Torfmoor ein ganz gleich bearbeitetes Hirschhornende gefunden; vgl. den folgenden Bericht.
Die im J. 1841 zu Gr. Stieten 12 Fuß tief im Moder gefundene breite Elenschaufel (Jahresber. VI, S. 67) ist von der Rose her in der Stange 3" tief ausgehöhlt und an derselben abgeglättet. Es ist nicht klar, zu welchem Zwecke dies geschehen ist; das Gehörn würde zu einer Schaufel wohl etwas zu schwer sein.
In den aus der Steinperiode stammenden Pfahlbauten der Schweiz, namentlich zu Moossedorf und zu Wangen, auch an andern Orten, sind solche halb bearbeitete Hirschgeweihe äußerst häufig.
G. C. F. Lisch.
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Bearbeitetes Hirschhornende von Bützow.
In dem Torfmoore auf der "Sühring" im "Sandfeldsbruch" der Stadt Bützow ward beim Torfstechen ein starkes, 10" langes Ende von einem Hirschgeweih gefunden, welches offenbar durch viele Hiebe oder Schläge mit Feuersteingeräthen bis auf den Kern abgekeilt und dann abgebrochen ist, um es zu Geräthen zu benutzen. In demselben Torfmoore wurden auch zwei Rollkugeln von Granit, ein halbmondförmiges Messer von Feuerstein und ein abgebrochenes Ende von einem Rennthiergeweih gefunden. Alle diese Alterthümer schenkte der Herr Friedr. Seidel zu Bützow. Das Hirschhornende ist grade so bearbeitet, wie die Hirschhörner von Gägelow (vgl. die voraufgehende Mittheilung). Auch die
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Rennthierschaufel von Bützow ist abgekeilt und zeigt neben dem Durchhiebe noch einen Fehlhieb (vgl. Jahrb. XX, S. 368); die Rennthiere lebten hier also noch in der Steinperiode, als das Land schon von Menschen bevölkert war.
G. C. F. Lisch.
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Bearbeitetes Hirschgeweih von Röbel.
Bei der Ziehung eines Grabens in einem Torfmoor der Stadt Röbel ward 6 Fuß tief das untere Ende von einem mächtigen Hirschgeweih gefunden, dessen zwei Zacken am Ende abgeschlagen sind und absichtlich bearbeitet zu sein scheinen. Es ist nur von einem Horn die Stange von der Rose und der Augensprosse bis zum ersten Ende oder der ersten Sprosse vorhanden; dieses Stück der Stange, welches keine Enden hat, ist 2 Fuß lang und 2 1/2 Zoll dick. Der Bau scheint selten zu sein. Unmittelbar über der Rose sitzt eine Augensprosse; dann folgt kein zweites Ende weiter, als nach einer Entfernung von 2 Fuß, wo grade das Horn abgebrochen ist. So viel ich weiß, sind die Hirscharten der fernen Vorzeit noch nicht recht bestimmt. Leider gruben die Arbeiter nicht weiter nach und ließen Wasser in den Graben. Das herausgeholte Stück, welches die Arbeiter lange für Holz hielten und als solches gebrauchen wollten, ist durch den Herrn Burgemeister Hermes zu Röbel gerettet und geschenkt.
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b. Bronzezeit.
Kegelgrab von Sammit
Nr. 7.
Von den in den Jahrbüchern XII, S. 407 beschriebenen Kegelgräbern zu Alt=Sammit, von denen früher mehrere aufgedeckt sind und einige eine reiche Ausbeute gegeben haben, standen noch einige unangerührt. Bei Gelegenheit der Aufdeckung der beiden großen Steingräber (vgl. oben S. 115) ließ der Gutsbesitzer Herr Diederichs zuletzt noch eines von diesen Kegelgräbern freundlichst für den Verein aufgraben. Der Hügel hatte, wie in den Jahrb. a. a. O. beschrieben ist, einen kreisrunden Umfang und bildete eine geringe kegelförmige Höhe, ohne Deck= und Ringsteine. Aus dem Rasen sahen überall kleine Feldsteine hervor und es ließ sich schließen, daß wir einen Steinkegel vor uns hatten. Und dies ergab auch die Aufgrabung. Der Kegel war fast ganz aus kleinen Feldsteinen mit wenig Erde aufgebauet. Wie es bei Gräbern dieser Art immer zu sein pflegt, stand grade in der Mitte eine viereckige Steinkiste von natürlichen, nicht gespaltenen, Granitplatten, welche einen Cubikinhalt von ungefähr 1 1/2 Fuß hatte. In der Kiste stand eine fein gearbeitete, dunkelbraune Urne, welche jedoch schon in viele kleine Stücke zerdrückt war und zerbrannte Menschengebeine enthalten hatte; von Alterthümern war in der Kiste keine Spur zu finden. Bau und Urnen derselben Art charakterisiren oft diese Steinkegel und man kann gewöhnlich mit großer Sicherheit die Aufgrabung leiten, wie es auch hier der Fall war.
G. C. F. Lisch.
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Kegelgrab von Goldenbow.
Auf dem Felde von Goldenbow, A. Crivitz, wurden beim Steinbrechen zum Bau der Chaussee von Crivitz nach Parchim unter einem "Steinlager", ohne Zweifel in einem nie=
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drigen Kegelgrabe, im J. 1858 folgende bronzene Alterthümer gefunden und von dem Amte Crivitz eingefordert und an die großherzogliche Alterthümersammlung eingesandt:
1) ein Schwert, mit kurzer Griffzunge, in der Klinge gegen 20" hamb. Maaß lang (die Spitze fehlt), bei der Beisetzung in 3, jetzt aber in 7 Stücke zerbrochen;
2) eine Heftel, mit zwei Spiralplatten, 3 1/2" lang, in einer Spiralplatte und der Nadel, zerbrochen;
3) eine Heftel, mit zwei Spiralplatten, ganz zerbrochen und verbogen;
4) eine Nadel, mit rundem, plattem Knopf, 6 bis 8" lang, in 5 wahrscheinlich zusammen gehörende Stücke zerbrochen;
5) ein runder Beschlag, 1" weit und 1" hoch;
6) ein runder glatter Ring, 1" weit;
7) ein gleicher Ring, eben so groß;
8) eine Schmuckdose, klein und zierlich, 2 3/4" im Durchmesser und 1/2" hoch, ganz zerbrochen;
9) ein kleiner, in Form einer Schmuckdose, niedrig kegelförmig gestalteter, verzierter Knopf oder Buckel, 1 1/8" im Durchmesser und 1/2" hoch, mit queer durchgehendem Stift;
10) ein kleiner ähnlicher Buckel, 7/8" im Durchmesser, ganz zerbrochen;
11) Bruchstück eines platten, gravirten Armringes;
12) Bruchstück eines voll gegossenen, runden Armringes;
13) Bruchstück eines Messers, wie es scheint.
Nach den einzelnen Bruchstücken zu urtheilen, wird das Grab gewiß sehr unterrichtend gewesen sein.
G. C. F. Lisch.
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Kegelgräber von Karstädt.
