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Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

 

gegründet von                  fortgesetzt von
Geh. Archivrat Dr. Lisch. Geh. Archivrath Dr. Wigger.

 


 

Sechsundsechszigster Jahrgang

herausgegeben
von

Geh. Archivrath Dr. H. Grotefend,

als 1. Sekretär des Vereins.

 


Mit Abbildungen und angehängtem Jahresberichte.

 

 

Auf Kosten des Vereins.

 

 

Schwerin, 1901.

Druck und Vertrieb der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei.
Kommissionär: K. F. Koehler, Leipzig.

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Inhalt des Jahrbuchs.

Seite
I. Die Grenzen des Bisthums Kammin. Von Geh. Archivrath Dr. Grotefend 1-6
II. Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen. Vom Archivar Dr. Hans Witte 7-64
III. Die Straßennamen Wismars. Von Dr. F. Techen in Wismar 65-114
IV. Neue steinzeitliche Funde in Meklenburg. Von Oberlehrer Dr. Robert Beltz 115-140
V. Die Inspirirten in Rostock. Von Konrektor Ritter in Ludwigslust. 141-154
VI. Das Wappenbild der von Levetzow. Von Dr. Crull in Wismar 155-162
VII. Zur Geschichte der meklenburgischen Volkshymne. Von Bibliothekar Dr. W. Voß 163-226
VIII. Meklenburg unter Wallenstein und die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge. Von Dr. Otto Grotefend in Marburg 227-282

 

Vignette
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I.

Die Grenzen des Bisthums Kammin.

Von
Geh. Archivrath Dr. Grotefend .
~~~~~~~~~~~~~

I n dem 43. Jahrgange der Baltischen Studien befindet sich ein Aufsatz des Pastors Wiesener zu Brandshagen unter dem obigen Titel, leider der letzte aus der Feder des vortrefflichen Forschers. 1 ) Ein plötzlich erfolgender Tod hat ihn bald danach dem Wirken entrissen. Schon 1889 hatte er durch seine "Geschichte der christlichen Kirche in Pommern zur Wendenzeit" sich ein namhaftes Verdienst um die Geschichte des wendischen Nordens erworben. Auf Seite 194 ff. dieses Werkes ist schon die hier in Frage stehende Kamminer Diöcesangrenze behandelt, wenigstens die Kämpfe der Kamminer Kirche mit den Schweriner Bischöfen Berno und Brunward um die Grenzen ihrer Sprengel, die erst im Jahre 1247 (M. U.=B. 590) und 1260 (M. U.=B. 857, 858) ihren endgültigen Abschluß fanden.

"Seit 2 ) dieser Zeit bis zur Reformation sind die Grenzen (des Bisthums Kammin gegen das Bisthum Schwerin) unverändert geblieben. Aus den uns erhaltenen Urkunden läßt sich die Grenzlinie, wie folgt, näher bestimmen.


1) Wir besaßen bisher nur die Angaben Lisch's in Jahrb. XII, 31-34, die er selbst nur als "ungefähre, jedoch sichere Andeutungen" bezeichnete. Wigger bei seiner Darstellung der "Sprengelgrenzen des Bishums Schwerin" in Jahrb. XXVIII, 189, berücksichtigt, wohl im Hinblick auf Lisch's Aufsatz, das Bisthum Kammin nur ganz obenhin. Etwas mehr ergeben die Anmerkungen zu seinen "Annalen" S. 118.
2) Von nun an lasse ich die Worte Wiesener's folgen, nur daß ich statt der Nummern des Pommerschen Urkundenbuchs (P. U.=B.) gegebenen Falls die Nummern des Meklenburgischen (M. U.=B) eingesetzt, auch die Beweisstellen aus diesem und anderswoher bedeutend vermehrt habe.
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Wie sich der Ryk in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Grenze zwischen Pommern und dem Fürstenthum Rügen herausbildete, so erscheint dieser Fluß auch als Grenze zwischen den Bisthümern Kammin und Schwerin. (Vergl. 1249 P. U.=B. 492, M. U.=B. 626; - 1256 M. U.=B. 773, 774, M. U.=B. 629; - 1285 M. U.=B. 1803.)

Vom Ryk ging die Grenze dann weiter in südwestlicher Richtung zwischen Neuendorf (Kammin) und Kaschow (Schwerin) hindurch - der Bach Kaschow bildete hier die Grenze des Landes Loiz (M. U.=B. 1405, 1666) und also, da, wie schon beim Ryk sich zeigte, Landesgrenze und Diöcesangrenze hier sich deckten, auch die kirchliche Grenze - nach Rakow, so daß dieses kamminisch war (Klempin, Dipl. Beitr. Reg. ep. Cam. Nr. 1026), Dönnie aber zu Schwerin gehörte (1307 Fabricius, Urk. des Fürstenth. Rügen IV, Nr. 572). Westlich von Rakow war der die Feldmark von Bretwisch durchschneidende, zur Iwitz fließende Bach zugleich die kirchliche (M. U.=B. 427, 470) wie die politische Grenze (M. U.=B. 408, 409).

Im Süden der Iwitz gehörte zu Kammin: Wotenitz mit seinen Filialen Nossendorf, Seedorf, Toitz und Volksdorf - ein uralter Besitz des Bischofs von Kammin und von diesem an Barnim I. (P. U.=B. 1060), sodann an Demmin abgetreten (P. U.=B. 1615, M. U.=B. 2177) - während die Parochien Glewitz und Medrow 1300 schwerinisch waren (Fabricius, Quellen II, S. 43).

Von hier wandte sich die Grenze nach Nordwest die Trebel hinauf bis zur Recknitz. Bestland (1235 M. U.=B. 439), Brudersdorf (1309 M. U.=B. 3298), Gr.=Methling (1312 M. U.=B. 3555), Wasdow (M. U.=B. 8428; M. Jahrb. XII, 34), Behren=Lübchin (bewiesen durch Nütschow 1282 M. U.=B. 1629) waren kamminisch. Die weitere Grenzlinie erkennen wir sodann aus folgenden urkundlichen Zeugnissen:

Zu Kammin gehörten:

Thelkow durch Stassow 1282 M. U.=B. 1629.
Vilz M. U.=B. 11269 n. und durch Kowalz 1282 M. U.=B. 1629.
Basse 1364 M. U.=B. 9308; 1370 M. U.=B. 10106.
Walkendorf 1282 M. U.=B. 1629; 1289 M. U.=B. 2019.
Alt=Polchow 1282 M. U.=B. 1629.
Belitz 1282 M. U.=B. 1629; 1417 Schröder, Pap. Mecklb., S. 1796; 1450 Archiv zu Schwerin; 1501 M. Jahrb. XII, 383.

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Jahmen 1255 M. U.=B. 758.
Bützin 1235 M. U.=B. 439; 1494 Klempin, Dipl. Beitr. Reg. ep. Cam. Nr. 1023.
Warnkenhagen M. Jahrb. XII, 34.
Reinshagen 1380 M. U.=B. 11255; 1457 Archiv zu Schwerin.
Güstrow, Neustadt (d. h. jetzige Stadt) mit der Gertrudenkapelle am linken Ufer der Nebel. Visitation 1534.
Badendiek M. Jahrb. XII, 31.
Zehna 1298 M. U.=B. 2511; 1341 M. U.=B. 6149.
Bellin durch Kotekendorp 1303 M. U.=B. 2868; 1382 M. U.=B. 11453; M. Jahrb. XII, 33, 34.
Krakow 1446 Archiv zu Schwerin.
Serrahn 1453 Archiv zu Schwerin.
Dobbin Visitation 1534.
Grubenhagen 1494 M. Jahrb. XXIV, 63.
Rambow 1271 M. U.=B. 1229 und durch Marxhagen 1273 M. U.=B. 1292.
Schwinkendorf 1271 M. U.=B. 1229.
Zettemin 1282 M. U.=B. 1629.
Kittendorf M. Jahrb. XII, 33.
Sülten 1274 M. U.=B. 1309; 1349 M. U.=B. 6980.

Zu Schwerin dagegen gehörten:

Sülze 1355 M. U.=B. 8108 II.
Kölzow Verzeichniß der Lehne. Wigger, Ann. S. 118, Anm. 10.
Tessin ebenso und 1373 M. U.=B. 10441, 10498.
Ridsenow 1340 M. U.=B. 6087, mit Vipernitz 1288 M. U.=B. 1983.
Lage 1367 M. U.=B. 9674.
Recknitz 1368 M. U.=B. 9728; 1375 M. U.=B. 10721.
Suckow 1258 M. U.=B. 826.
Lüssow 1270 M. U.=B. 1178; 1337 M. U.=B. 4872.
Güstrow (alte Stadt) und die St. Jürgenskapelle am rechten Ufer der Nebel 1258 M. U.=B. 826; 1270 M. U.=B. 1178; 1346 M. U.=B. 6701.
Parum 1370 M. U.=B. 10045.
Karcheez 1234 M. U.=B. 425; 1370 M. U.=B. 10045.
Upahl 1367 M. U.=B. 8321.
Lohmen 1234 M. U.=B. 425.
Gr.=Poserin 1235 M. U.=B. 436. 1534 Filia von Kuppentin.
Visitation 1534.
Karow M. U.=B. Anm. zu 732. Boye war Archidiakon der Schweriner Kirche.

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Kieth Verzeichniß der Lehne. Wigger, Ann. S. 118, Anm. 10.
Kirch=Lütgendorf 1304 M. U.=B. 2935.
Sommerstorf 1289 M. U.=B. 2016; 1357 M. U.=B. 8402.
Vielist 1264 M. U.=B. 1024.
Panschenhagen Verzeichniß der Lehne. Wigger, a. a. O.
Rittermannshagen 1260 M. U.=B. 857, 858.
Giewitz Verzeichniß der Lehne. Wigger, Ann. S. 118, Anm. 10.
Varchentin ebenso.
Gr.=Varchow 1326 M. U.=B. 4749.

Von dem zuletzt angegebenen Grenzpunkte nach Osten hin schloß sich nun als nächster Nachbar der Kamminer Diöcese das Bisthum Havelberg an. Grenzstreitigkeiten zwischen diesen beiden Bisthümern sind seit dem Versuche des Bischofs Anselm von Havelberg im Jahre 1147, sich mit Gewalt eines Theiles der pommerschen Diöcese zu bemächtigen, nicht vorgekommen, obwohl noch König Konrad III. 1150 und Kaiser Friedrich I. 1179 die schon von Otto I. 946 gegebene Ordnung bestätigten, wonach der Sprengel Havelbergs ost= und nordwärts bis zur Peene und zum rügischen Meere reichen sollte (M. U.=B. 14, 52, 130). In Folge der Bewidmung des Domstifts von Havelberg 1170 mit einer Anzahl von Gütern in den Ländern Tolenz und Raduir zur Anlegung eines Kloster in Broda (M. U.=B. 95), welche 1182 durch Bogislav I. in Gegenwart des Bischofs Konrad I. von Kammin und seines Propstes Siegfried bestätigt wurde (M. U.=B. 135), trat wohl eine friedliche Scheidung ein. Havelberg verzichtete auf die ihm zugesprochenen Distrikte in Pommern (Ploth, Mezerezs, Citne, Wanzlow und Wozrose), während ihm die ebenfalls noch unter der Herrschaft der Pommernherzöge stehenden Länder Tolenz und Raduir, das heutige Meklenburg=Strelitz, verblieben.

Urkundlich ist über die Grenzlinie bisher Folgendes ermittelt:

Zu Kammin gehörten:

Rosenow, Kastorf, Pinnow und Wrodow 1283 M. U.=B. 1666. Kastorf auch 1304 M. U.=B. 3004.
Gevezin 1313 M. N.=B. 3643.
Chemnitz 1305 M. U.=B. 3004.
Wildberg 1308 M. U.=B. 3233.
Gr.= und Kl.=Teetzleben Klempin a. a. O. Nr. 331 und 974. Treptow 1308 M. U.=B. 3233; Klempin a. a. O. Nr. 72, 84, 126, 177, 214, 328, 508, 529, 952, 974, 1022, 1030, 1032.

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Grischow 1283 M. U.=B. 1666; Klempin Nr. 1029.
Werder 1308 M. U.=B. 3233; Klempin a. a. O. Nr. 900, 1031.
Bollenthin 1308 M. U.=B. 3233.
Spantekow und Boldekow Klempin a. a. O. Nr. 597.
Altwigshagen Klempin Nr. 512.

Sodann in der Ukermark:

Strasburg Klempin Nr. 661, 707, 971.
Lübbenow Klempin Nr. 67, 662.
Fürstenwerder 1358 M. U.=B. 8504.
Crewitz 1281 P. U.=B. 1205.

Havelbergisch dagegen waren:

Gr.=Lukow und Weitin 1170 M. U.=B. 95.
Penzlin und Wulkenzin 1339 M. U.=B. 5960.
Zierzow 1350 M. U.=B. 7061.
Neddemin, welches zum Archidiakonate Friedland gehörte, 1325 M. U.=B. 4634, 8; 1385 M. U.=B. 11695.

Dieses Havelbergische Archidiakonat reichte nach Norden bis zum Landgraben, während seine Ostgrenze [im nördlichen Theile] ebenfalls wohl der heutigen Landesgrenze von Mecklenburg=Strelitz entsprach."

Bis hierher haben Wiesener's Ausführungen über die Kamminer Diöcesangrenze unmittelbares Interesse für Meklenburg, und eine durch Belegstellen vermehrte Wiedergabe an diesem Orte verlohnte sich. Die nun in Wiesener's Aufsatz folgenden Grenzen Kammins gegen das Bisthum Brandenburg sind von geringerer Bedeutung für Meklenburg und mag daher ein Auszug aus dem von Wiesener Gebotenen hier genügen.

Das Uckerland war bereits im Jahre 949 bei der Stiftung von Brandenburg diesem Bisthum zugetheilt, allein es war ihm nicht gelungen, in diesem streng heidnischen Lande Fuß zu fassen. Durch das Eindringen der Herzöge von Pommern in den meklenburgischen Südosten (bis zur Müritz) und in das Uckerland zog auch der Einfluß des Kamminer Bisthums in diese Landestheile mit ein. Das Vordringen der Markgrafen gegen Pommern im Anfange des 13. Jahrhunderts setzte auch diesem Streben nach geistlicher Machterweiterung ein Ziel. Der schon erwähnte Kampf des Bisthums Schwerin mit Kammin über ihre Grenzen wurde in gleicher Weise auch von den anderen an Kammin grenzenden Bisthümern Brandenburg, Lebus und Gnesen geführt. Dem Streben der brandenburger Bischöfe, sich auf Kosten der Kam=

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miner Diöcese zu bereichern, machte der Vertrag von 1250 ein Ende, durch den Barnim I. von Pommern die ganze Uckermark an die Markgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg abtrat. Es wurden dabei die Rechte des Bischofs von Kammin an dem abgetretenen Landestheil im damaligen Umfange ausdrücklich vorbehalten (P. U.=B. 512). Die dadurch entstandene Grenze ist später unverändert beibehalten. Wiesener giebt sie a. a. O. S. 122 und 123 (unter Hinzufügung von Belegstellen) in folgender Weise an:

Kamminisch waren: Hardenbeck, Claushagen, Herzfeld, Petznick, Gerswalde, Flieth, Hessenhagen, Ringenwalde, Glambeck.

Die Nordgrenze von Brandenburg 1 ) dagegen ging von Feldberg über Läven, Carwitz, Thomsdorf, Brusenwalde, Rosenow, Warthe, 2 ) Jakobshagen, Klosterwalde, Milmersdorf, Götschendorf, Petersdorf, Libbesicke und Gollin. Von da ab bildete die Welse bis zu ihrem Einfluß in die Oder die Grenze, so daß Kerkow, Crüssow, Schönermark und Schwedt noch zu Brandenburg gehörten.

Die Grenzen des Kamminer Bisthums jenseits der Oder, die nun von Wiesener geschildert werden, mit Lebus, Posen, Gnesen und Cujavien sind für Meklenburg belanglos. Es genügt darauf hingewiesen zu haben.

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1) Die Matrikel des Bisthums Brandenburg (Riedel, Cod. dipl. Br. I, 8, S. 418 ff.) ergiebt an Meklenburg=Strelitzschen Ortschaften, die zur Brandenburgischen Diöcese gehörig sind, folgende: Buchholz, Dannenwalde, Pozern, Ringsleben, Tornow, Barsdorf, Blumenow, Dabelow, Gnewitz, Hasselförde, Triepkendorf, Krüselin, Mechow, Läven, Feldberg, Carwitz.
2) Warthe gehörte nach Riedel, C. d. Br. I, 21, 47 1374 sicher zu Brandenburg, was Wiesener übersah.
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II.

Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen. 1 )

Von
Archivar Dr. Hans Witte .
~~~~~~

W ilhelm Ulenoge ist ein Zeit= und Schicksalsgenosse Alfonso Ceccarellis, 2 ) der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien die Urkundenfälschung gewerbsmäßig betrieb und im Jahre 1583 seine zahlreichen Verbrechen mit dem Tode büßen mußte. Wie bei Ceccarelli, so war es auch bei Ulenoge niedrige Gewinnsucht, die zur Hingabe an ein verbrecherisches Gewerbe geführt hatte. Aber zwischen der Thätigkeit beider besteht doch insofern ein Unterschied, als wohl für Ulenoge, nicht aber für Ceccarelli das Streben nach materiellem Vortheil allein die Gelegenheit zum ergiebigen Betriebe des Fälschergewerbes darbot. Das zu jener Zeit die italienischen Adeligen beherrschende Streben, den Ursprung ihrer Familien in möglichst frühe Zeit zurück zuverlegen, gab Ceccarelli die Handhabe, reichen Lohn zu ernten, indem er diesem Familienehrgeiz durch geschickt angelegte Fälschungen zu Hülfe kam. Was aber Ulenoge seine Kundschaft zuführte, war lediglich das Streben nach Besitz. Für das an Ceccarelli gespendete Gold erwarben die Betrogenen nur einen vorüber gehenden Glanz ihres Namens, sie büßten eine Modethorheit mit schweren Opfern; die Kunden Ulenoges wollten durch die geringsten Opfer möglichst großen materiellen Gewinn ernten. Auch wenn sie die Betrogenen waren, suchten sie die ausbedungene Bezahlung hinauszuschieben oder ganz zu umgehen. Waren sie


1) Nach den im Großh. Geh. und Hauvtarchiv zu Schwerin aufbewahrten Prozeßakten nebst den eingelieferten gefälschten Urkunden.
2) Ueber ihn A. Riegl in den Mittheilungen des Instit. f. Oesterr. Gesch.=Forschung XV (1894), S. 193-236.
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aber Ulenoges Mitschuldige oder wußten um seine Verbrechen, so konnten sie ihn um sehr billigen Lohn für sich arbeiten lassen.

Ulenoges Lebensgeschichte liegt im Dunkeln. Wir wissen nur, daß er aus Westfalen stammte und in Rostock, wo er in kinderloser Ehe verheirathet war, den Beruf eines Notars ausübte. Ein Bruder von ihm, Georg mit Namen, war Bürger zu Stralsund.

Nur wenige Jahre hatte Ulenoge seine Fälschungen betrieben, als er durch einen Zufall entdeckt wurde: Mitte November 1569 war in Rostock der Graveur Lambrecht Albrechts, gebürtig aus Hasselt in Geldern, wegen Wahrsagerei und Zauberei verhaftet worden. Die bei ihm vorgenommene Haussuchung förderte die Abdrücke mehrerer alter herzoglich meklenburgischer Siegel zu Tage. Als man den verhafteten Graveur nach der Herkunft dieser Abdrücke fragte, bekannte er freiwillig, daß im vergangenen Sommer Wilhelm Ulenoge im Auftrage der Herzöge die entsprechenden Siegel bei ihm bestellt habe.

Der dadurch auf Ulenoge gelenkte schwere Verdacht wurde noch verstärkt durch die umlaufenden Gerüchte, nach denen Ulenoge an manche Adelige Briefe verkauft und im verflossenen Sommer durch vier Schreiber Pergament=Urkunden habe anfertigen lassen. Mehr aber noch als dies sprach gegen ihn der Umstand, daß er flüchtig geworden war. In Ribnitz, wo er sich angeblich aufhielt, war er für Bürgermeister und Rath zu Rostock nicht mehr erreichbar. Diese meldeten daher das Geschehene den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich, die dann das Weitere zur Festnahme des Flüchtlings und zur Beschaffung des nöthigen Beweismaterials veranlaßten. Am 9. Dezember erging ein Befehl Herzog Ulrichs an den Rostocker Rath, Haus und Sachen des Notars Ulenoge zu versiegeln; und Tags darauf befahl Herzog Johann Albrecht dem Amtmann, sowie Bürgermeister, Stadtvogt und Gericht zu Ribnitz, in aller Stille Wilhelm Ulenoge gefänglich anzunehmen "vnd gebunden vnd wol verwart auf einem Wagen . . . anhero [nach Schwerin] zu pringen", auch nöthigenfalls für Geleitsleute zu sorgen.

Den eifrigen Nachforschungen, die jetzt auf Geheiß der Herzöge und durch die Stadt Rostock angestellt wurden, gelang es, einiges wichtige Material beizubringen: So konnten am 15. Dezember Bürgermeister und Rath zu Rostock dem Herzog Ulrich die Gefangennahme eines der Ulenogeschen Schreiber, des Nicolaus von Stade, berichten. Dieser hatte sofort gestanden, auf Veranlassung und nach den Konzepten Ulenoges für die

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Moltkes zu Teutenwinkel 18 bis 19 Urkunden auf Pergament geschrieben zu haben. Am 17. Dezember war Rostock bereits im Besitz einer weiteren hochwichtigen Nachricht, die es ermöglichte, die Spur des inzwischen aus Ribnitz entwichenen Ulenoge wieder aufzunehmen. Dieser sollte nach glaubwürdigem Berichte am Dienstag, den 13. Dezember, mit der verwittweten Frau von Moltke in Tüzen bei Neubukow gewesen sein und beabsichtigen, in seine westfälische Heimath zu entkommen.

Aber wie schon vorher die Ribnitzer Meldung, so führte auch diesmal die gute Nachricht nicht zur Ergreifung des Flüchtlings. Der Stadtvogt von Neubukow fand ihn nicht mehr in Tüzen vor und mußte sich mit der Festnahme des dortigen Vogtes Hans Arends begnügen, der dann allerdings wichtige Aussagen über die weitere Flucht Ulenoges und die ihm dabei gewordene Unterstützung machen konnte.

Während so alle Mittel in Bewegung gesetzt wurden, um des Flüchtlings habhaft zu werden, eilte dieser unstät von Ort zu Ort. Sowie die Ergreifung des Wappenschneiders Albrechts ihm zu Ohren kam, war er aus Rostock entflohen in der Meinung, dieser wäre seinetwegen gegriffen worden. Zunächst begab er sich nach Ribnitz. Aber hier litt es ihn nicht lange; schon am Abend des 18. November erschien er zu Teutenwinkel im Hause Elisabeths von Halberstadt, der Wittwe Carin Moltkes, angeblich durch ein Schreiben von deren Tochter Ilse Hand herbeigerufen. Tags darauf kehrte er schon wieder nach Ribnitz zurück, wo er im Hause Gottschalk Preens abstieg. Mit diesem fuhr er Montag, den 21. November, nach Wehnendorf zu Heinrich Preen, um einen Vertrag über die Preenschen Erbgüter vermitteln zu helfen. Am Mittwoch, den 23. November, traf er wieder in Teutenwinkel ein und stieg in Abwesenheit von Carin Moltkes Wittwe im Kruge ab; erst am Donnerstag Abend hatte er eine Unterredung mit ihr auf dem Hofe.

Carin Moltkes Wittwe hatte durch eine Magd zwei gefälschte Moltkesche Petschafte aus Ulenoges Schreiblade in Rostock holen lassen. Die Magd brachte auch Ulenoges Gattin mit, die nun zum ersten Male mit ihrem Manne seit dessen Flucht zusammentraf. Das Wiedersehen war nur von kurzer Dauer. Als Ulenoges Gattin begann, der Herrin von Teutenwinkel Vorwürfe zu machen, wurde ihr von dieser der Hof verboten.

Ulenoge selber fuhr am Freitag, den 25. November, wieder nach Ribnitz zu Gottschalk Preen, den er am Sonntag nach Pantlitz in Pommern begleitete, wo Angelegenheiten der Familie

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Steinkeller geregelt werden sollten. Mittwoch Abend kehrten sie mit einander nach Ribnitz zurück.

Am Donnerstag, den 1. Dezember, kam Ulenoges Bruder Georg, der Stralsunder Bürger, auf einer Reise von Lübeck durch Ribnitz und nahm den Flüchtigen am Freitag auf seinem Wagen mit nach Stralsund. Dort blieb Ulenoge nur Sonnabend und Sonntag und fuhr am Montag, den 5. Dezember, wieder nach Ribnitz und von dort, nachdem er wieder mit Gottschalk Preen zusammengekommen war, am Mittwoch wieder nach Teutenwinkel.

