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XI.

Wendische Alterthümer.

Von

Dr. Robert Beltz.

~~~~~~~~~~~

E in gemeinsamer Grundzug beherrscht die Geschichte der slavischen Völker im Osten unseres Welttheils von ihrem ersten Auftreten bis zur Gegenwart: das ist der Kampf westlicher europäischer Kultur und asiatischer Barbarei, der auf slavischem Boden sich abspielt. Schon wo der Name Wenden zum ersten Male genannt wird, wird auch dieser Gegensatz erkannt; mit feiner Beobachtung skizzirt Tacitus die Zwischenstellung, welche die slavischen Stämme zwischen den Germanen und den dunklen rohen Nomadenschwärmen des äußersten Ostens, Finnen und Sarmaten, einnehmen: neben deutlichen Zügen der Stammes= und Kulturgemeinschaft mit den Germanen, unter denen er feste Wohnsitze hervorhebt, findet er eine Beeinflussung sarmatischer Barbarei in der Neigung zu räuberischem Umherschweifen und der allgemein herrschenden Unreinlichkeit. Auch die Kultur der Wenden an der Ostsee, des am weitesten nach Westen vorgeschobenen Postens des großen Slavenstammes steht unter dem Einflusse dieser Doppelströmung; und die Aufgabe des Alterthumsforschers, wenn er von "wendischen Alterthümern" spricht, ist es, nachzuweisen, wie diese verschiedenartigen Kulturbeziehungen auf dem betreffenden Gebiete sich geltend machen.

Und da kann es heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Wenden von ihrem ersten Erscheinen an in dem größten Gegensatze zu ihren germanischen Nachbarn sich befinden, daß von einer Uebernahme einer germanischen Kultur garnicht die Rede sein kann

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und daß erst allmählich die Uebertragung einzelner deutscher Produkte stattgefunden hat.

Der Stammesunterschied germanischer und slavischer Stämme hat sich in der Zeit des selbstständigen Wendenthums nicht ausgeglichen, sondern immer mehr verschärft bis zu jenem furchtbaren Nationalhasse, z. B. zwischen Sachsen und Wenden, welcher den Kämpfen auf unserem Boden seinen unversöhnlichen Charakter gegeben hat. Anderseits erscheinen die Wenden immer in engster Kulturbeziehung mit ihren slavischen Stammesverwandten, und trotz der sehr verschiedenartigen Geschichte der slavischen Stämme ist das Kulturbild derselben bis zu Ende fast ganz gleich.

So weisen auch in der älteren Zeit fast alle Handelsbeziehungen unserer Wenden in das östliche Europa, und die islamitische orientalische Kultur erstreckt ihren Einfluß bis in unsere Gegenden und über dieselben hinaus. Aus den ersten Jahrhunderten der wendischen Herrschaft ist bei uns, wie es scheint, nichts erhalten; das erste Licht kommt weit her; die ältesten sicheren Daten giebt erst der arabische Handel, der damals seinen glänzenden Aufschwung nahm. Die Wege dieses Handels lassen sich ziemlich genau verfolgen; von der Wolga bis nach Skandinavien sind zahlreiche Funde gleichen Charakters gemacht von arabischen Münzen und Schmuckgegenständen, meist absichtlich zerstört, sodaß diese sog. Hacksilberfunde als ein Import, der im wesentlichen den slavischen Stämmen ihr Werthmetall zuführte, gesichert sind. Der Weg ging vom kaspischen Meere erst die Wolga aufwärts zu der altberühmten Handelsstadt Bulgar, von der Ruinen noch heute bei Kasan vorhanden sind, wo arabische Händler die Producte der nordischen Völker in Empfang nahmen, und dann durch Rußland und Polen nach unserer Ostseeküste. Der Hauptstapelplatz der westlicheren Slaven muß Prag gewesen sein, mit welcher Stadt die baltischen Wenden auf dem Oderwege, der schon in der jüngeren Broncezeit an Stelle des uralten Bernsteinweges an der Elbe getreten ist, verkehrt haben mögen. Die ältesten hier gefundenen arabischen Münzen gehören noch dem siebenten Jahrhundert an, doch scheinen die ältesten datirbaren Funde einige aus dem Beginn des neunten Jahrhunderts, der Zeit Karl d. Großen, zu sein. 1 )


1) Z. B. Darß in Pommern: sassanidische, ommejadische und abbassidische Münzen von 617 bis 802, dabei ein Denar Karl d. Gr. (Kühne, Baltische Studien 27, 1877, S. 214). Rantrum in Schleswig: ommejadische und abbasidische Münzen, die ältesten von 744 - 752, die jüngsten von 802 bis 866. (Mestorf in den Mittheilungen der anthrop. Gesellschaft von Schleswig: Holstein 1888, S. 28).
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Der Handel hat zwei Jahrhunderte gedauert; die jüngsten arabischen Münzen 1 ) kommen dem Jahre 1000 nahe. Mit dem Beginn des elften Jahrhunderts zerstörte das Vordringen türkischer Horden den arabischen Einfluß in Rußland. 2 ) In diesem Handel sind die ersten Emporien an der Ostsee, die Vorläufer der Hansastädte, entstanden; und die älteste, die erwähnt wird, lag auf unserem Boden; von ihrem einheimischen Namen und ihrer Lage wird nichts berichtet; die Dänen nannten sie Rerik und bezeichneten nach ihr das ganze Obotritenvolk als Rereger; sie vermittelte den Handel mit den Dänen, welche aus den Zöllen große Einnahmen hatten, doch verwüstete sie deren König Gottfried schon im Jahre 808, 3 ) um sich an dem Obotritenfürsten Thrasiko für dessen Bündniß mit Karl d. Gr. zu rächen, und ließ in ihr 810 Thrasiko erschlagen; seitdem ist die Stadt verschwunden, ihr Handel ging auf Schleswig über, und ihre Stätte kennen wir nicht; doch ist die Wahl zwischen den möglichen Punkten an unserer Küste nur eine beschränkte, und die Wismarsche Bucht bietet die meiste Wahrscheinlichkeit. Wer weiß, ob nicht eine der Pfahlbauten, an denen die Gegend bei Wismar so reich ist, uns doch noch einmal den Nachlaß der ehrwürdigen verschollenen Ahnfrau


1) Simoitzel bei Kolberg: Münzen von 991, der Fund 1070 vergraben (Kühne, a. a O , S. 46).
2) Ueber Wege und Gegenstände des nordisch=baltischen Handelsverkehrs mit den Arabern hat neuerdings Dr. G. Jocob eine Reihe höchst bedeutungsvoller Untersuchungen nach arabischen Quellen veröffentlicht. S. besonders: "Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den nordisch=baltischen Ländern?" 2. Auflage. Berlin 1891.
3) Wigger, Meklenburgische Annalen bis zum Jahre 1066. Schwerin 1863. Godofredus priusquam reverteretur (nämlich von seinem Rachezuge durch das Obotritenland bis zur Elbe) destructo emporio, quod in Oceani litore constitutum lingua Danorum Reric dicebatur et magnam regno illius commoditatem vectigalium persolutione praestabat translatisque inde negotiatoribus soluta classe ad portum qui Sliesthorp (Schleswig) dicitur - venit. Annal. Lauresh. 808. Thrasco, dux Abodritorum in emporio Reric ab hominibus Godofredi interfectus est. Annal. Lauresh. 810. Ueber Namen, Wohnsitze u. s. w. der "Rereger" s. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 106 und 124; der Name Rereger kommt nur bei Adam von Bremen vor und wird dort als gleichbedeutend mit Obotriten bezeichnet; die Ableitung von dem dänischen Namen Reric liegt auf der Hand, und es ist nicht zu verwundern, wenn Adam, dessen Kenntniß wendischer Verhältnisse bekanntlich zum großen Theile auf mündlicher dänischer Tradition beruht. den dänischen Namen für den wendischen einsetzt ; seine Bemerkung: Obodriti qui nunc [gegen 1070] Reregi vocantur (2, 18. s. Wigger, Meklenburgische Annalen, S. 88) ist natürlich werthlos, da der Name Obotriten nachher wie vorher der allgemein gebräuchliche ist. Ich kann es demnach nicht für richtig halten, wenn Wigger a. a. O., S. 124 den Namen Rereger (für Obotriten im engeren Sinne) in die wendische Völkertafel einschiebt.
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der Hansa an das Tageslicht bringt? Wir wünschen für "Rerik", was unseren Nachbaren in Pommern für ihr Gebiet geglückt ist, denn dort ist es gelungen die Stätte des wendisch=arabischen Handels aufzudecken und archäologisch auszubeuten: das ist Julin, die allbekannte Jomsburg, die sagenverherrlichte Vineta, von deren Handelsblüthe im elften Jahrhundert der Bremer Domherr Adam, der schon genannte berühmte Geograph und Geschichtsschreiber dieser Zeit, eine so überschwängliche Schilderung giebt als der größten Stadt Europas, wo Griechen und Barbaren ihre Waren austauschten und alle Herrlichkeiten der Welt aufgespeichert lagen. Wir wissen heute, daß das jetzige Wollin die alte Jomsburg ist und können die Spuren dieses Handels in unseren Funden verfolgen.

Daß Jumne und Jomsburg skandinavische Namen für das wendische Julin, später Wollin, sind und der Name Vineta nur auf einem Lesefehler für Jumneta (wie Helmold Jumne latinisirt) beruht, kann nach den scharfsinnigen Untersuchungen von R. Klempin (Baltische Studien 13. S. 1 flgd.) nicht zweifelhaft sein. Neben der wendischen Stadt Julin lag die dänische Freibeuterfeste, die Jomsburg, deren romantische Geschichte gegen 950 (vergl. Giesebrecht, W. G. I, 210) beginnt, die aber ihr Ende, wie ich glaube, schon vor 1036 gefunden haben muß, denn nach diesem Jahre, dem Todesjahre Kanut des Großen, werden hier nur noch Slaven als Seeräuber genannt, und der von der nordischen Sagenpo?sie so hoch gefeierte Rachezug Magnus des Guten von 1043 gilt nur der slavischen Stadt (vgl. die Quellen bei Wigger, M. A. S. 71). Trotz dieser Kämpfe erscheint die Stadt einige Jahzehnte später in der berühmten Schilderung Adams (II, 18) als das Hauptemporium der Ostseeländer: Oddera, - in cujus ostio - nobilissima civitas Jumne celeberrimam praestat stationem Graecis et barbaris, qui sunt in circuitu. De cujus praeconio urbis, quia magna quaedam et vix credibilia recitantur, volupe arbitror pauca inserere digna relatu. Est sane maxima omnium quas Europe claudit civitatum, quam incolunt Slavi cum aliis gentibus, Graecis et barbaris. Nam et advenae Saxones parem cohabitandi legem acceperunt, si tamen christianitatis titulum ibi morantes non publicaverint. Omnes enim adhuc paganicis ritibus oberrant, ceterum moribus et hospitalitate nulla gens honestior aut benignior poterit inveniri. Urbs illa mercibus omnium septentrionalium nationium locuples, nihil non habet jucundi aut rari. Ibi est . . . . Ab illa civitate breviremigio trajicitur hinc ad Dyminem urbem, quae sita est in ostio Peanis fluvii (sic!), ubi et Rugi habitant; inde ad Sam-

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land. Iter ejus modi est, ut ab Hammaburc vel ab Albia flumine septimo die percurras ad Jumne civitatem per terram; nam per mare navem ingrederis ab Sliaswig vel Aldinburc, ut pervenias ad Jumne. Auf eine Kritik Adams einzugehen, ist hier nicht der Ort, es würde sich dieselbe Neigung zu rhetorischer Uebertreibung und unzeitigen klassischen Reminiscenzen, welche seine Rethraschilderung entstellt (s. Grotefend, Jahrb. 54, S. 180) auch hier nachweisen lassen. Doch wird dadurch das Wesentliche seiner Darstellung nicht berührt; für Meklenburg ergiebt sich aus Adam: 1) daß eine Seestadt an unserer Küste an dem Juliner Handel nicht theilgenommen hat; nach Demmin (welches Adam als Seestadt erscheint, ohne Zweifel weil bis dahin Schiffsverkehr möglich war) nennt er gleich Oldenburg und Schleswig; 2) daß mindestens eine Handelsstraße von Hamburg nach Julin durch Meklenburg führte; die Zahl der sieben Tagereisen stimmt zu den vier Tagereisen von Hamburg nach Rethra vollständig und ist meines Erachtens ganz unverdächtig; die Stationen mögen Ratzeburg, Schwerin, Malchow, Rethra (später Kloster Broda), Pasewalk, Stettin gewesen sein (vgl. Brückner, Jahrb. 55, S. 272 nach Virchow, Vhdl. der Berliner Gesellschaft für Ethnologie u. s. w. 1881, S. 272). - Daß auch von Demmin aus eine Straße durch Meklenburg geführt hat, ist längst urkundlich bekannt, ja, sie wird als via regia bezeichnet und ihre Stationen Dargon, Lucho, Lavena genannt (s. Wigger, Jahrb. 28, S. 27 Anm.); bei Dargun und Laage sind Burgwälle bekannt geworden, und es liegt die Vermuthung nahe, daß der weitere Gang der Straße durch den bekannten Burgwall von Werle gekennzeichnet wird; halbswegs zwischen Laage und Werle ist neuerdings eine wendische Ansiedelung auf einer Insel des Hohen=Sprenzer Sees bekannt geworden, welche sich diesem Gange vortrefflich anschließt und über welche unten berichtet werden soll; wird nun noch bei Lüchow (bei Alt=Kalen) ein wendischer Wohnplatz gefunden, so ist die Kette der Stationen der via regia durch das Circipaner= und Kizinerland geschlossen. Durch Funde ist keine der beiden Straßen bisher gesichert, doch will ich nicht unerwähnt lassen, daß der einzige größere Silberfund, den wir bisher haben, der von Schwaan, gerade in der Gegend gemacht ist, wo die vorausgesetzte Straße durch die wilzischen Länder in das Obotritengebiet eintritt. Ueber den weiteren Verlauf der Straße nach "Dobin" (über Bützow=Neukloster?) wird an anderer Stelle gesprochen werden. Nach Adam war also um die Mitte des elften Jahrhunderts Julin die Haupthandelsstadt der Ostseegegenden; es muß aber bald darauf ein Niedergang eingetreten sein, denn zur Zeit der Mission Ottos von Bamberg 1124 ist bereits

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Stettin die anerkannte Hauptstadt, neben der Julin aber immer noch die zweite Stelle einnimmt.

Das letzte Ziel dieser Handelsstraßen waren die skandinavischen Völker, welche damals den Weltmarkt versahen mit den Rohproducten des ganzen Nordens, besonders dem kostbaren Pelzwerk, und dafür außer Silber in Barren, Münzen und Schmucksachen, auch damascirte Klingen, ja selbst Harpunen ( Jacob, ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahrhundert über Fulda, Schleswig u. s. w.) wieder erhielten. Unter dem Einfluß dieser massenhaft zuströmenden orientalischen Sachen, besonders der Schmuckgegenstände, hat sich im Norden der wunderbare phantastische Stil der Vikingerzeit entwickelt, welcher eine Verschmelzung altgermanischer Ornamentmotive, besonders jener verschlungenen Drachen oder Schlangenbiber mit der orientalischen Technik, besonders dem Filigran ist und auf der Insel Gotland seine reichste Entfaltung gefunden hat, ja in der norwegischen nationalen Silberindustrie noch heute fortlebt.

Davon haben wir in unserem Lande nur wenig. Die Stellung der Wenden in diesem Handel war im Wesentlichen nur die der Zwischenhändler; von Rerik gingen die Waaren über Schleswig nach Jütland, von Julin über Bornholm nach Schonen. Was wir an Funden, welche mit diesem Handel zusammenhängen, haben, sind in erster Linie die Hacksilberfunde, welche schon oben kurz erwähnt sind. Von den Ländern an der Ostsee ist Pommern am reichsten daran, wohl begreiflich bei der Stellung von Julin. Durch die Zerstörung von Rerik wurde das Lutizer= und Obotritenland aus diesem Zwischenhandel herausgedrängt, und der Hauptverkehr zwischen Julin und Dänemark geschah direct über Schleswig; so kommt es, daß die Zahl der arabischen Silberfunde auf unserem Boden keine bedeutende ist. Der bei weitem wichtigste ist der große Fund von Schwaan. Hier, auf dem linken Warnowufer, dem berühmten Burgwall von Werle schräg gegenüber, wurde im Jahre 1859 eine Urne ausgepflügt, welche unter einem Granitblocke gestanden hatte und nicht weniger als 3240 Münzen enthielt, dazu eine Anzahl von Kopf= und Armringen, Breloques und Ohrgehängen, Silberbarren u. s. w., fast alles zerhackt. Die Ringe bestehen meist aus Silberdraht, welcher zu starken Ketten zusammengewunden ist, oft durchflochten mit dünnem Perldrath, die Ohrgehänge sind korbartig aus Filigran und gekörntem Silberblech, die Münzen sind nicht überwiegend arabische, sondern meist deutsche, und durch die Zusammenstellung der Münztypen läßt sich das Jahr, in welchem der Schatz geborgen sein muß, ziemlich genau bestimmen, es ergiebt sich die Zeit gegen 1030. Aus der Zusammensetzung des Fundes geht hervor, daß damals schon die

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deutschen Münzen, im Obotritenlande wenigstens, die arabischen verdrängen, daß aber bei der Münze noch nicht das Gepräge, sondern nur das Gewicht maßgebend war, denn von den 3240 Münzen sind nur 850 nicht zerschnitten oder zerhackt. Leider steht dieser Fund ziemlich allein. Wir haben nur noch einige kleinere Funde, von Remlm (bei Gnoien) und Schwerin mit allerliebsten kleinen Schmucksachen und entsprechenden Münzen. 1 )

Schmucksachen

Fragen wir nun aber nach dem Einflusse, welchen diese orientalischen Schmucksachen auf den Geschmack und die Industrie der Wenden oder der Slaven überhaupt ausgeübt haben, so ist davon nur wenig zu spüren. Von einer Weiterbildung nationaler Motive wie in Schweden kann nicht die Rede sein, da wir von wendischem Ornarmentstil an Schmuckgegenständen absolut nichts wissen, aber auch eine spontane Weiterbildung orientalischer Motive zeigt sich, wenigstens nach unserer Auffassung, nur an einem einzigen Typus, den wir als slavisch und zwar, wie es scheint, als Gemeingut aller uns bekannter Slavenstämme ansprechen müssen; das ist der sog. Schläfenring.


1) Ueber den Schwaaner Fund Lisch und Masch, Jahrb. 26, S. 241; über Remlin 10, S. 295. Schwerin 9, S. 388 und 49, S. 24. Den Schwaaner Fund als "Schatz Niklots" zu bezeichnen, wie es in popularisirender Darstellung wohl geschieht mit Beziehung darauf, daß Niklots Burg Werle, wo der Fürst bekanntlich 1160 fiel, bei Schwaan liegt, ist noch den Zeitverhältnissen nicht angängig; der Schatz ist hundert Jahre vor Niklots Zeiten geborgen. Will man ihn mit einem geschichtlichen Ereignisse zusammenbringen, so kann man an die Wendenzüge Kaiser Konrad II denken, der 1035 und 1036 gegen die Lutizer kriegte und acceptis obsidibus et innumerabili pecunia zurückkehrte (Wigger, Annalen S. 70).