Beim Steinbrechen zu der Chaussee von Ludwigslust und Grabow nach Dömitz fanden die Steinbrecher auf der Feldmark des der Stadt Grabow gehörenden Dorfes Karstädt bei Grabow im Frühling 1860 "viele Aschenkrüge" und in drei derselben in jedem ein nur leicht gerostetes bronzenes Geräth. Der Herr Burgemeister Hofrath Dr. Flörcke zu Grabow wandte diese Sachen freundlichst dem Vereine zu, konnte aber nichts weiter retten. Die Alterthümer sind:
1 Messer von Bronzeblech, 4 1/2" lang, dessen kurzer Griff nur durch Umbiegung des einen Blechendes gebildet ist;
1 Ring von Bronze, geöffnet, mit zwei halbkugeligen, inwendig abgeflachten Enden, nur 1 1/2" und 2" im Durchmesser, ein kleiner Armring;
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1 Ring von Bronze, oval, 1 1/4" und 1 1/2" im Durchmesser, von rundem Drath, geschlossen, mit einer angegossenen Oese an einem Ende; das entgegengesetzte Ende des Ringes ist stark ausgerieben, und hat daher der Ring ohne Zweifel zum Tragen eines eingehängten Geräthes gedient.
Diese Gräber scheinen einen Begräbnißplatz für das geringere Volk aus der letzten Zeit der Bronzeperiode gebildet zu haben und den Gräbern ähnlich, aber jünger, zu sein, welche im J. 1852 auf der entgegengesetzten Seite der Feldmark der Stadt Grabow am "Grimoor" entdeckt wurden; vgl. Jahrb. XVIII, S. 251, und XIX, S. 312.
G. C. F. Lisch.
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Kegelgrab von Malk.
Beim Bau der Chaussee von Ludwigslust=Grabow nach Dömitz ward im J. 1860 auf der Feldmark von Malk bei Eldena beim Steinbrechen eine schön geformte, hellbraune Kinderurne (vgl. Jahrb. XXIV, S. 296) von der hieneben abgebildeten Gestalt, 3 1/2" hoch, gefunden und an die großherzogliche Sammlung abgeliefert. Die kleine Urne, welche mit Asche gefüllt war, stand in einer größern Urne, welche jedoch beim Ausgraben zerschlagen ward.
G. C. F. Lisch.
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Bronzegeräthe von Teterow.
Am 12. Dec. 1859 wurden zu Teterow vor dem rostocker Thore beim Planiren des Terrains neben dem Friedhofe von dem Herrn Maurermeister Pohlmann zu Teterow gefunden:
2 Handbergen aus Bronze und
2 spiralcylindrische Armringe, mit leichtem edlen Rost, vollständig erhalten, jedoch alle beim Herausnehmen zerbrochen, und vom Burgemeister und Rath der Stadt Teterow geschenkt.
G. C. F. Lisch.
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Bronze=Alterthümer von Stubbendorf
und
Götterzeichen der Germanen.
von
G. C. F. Lisch.
Im Dec. 1859 wurden zu Stubbendorf, im Amte Dargun, östlich von dem Darbein=stubbendorfer Wege, auf der Hufe Nr. 3 des Hauswirths Fritz Wulff, in einem Moderloche beim Modergraben mehrere Alterthümer der Bronzezeit gefunden und durch die sorglichen Bemühungen des Amtes Dargun zusammengebracht und der großherzoglichen Alterthümersammlung übergeben. Mit Ausnahme der Framea sind sämmtliche Alterthümer aus Bronze, ohne allen Rost und sehr fest vom Moor bräunlich gefärbt.
Diese Alterthümer, welche alle zu den seltenern und wichtigern gehören sind folgende.
Am höchsten lagen im Moor:
3 breite Armringe, 3" hoch und eben so weit im Durchmesser, blechartig gegossen, auf der obern Seite mit erhabenen Parallelreifen verziert. Diese Verzierung ist der Verzierung der Diademe mit Parallelreifen ähnlich, wie sie in Worsaae Afbildninger I. Aufl., S. 40, Nr. 164, und II. Aufl., S. 47, Nr. 218, abgebildet sind. Diese Ringe ähneln den Ringen bei Worsaae II. Aufl., S. 56, Nr. 258, und dem Schmuck bei Worsaae, I. Aufl., S. 50, Nr. 205, und II. Aufl., S. 58, Nr. 264. Zwei von diesen Ringen werden, obgleich sie nicht ganz gleich hoch sind, als Paar zusammengehören, der dritte Ring ist dünner gegossen und enger gereifelt, hat aber wahrscheinlich zu einem vierten gehört, welcher nicht gefunden ist, so daß 2 Paare in dem versenkten Bronzeschatze gewesen sind. Ringe dieser Art sind in Meklenburg noch nicht beobachtet.
Außerdem ward noch
1 Armring, für den Oberarm (?) gefunden, welcher ganz einfach und ohne Verzierung, nur 1/4" breit und 4" weit im Durchmesser ist.
Die drei breiten Ringe waren in einander geschoben und durch dieselben waren
5 Dolche gesteckt, welche so in dem Moore lagen, daß die Spitzen nach oben standen. Diese Dolche sind den im Frid. Franc. Tab. III, Fig. 2 und 3 abgebildeten gleich und 9 1/2, 9 3/4, 10, 10 3/4 und 12 Zoll lang. Alle sind mit dem
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Griffe und der über die Klinge greifenden halbmondförmigen Ueberfassung aus Einem Stücke gegossen, jedoch alle in den Griffen verschieden gebildet und verziert; vier haben ovale Griffe, der kleinste hat einen viereckigen Griff. Die Griffe der beiden größten sind mit parallelen Querreifen verziert und die halbmondförmigen Ueberfassungen der Klingen ohne Verzierungen und glatt; die Griffe der drei kleinem sind mit Schräge= und Parallelstrichen und die Ueberfassungen mit Puncten verziert, wie Frid. Franc. T. III, Fig. 2. Die beiden kleinsten haben auf dem Knopfe eine Verzierung von Strichen, die ins Kreuz gelegt sind, wie Frid. Franc. T. III, Fig. 2 und 3; der Knopf des zweitgrößten hat ein durch Kreuzlinien schraffirtes Kreuz, das einem Johanniterkreuze mit sich verbreiternden Balken ähnelt. Alle sind in den Klingen schartig und mitunter an einer Seite etwas porös, jedoch wohl als vollendet anzusehen, da grade an den porösesten die Griffe am meisten verziert sind. Es wäre jedoch möglich, daß die Geräthe erst theilweise fertig waren, als sie versenkt wurden.
Bisher sind in Meklenburg nur 5 Dolche mit Bronzegriff gefunden: 3 bei Malchin, in der großherzoglichen Sammlung, abgebildet Frid. Franc. T. III, von denen 2 auch aus Einem Stücke gegossen sind und 1 einen angesetzten Griff hat; 2 sind in der Vereinssammlung, von denen der eine aus Einem Stück gegossen ist, der andere einen angesetzten Griff hat.
Ungewiß in welcher Tiefe im Moor ward
1 Framea mit Schaftrinne, voll gegossen, aus Kupfer gefunden, welche der im Frid. Franc. T. XIII, Fig. 7 abgebildeten Framea sehr ähnlich, nur etwas größer, dicker und derber ist. Die Form gleicht noch mehr dem steinernen Keil, nur ist die Schneide mehr beilartig ausgeschweift; die Ränder der Schaftrinne sind noch sehr niedrig. Diese Form ist gewiß die älteste Form der Framea und daher ist auch dieses Exemplar von Stubbendorf sicher noch aus rothem Kupfer, und noch nicht mit Zinn legirt.