Bis dahin gewähren die im Zickzack unternommenen Reisen Ulenoges durchaus nicht das Ansehen einer Flucht. Indem er es vermied, Rostock zu berühren, aber sehr häufig in nächster Nähe der Stadt weilte, konnte er stets über die sich dort entwickelnden Dinge unterrichtet sein. Und diese hatten bis dahin für ihn noch keine ungünstige Wendung genommen. Die Verhaftung des Graveurs Lambrecht war nicht, wie Ulenoge vermuthet hatte, wegen dessen Mithülfe an den Fälschungen geschehen. Trotzdem war es durch die Vorsicht geboten, daß Ulenoge sich einstweilen an Orten aufhielt, an denen er nicht von den Rostocker Behörden ergriffen werden konnte. Denn so lange die Verhaftung und das Verhör des Graveurs andauerte, konnte jeder Tag zur Entdeckung der Geschäftsverbindung beider führen. Wurde der Graveur wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne daß diese Angelegenheit zur Sprache kam, so konnte Ulenoge wie von einer längeren Geschäftsreise wieder nach Rostock zurückkehren. Andernfalls, scheint er gehofft zu haben, auch nach der Entdeckung seiner Fälschungen noch genügend Zeit zu haben, sich durch eine beschleunigte Flucht in Sicherheit zu bringen.

Von Mitte November bis in den Dezember hinein war er so von Rostock abwesend, aber doch noch nicht eigentlich auf der Flucht gewesen. Zweimal war er während dieser Zeit in Pommern und hätte, sich von dort wohl weiter helfen können, wenn er nicht an der Möglichkeit festgehalten hätte, noch unentdeckt zu bleiben. So war er wieder nach Meklenburg und in die Nähe von Rostock zurückgekehrt.

Aber jetzt nach seiner zweiten Rückkehr aus Pommern sollte für ihn die Entscheidung fallen. Als er am Mittwoch, den 7. Dezember, wieder in Teutenwinkel eintraf, war man in Rostock bereits auf die Spur seiner Uebelthaten gekommen. Am gleichen Tage hatten Bürgermeister und Rath von Rostock ihre Entdeckung den Herzögen von Meklenburg mitgetheilt, und von nun an war Ulenoge an keinem Orte des Landes mehr sicher. Jetzt wagte

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es auch Carin Moltkes Wittwe nicht länger, ihn in Teutenwinkel zu beherbergen. Schon am Donnerstag führte ihn nächtlicher Weile Ilse Moltke auf Geheiß ihrer Mutter in einem Wagen nach Neukirchen, wo sie Freitag Morgens auf dem Moltkeschen Hofe ankamen.

Am Sonntag kam Carin Moltkes Wittwe selber mit Ulenoges Gattin nach Neukirchen nach. Letztere versorgte ihren Mann mit den zur Fortsetzung der Flucht nöthigen Geldmitteln. Sie brachte ihm angeblich "104 stück golts vnd etlich muncz gelt biß in 3500 fl." Hier in Neukirchen sollen auch Kopieen falscher Briefe verbrannt worden sein. 1 ) Zur Fortsetzung der Flucht wurde wieder die Nacht benutzt. Carin Moltkes Wittwe führte selber Ulenoge zu Wagen in der Nacht von Montag auf Dienstag nach Mitternacht von Neukirchen fort. Etwa zwei Stunden vor Tagesanbruch kamen sie am Dienstag, den 13. Dezember, auf einem anderen Moltkeschen Gute, dem schon erwähnten Tüzen, an.

Während Ulenoge hier bis Sonnabend blieb, kehrte Carin Moltkes Wittwe sofort nach Neukirchen zurück. Erst am Sonnabend früh, am 17. Dezember, kam sie wieder nach Tüzen und brachte die Nachricht mit, daß ihr Schreiber unter dem Verdacht, mit Ulenoge Handlung gepflogen zu haben, und Ulenoges Gattin in Rostock verhaftet worden seien, daß man sogar ihr, der Wittwe, selber nachtrachtete. Für sie, die sich durch die mehrfache Beherbergung und Weiterhülfe des Flüchtlings schon schweren Verdacht zugezogen hatte, war es jetzt die höchste Zeit, sich Ulenoges zu entledigen.

Was zwischen beiden bei diesem letzten Zusammentreffen in der Freiheit vorgegangen, darüber besteht durch die sich ergänzenden Aussagen beider ziemliche Klarheit. Der einzige Ausweg, den Moltkes Wittwe noch wußte und Ulenoge anrieth, war sich das Leben zu nehmen. Als Ulenoge sich dessen weigerte, benutzte sie die letzten Stunden des Beisammenseins noch, um wenigstens ein Beweismittel zu erhalten, auf welches gestützt sie ihre Unschuld


1) Diese Darstellung der Flucht Ulenoges stützt sich vorwiegend auf die von ihm selber im Verlaufe des Verhörs gethanen Aussagen. Während Ulenoge im ersten Verhör, am 29. Dezember 1569, dies und jenes zu bemänteln sucht, sind seine im zweiten Verhör (beginnend am 23. Februar 1570) gethanen Aussagen, die er in schweren Folterqualen aufrecht erhielt und mit seinem Tode besiegelte, im Großen und Ganzen zuverlässig. Im Folgenden ist auch die Aussage des Vogtes von Tüzen, Hans Arendes, mit herangezogen. Sie stimmt mit der Ulenogeschen überein.
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an den Ulenogeschen Verbrechen darthun zu können hoffte. Sie forderte und erhielt von Ulenoge eine schriftliche Erklärung des Inhalts, daß er für sie keine falschen Briefe gemacht hätte. Außerdem mußte er schwören, was auch mit ihm geschehen würde, sie nicht anzugeben.

Am Nachmittage desselben Sonnabends wurde Ulenoges Flucht fortgesetzt. Zunächst wurde er von dem Wagentreiber der Wittwe Moltke in einem kleinen Kahn über den Tüzer See gerudert. Ulenoge war durch das letzte Auftreten seiner Beschützerin so eingeschüchtert worden, daß er bestimmt glaubte, sie habe dem Knecht befohlen, ihn in den See zu werfen. Nachdem die angstvolle Seefahrt beendet war, wurde bis zum Anbruch der Nacht im Walde gewartet. Endlich kam ein Wagen, geführt vom Tüzer Vogt Hans Arendes, und nahm den Flüchtigen auf. Vorne im Wagen saßen Ilse Moltke und eine Nonne; Ulenoge nahm hinten im Dunkeln unter dem Wagentuch Platz. Carins Wittwe hatte selber dem Vogt Befehl gegeben, ihre Tochter nach Stück zu fahren.

Vier Pferde vor dem Wagen, hielten sie nicht die gewöhnliche Straße inne, sondern kamen nach einer Nachtfahrt auf Abwegen am Sonntag, den 18. Dezember, früh Morgens in Groß=Trebbow an, als die Leute gerade zur Kirche gingen. Im Kruge von Tarzow hatten sie während der Nacht eine kurze Rast gehalten.

In Groß=Trebbow wurde der Wagen mit Ulenoge in Christoph Rabens Scheune geführt und Ulenoge nicht aus der Scheune gelassen, "vnangesehen das er Kelte halben gerne zum feur gewesen". Bald erschien die aus Stück herbeigerufene Gattin Christoph Rabens. Sie war eine Schwester der Elisabeth Halberstadt, der Wittwe des Carin Moltke. Während mit ihr ein Imbiß eingenommen wurde und darnach eine kurze Unterredung zwischen ihr und Ilse Moltke stattfand, mußte Ulenoge allein in der Scheune warten.

Endlich wurde die Scheune wieder geöffnet; Christoffer Rabens Gattin trat zu Ulenoge herein und erklärte ihm nach einigen Fragen über die Veranlassung seiner Flucht, sie könne ihn nicht verbergen, denn sie säße dem Herzog Johann Albrecht zu nahe vor der Thür; aber sie habe zu Klein=Trebbow einen zuverlässigen Mann, der ihm schon weiter helfen würde.

Darauf wurde er wieder in dem dunklen Hintergrunde des Wagens verborgen, auf dem nun außer den früheren Reisegenossen noch Christoffer Rabens Gattin Platz nahm. In der Nähe von

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Klein=Trebbow wurde Halt gemacht und Ulenoge auf freiem Felde abgesetzt. Hier wurde er von dem erwähnten zuverlässigen Rabenschen Unterthan in Empfang genommen und sammt seinen in einem leinenen Sack verwahrten Habseligkeiten in dessen Behausung nach Klein=Trebbow geführt.

Dort blieb Ulenoge den Montag. Rabens Gattin sorgte für seine Beköstigung. Seinen dringenden Bitten, ihn nach Ratzeburg fahren zu lassen, wo er sicher zu sein hoffte, gab sie indessen wegen Unentbehrlichkeit der Pferde nicht nach. Endlich willigte sie ein, ihn bis Camin bei Wittenburg bringen zu lassen, was denn auch durch seinen Klein=Trebbower Gastfreund am Dienstag, den 20. Dezember, geschah.

In Camin kehrte Ulenoge beim Pfarrer ein, mit dem er durch seine Geschäfte mit dem dort begüterten Achim v. Halberstadt, dem Bruder von Carin Moltkes Wittwe, bekannt war. Hier, nicht mehr weit von der Grenze Meklenburgs, brach seine Thatkraft völlig zusammen. Daß er überhaupt bis dahin, fast durch ganz Meklenburg von Ost nach West, seine Flucht hatte glücklich bewerkstelligen können, dankte er wohl überhaupt weniger der eigenen Energie, als der entschlossenen Unterstützung einflußreicher Personen, denen alles daran gelegen sein mußte, ihn möglichst bald aus dem Gesichtskreis verschwinden zu lassen.

Im Caminer Pfarrhause fand er wohl eine mitleidige Aufnahme, aber eine thatkräftige Weiterhülfe, die ihn aus seiner dumpfen Niedergeschlagenheit aufgerüttelt hätte, konnte ihm hier, wo man die eigentliche Ursache seiner Flucht nicht kannte, nicht zu Theil werden. Auf sich selber gestellt, hatte er nicht mehr den Muth, seine Flucht fortzusetzen. Die namenlose Angst, die ihn nun schon so lange peinigte, hatte seine Phantasie so sehr erregt, daß überall, wo er nur hingesehen, "da hette ihn gedeucht, als were eithell waßer vnd feur fur ihm". So verschob er einen Tag um den andern die Fortsetzung seiner Flucht, bis er am Montag, den 26. Dezember, durch einen Knecht Halberstadts ergriffen und auf dessen Hof zu Camin gebracht wurde. Von hier wurde er am folgenden Tage durch einen Diener des Wittenburger Küchenmeisters abgeholt und weiter nach Schwerin befördert.

Am Donnerstag, den 29. Dezember, stand er zum ersten Male vor dem Gerichte des Herzogs Johann Albrecht in der Hofstube zu Schwerin und wurde vom Kanzler Husanus und von Andreas Mylius verhört. Auf die Einzelheiten dieses Verhörs und auf alle Wendungen des sich daran anschließenden langwierigen

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Prozesses näher einzugehen, würde zu weit führen. An der Hervorhebung der Hauptpunkte aus den Verhören und an einer Skizzirung des Ganges des Verfahrens mag es genug sein.

Das Bekenntniß, welches Ulenoge am 29. Dezember ablegte, war kein umfassendes und außerdem verdunkelt durch das Bestreben des Verbrechers, sein Thun durch erdichtete Beweggründe zu beschönigen. So leugnete er zwar keineswegs die Nachstechung der Siegel der drei Herzöge Albrecht III., Heinrich IV. und Magnus II.; aber diese Fälschung sei nicht von ihm ausgegangen, vielmehr habe der in Rostock gefänglich eingezogene Graveur ihn dazu verführt, diese drei Siegel nachstechen zu lassen. Diese habe er dann benutzt zur Besiegelung herzoglicher Briefe, die er zu Gunsten der Preene wider die Stadt Rostock über einige streitige Dörfer gefälscht hätte. Weitere Fälschungen habe er nicht vorgenommen und auch die genannten nur aus Haß gegen den Rostocker Rath, der ihn vor zwei Jahren aus dem Rathhause verwiesen habe, weil er kein Bürger sei und alles, was dort heimlich geschehe, den Herzögen offenbare. Ferner gab er gegen die Wahrheit an, er habe die gefälschten herzoglichen Petschafte auf seiner Flucht in die Recknitz geworfen.

Bald jedoch erkannte Ulenoge, daß er durch solche Beschönigungen und Erdichtungen die verdiente Strafe nicht abwenden konnte. Er gab mehrere schriftliche Erklärungen zu den Acten und ergänzte bezw. berichtigte durch sie die in dem ersten Verhör gethanen Aussagen. Vor allem gestand er jetzt rückhaltlos seine mit Carin Moltkes Wittwe unterhaltene verbrecherische Verbindung. Inzwischen waren von verschiedenen Seiten Mittheilungen eingegangen, durch die das Belastungsmaterial vervollständigt wurde. Auch gefälschte Briefe waren eingereicht worden. Um aber möglichst aller Ulenogeschen Fälschungen habhaft zu werden und sie so am besten unschädlich machen zu können, erließen beide Herzöge am 30. Januar 1570 von Güstrow aus an alle Prälaten, Herren von der Ritterschaft, Amtleute, Städte und alle Unterthanen bei Strafe des Verlustes der Lehen und Güter den scharfen Befehl, "das ein iglicher vnter euch, der jemals mit Vlenogen einiges briefes halben gehandelt oder deren einen oder mehr von Ihm erlanget, . . . . zwischen dato dises vnsers gepots vnd dem ersten schirstkunftigen tag Martii sich bei vns anzeige vnd vns den oder dieselbigen briefe in originali furlege." Die darauf eingegangenen falschen Urkunden bilden noch heute im Geh. und Hauptarchiv ein stattliches Bündel.

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Kurz vor Ablauf dieses Termins, am 23. Februar 1570, begann Husanus vor Johann Albrecht und dessen Rath das zweite Verhör Ulenoges "in der guthe, yedoch mitt bedrauwung der scherffe". Das Verhör wurde am folgenden Tage fortgesetzt. Ulenoge legte ein umfassendes Bekenntniß ab. Er gestand, daß die nachgemachten herzoglichen Petschafte nicht von ihm in die Recknitz geworfen seien, wie er bei dem ersten Verhör vorgegeben hatte, sondern daß sie sich in den Händen von Carin Moltkes Wittwe befänden. Er gestand ferner nach einem Versuche, seine frühere Aussage aufrecht zu erhalten, daß ihm die Nachstechung der drei herzoglichen Petschafte nicht von dem Graveur Lambert Albrechts nahegelegt worden sei, sondern daß er selber sie bei jenem bestellt habe. Nicht von dem Graveur, sondern von Carin Moltkes Wittwe sei er dazu angestiftet worden. Auch Ilse Moltke habe um die Fälschungen gewußt, sonst aber niemand aus der Familie.

Außer an Carin Moltkes Wittwe gestand er noch gefälschte Urkunden geliefert zu haben an Angehörige der Familien Vieregge, Schmecker, Behr zu Nustrow, Preen, Kardorff, Zepelin, Halberstadt und an die Stadt Sülze.

Sein Beruf als Notar brachte ihn mit weiten Kreisen des Landadels in Berührung. Und wie er es anstellte, an diese seine Erzeugnisse abzusetzen, hat Ulenoge bezüglich der Familie Preen schon im ersten Verhör auseinandergesetzt und in seinen späteren handschriftlichen Ergänzungen auch auf die meisten seiner sonstigen Kunden ausgedehnt. Bei den geschäftlichen Zusammenkünften, die er mit ihnen als Notar hatte, ließ er verlauten, ihm seien hier oder dort alte Urkunden zu Gesicht gekommen, deren Besitz ihnen und ihren Angehörigen von großem Nutzen sein würde. Durch seine Berufsthätigkeit war ihm genau bekannt, welche Güterstreitigkeiten zwischen den in weitem Umkreise angesessenen Adelsfamilien bestanden. Ging man auf seine Anregung ein, so war es ihm ein Leichtes, eine Kopie vorzulegen, deren Inhalt irgend einen Güteranspruch der betreffenden Familie stützte. Wurde dann auf Grund dieser angeblichen Kopie der Handel abgeschlossen, so fälschte Ulenoge darnach das Original und verkaufte es an die Interessenten. Von den Preens verdiente er auf diese Weise nach eigenem Geständniß 333 1/2 Thaler, von Matthias Vieregge 300 Thaler, von Schmecker 200 fl. Das wäre für die kurzen zwei Jahre, die Ulenoge als Fälscher thätig war, ein ganz ansehnlicher Verdienst, besonders wenn man bedenkt, daß er nur von dem kleineren Theile seiner Kundschaft herrührte und vor allem seine Hauptkundin bei dieser Aufstellung fehlt.

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In Wirklichkeit aber hat er wohl einen größeren Nutzen aus seiner Fälscherthätigkeit gezogen, als man aus obigen Zahlen schließen dürfte. Denn diese Zahlen scheinen erheblich zu niedrig gegriffen zu sein. Wenigstens wissen wir aus einem zu den Akten gegebenen Berichte von Angehörigen der Familie Preen über ihre Beziehungen zu Ulenoge, daß diesem für eine einzige falsche Urkunde 400 Thaler von ihnen bezahlt worden sind.

Alle die hier Genannten hatten, wie Ulenoge selber bekennt, ahnungslos ihr gutes Geld für einige Stücke beschriebenen Pergaments hingegeben, deren Werthlosigkeit sich nur zu bald herausstellen mußte. Vortheilhaft dagegen hatte Achim von Halberstadt gekauft. Der hatte Ulenoge für eine falsche Urkunde einen fetten Ochsen im Werthe von 12 Thalern versprochen, aber keine Zahlung geleistet. Er konnte das, denn, wenn man Ulenoges Aussage Glauben schenken darf, so hatte Halberstadt schon früher einmal, als er eine Urkunde bei Ulenoge bestellte, diesem die Arbeit erleichtert, indem er ihm ein altes von einer echten Urkunde abgeschnittenes Siegel in die Hand drückte.

Halberstadt ist der einzige von allen seinen Kunden, den Ulenoge der Mitwisserschaft und der Beihülfe zeiht, abgesehen natürlich von Carin Moltkes Wittwe mit ihrer Tochter Ilse. Diese beiden waren durch Ulenoges schriftliche wie mündliche Aussagen sehr schwer belastet. Der Moltkeschen Wittwe wollte Ulenoge nicht einmal die Erzeugnisse seiner Kunstfertigkeit angeboten haben; vielmehr behauptete er, von ihr zu seiner Fälscherthätigkeit angestiftet zu sein. Er habe nicht nur die oben genannten drei herzoglichen Siegel auf ihr Geheiß nachstechen lassen, sondern Moltkes Wittwe habe auch selbständig, ohne Ulenoges Vermittlung, die Siegel dreier Vettern ihres verstorbenen Gatten, des Lütke, Claus und Vicke, nachgraben lassen. Auf ihr Drängen habe er dann noch die Fälschung des Petschaftes von Gebert Moltke vermitteln müssen. Damit noch nicht genug, habe sie ihn heftig gedrängt, auch noch das kleine Siegel Herzog Albrechts, zwei bischöfliche und der Stadt Rostock Siegel nachstechen zu lassen. Das sei aber nicht mehr ins Werk gesetzt, "den mich das grauwen anginck".

So sei nicht nur der Anstoß zur Fälscherthätigkeit Ulenoges von Carin Moltkes Wittwe ausgegangen, sondern diese habe selber bei der Herstellung der Fälschungen mitgewirkt. Alle Entwürfe geplanter Fälschungen habe Ulenoge erst seiner Auftraggeberin einreichen müssen. Diese habe die Entwürfe bei sich behalten, genau bedacht, oft Aenderungen mit eigener Hand gemacht,

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darnach einen neuen Entwurf gefordert und oft erst nach mehrfachen Umarbeitungen die Ausfertigung genehmigt.

Endlich stände im Moltkeschen Hause ein "rodt nasch oder schrein", in dem viele alte Siegel verwahrt würden, die von alten Urkunden genommen seien; man habe sie gesammelt, um sie durch Anhängen an gefälschte Urkunden nutzbringend anwenden zu können. In dem genannten Schranke befänden sich auch die nachgestochenen Petschafte.

Diese Aussagen Ulenoges waren sämmtlich ohne Anwendung der Folter gemacht worden. Wollte man auch den Beschuldigungen eines entlarvten schweren Verbrechers kein zu großes Gewicht beilegen, so war doch klar, daß nicht alles aus der Luft gegriffen sein konnte. Und was den belastenden Aussagen Ulenoges ein besonderes Gewicht verlieh, war die Thatsache, daß Carin Moltkes Wittwe dem Flüchtigen nicht nur in ihren Gütern bereitwillig Aufnahme gewährt hatte, als die Kunde von seinen Frevelthaten schon in der ganzen Gegend erscholl und als die Herzöge schon Befehl gegeben hatten, ihn zu ergreifen; sondern sie hatte ihn sogar bei seiner Flucht auf das Nachdrücklichste unterstützt, indem sie ihn in ihrem eigenen Wagen und unter dem Schutz ihrer nächsten Angehörigen aus der Umgegend von Rostock bis nahe an die Westgrenze Meklenburgs befördern ließ.

Das alles waren unanfechtbare Thatsachen, die durch die Aussagen eines Bediensteten der Moltkeschen Wittwe selber, des Vogtes von Tüzen, nach jeder Richtung hin Bestätigung fanden. Dazu kam dann noch das Geständniß des Nicolaus von Stade, eines der Ulenogeschen Schreiber, aus dem mit aller Deutlichkeit hervorging, daß Karins Wittwe sogar mit den Gehülfen Ulenoges verkehrt, ihnen selber Geld für ihre Dienstleistungen bezahlt hatte, also jedenfalls mit dem ganzen Treiben im Hause des Fälschers vollständig vertraut war. Weiter hatte er bekundet, daß stets ein "kleiner Geselle" im Moltkeschen Haufe gesessen und dort für Ulenoge geschrieben hätte.

Dadurch war schon weit mehr geboten als bloße Verdachtsmomente; das alles enthielt schon nahezu die Gewißheit der Mitwisserschaft und der Mitschuld. Es war an der Zeit, daß die Herzöge auch Carin Moltkes Wittwe gegenüber die notwendigen Schritte thaten. Sie einigten sich bald dahin, die schwer Verdächtige durch beiderseits abgefertigte Diener gefangen zu nehmen und dem Rathe der Stadt Parchim zur Verwahrung zu übergeben. Aber kaum war sie am 6. März 1570 auf dem

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Wege nach Güstrow zu den dort versammelten Landständen wirklich gefangen genommen worden und der Befehl ergangen, sie am folgenden Tage nach Parchim weiter zu führen, als sofort ihre Freunde und Verwandten in größerer Zahl 1 ) für sie eintraten und darum baten, sie wo nicht frei, so doch zu Güstrow in der Herberge zu lassen, indem sie sich mit 20000 Thalern für sie verbürgten. Herzog Ulrich hatte darauf in Abwesenheit seines Bruders ihren einstweiligen Verbleib in Güstrow genehmigt; die Angelegenheit blieb bis zur Rückaußerung des sofort benachrichtigten Herzogs Johann Albrecht in der Schwebe.

Am 20. März wurde zum ersten Verhör der Wittwe Carin Moltkes geschritten. Es fand in der neuen Rathstube des fürstlichen Hauses zu Schwerin statt und wurde durch den Kanzler Heinrich Husanus unter Mitwirkung von Emmeran Zyrinck und Hubert Sieben geleitet.