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Der Name "Schläfenring" hat sich in der Alterthumsforschung für eine eigenartige Ringform eingebürgert, nämlich für Ringe, "an den Enden offen und an einem Ende stumpf geschlossen, am anderen Ende auf die Außenseite in einer doppelten Windung zurückgebogen" (Lisch, Jahrb. 29, S. 180). Nach dieser "S=förmigen Schlinge" findet man sie, besonders bei österreichischen Forschern, gelegentlich auch als "S=förmig endende Ringe" bezeichnet.

Schläfenring

Die große archäologische Bedeutung dieser Form besteht darin, daß sie eine specifisch slavische und neben den Töpfereiproducten das Haupt=Kriterium für slavische Funde geworden ist. In dieser Bedeutung hat sie schon 1863 unser Lisch erkannt (a. a. O.), der sie allerdings damals noch für Armbänder hielt. Das gesammte Material hat dann Sophus Müller, der bekannte dänische Alterthumsforscher, in einer klassisch gewordenen Abhandlung "Ueber slavische Schläfenringe" in "Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild" 1877, S. 189 behandelt. Seitdem hat natürlich die Zahl der Funde sich bedeutend gemehrt, doch ist man nicht wesentlich weiter gekommen. Von Müller stammt auch der Name, indem die Ringe meist bei Skeletten an beiden Seiten des Kopfes in der Schläfengegend gefunden werden. Die Ringe haben 1 1/2 bis 8 Centimeter Durchmesser und sind massiv oder hohl aus Bronce, Silber oder Gold oder aus Bronce mit Silber oder Gold überzogen. Die große Mehrzahl ist aus Bronce, goldene sind sehr selten. Man findet sie bis zu 8 Stück bei einem Skelett. Sie wurden an einem Riemen, der durch die Oese gezogen wurde, befestigt am Kopfe getragen, sicherlich ein eigenartiger Kopfschmuck; in einigen polnischen Funden ist der Riemen erhalten (vgl. Compte rendu du congrès de Stockholm 1876, S. 672). Ich vermuthe, daß sie auch als Schmuck der Mütze getragen wurden. Darauf weist eine Beobachtung in Böhmen (Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft 1886, S. 90), wo dieselben in einem Knäuel mit "Haaren zusammen gefunden wurde, "jedenfalls war diese Stelle des Kopfes vor der Verbrennung durch irgend eine Kopfbedeckung . . . . . . geschützt". Spitze Filz= oder Pelzmützen gehörten zur slavischen Tracht. Dieselben bildeten sogar einen beliebten Gegenstand des nordisch=arabischen Handels und waren im Orient im zehnten und elften Jahrhundert als "bulgarische Mützen" allgemein bekannt (G. Jacob, Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1891, S. 146), ja, in den wenigen Resten slavischer

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Bildnerei, die uns jetzt durch die sehr verdienstliche Abhandlung von M. Weigel "Bildwerke aus altslavischer Zeit" im "Archiv für Anthropologie" XXI, 1 näher gerückt sind, finden wir mehrmals diese konischen Mützen, so bei dem berühmten "Swantewit" von Altenkirchen auf Rügen, Fig. 10, und dem "Mönch von Bergen, Fig. 11. (Auch der spitze Kopf der Figur von Rosenberg in West=Preußen, Fig. 4, erklärt sich wohl am besten so, daß derselbe mit Mütze dargestellt sein soll.)

Was die Herkunft der "Schläfenringe" betrifft, so hat Lissauer in einem Vortrage auf der Anthropologen=Versammlung in Danzig (s. Correspondensblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1891, S. 138) zu begründen gesucht, daß dieselben ihre Entwickelung in der "Völkerwanderungszeit" auf österreich=ungarischem Boden gefunden und "von dort aus mit den vordringenden Slaven überallhin verbreitet seien, wohin diese vordrangen". Er beruft sich auf die Funde eines großen Gräberfeldes bei Keßthely in Ungarn (vgl. Archäologi Esercitö 1881, XIV, S. 121), welches dem fünften Jahrhundert, also der altgermanischen Zeit, angehört und wo verschiedene Varietäten einer Ringform (offene Ringe, das eine Ende mehr oder minder spitz, das andere zurückgebogen) auftreten, in der er das Urbild des Schläfenringes sieht. Ich kann mich dieser Begründung nicht anschließen. Der Umbiegung der Keßthelyer=Ringe fehlt (ebenso wie dem a. a. O. meines Erachtens fälschlich in den Formenkreis der Schläfenringe gezogenen noch viel älteren Ringe von St. Michael, Abb. 10) gerade das Wesentliche der Schläfenringe, die offene Oese, ohne die doch eine Befestigung als "Schläfenring" nur gezwungen denkbar ist; die Art der Endigung ist so verschiedenartig, daß man es offenbar mit Modelaunen zu thun hat und hier nur eine zufällige Aehnlichkeit vorliegt. Der älteste datirbare Fund mit Schläfenringen, denen ich den Namen zugestehen möchte, ist, soweit ich sehen kann, der von Lissauer a. a. O. angeführte von Sos Harthyan, welcher durch eine Goldmünze von Theodosius II. (408 bis 450) bestimmt wird (Archäologi Esercitö 1882, N. F. II, S. 144). Dieser Ring weist schon durch sein Material (Elektron!) seine orientalische Herkunft an, doch steht der Ring nach Form und Zeit allein. In Masse treten die Schläfenringe erst am Ende des ersten Jahrtausends auf und sind gleichzeitig mit den arabischen Schmuckgegenständen, die die slavischen Lande überschwemmten.

Demnach scheint es doch wahrscheinlicher die Entstehung der Form der Schläfenringe durch die arabischen oder wenigstens byzantinischen Handelsbeziehungen zu erklären. Lissauer bildet Fig. 2

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einen echten Schläfenring aus Ungarn ab, der aus dickem gedrehtem Golddraht mit Filigraneinlage besteht. Das ist genau die Technik zahlreicher Ringe aus Hacksilberfunden in ihrem ganzen Gebiete (für Meklenburg s. Jahrb. 9, S. 391 und 49, S. 25 den Fingerring von Schwerin), das ist doch unzweifelhaft ein Importgegenstand.

Schläfenring

Ferner ist die Aehnlichkeit der Umbiegung an arabischen Ringen z. B. bei beistehendem aus dem Silberfunde von Schwerin, Jahrb. 9, S. 390, doch eine frappante. 1 ) Auch stimmt der Zweck der Schläfenringe vortrefflich zu den andern arabischen Schmuckgegenständen, die ja zum großen Theil aus Hängeschmuck bestehen; und als solcher sind die Schläfenringe doch auch aufzufassen. Eine endgültige Entscheidung der Frage wird natürlich erst möglich sein, wenn sie von dem anderen Ende her angefaßt wird, das heißt die Erzeugnisse des älteren orientalischen Kunstgewerbes auf Herkunft und Charakter bestimmt sind, wozu bisher kaum der Anfang gemacht ist.

Wie dem aber auch sei, ob altgermanischen oder orientalischen Ursprungs, der Schläfenring ist zum specifisch slavischen Zierstück geworden 2 ) und selbstverständlich auch durch einheimische Arbeiter gefertigt und modificirt. Das Gesammtmaterial ist noch nicht hinreichend bekannt gemacht, um locale Unterschiede begründen zu können. Es scheint, daß die silbernen überwiegend dem Weichselgebiete angehören, die hohlen Bronceringe dem Gebiete der unteren Oder u. ä. (s. Lissauer in den Verhandlungen der Berliner anthrop.


1) Vgl. auch Zeitschrift für Ethnologie 1892, S. 460, einen Silberring aus einem russischen Funde.
2) Auf die Nothwendigkeit zwischen "arabischen" und wendischen Schläfenringen zu scheiden hat zuerst Virchow in der Berliner Zeitschrift für Ethnologie u. s. w. 1882, Verhandlung S. 448, hingewiesen.
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Gesellschaft 1892, S. 475.) Die große Masse derselben ist aus Bronce, zum Theil versilbert. Ist unsere Herleitung aus dem arabischen Handel richtig, so sind die letzteren minderwerthige Nachahmungen der silbernen Originale und es würde die zeitliche Reihenfolge der Typpen sein: 1. silberne massive; 2. a. silberne hohle, b. broncene mit Silberbelag, 3. a. broncene massive, b. broncene hohle; daneben solche aus Broncedraht.

Schläfenring

Wir geben beistehend ein Verzeichniß der in Schwerin aufbewahrten Schläfenringe.

Schläfenringe.

Schläfenringe
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Schläfenringe

1) Ein ähnliches Exemplar mit einer menschlichen Figur aus Horst bei Pyritz s. Lissauer a. a. O., Tafel 9, 4.

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Schläfenringe

Damit ist aber auch erschöpft, was wir über den Einfluß des slavischen Zwischenhandels nachweisen können. Von den Damascener=klingen, welche als viel begehrtes Gut der Vikinger ihren Weg durch unsere Slavenländer nahmen, ist keine hier erhalten geblieben. In keinem slavischen Grabe ist meines Wissens je eine Waffe gefunden. Daß aber das Schwert, am Ende der Wendenzeit wenigstens, die nationale Waffe gewesen ist, dafür genügt der Umstand, daß der Kriegsgötze der Rugier, der Rugiävit in Garz, acht Schwerter an der Seite und eins in der Hand trug und auch zu den heiligen Emblemen des Svantevit ein Schwert gehörte. Sonst ist uns über die Bewaffnung der Wenden wenig bekannt. 1 )


1) Doch ließe sich über die Bewaffnung der Wenden wohl aus den Geschichtsschreibern etwas mehr zusammenstellen als bisher geschehen ist. Der Abschnitt in Giesebrechts Wendischen Geschichten (I, S. 35) beruht zum größten Theile auf Schriftstellern, welche ohne persönliche Kenntniß des Volkes schreiben und denen gerade in den Ausschmückungen am wenigsten zu trauen ist (z. B. Martinus Gallus). "Gut bewaffnet mit Panzern, Helmen und Schwertern" nennt die Wenden schon Ibrahim 973. Die Götterbilder in Rethra hatten Helm und Panzer, über die Schwerter des Svantevit und Rugiävit s. Saxo Gramm. p. 822 (vgl. Beyer, Jahrb. 32, S. 124 und 126), den Schild erwähnt schon Tacitus und in Wolgast trug ihn der Gott (Ebo III, 8), dagegen wird die Lanze sehr selten genannt (als Göttersymbol in Julin bei Ebo, vita Ottonis III, 1) und die Axt, die alte germanische Nationalwaffe, welche die Sachsen noch in der Schlacht bei Hastings führten und welche bei den Dänen erst im elften Jahrhundert von dem Schwerte verdrängt zu sein scheint (die "Huskarle" Knut des Großen hatten bipennes mucronumque capuli deaurati, und in der großen Wendenschlacht bei Heidaby [Schleswig] 1043 kämpfte Magnus der Gute tenens manu bipennem ejus [sc. seines Vaters Olaf d. Hlg.] Helam dictam, quae et ibi confracta est (  ...  )
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Glaubten wir den Handel der Wenden mit den östlichen Völkern überwiegend als einen Durchgangshandel auffassen zu müssen, so sollte man als Korrelat gelegentlich auch Producte der hochentwickelten nordischen Kultur auf ihrem Boden erwarten; und die finden sich, wenn auch nicht gerade in Meklenburg, in der That. So wurde vor drei Jahren vor den Thoren von Berlin, bei Rosenthal ein wendischer Fund gemacht, bei dem ein nordischer Goldbracteat sich befand, der, wenn auch in rohester Ausprägung, eine Darstellung der ganzen Sigurdsage enthält, wie der Held den Drachen Fafner erschlagen hat, das Herz desselben brät und die Sprache der Vögel versteht. Der Bracteat gehört in das achte Jahrhundert, wird also in der frühesten Zeit des Silberhandels auf unseren Boden gelangt sein. 1 )


(  ...  ) et modo servatur in Nidrosiensi ecclesia. Quellen bei Wigger, M. A., S. 68 und 74) wird auffälliger Weise nie erwähnt, ja in der Schlacht bei Heidaby dem mit der Axt kämpfenden Magnus geradezu der strepitus ensium im Wendenheere gegenübergestellt. Ueber eine bei den Wenden gebräuchliche Schwerterform sind wir unterrichtet: es ist das lange zweischneidige Eisenschwert des frühen Mittelalters mit verhältnißmäßig kurzer starker Parirstange und mehr oder weniger dreieckigem Knauf, wie es aus deutschen Funden und Abbildungen bis in das elfte Jahrhundert (s. u. a. das Schwert Kaiser Heinrich II. in dem zwischen 1002 und 1014 geschriebenen Münchener Missale bei Essenwein, Kulturhistorischer Bilderatlas 35, 1, aber auch Mittheil. des anthrop. Vereins für Schleswig=Holstein 1888, Tafel 1 aus den Skelettgräbern von Immenstedt im Dithmarschen, die J. Mestorf mit gutem Grunde gegen das Jahr 900 verlegt) allbekannt ist. Dieselbe Form hat das berühmte nordische "Vikingerschwert". Wenn schon bei diesem ein Import der Klinge aus dem deutschen Reiche wahrscheinlich gemacht ist (A. L. Lorange, den yngre jernalders svaerd. Bergen 1889, Olshausen, Berliner Zeitschrift für Ethnologie u. s. w. 1890, S. 30; allerdings nicht ohne Widerspruch von anderer Seite), so gilt dasselbe natürlich noch mehr von den auf slavischem Boden gefundenen Schwertern. Dieselben sind selbstverständlich aus Deutschland eingeführt. Daß sie aber bei den baltischen Slaven zur nationalen Waffe geworden sind, beweist nichts besser, als daß selbst Götterbilder mit solchen Schwertern dargestellt wurden (s. bei M. Weigel, Bildwerke aus altslavischer Zeit die beiden Steinfiguren aus dem Kreise Rosenberg in West=Preußen, Fig. 1 und 6).
1) Ueber den Rosenthaler Goldbracteaten s. Friedel und Bartels in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie 1890, S. 518. Der Bracteat gehört einer künstlerischen Richtung in den skandinavischen Ländern an, welche sich in ihrer Entwickelung chronologisch ziemlich genau verfolgen läßt und in das fünfte bis achte Jahrhundert fällt; das besprochene Stück muß an das Ende dieser Periode gesetzt werden. Der nordische Ursprung desselben ist unzweifelhaft; und es sollte dasselbe darum nicht als eine Bestätigung der Behauptung, es müsse ein Bestand germanischer Bevölkerung unter den Wenden zurückgeblieben sein, in das Feld geführt werden. (Friedel, Protokolle der Generalversammlung der Geschichtsvereine in Schwerin 1890, S. 147). Ist unsere Auffassung richtig, daß das Exemplar auf dem Wege des baltischen Handels an seinen Ort gelangt ist, so repräsentirt es eine der (  ...  )
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Wir verlassen damit diese Seite der wendischen Handelsbeziehungen und sehen nach der anderen Richtung: wie war das friedliche Verhältniß zu den Deutschen über der Elbe? Auch hier beginnt unsere Geschichte mit Karl dem Großen. In jenes großartige handelspolitische System, durch welches der Kaiser die wirthschaftlichen Kräfte seines neugeschaffenen Reiches zu entfalten suchte, gehört auch die Anlage von Handelsplätzen an den Reichsgrenzen und die Regelung des Handelsverkehrs mit fremden Ländern. Für das norddeutsche Gebiet wurden Märkte in Bardowiek, einem früh untergegangenen oder doch zurückgedrängten Orte Schezla, Magdeburg und Erfurt errichtet und unter besondere Grafen gestellt; nur so weit durften die Händler vorgehen, und besondere Gesetze regelten die Ein= und Ausfuhr; die Ausfuhr von Waffen aus dem Frankenreiche wurde ausdrücklich verboten, doch haben wir schon oben gesehen, daß die Wenden sich deutscher Schwerter bedienten. 1 ) Von da an sind Bardowiek, später durch Lüneburg und Lübeck ersetzt, und Magdeburg, letzteres namentlich, seit Otto der Große diese seine Lieblingsschöpfung zum Ausgangspunkte aller auf die


(  ...  ) westlichsten Fundstellen desselben. 1882 gaben Friedländer und Virchow als westlichsten (vereinzelten) Fundort arabischer Münzen Paretz an der Havel, vertreten durch einen Fund von 973, an, und Friedländer vermuthete, daß der Handelsweg in dieser früheren Zeit weiter westlich gegangen sei als später; dazu würde der Rosenthaler Bracteat einen weiteren Beleg liefern.
1) Ueber Karls des Großen Handelspolitik s. von Inama=Sternegg, Deutsche Wirthschaftsgeschichte I, S. 436 f., bes. S 436. 805 und 806 bestimmte Karl de negotiatoribus, qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt quousque procedere cum suis negotiis debeant, id est partibus Saxoniae usque ad Bardaeovic, ubi praevideat Hredi et ad Schezla, ubi Wadalgandus praevideat; et ad Magadoburg praevideat Aito Et ad Erpesfurt praevideat Madalgaudus . . . . . . . Et ut arma et brunias non ducant ad venundandum . . . . . . . Die Lage von Schezla ist zweifelhaft; Giesebrecht (W. G. I. S. 24) vermuthet Scheeffel im Lüneburgischen, Wigger (Jahrb. 28, S. 28) denkt an die Gegend zwischen Hitzacker und Dahlenberg, wo ein Fluß Schetzell erwähnt wird, der heutige Cateminer Bach gegenüber Darchau bei Neuhaus. Die letzte Ansetzung, gewinnt an Wahrscheinlichkeit sehr dadurch, daß der Cateminer Bach (Schetzell=Schedesdal "Grenzbach") eine alte Völkergrenze zwischen Barden und Nord=Thüringen bildet (s. v. Hammerstein, Jahrb. 36, (S. 107 f. und Seelmann, Jahrb. des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 12, S. 22) und der Gebrauch der Fähre bei Darchau (targow wendisch = Marktplatz) seit ältester Zeit bezeugt ist. - Die negotiatores, von denen in dem Capitutar die Rede ist, sind doch wohl die ausländischen Kaufleute, denen das Betreten des fränkischen Reiches nur an bestimmten Stellen erlaubt war, nicht, wie Giesebrecht a. a. O. will, fränkische Kaufleute. Auch von dem französischen Boden suchte Karl auswärtige Konkurrenz frei zu halten (rex . . . praecepit, ut nemo de Brittannia . . . mercimomii causa litus oceani maris attingeret in Gallia. Von Inama=Sternegg, a. a. O., S. 435,).
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Germanisirung der Slavenländer zielenden Bestrebungen machte, die Ausfallsthore des Germanenthums in unsere Länder geworden, und dieser doppelte Strom der Germanisirung, der Bardowieker niedersächsische und der Magdeburger obersächsische ist erkennbar bis in unsere Tage, nicht nur im Rechte, sondern auch im Dialekte und, wie zu erwarten steht, auch im Volksbrauch und Volkssitte. Allerdings in der Periode, die uns hier beschäftigt, ist von diesem Einflusse noch wenig zu spüren. Die Zeit friedlichen Verkehrs an den Elbufern war nur eine kurze; bald traten an seine Stelle die erbitterten Racenkämpfe und wilden Raubzüge, welche die Uebertragung der rasch entwickelten deutschen Kultur unmöglich machten; es ist, als ob die Wenden mit bewußter Ablehnung sich Allem, was von dort zu ihnen drang, gegenübergestellt hätten; nichts ist so bezeichnend, als die Thatsache, daß erst die deutschen Kolonisten des zwölften Jahrhunderts den Steinbau, die Wassermühle und den schweren deutschen Pflug nach Meklenburg gebracht haben.