Ganz unten in dem Moorloche, etwa einen Fuß tiefer, als die Dolche, hat
1 Commandostab aus Bronze gelegen. Sicher ist, daß das obere Ende, welches die Dolchklinge trägt, in dieser Lage gefunden ist; das untere Ende des Griffes ist in der Nähe im Moor ausgegraben, die andern Stücke desselben sind später in der ausgeworfenen Modererde gefunden. Alle Stücke des zerbrochenen Commandostabes, welche jetzt wieder zusammengebracht sind, gehören zusammen und geben vielleicht sehr merkwürdige Aufschlüsse.
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mit seinen Eigenthümlichkeiten ist wohl der merkwürdigste Gegenstand des Fundes. Dies ist ein Geräth aus Bronze, wie es schon früher in Meklenburg mehrere Male gefunden und in den Jahrbüchern IX, S. 340, und X, S. 288, und hieneben wieder und im Frid. Franc. T. VII, Fig. 1, und T. XV, Fig. 6, und T. XXXIII, Fig. 1 in natürlicher Größe abgebildet und zu den betreffenden Stellen beschrieben ist. Es ist dort ein Commandostab genannt. Vielleicht dient der gegenwärtige Fund dazu, die Bestimmung des Geräthes fester zu stellen.
Zuvor möge eine Beschreibung und Beurtheilung des bei Stubbendorf gefundenen Exemplares Raum finden.
Dieser Commandostab, welcher aus alter Bronze gegossen ist, besteht, wie alle übrigen in Meklenburg gefundenen Exemplare, wesentlich aus zwei getrennten Theilen, welche von vorne herein keine feste Verbindung mit einander gehabt haben: dem obern Ende mit dem Beile oder der Dolch= oder Speerklinge, dem Aufsatze, wenn man es so nennen will, - und dem Griffe. Der Aufsatz des stubbendorfer Exemplars hat dieselbe Größe und im allgemeinen dieselbe Form, wie das im Frid. Franc. Tab. VII, Fig. 1 in natürlicher Größe abgebildete Exemplar; es hat dieselbe Form, dieselben drei Stacheln oder spitzenknöpfe an jeder Seite und ähnliche reifenförmige Verzierungen. Der Griff ist hohl gegossen und glatt, wie er im Frid. Franc. Tab. XXXIII, Fig. 1 zu dem Ganzen und Tab. XV, Fig. 6 im Einzelnen jedoch hier fälschlich verjüngt auslaufend) abgebildet ist Das ganze, bei Stubbendorf gefundene Geräth ist 28 1/2" lang. Der Griff ist 23" lang, von ovalem Durchschnitt, 1" im Durchmesser und überall von gleicher Dicke; er ist jetzt in zwei Brüchen in drei Stücke zerbrochen, von denen der eine Bruch in der Mitte alt, vor an=
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dere, oben 3" unter dem Aufsatze, beim Finden geschehen ist. Der Griff, dessen Inneres man durch die Brüche genau sehen kann, ist hohl gegossen und enthält im Innern von unten auf 20" lang noch den alten Gußkern , 1 ) welcher aus grauem, thonhaltigen oder mit etwas Thon vermengten Sande besteht, der sehr fest und am äußern Rande neben der Bronze durch die Hitze des Gusses leicht bräunlich gefärbt ist. Das obere Ende war 3" lang von dem Gußkern befreiet. Der Aufsatz ist in der senkrechten Stange, der Fortsetzung des Griffes, hohl und ohne Gußkern. In dieser Höhlung des Aufsatzes steckt noch ein großer Rest eines wohl erhaltenen Holzpflockes ; eben so fanden sich in dem leeren obern Ende des Griffes von 3" Länge noch Holzreste. Es ist also ohne Zweifel, daß die beiden Theile, welche bei keinem Exemplare irgend ein Zeichen einer befestigenden Verbindung durch Metall zeigen, durch einen Holzpflock zusammengehalten wurden, wenn das Geräth gebraucht ward. Diese Art der Verbindung vermuthet schon Klemm, Handbuch der Alterthumskunde, S. 208.
Der Aufsatz des bei Stubbendorf gefundenen Exemplars ist aus alter Bronze, in der Fortsetzung des Griffes hohl gegossen, einfacher, aber edler in den Formen, als die bisher gefundenen Exemplare. Bei allen früher gefundenen Exemplaren ist der ganze Aussatz mit der eine Art Axt bildenden, hammerartigen, verzierten Schneide aus Einem Stücke hohl gegossen, so daß sich der Hohlguß, wie aus einem zerschlagenen Exemplare klar wird, auch noch in die hammerartige Schneide fortsetzt. Bei dem jetzt gefundenen Exemplare ist aber nur die senkrechte Fortsetzung des Griffes hohl gegossen und hat an der einen graden Seite eine durch den Guß bewerkstelligte, also beabsichtigte Ritze, in welcher im rechten Winkel abstehend eine überall stumpfe, voll gegossene Speerklinge oder Dolchklinge mit zwei nicht starken Nieten eingenietet ist. Dies ist das auffallendste und merkwürdigste an diesem Exemplare. Es dürfte sich aus dieser Einrichtung schließen lassen, daß wir hier ein Original=Exemplar vor uns haben.
Bisher sind folgende Commandostäbe dieser Art gefunden, und zwar alle in Mittel=Europa: in Meklenburg: 3 zu
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Blengow im Sumpfe, davon einer in der großherzoglichen Sammlung (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 115), 1 zu Hausdorf in einer Moorgrube, in der Vereinssammlung (vgl. Jahresber. II, S. 47), 1 zu Glasin, iu der Vereinssammlung (vgl. Jahrb. X, S. 287); in der Mark Brandenburg: 2 zu Blankenburg bei Ruppin im Moor, in der Sammlung des wailand Grafen v. Zieten (vgl. Jahrb. XV, S. 272, und XVI, S. 275); 3 in Mansfeld und in Thüringen (vgl. Klemm Altthsk. S. 208 und Taf. 15); 1 in Posen, in der Sammlung des Hofraths Klemm in Dresden; von den beiden Exemplaren in Dänemark ist 1 in der öffentlichen Sammlung zu Kopenhagen aus Lauenburg und 1 in der Privatsammlung des Königs, welches im Brande des Schlosses Frederiksborg untergegangen ist, aus Süd=Holstein. An allen diesen Exemplaren, von denen die in Norddeutschland gefundenen alle fast ganz gleich sind, ist der ganze Aufsatz aus Einem Stück gegossen, die aus Einem Stück mitangegossene Speerklinge etwas manierirt und mit Reifen am Rande verziert und das Ganze aus einem andern Metall, 1 ) als die Bronzeperiode zeigt. Sie enthalten mehr Zinn (24 pC.), als gewöhnlich, und dazu etwas Silber (1 pC.); dies beweist die chemische Analyse, welcher die meklenburgischen, gleichen Exemplare unterworfen sind (vgl. Jahrb. IX, S. 340), und schon das Ansehen.
Aus diesen Schilderungen wird es klar werden, daß das jetzt gefundene Exemplar von Stubbendorf ein Urstück ist und daß das Geräth nur dazu diente, eine Dolch= oder Speerklinge zu zeigen. Dieses Einnieten einer wirklichen Waffe zeigt etwas Ursprüngliches. Die übrigen Exemplare, welche an Größe und Form dem stubbendorfer gleich sind, sind alle nur Nachahmungen, welche hohl und aus einem Stück aus offenbar jüngerm Metall (wahrscheinlich Kupfer und silberhaltigem Zinn) gegossen sind.