Auf die erste Vorladung war Carins Wittwe nicht erschienen, sondern hatte sich begnügt, einige ihrer Verwandten zu senden, die sie vor dem Gericht vertreten sollten. Als sie sich endlich auf die bestimmt ausgesprochene Forderung des Gerichts herbeiließ, persönlich zu erscheinen, wurde sie mit einer langen Ansprache begrüßt, in welcher der Gerichtshof neben einer leichten Andeutung des gegen sie Vorliegenden sich in Wendungen des Bedauerns, gegen sie vorgehen zu müssen, erschöpfte. Nachdem die Richter sich hinter dem Befehl der abwesenden Herzöge verschanzt hatten, kamen sie endlich zum Schluß: "dem [herzoglichen Befehl] sie sich alß die vnderthenigen Diener gemeß verhalten müsten, freundtlich vor Ihre Person bittendt, Sie darin entschuldigt zu halten. Sie wolten doch nichts mehr thuen noch gegen Ihr vornhemen, dan soviel Inen zu thun auferlegt vnd befohlen were. Sie trügen auch mitt Ihr ain Christlich freundtlich mittleiden, möchten Ihr auch gern gönnen, das sie aller dieser Vlenogischen hendell vbrig vnd frey sein möchte. Weil sie aber gleichwoll also zu diesenn beschwerlichenn hendeln geraten, So müste man es Godt befehlen, vnd were woll ehe geschehen, das gute leute durch böse buben verfurt vnd in Ire vnfertige Hendel


1) Am 7. März verbürgten sich für sie: "Achim Ribe zu Schonhausen, Christoff Hane zu Basedow, Achim Haluerstadt zu Luttken Prutze, Luttke Basseuitz zur Lueborch, Jochim Rohr zum Neuwen Hause, Köne Hane zu Basedow, Christoff Stralendorff Achims seeliger [!] Sohn, Albrecht von Quitzow vff Stauenouwen, Bartheltt von Bulow zu Wedemendorf, Claus Fineke zum Gnemer."
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mitt eingemenget wehren worden. Vnd weil Sie dan hierüber mitt Ihr vnnd allen den Ihren, wie gehort, nicht allein deß schimpfs, sondern auch des schadens halben, so Ihr vnnd Ihren Kindern auß verderbung Ihrer brieflichen vrkunde zugestanden, ein mittleiden trügen. So hetten Sie befehlch, sie, die frawen, zum eingang zu fragen, Wie sie doch anfenglich mitt Vlenogen in den heimlichen vnnd vertrauten verstandt kommen, daß Er Ihr die alten brieffe also verbessert vnnd dermassen geendert vnd neu gemacht hefte, daß sie auf Irer Kinder seiten lauten vnd Ihnen zutreglich sein solten."

Für das mit dieser Frage endlich eingeleitete Verhör war in Folge der vielen unnützen Redereien nicht viel Zeit übrig geblieben. Es wurde am folgenden Tage wieder aufgenommen, indem der Beklagten die Ulenogeschen eigenhändigen Artikel vorgelesen wurden. Sie leugnete alles. Man schritt zur Konfrontation mit Ulenoge. Und als auch dies nichts half, wurde Ulenoge der Folter unterworfen.

Obwohl Ulenoge sich von vornherein wenig widerstandsfähig gegen körperlichen Schmerz zeigte, hielt er die Folter über drei Stunden lang aus, "biß ihm die hende gahr erschwartzet", wie das Protokoll mittheilt, ohne von seinen Artikeln abzugehen. Er blieb dabei, daß Carin Moltkes Wittwe ihn zu seinen Verbrechen angestiftet, daß sie um jede einzelne für sie gemachte Fälschung gewußt und ihm die Konzepte korrigirt habe. Ferner habe sie beim Anhängen alter echter Siegel an die gefälschten Urkunden, das durch Anschmelzen mit einem glühenden Eisen geschah; beim Besiegeln mit den nachgestochenen Petschaften, wobei dem Wachs etwas Kreide beigemischt wurde, um ihm ein älteres Aussehen zu verleihen; bei dem zu gleichem Zweck vorgenommenen Räuchern der Pergamente sehr häufig nebst ihrer Tochter Ilse mitgeholfen.

Carin Moltkes Wittwe blieb dem gegenüber dabei, Ulenoge als Verführer hinzustellen, gestand aber, bei der Besiegelung mehrerer Stücke mitgewirkt zu haben. Damit hatte sie ungefoltert ihre Mitschuld zugegeben und konnte nur noch auf die Zubilligung mildernder Umstände hoffen.

Auf den Bericht hiervon waren auch die abwesenden Herzöge der Ansicht, daß Carins Wittwe nicht unschuldig, sondern sich selber "des falsches theilhaftig gemacht" habe. Sie einigten sich brieflich, die Akten zur Rechtsbelehrung an die Juristenfakultäten zu Leipzig und Wittenberg zu senden und die unglückliche Frau

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gegen keinerlei Bürgschaft auf freien Fuß zu setzen, sondern sie der ursprünglichen Abrede gemäß nach Parchim in Verwahrsam bringen zu lassen. Obgleich die Moltkesche Freundschaft auch jetzt wieder sich ins Mittel legte und darum bat, die Wittwe "in ansehung Ihrer schwachheitt ond vngelegenheitt biß in ire behausung zu betagen", erging am 12. April 1570 ein gemeinsames Schreiben beider Herzöge an den Rath zu Parchim mit dem Befehle, Moltkes Wittwe in einem Gemach des Rathhauses zu verwahren, sie Tag und Nacht bewachen zu lassen, ihr keinerlei persönlichen oder brieflichen Verkehr zu gestatten und sie gegen Zahlung zu beköstigen.

Dabei war nur das nicht bedacht, daß sich Parchim zur Erfüllung dieses Auftrages sehr wenig eignete. Als die Gefangene dort ankam, fand sich im Rathhaus kein einziges Gemach, das geeignet gewesen wäre, sie aufzunehmen. Man half sich, indem man sie einstweilen in einer Herberge verwahrte. Aber das schien den Parchimer Stadtvätern nicht sicher genug zu sein; sie setzten alle Hebel in Bewegung, die ihnen aufgebürdete Verantwortung wieder von sich abzuwälzen, indem sie wiederholt erklärten, daß weder im Rathhaus noch sonstwo in Parchim ein zweckentsprechendes Gemach vorhanden wäre, und daher baten, die Gefangene an einen andern Ort zu bringen.

Dazwischen hinein kamen dann noch neue Anträge der Moltkeschen Verwandtschaft wegen Ansetzung eines öffentlichen Verhörs, Mittheilung der Akten, Aufhebung der Bewachung gegen Kaution. So schleppte sich der Prozeß endlos dahin; um nur seinem Abschluß etwas näher zu kommen, verhörte man Ulenoge hinsichtlich seiner weiteren Kundschaft.

Während dessen waren die erforderten Rechtsbelehrungen der Juristenfakultät zu Leipzig, des Hofgerichts zu Wittenberg und des Schöppenkollegiums beider Städte Brandenburg eingegangen. Sie erklärten einmüthig, daß bei dem vorzunehmenden ferneren Verhör wenn nöthig die Folter gegen Moltkes Wittwe angewandt werden dürfe. Das Leipziger Gutachten führte dann noch weiter aus, daß, selbst wenn die Beklagte nichts weiter bekennen sollte, sie doch wegen des schon Gestandenen mit Konfiszirung ihrer Güter und ewiger Landesverweisung zu bestrafen sei.

Diesem Leipziger Gutachten traten am 13. Oktober die herzoglichen Räthe bei. Die Aufstellung der Inquisitionsartikel wurde angeordnet, und am 7. Februar 1571 war die Angelegenheit endlich so weit gediehen, daß beide Herzöge Carin Moltkes

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Wittwe nebst Tochter wegen Anstiftung und Beihülfe zur Fälschung, Beherbergung und Forthülfe des Fälschers auf den 19. März nach Schwerin zitirten.

Carins Wittwe antwortete auf die Zitation, indem sie fünf Forderungen stellte. Sie verlangte:

  1. in Anbetracht ihrer Unschuld und adeligen Standes sie nach einjähriger Gefangenschaft gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen oder sie wenigstens in ihrem eigenen Hause gefangen zu halten;
  2. daß ihr als Frau curatores ad litem gestellt würden;
  3. Verlängerung des ihr gesetzten Termines;
  4. Gestattung schriftlichen Verfahrens;
  5. Abschriften der gefälschten Briefe und der früheren Bekenntnisse beider.

Da die Herzöge jeden Schein eines übereilten und voreingenommenen Verfahrens meiden wollten, mußte auch wegen dieser fünf Forderungen wieder von auswärts Rechtsrath eingeholt werden. Dies übergroße Entgegenkommen äußerte denn auch sogleich seine Wirkung auf Carin Moltkes Wittwe, indem diese formell Einsprache dagegen erhob, daß den auswärtigen Kollegien als Material zur Ertheilung der Rechtsbelehrung das von ihr nicht ratifizirte Protokoll ihrer Bekenntnisse mit übersandt worden war.

Am 12. Juni 1571 endlich konnten die Herzöge auf Grund der inzwischen eingegangenen Rechtsbelehrungen verordnen, daß der Fiskal alsbald seine Anklageschrift übergeben und der Prozeß dann nach Maßgabe der genehmigten Punkte 4 und 5 der Moltkeschen Forderungen seinen Fortgang nehmen solle. Während dessen solle aber die Angeklagte in ihrer Haft bleiben.

Der zur Beantwortung der Anklageschrift gestellte monatliche Termin wurde auf Bitten der Beklagten und ihrer Verwandtschaft, die auch den Herzog Christoph, Administrator von Ratzeburg, für diese Sache zu interessiren gewußt hatte, noch mehrfach hinausgerückt und endlich auf den 24. Oktober festgesetzt.

Aber erst am 27. Oktober wurde die Antwort der Angeklagten übergeben. Sie bestand im Wesentlichen darin, daß Carins Wittwe alles, was sie vorher bereits gestanden hatte, ausdrücklich widerrief, da es nur "aus fräwlicher blödigkeitt vnd auß grossen schreckenn in beysein der Fronen vnd anderer Leute gescheen sey". Der Fiskal beantragte darauf, zur scharfen Frage überzugehen. Und nachdem die Verwandtschaft noch einmal um

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Freilassung der Angeklagten gebeten hatte, entschieden die Herzöge endlich am 17. März 1572 gemäß dem Antrage des Fiskals, daß mit der scharfen Frage gegen die Angeklagte vorzugehen sei, falls diese bei der Verleugnung ihrer früheren Geständnisse verharren sollte.

Am 21. März wurde zum abschließenden Verhör der Wittwe Carin Moltkes und Ulenoges nach den 32 Artikeln des Fiskals geschritten. Die Wittwe leugnete ihrem letzten Widerruf gemäß alles, was sie irgend belasten konnte, während Ulenoge unter Angabe weiterer Einzelheiten bei seinen früheren Aussagen beharrte.

Nachdem Ulenoge seine Aussagen nochmals feierlich betheuert hatte, wurde er abgeführt und der Scharfrichter der Frau vorgestellt. Sein bloßer Anblick wirkte schon so viel, daß die Wittwe bekannte, Ulenoge befohlen zu haben, durch Umschreiben alter Briefe neue zu machen; sie sei auch dabei gewesen, wie die Siegel an die gefälschten Urkunden gehängt wurden, habe es aber nicht befohlen, noch auch dazu geholfen. Als ihr darauf für kurze Zeit eine Schraube auf ein Bein gesetzt wurde, ließ sie sich zu keinen weiteren Geständnissen herbei. -

Für Ulenoge waren inzwischen lange und qualvolle Monate dahin gegangen. Schon auf der Flucht war seine Tatkraft völlig erlahmt, so daß er sich nicht mehr dazu aufraffen konnte, die kurze Strecke von Camin bei Wittenburg bis über die Grenze zurückzulegen. Seine Ergreifung, die Verhöre und die strenge Haft hatten auch sein körperlicher Wohlbefinden untergraben. Von Anfang seiner Gefangenschaft an klagt er über Schwäche und Kopfschmerz.

Die schwere Folterung, die er am 21. März 1570 über drei Stunden lang erdulden mußte, hat er wohl nicht mehr völlig verwinden können. Wie sollte er sich in der harten Gefangenschaft erholen, in der es ihm an der allernöthigsten Pflege des Leibes gebrach? Als er am Tage nach seiner Folterung dem Kanzler Husanus noch einmal schriftlich seine Aussagen bekräftigte, sah er sich gedrungen, um Reichung eines seiner Hemden zu bitten, "damitt das mych die worm im lebendt nicht magk vortzerenn".

Als Ulenoge später erfuhr, daß Carins Wittwe ihre vorher gethanen Bekenntnisse widerrufen habe, betheuerte er in einem Schreiben vom 1. August 1571 den herzoglichen Räthen unter Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit, daß sein Bekenntniß wahr sei. "Und so es nicht anderß sein kann" - fuhr er fort -

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"das ich nicht gnade magk erlangen, will ich den dott willich vnnd gerne darvmb leiden, dieweill sch doch durch grossen grham vnnd hefftige wehetage des haupts vnnd bedrengung meiner gefengknus offt meiner vornunfft beraubett werde." Daher bittet er um Christi Leiden willen, beim Herzog Fürsprache einzulegen, daß seine Pein gekürzt oder doch sein Gefangniß gelindert würde. Denn nicht einmal das Nöthigste würde ihm gereicht; bäte er um das ihm bewilligte Bier, "so lest mich der kellerknechtt enttbieten, Ich soll hellisch fewr sauffen . . . . der koch: will ichs nicht fressen, ich sols in den dranck stürtzen . . . . vnd wolt also Tausenttmhall lieber Todt sein dan leben".

Aber noch manche Monate sollten dahin gehen, bis endlich der erlösende Tod nahte. Nach dem letzten Verhör mit Carin Moltkes Wittwe, das am 21. März 1572 stattfand, wußte Ulenoge, daß nun seine Tage gezählt waren. Er betheuerte noch einmal, am 27. März, schriftlich seine Aussage, "welche ich will bekrefftigenn mitt meinem Thode vnnd blude, das es whar sei, darauff ich auch das whare leib vnnd bludtt vnsers hernn Jhesu Christi Empfahen will".

Als er diese seine letzten Worte niederschrieb, war sein Schicksal schon besiegelt. Tags zuvor bereits hatten beide Herzöge an Bürgermeister und Rath zu Güstrow geschrieben, daß sie am nächsten Freitag früh (den 28. März) "eine peinliche rechtfertigung vor der gemeinen Landtschafft alhier auf dem Marckt ergehen zu lassen entschlossen, zu dem behueff das Gericht mitten auf dem Marckt vnter dem offenen himmel bestellet, geheget vnd ettvas ansehenlicher vnd stadtlicher, dan sonst inn andern gemeinen Stadtgerichten gebreuchlich, besetzet werden soll vnd muß". Sie befehlen daher, zu den gewöhnlichen beiden Gerichtsschöppen, Simon Leupold und Jacob Krüger, noch zwei aus ihrer Mitte, nämlich Christian Klevenow und Joachim Kunnich zu verordnen; dazu aus der Bürgerschaft hundert bewaffnete Männer aufzubieten, "die alßdan in ihrer rüstung einen ringk schlagen vnd Platz halten".

Der Urtheilsspruch, an dessen Vollziehung die Stadt Güstrow in der eben beschriebenen Weise mitwirken sollte, hatte nachstehenden Wortlaut: "Nachdem Wilhelm Vlenoge, welcher sich ein Zeit langk in diesenn Landen für einenn Notarien gebrauchen lassen, etliche der durchleuchtigen hochgebornen fursten vnd hern hern Johans Albrecht vnd hernn Vlrichen gebrudern hertzogen zu Mecklnburgk vnser gnedigenn fursten vnd hernn seliger vorelter loblicher gedechtnus furstliche siegel nachgrabenn lassenn,

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viel falsche brieffe in mercklich grosser antzall gemacht, die siegel darfur gehengt vnd vielen vnderscheidlichen Personen vonn dem adel auch andere ihre f. G. vnderthanenn verkaufft, alles vnter dem schein, als hette er die selb eins teils in klosternn, Eins teils aber bei einem altenn Pfaffen zu Lübeck gefunden vnd an sich gebracht, vnder welchem falschenn brieffen fast in die 40 befunden worden, welche meistenn teils mit den newen falschen siegelnn, etliche aber mit Rechten wahrhafftigen alten siegeln ihr F. G. vorfahrnn zum teil Kuniglichen, zum teil auch furstlichen Insieglen behengt, so von andern alten brieffen abgetzogen vnd mit der alten sieden zu rugk inn new wachs an die falschenn Newen briff angeklebt vnd angeschmeltzt seindt, welche brieffe alle mit einander denn Moltken zum Toitkenwinckel zugut vnd vorteil, aber dagegen den Moltken zum Streitfelt vnd vielen andern vom adel auch J. F. G. selbst, dem stifft Swerinn vnd der stadt Rostock zu schadenn vnd nachteil lauten, daran seligenn Carin Moltkens nachgelassene witwe schuldig vnd teilhafftig, von ihme angetzogenn worden, wie sie dan fur ihr f. g. dartzu vorordenten Räten, Secretarien vnd Notarien zum teil gestanden vnd vnter andern bekandt laut daruber aufgerichtet Instrument vnd vortzeichenter actenn; welches alles Wilhelm Vlenoge mit allen seinen vmbstenden, wie obgemelt nach der lenge, beides in der gutte vnd peine beharlich vnd bestendiglich bekandt vnd noch darauff bleibt vnd bestehet, Vnd also auß seiner eigen friewilligen vnd beharlichen bekentnuß solchenn abscheulichen vnd nicht uiel gehortenn begangenen falsches vberzeugt ist, Als Erkennen hiemit J. F. G., das er mit dem schwert vom leben zum todt gerichtet, darnach in vier teil zerschnitten auch dieselbige auff die vier wegscheiden vor der stadt auffgehengt werden soll. Von Rechs wegen. Vrkundtlich mit J. F. G. Secreten besiegelt. "Actum Gustrow 28 Martii anno etc. . Lxxii."

Dies Urtheil wurde Freitag, den 28. März, zwischen 9 und 10 Uhr verlesen und auf öffentlichem Markt in Gustrow gemäß der herzoglichen Verfügung vollstreckt.

Das Verbrechen war durch die Hinrichtung Ulenoges nur theilweise gesühnt. Die Entscheidung darüber, was mit seiner Mitschuldigen geschehen sollte, war noch nicht gefallen. Sowie sich aber nach Ulenoges Tode diese Frage wieder in den Vordergrund drängte, erschien auch sogleich die Moltkesche Verwandtschaft wieder auf dem Plan. Jetzt allerdings wagte sie es nicht mehr, wie noch vor kurzem geschehen, von der Unschuld ihres Schützlings zu sprechen. Sie bat nur, das was Carins Wittwe gestanden

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und was sie "auß weiblicher blödigkeit, vnuorstande vnd vnwissenheitt gethan", ihr um Gottes Willen gnädig zu verzeihen und die langwierige Gefangenschaft dafür eine Strafe sein zu lassen.

Zur Hebung einer so weitgehenden Gnade waren die Herzöge jedoch nicht geneigt. Am 7. Juni 1572 erklärten sie zu Sternberg, da die Frau den Wahn zu verbreiten suche, "als hette sie so gar vbel nicht gehandelt" und seien die Fürsten zu rasch gegen sie verfahren, so wollten sie auf den Rath der Rechtsverständigen die wohlverdiente Strafe der Konfiskation ihrer eigenen Güter und der Landesverweisung gegen sie ergehen lassen.

Die Formulirung, Siegelung und Unterzeichnung des Urteils zog sich dann noch längere Zeit hin wegen einer Reise, die Herzog Ulrich um die Zeit nach Dänemark unternahm. Einen weiteren Aufschub bewirkten die Landtagsarbeiten. Endlich wurde Carin Moltkes Wittwe auf den 19. November 1572 vor das peinliche Gericht auf der Reitbahn vor der Schloßbrücke zu Schwerin zur Verkündigung und Vollstreckung des Urteils geladen.

Das Urtheil hatte folgenden Wortlaut: "In sachen begangenes Falsches vnd auff Rechtliche zuerkante auch angestelte, aber nicht wircklich volzogene peinliche frag vnd verhör der gefangenen Elisabeth Halberstadtin, seligen Carin Moltkens nachgelassener witwen, Erkennen von Gottes gnaden wir Johans Albrecht vnd Vlrich gebruedere, hertzogen zu Meckelburgk . . . (Titel) . . ., weil genante frau hiebeuor aus eigener bewegknus, ohne einige abschreckung oder bedrauhung die mit Wilhelm Vlenogen begangene landtkundige vnd offenbare verfälschung etlicher briefe vnd Siegel freiwillig bekent, auch in obberurter, zu sechs vnterschiedtlichen mahlen ihr in Recht zuerkanter, auch etlicher massen angestelter, aber wircklich nicht volzogener Tortur im grundt nicht vernainet, vilweniger vernainen kann, wie dan auch der gerechtfertigte Wilhelm Vlenoge darauf standhaftig verharret vnd vor einer gantzen Meckelburgischen Landtschaft gestorben, das demnach Sie die fraw alle ihre guter, So ihr vor ihre person eigenthumblich zustehen, vns verwirckt vnd vnserer lande vnd gepiete hiemit ewiglich vorwiesen sein vnd sich derselbigen bey vermeidung leibs vnd lebens straff enthalten soll. In massen wir dan solche ihre eigenthumbliche guter hiemit confiscieret vnd sie des landes ewiglich verwisen haben wöllen. Vonn Rechts wegen." Darunter die Siegel und eigenhändige Unterschriften der beiden Herzöge.

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Abgesehen von Ilse Moltke, deren Name in den Prozeßakten nicht mehr erwähnt wird, war jetzt Achim von Halberstadt, der Bruder von Carins Wittwe, der einzige, dem eine Mitschuld oder wenigstens ein Mitwissen an den Verbrechen Ulenoges zur Last gelegt werden konnte. Alle Uebrigen, denen Ulenoge mit seiner verderblichen Kunst gedient hatte, hatten nach des Fälschers eigener Aussage keine Kenntniß von der strafwürdigen Herstellung der von ihnen theuer bezahlten und für echt gehaltenen Dokumente.

Nur gegen Halberstadt bestand demnach die Möglichkeit eines gerichtlichen Einschreitens. Die Herzöge waren entschlossen, auch diesen Theil der Angelegenheit zu einem rechtlichen Abschluß zu bringen. Sie sandten zu diesem Zwecke am 22. März 1573 die gegen Halberstadt vorliegenden Verdachtsmomente in 5 Artikeln an die Leipziger Juristenfakultät mit der Anfrage, ob der Verdächtige nicht "gefenglich eingezogen vnd wider ine mitt der scharffen vnd peinlichen verhor verfahren oder zum weinigsten das Juramentum purgationis auferlegt werden muge".

Die Antwort der Leipziger Juristenfakultät lautete, daß "nicht sufficientia indicia wider Achim Halberstadt vorhanden" wären. Damit war die rechtliche Sühne der Ulenogeschen Verbrechen zum Abschluß gebracht.


Während dieser Prozeß nach mehrjähriger Dauer endlich zu entscheidenden Sprüchen geführt hatte, zog sich ein anderer, vor Jahrzehnten begonnen, noch mehrere Jahrzehnte vor dem Reichskammergericht zu Speier hin. Da er geeignet ist, einen Einblick in die Beweggründe zu eröffnen, die Carin Moltkes Wittwe verleiteten, den Weg des Verbrechens zu betreten und Schande auf eins der ersten Geschlechter des Landes zu häufen, muß er hier wenigstens kurz berührt werden.

Im Jahre 1543 hatten Gebhard und Carin Moltke vor dem Reichskammergericht wider Herzog Heinrich von Meklenburg Klage erhoben wegen der Lehndörfer Bahlen, Parkow, Passin und Penzin und wegen der Zehnten zu Stove, Niendorf und Warkstorf. 1 ) Nachdem sich der Prozeß länger als zwei Jahrzehnte hingeschleppt hatte, war immer noch kein Ende abzusehen.

Da trat plötzlich ein Ereigniß ein, das geeignet erschien, eine entscheidende Wendung herbeizuführen: der Moltkesche An=


1) Schweriner Archiv, feud. Passin.
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walt überreichte am 21. November 1567 dem Reichskammergericht eine Schrift, in der angezeigt wurde, "daß sich in kurtzer Zeitt begeben, daß weilandt Carin Moltken kinder vnd Erben sampt derselbigen vormunder eine Kaste mit siegell vnd brieffen, die in viel Jaren In ihren handen nit gewesen, Auch daruon kein wissenschafft gehabt", unter denen Urkunden von entscheidender Bedeutung für den schwebenden Prozeß, "widerumb bekhomen vnd erlanget". Wegen ihres großen Werthes könne man diese Urkunden nicht in den Originalausfertigungen einreichen und bäte daher, von Gerichts wegen Auftrag zur Vidimirung zu ertheilen.

Am 27. September 1568 wurden Moltkesche Artikel eingereicht, die mit Beziehung auf die angeblich neu gefundenen Urkunden die alten Moltkeschen Ansprüche mit der größten Entschiedenheit erneuerten. Die Sache der Herzöge schien längere Zeit hindurch auf sehr schwachen Füßen zu stehen, bis durch die Ergreifung Ulenoges und die Einlieferung seiner Fälschungen der Prozeß wieder auf den vorherigen Stand zurückgeführt wurde. Am 8. März 1571 konnte Herzog Ulrich seinem Anwalt mittheilen, daß unter den Briefen Ulenoges sich auch die gefälschten Originale über die mit den Moltkes streitigen Güter gefunden hätten. Und am 7. November desselben Jahres wurden endlich die"Responsiones" des Herzogs Ulrich auf die letzten Moltkeschen Artikel eingereicht. Sie legten dar, daß die Briefe, auf die sich die Moltkeschen Artikel von 1568 stützten, gefälscht seien. Ulenoge und Carin Moltkes Wittwe hätten es bereits in gütlichen Verhören eingestanden. Wenn somit die durch die Moltke=Ulenogeschen Fälschungen herbeigeführte Wendung des Prozesses infolge der baldigen Verhaftung und Entlarvung des Fälschers auch nur von kurzer Dauer war, so zog sich dessen ungeachtet der Prozeß doch noch bis ins Jahr 1598 hin.