Erkennbar ist der deutsche Einfluß vom neunten bis zwölften Jahrhundert hauptsächlich im Münzwesen. Vereinzelt dringen schon Karolinger Münzen in die Ostseeländer, sie werden meist mit arabischem Silber zusammen gefunden und behandelt wie diese; erst im Laufe des zehnten Jahrhunderts, wo die arabischen Münzen allmählich verschwinden, kommen deutsche Münzen massenhaft in das Land, besonders die sog. "Wendenpfennige" und "Adelheidsmünzen"; und diese Münzen - das ist der wichtige Punkt in der Geschichte des Verkehrswesens unserer Länder - sind als Werthzeichen gebraucht; die Wendenlande treten damit doch in das Wirthschaftsgebiet des deutschen Reiches. Die Münzen werden nun allmählich nicht mehr zerhackt, sondern , wo man kleinere Werthzeichen haben will, in regelmäßige Theile zerschnitten. 1 ) Zahlreich sind die


1) Die für uns wichtigsten Münztypen dieser Zeit sind die bekannten "Wendenpfennige", Denare mit aufgebogenem Rande, und die "Adelheidsmünzen", Denare, welche die Namen Otto und Adelheid tragen. In den "Wendenpfennigen" sah man bisher, nachdem die Ungereimtheit der Annahme, daß es einheimisches wendisches Geld sei, von Dannenberg (Die deutschen Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiser, S. 488 flgd.) nachgewiesen war, Nachbildungen deutscher Münzen, welche für den Verkehr in den Wendenlanden in ostsächsischen Prägestätten geschlagen wurden; die "Adelheidsmünzen" setzte man in die Zeit von 991 bis 994, wo die Kaiserin Adelheid, die Gemahlin Otto I, die Vormundschaft für ihren Enkel Otto III. führte. Beide Annahmen sind falsch. J. Menadier hat nachgewiesen (Deutsche Münzen, Band I 1891, S. 86 flgd., bes. S. 196), 1) daß die Adelheidsmünzen bei ihrer Masse und ihren verschiedenen Typen nicht aus der kurzen angenommenen Zeit stammen können, daß sie vielmehr auf Otto I. und seine Gemahlin zurückgehen und seit dem Jahre 952 Magdeburg geschlagen sind, daß sich (  ...  )
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Münzfunde aus dem elften Jahrhundert, und neben ihrer eigenen Bedeutung haben sie für den Archäologen noch den Werth, daß sie eine völlig sichere Chronologie wenigstens für einen Industriezweig der Slaven gewähren, das ist das Gebiet der Töpferei. Sehr viele Funde sind in Urnen geborgen, und Technik und Form dieser Urnen geben ein untrügliches Bild von dem keramischen Geschmack und Können der Slaven zu der durch die Münzen gesicherten Zeit. Damit ist eins gewonnen. Scherben finden sich überall, wo Menschen gewohnt haben, und ist es erst gelungen, die Kriterien der slavischen Töpferei zu finden, so haben wir an den Scherben ein sicheres Mittel, den slavischen oder nicht slavischen Ursprung einer alten Kulturstätte, oder, wie man gewöhnlich noch sagt, "Burgwall", festzustellen. Das Verdienst, die slavische Keramik entdeckt zu haben, gebührt unserem Friedrich Lisch, der schon im Jahre 1847 den wendischen Gefäßtypus feststellte. Die Verwerthung der Entdeckung und ihre Ausdehnung auf das ganze slavische Gebiet ist das Verdienst von Rudolf Virchow. 1 ) Die Form der Wendengefäße ist


(  ...  ) der Typus aber noch in der Regierungszeit der anderen Ottonen gehalten hat; 2) daß die "Wendenpfennige" schon ihrem Typus nach vor den "Adelheidspfennigen" liegen müssen, also in der ersten Zeit der Regierung Otto I. oder auch schon von Heinrich I. geprägt sind und zwar als deutsche Münze, allerdings im äußersten Osten des Sachsenlandes, zunächst wohl in Merseburg. Mit dieser Datirung Menadiers stimmt die älteste Erwähnung gemünzten Geldes in den Ostseeländern überein. Diese findet sich bei Helmold I, 13, 10 - 13 in der summarischen Darstellung der Verhältnisse von etwa 967 - 988 debetur autem pontifici [dem Bischofe von Oldenburg] annuum de omni Wagirorum seu Obotritorum terra tributum, quod scilicet pro decima imputabatur, de quolibet aratro mensura grani et 40 resticuli lini et 12 nummi puri argenti, ad haec unus nummus pretium colligentis. (Wigger, M. A., S. 38) und Helmold I, 14, vor 988, wo der Obotritenfürst Billug den Bischof Wago zu einer Ablösung dieses Tributes zu bewegen weiß, est apud Obotritos pontificale tributum quod pro decima imputatur, de quolibet scilicet aratro . . . . . mensura grani et 40 lini et 12 nummi probatae monetae, praeterea unus nummus, qui debetur colligenti. (Wigger, M. A., S. 44.) 1020 - 1022 macht Bischof Benno wieder Ansprüche auf diesen Bischofszinz, Herzog Bernhard aber considerans non posse instaurari ecclesiatica jura secundum eam formam, quae fuerant tempore magni Ottonis petitione adhibita (bei dem Wagrischen und Obotritischen Herrn) vix obtinuit, ut de quolibet domo . . . . . duo nummi pontificalibus solverentur impensis (Helmold I, 18; Wigger, M. A., S. 62; Jahrb. 42, Anlage D, S. 35). - Erst um das Jahr 1200 ist im Lande selbst geprägt; schriftlose Bracteaten mit dem Stierkopf und ein Gepräge Niklots von Rostock beginnen die Reihe unserer Münzen.
1) Lisch beschrieb den "Burgwalltypus" in dem Jahrb. 12, S. 435; schon damals wies er auf die Bedeutung der Wellenlinie hin. Allerdings konnte er zu einem klaren Bilde nicht gelangen, weil er auch die große Masse der Urnen aus den Grabfeldern der älteren Eisenzeit für wendisch hielt, während wir heute wissen, daß diese sämmtlich vorwendisch sind.
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eine recht einfache; von einer breiten Grundfläche steigt die Wandung mit leichter Ausbauchung ohne markirten Bauchrand auf und zieht sich zu einer breiten Oeffnung zusammen; Henkel erscheinen fast nie, der Rand ist oft umgebogen und scharf profilirt; die Mehrzahl ist aus freier Hand geformt, doch ist bei vielen die Anwendung der Töpferscheibe unverkennbar. Der Eindruck dieser Gefäße ist durchgängig ein unscheinbarer; in jener vollen Formengebung, welche die Graburnen der älteren germanischen Eisenzeit kennzeichnet, spüren wir etwas von dem Schönheitssinn der klassischen Kulturvölker, aus deren Gebiete die alten Germanen ihre feineren Industriegegenstände bezogen; davon ist hier keine Spur, keine Verbindung führt von der altgermanischen zu der slavischen Periode hinüber; nichts ist leichter, als germanische und slavische Scherben zu unterscheiden, eine Thatsache, auf deren große Bedeutung für die Frage, ob die Wenden in ein menschenleeres Land eingerückt sind oder mit einem Residuum germanischen Stammes sich abfinden mußten, in diesem Zusammenhange nur hingewiesen werden mag. Neben der Form ist wesentlich dieVerzierung: Wellenlinien, mit einem kammartigen Instrumente unterhalb des Randes um das Gefäß herumlaufend, Horizontalriefeln (Kehlstreifen), welche den oberen Theil bedecken, eingedrückte Sterne, Quadrate u. s. w., gelegentlich auch ein kreuzähnliches Ornament erscheinen so gleichmäßig in allen Slavenländern, von Arcona bis in den Grotten von St. Canziano, daß man hier von einem nationalen Geschmacke, so wenig entwickelt er auch ist, sprechen muß. Hierbei ist man bisher im Wesentlichen stehen geblieben. Die Aufgabe der gegenwärtigen Forschung ist es, aus der Fülle des überkommenen Materials Merkmale der zeitlichen Entwickelung herauszufinden; es ist undenkbar, daß selbst ein so wenig entwickelungsfähiges Volk, wie wir die Wenden uns gewöhnlich vorstellen, sechs Jahrhunderte lang immer dieselben Thongefäße gemacht haben sollte, und wenn nicht, dann muß auch eine Entwickelungsgeschichte der wendischen Töpferei möglich sein. Sind wir aber erst einmal so weit, den Scherbenbestand eines Burgwalls oder etwas anderen wichtigen Punktes durch die Grenzlinien weniger Jahrzehnte zu umschreiben, so wissen wir auch, wann er spätestens gebaut und wann frühestens verlassen ist, und es eröffnet sich so die Aussicht, auf dem Wege archäologischer Methode ein Stück alter Landesgeschichte zu erhellen, in dem wir bisher fast ganz im Dunklen tappen. Damit ist allerdings bei uns in Meklenburg kaum der Anfang gemacht; es wollen sich für diese Seite landeskundlicher Forschung noch immer nicht hinreichend Mitarbeiter finden, und der Weg sich sein Bild der alten Zeit buchstäblich aus dem Schutt der Vorzeit zusammenzusetzen,

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erfordert eine Entsagung, die man nicht einmal bei jedem Alterthumsfreunde voraussetzen darf; und doch ist begreiflicherweise gerade hier eine Fülle von Beobachtungsmaterial von nöthen, ehe man zu Schlüssen berechtigt ist. Ein vorläufiges Bild versucht die folgende Zusammenstellung zu geben.

Die wendische Keramik.

Eine Geschichte der slavischen Keramik ist noch nicht geschrieben; es fehlt besonders noch an den Kriterien für die älteren Zeiten (ca. 500 - 1000). Doch können einige Punkte als sicher betrachtet werden, für deren Feststellung sich besonders neben Virchow H. Jentsch in Guben (Zeitschrift für Ethnologie: Prähistorische Alterthümer von Guben) und E. Friedel verdient gemacht haben. An das Ende der Wendenzeit (1000 - 1200) gehören die Gefäße mit härterem Brande, scharf umgebogenem Rande und den plastischen Zeichen auf den Böden, in denen Jentsch wohl mit Recht eine Art Fabrikmarke sieht. Die Decoration ist sorgsamer und gleichmäßiger als in der älteren Zeit; die Wellenlinie tritt zurück und erscheint einfach und flacher; die Kehlstreifen überwiegen und werden mit einem Instrumente hergestellt; häufig sind auch die Kerben, oft auf dem Rande oder einer umlaufenden wulstartigen Erhöhung. Münzfunde aus dem elften Jahrhundert 1 ) (s. o.) und Skelettgräberfunde, die durch ihre Beigaben oder Anlage christlichen Charakter aufweisen, z. B. der von Sobrigau bei Prillwitz, dem durch ein auf einer Steinplatte befindliches Kreuz seine Stellung in der frühchristlichen Zeit der Wenden gesichert ist (s. Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1889, S. 596), geben diese Datirung. Die Urne von Sobrigau beweist aber auch, daß die längst bekannte Drehscheibe durchaus nicht immer angewendet ist. Auch ist es unzweifelhaft, daß die höheren schlankeren Töpfe erst dieser Zeit angehören. Das in Meklenburg gesammelte Material reicht leider noch nicht aus, eine zeitliche Scheidung unserer Burgwälle aufzustellen; nur von dem von Teterow läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß er erst der letzten Periode angehört; wahrscheinlich ist es auch für Dobin.

Der Meklenburgische Boden hat wenigstens ein bedeutungsvolles Gefäß aus dieser Zeit geliefert, die bekannte, umstehend nach Jahrb. 26, S. 243 abgebildete Münzurne von Schwaan. Dieselbe ist besonders dadurch interessant, daß sie neben unverkennbaren slavischen Zügen wesentliche Abweichungen von der Masse der sonst bekannten zeigt.


1) S. A. Voß in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie 1882, (S. 407.
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wendische Keramik

Sie gleicht denselben in Beziehung auf ihre Form (breite Grundfläche, allmähliche Ausbauchung, kein Bauchrand) und ihre Ornamente (Wellenlinien, Horizontallinien, schräge Kerben); sie unterscheidet sich durch ihre Technik (feine Thonmischung, dünne Wände, glänzend schwarze Oberfläche), durch die Behandlung der Ornamente (dieselben sind gleichmäßiger und besser

vertheilt auch ganz flach gehalten), durch den scharf profilirten Henkel und (von den späteren Slavengefäßen wenigstens) durch das Fehlen eines besonderen Randes. Eine Erklärung für diese Besonderheiten vermag ich nur darin zu sehen, daß es sich hier um ein für einen besonderen Zweck besonders sorgsam hergestelltes Exemplar handelt. 1 )

Wenn wir also über die letzte Gestalt der slavischen Töpferei auf unserem Boden aufgeklärt sind, so steht es mit dem Beginn um so schlimmer. Mir ist kein norddeutscher Fund bekannt, wo wendische und altgermanische Töpferei sich berührte und ein Uebergang nachzuweisen wäre; Versuche eines solchen Nachweises sind gemacht, aber mißlungen. 2 ) Bei uns erscheint die slavische Keramik als etwas durchaus


1) Das Schwaaner Gefäß wurde auf der Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine in Schwerin (1890) zur Diskussion gestellt und sein wendischer Ursprung bezweifelt (s. Friedel in den Protokollen S. 130). Die altgermanischen Gefäße, an die erinnern soll, können nur die "sächsischen Urnen" der Elbgegend sein, wie sie besonders bei Stade ausgegraben sind und welche die jüngste Entwickelung der Urnenfelderzeit überhaupt repräsentiren; sie reichen bis gegen 500 (s. Undset, das erste Auftreten des Eisens, S. 296. Rautenberg, Jahrb. der wissenschaftlichen Anstalten in Hamburg II, S. 178). Gegen diese Parallelisirung ist zu sagen: Die Aehnlichkeit beschränkt sich auf die Technik; ein Blick auf die Abbildungen a. a. O. zeigt die Grundverschiedenheit der Form (eingezogener enger Hals) und der Verzierung (plastische Ornamente). Auch ist es eine unmögliche Annahme, daß ein germanisches Gefäß, welches spätestens im Jahre 500 hergestellt ist, im Jahre 1030 zur Verwahrung eines Schatzes auf wendischem Boden gebraucht sein sollte.
2) Da man sich, hauptsächlich auf Virchows Autorität hin, immer wieder auf den "Berührungsfund" von Wachlin in Pommern beruft, so neuerdings noch Platner im Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen (  ...  )
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neues. Anders scheint es weiter südlich, sowie in Oesterreich zu sein, wo zum Theil die römische Kultur von den Slaven abgelöst wurde. E. Friedel hat auf Leichenurnen eines römischen Grabfeldes im Salzburgischen hingewiesen, die in Form und Verzierung fast identisch mit den norddeutschen wendischen Gefäßen sind. (Protokolle der Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine in Metz 1889, S. 80). Hier erscheint auch die Wellenlinie; das jedenfalls ist klar, daß die Slaven dieses für sie später so charakteristische Ornament direct oder indirect von den Römern übernommen haben, welche es schon seit Jahrhunderten anwandten, 1 ) und ebenso bedarf es keines weiteren Nachweises, daß diese Berührung zwischen Romanen und Slaven im Gebiete des heutigen Oestreich stattgefunden haben muß. Dort könnte man auch die Quellen unserer wendischen Keramik vermuthen; welche Grundzüge derselben die Wenden aber in ihre späteren Sitze schon mitgebracht haben und welche später durch Verkehr mit den Nachbarvölkern dazu gekommen sind, oder welche sie eigenthümlich entwickelt haben, das bleibt noch zu untersuchen.

Denn anderseits bestehen unzweifelhafte Analogien zwischen der wendischen Töpferarbeit und der fränkischen, wie sie in den westdeutschen Reihengräbern des fünften bis achten Jahrhunderts in reicher Entfaltung erscheint. Ein Gefäß, wie das in Lindenschmits Alterthümern u. h. V. I, Heft 4, 5, Fig. 1 abgebildete aus dem bekannten Reihengräberfelde von Selzen würde, auf wendischem Boden gefunden, niemand befremden; die Form des ebenda Fig. 6 abgebildeten ist identisch mit einigen unzweifelhaft wendischen Urnen; die Verzierung durch Stempeleindrücke ist dieselbe: der scharfe Bauchrand, den die meisten fränkischen Gefäße haben, kommt doch auch an den wendischen Gefäßen gelegentlich vor (s. u.); die Henkellosigkeit ist ein gemeinsames Kennzeichen. Daß demnach eine Beeinflussung der Wenden durch fränkische Töpferarbeiten anzunehmen ist, halte ich für erwiesen; in einem märkischen Funde ist auch ein directer Import fränkischer Töpferwaaren vermuthet (s. E. Friedel im Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine 1888, S. 1).


(  ...  ) Gesellschaft. 1893, S. 31 so sei hier ausdrücklich hervorgehoben, wie schon Voß bei Besprechung desselben in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie 1882, S. 407 andeutete, daß die Wachliner Urnen der jüngsten slavischen Keramik angehören.
1) Ein Beispiel für viele: Lindenschmit, Alterth. u. heidn. Vorzeit III, 6, 4, Fig. 8, mit einer Wellenlinie, die ganz gleich der auf dem Schwaaner Gefäße ist.
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Thatsache, daß vor dem Eindringen der Wenden die Herrschaft der Merowinger etwa 60 Jahre (531 - 595) bis zur Ostsee ging (s. den interessanten Brief des Königs Theodebert an Kaiser Justinian vom Jahre 534 oder 535, abgedruckt und erläutert bei Seelmann im Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung XII (1887) S. 56, und Bangert im Jahresbericht des Realprogymnasiums in Oldesloe 1893, S. 11).

Wir haben auf Meklenburgischem Boden Zeugnisse dieser Beeinflussung, z. B. in einem Grabfelde bei Hagenow (am Prahmerberge), dessen Reste Verfasser während des Druckes dieser Zeilen untersucht hat wo neben Urnen mit Fibeln vom älteren Reihengräbertypus Bestattungen ganz im fränkischen Charakter auftraten und in dem (etwas älteren) Urnenfelde von Pritzier (J. VIII, B S. 58). Hier fanden sich neben Scheibenfibeln, Schnallen, Schlüsseln in Charakter der Reihengräberfunde, Urnen von großer Aehnlichkeit, deren eine das Ornament der Wellenlinie hat. Da haben wir also dieses wendische Ornament auf wendischem Boden in vorwendischer Zeit; in die fränkische Keramik ist es natürlich aus der römischen übergegangen, mit dieser, wahrscheinlich durch Nord=Thüringen, zu uns; dem alt=sächsischen Gebiete blieb es wohl fremd. Doch ist anzunehmen, daß die vorwendische Wellenlinie hier eine vereinzelte Erscheinung geblieben ist und die Wenden sie von der alten Bevölkerung schwerlich übernommen haben. Ob sie aber aus der römischen Keramik direct stammt, in welchem Falle die Wenden sie bei ihrer Einwanderung mitgebracht haben, oder später von den Franken übernommen ist, das ist noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Eine Scheidung der älteren slavischen keramischen Reste nach Zeit und nach den Völkerschaften ist bisher noch nicht erreicht.