Forscht man nach der Bestimmung des Gerätes, so läßt sich kaum annehmen, daß es zum kriegerischen Ernst gebraucht worden sei. Das Ganze ist zu unhandlich, zu schmal und zu dünne; es würde sehr schwer, ja unmöglich sein, mit der beilartig angesetzten Speerklinge einen wirksamen Schlag auszuführen. Die Unbrauchbarkeit zum Ernste beweiset aber vorzüglich der Umstand, daß der Aufsatz auf einen gar nicht sehr eng anschließenden Holzpflock, der aus dem Griffe hervorragte, aufgesteckt ward; der Aufsatz würde sich beim ersten
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Hiebe von dem Griffe losgetrennt haben. Man kann sich also nur denken, 1 ) daß der Aussatz für gewisse Gelegenheiten als Zeichen auf gesteckt ward, vielleicht als ein Zeichen des Krieges, als eine Art Standarte, welche vielleicht durch die Richtung, welche man der Speerspitze gab, die Richtung des Kampfes andeutete. In diesem Sinne habe ich das Geräth einen Commandostab genannt. Vielleicht war das Geräth ein Würdenzeichen, und in diesem Sinne hat es Klemm (a. a. O. S. 208) einen Königsstab genannt.
Es ist aber auch möglich, vielleicht sehr wahrscheinlich, daß wir hier ein Sinnbild einer Idee, ein Sinnbild des Kriegsgottes, im Originale vor uns haben: und dies wäre allerdings sehr merkwürdig. Wir müssen dieses bei Stubbendorf gefundene Zeichen in eine sehr ferne Zeit, jedenfalls vor Christi Geburt, zurück versetzen. Jacob Grimm hat in seiner deutschen Mythologie, Zweite Ausgabe, S. 93 flgd. und S. 184 flgd. die Sache aus den Schriftstellen behandelt. "Tacitus weiß von keinem simulacrum, von keinem nach menschlicher Gestalt geformten Bilde germanischer Götter; nichts kennt er, als signa und formas, wie es scheint, geschnitzte und gefärbte, die zu der Gottesverehrung symbolisch und bei gewissen Anlässen herumgetragen wurden; wahrscheinlich enthielten sie irgend eine Beziehung auf die Natur und das Wesen einzelner Götter." Ammianus Marcellinus (17,12. a. 358) berichtet von den Quaden, "einem entschieden germanischen Volke", daß sie auf Dolche , "welche sie als Zeichen göttlicher Wesen verehrten, Treue schwuren" ("eductis mucronibus, quos pro numinibus colunt, juravere se permansurcs in fide"). Derselbe erzählt (31, 2) von den Alanen, daß sie in dem bloßen Schwerte den Kriegsgott verehrten ("nec templum apud eos visitur aut delubrum, sed gladius barbarico ritu humi figitur nudus, eumque ut Martem verecundius colunt"). Schon Herodot (4, 62) meldet, daß die Scythen den Kriegsgott in dem Bilde eines aufgerichteten Schwertes verehrten, und von andern alten Schriftstellern wird berichtet, daß die Scythen und die Römer in alten Zeiten bei dem Speere als dem Bilde des Mars schwuren, Juvenal sagt: "per Martis frameam" ("bei der Framea des Mars"). Wohl zu bemerken ist, nach den jetzt gereiften antiquarischen Forschungen, daß die alten Dolchklingen und Speerklingen oft von derselben Größe und sehr schwer zu
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unterscheiden sind, und daß die ältesten Bronzeschwerter sehr kurz, ja oft so kurz sind, daß man sie für Dolche halten muß. In den ältesten Zeiten waren die Klingen der Speere, Dolche und Schwerter fast ganz gleich und konnten zur Bezeichnung derselben Idee dienen. Die Klinge an dem stubbendorfer Exemplar ist aber mehr eine Dolchklinge. Daß grade in diesem Funde außerdem noch 5 vollständige Dolche, welche in alter Zeit sehr selten sind, gefunden wurden, mag zur entfernten Unterstützung dieser Ansicht dienen.
Ich zweifle daher keinen Augenblick, daß diese sogenannten Commando= oder Königsstäbe Zeichen ("signa") des Kriegsgottes (Tyr, Mars), des obersten Gottes der Germanen, waren, und die "Griffe" (vielleicht kleine Nachbildungen von Säulen) nur dazu dienten, das heilige Zeichen des Dolches oder Schwertes zu tragen und in die Höhe zu heben oder hinzureichen, keinesweges aber den Griff eines Streithammers bildeten. Wir würden hier also ein wahres Bild eines deutschen Saxnôt, haben den J. Grimm (S. 184) durch: Schwertträger, "ensifer, als die Gottheiten Zio oder Eor und den griechischen Ares", erklärt.
Würde meine Ansicht Beifall finden, so würden wir in den bisher sogenannten Commandostäben wirkliche Exemplare von heiligen Zeichen haben, welche die Schriftforschung wahrscheinlich gemacht hat.
Dieser Fund erhält eine merkwürdige Bestätigung durch den im Folgenden beschriebenen Fund von Neu=Bauhof.
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Bronze=Alterthümer von Neu=Bauhof,
von
G. C. F. Lisch.
Auf dem Erbpachtgute Neu=Bauhof bei Stavenhagen, ungefähr 4 Meilen in grader Richtung grade südlich von Stubbendorf bei Dargun, wurden im Sommer des J. 1860 beim Torfstechen im Torfmoor ungefähr 2 Fuß tief unter der Oberfläche 11 Geräthe von Bronze gefunden und von dem Erbpächter Herrn Dr. E. Prosch Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge zur großherzoglichen Alterthümersammlung überreicht. Diese Geräthe hatten im Moor unter einem Steine von etwa 2 Quadratfuß Größe gelegen, sind also höchstwahr=
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scheinlich absichtlich versenkt gewesen, wie vielleicht auch die zu Stubbendorf gefundenen Geräthe. Diese Alterthümer sind in jeder Hinsicht den merkwürdigen stubbendorfer Stücken völlig gleich und ohne Zweifel nicht allein zu derselben Zeit, sondern auch von demselben Manne gemacht, so daß hier die sehr seltene Erscheinung von zwei in der Technik völlig gleichen Funden auftritt.
Die Alterthümer von Neu=Bauhof sind folgende:
4 breite Blech=Armringe, 3" hoch und weit und auf der Oberfläche gereifelt, den bei Stubbendorf gefundenen durchaus völlig gleich (vgl. oben S. 138); dieser Fund spricht dafür, daß auch zu Stubbendorf ursprünglich wohl 2 Paare versenkt gewesen sind;
4 glatte, offene Beinringe oder Halsringe, etwas oval, 5" bis 5 1/2" und ungefähr 4 1/2" weit;
1 massiver, sehr schwerer offener Armring, gegen 3" und 2" im Durchmesser;
2 Dolche, denen von Stubbendorf völlig gleich (vgl. oben S. 138), in Griff und Klinge auch aus einem Stück gegossen, 10" lang; obgleich Griff und Klinge aus einem Stück bestehen, so sind doch auf der einen halbmondförmigen Ueberfassung des Griffes an beiden Seiten zum Scheine 3 Nieten angegossen.
Auch von diesen Alterthümern sind mehrere, namentlich der dicke Armring und der Griff des einen Dolches, auf der Oberfläche sehr porös und an einigen Stellen im Guß nicht gekommen, so daß es scheint, als wenn nicht allein diese, sondern auch die Alterthümer von Stubbendorf während der Aus= und Nacharbeitung verloren gegangen oder versenkt sind. Die Riefelungen an den Dolchgriffen haben ohne Zweifel noch nachgearbeitet werden sollen.