Ihn weiter zu verfolgen, hat für uns kein Interesse mehr, nachdem die Fälschungen als solche erkannt waren und rechtliche Wirkungen von ihnen nicht mehr ausgehen konnten. Die Fälschungen waren unternommen, um in dem schon so lange schwebenden Prozeß eine Entscheidung zu Gunsten der Moltkes herbeizuführen. Die Ankündigung des Moltkeschen Anwalts von der Auffindung entscheidender Urkunden geschah Ende 1567, also genau um die Zeit, in der Ulenoge begann, sich dem Fälscherhandwerk zu widmen. Der vor dem Reichskammergericht schwebende, geldfressende Prozeß war es also, der bei Carin Moltkes Wittwe den Plan der Fälschung entstehen ließ und zur

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Reise brachte; die Beendigung des langwierigen Prozesses und damit zugleich der sichere Gewinn reicher Güter war es, was sie von den Fälschungen erhoffte. Nachdem dann Ulenoge für die Ausführung des Planes gewonnen war, blieb es nicht bei der Fälschung der für den Prozeß nöthigen Dokumente. Die einmal erlangte Hebung wurde benutzt, um auch für anderweitige alte Familienansprüche oder neue Wünsche rechtlich wirksame Grundlagen zu gewinnen.

Man sollte glauben, daß nach dem mißlungenen Versuche, die Ulenogeschen Fälschungen vor dem Reichskammergerichte zu verwerthen, die Sache von Moltkescher Seite nicht mehr angerührt werden würde. Weit gefehlt! Im Januar 1572, als der Ulenogesche Prozeß sich seinem Ende schon näherte, der Nachweis der Fälschungen schon lange erbracht war und Carin Moltkes Wittwe ihre bereits gethanen Eingeständnisse wieder zurückgenommen hatte, tagte in Güstrow der Landtag. Diesem Landtage wurden von Gebert und Carin Moltkes Lehnserben Beschwerden eingereicht, in denen neben anderm die im schwebenden Reichskammergerichtsprozeß streitigen Güter gefordert wurden. 1 )

Dies unerhörte Vorgehen wurde in der auf die gravamina der Landschaft ertheilten fürstlichen Erklärung auf das Schärfste zurückgewiesen. 2 ) Das ganze durch den Ulenogeschen Prozeß ans Licht gekommene Fälschungsunwesen wurde dem Landtage dargelegt und auch die versuchte Verwerthung der Fälschungen in dem Kammergerichtshandel mit schonungslosen Worten geoffenbart: "darauf sie [die Moltkes] auch mitt bosem vnuerschempten gewissen hochgedachten vnsern g. f. vnd herrn hertzogk Vlrichen sein herlich beschicken vnd verwarnen lassen, s. f. g. solten solche dorffer vnd hebungen viell lieber in der gutte abstehen vnd sich mitt clegern daruber vertragen, alß deß rechtlichen außtrags erwarten. Dan eß weren solche briefe gefunden worden vnd vorhanden (die falsche damitt mainende), darauß clerlich zu erweisen, das die guter Ihnen mitt allem rechten zukemen; wie sie dan auch am Kais. Camergericht auf dieselbige alß neugefundene Vrkunden sich beruffen, vnd also s. f. g. gern ein blauwen dunst vor die augen gemacht vnd dieselbige arglistiglich zu hindergehen vnd zu vberreden vnterstanden. Welches alleß s. f. g. dem geschlecht zu ehren vill lieber wolten verschwigen haben, wan sie s. f. g. mitt dieser


1) Schweriner Archiv, Landtagsakten A. G. Vol. I. num. 1-8, grav. IX, fol. 139.
2) Ebendort fol. 248 ff.
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vngerumpten suchung vber einer alberaitt rechthengigen sache vor der gantzen erbarn Landtschafft schrifftlich zu verclagen vnd anzugeben Ihresteilß auch verschonett hetten, vnd konnen sonsten s. f. g. dieser Ihrer bitt mitt nichten stadt geben, sondern wollen des rechtlichen ausganges gewarten.

Vber dis, vnd welche frechait hiebeuorn nicht viel erfaren sein magk, haben sich die Moltken solcher kuntbarer falschen brieffe nach offenbartem falsche vnd betrug auch wieder Ihr gewissen vnd s. f. g. geschwornen Lehenseid zu gebrauchen vnd dieselben in dieser sachen wider s. f. g. ganz neulicher weile zu articuliren nicht gescheuet, wie solches Ire vnlengst den geordenten Key. Commissarien vbergebene articuli clerlich außweisen. Ob nun solches den Moltken alß lehen leutten wider Iren Lehensherren vnd Landesfursten furzunemen Iren Pflichten nach getzimett vnd gebueret, geben s. f. g. ainer Erbarn Landtschafft zu erkennen. Darumb wollen s. f. g. Ihr die dardurch vorwirckte straff wider die Moltken hiermitt außdrucklich vorbehalten haben."

Diese Sprache und wohl mehr noch der Fortgang des Ulenogeschen Prozesses verfehlten ihre Wirkung nicht. Als am 25. März 1572, drei Tage vor der Hinrichtung Ulenoges, die Landschaft ihre Antwort einreichte, wurde von Punkt VIII der gravamina gleich auf Punkt X übergegangen. 1 ) Nur eine gleichzeitige Notiz von anderer Hand meldet lakonisch und bezeichnend: "Nota quod nonus articulus a Moltkianis silentio preteritus sit." Damit war die traurige Angelegenheit vor dem Landtage abgethan.


Bevor ich dazu schreite, die bei den Akten in Originalausfertigung, in Konzepten oder Kopieen befindlichen Ulenogeschen Fälschungen zusammenzustellen, seien mir noch einige wenige Vorbemerkungen gestattet.

Das Verfahren, durch welches die Ulenogeschen Fälschungen zu Stande kamen, bedarf keiner ausführlichen Darlegung mehr; es ist aus den Prozeßverhandlungen hinreichend bekannt. Wir wissen aus ihnen, um hier nur kurz zusammenzufassen, daß Ulenoge sich an vorhandene echte Urkunden anlehnte, indem er


1) Landtags=Akten a. a. O., fol. 288.
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dieselben je nach dem Zwecke der Fälschung veränderte, dabei jedoch alles Formelhafte einfach übernahm.

Wir wissen, welche nachgestochenen Petschafte zur Fälschung der Siegel zu Gebote standen. Die Fälschung der herzoglichen Petschafte (Albrechts III., Heinrichs IV. und Magnus' II.) war keineswegs geschickt gemacht. Auf den ersten Blick kann man ihre Abdrücke wohl mit Originalsiegeln verwechseln. Aber sieht man sie neben solchen, so fallen sofort die verzerrten Linien und Figuren der Fälschung in die Augen. Auch in der Farbe sind die Fälschungen von den Originalsiegeln verschieden. Um den Schein des Alters hervorzurufen, hatte man - wie beim Verhör schon mitgetheilt - dem Wachs Kreide beigemischt. Das hatte aber eine Verschiedenheit der Farbe bewirkt; während die Originalsiegel ein schönes Roth zeigen, sind die Fälschungen rothbraun.

Mußten an eine gefälschte Urkunde Siegel gehängt werden, für die kein nachgestochenes Petschaft zur Verfügung stand, so half man sich, indem man die nothwendigen Siegel von echten Urkunden abschnitt und an die Pergamentstreifen der Fälschung mit Hilfe eines glühenden Eisens anschmolz. So geschah es z. B. mit dem Siegel der Stadt Rostock und den angewandten bischöflichen Siegeln. Auch hierbei ist nicht immer mit der gebotenen Vorsicht verfahren worden. Es kommt vor, daß der Pergamentstreifen, durch den das Siegel mit der echten Originalurkunde verbunden war, beim Befestigen an der Fälschung nicht entfernt worden ist.

Alle diese in den Verhörsprotokollen enthaltenen Einzelheiten der Herstellung wie auch die mit den Pergamenten vorgenommene Räucherung werden durch den Augenschein bestätigt, wenn man die große Zahl der noch vorhandenen Ulenogeschen Originale durchsieht. Weitere Einzelheiten sind bei den Regesten mitgetheilt.

Die Anforderungen seiner zahlreichen Kundschaft konnte Ulenoge allein nicht bewältigen. Mehrere Gehülfen dienten ihm dabei. Sein Haupthelfer scheint Nicolaus von Stade gewesen zu sein, den er beim ersten Verhör verschwieg. Er hatte hauptsächlich bei den Moltkeschen Fälschungen mitgeholfen. Außerdem dienten ihm "Zacharias Cölling, ein Student aus Pommern von Mordorp ein Meil vom Sunde, eins Pastoren Son", weiter Hans von Meideburg, ein Gerber zu Rostock, Claus Reincke "ein alt Cüster im Toitkenwinckel zu Dirkou" und endlich "Jochim Vedderow eines dieners sone bynnen Rostogk".

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Ein Verzeichniß sämmtlicher eingelieferten Ulenogeschen Fälschungen findet sich bei den Prozeßakten. Es enthält im Ganzen 89 Stücke, die fortlaufend nummerirt und mit Buchstaben bezeichnet sind. Den Anfang machen die Preenschen Fälschungen A 1 bis P 15, Q 16 folgt eine Schmeckersche Fälschung, R 17 bis T 19 wieder Preensche Fälschungen, V 20 und X 21 Halberstadtsche u. s. w., bis mit i 32 die Moltkeschen Fälschungen beginnen. Sie reichen bis fff 76, umfassen mithin 44 Nummern. Dann folgen wieder Preensche, Behrsche, Viereggesche Fälschungen in bunter Anordnung bis zur Schlußnummer ttt 89.

Bei der nun folgenden Zusammenstellung der Ulenogeschen Fälschungen habe ich mich nicht an dies bei den Akten befindliche Verzeichniß halten können, da die dort gegebenen Auszüge, besonders hinsichtlich der Datirung, meist sehr ungenau sind und die willkürliche Reihenfolge eine Uebebersicht sehr erschwert.

Ich habe die noch bei den Ulenogeschen Akten befindlichen Originale, Kopieen und Konzepte sämmtlich neu regestirt und lasse sie demnächst in chronologischer Anordnung folgen. Die in den Prozeßakten angewandten und auf jedem Original verzeichneten Registraturnummern AI-ttt 89 sind in der Schlußzeile der nachstehenden Regesten mitgetheilt.

Bei dieser umfassenden Neuregestirung ergab sich, daß eine Anzahl Nummern, die in der bei den Akten befindlichen Registratur der Ulenogeschen Briefe verzeichnet sind, jetzt nicht mehr vorhanden ist, weder in Originalausfertigung, noch im Konzept, noch in Abschrift. Da sich in diesen Fällen ein neues genau datirtes Regest nicht anfertigen ließ, habe ich die betreffenden Nummern aus der "Registratur" unverändert übernommen und sie in die chronologische Folge eingereiht. Um diese Nummern äußerlich kenntlich zu machen, ist ihnen ein †) beigesetzt worden.

Es sind die Registraturnummern

M 12 in nachstehender Sammlung Nr. 89†)
T 19 " " " " 75†)
c 26 " " " " 68†)
h 31, " " " " 69†)
i 32, " " " " 93†)
o 37, " " " " 26†)
q 39, " " " " 33†)
e e 51, " " " " 45†)
w w 67, " " " " 16†)
y y 69, " " " " 107†)
p p p 85, " " " " 22†)
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Andrerseits fanden sich jedoch Stücke, meist Konzepte, aber auch einige Originale, die wahrscheinlich erst nach Abschluß der "Registratur" zu den Akten kamen und daher in ihr keine Aufnahme mehr finden konnten. Während die Konzepte alle schon durch die Handschrift dem Ulenogeschen Fälschungskreise zugewiesen werden, ist es bei einigen der Originale zweifelhaft, ob sie Ulenoge zur Last gelegt werden können, wenn sie sich auch deutlich genug als Fälschungen erkennen lassen. Ich habe alle diese in der "Registratur" nicht erwähnten Stücke durch einen. *) kenntlich gemacht. Es sind die Nummern 24*), 36*), 37*), 67*), 71*), 83*), 85*), 90*), 99*), 100*), 102*), 104*), 105*), 106*), 108*), im Ganzen 15 Stücke.

Endlich befinden sich bei den Ulenogeschen Fälschungen noch 5 die Familie v. Raben betreffende Originalausfertigungen. Auch sie sind nicht in der "Registratur" vermerkt. Auf den ersten Blick als Fälschungen kenntlich, sind sie wohl bei Gelegenheit des Ulenogeschen Handels eingeliefert worden, obwohl Ulenoge sicherlich nicht ihr Urheber gewesen ist. Siegel, für die Ulenoge bestimmt gesorgt haben würde, findet man an ihnen überhaupt nicht: nur Siegelstreifen und Einschnitte; ein sehr schwacher Versuch, den Stücken Glaubwürdigkeit zu verschaffen! Auch diese Stücke sind der chronologischen Ordnung eingefügt, unter Hinzusetzung von **) zur Nummer. Es sind die Nummern 17**), 56**), 63**), 94**) und 95**).

Durch diesen Zuwachs von zusammen 20 Stücken haben sich die in der "Registratur" vereinigten 89 Nummern auf 108 gesteigert. Daß es nicht 109 geworden sind, erklärt sich daraus, daß in der "Registratur" unter V 20 eine echte Urkunde, die bei den Fälschungen benutzt wurde, und unter dd 50 der von Ulenoge entworfene Stammbaum der Moltkes aufgeführt werden. In die nachfolgende Zusammenstellung der Regesten gefälschter Urkunden konnte natürlich keiner von diesen beiden Stücken aufgenommen werden. Andrerseits sind unter der Registraturnummer F 15 zwei Stücke zusammengefaßt, von denen in der nachfolgenden Regestensammlung jedes seine besondere Nummer erhalten mußte. So erklärt sich die Zahl 108.


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Nunmehr mögen die Regesten der Fälschungen folgen:

1. 1348. Juli 14. Rostock.

Herzog Albrecht II. zu Meklenburg bestätigt eine inserirte Urkunde Burwy III. (Rostock, 1262, Okt. 31), in der dieser dem Ritter Mattheus Moltke zu Strietfeld und Vogtshagen und Erben die Dorfer des Teutenwinkels, nämlich Teutenwinkel (Tötkendorp), Gehlsorf (Michelstorp), Oldendorf (Oldenkrummendorpe), Krummendorf (Nyenkrummendorpe), Lübbersdorf, Petersdorf, Peez (Petze), Nienhagen, Hinrichsdorf, Goorsdorf, Häschendorf (Heizckendorpe) und Dierkow (Deerkowe) verkauft hat.

Zeugen: her Vicke van Devitze, ridder, heren Bartoldo Raden unde Bernhardo Alkun.

tho Rostogk . . . 1348, deß anderen dageß nha Margreta der hilligen junckvrouwen.

Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Wachssiegel abgenutzter Platte, abgeb. M. U.=B. X, 7079. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.

reg. Ulenoge zz 70.

2. 1358. September 12. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, verleiht den Moltkeschen Brüdern Johann zu Teutenwinkel, Conrad zu Redebas und Vicke zu Strietfeld, nachdem sie das inserirte Münz=, Gerichts= und Lehenprivileg des Dänenkönigs Erich (1298, September 29) ihm zurückgegeben, das erbliche Recht, über ihre Lehengüter innerhalb der Familie frei zu verfügen, und daß immer der Aelteste Bannerherr und Erbmarschall im Lande Rostock sein soll.

Zeugen: her Arent Levetzow, ridder, Bertram Bere, unse cancelar, Grube Veregge und Henning Hobe, knapen.

tho Rostogk . . . 1358, des midtwekens na der gebort Marien . . .

Auf Pergament mit an Seidenschnur hängendem beschädigten Siegel, abgeb. M. U.=B. Titel zu Bd. XVI. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.

Dazu beglaubigte Notariatsabschrift.

reg. Ulenoge eee 75.

3. 1358. September 12. [Rostock.]

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltkeschen Brüdern Johann zu Teutenwinkel, Conrad zu Redebas

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und Vicke zu Strietfeld, welche das dänische Münz= und Gerichtsprivileg über Stadt und Land Rostock niederlegen, die Fischerei auf Warnow und Breitling, das Geleit auf der Fähre zu Gehlsdorf und im ganzen Teutenwinkel, sowie das Strandrecht dortselbst.

Zeugen: her Arndt Levetzow, her Nicolaus Smeker, beide ridder, Bertram Bere, unse cantzelar, Grube Veregge und Henning Hobe, knapen.

[Rostock] 1358, des midtwekens na der gebordt Marien.

Auf Pergament mit Löchern und Einschnitten für 2 Siegel.

reg. Ulenoge s 41.

4. 1359. Juni 27. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt den Ritter Heinrich Preen mit den drei [!] Dörfern Wolfsberg und Petschow, Niekrenz und Bruderstorf.

Zeugen: her Johan Fycke broder de Moltkenn tom Strythvelde, Ravenn van Borkenn, Hynryck van Stralendorpe, rydder, unde Bartram Bere, unse cantzelar.

tho Rostock . . . 1359 . . . donredages na des hyllygen lichammes dage.

Auf Pergament mit 2 Löchern für die Siegelschnüre.

Dazu Concept auf Papier.

reg. Ulenoge H 8.

5. 1359. August 24. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt Henneke Behr mit Gramstorf bei Tessin.

Zeugen: her Vicke Moltke thome Strytvelde, Raven vann. Borkenn, Hynrick van Stralendorpe, ryddere, unde Bartram Bere, unse cantzelar.

tho Rostock . . . 1359, ann s. Bartolomeus . . . dage.

Auf Pergament mit 3 Siegellöchern.

Dazu Concept auf Papier.

reg. Ulenoge iii 79.

6. 1359. Dezember 8. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt die inserirte Beschenkung Heinrich Preens von Bandelstorf mit Wehnendorf, Teutendorf, Bohmhof (Wendeschen Repelynn) und Volkshagen (Volkedeshagen) durch Erich, König von Dänemark, (Rostock, 1302, Nov. 11) und schenkt seinerseits dem Heinrich und dessen Söhnen Heinrich und Goske dazu Schlage und

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Goldenitz sowie Oberhof=Sanitz (tome Have ymme kaspel tho Santze).

Zeugen: her Vicke Moltke rydder thome Strytfelde, Bartram Ber, unse kantzeler, Grube Veregge unde Hynrick Moltke, knapen.

tho Rostock . . . 1359, des sundages na dem feste Nyclai . . .

Auf Pergament; Bug mit Siegel abgeschnitten. - Das ebenfalls gefälschte Transsumpt wird in der Notiz M. U.=B. V, 2828 für echt gehalten.

reg. Ulenoge K 10.

7. 1359. Dezember 12. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt der Stadt Sülze den von Tribsees streitig gemachten Besitz des Sülzer Moors.

Zeugen: her Johan und Vicke broder de Moltken, . . . her Niclawes Smeker riddere thom Wostenvelde, Barttram Bere, unse cantzelar, Grube Veregge und Hinnk Moltke.

tho Rostock . . . 1359, des donnerdages na deme feste Nicolai des hilligen bisschoppes.

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge d 27.

8. 1360. April 12. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt den Ritter Heinrich Preen zu Bandelstorf mit Klein=Ridsenow (Lutken Ryddesenow), Spotendorf und der Hälfte von Lüssow.

Zeugen: Raven van Borken, Hynrick van Stralendorpe, rydder, unde Bartram Bere, unse cantzelar.

tho Rostock . . . 1360, des ersten sondages na paschen.

Auf Pergament mit 3 Löchern für die Siegelschnüre.

Dazu Concept auf Papier.

reg. Ulenoge G 7.

9. 1360. April 12. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt die Brüder Nicolaus und Johann Schmecker zu Wüstenfelde mit Fahrenholz (Farneholte), Nienhusen und Elmenhorst (Grotenelmenhost) in Amt und Vogtei Schwaan.

Zeugen: her Johan unde Vicke broder de Moltken, Raven van Berkow, Hynrick van Stralendorp, rydder, Bertram Bere, unse kantzeler.

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tho Rostock . . . 1360, des ersten sondages na passchen.

Auf Pergament mit 3 Löchern für die Siegelschnüre.

reg. Ulenoge e 28.

10. 1364. August 15. Rostock.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, verkauft Vicke Moltke, Johann Moltke zu Vogtshagen und Strietfeld sowie Henneke Moltke zu Neukirchen wegen ihrer Dienste bei Einlösung des Landes Rostock Walkendorf, Stechow und Groß=Nikör sowie Basse, dazu Einkünfte und Rechte in Repnitz (Rethenisze) und Kowalz.

Zeugen: Luder Lutzow, Clawes Levetzow unde Claweß Smeker, riddere, unde Johanneß Swalenberch, unße cantzelar.

bynnen Rostock . . . 1364, ahm dage Marien hemmelvardtt, alße man dat krut, wygett.

Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Siegel.

(Originalsiegel Albrechts V.!! )

(Transsumirt mit dem Jahre 1374. Rudloff, Diplom.)

reg. Ulenoge aaa 71.

11. 1376. April 17. Wismar.

Albrecht II., Herzog zu Meklenburg, belehnt Herrn Vicke Moltke, Ritter zu Strietfeld und Vogtshagen, mit Detershagen, Käterhagen (Koterhagen), Gericht und Bede zu Kröpelin, Hanshagen, Wendisch= und Deutsch=Mulsow und Uhlenbrock, alle in den Vogteien Schwaan und Bukow, dazu mit dem Kirchlehen zu Westenbrügge (Westkenbrügge) und Kröpelin.

Zeugen: her Niclaus Levetzow, her Niclaus Smeker, ridder, Johannes Swalenberch, unse cantzelar, Jasper Halverstadt, unse vaget tho Swaen, Grube Veregge und Henningk Hobe, knapen.

bynnen der Wysmar . . . 1376, des negesten donnerdages in den hilligen paschen.

Auf Pergament mit 2 Löchern für Siegelschnüre.

reg. Ulenoge xx 68.

12. 1385. Januar 21. Rostock.

Albrecht III., (Kg. v. Schweden), Herzog zu Meklenburg, schenkt dem Ritter Vicke Moltke zu Strietfeld, Johann Moltke zu Teutenwinkel (Totkendorpe) etc. . seine Güter und Rechte in Lübchin (Lutken Lubbechin) mit dem Kirchlehen zu Gr.=Methling (Groten Metelke), sowie Höfe zu "Grothen Lubbechin", Jördenstorf und die Mühle zu Walkendorf.

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Zeugen: her Henning van Stralendorpe, her Otto Veregge, her Werner Axkow, riddere, her Johan Bancklene, cantzelar, Marqvardt Beyenflete, Claweß Sperlinck, knapen.

tho Rostock . . . 1385, in s. Agneten daghe . . .

Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Siegel, abgeb. bei Teske Nr. 165, gefälschter Abdruck.

reg. Ulenoge fff 76.

13. 1386. September 29. Rostock.

Albrecht III., Herzog zu Meklenburg, belehnt den Ritter Vicke Moltke zu Vogtshagen und Strietfeld und dessen Linie mit dem Teutenwinkel, den er von Heinrich und Henneke Moltke zum Teutenwinkel erworben hatte.

Zeugen: Luder I.utzow, Clawes Levetzow und Clawes Smeker, ridder, und Hinricus Berhe, unse cancelar.

bynnen Rozstogk . . . 1386, ahm daghe Michaelis . . .

Auf Pergament mit 2 Löchern für Siegelschnüre.

reg. Ulenoge r 40.

14. 1409. März 17. Bützow.

Henneke Moltke zu Belitz und Neukirchen verkauft Herrn Vicke Moltkes Sohn, Herrn Dietrich Moltke zu Vogtshagen, Klein=Belitz (Lutken Belesse) und Neukirchen in der Vogtei Schwaan.

to Butzow . . . 1409, des sondages to midtvasten.

Auf Pergament mit 4 angehängten wächsernen leeren Siegelhüllen.

reg. Ulenoge pp 61.

15. 1411. Juni 23.

Henneke Moltke der alte, Bürgermeister, und Henneke Moltke der junge, Hauptmann zu Rostock, verkaufen Dietrich Moltke zu Vogtshagen die Dörfer Tatschow, Passin, Penzin (b. Bützow), Parkow und Bahlen und eine Kornrente zu Wahrstorf (Warstorpe), Gr.=Stove (Dudeschen Stove) und Niendorf in der Vogtei Schwaan.