Ueber die Form der wendischen Gefäße im Allgemeinen mag neben dem Schwaaner Gefäß das beistehend nach Jahrb. 12, S. 437 wieder abgebildete von Bobzin bei Lübz, ein allerdings besonders plumpes Stück, orientiren. Eine treffende Charakteristik der wendischen Poterie, die, wenn sie auch zunächst nur die Fundstücke eines hervorragenden Fundplatzes behandelt, doch allgemeine Bedeutung hat, giebt H. Jentsch in den "Prähistorischen Alterthümern von Guben", Heft 4 (1889), S. 12.

wendische Keramik

Gut erhaltene wendische Gefäße sind ziemlich selten. Es befinden sich in den Schweriner Sammlungen nur fünf Stücke, nämlich:

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1) Das abgebildete Gefäß von Bobzin bei Lübz, ein sehr unregelmäßig gearbeiteter plumper Topf von 10 cm Höhe, 11 cm Durchmesser an der Oeffnung, 9 1/2 cm Durchmesser des Bodens; mit scharf abschneidendem geraden Rande, unter dem zwei flüchtig eingeritzte Wellenlinien; auf dem Boden eine kleine Vertiefung, wie mit dem Finger eingedruckt. (Vgl. Jahrb. I B, S. 14.)

2) Ein bei dem Bau der Wismar=Karower Bahn zwischen Warin und Brüel gefundenes Gefäß; dasselbe wurde vom Herrn Commerzienrath Lenz 1889 freundlichst der Großherzoglichen Sammlung übersandt (Katalog=Nummer TIA Ia 28). Höhe: 15 cm; oberer Durchmesser: 17 cm; unterer Durchmesser: 10 cm; größter Umfang: 50 cm (8 cm von oben). Von dem derben Boden steigt die Wand ziemlich gerade an und biegt sich zu einer flachen Wölbung aus; der Rand biegt sich ganz schwach nach außen; die Farbe ist schmutzigbraun. Unter dem Rande laufen, mit einem zweizinkigen Geräth gezogen, eine Horizontallinie, zwei Wellenlinien und wieder eine Horizontallinie; zwischen den Wellenlinien mit einem Stempel eingedrückte kleine Kreise mit erhabenen Speichen, wie beistehende Abbildung.

wendische Keramik

Gearbeitet aus freier Hand, schwacher Brand. Abb. 10. 1/1.

3) Die oben besprochene Münzurne von Schwaan.

4) Ein Gefäß, welches bei Waren in der Müritz gefunden ist; nur halb erhalten; (erworben 1867, Kat.=Nr. TI Al A Aa 1). Höhe: 12 cm; oberer Durchmesser: ca. 12 cm; unterer: 9 cm; größter Umfang (6 cm von oben): 48 cm. Der Rand biegt sich leicht um; die Kehlstreifen sind flach und unregelmäßig; auf dem Boden erhaben eine Art Doppelkreuz mit spitzen Enden, Graubraune Farbe, harter Brand, dünne Wände, Drehscheibenarbeit; vergl. die nebenstehenden Abb. 11 -u. 12.

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5) Ein sehr schönes Gefäß von Rehna, erworben aus der Sammlung von Rantzau 1871 (Katalog=Nr. T I A 1 a y 25). Dasselbe ist höher und schlanker als die andern, verziert mit regelmäßigen Kehlstrichen und Schrägkerben, der Rand leicht umgebogen; auf dem Boden concentrische Kreise leicht erhöht. Farbe:

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hell braunroth. Höhe: 7 1/2 cm; oberer Durchmesser: 7 1/2 cm; unterer: 8 cm; größter Umfang (5 cm von oben): 65 cm. Der Brand ist scharf und gleichmäßig, die Drehscheibenarbeit unverkennbar.

Daß die Gefäße von Waren und Rehna der letzten Periode angehören, ist unzweifelhaft; die von Bobzin und Warin haben genau den Charakter der großen Masse der Burgwallscherben; die Reihenfolge unserer Aufzählung wird wohl dem zeitlichen Verhältniß der fünf Gefäße entsprechen.

Mit Hülfe dieser erhaltenen Gefäße können wir uns aus den Scherben, welche die wendischen Ansiedlungen in unzählbarer Menge zu Tage fördern, ein Bild der wendischen Gefäßformen machen, und ich zähle im Folgenden die wichtigsten Züge auf, wobei allerdings stets festzuhalten ist, daß das zu Grunde gelegte Material im Verhältniß zu der Masse des Vorhandenen ein sehr geringfügiges ist.

Der Boden hat 8 bis 10 cm Durchmesser und ist meist dem Körper des Gefäßes so angefügt, daß seine Ränder an diesem durch Andrücken befestigt sind; so entsteht eine schmale Verbreiterung an der Standfläche. Oft ist die untere Seite des Bodens mit einem hervortretenden Zeichen versehen. Die Beispiele dafür aus Meklenburg sind folgende: vier concentrische Kreise, leicht erhöht (vom Burgwall von Teterow, s. Abbildung 13, ähnlich an dem Gefäße von Rehna, s. o.); Rad mit Speichen, ebenfalls nur leicht erhöht (vom Burgwall von Alt=Bukow, s. Abbildung 14); Stern (vom Pfahlbau von Dudinghausen); Stern mit Kreuz (vom Wohnplatz von Neukloster, s. Abbildung 15); Kreis mit Stern (Finkenthal); Doppelkreuz mit spitzen Enden (Gefäß von Waren, s. Abbildung 12).

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Alle diese Gefäße sind hart gebrannt, dünnwandig, meist gleichmäßig grau; außerdem finden sich stark vertiefte Kreise (auf den Burgwällen von Gaartz, Meklenburg, Moltzow und Neu=Nieköhr) und ein flacherer Kreis (auf dem Burgwall Gotebant bei Mölln).

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Die Wandung weitet sich allmählich und ist nur wenig gewölbt; nur selten ist es, daß die Seitenfläche gebrochen wird und ein scharfer Bauchrand entsteht. In diesem Falle bekommt, wie schon oben bemerkt, das Gefäß ein Aussehen, welches ungemein an die bekannten süd= und westdeutschen Reihengräberformen (den "merowingischen" Typus Lindenschmits) erinnert; vgl. z. B. die Tafel 35 in Lindenschmits Alterthumskunde, Band I.

Ein Hals fehlt; oben schließt die Wand entweder glatt ab oder biegt sich ein wenig nach außen - dies ist die bei Weitem häufigste Form - oder endet in einem scharf nach außen gebogenen und kräftig profilirten Rande; letzteres wird dem Ende der Periode zu immer häufiger; in einigen Fällen ist der Rand mit Tupfen, Kerben oder Strichen, wie in beistehender Abbildung (vom Burgwall Werle), in einem (Burgwall von Gr.=Woltersdorf) mit der Wellenlinie verziert.

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Die Farbe ist überwiegend schmutziggrau; fast nur in den Grabfeldern findet sich rothbraun und braun; die glänzend schwarze Schwaaner Urne steht ganz allein; erst am Ende wird die Farbe gleichmäßiger, und es kommen röthliche, selbst gelbe Nuancen vor.

Von besonderer Bedeutung ist die Decoration. Die Verzierungen pflegen zwischen dem Rande und der größten Ausweitung angebracht zu sein. Sie sind mit einem Stäbchen oder einem mehrzinkigen kammartigen Geräth gezogen oder eingestochen oder mit einem Stempel eingedrückt; Kerben scheinen oft mit den Fingernägeln hergestellt zu sein. Wir unterscheiden:

1) die Wellenlinie, die häufigste Verzierungsart, und zwar die einfache oder, was häufiger, mehrfache, in allen Variationen von der flachsten bis zur schärfsten Curve. Am Ende der Periode überwiegt die einfache Wellenlinie, flacher, niedriger und gleichmäßiger gehalten als früher. Die nachstehenden Abbildungen 17 bis 20 stellen die häufigsten Formen dar. Die Beobachtung von Jentsch, daß die

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Linien von rechts nach links gezogen sind, habe ich auch bei uns theilweise bestätigt gefunden. Sehr selten ist es, daß die Wellenlinien vertikal gehen, doch haben wir Beispiele von den Burgwällen von Schwerin, Meklenburg und Werle (s. beistehende Abbildung).

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2) Dreiecke und Gitter, nie aus einfachen Linien bestehend, sondern gewöhnlich mit einem mehrzinkigen Instrument hergestellt; einmal ist eine Wellenlinie als Gitter behandelt; auch werden punktartige und kleine quadratische Eindrücke zu entsprechenden Mustern verbunden. Als Beispiele siehe untenstehenden Abbildungen 22 bis 26.

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3) Fischgräten (oder Tannennadel)=Muster; gewöhnlich gebildet aus tiefen kerbenartigen Eindrücken; seltener mit einem spitzen vierzinkigen Instrument eingestochen (s. nebenstehende Abbildung 27).

wendische Keramik

4) Kerben und Tupfen; am häufigsten kleine starke Schrägkerben, um die Wandung herumlaufend (vergleiche das Schwaaner Gefäß); oft kombinirt mit Kehlstreifen, besonders in der letzten Periode (Gefäß von Rehna, vgl. die Abbildung 28 aus Moltzow), doch kommen auch Längskerben, feine Vertikal= und Schräglinien aus Kerben oder Tupfen vor.

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5) Flache Furchen, besonders Kehlstreifen; neben der Wellenlinie die häufigste Verzierung; es sind meist schlichte Furchen, die in größerer oder geringerer Entfernung das Gefäß umziehen, oft kombinirt mit den anderen Mustern; in späterer Zeit werden sie gleichmäßiger und enger und scheinen durch ein entsprechend eingekerbtes Holz= oder Knochenstück hergestellt zu sein. Die vertikale Stellung ist ebenso selten wie bei der Wellenlinie (vergl. die nebenstehende Abbild. 29 aus Friedrichsruhe).

wendische Keramik

6) Stempeleindrücke, die, meist zu Reihen geordnet, das Gefäß umziehen. Wir haben folgende Beispiele:

a. kleine Kreise mit hervortretenden Diagonalen, und zwar kreuzförmige (Abbildung 10) auf den Burgwällen von Alt=Bukow, Gaartz und Meklenburg und an dem Gefäße von Warin; b. kleine Kreise mit sternförmigen Diagonalen

(Abb. 30), z. B. auf den Burgwällen von Meklenburg und Werle) oder gitterförmigen (z. B. in Meklenburg), b. einfache ringförmige Eindrücke (Abb. 31, z. B. in Friedrichsruhe, Meklenburg und Werle),

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c. kleine Quadrate. meist schräg liegend, z. B. auf dem Burgwall von Laage, nebenbei abgebildet (32); dieselben sind oft durch sich schneidende Stege gemustert (z. B. in Friedrichsruhe, Abbildung 33, und Gaartz, Abbildung 34).

Wenn auch alle diese Stempelformen sehr einfach sind, so ist doch zu bemerken, daß sie faft ganz gleich und in gleicher Anordnung, allerdings in ungleich geschmackvollerer Einzelausführung auf den schon oben herangezogenen Reihengräbergefäßen auftreten.

7) Erhöhte Horizontallinien (Wulste) werden auf dem Bauchrande oder unter dem Rande angebracht, aber selten und, wie es scheint, erst gegen das Ende hin; gewöhnlich sind sie dann mit Schrägkerben verziert (vergl. oben Abbildung 28).

Henkel sind außer an dem Schwaaner Topfe bei uns nie beobachtet und auch sonst fast ganz unbekannt.

Zu der Keramik gehören auch die Spindelsteine. Die gewöhnliche Form derselben in wendischen Funden giebt die Abbildung 35 (Packbau von Dudinghausen). Sie unterscheiden sich durch ihre allseitige scharfe Profilirung sowohl von denen der früheren Eisenzeit als auch den mittelalterlichen; ihre Farbe ist meist grau;

wir haben ähnliche von Burgwällen von Gaartz, Neu=Kloster, Neu=Nieköhr und Werle, und aus Brandgruben von Finkenthal. Daß aber

wendische Keramik
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auch rundliche Formen vorkommen, zeigt ein Exemplar von Ilow (nebenbei abgebildet Nr. 36) und ein ganz runder aus Zehlendorf (siehe unten). Nach Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft (Bd. 23, S. 7 und 12) scheint diese Form auf den böhmischen Burgwällen die häufigste zu sein.

wendische Keramik

Für die Beziehungen, die zwischen wendischer und fränkischer Keramik bestehen, ist ein weiterer Beweis, daß Spindelsteine ganz gleich dem von Dudinghausen in westdeutschen Reihengräbern sich finden, z. B. in dem von Osthofen (Museum in Mainz).

An der Hand der so gewonnenen Erkenntniß wenigstens eines sicheren wendischen Kriteriums ist es Lisch gelungen, eine ganze Reihe wichtiger Punkte in Meklenburg festzustellen. Fast alle Burgwälle, die in unserer ältesten Landesgeschichte von Bedeutung sind, sind heute nachgewiesen. Bei uns hat man sich bisher im Wesentlichen mit dem Nachweise des wendischen Ursprungs begnügt. Mit einer archäologischen Erforschung der Burgwälle ist kaum der Anfang gemacht; hat man doch bisher nicht einmal auf die Lagerung der Funde in den einzelnen Schichten geachtet; es harrt hier der heimischen Alterthumskunde noch eine große und dankbare Aufgabe. Ich verzichte unter diesen Umständen auf eine Aufzählung der gewonnenen Resultate und verweise auf R. Behla, die vorgeschichtlichen Rundwälle im östlichen Deutschland, Berlin 1888, wo S. 98 ein Ueberblick über die Meklenburgischen Wälle gegeben ist. Allerdings ist dabei zu bemerken, daß einerseits dem Ausdrucke "Burgwall" früher entschieden eine zu weite Ausdehnung gegeben wurde, indem auch wendische Anlagen, wo keine Spur von Befestigungswällen nachweisbar ist, zu den Burgwällen gezählt wurden, anderseits seitdem eine ganze Anzahl neuer Wälle erkannt worden sind. Nur ein Wall, auf den in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit neu gelenkt ist, sei hier besprochen, sowie einige neuerdings bekannt gewordene wendische Ansiedelungen aus dem östlichen Theile des Landes, dem Gebiete der Wilzen, die bisher nur referirend behandelt sind. 1 )

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1) Ansiedelung im Hohen=Sprenzer See.
(Katalog=Nummer der Großherzoglichen Alterthümersammlung E 335 - 340.)

In dem Hohen=Sprenzer See liegt am westlichen Ufer, 100 Meter vom festen Lande entfernt, eine kleine zu Dudinghausen


1) Vgl. Quartalberichte des Vereins 1890, October und 1891, April.
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gehörende Insel von ca. 50 □Meter Umfang, auf kaum 1 Meter über den Wasserspiegel sich erhebend. Hier befindet sich eine alte Ansiedelung aus wendischer Zeit, welche Herr Pastor Beyer in Laage bekannt gemacht und mit entgegenkommendster Unterstützung des Besitzers, Herrn Major von Viereck auf Dudinghausen, im Herbst 1890 untersucht hat. Es ging daraus hervor, daß hier eine seichte Stelle im Wasser, gebildet durch einen stark sandigen Thonstreifen, benutzt war, um einen Pfahl= oder Packbau zu errichten, dessen Stelle jetzt als sumpfige Insel mit ca. 30 cm tiefer schwarzer Humuserde das Niveau des Wassers überragt. Eichene Stämme, die bei klarem Wetter am Rande der Insel sichtbar sind, bilden den äußeren Schutz, während die Festigung des Innern durch Faschinenwerk, Steine u. s. w. hergestellt war. Auch von Balken innerhalb der Insel wird berichtet. In der Humusschicht fanden sich außerordentlich zahlreiche Kulturreste; darunter:

1) Thierknochen, meist zerschlagen, in größter Menge.

2) Von Eisen: der Rest einer großen Scheere und ein Messer von der als wendisch bekannten Form (s. unten).

3) Zahllose Scherben, alles Drehscheibenarbeit, feine Mischung und ziemlich harter Brand. Dieselben stammen von Gefäßen mit eingebogener Standfläche, leichter Ausbauchung der Wandung und geringer, aber stark profilirter Ausbiegung des Randes. Die Verzierungen sind: a. Wellenlinien, z. Th. mit Hohlkehlen zusammen; b. Hohlkehlen, regelmäßig, z. Th. den ganzen Gefäßkörper bedeckend; c. Reihen von kleinen Fingereindrücken und Kerben. Auf einem Boden war eine sternförmige Erhöhung. Der Allgemeincharakter ist der der jüngeren Keramik.

4) Ein hübscher Spindelstein (abgebildet oben Seite 200 als Figur 35).

Wir haben hier also einen unzweifelhaft wendischen Pfahlbau, oder, wie man genauer sagen müßte, Packbau, vor uns, wie sie in unseren Nachbarländern oft beobachtet, bei uns aber bisher fast unbekannt geblieben sind (s. den nächsten Bericht über eine ähnliche Anlage bei Dummerstorf). 1 ) Derselbe ähnelt sehr dem durch die schönen Untersuchungen des Major von Kasiski bekannt gewordenen von Neu=Stettin im Persanzig=See (s. von Kasiski, Beschreibung der vaterländischen Alterthümer in Neu=Stettin u. s. w. 1881, S. 1 flgd.). Auch für die Topographie der Wendenzeit hat die Stelle ihre Bedeutung. Der Hohen=Sprenzer See liegt im Kessinerlande, gerade


1) Die bekannten Pfahlbauten von Wismar und Gägelow gehören der Steinzeit, der von Vimfow, Jahrb. 32, S. 222, der älteren Eisenzeit an.
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zwischen den Burgwällen von Laage und Werle; bis Laage ist der Lauf der Hauptverkehrsstraße der späteren Wendenzeit, der via regia, mit den Stationen Demmin, Dargun, Lüchow, Laage gesichert (s. oben S. 177); die Fortsetzung derselben muß nach Werle geführt haben, und da bietet sich denn unser Pfahlbau bequem als Zwischenstation dar. Im Uebrigen siehe die folgenden Ausführungen.

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2) Ansiedelung von Dummerstorf.

In der ausgedehnten sumpfigen Wiesenfläche südlich von Dummerstorf (bei Rostock) zwischen Prisannewitz und Groß=Potrems ist man bei Gelegenheit der theilweisen Entwässerung des Gebietes im Jahre 1875 auf eine alte Kulturstätte gestoßen. Dieselbe liegt ca. 1 Kilometer von Prisannewitz östlich, links vom Zarnowbache und zeigt sich jetzt, nachdem die Wiesenfläche sich gesenkt hat, als eine flache Kuppe. Nach einem am 11. October 1876 in Gegenwart des Besitzers von Dummerstorf, Herrn A. von Preen, und des Herrn Major von Preen aufgenommenen Protokoll über eine unter Mitwirkung des Herrn Professor Merkel, damals in Rostock, jetzt in Göttingen, vorgenommene Ausgrabung und einer Untersuchung der Stelle, die der Schreiber dieser Zeilen am 19. Juli 1886 auf die freundliche Einladung des Herrn A. von Preen vorgenommen hat, ergab sich Folgendes:

Von dem Hügel aus führt eine Brücke, deren Pfostenköpfe aus dem Wiesengrunde herausragen, nordöstlich auf die Spitze des Potremser Tannengehölzes zu. Dieselbe muß, um festes Land zu erreichen, etwa einen Kilometer lang gewesen sein; in der Nähe des festen Landes geht sie in einen Damm über.