Ein "Commandostab" ward zu Neu=Bauhof nicht gefunden.
Der Fund von Neu=Bauhof erhält aber durch die Gleichheit mit dem Funde von Stubbendorf eine ungewöhnliche Wichtigkeit.
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Emaillirung der Schwertgriffe
und
das Bronzeschwert von Retzow.
Die großherzogliche Sammlung in Schwerin besitzt zwei sehr schöne Schwerter aus der Bronze=Periode, welche höchst selten sind. Diese Schwerter haben hohle Bronzegriffe, welche von durchbrochenen und gravirten Verzierungen gebildet sind. Der eigentliche Griff selbst besteht aus dem durchgehenden Ornament der ausgebildeten Bronze=Periode, aus doppelten Spiralwindungen, gleich einem paar Handbergen, welche neben und über einander gesetzt und durch Bänder verbunden sind und so den Griff bilden.
Die obere Platte des Knopfes ist ebenfalls mit diesen Spiralen verziert. Die großherzogliche Sammlung besitzt zwei Schwerter dieser Art, welche in Kegelgräbern gefunden sind. Das eine Schwert, gefunden zu Lehsen bei Wittenburg, hat 2 Reihen Doppelspiralen über einander, auf dem Knopfe eingravirte Spiralen und am Hefte 4 gewölbte Nieten ohne weitere Verzierungen. Dieses hieneben abgebildete Schwert ist auch abgebildet in Frid. Franc. Tab. XVI, Fig. 1. (vgl. Erläut. S. 126) und in Jahrbüchern IX S. 330.
Auch in Dänemark sind ähnliche Schwerter gefunden, vgl. Worsaae Afbildninger, 1. Aufl S. 27, Nr. 106 und 107, 2. Aufl. S. 30 und 31, Nr. 127-130.
Ein zweites Schwert in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin, gefunden zu Retzow bei Lübz in einem Kegelgrabe, ist ähnlich, jedoch noch reicher ausgestattet. Der eigentliche Griff hat über einander drei Reihen durchbrochener und gravirter Doppelspiralen, jede Reihe von 6 Paaren, im Ganzen also 18 Paare; die Platte des Griffes hat 8 Spiralen, welche ebenfalls durchbrochen sind; die Anheftung der Klinge hat 6 halbkugelige Nieten, welche durch Bänder zu Spiralen gestaltet sind und deren Grund ebenfalls durchbrochen ist; der halbkreisförmige äußere Rand der Anheftung besteht aus Zickzackbändern, deren Grund ebenfalls durch=
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brochen ist; die Durchbrechungen, oder vielmehr Ausgrabungen, gehen ungefähr 1/10 Zoll oder 2/5 Centimetre tief bis auf eine innere, zusammenhangende Bronzehülse. Die sehr vielen, alle dreieckig erscheinenden Durchbrechungen sind meistentheils, wie es den Anschein hat, mit Schmutz, Erde und Rost gefügt. Dieser Anschein wird aber trügerisch und es wird glaublicher sein, daß die Füllung der Durchbrechung absichtlich mit harzigen Massen von verschiedenen Farben, vielleicht braun, roth und grün, geschehen ist, was auf der goldfarbigen Bronze eine sehr schöne Wirkung gemacht haben muß. Der Herr Professor Dr. Lindenschmit in Mainz, Conservator des römisch=germanischen Museums, hat diese wichtige Entdeckung gemacht und ich lasse dessen Ansicht hier wörtlich folgen:
"Ich fand, daß die Zwischenräume der Ornamente keineswegs durch Erde und Rost, sondern ursprünglich schon durch eine eigene Masse ab sichtlich ausgefüllt waren, deren genaue Prüfung aber der geringen Dimensionen und der beinahe gänzlichen Zerstörung wegen sehr schwierig ist. So viel scheint festzustehen, daß sie von verschiedener Farbe war in den einzelnen Zierbändern. Auf der wohl erhaltenen Außenseite des Knaufes findet sich in den innern Räumen zwischen den Spiralornamenten eine jetzt dunkelbraune Masse, die im Feuer lichte Flamme giebt, während den umlaufenden ovalen Ring sicher eine hellere Sub stanz füllte, die sich auch wahrscheinlich in dem Zickzackstreifen am Bügel fand. Oben am Knauf erscheint dieser harzige Stoff, der, wie das Vergrößerungsglas zeigt, eingetropft ist, am deutlichsten als eine Art Pech, das jedenfalls nur die Unterlage einer glänzenderen, ursprünglich helleren und stärkeren Farbe war. Ich bin zu der bestimmten Überzeugung einer alten Ausfüllung gelangt, die mit einer auf andern in unserm Besitz befindlichen Bronzen noch erkennbaren Emaillirung ganz identisch ist.
Die Sache ist insofern von Bedeutung, als diese Verzierungsweise abermals eine directe Beziehung zu hetruskischen Arbeiten zeigt, mit welchen ohnehin die ganze Technik und Ornamentbildung congruent ist.
So viel es noch möglich ist zu erkennen, muß ich mich mit dieser Ansicht einverstanden erklären. Vgl. den flgd. Abschnitt.
G. C. F. Lisch.
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Bronzeschwert von Bockup
und
Emaillirung der Schwertgriffe.
Beim Bau der Chaussee von Ludwigslust und Grabow nach Dömitz ward im J. 1860 auf der Feldmark von Bockup bei Dömitz in den Tannen ein Bronzeschwert gefunden und von dem Herrn Chaussee=Baumeister Lütkens zur großherzoglichen Sammlung eingereicht. Dieses Schwert ist sehr interessant. Es ist sehr kurz, mit dem 3 1/2" langen Griffe im Ganzen 17 1/2" lang, schmal, 1" breiten der Klinge, zweischneidig, mit edlem Rost bedeckt und mit dem Bronzegriffe aus Einem Stücke gegossen, ohne irgend eine Vernietung; es war beim Finden unverletzt, ist aber von den Arbeitern in zwei Stücke zerbrochen. Der kleine Griffknopf hat ganz die Gestalt, Größe und Verzierung der Knöpfe der Dolchgriffe und ist, wie diese häufig, mit einem gravirten Kreuze verziert; jedoch ist dieses Schwert wegen der Größe und Gestalt der Klinge kein Dolch, sondern ein Schwert zu nennen, wenn es auch klein ist. Merkwürdig ist der etwas plump halbmondförmig über die Klinge fassende Griff. Dieser hat 9 parallele, glatte Queerreifen von Bronze, zwischen und neben denen 10 eben so breite Vertiefungen liegen, welche ungefähr 1/8" breit und tief sind. Diese Vertiefungen zwischen den Reifen sind bis zur Oberfläche der Reifen, also des Griffes, mit einem festen, harzigen Kitt ausgefüllt, welcher noch vollkommen erhalten und fest und auf der Oberfläche glänzend ist, wie polirt. Der Kitt hat eine schwarze oder dunkelbraune Farbe, ist noch sehr hart, sowohl in sich, als an der Bronze haftend und brennt mit brenzeligem Geruche hell an der Flamme. Diese Erscheinung ist völlig sicher und klar; vgl. vorher das Schwert von Retzow.
G. C. F. Lisch.
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Kopfringe von Turloff.