1411, am avende s. Johannis des hilligen döpers.

Auf Pergament mit 4 angehängten wächsernen leeren Siegelhüllen.

reg. Ulenoge oo 60.

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16 †). 1411. Gnoien.

Dietrich, Friedrich und Johann Moltken zum Strietfelde und Vogtshagen Theilung ihrer Güter.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge ww 67 im Aktenband.

17**). 1418. April 24. Schwerin.

Johann IV., Herzog zu Meklenburg, bekundet, Heinrich Raven, Burgmann zu Schwerin, mit den von Claus von Oertzen gekauften Gütern zu Gr.=Stück, Kl.= und Gr.=Trebbow mit dem Patronatsrecht zu Kl.=Stück belehnt zu haben.

to Swerin . . . 1418, den sondach vor Filippi und Jacobi.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel.

Ulenoge ?

18. 1421. November 17. Bützow.

Everdt Moltke zu Drüsewitz verkauft mit Bewilligung seines Bruders Jochim, Kirchherrn zu S. Nicolaus in Rostock, dem Dietrich Moltke zu Vogtshagen seinen Wohnhof zu Tüzen (Tuetzen), das Dörfchen Goldberg und Güter zu Kambs und Letschow (Letzkow) in der Vogtei Schwaan und Bukow.

tho Butzow . . . 1421, den mandach na s. Martin . . .

Auf Pergament mit 4 anhängenden wächsernen leeren Siegelhüllen.

reg. Ulenoge l 34.

19. 1423. März 7. Schwerin.

Karsten Halberstadt, Knappe zu Brüsewitz (Lutken Bruseviße), zur Zeit Vogt zu Boizenburg, bekennt, den Beginen zum hl. Geist zu Schwerin 250 M. lübisch zu schulden, und verpfändet ihnen dafür seine Mühle zu Gottmannsförde.

tho Szwerin . . . 1423, deß ßondageß vor midtvasten.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel. (Echtes Halberstadtsches Originalsiegel, dessen rechte Hälfte abgebrochen ist; von einem echten in der Registratur erwähnten Dokument V 20 entnommen.)

reg. Ulenoge X 21.

20. 1440. Juni 24. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß vor ihm Gottschalk Preen zu Oberhof=Sanitz (thom Have ym caspell tho Santze) Bestimmungen. über die Vererbung der

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seinen drei Töchtern (Margretha, Stoffe und Anna) zum Brautschatz für Clawes Storm, Clawes Goldenbogen und Yochim Yorck gegebenen Güter zu Oberhof=Sanitz getroffen hat.

tho Gůstraw . . . 1440, an s. Yohannes dage des hillyge dopers.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel, Papierconcept vorhanden.

reg. Ulenoge E 5.

21. 1441. Juni 16. Rostock.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt den zwischen Johann Preen und Otto Moltke zum Strietfeld wegen Todtschlages dessen Brudersohnes Heinrich Moltke erfolgten Vergleich über 1000 M. sundisch, anstatt deren Johann Preen dem Otto Moltke das halbe Dorf Niekrenz versetzt.

tho Rostock . . . 1441, den ersten. frigdach nha des hilligen lichammes dage.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. Papierconcept vorhanden.

reg.reg. Ulenoge hhh 78.

22†). 1442. Güstrow.

Hertzog Magnussen [!] zu Meckelnburg Bekentnus, das den Prenen zu Bandenstorff u. Dummerstorff alle der Prene zu Bandenstorff, Gubckow u. Wenendorff hierin specificirte Guter kegen Erlegung 3800 M. Sundisch Pfandtschillings erblich zur Helffte zu kommen und nach Erlegung der Summen dieselben auch zur Helffte abzutretten und ihnen volgen zu lassen schuldig sein.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge ppp 85 im Aktenband.

23. 1443. Juni 24. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt, daß Heinrich Preen zu Wenendorf (tho Wenendorpe ym caspell tho Santze) seinem Schwiegersohn Henneke Zepelin zu Wulfshagen anstatt eines Brautschatzes von 1200 Mark das Dorf Teutendorf (Totkendorp ym caspell tho Santze) verpfändet hat.

tho Gustraw . . . 1443, ahn s. Yohannes dage des hilligen dopers.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel.

reg. Ulenoge O 14.

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24*). 1443. Juni 24. Ribnitz.

Bürgermeister und Rath zu Ribnitz bestätigen ihrem Bürger Joachim Krowell eine inserirte Urkunde des Gusloff Preen, in der dieser den Knappen "Joachime und Einwolde brodern genomet de Kröwele" sein Gut in Volkenshagen verkauft (1410, Oktober 28).

tho Ribbenitze . . . 1443, in mandage der achte dage des hilligen lichammmes.

Concept auf Papier. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.

Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

25. 1443. Juli 22. Gnoien.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Woldemar und Johann Moltke zum Strietfeld 48 Mk. Rente auf der Bede zu Walkendorf durch Zahlung von 600 Mk. an das Kloster Dargun abgelöst haben, und daß sie eine weitere Hebung des Klosters in Walkendorf und Stechow mit 600 Gulden ablösen können.

Zeugen: Otto Moltke thom Stridtvelde . . . Claweß Kerckdorp und Lutke Hane, unße vogede thom Kalande und Stavenhagen, Hanß Vlotow thom Sture und Vicke Veeregge tho Roßevitze.

tho Gn oe yen . . . 1443, in s. Marien Magdalenenn dage.

Auf Pergament mit Einschnitten für Siegelstreifen.

reg. Ulenoge mm 58.

26†). 1443. Gnoien.

Ein Brief des Münsters zu Dargun ohne Siegel übergibt den Moltken zum Stritfelde, Johanns Söhnen, 48 Marck Bete aus dem Dorf zu Walbendorff (?).

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge o 37 im Aktenband.

27. 1444. Januar 6. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt die Moltkes im Besitz von Tatschow, Passin, Penzin, Parkow und Bahlen sowie Wokrent, Gr.=Lukow, Wahrstorf, Stove und Niendorf gegen die Ansprüche der "Henneke Hasenk oe p, Frederick Babbe, Heine und Frederick gebroder de Swerin anderß gen oe met de Wulvekroge" mit inserirten Urkunden Heinrichs des Löwen (1334, Mai 18, Rostock)

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und Albrechts II. (1358, April 28). (Die ältere wird beschrieben als "am pergamein wat vormulschedt".)!!!

tho Gustrow . . . 1444, des mandages na des hilligen nyen jars dage.

Auf Pergament mit an Seidenschnur hängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft). - Die Transsumpte sind ebenfalls gefälscht.

Dazu 2 begl. Notariatsabschriften auf Papier.

reg. Ulenoge m 35.

28. 1444. Juli 14. Bützow.

Hermann, Bischof zu Schwerin, bestätigt den Brüdern Johann und Henneke Moltke eine jährliche Kornhebung im Amt Warin mit inserirter Urkunde Bischof Rudolfs (1414, Mai 28, Bützow).

Zeugen: her Hinricus Raven, domhere to Szwerin, magister Johannes Robin, unse cantzelar, mag. Johannes Bilevelt, domhere to Butzow, Vicke van Bulow tho Tzibule und Otto Veeregge tho Wokrente.

tho Butzow . . . 1444, des anderen dages na Margaretae . . .

Auf Pergament mit Siegeleinschnitten. - Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.

reg. Ulenoge rr 63.

29. 1445. August 24. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Johann und Henneke Moltke etc. . den Besitz von Neukirchen, Kl.=Belitz, Tatschow, Passin, Penzin, Parkow und Bahlen sowie den Zehnten in Wahrstorf, Stove und Niendorf und giebt ihnen dazu den ganzen Neukircher See.

tho Gustrow . . . 1445, ahm dage Bartholomei . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).

reg. Ulenoge aa 47.

30. 1447. Juni 26. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt auf Bitten des Cordt Moltke zu Redebas, Jochim Moltke, Kirchherrn zu S. Nicolaus in Rostock, als Vormund Everdts und Friedrichs Moltke zu Drüsewitz, Woldemars und Johanns Moltke zu Strietfeld etc. ., das inserirte Privilegium Albrechts II. von 1358, September 12, (Ulenoge eee 75; Nr. 2 dieser Sammlung).

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to Güstrow . . . 1447, des mandages na der gebort Johannis des hilligen dopers.

Auf Pergament ohne Siegel.

reg. Ulenoge y 45.

31. 1452. September 13. Gnoien.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß die Brüder Woldemar und Johann Moltke zum Strietfeld einer= und Otto Moltke zum Strietfeld anderseits sich gegenseitig das Vorkaufsrecht auf das Schloß Strietfeld verbrieft haben.

tho Gnoygen . . . 1452, ahm mydwekin nha Marien gebordt . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).

reg. Ulenoge k 33.

32. 1452. September 13. Gnoien.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Woldemar und Johann Moltke zu Strietfeld dem Kloster zu Dargun wegen der Dörfer Walkendorf und Stechow keine Bede schulden.

to Gnoeyen . . . 1452, ahm midweken na Marien gebordt . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).

reg. Ulenoge x 44.

33 †) 1452. Gnoien.

Heinrich des Jüngern, Hertzogen zu Meckelburg, Lehenbrief Woldemarn und Johan den Moltken aufm Streitfelde gegeben die Dörffer Wolken, gantz Selpin und die gantze Feltmarck Lütke Wolffesfeldt, wie die alle die Moltken von Ramelen pfandtsweis an sich bracht.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge q 39 im Aktenband.

34. 1453. Juni 25. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltke von Redebas, Drüsewitz, Strietfeld etc. . nach Aussterben der Teutenwinkeler Linie das inserirte Privileg Albrechts II. von 1358, September 12 (Ulenoge eee 75; Nr. 2 dieser Sammlung).

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tho Gustrow . . . 1453, des mandages na der gebordt Johannis des hilligen d oe pers.

Auf Pergament mit 2 Löchern für Siegelschnüre. In der Registratur der Ulenogeschen Briefe in das Jahr 1450 gesetzt.

reg. Ulenoge ll 57.

35. 1453. August 31. Güstrow.

Katharina zu Sachsen, Herzogin zu Meklenburg, spricht in Abwesenheit ihres Sohnes, des Herzogs Heinrich IV., in Sachen Marten Bützow namens seiner Gattin Sophie Moltke, Reimar Leesten, Cordt Moltke zu Redebas, der Moltkes zu Mulsow etc. ., der Vormünder und nächsten Agnaten des Claus Moltke, des Sohnes Woldemars zum Strietfeld, wider Otto Moltke daselbst zu Recht, daß Otto die weggenommene Kiste mit Urkunden zurückzugeben, über die angemaßten Einkünfte Rechenschaft abzulegen hat und in den genannten Gütern im Falle des Todes des unmündigen Claus erst nach den übrigen Moltkes erbberechtigt ist.

tho Gustrow, ahm vrygdaghe nha Bartholomei . . . 1453.

Auf Pergament mit Einschnitten für 7 Siegel.

reg. Ulenoge uu 66.

36*). 1458. Juni 2. Gnoien.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Erich van der Lypen seinem Schwiegersohn Henneke Kerckdorp zu Granzow, Vogt zu Gnoien, anstatt der verabredeten Mitgift das Dorf Schabow ganz und Böhlendorf zur Hälfte verpfändet hat. Beide Dörfer sind des jungen Claus Moltke zu Strietfeld Erbe.

tho Gnoigen . . . 1458, des fridages na des hilligen lichammes dage.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenband. Fehlt in der "Registratur".

37*). 1458. Juni 3. Gnoien.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen dem jungen Claus Moltke zu Strietfeld einer= und Henneke Kerckdorp zu Granzow anderseits über das Dorf Granzow dahin, daß Kardorff das Dorf noch 35 Jahre als Pfand innehaben, es dann aber dem Moltke gegen Zahlung des Pfandschillings zurückgeben soll.

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tho Gnoigen . . . 1458, des negesten sunavendes na des hilligen lichamines dage.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenband. Fehlt in der "Registratur".

38. 1459. Dezember 4. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt, daß Johann Preen zu Bandelstorf etc. . (tho Bandenstorpe, Gubkow und Wenendorpe) seinem Schwager Lutke Hane, Vogt zu Stavenhagen, anstatt des Brautschatzes und einer Schuld (zusammen 2400 "stralemarck wendischer munthe") die Dörfer Klein=Ridsenow und Spotendorf (Lütken Ridsenow und Spotendorp) ganz und Lüssow zur Hälfte auf 30 Jahre verpfändet hat.

tho Güstrow . . . 1459 . . . dingstage nha s. Andreas des hilligen apostels dage.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel; dabei Concept auf Papier.

reg. Ulenoge B 2.

39. 1461. April 9. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß die Vettern Johann und Otto Preen zu Bandelstorf dem alten Heidenreich Thulendorf das ganze Dorf Petschow (Petzkow) und Neumühl (Nie Mole) mit Ausnahme des Kirchlehens für 1500 Mk. verpfändet haben.

tho Gustrow . . . 1461, den donnerdach in dhen hilligen passchen.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel, Papierconcept vorhanden.

reg. Ulenoge J 9.

40. 1462. August 24. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Otto Preen zu Bandelstorf (tho Bandemstorp und Wenendorp) dem Henneke Zepelin zu Wulfshagen das diesem bereits verpfändete [1443, Juni 24] Teutendorf für 4000 Rostocker Mk. verkauft hat.

tho Gustraw . . . 1462, ahm dage s. Bartelmei des hilligen apostels.

Auf Pergament mit abgefallenem hängenden Siegel. Papierconcept vorhanden.

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reg. Ulenoge N. (Ist identisch mit N 13 der Registratur, wo aber in Uebereinstimmung mit der Rückseite der Urk. selber das falsche Jahr 1460 angegeben ist.)

41. 1463. Dezember 12. Bützow.

Werner, Bischof zu Schwerin, entscheidet eine Streitigkeit zwischen dem Ritter Heinrich von der Lühe zu Büttelkow und den Moltkes dahin, daß Stove, Wahrstorf und Niendorf kein stiftisches, sondern ein fürstliches Lehen ist und den Moltkes gehört, und daß die v. d. Lühe die Moltkes in der vom Stifte rührenden Hebung von 42 Drömpt Korn im Amt Warin nicht hindern sollen.

Zeugen: Hinrick van Bulow tho Zibule, Barttoldt Barse tho Rambow, her Hinrick Bentzin, prester, Lutke Bassevitze tho Malsow, her Cordt Moltke tho Redebarsse im lande tho Barthe . . . Gunther Fincke tho Karow, Joachim Plesse thom Steynhuse, her Godtschalck Buck, radtmann tho Rostock, und Clawes Smaeker tho Varenholte.

tho Butzow . . . 1463, ahn s. Lucien avende . . .

Auf Pergament mit Siegeleinschnitten. Dazu eine Kopie auf Papier.

reg. Ulenoge bb 48.

42. 1465. Juni 19. Schwerin.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, setzt fest, daß Wickendorf sich nur im Pfandbesitze des Domcapitels zu Schwerin befindet und demgemäß von Casten Halberstadt und Erben eingelöst werden kann.

tho Swerin . . . 1465, ahm negesten middewecken na des hilligen lichammes dage.

Auf Pergament mit anhängendem beschädigten (absichtlich ?) Siegel(nachgemachtes Petschaft). Papierconcept vorhanden.

reg. Ulenoge a 24.

43. 1465. Dezember 3. Gnoien.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Henneke Kerckdorp zu Granzow und Hermann Kerckdorp zu Petersberg über des wailand Vogtes zu Gnoien, Radtke Kerckdorp, nachgelassenes Lehengut zu Wöpkendorf (Wobbekendorp) und Gnoien, indem er ihnen gleiche Rechte darauf zuerkennt.

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tho Gnoigen . . . 1465, des dingstedages na s. Andreas des hilligen apostels dage.

Concept auf Papier. (2 Exempl. mit Abweichungen in den Namen, z. B. Peterstorp.)

reg. Ulenoge t 42.

44. 1465. Dezember 4. Gnoien.

Otto Moltke zu Strietfeld bekennt, von Claus Moltke ebendort in Pfandbesitz zu haben Wolkow, Selpin, "lutken Wolpesvelt", Helmstorf, Nütschow, Viecheln, Samow. Basse, Repnitz, Kowalz, Gr.=Nieköhr, Walkendorf und Stechow zur Hälfte, sowie ganz Drüsewitz und Ridsenow.

tho Gnoigen . . . 1465, am middeweken nha s. Andreas . . .

Auf Pergament mit Bug, aber ohne Siegeleinschnitte.

reg. Ulenoge tt 65.

45†). 1465. Gnoien.

H. Heinrichs des Jüngern zu Meckelburg Vertrag zwischen den Moltken zum Streitfelde und den Moltken zur Nienkerken und Belitz von wegen Herr Friderich Moltkens Erbteils, nemblich des Guets Drusevitz und zugehörigen Dorffern.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge ee 51 im Aktenband.

46. 1466. Juni 11. Ribnitz.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, schlichtet eine Streitigkeit zwischen seiner Tochter Herzogin Elisabeth, Aebtissin und Convent zu Ribnitz einer= und Lorenz und Claus Preen zu Wehnendorf anderseits über das Dorf Volkshagen (Volkerdeshagen), indem er den Preen die Berechtigung zum Einlösen des Dorfes zuerkennt.

tho Rybbenitze . . . 1466, ahm middeweken na des hilligen lichames dage.

Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel.

reg. Ulenoge rrr 87.

47. 1468. Februar 3.

Heinrich IV, Herzog zu Meklenburg, bestätigt mit Insertion einer Urk. Albrechts II. (Rostock, 1359, Dezember 12; vgl. oben Nr. 7) der Stadt Sülze den von Tribsees streitig gemachten Besitz

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des Sülzer Moors, wobei die Fähre von Tribsees als Lehen des Vicke Moltke und seiner Linie erwähnt wird.

1468, ahm middewecken nha deme feste purific. Marie virg.

Auf Pergament mit abgefallenem Siegel.

reg. Ulenoge Z 23.

48. 1468. April 20. Güstrow.

Lütke Moltke zu Strietfeld bekundet, von Claus Moltke ebendort Wesselstorf und Dienste zu Gr.=Ridsenow als Pfand erhalten zu haben.

to Gustrow . . . 1468, am mydtweken in den hilligen paschen.

Auf Pergament mit 2 Moltkeschen Siegeln und ebenso datirtem gesiegelten Transfix (nachgem. Petschaft) Heinrichs IV., in dem dieser die Verpfändung bestätigt. (Das Siegel Otto M.'s scheint nachgemacht zu sein nach einem Siegel Albrecht M.'s von 1455; aber die Umschrift trägt weit jüngeren Charakter. Lütkes Siegel ist in der Mitte durchgebrochen, auch hier jüngerer Schriftcharakter, dazu die viel spätere Form [S]treidtv[eld]).

reg. Ulenoge ff 52.

49. 1468. November 16. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Lorenz und Claus Preen zu Wehnendorf und "Wendischen Repelyn", daß Oberhof=Sanitz ihr Lehen ist und sie es von St. Jürgen zu Rostock einlösen können; mit inserirter Urkunde Herzog Albrechts II. von 1359, Dezember 12 (im Ulenogeschen Original 1359, December 8, mit weiteren kleinen Abweichungen, vgl. oben Nr. 6).

tho Gustrow . . . 1468, ahm middeweken na s. Martini . . .

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge ooo 84.

50. 1468. November 16. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Lorenz und Claus Preen zu Wehnendorf und Wendisch=Reppelin, daß Oberhof=Sanitz ihr Lehen ist und sie es von St. Jürgen zu Rostock einlösen können. [Mit abweichend datirtem Inserat wie im Concept Ulenoge ooo 84.]

tho Güstrow . . . 1468, ahm middewecken na s. Martini . . .

Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel. Original zu vorstehendem Concept mit Abweichungen im Wortlaut.

reg. Ulenoge F 6.

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51. 1469. Mai 31. Rostock.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltkes, daß Blankenhagen, Wulfshagen (Wulverdeshagen), Vogtshagen, Ikendorf und Dierkom (Derckow) dem Hl. Geist und St. Jürgen zu Rostock nur pfandweise gehören und von den Moltkes wieder eingelöst werden können.

tho Rostock . . . 1469, ahn des hilligen lichammes avendhe.

Auf Pergament mit Siegelstreifen für 2 fehlende Siegel.

reg. Ulenoge gg 53.

52. 1469. Juni 8. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Johann Preen zu Bandelstorf an den alten Heidenreich Thulendorf das Dorf Wolfsberg (Wulvesberge im caspell tho Pedtzkow) verpfändet hat.

tho Gustrow . . . 1469, ahm donnerdage na des hilligen lichams daghe.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. Pavierconcept vorhanden.

reg. Ulenoge C 3.

53. 1469. Juli 22. Schwaan.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt einen Vergleich zwischen Prior und Convent von Marienehe einer= und Johann Schmecker zum Wüstenfelde anderseits über das Dorf Elmenhorst, dessen Einlösung den Schmecker zuerkannt wird.

tho Swaen . . . 1469, ahm dage Marien Maddalenen.

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge Q 16.

54. 1470. Juli 25. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den Moltkes zu Neukirch, Mulsow und Strietfeld, daß sie die Dörfer Gresenhorst und Wendorf von den Preen und Bützow einlösen dürfen.

tho Gustraw . . . 1470, ahn s. Yacobs des hilligen apostels dage.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft).

reg. Ulenoge nn 59.

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55. 1471. Februar 10. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bestätigt den "olde Hinrick Bützow ridder tho Poppendorpe, Henneke Tzepelin, Yürges Hoge und Peter Thun" die inserirte von König Albrecht von Schweden gewährte (Rostock 1383, Februar 5) Erbverbrüderung.

Gustraw . . . 1471, ahm dage Scolastica . . .

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht. (Pavierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge g 30.

56**). 1471. Mai 1.

"Matties und Hans gebroder de Schonevelde" verkaufen dem Knappen Jürgen Raven zu Gr.=Stück das Dorf Moltenow sowie Höfe in Wüstenmark bei Pampow.

1471, am dage Filippi und Jacobi.

Auf Pergament mit 4 Siegelstreifen und Einschnitten für 2 weitere Siegel.

Ulenoge?

57. 1471. Juni 29. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Tiedtke Kropelin, Rathmann zu Rostock, sein Lehengut Teschendorf (Teskendorp . . . ym caspell tho Kessin) an Otto und Heinrich Preen zu Bandelstorf verpfändet hat.

tho Gustraw . . . 1471, ahn s. Peter und Pawels der hilligen apostel dage.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel.

reg. Ulenoge qqq 86.

58. 1472. September 29. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Heinrich Schmecker zum Wüstenfelde die Dörfer Fahrenholz und Nienhusen von Bürgermeister und Rath zu Rostock einlösen kann.

tho Gusteraw . . . 1472, ahm dage Michaelis . . .

Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel. (Papierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge b 25.

59. 1472. September 29. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Henneke Behr das Dorf Gramstorf bei Tessin von Bürgermeister und Rath zu Rostock einlösen kann.

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tho Gustrow . . . 1472, ahm dage Michaelis . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft.) (Pavierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge nnn 83.

60. 1472. November 12. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt den Vergleich zwischen Bürgermeister und Rath zu Rostock einer= und Otto und Heinrich Preen anderseits wegen der Dörfer Göldenitz und Schlage, deren Einlösung den Preenen zuerkannt wird.

tho Gustrow . . . 1472, ahm donnerdage na Martini . . .

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge S 18.

61. 1472. November 13. Güstrow.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Otto und Heinrich Preen zu Bandelstorf und Wehnendorf das Dorf Broderstorf (Broderdorp . . . im caspel tho Kessin) von Bürgermeister und Rath zu Rostock einlösen können.

tho Gustrow . . . 1472, ahm fridaghe nha Martini . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgemachtes Petschaft). (Papierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge R 17.

62. 1473. September 15.

Lütke Moltke zu Strietfeld bekundet, von "Trude Clawes Moltken nagelaten husfrouwe Gerdt Bassen dochter tho Dalvitze" die Hälfte von Strietfeld, von Nütschow, Breesen (bei Sülze), Warbelow, Viecheln, Samow, Gr.=Nieköhr, sowie das Kirchlehen zu Gr.=Methling, Basse u. s. w. als Pfand erworben zu haben.

1473, des negesten midtwekens na Marien gebordt.

Auf Pergament mit 4 anhängenden leeren Siegelhüllen. In der Registratur fälschlich ins Jahr 1470 gesetzt.

Ulenoge z 46.

63**). 1475. Januar 20. Schwerin.

Magnus II. und Balthasar, Herzöge zu Meklenburg, belehnen Jürgen Raven mit den von Matthias und Hans Schönevelde gekauften Dörfern Moltenow und Wüstemark.

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to Swerin, am frigdage na Antoni . . . 1475.