Der Hügel bildet eine Ellipse von etwa 90 Meter Durchmesser in ostwestlicher und 75 Meter in nordsüdlicher Richtung und erhebt sich an seinem Rande etwa 50 cm über die Wiesenfläche. Auf 9 bis 10 Schritt von seinem Rande findet sich eine nicht überall sichtbare Reihe von Doppelpfählen, die 60 cm auseinander standen. Etwa 30 bis 40 Schritt vom Rande nach innen findet sich an dem östlichen Ende wieder ein Absatz, der wohl 60 cm höher und ebenfalls rund ist. Er liegt nicht genau in der Mitte, sondern hat seine höchste Erhebung nahe dem südlichen Ende. Diese mittlere Erhöhung ist eine mit einer ein Meter starken Erdschicht bedeckte Tafel, deren Grund aus weißem Sande besteht, über welchem ein kalkhaltiger Thon gelagert ist. Zunächst ist diese Tafel mit einem ca. 1 1/4 Meter breiten Ringe faustgroßer Steine umgeben, zwischen denen man Grand und Gesträuch findet, offenbar Faschinenwerk

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mit Steinen beschwert, welches eine gleichmäßige Grundlage herstellen sollte. An den Steinring lehnte sich dann eine Lage von drei Meter langen eichenen Balken an, die, unten etwa 50 cm dick, sich nach oben zuspitzen. Es fanden sich mehrere solcher Balkenlagen über einander, so daß dadurch oben die horizontale Fläche hergestellt wurde; auf dieser lag in der ganzen Länge des Hügels die feste Schicht von Sand und Thon von verschiedener Dicke, wahrscheinlich eine Art Diele. Die Oberfläche bildete dann die Humusschicht.

In dieser fanden sich unverkennbare Reste, daß ein Theil des Baues als Stallung gedient hatte (zusammengeballtes Heu u. s. w.); ferner Küchenabfälle, bestehend in zahlreichen Thierknochen (nach einer vorläufigen Bestimmung des Herrn Professor Merkel wahrscheinlich einer Wildschwein =, Hirsch =, Rinder =, Schaf =, Ziegen= und Hundeart angehörend), einer Aehre der Hirse, Hasselnüssen, Kirsch= und Pflaumensteinen.

An Artefacten sind gefunden und werden in Dummerstorf aufbewahrt:

1) Ein wohlerhaltenes Thongefäß von Drehscheibenarbeit, mit Kehlstreifen verziert; der Rand scharf ausgebogen.
2) Eine Menge von Scherben mit gleicher Verzierung.
3) Eine rothe Thonperle von 1 1/2 cm Durchmesser.
4) Eine polyedrische weiße Glasperle.
5) Eine eiserne Kette und Haken.
6) Ein eisernes Messer.
7) Ein eiserner Nagel.

(Die in dem Protokoll ausgesprochene Meinung, die letzten Gegenstände seien "augenscheinlich ganz neu," hat ihren Grund wohl nur in der auch sonst in demselben hervortretenden Ueberzeugung, daß man einen Pfahlbau der Steinzeit vor sich habe, das Eisen also nur zufällig hineingekommen sein könnte.)

8) Eine Anzahl bearbeiteter Hölzer, die zum Theil von Hütten zu stammen scheinen, sich genauerer Deutung aber entziehen; viele mit Brandspuren.

Wir haben es auch hier unzweifelhaft mit einem wendischen Pfahlbau oder Packbau zu thun, welcher fast ganz mit dem im Hohen=Sprenzer See übereinstimmt, selbst in den Dimensionen. In beiden Fällen ist eine flache Stelle im Wasser nach außen durch eingerammte Pfähle, im Innern durch Faschinen= und Balkenwerk gefestigt und die Hütten darauf angebracht. Von den älteren Pfahlbauten unterscheiden sich diese Anlagen wesentlich dadurch, daß die

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Fundamente der Hütten nicht in dem Seeboden ruhen, sondern dieser erst durch Aufhöhung und Festigung für sie vorbereitet wird. In entsprechender Weise wurde, wie bekannt, der Grund für die Burgwälle hergestellt (s. Behla, die vorgeschichtlichen Rundwälle, S. 8). Auch die zeitliche Stellung der beiden, nur eine Meile von einander entfernten Anlagen ist nach den Funden dieselbe, nämlich die letzte wendische Zeit. Es liegt der Gedanke nahe, daß beide Anlagen zu einem gemeinsamen Befestigungssystem des Kessinerstammes gedient haben. Es ist nicht anzunehmen, daß so umständliche Bauten auf so geringem Terrain nur zu Wohnzwecken hergerichtet seien, besonders nicht bei Dummerstorf, wo ein komplizirter Damm= und Brückenbau hinzukommt. Für Schutzbauten spricht auch der Umstand, daß die Lage des Dummerstorfer Pfahlbaues dem Zuge einer späteren Landesgrenze zwischen Prisannewitz und Groß=Potrems entspricht (s. oben S. 13 die Ausführungen von A. Rudloff) und wir bei Dudinghausen eine Station der via regia oder ihrer Fortsetzung vermuthen dürfen.

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3) Ansiedelung von Zehlendorf.
(Katalog=Nummer E 348.)

Von dem unten zu besprechenden Grabfelde von Zehlendorf 1/2 km südwestlich entfernt, erhebt sich zwischen dem Recknitzthal und Wiesengrund eine ca. 50 Ruthen haltende, in Ackerkultur stehende flache Anhöhe, bei den Bewohnern "Dorfstelle" genannt. In der ca. 25 cm starken Humusschicht liegen, wie ich bei Gelegenheit der Ausgrabung in Zehlendorf beobachten konnte, Scherben in Unzahl. Die gesammelten Stücke sind sämmtlich wendisch. Ihr Charakter ist genau derselbe, wie der eben besprochene von dem Pfahlbau von Dudinghausen, was mit den Erscheinungen der Zehlendorfer Gräber durchaus stimmt, also der der jüngeren Keramik. Der Rand ist nach außen gebogen, abgestrichen, scharfkantig; die Verzierungen bestehen aus Kehlstreifen, kleinen Kerben, einfachen Wellenlinien; die Drehscheibe ist überall erkennbar. Auch fand sich ein (zerbrochener) Spindelstein, ganz rund, 2 1/2 cm im Durchmesser; innen hellbraungrau, außen braun. Es wird dies der Wohnsitz der auf dem betreffenden Grabfelde bestatteten Wenden sein. Von Vorkehrungen zur Befestigung ist nichts zu merken, der Hügel ist nicht künstlich geschaffen, sondern eine natürliche Erhebung. Auch diese Ansiedelung gehört demselben Stamm, dem der Kessiner, an, die hier gegen die Circipaner dieselbe natürliche Grenze des Recknitzthales hatten, welche in geschichtlicher Zeit die Vogtein Güstrow und Laage schied. (S. A. Rudloff, oben S. 12.)

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4) Ansiedelung und Burgwall von Behren=Lübchin.
(Katalog=Nummer E 633 - 635.)

In dem sog. "großen See" bei Behren=Lübchin bei Gnoien, heute einem ausgedehnten Sumpfe, liegt, 1 1/4 Kilometer nordwestlich vom Hofe, eine wendische Ansiedelung, welche sehr an die eben besprochenen von Dummerstorf und Dudinghausen erinnert. Herr Bürgermeister Kossel in Tessin hat neuerdings die Stelle untersucht; über den früheren Bestand hat Herr E. W. Peters in Güstrow berichtet. Es ist eine Aufschüttung von runder Form von 125 □Meter Umfang etwa, an deren Rande sich ein Pfahlwerk von starken eichenen Balken von 2 bis 3 Meter Länge befindet, die unten verzahnt und mit Querbalken verbunden sind; sie scheinen zum Absteifen der Aufschüttung gedient zu haben; die Zwischenräume waren mit Reisig gefüllt; die Humusschicht betrug früher gegen 1 Meter. Die Oberfläche ist übersäet mit Abfällen, z. B. Haselnußschalen, Thierknochen und Scherben, von denen Herr Kossel eine Anzahl gütigst übersandt hat. Die Scherben haben alle denselben Charakter: feine Mischung, starken Brand, Drehscheibenarbeit, hellbraune oder graue Oberfläche. Der Rand ist leise ausgebogen, scharf abgestrichen und profilirt. Die überwiegende Verzierung ist die Hohlkehle in regelmäßigen Abständen. Einige haben Einkerbungen, einmal auf einer wulstartigen Erhöhung, eine eine einfache Wellenlinie, eine eine senkrechte Linie neben der Hohlkehle, eine gitterartig gestellte Linien. Es ist derselbe Charakter der jüngeren wendischen Keramik, wie ihn die Scherben von Dudinghausen zeigen und wie er uns unten bei dem Burgwall von Neu=Nieköhr und sonst begegnen wird. Daneben fanden sich ganz wie an den beiden andern Ansiedelungen auch einige bearbeitete Feuersteine.

Schon Ende der sechziger Jahre hat Herr E. W. Peters, damals in Behren=Lübchin, eine an dieser Stelle gefundene Figur aus Eichenholz eingesandt, die trotz ihrer Einfachheit als einzige in Meklenburg erhaltene wendische Schnitzerei wohl Beachtung verdient. Es ist ein eichener Balken von 1,50 Meter Länge und durchschnittlich 15 cm (vorn und hinten), resp. 12 cm (an den Seiten) breit. Nur der vordere Theil des Balkens ist zur Figur gestaltet, die Rückseite schneidet gerade ab. Deutlich bearbeitet ist nur das Gesicht und der Hals. Das erstere ist oval, spitz zugehend; Nase und Mund ist abgesplittert, die Ohren erhalten. Um den Hals läuft ein Wulst, vielleicht ein Halsring. In der Mitte des Körpers läuft eine vertiefte Rille herab, schwächer am oberen, stärker am unteren Theile, vielleicht zur Markirung der Arme und Beine; in der Gürtelgegend ist eine

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Erhöhung, deren Bedeutung nicht mehr erkennbar ist. - Die Figur scheint in der Erde gestanden zu haben und hat wohl den Pfosten einer Thür gebildet. Figurale Verzierung der Thürpfosten, speziell durch Götterbilder, ist ja eine weitverbreitete und besonders im germanischen Norden allbekannte Sitte. Freunden einer sacralen Ausdeutung unserer Alterthümer bleibt es also unbenommen, in dem Packbau von Lübchin eine Tempelstätte zu sehen und sich auf die Analogie der Fischerinsel bei Wustrow, die in ganz gleicher Weise durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden war, zu berufen. Eine Verwandtschaft mit anderen wendischen Bildwerken, die man mit gutem Grunde als Götzenbilder ansieht, läßt sich wenig erkennen. Weigel, Bildwerke aus altslavischer Zeit S. 8, Figur 4, bildet eine Steinfigur aus West=Preußen ab, die ebenfalls einen starken Halswulst trägt; und ebendort findet sich Figur 19, S. 23, eine Holzfigur von gleicher Größe mit der unseren und ähnlicher Rohheit der Ausführung, die bei Alt=Friesack in unmittelbarer Nähe eines wendischen Burgwalls gefunden ist.

Zwischen der erwähnten Stelle und dem Hofe liegt eine Anhöhe in Form eines flachen Bogens, welche künstlich erhöht zu sein scheint, wahrscheinlich der Rest eines Burgwalls. Dieselbe ist theilweise abgegraben, und dabei sind in früheren Jahren Altsachen gefunden, u. a. auch Schädel und Gebeine.

Die schon vor Jahren von Herrn Peters eingesandten Scherben sind von derselben Art, wie die jetzt von der Stelle im Sumpfe stammenden, nämlich hart gebrannt und überwiegend mit Kehlstreifen verziert.

Daß beide Anlagen zusammengehören, wird auch dadurch bewiesen, daß eine Brücke zwischen ihnen bestand, wie eine regelmäßige Doppelreihe starker Pfähle zeigt. Die Entfernung der beiden Punkte beträgt etwa 600 Meter; die Anlage ist also ähnlich wie in Dummerstorf (s. oben S. 203) und bei der viel berufenen Fischerinsel bei Wustrow in der Tollense, dem Rethra von Beyer und seinen Nachfolgern, dem castrum Wustrow von Schildt (s. Jahrb. 52, S. 26). Leider ist an diesen beiden Stellen nur der eine Brückenkopf bekannt.

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5) Der Burgwall von Neu=Nieköhr (Walkendorf).
(Katalog=Nummer E 549 - 551, 622 - 626.)

Der schöne Burgwall auf der Scheide der Güter Neu=Nieköhr und Walkendorf, eine Meile westlich von Gnoien, die sog. "Moltkeburg", ist bereits im Jahrb. 39, S. 161 f., von Herrn Pastor Dr. Krüger in Kalkhorst, damals in Boddin, eingehend besprochen

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worden. Seitdem ist die Zerstörung des Walles auf dem zu Neu=Nieköhr gehörigen Theile weiter fortgeschritten, und neben dem Einschnitte auf der Nordostseite ist jetzt auch die Nordseite durch regelmäßige Abgrabungen berührt. Dadurch ist das Innere der Anlage zum Theil freigelegt und eine vortreffliche Gelegenheit zur Untersuchung derselben geschaffen, welche auch der Schreiber dieser Zeilen benutzt hat, indem er im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler mit der liebenswürdigsten Beihülfe des Herrn Kortüm auf Neu=Nieköhr am 30. März d. J. den Bestand aufgenommen hat.

Der Wall erhebt sich in einer Höhe von ursprünglich etwa 7 Metern über die Wiesenfläche; er steigt in einem Böschungswinkel von 24 Grad etwa 17 Meter auf und bildet dann eine Wallkrone von etwa 9 Metern, die sich langsam zu der inneren Fläche des Walles senkt. Den Gesammt=Flächeninhalt zu 548 □Ruthen angenommen (nach den Gutskarten), ergiebt sich 1 ) für die innere Fläche ein Inhalt von 2464 □Metern; die Gesammt=Erdmasse beträgt gegen 53 000 Kubikmeter.

Das sind Zahlen, welche die Größe des Werkes am besten bezeichnen. Soweit erkennbar, ist der ganze Wall aufgetragen; eine Festigung desselben durch Pfahl= oder Faschinenwerk ist nicht beobachtet. Die Schichtung ist, wie die sehr klaren Querschnitte an verschiedenen Stellen zeigen, eine durchaus gleichmäßige von unten bis oben; das Material besteht aus Lehm mit Sand und etwas Kies gemischt. Spätere Aufhöhungen treten nirgends hervor; das Ganze scheint auf einmal entstanden. Damit stimmt, wie wir sehen werden, der archäologische Befund durchaus überein. Nach Spuren einer Benutzung in nachwendischer Zeit (Mittelalter) habe ich vergebens gesucht. Ich habe an verschiedenen Stellen die Oberfläche durchgraben lassen, und stets erschienen gleich wendische Scherben; alle bisher gefundenen Altsachen können wendisch sein. Wenn nach den Mittheilungen des Herrn Pastor Krüger (Funde von Mauersteinen) trotzdem eine Benutzung des Walles im Mittelalter unzweifelhaft ist (worauf auch der Wallgraben weist), so glaube ich nicht, daß dieselbe eine lange dauernde gewesen ist; eine "Ritterburg" hat der Wall schwerlich getragen.

Da die jetzigen Abgrabungen an verschiedenen Stellen schöne Profile geschaffen haben, läßt sich das Pfahlwerk in den unteren Schichten jetzt genauer betrachten. Die Zweifel, welche Lisch (a. a. O., S. 166) gegen einen "verdeckten Gang" äußerte, werden dadurch


1) Die folgenden Berechnungen verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Gymnasiallehrer Mulsow.
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hinfällig. Es handelt sich, wie deutlich hervortritt, um einen Gang, der, auf dem ursprünglichen Niveau angelegt, sich, wie es scheint, den ganzen Wall entlang unter der Wallkrone hinzieht; wenigstens ist er bisher überall, wo weit genug (12 bis 15 Meter vom äußeren Rande) hineingegraben ist, erreicht worden. Der Gang besteht aus senkrechten Pfosten aus Eichenholz von 1,70 Meter Höhe und 30 cm Stärke, die etwa 1,70 Meter auseinander standen; die darüber lagernden starken Deckbalken sind oben dreikantig zugespitzt, offenbar zum Zwecke der Entlastung, und werden durch seitliche Streben außen gestützt; dem entsprechend scheint im Innern des Ganges eine Verklammerung durch kleine Querhölzer angebracht gewesen zu sein; wenigstens weisen darauf Zapflöcher in den Tragpfosten und einige einzeln gefundene behauene Holzstücke.

Burgwall

Auf der Höhe des Walles stößt man auf zahlreiche Gruben mit schwarzer Erde (Kohle und Asche); diese sind besonders häufig im inneren Raum, erscheinen aber auch schon auf der Wallkrone; bei der jetzigen Abgrabung im Norden heben sie sich scharf an der gelben Lehmwand ab; sie gehen etwa 1 1/2 Meter unter die jetzige Oberfläche und sind gefüllt mit Kulturresten (Scherben, Thierknochen u. s. w.); lose Steinsetzungen darin bezeichnen die Herdstelle. Es handelt sich hier offenbar um Wohngruben. Reste der Schutzwände dieser Gruben habe ich nicht gefunden, doch spricht Krüger von gebrannten Lehmstücken, die Lisch ohne Zweifel mit Recht als "Klehmstakenstücke" (Lehmbewurf der Flechthütten) auffaßt.

Reste der alten Bewohnung finden sich auf dem Walle überall, am zahlreichsten begreiflicher Weise in den oberen (jüngsten) Schichten. Bei der Sammlung und Aufbewahrung derselben ist zwischen den verschiedenen Schichten in der Art geschieden, daß die dem Kerne des Walles entstammenden, in der weißgelben Lehmschicht steckenden von den in der schwarzen Aschen= und Humusschicht befindlichen gesondert sind. Diese Sonderung ließ sich nicht nur bei den heute noch unberührten Schichten durchführen, sondern auch bei den über das Feld hin zerstreuten, indem die Erdarten schon durch ihre Färbung sich unverkennbar unterscheiden; bei letzteren ist natürlich eine Vermengung einzelner Stücke nicht ausgeschlossen.

Betrachten wir zuerst die Einschlüsse des Wallkerns, so gingen dieselben bis in die tiefsten Schichten hinein, und zwar so gleichmäßig, daß auch hierdurch eine gleichzeitige Aufschüttung des ganzen Walles wahrscheinlich wird. Es waren nur Scherben, die sehr vereinzelt in der Erdmasse steckten, meist kleinere Stücke.

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Sie sind sämmtlich von gröberer Mischung, innen grau oder schwärzlich, schwach gebrannt und ganz überwiegend ohne Töpferscheibe gearbeitet. Die Rundung der Wandung weist auf niedrige derbe Töpfe in der Art des Bobziner (oben Abbildung 9, S. 194). Sie schließen oben entweder glatt ab (ohne Rand) oder bilden eine wulstartige Verdickung. Die Verzierung ist ganz überwiegend die Wellenlinie, und zwar mit einem mehr=(drei=bis sechs =) zinkigen Instrument gezogen von links nach rechts, von der flachsten bis zur steilsten Form. Bei einigen erscheint mit der Wellenlinie zusammen der Kehlstreifen vereinzelt und unregelmäßig, einmal senkrecht gleich Abbildung 29, S. 199, ferner kleine schräge Punkteindrücke.