Im J. 1860 wurden in der "turloffer Forst" bei Sternberg von sternberger Arbeitsleuten bei der Arbeit, 6 Fuß tief und nach der Angabe von Steinen und Kohlen bedeckt, drei bronzene Kopfringe von seltener Form und völlig wohl erhalten, ohne eine Spur von Rost, gefunden und in Sternberg von den Arbeitsleuten an den Thorschreiber Stofferan verkauft, welcher sie an Se. K. H. den Großherzog einsandte. Diese Kopfringe sind sowohl wegen ihrer vortrefflichen Erhaltung, als wegen ihrer besonderen Form äußerst selten und merkwürdig und im Lande noch nicht beobachtet. Alle drei sind gewunden und durchschnittlich zwischen 8-9 Zoll im Durchmesser weit. Der eine Ring ist dick, 1/2 Zoll dick, weit und hoch gewunden; der zweite ist etwas dünner und sehr eng und flach gewunden; der dritte ist der dünnste und auch flach gewunden. Der dünnste Ring ist offen, mit einfachen Haken an den Enden, welche in einander gehakt werden können. Die beiden dicksten Ringe sind aber geschlossen gegossen und laufen dort, wo die Enden hätten sein sollen, in breite Bleche aus, welche sehr sauber gravirt sind, der dickste mit Halbkreisen, der mittlere mit Dreiecken an den Rändern. Ueber der Stelle, wo man die Enden und die Oeffnung hätte erwarten sollen, sind auf jedem Ringe 2 Spiralen angegossen. Diese Einrichtung ist also eine Nachbildung jüngerer Zeit; man hätte erwarten sollen, daß die Ringe geöffnet gewesen und auf den beiden Enden in breite, verzierte Bleche ausgelaufen wären, welche Haken mit Spiralen an den Enden gehabt hätten, die in einander hätten gehakt werden können. Die Ringe hätten also eigentlich die Gestalt haben müssen, welche die in Frid. Franc. T. X, Fig. 1, und in Worsaae Afbildninger ., 1. Aufl., S. 41, Nr. 167, und 2. Aufl., S. 48, Nr. 221, abgebildeten Kopfringe haben, denen die turloffer Ringe fast ganz gleich sind. Statt dieser natürlichen Einrichtung sind die turloffer Ringe mit allen Verzierungen, ohne Oeffnung, ganz aus Einem Stück gegossen und man kann hieraus schließen, daß diese Ringe eine handwerksmäßige, nicht mehr natürliche und verstandene Nachbildung sind, also in die jüngste Zeit der Bronze=Periode gehören, in welcher die alten Formen schon zu verschwinden anfingen und nur traditionell wurden. Daher und wegen der noch guten Arbeit sind die Ringe von großem Werth für die Culturgeschichte.
G. C. F. Lisch.
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Ueber Bronzewagen,
von
G. C. F. Lisch.
Von den höchst merkwürdigen Geräthen der kleinen bronzenen Wagen, welche zuletzt in den Jahrb. XXV, S. 215 behandelt sind, sind in den allerneuesten Zeiten mehrere Exemplare entdeckt, deren Auffindung schon im Jahrb. XXV, S. 320 und Jahresber. XXV, S. 71, vorläufig kurz angezeigt ist.
1) Der Bronzewagen von Ystad in Schonen ist für Meklenburg eine der wichtigsten Entdeckungen auf dem Felde der Alterthumskunde. Im J. 1855 ward in dem Graben eines Torfmoors ganz nahe bei Ystad ein kleiner bronzener Wagen von einem Schulknaben gefunden; dieser verkaufte ihn an einen Studenten F. Lundh, welcher denselben der bedeutenden Alterthümersammlung seines Vaters, des Pfarrers Lundh in Hammenhög, einverleibte. Hier stand er unbekannt, bis ihn der Docent Bruzelius aus Lund, welcher auf einer archäologischen Reise im J. 1858 den peccatelschen Kesselwagen in Schwerin gesehen hatte, sah und gewissermaßen entdeckte. Schon nach der Mittheilung des Professors Nilson aus Lund, jetzt in Stockholm, welcher 23.-25. Julii 1860 die Sammlungen in Schwerin studirte, ist dieser bei Ystad gefundene Wagen dem bei Peccatel in Meklenburg gefundenen und in Jahrb. IX, Lithographie zn S. 372, und Jahrb. XXV, S. 219 abgebildeten Kesselwagen völlig gleich. Bruzelius erhielt von dem Pfarrer Lundh die Erlaubniß, den Wagen zu beschreiben. Darauf starb der Pfarrer Lundh und der Wagen von Ystadt kam in das Museum zu Stockholm.
Zu gleicher Zeit gab Bruzelius eine Beschreibung des Wagens von Ystad heraus und ließ denselben dabei abbilden in Svenska Fornlemningar, of Nils Gustaf Bruzelius, II. Heft, Lund, 1860, S. 20 flgd. und Taf. V. Betrachtet man diese Beschreibung und Abbildung, so wird man überrascht durch die völlige Uebereinstimmung des Wagens von Ystad mit dem Wagen von Peccatel. Der Wagen von Ystad hat ebenfalls die Achsen und Langbäume jochförmig oder glockenförmig gestaltet, in ein Quadrat zusammengestellt und die Enden der Langbäume mit denselben vogelhalsähnlichen Ausläufern verziert. Auf der Zusammenfügung der Achsen und der Langbäume sind noch die vier bronzenen Füße angenietet, welche den "Hals" oder die Säule getragen haben, auf welchem der Bronzekessel stand. Der Kessel und der Hals sind jedoch verloren gegangen und liegen vielleicht noch im Torf=
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moor. Die Gleichheit der Wagen von Ystad und Peccatel ist überraschend. Das Wagengestell beider ist gegossen und dann gebogen. Die Räder sind gegossen, vierspeichig und an beiden Wagen 4 1/2 Zoll hoch. Bruzelius sagt, daß die Räder beider Wagen an Form, Größe und Aussehen so gleich sind, daß man behaupten möchte, sie seien in derselben Form gegossen (S. 24). Der Wagen von Ystad ist in alter Zeit viel gebraucht, da die Achsen ausgeschliffen und geflickt sind (S. 25).
Das Metall des schonenschen Wagens besteht nach der chemischen Analyse aus 92, 49 Kupfer, 6, 34 Zinn, 0, 63 Eisen und 0, 54 Nickel, also aus antik germanischer Bronze aus Kupfer und Zinn, da die geringen natürlichen Mengtheile von Eisen und Nickel nicht in Rechnung zu bringen sind.
Da nun die Metall=Legirung von Wichtigkeit für die ganze Forschung werden kann, so hat der Herr Dr. L. R. von Fellenberg zu Rosenbühl bei Bern, welcher sich mit Eifer der Analyse antiker Bronzen widmet, die Güte gehabt, einige Bruchstücke von der Vase des Kesselwagens von Peccatel einer chemischen Analyse zu unterwerfen. Die Bruchstücke, welche nach Befreiung vom Grünspan eine schöne, goldähnliche Farbe zeigten, 1, 997 Gramme schwer, ergaben folgende Zusammensetzung:
Kupfer 87, 20
Zinn 12, 75
Eisen 0, 05 .
Von Nickel, Blei, Silber, Autimon und Kobalt war keine Spur vorhanden. Die Bronze ist also auch hier die antike germanische Bronze, wenn auch in andern Verhältnissen gemischt, als der Wagen von Schonen. Dangen hat die Vase von Peccatel ganz dieselbe Mischung, wie ein dünne gehämmertes Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Ruchow (vgl. Jahrb. IX, S. 334), welches ungefähr aus derselben Zeit stammen mag.