Auf Pergament mit 2 Siegelstreifen. (Wohl nicht von Ulenoge herrührend, da dieser ja das Petschaft Magnus II. hatte nachstechen lassen. Auch weicht sowohl Schrift wie Sprache und Formalitäten sehr von den Ulenogeschen Fälschungen ab.)

Ulenoge ?

64. 1476. Dezember 4. Ribnitz.

Heinrich IV., Herzog zu Meklenburg, schlichtet den Streit zwischen Herzogin Elisabeth Aebtissin und Convent zu Ribnitz einer= und Friedrich, Dietrich und Vicke Viereggen zu Wokrent und Rossewitz anderseits über das Dorf Bartelshagen dahin, daß die Vieregge dieses vom Kloster für 3500 Mk. einlösen dürfen.

tho Ribbenitze . . . 1476, ahm middewecken na s. Andreas dage . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft). Beiliegend Concept auf Papier. (Ein weiteres bei den Prozeßakten.)

reg. Ulenoge lll 81. Echtes Vorbild Kl.=Ribnitz, Güter unter B.

65. 1483. Juni 24. Güstrow.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirch und Belitz einer=, Matthias, Heinrich und Cordt Moltke zu Redebas und Divitz anderseits das Recht gegenteiliger Beerbung im Falle des Aussterbens einer der beiden Linien (samende handt) mit Aufzählung der Güter.

Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse riddere, Henneke Bassevitze, Johannes Sperlinck, Ewalt Veeregge.

tho Gustrow . . . 1483, ahm dage Johannes dess hilligenn dopers.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft, dessen Abdruck sich besonders durch den neueren Charakter der Umschrift vom Originalsiegel des Magnus [pacta domus YY 15] unterscheidet).

reg. Ulenoge u 43.

66. 1487. August 1. Schwaan.

Magnus II. und Balthasar, Herzöge zu Meklenburg, versprechen., in ihrer Feindschaft mit Rostock den Teutenwinkel zu verschonen, und leihen ihn an Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirchen und Belitz unter

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Ablehnung der entgegenstehenden Ansprüche der Brüder Lütke und Klaus Moltke zu Strietfeld.

Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Lühe, her Hinrick von Plesse,riddere, Henneke Bassevitze, Johannes Sperlingk, Ewalt Veeregge.

tho Swaan . . . 1487, am dage Vincula Petry.

Auf Pergament mit Löchern für 1 anzuhängendes Siegel.

reg. Ulenoge p 38.

67*). 1489. Juni 24. Güstrow.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirchen und Belitz einer= und Matthias, Heinrich und Cordt Moltke zu Redebas das 1465 gewährte Recht der "samenden handt" (gegenseitiger Beerbung).

Zeugen: her Niclaus Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Henneke Bassevitze, Johannes Sperlinck, Ewaltt Veregge.

tho Gustrow . . . 1489, ahm dage Johannes des hilligen dopers.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

68†). 1489. Schwerin.

Vertrag Hertzog Magnussen zu Mekelburg zwischen den Schmekern und den Bassevitzen von wegen des Dorfs zu Brabberede [jetzt Prebberede].

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge c 26 im Aktenband.

69†). 1490.

Hertzog Magnus Vertrag zu Meckelburg über der Vierecken Güter und ihre Erbteilungen, Pfandung, Ablösung etc. .

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge h 31 im Aktenband.

70. 1491. Juli 14. Ribnitz.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, schlichtet den Streit zwischen Friedrich und Dietrich Viereggen zu Wokrent einer= und Herzogin Elisabeth Aebtissin und Convent zu Ribnitz anderseits über das Dorf Bartelshagen (im kaspell thom

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Kulrade), indem er es als Erbe der Viereggen erklärt, die es jederzeit vom Kloster einlösen können, ausgenommen den Wald mit 4 Höfen, die Johann Moltke als Pfand gehören.

Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick vhan der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Johannes Sperlinck.

tho Ribbenitze . . . 1491, ahm negesten donnerdage nha s. Margretenn . . .

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).

reg. Ulenoge mmm 82.

71*). 1491. Juli 14. Ribnitz.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, schlichtet den Streit zwischen Lorenz und Otto Preen einer= und Herzogin Elisabeth Aebtissin zu Ribnitz anderseits über das Dorf Volkenshagen (Volckernshagen im caspell thom Blanckenhagen), indem er den Preenen das Recht der Einlösung zuerkennt.

Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Johannes Sperlingk, Ewaltt Veregge.

tho Ribbenitze . . . 1491, ahm negesten donnerdage na s. Margreten . . .

Concept auf Papier (durchstrichen).

Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

72. 1492. August 24. Güstrow.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß Bartolt Kerckhoff, Bürgermeister zu Rostock, und Tidtke Cropelin, Rathmann dortselbst, nach 25 Jahren Teschendorf von den Preenen einlösen können.

Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, ridder, Johannes Sperlinck, Ewaltt Veregge.

tho Gustraw . . . 1492, ahn s. Barttolomeus . . . dage.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel.

reg. Ulenoge sss 88.

73. 1492. Oktober 1. Güstrow.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, vergleicht Heinrich Preen zu Bandelstorf mit seinen Vettern Lorenz und Otto Preen wegen ihrer gemeinsamen Lehengüter zu Teschendorf, Gudow, Kl.=Schwarfs, Bandelstorf, Dummerstorf, Schlage etc. .

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Zeugen: her Niclaus Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, riddere, Helmett van Plesse, Vulratt Preen, Hans Preen, Johannes Sperlinck, Ewaltt Veregge.

tho Gustrow . . . 1492, des negesten mandages na s. Michaelis . . .

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge P 15.

74. 1492. Oktober 2. Güstrow.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt Heinrich, Lorenz und Otto Preen ihre gesammten Lehengüter, nämlich Bandelstorf, Kl.=Schwarfs (lutken Swervitze), Gudow, Dummerstorf, Schlage, Göldenitz, Petschow u. s. w. und einlösbare Pfandschaften. Zeugen wie in Nr. 73.

tho Gustrow . . . 1492, des negesten dingstedages na s. Michaelis . . .

Concept auf Papier. (Ein weiteres unter den Prozeßakten.)

reg. Ulenoge P 15.

75†). 1492. Schwerin.

Hertzog Magnus Vertrag auch über das Dorff Brudersdorf.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge T 19 im Aktenband.

76. 1493. Juni 7. Gnoien.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirch dem Lorenz und Otto Preen sowie dem Heinrich Bützow die Dörfer Gresenhorst und Wendorf noch 25 Jahre als Pfand lassen wollen.

Zeugen: her Niclawes Hane, her Hinrick van der Luhe, her Hinrick vhan Plesse, riddere, Helmet vann Plesse, Johannes Sperlinck, Eewaltt Veeregge.

tho Gnoigenn . . . 1493, den frydach na der hilligen drevaldicheitt dage.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).

reg. Ulenoge cc 49.

77. 1493. Dezember 4. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß Gramstorf bei Tessin des jungen Heine Beren zu Nustrow

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Erbe ist, und daß dieser es von der Stadt Rostock, die es weiter an den Herzog verpfändet hat, einlösen kann.

Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Helmot van Plesse, Ludtke Moldtke.

tho Schwerin, ahm middewecken na s. Andreas . . . dage 1493.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).

Dazu Papierconcept Ulenoge Y 22.

reg. Ulenoge kkk 80.

78. 1493. Dezember 5. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß die Dörfer Fahrenholz und Nienhusen des jungen Heinrich Schmecker zum Wüstenfelde Erbe sind, und daß dieser sie von der Stadt Rostock, die sie weiter an den Herzog verpfändet hat, einlösen kann.

Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Helmett van Plesse, Lutke Moltke.

tho Swerin, ahm donnerdage na deme ersten sundage des adventes . . . 1493.

Concept auf Papier; zugleich Concept für voriges Stück

(Ulenoge kkk 80) durch Ueberschreibung der abweichenden Namen.

reg. Ulenoge Y 22.

79. 1493. Dezember 7.

Johann Moltke zu Strietfeld, Heinrich und Vicke Moltke zu Neukirchen und Belitz bezeugen, daß wailand Ritter Heinrich Moltke zu Teutenwinkel der Kirche dortselbst 2 Wiesen u. a. vermacht hat (inserirt von 1383, Dezember 27).

1493, in den achte dagen s. Andree . . .

Auf Pergament mit Siegelstreifen für 6 nicht vorhandene Siegel und Einschnitten für ein weiteres Siegel. Das Transsumpt ist ebenfalls gefälscht.

reg. Ulenoge n 36.

80. 1493. Dezember 19. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen einer= und dem Hospital St. Jürgen zu Rostock anderseits über die Dörfer

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Göldenitz und Schlage dahin, daß diese der Preene Erbe sind, die sie vom Hospital einlösen können.

Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick vhann Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinck.

tho Schwerynn, ahm donnerdage na Lucie virginis . . . 1493.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. (Papierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge ttt 89.

81. 1493. Dezember 19. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen einer= und dem Hospital St. Jürgen zu Rostock anderseits über das Dorf Oberhof=Sanitz, indem er den Preenen das Recht der Einlösung zuerkennt.

Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinek.

tho Swerin, ahm donredage na Lucie virginis . . . 1493.

Concept auf Papier (durchstrichen).

reg. Ulenoge D 4.

82. 1493. Dezember 20. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet, daß Wolfshagen, Vogtshagen, Ikendorf und Dierkow der Moltke zu Strietfeld, Neukirchen und Belitz Erbe sind und daß diese die genannten Dörfer von den Hospitälern zu St. Jürgen und zum Hl. Geist in Rostock einlösen können.

Zeugen: her Hinrick vhan der Luhe, her Hynrick vhan Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinck.

tho Schwerynn, ahm frydage na Lucie virginis . . . 1493.

Auf Pergament mit Einschnitten für Siegelstreifen.

reg. Ulenoge qq 62.

83*). 1493. Dezember 20. Schwerin.

Magnus II, Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen einer= und der Stadt Rostock anderseits über Broderstorf, indem er den Preenen das Recht der Einlösung zuerkennt.

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Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Ludtke Moltke, Johannes Sperlinck.

tho Swerin, ahm fridage na Lucie virginis . . . 1493.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

84. 1496. Dezember 1. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Heinrich, Lorenz und Otto Preen und Diedrich Bevernitz zu Lüsewitz dahin, daß die Preene das Dorf Wolfsberg (Wulvesberge . . . im caspell tho Petzkow) von Bevernitz einlösen können.

tho Schweryn, ahm donnerdage na s. Andreas . . . dage . . . 1496.

Auf Pergament mit Siegelstreifen ohne Siegel. (Papierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge L 11.

85*). 1496. Dezember 5. Gnoien.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bezeugt einen Vergleich zwischen Henneke Kerckdorp zu Granzow einer= und Jacobus Abt und Convent zu Dargun anderseits wegen des Dorfes Penkow (Pennekow) mit der wüsten Feldmark Luchow, deren Einlösungsrecht denen v. Kardorff zuerkannt wird.

tno Gnoigen, ahm mandage na s. Andreas . . . 1496.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenbande. Fehlt in der "Registratur".

86. 1496. Dezember 6. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Heinrich Preen zu Bandelstorf und Lüdtke und Claus Moltke zu Strietfeld dahin, daß die Preene das halbe Dorf Niekrenz von den Moltke einlösen können.

tho Schwerynn, ahm dingstedage na s. Andreas . . . 1496.

Auf Pergament mit anhängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft).

reg. Ulenoge ggg 77.

87. 1496. Dezember 7. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet einen Streit zwischen Heinrich Preen zu Bandelstorf einer= und

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Nicolaus Hahn, Ritter, und Hans Hahn zu Basedom anderseits dahin, daß die Preene die Dörfer Kl.=Ridsenow, Spotendorf und Lüssow von den Hahns einlösen können.

tho Schweryn, ahm negesten middeweken na s. Andreas . . . dage . . . 1496.

Auf Pergament mit ausgerissenem Siegel, (Papierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge A 1.

88. 1496. Dezember 15. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bestätigt die Erbverbrüderung zwischen Cordt Bützow, Jurges Zepelin, Bartholdt Hoge und Peter Thun.

Zeugen: her Hinrick van der Luhe, her Hinrick van Plesse, her Niclawes Lutzow, riddere, Helmett van Plesse, Lutke Moltke.

tho Swerin, ahm donredage na Lucie virginis . . . 1496.

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge f 29.

89†). 1496. Schwerin.

Ein Vertrag zwischen den Preenen von Wannensdorf [recte Bandelstorf] und Gubckow und Dietrich Beverneß von wegen der Mühlen zu Petzkom.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge M 12 im Aktenband.

90*). 1498. Mai 25. Güstrow.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, entscheidet den Streit zwischen Johann Moltke zu Strietfeld und Henneke Kerckdorp zu Granzow wegen des Dorfes Schabow und der Hälfte von Böhlendorf dahin, daß Kerckdorp diese Güter nebst Granzow noch 30 Jahre als Pfand innehaben soll, darauf aber den Moltkes die Einlösung freisteht.

tho Gustrow, ahm negesten fridage na der hemmelvart Chrisi 1498.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer; im Aktenband. Fehlt in der "Registratur".

91. 1498. Dezember 6. Wismar.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, bezeugt, daß Heinrich, Lorenz und Otto Preen zu Gubkow, Bandelstorf und Wehnen=

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dorf von Diedrich Bevernitz zu Lüsewitz die Dörfer Petschow und Wolfsberg einlösen können, daß aber anderseits Bevernitz durch Zahlung von 1500 rheinischen Goldgulden an die Preene beide Dörfer als ewiger Erbe erwerben kann.

tho der Wysmer, ahm donnerdage na s. Andreas . . . 1498.

Auf Pergament; ein Theil des unteren Randes, an dem das Siegel gehangen haben kann, ist abgerissen. (Papierconcept vorhanden.)

reg. Ulenoge ss 64.

92. 1499. Februar 4. Schwerin.

Magnus II., Herzog zu Meklenburg, belehnt Diedrich Bevernisse zu Lüsewitz mit den Dörfern Petschow und Wolfsberg, nachdem dieser sie von Heinrich, Lorenz und Otto Preen eingelöst hatte.

tho Schwerin, ahm negesten mandage na Marien lichtmissen . . . 1499.

Concept auf Papier.

reg. Ulenoge kk 56.

93†). 1500.

Ein newer Brieff mit neun Siegeln, darin kein Wapen gedruckt, über den Stritfelt, eine Erbteilung zwischen den Moltken.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge i 32 im Aktenband.

94**). 1512. Dezember 19. Schwerin.

Achim Preen zu Wandrum verkauft dem Henneke Raven seinen Hof zu Gr.=Trebbow sowie seinen Antheil am dortigen See.

tho Swerin . . . des sondages vor dem hilligen Christe 1512.

Auf Pergament mit 3 Siegelstreifen und 3 ausgerissenen Siegeleinschnitten.

Ulenoge ?

95**). 1513. März 29. Schwerin.

Heinrich V. und Albrecht VII., Herzöge zu Meklenburg, bestätigen den Verkauf eines Hofes sowie eines Antheils am See von Gr.=Trebbow durch Achim Preen an Hennike Raven.

tho Swerinn, am dinstdage in dem paskenn . . . 1513.

Auf Pergament mit 2 Siegelstreifen.

Ulenoge ?

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96. 1520. Juni 25. Schwerin.

Heinrich V. und Albrecht VII., Herzöge zu Meklenburg, belehnen die Moltkes von Strietfeld, Neukirchen und Belitz mit dem von Rostock eingelösten Teutenwinkel unter Ablehnuug der Ansprüche des Ludtke Moltke zu Wesselstorf und seines Brudersohns Detlof Moltke zu Strietfeld.

Zue Schwerrynn . . . 1520, ahm mandage na Johannes des hilligen thoeffers.

Auf Pergament mit an Seidenschnüren hängendem Siegel (nachgestochenes Petschaft) Heinrichs und Bruchstücken der Rückseite des Siegels Albrechts.

reg. Ulenoge ddd 74.

97. 1531. November 15. Rostock.

Johann Moltke zu Teutenwinkel einer= und Lutke Moltke zu Wesselstorf mit seinen Bruderskindern Detlef und Gevert zu Strietfeld anderseits vertragen sich wegen Theilung der zum Strietfeld gehörigen Güter, in denen Lutke etc. . dem Johann und Erben (Carin) zur Erlangung der Hälfte behülflich sein wollen.

tho Rostock . . . 1531, ahm middewecken nha Martini . . .

Auf Pergament mit 10 Siegelstreifen, an deren 3 Siegel hängen.

reg. Ulenoge bbb 72.

98. 1532. Januar 17. Rostock.

Bürgermeister und Rath zu Rostock bestätigen den Gütervertrag zwischen Johann Moltke zu Teutenwinkel und den Moltkes zu Wesselstorf, Strietfeld und Drüsewitz mit Hinzufügung der Bestimmung, daß die Güter zu Redebas und Neukirchen dem Johann und Carin zugehören sollen.

Binnen Rostock up der schodtkhamer . . . 1532, ahm dage Antonii des hyllygen abbates ihm umbschlage.

Auf Pergament mit 5 anhängenden Siegeln. (Bei dem Rostocker Siegel ist eine echte Platte benutzt; die übrigen Siegel sind lauter Moltkes, daher dem Fälscher leicht zugänglich.)

reg. Ulenoge ccc 73.

99*). 1535. Januar 27. Güstrow.

Heinrich Levetzow bekennt Frau Anna, Wittwe des Hermann Bockling (oder Bockberch), 100 fl. zu schulden.

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to Gustrow . . . 1535, des myddewekens na conversionis Pauli.

Auf Pergament mit 5 angehängten Siegeln, von denen nur noch das des Schuldners, in Gestalt eines unförmlichen Wachsklumpens ohne Prägung, vorhanden ist.

Ulenoge (?) ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

100*). 1541. Januar 22.

Vollrath von der Lühe bekennt 200 fl. dem Achim Preen (Brynn) zu schulden und stellt als Bürgen Achim Stralendorf "tom Preßberg", Heinrich Bülow zu Harkensee, "Vycke Bernnytt to Dorstorp", Bernhard Plessen (Blesße) zu Arpshagen.

1541, am tag sunnabenth nach Anthoni.

Auf Pergament mit 5 anhängenden Siegeln. (Es sind Originalsiegel benutzt und hinterklebt, wie die hier und da noch zum Vorschein kommenden Pergamentstreifen der erstmaligen Verwendung darthun. Daher sicher Fälschung. Aber ob von Ulenoge?)

Ulenoge (?) ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

101. 1543. Februar 15. Rostock.

Johann Moltke zu Teutenwinkel erklärt die Ansprüche des Gebhard Moltke auf die Hälfte von Teutenwinkel, Neukirchen, Belitz, Mulsow, Tüzen, Redebas und Helmstorf für unberechtigt. .

Rostock 1543, donnerstages nach . . . Invocavit (15. Febr.).

Auf Pergament; Notariatsinstrument des Caspar Sümingk mit Handzeichen.

reg. Ulenoge hh 54.

102*). 1558. November 18. Rostock.

Mattheus Boddin wider Hans Lestkow, beide Bürger zu Gnoien, in Schuldangelegenheit.

1558 . . . ahm fridage na Martini (18. Nov.) . . . tho Rostogk.

Auf Pergament; Notariatsinstrument des Wilh. Ulenoge mit Handzeichen, eigenhändig mit Korrekturen. - Wohl nur als Beleg für die Handschrift Ulenoges zu den Fälschungen gekommen.

Ulenoge ohne Ziffer, fehlt in der "Registratur".

103. 1563. Juni 15. Lübeck.

Der Notar Henricus Myander zu Lübeck beurkundet eine Zeugenaussage, durch die bestätigt wird, daß der ver=

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storbene Helmuth Pilkrulle einer adeligen Familie entstamme, die in Lütkewitz auf der Rügenschen Halbinsel Wittow angesessen war.

1563 dienstag, 15. Juni, Lübeck.

Auf Pergament; Notariatsinstrument mit Handzeichen.

reg. Ulenoge ii 55.

104*). [15]62. Januar 22. Drewitz.

Gebert Moltke an Carin Moltke wegen der Schweinemast im Wolkower Holze.

Drenwitze, den 22. tagk januarii anno etc. 62.

Copie auf Papier.

Mit D gezeichnet, aber nicht in der "Registratur".

105*). [15]65. Juli 6. Rostock.

Asmus von der Lühe testirt zu Gunsten seiner Gattin Polite Preen und bittet die Herzöge Johann Albrecht und Ulrich um Bestätigung.

Zu Rostogk, ahm freittage nach Visitationis Marie anno 65.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer; fehlt in der "Registratur".

106*. 1567. Februar 9. Güstrow.

Henning Balch, Bürger zu Rostock, vermacht seiner Gattin Margareta von Adram, Wittwe des Mathias v. Kardorff (Kerckdorffen), seine Güter in und bei Güstrow und fahrende Habe.

Zu Güstrow . . . 1567, ahm dage Esto mihi.

Concept auf Papier.

Ulenoge ohne Ziffer; fehlt in der "Registratur".

107†). 1569. Januar 11. Rostock.

Vertrag Otto und Balthasar Moltken zu Wolckow und Wesselstorff mit Wilhelm Ulenoge von wegen etzlicher Briefe.

Regest in der Registratur der Ulenogeschen Briefe.

reg. Ulenoge yy 69 im Aktenband.

108*). 1569. Januar 20. Rostock.

Elisabeth Halberstadt, Wittwe des Carin Moltke, deponirt den Pfandschilling für Einlösung des Stammlehens Wesselstorf

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mit Pflugdiensten zu Gr.=Ridsenow, dessen Annahme Otto Moltke zu Wolkow und die übrigen Inhaber des Pfandes verweigert hatten, bei dem Notar Ulenoge.

1569 . . . 20. Januar zu Rostock.

Notariatsinstrument auf Pergament mit abgerissenem unteren Rande; daher unvollständig und ohne Namen und Zeichen des Notars; gezeichnet 8, aber nicht in der "Registratur".

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Verzeichniß

der in vorstehenden Regesten enthaltenen gefälschten Transsumpte, für die keine Sonderausfertigungen vorhanden sind.
1) 1262. Oktober 31. Rostock. siehe Nr. 1
2) 1298. September 29. " " 2 u. 3
3) 1302. November 11. Rostock. " " 6
4) 1334. Mai 18. " " 27
5) 1358. April 28. " " 27
6) 1383. Februar 5. Rostock. " " 55
7) 1383. Dezember 27. " " 79
8) 1410. Oktober 28. " " 24
9) 1414. Mai 28. Bützow. " " 28
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Nachstehend sind die hauptsächlichsten in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschriften faksimilirt:

Nr. 5.
in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschrift
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Nr. 23.
in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschrift
Nr. 32.
in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschrift
Nr. 59.
in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschrift
Nr. 77.
in den Ulenogeschen Fälschungen vorkommenden Handschrift
Nr. 102.
Ulenoges Handschrift
Ulenoges eigene Hand.
Vignette
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III.

Die Straßennamen Wismars.