Von diesen Scherben unterscheiden sich die der schwarzen Schichten ganz wesentlich. Leider ist es nicht gelungen, ein ganzes Gefäß zu retten, doch sind von einem wenigstens so viele Scherben vorhanden, daß die Form erkennbar ist. Dasselbe steigt von einer 8 cm breiten Grundfläche auf und biegt sich in 2/3 Höhe leicht nach innen; 5 cm vom Rande beginnt der leicht eingezogene, oben glatt und mit scharfen Kanten endende Hals. Bei dem Halsansatz läuft ein Doppelwulst mit kleinen Schrägkerben um das Gefäß, und der Körper desselben ist bis zum Fuße mit regelmäßigen Kehlstreifen bedeckt; die Wandfläche ist eingezogen und eingefalzt; sie trägt das (erhabene) Bodenzeichen eines Sternes mit 4 cm langen Balken. Die Höhe wird gegen 20 cm betragen haben; Drehscheibenarbeit, feine Thonmischung, hellbraune Oberfläche. - In der Art dieses Gefäßes, welches die oben schon mehrfach charakterisirten Züge jüngerer Keramik trägt, sind sämmtliche übrigen Scherben; der Rand ist fast immer nach außen gebogen und scharf abgestrichen. In der Verzierung überwiegt der Kehlstreifen in regelmäßiger Anordnung, mehrmals leistenartig. Die Wellenlinie erscheint nur neben den Kehlstreifen, fast nur einfach und ganz regelmäßig. Die anderen Verzierungen (Einkerbungen, umlaufende Punktlinien) sind ganz vereinzelt; einmal größere gitterförmige Stempeleindrücke, ähnlich Abbildung 34, S. 200.

In der schwarzen Schicht sind höchst wahrscheinlich auch sämmtliche andere bisher bekannt gewordenen Moltkeburg=Alterthümer gefunden worden. Diese werden zum Theil auf dem Hofe Neu=Nieköhr aufbewahrt, zum Theil befinden sie sich durch gefällige Ueberweisung des Herrn Kortüm im Großherzoglichen Museum in Schwerin. Die letzteren sind in der folgenden Aufzählung durch ein (M) bezeichnet.

1) Eine gerade eiserne Axt von 16 cm Länge. Das ovale Schaftloch befindet sich ganz am Ende und hat eine Länge von 4 cm, einen Durchmesser von 4, resp. 4 1/2 cm; auf beiden Seiten des

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Schaftloches befinden sich kleine stumpfdreieckige Erhöhungen. Die Schneide ist leicht nach unten gebogen und 6 1/2 cm lang.

2) Eine gerade eiserne Axt von 15 cm Länge; das starke ovale Schaftloch ganz am Ende 4 cm lang, 5 resp. 4 cm breit, mit denselben Erhöhungen wie 1. Die Schneide ist stark nach unten gebogen (11 cm lang), endet aber nicht spitz, sondern breit. Hinten ist die Axt hammerartig breit. Ein sehr ähnliches Exemplar ist in einem Urnenfelde der jüngsten römischen Provinzialzeit bei Tolkwade (Schleswig) gefunden, s. Mestorf, Urnenfriedhöfe in Schleswig=Holstein, 5, 8; ein anderes s. Rygh, antiquités norvégiennes, Figur 559 abgebildet, doch tritt dort die dreieckige Erhöhung am Schaftloch viel stärker hervor.

3) (M) Eine gerade eiserne Axt von 11 cm Länge, fast gleich 2, aber ohne die Erhöhung am Schaftloch, auch ist die Schneide unten noch breiter; das Schaftloch 3 1/2 resp. 3 cm breit, 3 cm dick, die Schneide 7 cm lang und unten noch 3 cm breit. Die Axt lag in einer schwarzen Aschenschicht zwischen oder auf einem Steindamme (Herdfläche). Die Form erinnert an das römische Werkbeil und seine spätere Entwickelung, wie es sich neben der Francisca in fränkischen Gräbern gelegentlich zeigt (z. B. Lindenschmit, Alterthümer 1, H. 2, 7, F. 18 aus Reihengräbern bei Nackenheim und Handbuch der deutschen Alterthumskunde 1, S. 194). Daß auch unsere Exemplare als Werkzeuge, nicht als Waffen aufzufassen sind, beweist außer den Fundverhältnissen die hammerartige Erweiterung an der Rückseite. Von Meklenburg waren Axtfunde auf Burgwällen bisher nicht bekannt, anderwärts, z. B. in der Lausitz, sind mehrere gemacht, wenn auch mit etwas abweichenden Formen (s. z. B. Jentsch, Niederlausitzer Mittheilungen 3, S. 10).

4) Ein eisernes Messer mit vierkantigem Griff und leicht gebogenem Rücken. Länge 22 cm, davon 11 1/2 cm auf den Griff gehen; Stärke des Griffs 0,75 cm.

5) (M) Ein kleines eisernes Messer, sehr zierlich; flacher, nach außen dünner werdender Griff; die Schneide scharf absetzend, der Rücken leicht gebogen, Spitze etwas nach oben. Länge 11 1/2 cm, davon 5 1/2 auf den Griff gehen; größte Stärke der Klinge (in der Mitte) 1 1/2 cm.

6) Eine eiserne Scheere mit absetzendem, federndem, rundlichem Griffende und schmalem Bügel. Länge der Schenkel 16 cm, davon 8 1/2 auf die Schneide gehen; Durchmesser des Endrings 2 1/2 und 2 cm. Aehnliche Scheeren sind in wendischen Ansiedelungen in Dudinghausen und Wendorf gefunden; im Norden findet sich die nämliche Form (s. Rygh, antiquités norvégiennes, Figur 443) in der letzten

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Heidenzeit. Von den älteren römischen Scheeren unterscheidet sich diese Form durch den schmalen Bügel und das runde Griffende; dies letztere kommt, soweit ich sehen kann, zuerst in der mittleren Periode der römischen Provinzial=Industrie (im Allgemeinen dem dritten Jahrhundert entsprechend) vor, z. B. in Reichersdorf bei Guben (s. Weigel in den Niederlausitzer Mittheilungen 3, S. 18) scheint aber den fränkischen Reihengräbern fremd zu sein (Lindenschmit, Handbuch der deutschen Alterthümer 1, S. 321).

7) (M) Ein eiserner Schlüssel einfachster Form; stumpfwinklig gebogenes Eisenstück mit hufartiger Endung, an der anderen Seite kleine Oese.

8) und 9) Zwei eiserne Hufeisen; flach und breit mit eingeschlagenen länglichen Nagellöchern; beide haben ein kurzes und breites Fußende, das eine außerdem nach oben einen spitz abschließenden, stumpfwinklig ansetzenden Stollen; dasselbe gleicht genau dem in Lindenschmits Alterthümern u. h. V. 4, S. 28, Figur 9 abgebildeten von der Saalburg bei Homburg. Nach den Mittheilungen über die Fundverhältnisse, die Herr Baumeister Jacobi in den Protokollen der Generalversammlung der deutschen Geschichtsvereine in Metz (1889) S. 68 f. gegeben hat, kann der römische Ursprung derselben nicht mehr zweifelhaft sein, und es ist dann trotz Lindenschmits Bedenken (Handbuch der deutschen Alterthümer 1, S. 295) kein Grund, sie der "Merovingerzeit" absprechen zu wollen. Von den Franken werden die Wenden sie erhalten haben.

Einige früher gefundene Pferdegebisse sind leider bisher nicht wieder zu beschaffen gewesen, ebenso ein Kamm aus Horn.

10) Ein Spindelstein aus Thon, ganz gleich dem oben Figur 35 abgebildeten aus Dudinghausen.

11) (M) Ein Spindelstein von derselben Form, aber kleiner und einfacher.

Eine eiserne Pflugschaar gehört wohl einer jüngeren Zeit an.

Unserem Burgwall seine Stelle in der alten Landesgeschichte zu geben, ist bisher nicht gelungen. Wenn Lisch (a. a. O., S. 166) vermuthete, daß die Burg am Ende des 12. Jahrhunderts, in der Zeit der Kämpfe der Dänen mit den Wenden, zerstört sei, so steht dieser Annahme der archäologische Befund nicht im Wege, die große Mehrzahl der Kulturreste gehört in die letzte Heidenzeit. Daß der Wall eine Hauptburg der Circipaner gewesen ist, muß bei seiner Größe angenommen werden; er ist auch der einzige größere Wall im nordwestlichen Theile dieses Landes, in dem sich, nach unserer bisherigen Kenntniß, das Wendenthum am zähesten gehalten hat, und

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seine Lage in der Nähe des Kreuzungspunktes der wichtigen Straßen Demmin=Laage und Tribsees=Güstrow machen ihn zum Hauptort besonders geeignet. Die nordischen Quellen, auf die wir für die Geschichte des ausgehenden 12. Jahrhunderts angewiesen sind, nennen nur wenige Punkte. Die Burgwälle, die für die Züge Waldemars 1171 und Knuts 1184 die wichtigsten wurden, hat Lisch in Teterow resp. Behren=Lübchin lokalisirt (s. Jahrb. 26, S. 181 f., und 23, S. 300 f.); 1171 ging der Zug von Tribsees direct durch "unermeßliche Wälder" auf sein Ziel, ließ also unsere Stelle rechts liegen, bei dem zweiten Zuge ging der Zug von Tribsees zu einer urbs Lubekinca; von hier wollte der König nach Demmin, aber die Völker zerstreuten sich zu Plünderungszügen. Die Stelle bei Saxo Grammaticus heißt (Histor. Dan., 16, S. 982 der Müllerschen Ausgabe); autumno domi peracto [sc. König Knut] . . . , Tribusanam provinciam ditioni suae parentem peragrat. Post haec Circipanensium devexam paludem paternae militiae aemulatione permensus ad urbem Lubekincam pervenit. Qua praeterita dum Diminum petere statuisset in abundantem potione vicum incidit etc. Das Weitere ist für unsern Zweck nicht von Belang; vergl. darüber Quandt in den Baltischen Studien 10, S. 160, und Wigger, Jahrb. 28, S. 270.

Diese urbs Lubekinca glaubte Lisch in dem Bärnim, einem ausgedehnten flachen Walle zwischen Behren=Lübchin und Grammow zu finden. Ueberbleibsel, welche den wendischen Ursprung des Bärnim sicher feststellen, sind bisher nicht gefunden. Nun liegt in unmittelbarer Nähe unseres Burgwalles von Neu=Nieköhr ein zweites Lübchin (Holz=Lübchin), ein Kilometer entfernt. Dieses Lübchin ist schon im 13. Jahrhundert mit seinem Namen nachweisbar. Im Jahre 1273 bestimmt Nicolaus von Werle die Grenzen des Dorfes Vorwerk folgendermaßen (Meklenburgisches Urkundenbuch 2, Nr. 1266): a villa Ganzsekendorf per medium amnem usque ad limites Lubechin, deinde ad fossatum Lunowe, . . . . demum usque ad antiquam viam, ubi limites dominorum de Werle et Rostock sequestrantur. Hier handelt es sich um Holz=Lübchin. In der Urkunde Johanns von Meklenburg, d. Lübchin 1. März 1238 (Meklenburgisches Urkundenbuch 1, Nr. 479), die Lisch a. a. O. heranzieht und aus welcher das Vorhandensein einer Burg mit einem deutschen Vogt (advocatus) und Kapellan hervorgeht, fehlt die nähere Bezeichnung, es ist also kein Zwang vorhanden, sie auf Behren=Lübchin zu beziehen; und wenn einige Jahrzehnte später Holz=Lübchin einfach als Lubechin bezeichnet wird, so spricht nichts dagegen, daß dieses das ursprüngliche Lübchin ist. Dann ist die

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urbs Lubekinca der Burgwall von Neu=Nieköhr. Wir fassen die Stelle bei Saxo dann folgendermaßen: Knut rückte vor Burg Lübchin, konnte sie nicht erobern (euphemistisch qua praeterita) und suchte nun die Straße nach Demmin zu erreichen. Diese Straße ist die schon mehrmals herangezogene via regia von Laage nach Demmin, wahrscheinlich identisch mit der antiqua via an der südlichen Grenze von Vorwerk in der Urkunde von 1273. Er mußte aber zufrieden sein mit Plünderungszügen bei Gnoien und Umgebung (nicht Güstrow) und zog sich dann über das Trebelmoor wieder zurück. Ob der Name Dehn=Horst, den die Originalzeichnung der Schmettauschen Karte neben anderen ungefähr an der Stelle unseres Burgwalls hat eine Erinnerung an jenen Dänenzug bewahrt, lasse ich dahingestellt.

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6) Der Burgwall von Laage.
(Katalog=Nummer E 351 - 354.)

Die Stelle des Burgwalls von Laage hat Herr Pastor Beyer in Jahrb. 52, S. 212, zwischen dem Recknitzthal und dem "Pluderbache" festgestellt. Bei einer Untersuchung des Walles hat derselbe eine Stelle freigelegt, die ohne Zweifel die Reste einer Hüttenanlage enthält und die betreffenden Funde nach Schwerin übersandt. Es sind:

1) Gebrannte Thonstücke mit röhrenartigen Eindrücken, offenbar von dem Lehmbewurf der Flechtwerkhütte herrührend (sog. "Klehmstaken").

2) Eine Anzahl Scherben. Dieselben stammen von Töpfen, die aus freier Hand (ohne Drehscheibe) geformt sind; der Rand ist ganz schwach; die Farbe hellrothbraun. Als Verzierungen erscheinen: a. die einfache Wellenlinie, b. das "Fischgrätenmuster", hergestellt durch einen Stab mit spitzen Zinken (abgebildet oben S. 199), c. rautenförmige Stempeleindrücke (abgebildet oben S. 200). Die Scherben von Laage gehören offenbar einer älteren Stufe der wendischen Töpferei an, als die von Dudinghausen, Zehlendorf, Neu=Nieköhr u. s. w.

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7) Brandgruben von Finkenthal.
(Katalog=Nummer E 614 - 620.)

Auf einem ebenen Felde gegenüber der Ziegelei vor Finkenthal bei Gnoien, links von der Chaussee nach Dargun, ist man bei der Entnahme von Ziegelerde auf Brandgruben gestoßen. Nachdem der unermüdliche Alterthumsforscher Herr Wildhagen, seit Herbst 1892 in Stubbendorf, die Aufmerksamkeit auf dieselben gelenkt

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hat, hat im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler Verfasser am 29. März 1893 die Fundverhältnisse untersucht; die gefundenen Gegenstände, welche von Belang waren, hat der Besitzer der Ziegelei, Herr Westphal, in dankenswerthester Weise der Großherzoglichen Alterthumssammlung übergeben.

Die Gruben sind etwa 3 1/2 Meter lang (in ostwestlicher Richtung), 1 Meter breit und 1 1/2 Meter tief; die Brandschicht beginnt unmittelbar unter der Humusschicht; sie liegen in einer Entfernung von etwa 2 Meter neben einander; bei meiner Anwesenheit waren sieben aufgedeckt. Sie sind sämmtlich gefüllt mit einer dicken schwarzen Masse, bestehend aus Asche, Kohlen und Resten von Thieren; dazwischen liegen zahlreiche Scherben und einige Geräthe; Steinsetzungen und gebrannte Knochen sind nicht beobachtet. Die Scherben tragen den unverkennbaren wendischen Charakter.

Sie sind sämmtlich auf der Drehscheibe gearbeitet, aus fein geschlemmter Masse und gut gebrannt. Die Gefäße waren, soweit erkennbar, schlank und groß, die Farbe hellgrau oder rothbraun. Der Hals war bei den meisten etwas nach innen gebogen und schließt in einem leicht ausbiegenden, scharf abgestrichenen Rande ab. Die Verzierungen waren: 1) regelmäßige Horizontalriefeln, welche den ganzen oberen Theil des Gefäßes bedecken; fast auf allen Scherben, einige Male auch auf der inneren Wandung, eine mir bisher unbekannte Verzierung. In Verbindung damit 2) Wellenlinien, stets einfach, meist flach, von rechts nach links gezogen. 3) Kleine Schrägkerben, zum Theil auf erhöhten Streifen, die bandartig das Gefäß umziehen. 4) Reihen von schrägen eingedrückten Punkten Punkte - Die Topfböden zeigen flach erhabene Verzierungen, darunter erkennbar ein Kreis mit kleinem Sterne darin, ähnlich oben Abbildung 15. Außerdem fand sich ein zierlicher Spindelstein; der Form nach ganz gleich dem oben Abbildung 35 abgebildeten von Dudinghausen; scharfe Kanten, leicht eingezogene Seiten, hellgraue Farbe.

An eisernen Gegenständen fanden sich:

1) ein nadelartiges Geräth, leicht gebogen, 30 cm lang. Dasselbe hat einen 6 cm langen, glatten, vierseitigen Kopf, der Körper ist gerieselt, Spitze fehlt;

2) ein Messer mit flachem Griff, leichter Erhebung des Rückens und der Spitze, ähnlich dem unten S. 219 abgebildeten. Die Länge beträgt 19 cm, von denen 4 1/2 auf den Griff kommen, die größte Breite (gleich beim Griffansatz) 1 3/4 cm;

3) ein gleiches Messer mit rundlicher Spitze und Holzresten am Griff. Länge 14 cm, davon der Griff 4 1/2 cm, Breite der Klinge gleichmäßig 1 cm;

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4) eine runde Nadel; 11 cm lang, oben 3/4, unten 1/4 cm stark;

5) ein Pfriemen aus einem zugespitzten Röhrenknochen, 6 1/2 cm lang.

Die zeitliche Bestimmung kann nicht zweifelhaft sein: die sorgsame Arbeit, die Ornamentirung, die Bodenzeichen weisen die Gefäße in die letzte heidnische Periode. Bei der Frage nach der Bedeutung der Gruben kann man ungewiß sein, ob es sich um Wohnstätten oder um Gräber handelt. Wenn für die letzte Annahme die Gesammtanlage, die Regelmäßigkeit und die geringe Entfernung der einzelnen Gruben sprechen kann, so fehlt doch das entscheidende Kennzeichen, Reste der Bestatteten, verbrannte Knochen, gänzlich, und wir werden uns für Grubenwohnungen zu entscheiden haben, in denen die Abfälle sich allmählich aufgehäuft haben, eine Annahme, welcher freilich die große Ausdehnung der Gruben und die völlige Gleichmäßigkeit, mit welcher sie ausgefüllt sind, wenig günstig ist.