Wir haben hier also sicher die auffallende Erscheinung, daß in Meklenburg und Schonen in den fernsten Zeiten ein solcher Verkehr bestand, daß in beiden durch die Ostsee getrennten Ländern ganz dieselben seltenen Culturgegenstände in Gebrauch waren.
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Bruzelius giebt zwar zu, daß der schonensche Wagen als Transportmittel gebraucht sei, wirft aber (S. 25) doch die Vermuthung auf, daß er möglicher Weise als "Symbol" betrachtet werden könne, wie die "Miniaturschwerter" 1 ) derselben Zeit. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der Wagen nicht das Hauptgeräth war, sondern der Kessel, zu dessen Transport der Wagen diente; der Kessel ist aber von so anständiger Größe, 14" weit und 7" hoch, daß er größer ist, als jedes gewöhnliche Becken, und den Gedanken an ein Symbol nicht aufkommen läßt.
Bei der Gelegenheit der Beschreibung des schonenschen Wagens hat Bruzelius auf Taf. VI, Fig 1, auch den ähnlichen kleinen Bronzewagen abbilden lassen, welcher 1834 in Siebenbürgen gefunden ist (vgl. Jahrb. XXV, S. 224).
2) Der Bronzewagen von Ober=Kehle. Im J. 1860 ward zu Ober=Kehle in Schlesien wieder ein Bronzewagen gefunden, welcher dem im Jahrb. XVI. S. 262 abgebildeten dreiräderigen Bronzewagen von Frankfurt a. O. völlig gleich ist. Der Herr Archivar Dr. Wattenbach berichtet in den "Zweiten Bericht des Vereins zur Errichtung eines Museums für schlesische Alterthümer". 1860, S. 7:
"Ganz abnorm ist unter allen Funden (von kleinen Wagen von Bronze) der frankfurter, weil die Achse mit ihren drei Rädern und der Deichsel gar nicht die Bestimmung gehabt zu haben scheint, etwas zu tragen. Und grade zu dieser Form bin ich jetzt im Stande ein vollkommenes Gegenstück liefern zu können. Dasselbe ist bei Ober=Kehle im trebnitzer Kreise gefunden, in der classischen Gegend von Massel, wo schon so zahlreiche Alterthümer aufgegraben sind, und ist durch die Güte des Besitzers, des Herrn Landraths von Salisch auf einige Zeit zur Ausstellung im hiesigen Museum für schlesische Alterthümer uns anvertraut worden. Es gleicht der Abbildung bei Lisch in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte . XVI. S. 262 durchaus, nur in etwas weniger vollkommener Erhaltung, ist stark mit schöner grüner Patina überzogen und ein wenig kleiner (?), indem die Länge nicht 9, sondern nur 8 Zoll beträgt, die Höhe der Räder aber nicht 4 1/2" sondern nur wenig über
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4 Zoll. 1 ) Der Fundort ist ein ziemlich tief gelegenes Feld in der am nördlichen Abhange des trebnitzer Höhenzuges gelegenen Ebene, jedoch unweit des Höhenzuges. Der Wagen wurde beim Pflügen aufgefunden, indem der Pflug daran stieß. Einige Scherben, die an derselben Stelle zum Vorschein kamen, ließen vermuthen, daß er sich in einer Urne befunden hatte. Merkwürdig ist die geringe Tiefe, in welcher er aufgefunden wurde. Weitere Nachsuchungen in der Nähe blieben ohne Erfolg; auch sind auf dem Oberkehler Felde bisher, so viel bekannt, keine andere Antiquitäten aufgefunden, desto mehr aber, besonders Urnen, ganz in der Nähe, besonders in Massel."
3) Die in dem Jahresberichte XXV, S. 71 nachträglich gegebene Nachricht von einem zu Zarnefanz bei Belgard in Pommern gefundenen dreiräderigen Wagen hat sich nach genauerer Erkundigung hinterher als Irrthum ergeben. Der Herr von der Lühe auf Zarnefanz hat die Güte gehabt, genauere Aufklärung und eine Zeichnung des fraglichen Stückes in natürlichen Größe zu geben. Hiernach ist dasselbe zu Zarnefanz in einem heidnischen Grabe in einer Urne gefunden. Der angebliche Wagen ist aber nach der Zeichnung in natürlicher Größe nichts weiter, als eine etwa 1 Zoll lange dünne Bronzestange, an welcher drei ciselirte Queerscheiben von 3/8 bis 3/4 Zoll Durchmesser fest sitzen. Das Geräth ist also nichts weiter als ein bronzener Doppelknopf oder Nadelknopf, wie ein ähnlicher aus einem Kegelgrabe von Dobbin in Jahrb. XI, S. 378 abgebildet ist. - Der Herr v. d. Lühe hatte die Absicht, das Geräth dem Verein für pommersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin zu übergeben.
Nachtrag zu Jahrb. XXV, S. 229 flgd.
Der Herr Professor Ewald sagt in:
"Jahrbüchern der biblischen Wissenschaft, von Heinrich Ewald. Zehntes Jahrbuch, 1859-1860. Göttingen, 1860. S. 273-275."
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"Dagegen sind wir in jüngster Zeit durch eine eben so unerwartete als folgenreiche Entdeckung in der Erkenntniß der hebräischen Alterthümer um einen mächtigen Schritt weiter gekommen. Herr Archivrath Lisch in Schwerin hatte, veranlaßt durch einen Fund in Meklenburg, schon seit längerer Zeit den seltsamen kleinen Kesselwagen, welche man in den Trümmern ältester Bauten findet, eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und fragte bei mir, ob nicht die "Gestühle" in der lutherischen Uebersetzung der Stelle vom salomonischen Tempelbau 1. Kön. 7, 27 flgd. eine Aehnlichkeit mit ihnen trügen. Indem ich nun diese aus vielen Ursachen sehr schwierige Stelle einer wiederholten noch schärferen Erforschung unterwarf und auch die letzten Dunkelheiten von ihr zu entfernen suchte, kam ich zu der Ueberzeugung, daß diese salomonischen ehernen Kesselwagen, welche zu einem so wichtigen Dienste im Heiligthume verfertigt wurden, sowohl ihrem Bau als ihrer Bestimmung nach die größte Aehnlichkeit mit den in den andern Ländern gefundenen aufzeigen und alle sich am besten gegenseitig erläutern. Diese Alterthümer, welche aus den tiefen Gräbern oder dem Schutte der Erde heute wieder ans Licht gezogen werden, können uns die althebräischen heiligen Kesselwagen zu erläutern dienen, da wir diese bis jetzt nur nach ihren alten Beschreibungen in der Bibel kennen; und umgekehrt besitzen wir über solche kleine Erzwagen nirgends so alte und so genaue Beschreibungen als in jenen biblischen Stellen, so daß auch von diesen aus sich ein helles Licht über jene verbreitet. Dazu ist dieses Zusammentreffen auch für die ganze alte Kunstgeschichte so lehrreich, da auch die sonst gefundenen Erzwagen dieser Art den salomonischen in keiner Weise nachgebildet sind. Ich veröffentlichte daher über diesen Gegenstand eine besondere Abhandlung, auf welche ich hier hinweise 1 ): sie enthält besonders eine neue Uebersetzung und Erklärung der Worte 1 Kön. 7, 27-39, mit ausführlicher Feststellung auch der rechten Lesarten. Später kam Lisch selbst auf den wichtigen Gegenstand in einer übersichtlichen Abhandlung 2 ) zurück, wo man alle diese Alterthümer
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näher beschrieben, auch die Abbildung eines solchen Wagens findet. Wenn der Vf. S. 26-28 hier auch die Hezeqielischen Bilder der viergestaltigen Kerube den vier Rädern der heiligen Kesselwagen gleich setzen will, so müssen wir eher auf die große Unähnlichkeit aufmerksam machen, welche sich hier zeigt. So gewiß Hezeqiel's Einbildung durch die altheiligen Kerube und sonstigen Tempelbilder angeregt war, sich diese Erscheinung Jahve's in seiner sich offenbarenden Hoheit gerade so zu denken, so geht doch eben diese seine Einbildung weit über jene wirklichen alterthümlichen Bilder hinaus, und man muß sich hüten, diese späten Gebilde des bloßen Geistes Hezeqiel's, welche er auch in seinen wirklichen Tempel aufzunehmen sich hütet, mit den ächtgeschichtlichen Bildern des alten salomonischen Tempels zu verwechseln oder sie in den Einzelnheiten diesen gleichzustellen."