Von
Dr. F. Techen.
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N icht, wie es uns geläufig ist, durch Beschluß und Erlaß der Obrigkeiten sind in Vorzeiten die Straßen zu ihren Namen gekommen, und noch viel weniger haben sie ihre Benennung der Willkür Einzelner zu verdanken - denn Unternehmer, die ganze Straßenzüge erbauten, gabs ehedem nicht, und also konnten sie auch nicht ihren Namen an die Hinterseite anschlagen lassen und ihren Willen derhalben in der Zeitung bekannt geben 1 ) -: vielmehr haben hier recht eigentlich Volksgeist und Volksmund gewaltet. Vielfach lag die Sache so, daß, sobald das Bedürfnis einer Benennung hervortrat, der Name mehr als Einem sozusagen auf der Zunge schweben mußte, namentlich da, wo mehrere desselben Berufs alter Sitte gemäß zusammen wohnten, wie Krämer, Böttcher, Gerber, Weber, Altböter. Da konnte kein Bedenken sein: Krämer=Straße, Böttcher=Straße, Gerber=Straße waren flugs gebildet und in aller Munde. Derselben Art sind Papen=Straße (d. h. Pfaffen=Straße), Beginen=Straße (erst später durchgedrungen), Büttel=Straße (nach dem dort angesiedelten Büttel) und Bau=Straße (wenigstens wenn man die lateinischen Benennungen ansieht; der deutsche Ausdruck kann nur als Straße gedeutet werden, von wo aus Ackerbau betrieben wird. Bauleute sind Ackerbürger). Aehnlich, wenn eine Straße nach einem Hauptorte der Nachbarschaft hin führte. Da brauchte Niemand Alt=Wismarsche Straße, Lübsche Straße, Meklenburger Straße in Umlauf zu setzen, und diese Namen sind fast die einzigen, die, begünstigt noch durch die Stadterweiterung, ein Recht über größere Strecken erhielten. Die Burg=Straße (jetzt Schatterau),


1) Vgl. unten unter Thurm=Straße.
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die man sich als einst beim Schmiedethor (s. da) ausmündend vorstellen muß, gieng auf die älteste fürstliche Burg zu. 1 ) Auch bei manchen Oertlichkeiten und hervorragenden Gebäuden konnte kein Zweifel statthaben. Markt und Kirchhöfe, Kirchen, Klöster, Schulen, Mühle, Fürstenhof, Rathhaus, Brücken, Thore, Gruben gaben die Namen von selbst an die Hand, freilich nicht alle mit gleicher Folge und Sicherheit. Geblieben sind außer Märkten und Kirchhöfen "hinterm Chor" (ehemals setzte man in Schriftstücken "St. Nicolai" hinzu), Mühlen=Straße, 2 ) "hinterm Rathhause", Schweinsbrücke, "vor dem Pölerthore", Schütting=Straße (nach dem Krämer=Schüttinge), die Grube oder Frische Grube, deren Endtheile man späterhin als Mühlen=Grube und Runde Grube abschied. "Bei der Klosterkirche" ist neueren Ursprungs. "Bei den Minderbrüdern", später Mönchen=Straße, hat mit der Umwandlung des Klosters in die Große Schule auch den Namen gewandelt: es ist jetzt die Schul=Straße. Ebenso haben "gegenüber dem Meklenburger Hofe", "gegenüber dem Tribunal", "vor dem Fürstenhofe" einander abgelöst. "Hinter den Minderbrüdern" ist jetzt die ABC=Straße, eine Benennung durchaus aus Volksmund nach den ersten der Buchstaben, mit denen die auf dem Grundstücke des Klosters 1574 und 1580 erbauten Buden gekennzeichnet waren. Hillen=Brücke, Radolfs=Brücke, Breite Brücke, Wage=Brücke sind vergessen oder haben neuen Namen das Feld geräumt. "Hinter den Schulen" oder "hinter der Schule", "hinter der alten Schule" konnte sich nicht halten, als dies Gebäude, die Alte Schule, die ehemals den beiden Kirchspielen St. Marien und St. Jürgens diente, zu Wohnungen eingerichtet war. Das hohe Haus, nach dem "hinter dem Rathhause" einst Hogehus genannt ward, lag an der Ecke der Krämer=Straße, es war eine Zeit lang im Besitze des Bürgermeisters Dietr. Wilde, später einmal übel berüchtigt. Von den Gruben ist die Faule Grube, ehedem die Vogts=Grube, vor fünfundzwanzig Jahren, man sicht nicht ein warum, in Wilhelms=Straße umgetauft worden. Salze Grube und heil. Geistes=Grube sind


1) Wie ein Theil des Spiegelbergs zu der Bezeichnung "up der borch" gekommen ist, das mag der Himmel wissen.
2) Im Lateinischen ist an Stelle des ältern richtigen platea molendini hernach pl. molendinorum getreten, obgleich die Straße nur auf Eine Mühle, die Gruben=Mühle, hinführte. Ähnlich heißt es stets pl. urbium, pl. Regum statt des richtigen, nie bezeugten pl. urbis, Regis. Augenscheinlich liegen Analogiebildungen in Anhalt an pl. institorum, dolificum, cerdonum vor. So noch das neuerdings gebildete Bleicherweg.
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schon früh abgetreten, jene die Breite Straße, diese die Neustadt. Die Kuhle verdankt einem von der Metelstorfer Leitung gespeisten Brunnen ihren Namen, und man kann nur zweifeln, ob es ursprünglich vielleicht ein Ausbruch war. Nach dem anscheinend an der Ecke der Dankwarts=Straße belegen gewesenen Bliden=Hause 1 ), worin die Wurfgeschütze geborgen wurden, ist die Bliden=Straße genannt, die man mit Blei in Verbindung gebracht hat, als man von Bliden nichts mehr wußte, und seit lange ungehörig mit ie zu schreiben beliebt. Speicher=Straße und Keller=Straße sind offenbar nach einer Mehrzahl daran belegener Speicher und Wohnkeller benannt. Schwibbogen erklärt sich selbst. - Durchgängig jüngeren Datums sind Benennungen nach Gestalt und Eigenheiten, wie Schild, Breite Straße, Hohe Straße, früher auch im Sack. Der Name Dreck=Straße für die Schatterau ist nur kurze Zeit üblich gewesen und auch Schopenstele für das hintere, nach der Klosterkirche hin abbiegende Stück dieser Straße, das wohl einem Schöpfkellen=Stiele vergleichbar ist, früh in Vergessenheit gerathen. Grüne Straße, nach dem grünen Hofe benannt, gehört nicht hierher, wohl aber der Name Hege, den man freilich nicht von der jüngeren entstellten Namensform aus zu deuten unternehmen darf. Hege ist bekanntlich ein Zaun, eine Bezeichnung, die auf unsere enge Straße wohl anwendbar scheint, zumal wenn man sich ihrer Entstehung erinnert. Anfangs dehnte sich nämlich der Markt westwärts und nordwärts bis an die äußeren Häuserreihen von Hege und "hinterm Rathhause" aus, bevor für die hier ihre Waaren feilhaltenden Geschäftsleute feste Stände oder Buden errichtet wurden, die anscheinend im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts erstanden und nachweislich seit 1319 von der Kämmerei vermiethet wurden. 2 ) Sie waren einheitlich gebaut und architektonisch reich und schön gestaltet. Langgestreckt, nicht zu hoch und sehr schmal, waren diese Reihen einer Hege ähnlich genug, namentlich an der Seite, der das Rathhaus nicht vorgelagert war, und wo die neue Straße enger ausfiel als die andere. Noch größere Enge und Lichtlosigkeit wird den verhältnismäßig jungen Namen "im Düstern" veranlaßt haben,


1) Schröder begründet in seiner Ausführlichen Beschreibung S. 604 die richtige Ableitung und führt aus verlorenen Stadtbüchern an: 1302 domus machinarum in platea Dancmari. 1320 hereditas sita in Bustrate contra aream, super qua erat domus machinarum. 1343 area sita ante valvam Magnopolensem, ubi quondam erat domus machinarum, bliden.
2) Vgl. Crull, Jahrb. 41, S. 134. 56, S. 29 f.
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wie die Verstecktheit eines hierzu gehörigen Winkels den Namen Hasenlager. 1 )

Nicht so leicht und glatt machte sich die Benennung nach hervorragenden Personen, die, wie wir annehmen müssen, in den betreffenden Straßen ihren Wohnsitz hatten. Da muß ebenso, wie in anderen Fällen, wo der Name von irgend welchen Zufälligkeiten hervorgerufen ist, vorausgesetzt werden, daß jemand mit seinem Einfalle, mochte er gut oder schlecht sein, das Glück hatte, Beifall zu finden. Das brauchte nicht ohne Weiteres zu geschehen. Einfall konnte gegen Einfall stehn, mehrere Namen eine Zeit lang neben einander herlaufen, bis endlich einer durchdrang. Mit vielen Orts= und Personennamen ist es grade so hergegangen, und Oekelnamen entstehn noch jeden Tag auf diese Weise.

Einmal läßt sich der Weg urkundlich verfolgen, der zurückzulegen war, ehe ein solcher Name mundgerecht war, ohne daß dabei eine Konkurrenz aufgetaucht wäre. Die erste Erwähnung im ältesten Stadtbuche zeigt handgreiflich eine Verlegenheit, worauf noch zurückzukommen sein wird. Der Stadtschreiber hat keinen Namen zur Hand, er umschreibt deshalb "die große Straße, auf der man an die Grube hinuntersteigt"; wenig später sagt er "die Straße gegenüber Bozen Hause". Hernach werden (worauf unter andern Umständen kein Gewicht zu legen wäre, da Bezeichnungen dieser Art auch neben den Straßennamen, weil vor der neuen Anordnung des Stadtbuchs unentbehrlich, die geläufigsten sind) des öftern Grundstücke als neben dem Erbe des Degenhard Boz belegen bezeichnet: sein auch begegnendes Häuschen in der Schulstraße bei dem Beginenhause wird ein Hinterhaus gewesen sein. Dann erst setzt sich der Name fest, um nur noch in der Form Abweichungen zu unterliegen, verderbt zu werden: Boostrate, Bostrate im vierzehnten Jahrhundert, im folgenden Boestrate, meist aber Botesstrate, gegen Ende desselben Jahrhunderts schon mehrfach Borstrate. Daneben halten sich die richtigeren Formen. Jetzt herrscht seit lange Borstraße, plattdeutsch allerdings noch weiter zu Burstrat verunstaltet. Gleichartig sind Dankwarts=Straße und Blücherstraße, auch diese Namen von der Länge der Zeit mehrfach angegriffen und verändert. Die erste ursprünglich Dangmar= oder Dangmerstrate geschrieben, dann 1448 zuerst Danquardstrate, seit dem sechszehnten Jahrhunderte meist


1) Einen andern Ursprung hat Dr. Brehmer in seinem Aufsatze über die Lübischen Straßennamen (Zeitschr. f. lüb. Gesch. 6, S. 1-48) für die dortige Hasenpforte ermittelt.
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Danckqwerthstrate, Danckwerstrate (auch etwas anders), daneben aber oft Danckwerderstrate, Danckwerterstrate und sogar Danckmeisterstrate. Der Name muß etwas Verfängliches haben, selbst noch in unserer Zeit des Schulzwanges und der Bildung zeugen die Straßenschilder dafür. Möglich wäre, daß der Schmied Tangmar, der bald nach 1250 ein Haus in der Neustadt erwarb, der Straße zu ihrem Namen verholfen hätte, wenigstens liegt die Schmiede in der Dankwarts= Straße im Bereiche der Neustadt (im ursprünglichen Sinne des Worts) und kommt ihr Name nicht früher vor. Aber nur von einer Möglichkeit darf man sprechen. Mehr Wahrscheinlichkeit dürfte die Annahme haben, daß die Blücher=Straße, in den letzten beiden Jahrhunderten vorübergehend Blüffel=Straße benannt, einem Herman Blücher, der vor 1429 in St. Nicolai eine Kapelle hatte, oder doch seiner Familie ihren Namen verdankte; dieser ist vor 1475 nicht zu belegen. Die Königs=Straße hat einen verwickelten Namenstausch durchgemacht. Johannis=Straße kommt erst i. J. 1572 auf. Andere derartige Namen haben sich früh verloren. Schürstrate (so noch jetzt plattdeutsch), nach der Familie Schüre, ist volksetymologisch in Scheuer=Straße verballhornt. Kröpelinen=Straße ist jetzt Bademutter=Straße, Wilden=Straße "im Düstern", Ladewigs=Straße, später Hahnrei, jetzt Zeughaus=Straße. Noch andere solche Namen tauchen nur auf, um sofort wieder zu verschwinden, und nur einem glücklichen Zufalle ist es zu danken, wenn wir herausbringen können, was gemeint ist. Ich nenne Friesen=Straße, Haker=Straße, strata Werneri Zetlud. Wieder bei andern ist nur ein Ansatz genommen, der Name aber nicht fertig geworden. Ich verweise auf die Uebersicht unter Dammenhusen, Krevet, Krukow, Plückeböter. Ebenso wenig haben sich Personennamen an Straßenecken und Brücken gehalten. Ich nenne Buxtehuden ort (ort heißt Ecke), Salomons ort, Wessels ort, Winterpols ort, Hillen=Brücke und Radolfs=Brücke. Auch Harolds=Thor kann hier angeführt werden. Selbstverständlich wurden die auf großen Grundstücken angelegten Gänge, die aus Hamburg und Lübek wohlbekannt sind und auch hierorts nicht ganz fehlten, nach den Eigenthümern benannt. Es sind aber nur wenige mit Namen überliefert: transitus Sassen, Heynonis Gyren, gangh Langemowe, Warnekengang.

In all diesen Fällen können wir die Entstehung der Namen, wenn wir sie uns auch nicht immer zu erklären vermögen, so doch verstehn. Anderer Namen Ursprung liegt für uns ganz im Dunkeln, obwohl nach mancher frühem Vorkommen und

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andauerndem Bestande es an einem stark und sicher wirkenden Anlasse nicht gefehlt haben kann. Hier und da mag ein Merkmal eines Hauses, ein Volkswitz gewirkt haben, manchmal auch Analogie, da einige dieser Namen mehren Städten gemeinsam sind. Die bedeutendste Straße dieser Gattung heißt von Anfang an Spiegelberg (Spegelberch, mons speculi), ein Name, der sich auch in Sternberg und Wittenburg findet, während es in Soest ein Haus tho deme spegele gab. Noch räthselhafter klingt die Schatterau, anfangs Schaterowe, Schetterowe, früher und geraume Zeit neben dem neueren Namen her Burg=Straße geheißen, vorübergehend auch Dreckstraße genannt. Den Namen zu deuten, unterfange ich mich nicht, kann aber einen Hinweis auf ein gleichlautendes Wort nicht unterdrücken. Das ist scatrouwe, ein wiederholt behandeltes Wort, 1 ) das im Streite um die ursprüngliche Sprache des Sachsenspiegels seine Rolle spielt. Es bedeutet Lanzenruhe, Waffenruhe, Stillstand. Eine Verbindung etwa zu erdenken, überlasse ich reicherer Phantasie, die daran anknüpfen könnte, daß auf dem nahen Markte mehr denn einmal turnirt ist. Eine Hunde=Straße gibt es auch in Lübek, Greifswald, Stettin, Barth, Demmin. Was die Hunde mit diesen Straßen zu thun gehabt haben mögen, ist aber ebenso wenig aufgeklärt, wie auf einem andern Gebiete Ursprung und Wesen des Hundekorns und auf unserm die Beziehung zwischen dem Geschlechte der Schweine und der Schweinebrücke (nach der die gleichnamige Straße heißt) oder der Anlaß zur Benennung der Diebs=Straße. Dunkel ist auch der Name Stur, im Sture, womit ursprünglich der Theil der ABC=Straße zwischen Weber=Straße und Gerber=Straße, hernach die ganze Straße bezeichnet ward. Volkswitz liegt offensichtlich beim Glatten Aale und bei der Kyverwyverstrate (Straße der keifischen Weiber) zu Grunde. Für Krönkenhagen ist die älteste belegte Form Kromekenhagen. Ob eine Verbindung mit Peter Kromeke, der um 1290 begegnet, oder einem Namensvetter bestanden hat, wird kaum je auszumachen und darauf um so weniger zu bauen sein, als auch in Rostock und Stralsund 2 ) eine gleichnamige Straße bekannt ist und auch ein gleichlautender Gutsname vorkommt. Unwahrscheinlich ist die Ableitung von krumm, worauf man in Anbetracht der Windung der Straße und des lautlichen Anklangs verfallen könnte. Sie


1) Walther, Jahrb. für niederd. Sprachforschung 18, S. 61 ff. Roethe, die Reimvorreden des Sachsenspiegels S. 75.
2) Vgl. Francke, die Stralsunder Straßennamen, hans. Geschichtsblätter 9, S. XXXI-LI, S. XLII.
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würde auch für Rostock nicht zutreffen. Kaum weiter kommt man mit Negenchören, einer zum Theile engen, zum Theile nur einseitig bebauten Gasse hinter dem Marienthurme. Der Name steht fest und davon läßt sich nichts abdingen. Zuerst 1431 juxta novem choros. Rund vierzig Jahre später nehmen die Schreiber der kleinen Wachtregister ihren Gang in de negen kore, de negen kore up; auch novem chori wird verzeichnet. Im Jahre 1485 wird ein Haus genannt belegen in den neghenkaren, mit einem Ablaute, der nur gegenüber dem jetzt im Plattdeutschen gebräuchlichen Negenküren das echte o sicherer stellt, indem man gleichzeitig für godes gades, für loven laven, für vlote vlate schrieb. In Falsterbo auf der Südspitze Schonens kennen wir aus dem Jahre 1497 die Bude eines deutschen Paternosterers mit dem Kennnamen to den negenkoeren, in Stralsund eine Straße in den seven koren (in der Nähe einer Kirche). Auf dem Greifswalder Stadtfelde ist ein Feldstück neghenmorgen bekannt, das jetzt 41 Morgen hält. Ich bin des Glaubens, daß ein in seinem Anlasse nicht mehr erkennbarer Volkswitz (etwa in Beziehung auf die Engelchöre) vorliegt. Leider läßt sich die Zahl der Buden, die im Mittelalter dort lagen, nicht ermitteln und nur sagen, daß um 1475 dort hauptsächlich Frauen wohnten und 1677 zwölf Buden gezählt wurden. Unerklärt lassen muß ich den Lohberg (nachweisbar seit 1444), insofern als sich keine Andeutung dafür erhalten hat, daß dort je Lohe gelagert ist: wir wissen nur von einem Steinhofe in dortiger Gegend. 1 ) Uebrigens wird die Oertlichkeit in einigen Registern um das Jahr 1475 als Heide bezeichnet, ein Name, den wir nochmals an anderer Stelle antreffen und der dort gehaftet hat, nur daß er ursprünglich auf die Strecke zwischen Beginen=Straße und Speicher=Straße beschränkt gewesen zu sein scheint, während die Fortsetzung damals "hinter dem heil. Geiste" benannt wird. Der Name selbst bedarf keiner Deutung. Spät erst erscheint Rosmarin=Straße, wofür anfangs eine Umschreibung gebraucht, hernach Enge Straße und vielleicht auch das schon erwähnte Kyverwyverstrate gesagt ward. Da die östliche Seite ehemals gänzlich von einem zum Schabbeltschen Hause (jetzt der Kochschen Brauerei) gehörigen Garten begrenzt war, so könnte es nahe liegend scheinen, an eine Besetzung mit ros marinus zu denken, wenn diese Pflanze durchwinterte, was sie schwerlich thut. In meiner Jugend war am Straßenschilde Rostmarien=Straße zu lesen. Haben wir beim


1) Grund hat der gleiche Name in Lübek (Zeitschr. f. lüb. Gesch. 6, S. 30).
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Schopensiele die Beobachtung gemacht, daß der Straßenname sich später an ein daran gelegenes Grundstück heftete, so ergieng es umgekehrt mit dem Salzfäßchen, wie wir jetzt den schmalen Durchgang vom Markte nach der Hege, der Schüttings=Straße gegenüber, nennen. Wenigstens ist mir die von befreundeter Seite ausgesprochene Vermuthung höchst einleuchtend, daß man ursprünglich das an die alten Buden südwarts desselben dem Markte zu angebaute Häuschen (Markt Nr. 9) so genannt habe, indem dies in der That mit seinem an die höhere Mauer angelehnten Pultdache einem Salzfasse, wie man sie vordem in der Küche hatte, ähnlich genug sieht. Auch haben wir als willkommene Hülfe eine Aufzeichnung aus dem Jahre 1594, wonach die Kohlenmesser, deren an der Hege gelegene Amtswohnung 1858 in die heutige Hauptwache einbezogen ist, im soltvatken getrunken haben. Uebrigens begegnet siebzig Jahre früher ein anderes Salzfäßchen am Marien=Kirchhofe, und in entsprechender Weise war gemäß dem Concepte des Alten Stadtbuchs das Haus Hege 10 die Puderbüchse geheißen, nach der Form seines Giebels, wie alte Leute ihn noch gekannt haben.

Bei unbedeutenden und vielleicht wenig angebauten Straßen dauerte es oft eine ganze Weile, bevor ein Name erfunden ward und durchdrang. Da hatte dann der Stadtschreiber - das ist die Person, der am meisten an einer scharfen Bestimmung liegen mußte und die uns das meiste vermittelt, was wir von den Straßennamen der Vorzeit wissen - da hatte dann der Stadtschreiber über dem Stadtbuche seine Noth und mußte manchmal viel Worte daran wenden. Die platea magna qua descenditur ad fossam ist uns schon begegnet, und es sollen hier nur wenige dergleichen angeführt, im Uebrigen aber auf die beigefügte Uebersicht verwiesen werden. Die umständlichste Umschreibung ist bei einem Hause an der Beginen=Straße gebraucht, das lag in platea Lubicensi super acie parve platee cum itur ad conventum bagginarum Crucowen - noch etwas umständlicher als die Prinz August von Württemberg=Straße in Berlin, aber doch nicht so schön. Auch die Rosmarin=Straße hat Mühe verursacht. Von ihr überliefert Schröder folgende (z. Th. von ihm übersetzte) Umschreibung: parva platea qua itur ad s. Nicolaum, welche führet nach der rothen Brücke. Am häufigsten scheinen die kleinen auf den Marien=Kirchhof führenden Straßen dem Stadtschreiber zu schaffen gemacht zu haben, der dabei bald kürzern, bald längern Athem holte. Und doch ist es ihm nicht immer geglückt, sowohl bei diesen wie auch bei andern, der Nachwelt klar zu

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machen, was er meinte. Oft behalf man sich mit einer Angabe der Gegend, da gerade eine Straße zu nennen nicht nothwendig war. So finden wir vielfach beim heil. Geiste, gegenüber dem heil. Geiste, hinter dem heil. Geiste und Aehnliches. Es kommen aber auch bloße Andeutungen vor, wobei das Weitere den besonderen Umständen überlassen blieb, die spätern Geschlechtern das Räthsel nicht lösen helfen. Beispiele sind: hinter der Wedem und beim Kirchhofe, wie wir in gleicher Unbekümmertheit auch ein paar Mal einen Pfarrer von Wismar antreffen. In den Wachtregistern allerdings behebt auch uns der Zusammenhang den Zweifel über Einzeichnungen wie bei den Mönchen (statt bei den schwarzen Mönchen), bei der Grube (statt Vogts=Grube), Schild (wo der Ziegenmarkt gemeint ist). Uebrigens wird sich die tägliche Rede eine gleiche Kürze erlaubt und das Vorbild dafür abgegeben haben. Mag nun die eben beredete Unbestimmtheit ein Uebelstand gewesen sein, oder nicht, so war ihr Vorkommen unvermeidlich, solange die Benennung der Straßen dem Volke überlassen war. Es waren mit diesem Zustande aber noch zwei andere Eigenthümlichkeiten verknüpft, die fortfallen, wo die Obrigkeit die Sorge dafür übernimmt. Einmal eine Unsicherheit an den Enden und Scheiden, die noch im Alten Stadtbuche hier und da zu Tage tritt, wie beim Hopfenmarkt, beim Schilde, beim Ziegenmarkt, wozu jedesmal die anliegenden Straßen konkurriren. Desgleichen konnte die Heide mindestens zum Theile als Böttcher=Straße bezeichnet werden, die Keller=Straße auch als Grüne Straße, und die Altwismar=Straße ließ man mit der Lübschen zusammenstoßen, die Bau=Straße, insbesondere die kurze Bau=Straße, begriff auch die später "vorm Meklenburger Thore", jetzt "hinter dem Schilde" geheißene Fortsetzung. Namentlich in der Nähe der Thore ließ man, ähnlich wie wir es in der Gegend von Kirchen und Klöstern oder sonst hervorragenden Baulichkeiten beobachtet haben, die zuständigen Straßennamen häufig fallen und sagte lieber "vor dem Altwismar=Thor", "vor dem Meklenburger Thor", "vor dem Neuen Thor", und diese Begriffe dehnte man ziemlich weit und sogar in Querstraßen hinein aus, sodaß z. B. "vorm Pöler Thor" bis an die Grube reichen und in den Spiegelberg hineingreifen konnte. Daß unter dem Namen der Neustadt anfangs alle in diesem Stadttheile belegenen Grundstücke gefaßt werden konnten, ist eine andere Sache und sehr begreiflich.