Nachdem nun, wie wir gesehen haben, zum Theil an der Hand von Münzfunden, dem sichersten chronologischen Mittel, welches die Alterthumskunde hat, der Charakter der slavischen Keramik festgestellt und in dem Schläfenringe eine unzweifelhafte Charakterform gefunden war, konnte auch die Bestimmung der wendischen Gräber keine Schwierigkeit mehr machen. Ueberall auf altslavischem Boden ist man auf Skelettgräber von nahezu gleicher Ausstattung gestoßen, welche untrügliche slavische Beigaben hatten. Es sind Flachgräber im freien Boden ohne erkennbare äußere Zeichen, meist in Reihen geordnet; Grabhügel sind selten beobachtet (z. B. bei Carow, Kreis Regenwalde, s. Stubenrauch in den Pommerischen Monatsblättern 1891, S. 133). Allerdings scheinen dieselben in ihrer großen Mehrzahl aus der letzten Periode der Heidenzeit zu stammen; wo Münzen dabei gefunden sind (z. B. Klein=Tinz in Schlesien ein "Adelheidsdenar," Suschitza in Böhmen ein Denar von Wratislav II., 1061 - 1092, Cörlin in Pommern ein Denar von einem nicht genauer bestimmbaren Bogislav aus dem 12. Jahrhundert u. s. w.) weisen sie dahin, und die Urnenfunde stimmen damit überein. Soweit ich sehen kann, geht kein Grab über das Ende des ersten Jahrtausends zurück. Eine Erklärung für diese auffallende Thatsache ist wohl darin zu suchen, daß die alten Slaven auf Grabgebräuche überhaupt nicht viel Gewicht gelegt haben und daß in älterer Zeit die Todten verbrannt sind, ohne daß man eine sorgsamere Bergung der Reste für nöthig gehalten hätte. Einige Funde lassen sich so deuten (s. unten S. 230 die Besprechung des Fundes von Rosenthal). Die litterarische Tradition läßt uns im Stiche: kein Berichterstatter bezeugt ausdrücklich

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die Bestattungsart, und "die alte Tradition von dem Leichenbrande der Wenden" ist lediglich eine fable convenue. Wir sind durchaus auf den archäologischen Befund hingewiesen und wollen im Folgenden zunächst das Verhältniß von Leichenbrand und Beerdigung klar zu legen suchen.

Daß überall auf slavischem Boden der Leichenbrand neben der Bestattung sich findet, ist nach den zahlreichen Funden unzweifelhaft; doch sind diese Funde noch viel zu zerstreut, um eine völlige Entscheidung über die Frage, wie das zeitliche Verhältniß der beiden Bestattungsarten sich bei den verschiedenen Stämmen gestaltet hat, geben zu können. Es scheint, daß der Leichenbrand allmählich von der Beerdigung abgelöst ist; slavische Grabfelder mit ausschließlichem Leichenbrande sind mir von deutschem Boden nicht bekannt, es ist immer nur von einzelnen Grabstätten die Rede. Soweit ich sehe, ist nur für Böhmen das Material gesammelt (L. Niederle, Beiträge zur Anthropologie der böhmischen Länder, 1, Prag 1891; das Werk ist böhmisch geschrieben, und ich muß mich leider an das nur kurze Resumé in den Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1890, N. F., Bd. 10, S. [102] halten). Dort sind gegen zweihundert Skelettgräberfundorte, zum Theil durch Münzen bestimmt, nachweisbar und außerdem einige Urnenfelder mit Leichenbrand (fünf) mit gleicher Ausstattung, welche ebenfalls bis in den Anfang der christlichen Zeit reichen; auf drei Feldern sind beide Bestattungsarten neben einander beobachtet. Außerdem finden sich, von Niederle nicht aufgezählt, auch Grabhügel mit Leichenbrand (nicht Beerdigung) aus slavischer Zeit. S. über einige derselben Woldrich in den Mittheilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft, 1886, N. F., Bd. 6,. S. 90. W. setzt dieselben in das 7. bis 8. Jahrhundert. Auch in Deutschland haben wir wendische Grabhügel mit Leichenbrand, z. B. den bekannten von Wachlin in Pommern, von Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1882, S. 398 besprochen. Die Form und Technik der Urnen (umgebogener Rand, Bodenverzierung, Drehscheibenarbeit) weist den Fund nach der Analogie datirbarer Münzfunde (s. Voß a. a. O.) in die Zeit nach 1000. Dem Wachliner ähnlich ist ein Fund aus Meklenburg=Strelitz (Hohen=Zieritz; im Hamburger Museum, s. Friedel a. a. O., S. 445); aus Meklenburg=Schwerin ist bisher nichts bekannt geworden, was sich hierhin rechnen ließe.

Daß der Leichenbrand auch auf deutschem Boden bis an das Ende der Heidenzeit reicht, ist außer durch den Fund von Wachlin auch durch einen analogen von Wirchenblatt bei Guben bewiesen (s. Jentsch in den Verhandlungen der Berliner Zeitschrift für

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Ethnologie, 1885, S. 149 f.; auch in "Die prähistorischen Alterthümer von Guben," 5, S. 22). Demnach hat erst der völlige Sieg des Christenthums der Verbrenung ein Ende gemacht.

Von den Grabfeldern, wo sich Leichenbrand und Bestattung neben einander finden, sei hier nur hingewiesen auf das Skelettgräberfeld vom Galgenberge bei Wollin, wohl die Grabstätte der alten "Vineta" (s. Walter in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, 1891, S. 708). Unter den hier auftretenden Gefäßen sind schlanke Töpfe, hart gebrannt, mit umgebogenem Rande und Kreuz am Boden, ähnlich dem vorerwähnten von Wirchenblatt, welche schon zu mittelalterlichen Formen hinüberleiten und in das 12. Jahrhundert zu setzen sein werden; also auch hier reicht die Verbrennung bis in die letzte Zeit.

Aus Meklenburg sind nur vier Skelettgräberfelder aus der wendischen Heidenzeit bekannt; von diesen ist das wichtigste, das von Bartelsdorf, für die Frage des Verhältnisses von Brand und Beerdigung nicht zu verwenden, wie unten ausgeführt werden soll; die drei andern zeigen sporadisch Brand neben überwiegender Bestattung (Zehlendorf, S. 220, Alt=Gutendorf, S. 225, Gamehl, S. 226), sodaß es auch für uns wahrscheinlich wird, daß man gelegentlich an der alten Sitte bis zuletzt festgehalten hat.

Ich zähle in Folgendem diejenigen Grabstätten in Meklenburg=Schwerin auf, welche wir als wendische annehmen dürfen.

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1) Skelettgräberfunde von Bartelsdorf.
(Katalog=Nummer 3694 - 3703 und E 300 - 302.)

Das bekannte Grabfeld von Bartelsdorf bei Rostock liegt auf einer weiten abgerundeten Erhebung mit kiesigem Boden und ist in den Jahren 1862 und 1863 aufgedeckt und ausgebeutet. Lisch hat darüber in den Jahrb. 28, S. 301, und 29, S. 177, berichtet (einen Nachtrag s. Jahrb. 49, S. 21). Es fanden sich dort in 120 - 150 cm Tiefe, wie es scheint in Reihen, durchgängig nach Osten schauend, an die 150 Skelette, von denen eine Anzahl Schädel aufbewahrt werden. Auf einigen Leichen lagen Steine; einige Nägel weisen auf eine Bestattung in Särgen hin. Neben vielen Skeletten lagen Beigaben, wie es scheint, immer nur ein Stück, die zum Theil in die Hände Rostocker Bürger und später in die Schweriner Sammlungen gelangt sind.

An das Skelettgräberfeld anschließend, zum Theil in dasselbe übergehend, fand sich ein Urnenfeld mit Beigaben an Eisen. Dieses Urnenfeld hielt Lisch ebenfalls für wendisch und sah darin die Grab=

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stätte der heidnischen Wenden, während er das Leichenfeld in die christliche Zeit setzte. Dem entsprechend ist auf die Herkunft der Objecte aus Leichenfeld oder Urnenfeld nicht hinreichend geachtet und dieselben nicht gesondert. Dadurch ist aber das Gesammtbild des Bartelsdorfer Wendenfeldes bedauerlichst getrübt, denn es kann nach dem jetzigen Stande der vorgeschichtlichen Forschung nicht zweifelhaft sein, daß das Urnenfeld nicht der jüngsten, sondern im Gegentheil der ältesten Eisenzeit angehört, jener Periode, welche dem Einfluß der provinzialrömischen Kultur noch vorausgeht und die man als la Tène - Zeit zu bezeichnen pflegt. Den Beweis geben die einzigen exact (von Lisch selbst) ausgegrabenen Urnen und das in einer von ihnen gefundene eiserne Geräth, welches man damals für eine Spange hielt, das aber später als Gürtelhaken erkannt ist. Die Urnen (hellbraun, ziemlich hoch), erinnernd an die Urnen der Bronzezeit, erscheinen mit völliger Gleichheit in den unzweifelhaften la Tène - Feldern, welche den Uebergang der Bronzezeit in die Eisenzeit vermitteln (so neuerdings in einem Funde bei Zweedorf bei Boizenburg), der große eiserne Gürtelhaken ist als specifische la Tène-Form allgemein anerkannt. Die Belege einzeln durchzunehmen, würde von meinem Thema zu weit wegführen; ich verweise auf die grundlegenden Ausführungen in Undset, das erste Auftreten des Eisens in Nord=Europa, wo S. 263 auch unserem Urnenfelde seine richtige Stelle angewiesen ist.

Bei dieser Sachlage ergiebt sich die Pflicht, das Bartelsdorfer Material, welches ja zum größten Theile erst auf indirectem Wege zu der Sammlung gelangt ist, in seine Bestandtheile zu zerlegen und die Urnenfeld= (la Tène) Funde von den Leichenfeld= (wendischen) Funden zu sondern. Nach Ausscheidung der la Tène-Sachen (der großen eisernen Gürtelhaken, einiger eiserner und bronzener Ringe und der Urnenscherben) bleiben dann als wendisch übrig:

Messer

17 eiserne Messer von 10 bis 18 cm Länge; der Griff 2 1/2 bis 8 cm lang, an dem oft noch Holzreste; die Griffangel ist verhältnißmäßig lang und spitz zulaufend, der Rücken abgesetzt und etwas erhöht (vergl. Abb. 37). Es ist eine auch sonst aus wendischen Funden wohl bekannte Form. 1 ) Bei dreien sind Reste der ledernen Scheide erhalten; bei vier das Ende der Scheide bestehend in einem etwa 1 1/2 cm


1) Vergl. z. B. M. Weigel, die Funde vom Burgwall von Alt=Ruppin in Nachrichten für deutsche Alterthumsfunde, 1892, S. 72, Figur 1.
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breiten Bronzebande, welches um die Scheide herumgelegt und durch kleine Nieten verbunden ist; außerdem ein Griff mit runder Schalung aus Knochen und ein Bronzeknopf, der möglicher Weise auch einem Messer angehört hat.

Drei Schläfenringe (s. unser Verzeichniß oben S. 183).

Eine kleine bronzene Gürtelschließe.

Ein kleines bronzenes Beschlagstück, wohl von der Seite der Messerscheide, ähnlich verziert wie die folgende Stirnbinde.

Eine bronzene Wagschale.

Eine silberne Stirnbinde (Abbildung 38).

Stirnbinde

Drei kleine weiße Thonperlen.

Eine größere graubraune Thonperle (Spindelstein ?) mit Augenverzierung.

Zehn Nägel mit großen flachen Köpfen.

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2) Skelettgräber von Zehlendorf.
(Katalog=Nummer E 528 - 547.)

Von Güstrow aus zieht sich eine weite Thalniederung nach Nordosten, die man gewöhnlich in ihrem ganzen Laufe als Recknitzthal bezeichnet, obwohl sie in ihrem südlichen Theile durch den Augraben nach der Nebel hin entwässert wird. Das Thal hat eine große Bedeutung für die alte Landesgeschichte, indem es die Grenze zwischen den wilzischen Stämmen der Kessiner und Circipaner bildete, wie sie Wigger in den Meklenburgischen Annalen, S. 118, festgestellt hat. Von vorgeschichtlichen Funden war aber aus der ganzen Gegend bisher außerordentlich wenig bekannt. Neuerdings ist nun wenigstens eine bedeutungsvolle Stelle bekannt geworden und ausgebeutet. Dieselbe liegt bei dem Dorfe Zehlendorf (bei Kritzkow), 1/2 Kilometer südlich vom Hofe. Dort steigt der sandige Acker von der Wiesenniederung aus ziemlich rasch an, und auf der Kuppe, die als Sandgrube benutzt wurde, stieß man auf Skelette, neben denen eiserne Messer und Nägel, Bronzeringe und Urnenscherben beobachtet wurden. Herr Kreuzer, Lehrer in Zehlendorf, berichtete darüber nach Schwerin und sandte die in seine Hände gelangten Funde ein; im Auftrage der Großherzoglichen Commission zur Erhaltung der Landesdenkmäler

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hat dann der Schreiber dieser Zeilen im April 1891 mit freundlichst gewährter Hülfe des Herrn Burmeister, Pächter des Kammerguts Zehlendorf, an der Stelle eine Ausgrabung veranstaltet, welche die Anwesenheit eines größeren wendischen Skelettgräberfeldes feststellte. 1 )

Ueber die Ausdehnung und Gesammt=Anlage ließ sich kein Bild mehr gewinnen, da schon sehr viel zerstört ist. Nach den Angaben der Leute, welche die Sandgrube benutzt hatten und dabei auf die Skelette gestoßen waren, haben dieselben unregelmäßig vertheilt gelegen; an einer Stelle waren sechs dicht neben einander angetroffen; über die Orientirung war nichts beobachtet. Mehrmals hatten Steine über denselben gelegen, auch Holzreste waren bemerkt; daß diese von Särgen stammten, wird durch einige Nägel, die bewahrt sind, wahrscheinlich. Beigaben hatten wenige gehabt, Urnenscherben waren zahlreich gefunden.

Die von Herrn Kreuzer eingelieferten Fundstücke sind:

Zwei kleine Schläfenringe von Bronze mit Silberbelag;
(Nr. 10 und 11 unseres Verzeichnisses, S. 184).

Zwei gerade eiserne Messer, an deren Griff Spuren der hölzernen Beschalung.

Zwei eiserne Nägel mit starken konischen Köpfen.

Die Urnenscherben sollen braunroth und sämmtlich unverziert gewesen sein.

Dazu kam, bei einem gelegentlichen Besuche der Stätte durch Herrn Pastor Beyer in Laage und Verfasser:

Ein Skelett 2 ), nordwestlich gelegen, der Kopf im Norden, etwa 0,75 cm tief, bedeckt mit einigen Steinen (nicht einem regelmäßigen Pflaster); in der rechten Hand hatte es ein eisernes Messer von 10 cm Länge.

Die Ausgrabung bestätigte die Angabe, daß die Leichen nicht reihenweise, sondern gruppenweise bestattet sind. Frei gelegt sind zwei Gruppen, über deren Lagerungsverhältnisse die umstehende Skizze orientiren mag (die Nummern sind die des Ausgrabungsprotocolles):

1) Gerade ausgestrecktes, sehr vergangenes Skelett auf einem Pflaster von kleinen Steinen, nur 20 cm unter der Oberfläche, nordost=südwestlich 3 ). In der Mitte des Körpers ein kleiner Bronzegegenstand, bestehend aus zwei Platten von 2 cm Länge und 1 cm Breite, verbunden durch zwei 3/4 cm lange Stifte; darin eingeklemmt etwas Leder (oder Holz?), vielleicht ein Gürtelbeschlag.


1) Vergl. Quartalberichte 1890 October, 1891 April.
2) Die somatischen Bestimmungen unserer Wendenskelette mögen berufener Hand vorbehalten bleiben.
3) Hier wie im folgenden steht die Lage des Kopfes voran.
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Grabfeld von Zehlendorf
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2) Auf der Seite gekrümmt liegendes Skelett; am Kopfende eine Aschenschicht, 30 cm tief, westnordwest=südostsüdlich. In der Gegend der rechten Hand ein eisernes Messer von 15 1/2 cm Länge, von denen 5 auf den Griff kommen; an diesem Reste der Holzschale (die Form dieselbe wie oben S, 219, Figur 37).

3) Gerade liegendes Skelett, die Beine über einander; 30 cm tief; dem vorigen parallel.

4.) Gerade liegendes Skelett, die Arme über der Brust gekrenzt; 60 cm tief; zwischen Nr. 2 und Nr. 3 in gleicher Richtung.

5) Sehr vergangenes Skelett; 60 cm tief, in einer Linie mit Nr. 4, aber in umgekehrter Richtung.

6) Ein Schädel; 60 cm tief, neben dem Kopfe von Nr. 5 liegend; es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß hier eine Störung des Bodens stattgefunden hat und die Gebeine dadurch abhanden gekommen sind.

7) Sehr vergangenes Skelett; in gleicher Richtung wie Nr. 2 bis 6, die Kopflage wie bei Nr. 5. Zu Füßen ein leeres Thongefäß, gut gebrannt, eine rothbraune Schicht innen, eine hellbraune außen. Die Grundform ist die gewöhnliche der wendischen Töpfe, der Durchmesser des Fußes 9 cm, des Bauches 18 cm, die Höhe etwa 12 cm, der Rand ist abgebrochen. Die obere Hälfte ist verziert mit Kehlstreifen und kleinen Schrägkerben.

8) Sehr vergangenes Skelett; nordsüdlich; in der Kopfgegend ein kleiner bronzener Schläfenring (Nr. 12 des Verzeichnisses S. 185); am Kopfende eine braune, ganz zerdrückte Urne. Dieselbe besteht aus ganz hellem, feinem Thone, die Oberfläche ist rothbraun gefärbt und ohne Verzierungen; die Form ist nicht erkennbar; ein Randstück zeigt, daß sie oben ganz glatt abschnitt. Die sonst bekannten wendischen Eigenthümlichkeiten treten nicht hervor; wir werden gleich noch zwei Beispiele bekommen, wo in wendischen Grabfeldern Urnen auftreten, die mit dem Burgwalltypus sich nicht ganz decken (s. unten bei Alt=Gutendorf und Gamehl).

9) Gerade ausgestrecktes Skelett; 60 cm tief; nord=südlich; in der Gegend der rechten Hand ein eisernes Messer von 13 cm Länge (der Griff 5 cm).

75 cm vom Fuße entfernt war eine mit Steinen ausgesetzte Grube, in welcher eine große Urne aus ganz derbem und daher zerbröckeltem Thone, gefüllt mit gebrannten Gebeinen, stand.

10) Sehr vergangenes Skelett, 60 cm tief, in gleicher Lage wie 9; die Arme scheinen gekreuzt gelegen zu haben, sodaß ein an der linken Seite gefundenes, sehr vergangenes Messer der rechten

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Hand angehört. Dasselbe steckte in einer ledernen Scheide mit Bronzebeschlag am Ende.

11) Völlig erhaltenes Skelett; 80 cm tief, südnördlich in einer Linie mit Nr. 9; über dem Kopfe lag eine flache Sandsteinplatte; die Arme waren über der Brust gekreuzt.

12) Gut erhaltenes, gerade ausgestrecktes Skelett; 1 Meter tief, südnördlich, nicht weit von Nr. 8; an der rechten Hand ein eisernes Messer, 9 cm lang, etwas gekrümmt. Dasselbe steckte in einer ledernen Scheide mit vierseitigem Bronzebeschlage.

Zwischen den Gräbern verstreut, zum Theil wohl in Folge früherer Zerstörung derselben, vielleicht auch als Scherben in die Gräber nachgeworfen, lagen einzelne Scherben, alle hellbraun oder braunroth, verziert mit flachen Kehlstreifen neben einander und einer mit einem Stäbchen gezogenen einfachen Wellenlinie, aus freier Hand geformt.