Nachtrag zu Jahrb. XXV, S. 215.
Die in den Jahrbüchern XXV, S. 215 flgd gegebene Erklärung des bronzenenen Kesselwagens von Peccatel und die oben S. 150 mitgetheilte Entdeckung des völlig gleichen Wagens in Schonen werden die höchst merkwürdige Forschung über die ehernen Kesselwagen um einen guten Schritt weiter geführt haben. Um nun zu dieser höchst wichtigen Angelegenheit Alles zu liefern, was die Frage nur berühren kann, ist es nöthig, noch die von dem bekannten, jetzt verstorbenen englischen Sprach= und Alterthumsforscher Kemble in England vorgebrachten Ansichten mitzutheilen, welche mir erst jetzt nach seinem Tode bekannt und mir bei seinem Leben von ihm nicht mitgetheilt sind, obgleich ich mit ihm in gelehrtem Verkehr stand. Nach der ersten Versammlung der deutschen Geschichts= und Alterthumsforscher in Dresden 1852, welche auch Kemble besuchte, hielt sich derselbe im Herbst längere Zeit in Berlin und in Schwerin auf, um hier Studien in sicher verbürgten, reichen und geordneten Sammlungen des vaterländischen Alterthums der Heidenzeit zu machen. Am 13. Dec. 1855 hielt er in England einen Vortrag über die Bronzewagen: "On some remarkable sepulchral objects from Italy, Slyria "and Mecklenburgh, by John Mitchell Kemble" welcher in der British Archeologia XXXVI, p. 349-369 gedruckt ist. In dieser Vorlesung bringt er vorzüglich die in unsern Jahrbüchern oft und ausführlich behandelten Bronzewagen von Peccatel, Frankfurt a. O. und Judenburg mit ausführlicher
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Beschreibung zur Sprache und theilt Abbildungen derselben auf Pl. XXVI mit. Sein Hauptzweck ist, diese Sachen mit "ähnlichen" in Italien gefundene Sachen zu vergleichen.
Kemble geht von bestimmten vorgefaßten Meinungen aus und verrückt dadurch den wahren Standpunkt der Sache. Er schließt folgendermaßen. Der Wagen von Peccatel ist bestimmt, eine Bronzevase zu tragen; in den Rädern ähnlich sind die Wagen von Frankfurt, welcher keine Vase, sondern vogelähnliche Gestalten, und der Wagen von Judenburg, welcher Menschen= und Thierfiguren trägt. Kemble zieht nun allerlei italiänische Geräthe, welche Vogelgestalten tragen, aber keine Wagen sind, zur Vergleichung und will allein dadurch rückwärts Schlüsse auf den Wagen von Peccatel machen, läßt aber die Vase, von welcher er selbst doch ausgeht, ganz außer Rücksicht, obgleich diese doch die Hauptsache ist und allein und wesentlich zur Frage steht, wie er selbst sagt.
Kemble beschreibt nur nach unsern Mittheilungen die Wagen ausführlich, giebt aber zu ihrer Deutung nicht das geringste, so daß er für die Sache selbst eigentlich gar nichts thut. Dagegen geht durch die ganze Vorlesung der in England nicht seltene Ton wegwerfender Ueberhebung, in welchem er zuweilen Deutschland, Meklenburg und mich etwas achselzuckend zu bemitleiden scheint. Kemble sagt, wie es scheint, mit Seitenblicken auf die angeblich deutsche Vieltrinkerei, von dem Wagen von Peccatel: "Es ist klar, daß der Wagen bestimmt war, eine Vase zu tragen und zu fahren, ungefähr in der Art, wie jene Tafelwagen (dinier-waggons), die in den guten alten Zeiten bekannt waren, in welchen man es für nöthig hielt, die Trinkgefäße so leicht und rasch als möglich in die Runde zu befördern." Er macht ferner gegen die deutschen Forscher Front, indem er seine vorgefaßten Ansichten durchführt, und sagt S. 353, daß die "deutschen Alterthumsforscher in allen Dingen Opfergeräthe sehen, und so auch hier; Lisch bildet sich ein, daß der Wagen von Peccatel der Zeit angehört, welche er die Bronzezeit nennt; die Deutschen sehen in allen Bronzen aus Kegelgräbern die Ueberbleibsel des germanischen Volkes; germanisch soll nun einmal alles sein" u. s. w. Kemble will aber dergleichen "Bronzen lieber bei den Hetruskern, als bei den Germanen suchen" u. s. w. Kemble spricht sich am Schlusse (S. 366) ganz bestimmt aus: "Die Vase ist mehr hetruskisch, als deutsch. "Ich protestire gegen die Lehre meines Freundes Lisch, welcher in allen Kegelgräbern mit Bronzewaffen germanische Gräber sieht. Dies beruhet nach meiner Ansicht auf Irrthum, und
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heißt, deutscher Einbildung auf Kosten europäischer Geschichte ein Compliment machen. Die Vase ist mehr italiänisch, als deutsch; die germanische Bevölkerung hat nichts damit zu thun. Auch eine gälische Hypothese muß zugelassen werden(!)." In dieser Art ungefähr schließt er, um solche seltenen, sicher germanischen Kunstproducte, wie der Wagen von Peccatel ist, zu hetruskischen 1 ) Werken zu machen und der alten Bevölkerung Deutschlands das abzusprechen, was in ihren Gräbern in zahllosen Gegenständen gefunden wird.
Aber wir können ihm in keiner Weise beipflichten. Obgleich er immer behauptet, die Vase sei die Hauptsache, so führt er doch seinen Scheinbeweis durch Vermittelung des frankfurter Wagens nur durch die Vogelgestalten und läßt schließlich die Vase ganz außer Berücksichtigung. Wir haben nachzuweisen gesucht, daß die ehernen Kesselwagen, als phönizische Kunstwerke, auch vor dem Tempel Salomonis standen, und durch die Entdeckung des zweiten völlig gleichen Kesselwagens in Schonen ist es bewiesen, daß diese Geräte weit verbreitet waren. Durch viele entdeckte Fabrikstätten mit wenigstens eben so schönen Bronzen, als die Kesselwagen, und tausendfältige Analogien ist es außer allem Zweifel, daß die Bronzen in den deutschen und nordischen Gräbern im Lande verfertigt wurden. Sie gehören den Völkern an, in deren Ländern die