Bei der Bestattungsart fällt zunächst die große Unregelmäßigkeit der Lage auf. Es sind keine regelmäßigen Reihen vorhanden, und die Tiefe schwankt von 20 cm bis 1 Meter, wobei spätere Terrainveränderungen nur unwesentlich mitgewirkt haben können. Sehr auffallend ist die Art der Orientirung, indem selbst neben einander liegende Leichen nach verschiedenen Richtungen sehen. Soweit ich es verfolgen kann, ist sonst schon in den Wendenbegräbnissen die jetzt übliche Orientirung der Bestatteten fast immer inne gehalten (eine Ausnahme, aus Röbschütz im Orlagau, führt S. Müller, Schlesiens Vorzeit u. s. w., 1877, S. 192 an; eine andere aus Slaboszewow in Posen Schwartz in den Materialien zur prähistor. Kartographie von Posen, Nachtrag 2, 1880, S. 12). Auch die Art der Beisetzung ist verschieden; meist liegen die Leichen frei im Boden, einmal auf einem Steindamm, mehrmals mit einzelnen größeren Steinen beschwert. Auf Spuren von Särgen ist man früher gestoßen; einmal schien auch ein Brett über der Leiche gelegen zu haben. Es sind das Alles Grabgebräuche, die im ganzen slavischen Gebiete bekannt sind; für die Bedeckung der Köpfe und Füße vergl. z. B. die slavischen Grabfunde in Oberfranken bei L. Zapf in den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, 8, 1889, S. 115. Von besonderem Interesse ist das Vorkommen von verbrannten Gebeinen neben den Skeletten, ein Umstand, über den oben S. 217 im Zusammenhang gesprochen ist.

Die Beigaben betreffend, ist die Ausstattung der Bestatteten auf dem ganzen weiten slavischen Gebiete eine merkwürdig gleichartige. Allerdings fehlen bei uns bisher noch die sonst (z. B. in Westpreußen)

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häufigen Glasperlen. Doch ist überall das eiserne Messer in dieser Form und der Schläfenring die häufigste Beigabe. Die Form des Messers kehrt in unsern andern Wendengräbern wieder; gleiche sind auch auf dem Burgwall von Werle gefunden, dort mit etwas längerem Griff.

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3) Skelettgräber von Alt=Gutendorf.
(Katalog=Nummer 3337 - 3342.)

In einem natürlichen Hügel aus sandigem Boden zwischen Marlow und Alt=Gutendorf wurde im Jahre 1859 eine Reihe von Skeletten gefunden, von denen einige systematisch aufgedeckt sind (s. Jahrb. 24, S. 278). Reihen sind nicht beobachtet; eine Leiche lag nach Norden blickend, die anderen, soweit der Bericht darüber spricht, nach Osten. Die Grabstätten waren von Steinen eingefaßt, ein Verfahren, welches in Meklenburg noch nicht beobachtet, sonst aber bekannt ist (so sind in Oberfranken Einfassungen von Steinen oder hölzernen Latten gefunden, s. Zapf, Beiträge zur Urgeschichte Bayerns, 8, S. 115). Bei den Leichen lagen:

1) ein kleiner bronzener Gürtelhaken (?). ähnlich dem unten zu besprechenden von Alt=Bukow, von ovaler Form mit umgebogener Oese gleich der der Schläfenringe und der Bartelsdorfer Stirnbinde, 5 cm lang;

2) kleine unerkennbare Eisenreste;

3) ein eisernes Messer, ursprünglich etwa 18 cm lang; die Form gleich denen von Bartelsdorf; die lederne Scheide erkennbar; am Ende derselben ein bronzener Beschlag wie dort.

In der Nähe der Skelette fand sich eine zertrümmerte Begräbnißurne von hellbrauner Farbe mit einigen dazu gehörenden verbrannten Knochen. Dieselbe ist leider nicht zusammensetzbar; die bewahrten Reste zeigen dünne Wandung, schwachen Brand, rothbraune Oberfläche, eine breite Standfläche mit stumpfem Wandansatz, keine Verzierung; wendische Eigenthümlichkeiten sind nicht zu bemerken; wir haben dieselbe Erscheinung schon oben bei Zehlendorf (Grab 8) gehabt. Trotzdem kann der wendische Ursprung der Grabstelle nach ihrer Anlage und dem bronzenen Gürtelhaken nicht zweifelhaft sein. Bemerkenswerth ist, daß auch hier wie in Zehlendorf und Gamehl Leichenbrand neben der Beerdigung auftritt.

Auch dieses Grabfeld liegt gleich denen von Bartelsdorf und Zehlendorf im Gebiet des Stammes der Kessiner.

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4) Skelettgräber von Gamehl.
(Katalog=Nummer E 507 - 512.)

Ein Grabfeld befindet sich 1 Kilometer nordwestlich von dem Hofe Gamehl bei Wismar auf dem hügelartig in eine Wiesenniederung abfallenden Acker rechts von der vor einigen Jahren angelegten neuen Wismar=Rostocker Chaussee, ungefähr 400 Meter von der Stelle, wo sie sich von der alten abzweigt. Bei Anlage der erwähnten Chaussee und im Sommer 1892 bei Anlage einer Feldbahn ist dem erwähnten Hügel Sand entnommen, und hierbei sind Skelette (die Zahl war nicht mehr zu bestimmen) gefunden worden. Erkundigungen haben ergeben, daß schon in früheren Jahren Skelette in größerer Anzahl entfernt sind, auch von der dem Hofe näher gelegenen Ackerseite, sodaß anzunehmen ist, daß hier ein ausgedehnter Begräbnißplatz sich befunden hat.

Der Boden besteht aus kiesigem Sande, unter dem etwa 70 cm tief Lehm ansteht; die Leichen lagen, soweit beobachtet, sämmtlich auf dieser Schicht auf, also ungefähr 70 cm tief. Nach Angabe der Arbeiter, welche die Erdarbeiten ausgeführt haben, aber erst spät auf die Funde geachtet haben, ergiebt sich Folgendes: Die Orientirung war durchgängig die übliche westöstliche; auch sind Reihen beobachtet, in denen das Fußende der einen Leiche vom Kopfende der nächsten etwa 1 Meter entfernt war. Einige Nägel sollen gefunden sein, doch lauten die Angaben darüber recht unbestimmt; an Metallgegenständen ist beachtet ein kleiner, grüner Ring, also Bronze, der aber verworfen ist. An mehreren Stellen dagegen sind Scherben thönerner Gefäße zu Tage getreten, und eine Urne, zerbrochen, aber in ihrer Grundform erkennbar, ist erhalten. Dieselbe besteht aus grober Mischung, weitet sich von einer 12 cm breiten Standfläche rasch aus und erreicht in 8 cm Höhe ihren größten Umfang (etwa 80 cm). Dann zieht sie sich zusammen, doch ist vom oberen Theile leider nichts erhalten. Die Oberfläche ist bis zur größten Weite absichtlich rauh gemacht, sonst ist sie glatt. Diese Urne war mit gebrannten Knochen gefüllt, sodaß auch hier auf einem Grabfelde Leichenbrand constatirt ist.

In gleicher Tiefe wie die Leichen stieß man auf zwei starke Aschenschichten von etwa 50 cm Durchmesser, die fast unmittelbar neben einander lagen. Von Knochen zeigte sich keine Spur, doch lagen in der einen kleinere Scherben und ein durch Rost fast zerstörtes Eisenstück, vielleicht der Rest eines Messers; in der andern eine große rothe Scherbe mit Brandspuren. Es handelt sich hier wohl um Herdstellen.

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Herr A. von Stralendorff auf Gamehl hat freundlichst über die Fundverhältnisse berichtet und die Fundstücke der Großherzoglichen Alterthümersammlung überwiesen.

Das Grabfeld gehört höchst wahrscheinlich der Wendenzeit an. Die topographischen Verhältnisse und die räumliche Anlage gleichen völlig denen von Bartelsdorf und Zehlendorf, die Orientirung ist die gewöhnliche der Wendenbegräbnisse. Allerdings fehlen die sicheren Kriterien; die Reste der Urnen unterscheiden sich von dem specifischen wendischen Typus, sind aber so einfacher Art, daß sie in allen vorgeschichtlichen Zeiten vorkommen können und stehen der Ansetzung wenigstens nicht im Wege. Eine andere Ansetzung als diese ist aber nach dem jetzigen Stande der Forschung unmöglich, da in keiner vorgeschichtlichen Periode bisher bei uns Reihengräber (von den ganz exceptionellen "Römergräbern" natürlich abgesehen) bekannt geworden sind. Welche Beziehungen die vermutheten Gamehler Wenden zu dem benachbarten Burgwall von Ilow haben könnten, bleibe unerörtert; nach einer noch zu untersuchenden Angabe scheint auch dem in unmittelbarer Nähe gelegenen Preensberg ein wendischer Burgwall zu Grunde zu liegen. Weitere Ergebnisse wären gerade hier besonders erwünscht, da es das erste obotritische Grabfeld sein würde.

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5) Skelettgräber auf dem Burgwall von Alt=Bukow.
(Katalog=Nummer 3527 - 3530.)

Auf dem "Litenberge" bei Alt=Bukow, einer Anhöhe im Wiesengrunde, die Lisch in Folge der dort gefundenen Scherben für einen Burgwall erklärte, sind auch die Reste von vier unverbrannten Leichen gefunden, neben denen die unten bezeichneten Gegenstände lagen. Ueber die Bestattungsart ist leider nichts beigebracht; ein Nagel läßt auf Särge schließen. Vergl. den kurzen Bericht Jahrb. 29, S. 199.

Die Funde sind:

1) Reste eines eisernen Messers mit dem bekannten Bronzebeschlage am Scheidenende.

2) Ein anderer Bronzebeschlag unsicherer Bestimmung, möglicher Weise von der Seite der Scheide, verziert mit herausgetriebenen Punkten; ein ganz gleicher auch in Bartelsdorf.

3) Ein schmales bronzenes Band mit einem Loch Gürtelschließe?), ganz wie in Bartelsdorf.

4) Ein bronzenes ovales Band (Gürtelschließe?) mit einem zurückgebogenen Ende, welches ursprünglich wohl ösenartig war; verziert mit einer Linie von unregelmäßigen Dreiecken in der Mitte, und Seiteneinfassung, hergestellt im Tremolirstich; sehr ähnlich

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der Nr. 1 von Alt=Gutendorf; abgebildet anbei Nr. 39. Die Bestimmung ist unsicher; in einem schlesischen Münzfunde,

der etwa von 980 stammt, ist ein ganz ähnliches Silberband gefunden (Karowane bei Breslau, s. Schlesiens Vorzeit u. s. w., 3, 1881, S. 226).

ovales Band

5) Eisenreste, die Lisch mit Vorbehalt für Hufeisen hielt (Jahrb. 27, S. 183). Hufeisen sind z. B. auf den Burgwällen von Alt=Ruppin (Weigel, Nachrichten für d. Alterthums=Funde, 1892, S. 73) und Neu=Nieköhr (oben S. 212) gefunden.

Die Gegenstände sind demnach fast identisch mit denen der bisher erwähnten Fundplätze und der wendische Charakter zweifellos.

Auch auf dem Burgwalle von Mölln, in dem Lisch das alte Godebant vermuthete (Jahrb. 25, S. 274), sind nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn von Schuckmann auf Mölln früher Schädel und Skeletttheile gefunden, desgleichen auf dem Burgwalle von Behren=Lübchin (s. oben S. 207), in beiden Fällen aber nicht bewahrt.

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6) Das vetus cimeterium von Schwerin.
(Katalog=Nummer E 513 - 518.)

Bei Gelegenheit der Kanalisationsarbeiten der Stadt Schwerin ist man hinter dem altstädtischen Rathhause im October 1892 auf ein Leichenfeld gestoßen. Die Anlage desselben entsprach durchaus der jetzigen christlichen Sitte: die Leichen lagen, nach Osten blickend, zwei Meter unter dem jetzigen Straßenniveau, welches dort in der Höhe von etwa 80 cm aufgetragen ist, also ursprünglich etwa 1,20 Meter tief, in Reihen, etwa zwei Meter von einander entfernt. Der Boden ist schwerer Lehm; Theile von Särgen waren nicht erhalten, doch zeigen Holzspuren und einige starke Nägel, daß solche gebraucht waren. Die einzige eigenthümliche Erscheinung war, daß über einem Skelett in ganzer Länge eine starke eichene Bohle von 10 cm Dicke lag; ähnliches ist bei wendischen und germanischen Reihengräbern oft beobachtet; speciell war das lignum impositum eine bajuvarische Sitte (vergl. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Alterthumskunde, 1, S. 126).

Vier gut erhaltene Schädel und einige Gebeine sind von der städtischen Bauverwaltung freundlichst dem Großherzoglichen Museum übergeben worden.

Wenn das Grabfeld in archäologischer Beziehung nichts Besonderes bietet, so ist seine Aufdeckung bedeutungsvoll für die Topographie des alten Schwerin. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir

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hier das vetus cimeterium vor uns haben, welches zur Grenzbestimmung des bischöflichen Gebietes nach der Bestätigungs=Urkunde des Bisthums Schwerin durch Papst Urban III. 1186 schon bei der Bewidmung des Bisthums durch Heinrich den Löwen gebraucht sein soll (vergl. Fr. W. Lisch, Jahrb. 42, S. 71).

Partem civitatis Sverinensis a domo piscatoris cujusdam cui nomen erat Suk ad vetus cimeterium directe tendentem etc. (Meklenburgisches Urkundenbuch 1, Nr. 141).

Die Vermuthung von Fr. W. Lisch (a. a. O., S. 76), daß dasselbe auf dem Raum zwischen der Scharfrichterstraße (heute Burgstraße), der grünen Straße, dem Marktplatz und dem Dom gelegen habe, hat somit ihre Bestätigung gefunden.

Lisch nahm nach dem Vorgange von Wigger (Jahrb. 28, S. 107, Note 2) an, daß mit dem vetus cimeterium der frühere heidnische Begräbnißort gemeint sei. Dagegen spricht aber der Ausdruck cimeterium, mit dem unmöglich in einer geistlichen Urkunde ein ungeweihter heidnischer Begräbnißplatz bezeichnet sein kann und ferner die Anlage, die sich von den nun hinlänglich bekannten vorchristlichen wendischen Grabstätten durch das gänzliche Fehlen von Beigaben, auch durch die Bestattung in schwerem Boden unterscheidet. Anderseits ist Wigger unzweifelhaft zuzugeben, daß der Kirchhof der neuen deutschen christlichen Stadt nicht angehören kann, da "bei der geringen Einwohnerzahl in der kurzen Zeit von 1161 - 1186 unmöglich ein christlicher Kirchhof gefüllt gewesen sein kann." Demnach bleibt nur übrig, in dem Leichenfelde die Begräbnißstätte der christlichen Wenden vor der deutschen Invasion zu sehen. Nach dem Kreuzzuge von 1147 hatten die Obotriten die Annahme des Christenthums versprochen; 1149 wurde das Bisthum in Meklenburg wieder errichtet (s. Wigger, a. a. O., S. 65 f.); in dieser Zeit wird auch der besprochene Kirchhof geweiht sein. Verfasser hat an einer anderen Stelle (Zur ältesten Geschichte Meklenburgs, 1893, S. 26) die Vermuthung ausgesprochen, daß das wendische Schwerin vom alten Garten bis zu den jetzigen Marstallwiesen sich ausgedehnt habe. Dazu würde diese Lage des Leichenfeldes vortrefflich stimmen.

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7) Brandgrab von Rosenthal.
(Katalog=Nummer E 363.)

Bei dem Bauerngehöft Rosenthal bei Serrahn (zu Koppelow gehörig) im alten Circipanerlande ist im Sommer 1890 eine Stelle aufgedeckt, welche vermuthlich eine Grabstätte bildet. Nach einem von

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Herrn Dr. Raase in Rostock freundlichst mit den Funden übersandten Bericht fand sich am Abhange eines Hügels, 3 Meter über einer Thalmulde eine Kohlen= und Aschenschicht von ca. 3 1/2 Meter Durchmesser, in der Mitte etwa 35 cm stark. Im Mittelpunkt war eine Steinsetzung aus schwarzgebrannten Steinen; zwischen denselben lagen zerbrannte Knochen und Scherben von Thongefäßen. Diese stammen von einfachen, ohne Drehscheibe gearbeiteten Wendentöpfen; sie sind verziert mit regelmäßigen, dicht zusammenstehenden Kehlstreifen, im Charakter der jüngeren Keramik. Es ist höchst wahrscheinlich, daß hier die Reste einer Leichenbrandstätte aufgedeckt sind. Der Leichnam ist verbrannt, einige Töpfe ihm beigegeben ober nachgeworfen, für die Bergung der Gebeine aber keine Sorge getragen.

Nachrichten über Brandstellen mit Gefäßscherben erhält man, wenn man sich im Lande nach vorgeschichtlichen Funden umhört, außerordentlich oft; und in der großen Mehrzahl der Fälle, wo nicht ausdrücklich von zerbrannten Knochen die Rede ist, wird es sich ja um Herdstellen handeln. (Vergl. oben S. 214 über die Brandgruben von Finkenthal.) Begreiflicher Weise bleiben solche Fundstätten meist unbeachtet. Ist unsere Vermuthung richtig, so erklärt sich die verhältnißmäßige Seltenheit wendischer Grabstätten auf das einfachste. Die geringe Sorgfalt der Bestattung hat zu ihrer achtlosen Zerstörung geführt.


Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich folgendes Resultat:

Ein Kulturzusammenhang der Wenden mit der altgermanischen Bevölkerung, deren Sitze sie einnahmen, ist nicht nachweisbar. Der Kulturzustand der baltischen Wenden bei ihrem ersten Auftreten ist ganz dunkel; sie befanden sich im Besitze einer Keramik, welche auf römischen Einfluß zurückgehen mag und deren beliebteste Decoration die Wellenlinie ist; eine Beeinflussung derselben durch die fränkische Keramik ist anzunehmen (Gefäßformen, Stempelverzierung, Spindelsteine). Eine Veränderung der Töpfereiprodukte ist erkennbar, aber im einzelnen noch nicht nachgewiesen: die Gefäße aus der letzten Periode (ca. 1000 - 1200) sind an der Herstellungsart (härterer Brand), Form (größere Schlankheit, ausgebogener Rand) und Verzierung (Kehlstreifen, Bodenzeichen) erkennbar. - Die Wenden sind hineingezogen in den arabischen Handel, der ihnen Werthmetall (Silber) und Schmucksachen brachte; im Gefolge davon hat sich ein nationales Zierstück, der Schläfenring, entwickelt. Die Metallbearbeitung beschränkt sich auf die Herstellung von Kleingerät in

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Bronze (zum Theil mit Tremolirstich verziert) und Eisen (Messer); Schwerter wurden aus Deutschland bezogen. Ein Gesammtbild der wendischen Industriethätigkeit zu gewinnen wird besonders dadurch unmöglich gemacht, daß von den Produkten der Textilindustrie und Holzschnitzerei, die bei den Wenden besonders beliebt gewesen zu sein scheinen, nichts erhalten ist.

Im Zeitalter der Ottonen äußert sich der deutsche Einfluß, besonders an dem massenhaften Erscheinen deutscher Münzen. Eine eigene Prägung haben die Wenden nicht gehabt. In derselben Zeit geht, wahrscheinlich durch christliche Einflüsse veranlaßt, eine Aenderung der Grabgebräuche vor sich, indem an Stelle der Verbrennung und regellosen Beisetzung der Leichenreste die Beerdigung, und zwar in Reihen, gewöhnlich mit westöstlicher Lage eintritt, doch ist diese Sitte nie zum völligen Siege gelangt. Außer diesen Skelettgräbern sind die Ansiedelungen, besonders die kleinen Pfahlbauanlagen und die zahlreichen, auch geschichtlich gesicherten Burgwälle die wichtigsten Punkte für wendische Alterthumskunde.

 

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