Die andere Eigenthümlichkeit ist die, daß die Namen im Laufe der Zeit wiederholt gewechselt wurden. So hieß, von

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neuern Formen und Entstellungen abzusehen, die Bademutter=Straße einst Kröpelinen=Straße, die Altböter=Straße Juden=Straße, die Schatterau Burg=Straße, danach eine Weile auch Dreck=Straße, ein Stück Schopenstele, die Neustadt heil. Geistes=Grube, danach heil. Geistes=Straße. Für "im Düstern" gebrauchte man die Namen Wilden=Straße, Alfstraße, Hasenlager, um der derberen Benennungen zu schweigen. Der Ziegenmarkt war der Reihe nach bei der Radolfs=Brücke, beim Sode oder Pipensode, bei der Breiten Brücke, Schild, "gegenüber den Anker=Schmieden" benannt. Derartiges ließe sich noch Manches beibringen, falls Vollständigkeit nöthig wäre. Merkwürdiger ist ein Umtausch von Namen, der gleichfalls nachweisbar ist. Die Königs=Straße war ehedem die Kleine Hohe Straße, und das mit einem so ansehnlichen Namen (natürlich nach einem Personennamen) jetzt bezeichnete Endchen hieß sachgemäßer die Kleine Grützmacher=Straße. Den Vorgang hat man sich so zu denken, daß Hohe Straße als Name erst neben Königs=Straße trat und dann den älteren Namen verdrängte, daß dieser aber nicht ganz vergessen, sondern namentlich im Stadtbuche auf das anstoßende, von Häusern entblößte Stückchen übertragen ward, wobei das Eckgrundstück und Pertinenzien eine Rolle gespielt haben mögen. Klarer liegt der andere Fall bei der Schütting=Straße, die es lange nicht zu einem festen Namen bringen konnte und wo erst der fünfte gehaftet hat. Die erste dafür begegnende Bezeichnung ist Kleine Hege. Als hernach Riemenschneider=Straße aufkam und mehr gefiel, gerieth man, wie es scheint im 16. Jahrhundert, ob der Großen und Kleinen Hege in Verlegenheit, da man beides auf die Hege beziehen zu sollen glaubte, und schwankte, welchem Theile dieser man den einen oder den andern Namen zulegen wollte. Daher fand Dr. Anton Scheffel die widerstreitendsten Bezeichnungen vor und meinte die anfangs in seinem Alten Stadtbuche gewählten Ueberschriften grote Hege in lütke Hege und lütke Hege in grote Hege umwandeln zu müssen. Auch würde es ohne die Wachtregister kaum möglich gewesen sein, die echte Bedeutung des Namens der Kleinen Hege zu ermitteln. Ferner, was mit der Verlegung des Meklenburger Thors zusammenhängt, wird das unterste Ende der Dankwarts=Straße im Neuen Stadtbuche "vor dem Meklenburger Thor" benannt, während dieser Namen auf dem Paulischen Plane zum Alten Stadtbuche der Straße eignet, die wir "hinter dem Schilde" zu nennen gewohnt sind. Und endlich liegt eine gewisse Aehnlichkeit noch darin vor, daß die Staven=Straße des Alten Stadtbuchs

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im Neuen den unterdes beliebter gewordenen Namen Badstaven erhalten hat und der andere somit frei gewordene dem südlich vom Badstaven belegenen Durchgange von der Bau=Straße zur Wall=Straße zugewendet ist.

Es versteht sich, daß unter solchen Umständen, zumal bei den Verlusten, die das hiesige Archiv erlitten hat, manches im Dunkeln bleiben muß. Einige Schuld fällt dabei auch auf eine gewisse Unbekümmertheit, mit der unleugbar zuweilen die Eintragungen im Stadtbuche gemacht sind. Die Aufgabe des Schreibers war freilich nicht immer leicht. In Folge des Rückganges der Stadt wurden viele Grundstücke wüst und zu Gärten, es vereinigten sich zahlreiche in einer und derselben Hand, und um die Gebühren zu ersparen unterließen auch die neuen Besitzer (die Eximirten aus Prinzip) oft lange, die Umschreibung zu erwirken. Außerdem war der Schreiber nicht immer befähigt, die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten zu überwinden und versah sein Amt nicht mit der Peinlichkeit, die seit Einführung der neuen Stadtbuchordnung (1838) mit Recht verlangt wird. So sind im Alten Stadtbuche Grundstücke zu finden, die seit hundertundfunfzig, ja seit zweihundert Jahren, also seit ihrer ersten Verzeichnung, nicht umgeschrieben sind, und andererseits hat man ins Neue Stadtbuch Grundstücke eintragen müssen, über die im Alten nichts vorzufinden war. Und da man leider ohne durchschlagenden Grund im Neuen Stadtbuche in Anschluß an den Stadtplan Glashoffs eine durchaus neue Anordnung der Grundstücke gewählt hat, so ist es in knifflichen Fällen nur unter Aufwendung beträchtlicher Zeit möglich, die Continuität der Eintragungen und die Identitat der Grundstücke festzustellen. Auf welche Schwierigkeiten man dabei stoßen kann, dafür nur Ein Beispiel. "Im Sack" ist eine längst vergessene Bezeichnung. Die Karte vor dem Alten Stadtbuche weist allerdings durch mehr als halb verloschene Ziffern das unterste Ende der Dankwarts=Straße als Sack nach: ganz zutreffend, denn bis 1688 war es eine Sackgasse, aber auf diesen Plan und seine Einzeichnungen ist nicht durchaus Verlaß, wenigstens ist die Ladewigs=Straße falsch eingetragen. Die im Alten Stadtbuche als "im Sack auf der Westseite" (eine Ostseite fehlt) eingetragenen drei Grundstücke aber haben seit 150 bis 200 Jahren offene Folien. Zum Glücke ist wie alle längeren Straßen die kreuzende Baustraße in verschiedene Stücke zerlegt und das letzte vom Sack an gerechnet. Danach mußte bei der Nachforschung das Augenmerk auf die Grundstücke der Baustraße in der Nähe des Sacks gerichtet werden. Dankwarts=Straße

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Nr. 63 (ich citire stets nach Polizeinummern) fand sich unschwer an der Ecke der Baustraße (vor dem Sacke). Das daran stoßende (dem Meklenburger Thore zu) war (als einziges zwischen unausgefüllten Folien) als in der "Baustraße vom Sack an" an der Nordseite belegen bezeichnet, die folgenden waren bei ihrer Eintragung ins Neue Stadtbuch im Alten nicht aufgefunden. In der "Baustraße vom Sack an" auf der Südseite war im Alten Stadtbuch als Nr. 1 bezeichnet Dankwarts=Straße Nr. 58, als Nr. 2 ebd. Nr. 56, als folgende Nummern unsere hinterm Schilde Nr. 1, 3, 5, 7 (die Polizeinummern sind so angeordnet, daß immer eine Seite der Straße die geraden, und die andere die ungeraden hat). Es ergibt sich, daß "Baustraße vom Sack an" jetzt im Wesentlichen "hinterm Schilde" ist und daß bei Grundstücken in kleinen Querstraßen damit gerechnet werden muß, daß unter Umständen von der Hauptstraße ein Abstecher dahin gemacht wird. Auch ist nicht immer die beabsichtigte Folge der Grundstücke von Nord nach Süd oder von Ost nach West eingehalten, wenigstens habe ich bei der Hege Eckgrundstücke verwechselt gefunden. Das sind natürlich Ausnahmen, aber sie kommen vor.

An der Festigung der Straßennamen, um die es gemäß den letzten Ausführungen ehedem schwach bestellt war, ist das eigentliche Verdienst dem bereits genannten Dr. Anton Scheffel zuzusprechen, der die Idee faßte und durchführte, neben den in alter Weise (nach Art der jetzigen Protokolle) chronologisch weiter zu führenden Stadtbüchern eine topographisch angeordnete auszügliche Uebersicht anzulegen, das Alte Stadtbuch. Konnte sich bis dahin der Schreiber der jeweils üblichen oder in ältern Schriften gebrauchten Namen zwanglos bei seinen dem Datum nach an einander gereihten Stadtbucheintragungen bedienen, so ward durch Scheffel ein für allemal ein festes Gerippe geschaffen, wo jedes Grundstück seinen gegebenen Platz hatte und nur die Namen der neuen Eigenthümer oder sonst Berechtigten einzufügen waren. Dabei mußten wohl oder übel die von Scheffel in den Ueberschriften fixirten Namen Stand halten. Freilich sind auch seither noch im Munde der Leute neue Namen aufgebracht und durchgedrungen und sowohl in den Plan Glashoffs wie in die Neuen Stadtbücher aufgenommen und dadurch mit dem amtlichen Siegel versehen, aber doch in geringerer Zahl. Erst durch den Anschlag der Namen an die Straßenecken ist solchen Neuerungen ein Riegel vorgeschoben, der voraussichtlich halten wird, wobei doch angemerkt zu werden verdient, daß die Namen des Stadt=

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buchs und der Polizei nicht durchaus übereinstimmen. In der Orthographie hat man aber Schreiber und Maler gewähren lassen. Den neuern Anschlägen kann man dabei das Zeugnis geben, daß sie besser gerathen sind als ihre Vorgänger. Eins jedoch will ich nicht mit Stillschweigen übergehn, was allerdings die letzten Generationen nicht verschuldet haben, sondern nur weiter schleppen. Es ist im Grunde eine ausbündige Dummheit. Man hatte die Schmiede=Straße und die Kleinschmiede=Straße. Was Kleinschmiede sind, nämlich Schlosser, Messerschmiede und Nagelschmiede, war vergessen. Die eine Straße war klein und eng, die andere groß und weit nach hiesigen Begriffen. Ein nur nach einer Seite hin zum Ausdruck gebrachter Unterschied wollte nicht genügend erscheinen, und deshalb bildete man nicht etwa kleine Schmiede=Straße und große Schmiede=Straße, was zwar nicht richtig (übrigens hier und da vorkommt, auch Kleinschmiede=Straße und Grobschmiede=Straße wäre angegangen), was aber erträglich gewesen sein würde, sondern man setzte neben die Kleinschmiede=Straße die Großschmiede=Straße. Das ist der einzige Fall, wo ich mich nicht habe entschließen können in der angeschlossenen Uebersicht der üblichen und amtlichen Ordnung zu folgen, ohne daß ich zu Hoffen wage, hierin bei den zuständigen Instanzen Beifall und Nachfolge zu finden. Sonst wäre noch der Wunsch erlaubt, auch das entstellte Hegede durch das echte und im Plattdeutschen noch lebendige Hege wieder ersetzt und Scheuer=Straße ebenfalls in Anschluß an die Volkssprache zu Schür=Straße berichtigt zu sehn. Die erste Beschlußfassung E. E. Raths über neue Straßennamen ist 1871 erfolgt. Angeschlagen sind die Namen zuerst 1803 und zwar auf Veranlassung des Herzogs Friedrich Franz. 1 ) Die Nummertafeln sind 1865 angebracht.


1) Friederich Franz, von Gottes Gnaden Herzog zu Mecklenburg etc. . Unsern gnädigsten Gruß zuvor. Ehrnveste Ehrsame liebe Getreue!
Wir finden nöthig, daß in den grössern Städten Unserer Lande zur Erleichterung der Nachweisungen, in Sonderheit zu bequemerer Zurechtfindung für Fremde die Namen der Gassen und Plätze, gleichwie solches in andern grossen Städten gebräuchlich ist, an den Ecken der Häuser mit leserlicher Innschrift auf dünnen Blechen bezeichnet werden; Befehlen euch demnach, nachdem eben diese Verfügung hieselbst und zu Rostock von Uns getroffen worden, hiedurch gnädigst: solche zur gemeinnützlichen Bequemlichkeit gereichende Polizei=Einrichtung vermöge der Euch zustehenden Sorgfalt für das gemeine Wesen auf öffentliche Kosten auch dorten obrigkeitlich zu veranstalten und ins Werk zu setzen, auch wie solches geschehen, binnen zwei Monaten zu berichten. An dem ge= (  ...  )
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Die beigegebene alphabetische nebersicht soll das erste Vorkommen jedes Namens verzeichnen und seine Geschichte verfolgen, soweit es möglich ist, im ganzen ohne Rücksicht auf orthographische Quisquilien. Das späteste Zeugnis für eine Namensform ist weit schwerer festzustellen und auch von minderer Wichtigkeit, darum sind Angaben darüber nur ausnahmsweise gemacht, wie ich mich überhaupt möglichster Kürze befleißigt habe. Wo andere Nachweise fehlen, ist aus Stillschweigen zu schließen, daß ich die jetzt übliche Namensform einstweilen zu frühest aus dem Neuen Stadtbuche belegen kann. Die ältern Bezeichnungen sind der Regel nach unter den modernen Namen eingereiht, aber mit Verweisungen an ihrer Stelle dem Alphabete nach verzeichnet. Nicht mehr gebrauchte und nicht localisirbare Namen sind, soweit sie nicht von vornherein als vergangenen Zeiten angehörig erkennbar sind, in Klammern geschlossen; ebenso sind unsichere Nachweise älterer Namen eingeklammert. Mehrdeutige Bezeichnungen wie "beim heil. Geiste", "bei den Predigerbrüdern" konnten nicht etwa unter Lübsche Straße oder Neustadt, Meklenburger Straße oder Kleinschmiede=Straße vermerkt werden, wenn auch bei der Schulstraße in dieser Hinsicht eine Ausnahme gerechtfertigt schien. Voran geht eine nicht durchaus vollständige Zusammenstellung von Umschreibungen, die sich nach Bedürfnis aus der Uebersicht ergänzen läßt. Angehängt sind Uebersichten über die Thore, Berchfrite, Brücken.

An Quellen ist bis auf einen unbedeutenden Rest, in dem sich Wesentliches nicht erwarten ließ, das gesamte Material des Wismarschen Rathsarchivs bis zum Jahre 1500 herangezogen und außerdem sind die Stadtbücher und die Auszüge daraus ausgenutzt, soweit sie erhalten sind, endlich die ältern Wasserleitungsakten und die paar Pläne. Was ich sonst habe anführen können, danke ich zum Theile dem Zufalle, das Beste aber meinem väterlichen Freunde Dr. Crull, der mich auch im Einzelnen berathen hat.

Zur Erklärung der meist abgekürzt gegebenen Anführungen diene Folgendes. Was gedruckt ist, ist nach den Drucken citirt.


(  ...  ) schiehet Unser gnädigster Wille und Meinung, und Wir verbleiben euch mit Gnaden gewogen. Gegeben auf Unsrer Vestung Schwerin den 24. Septbr. 1803. FF. H. z. M. An den Magistrat zu Wismar. Von der Post den 3. Octbr. 1803. Bericht über die Ausführung vom 5. Decbr., abgesendet am 6. Decbr. 1803.
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A ist Stadtbuch A,

B ist Stadtbuch B,

II, IX, XII ist Stadtbuch II, IX, XII, über die Meklb. Urk.=Buch I, S. XLVIII ff., Auskunft gibt. Die ersten beiden sind nach Seiten, II ist nach Folien angeführt. Von den letzten sind lediglich ein paar Blätter erhalten.

A. Stb. heißt Altes Stadtbuch, s. S. 74. 76. Im Concept beendet 1677, im Mundum 1680.

N. Stb. heißt Neues Stadtbuch, s. S. 75.

geistl. Stbchschr. bedeutet die im Jahre 1535 verfertigten und bis zum Jahre 1583 vervollständigten Auszüge der geistliches Gut betreffenden Stadtbuchschriften (sonst auch citirt als: geistl. Renten=Reg.).

Die Stbch.=Auszüge des 16. Jahrhunderts oder die Elmhoffs sind wenig umfangreich.

Verzeichnis 1601 bedeutet: Vertzeichnus - aller - Haubtsummen vnd - Zinsen, so den - Gottesheusern - bey der Chemmerey - verschrieben.

lib. miss. heißt liber missarum, dessen vollständiger Titel Jahrb. 43, S. 169 Anm. angegeben ist.

Zb. heißt Zeugebuch oder kleines Stadtbuch (I, nach Folien citirt, begreift mit Lücken die Jahre 1328-1431; II, nach Seiten citirt, die Jahre 1433-1490).

lib. proscr., liber proscriptorum von 1353 bis 1429.

Ger. Inv., gerichtliches Inventar über Nachlässe und gepfändete Güter 1438-1548.

Wachtreg. f. hansische Geschichtsblätter 19, S. 87.

Reg. C s. ebd. S. 87, Anm. 1.

Urtheilsbuch C bedeutet die dritte Abtheilung des ersten 1547 beginnenden Gerichtsprotokollbuches.

Cop. Mar.=Gertr.=Brüdersch. heißt Copiar der Marien=Gertruden=Brüderschaft (um 1575).

Reg. par. Mar., parrochiae Mariae registrum, Uebersicht über die Einnahmen von S. Marien, angelegt 1518.

S. M[arien]=Geb[äude]=Reg[ister], Kirchenrechnungen von S. Marien.

Schröder A. B., Schröder Ausführl. Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar. Handschrift. S. Mekl. Urk.=Buch I, S. XLVIII oder Jahrb. 43, S. 166.

Schröder P. M., Schröder Kirchengeschichte des pavistischen Mecklenburg.

M. U.=B., Meklenburgisches Urkunden=Buch.

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Paulis Plan, Plan der Stadt von dem "seiner guten Wißenschafft in Mathesi wegen ehrenwehrten" Subrector Andr. Pauli (1653-1675) entworfen (vor dem Alten Stadtbuche).

Wasserleitungskarte, Stadtplan mit dem Netze der Wasserleitung (mit Andeutung der Fassaden der Häuser). Original (auf Pergament) und Copie im Besitze von Dr. Crull. Beide mögen der Zeit von 1700 bis 1750 angehören. In der Copie sind die Namenseintragungen fast alle wohl um 1800 nachgezogen, einzelne aber erst damals eingezeichnet.

Glashoffs Index, Glashoffs Index über die auf seinem großen Stadtplane verzeichneten Grundstücke. 1833.

Uebersicht über die Straßennamen.

platea magna, qua descenditur ad fossam (A, S. 18), Bor=Straße.

in pl. I.ubicensi super acie parve platee cum itur ad conventum bagginarum Crucowen (M. U.=B. 4456), Beginen=Straße.

parva pl. antiquae macellae carnium dicta (Schröder A. B. 1325).

parva pl. qua itur ad predicatores (geistl. Stbchschr. f. 12 r ), Kleinschmiede=Straße.

super acie parve platee in pl. I.ubicensi cum itur ad cimiterium sce. Marie (II, f. 37 r ), Johannis=Straße.

parva pl. cum itur ad ecclesiam sce. Marie (II, f. 4 r . 12 v ).

p. pl. juxta cimiterium sce. Marie (M. U.=B. 4662).

p. pl. cum itur versus cimiterium sce. Marie apud Plvckeboteren (II, f. 60 r ).

in pl. Dangmari super acie parve platee retro dotem bte. virginis (II, f. 15 r ), Grüne=Straße.

acies parve platee circa forum equorum (II, f 64 r ), Schatterau?

juxta consistorium super acie parve platee (II, f. 60 r ).

p. pl. qua itur ad s. Nicolaum, welche führet nach der rothen brücke (Schröder A. B. 1325), Rosmarin=Straße.

p. pl. cum itur versus valvam fabrorum (II, f. 13 v . 18 v ), Schatterau.

p. pl. penes monasterium fratrum ordinis predicatorum (XII), Kleinschmiede=Straße.

p. pl. retro Hinricum Dammenhusen (II, f. 26 v ), Schatterau.

area . . . in pl. Dangmari super acie parve platee que Cancro pertinebat (II, f. 23 r ).

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p. pl. apud Pluckeboteren (H, f. 13 r . 16 v ). Vgl. oben.

p. pl. infra Johem. Stetyn et Johem. Walmerstorp (II, f. 48 r ).

arta platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus Spegelbergh (1435, Urk.), alzeme gheyt van deme Speghelberghe na der groven (1463, Urk.), Blücher=Straße.

in pl. dolificum super acie arte platee (II, f. 66 v Büttel=Straße.

pl. arta, qua itur ad fratres predicatores (Zb. I, f. 197 r . 205 r ), Kleinschmiede=Straße.

arcta pl. retro dotem bte. Marie virginis (Schröder A. B. 1363), Grüne Straße.

a. pl. retro Radolphum Hate prope Beyendorpe (Zb. I, f. 199 v ).

in der engen straten, alse me geyt van vnser Leven fruwen kerkhave (geistl. Stbschr. fol. 62 v , 1467), Johannis=Straße?

arta illa platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus barvotos (Bürgersprachen), Rosmarin=Straße.

nova platea bei dem Garten des heil. Geistes (M. U.=B. 2263), Speicher=Straße?

pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen (Schröder A. B. 1325, ohne Zeit und Sonstiges).

pl. qua itur de macellis panum ad ecclesiam b. Marie virginis (Schröder A. B. 1362), Sargmacher=Straße.

in angulo quo itur de foro ad dominam nostram (B 222), Sargmacher=Straße.

pl. apud domum Jacobi de Slawestorp ad murum protendens (M. U.=B. 2291), bei der Klosterkirche.

strata que vadit ad murum (M. U.=B. 2321).

super acie contra aciem Conradi Lubekeruar, cum itur ad fratres minores (II, f. 51 r ), Schul=Straße?

pl. que tendit sursum a domo dni. Henrici de Brakele versus ecclesiam bti. Georgii (M. U.=B. 1883), Hohe Straße.

strata in qua Hasso de Gauvecov moratur (B 226).

str. Verneri Citelut (B 230).

vicus, qui protenditur de pl. Lubicensi ad cimiterium bte. Virginis (M. U.=B. 2144), Johannis=Straße.

domus angularis sita in pl. Tagmari super vico, quo itur ad ecclesiam bte. Virginis (B 172), Sargmacher=Straße.

v. quo itur ad dominam nostram (B 194).

hereditas in vico, ubi moratur domina Edhela (B 153).

v. retro hereditatem dni. Hassonis de Crucowe (B 182).

in vico apud domum Wlfardi (B 178).

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ABC=Straße: retro fratres 1279 (B 18), retro fratres minores [1280] (B 23), retro minores 1326 (M. U.=B. 4731), retro barvotes 1435 (geistl. Stbchschr. f. 45 r ), retro chorum minorum apud Seeveneeken 1358. 1371 (geistl. Stbchschr. f. 8 v . 11 r ; hereditas Andree Soveneken in pl. molendinorum 1373 f. 12 v ). hereditas im st ue r 1461 (geistl. Stbchschr. f. 61 r ). Um 1475 wird in den Wachtregistern der untere Theil bis an die Weber=Straße retro minores, achter den grauen monken, nur in Einem Stur genannt; den weiteren Theil benennen sie übereinstimmend in den Stur, in dem Sture. 1677 im Stüer oder ABC (A. Stb.). Erst in den siebziger und achtziger Jahren des sechszehnten Jahrhunderts wurden an der Westseite die Buden gebaut, die vermöge ihrer Bezeichnung nach dem Abc der Straße zu ihrem neuen Namen verholfen haben. Vgl. Crain, zur Geschichte des Grauen Klosters S. 10 f.

Aleffsstrate s. Düstern.

Altböter=Straße: pl. Judeorum 1342 (M. U =B. 6195), Jodenstrate um 1475 (Wachtregister; auch noch 1573), oltboterstrate um 1470 (Ger. Inv. f. 84 r ; um 1475 ebenfalls in einem Wachtregister). Oltböter ist Altschuster, Flickschuster. In Rostock hat man aus Altböter=Straße Altbettelmönch=Straße gemacht.

Alt=Küter=Straße s. Küter=Straße.

Alt=Weber=Straße s. Weber=Straße.

Alt=Wismar=Straße: pl. Antique Wismarie zwischen 1250 und 1258 (A 8), auch antiqua pl. Wismarie (A 17) und mit den Abwechslungen, denen der Name Wismar ausgesetzt ist. Olde-Wismerstrate 1490 (Urk.). Im dreizehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts des öftern einfach pl. Wismarie oder ähnlich (z. B. A 88, B 11, hier besonders häufig). Alt=Wismarsche Straße (A. Stb.). Man ließ sie ehedem mit der Lübschen Straße zusammenstoßen. Vgl. Hinter dem Rathhause.

bei der Ankerschmiede s. Ziegenmarkt.

Bademutter=Straße: pl. Krøpelini 1323 (II f. 16 r apud dnm. Johem. Cropelyn. f. 56 v lapidea hereditas des H. Joh. Kröpelin neben H. Hinr. Ricquerstorp). pl. Crøpelynes (Zb. I f. 185 v ). Noch 1569 Kroplinsche Str. (geistl. Stbchschr. f. 118 r ). pl. bademo. 1365 (Schröder P. M. S. 1425, M. U.=B. 9319 mit Anm.). pl. obstetricum 1443 ! (Zb. II S. 32). bademomenstrate um 1440

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(Ger. Inv. f. 6 r ). In den Wachtregistern um 1475 beide Namen neben einander, bademmolenstr. 1580 (geistl. Stbchschr. f. 129 r ). Bademomen olim Kröpelinsche Straß (A. Stb.). Daß beide Straßen identisch sind, ergeben die Wachtregister mit Sicherheit, und es hat Dr. Crull nur an einer Gelegenheit gefehlt, den M. U.=B. 5840n. ausgesprochenen Zweifel daran für unbegründet zu erklären. Irrthümlich nehmen vier Wachtregister die Nordseite mit der Schul=Straße zusammen unter dem Namen monnekestrate. Bademutter ist Hebamme.

Badstaven: nova stuba, de stafen, in de stavenstrate um 1475 (Wachtregister). Stavenstraß (A. Stb., Schröder A. B. 1324). Nach einer Badestube benannt. Vgl. S. 74 f.

Bahnhof=Straße 1881, Aug. 25. Früher "hinter der Mauer". Der Mühle und Grube gegenüberliegende Theil hieß bis dahin die Wüste Stätte. Als woste stede werden in den geistl. Stbchschr. mehrere Plätze bezeichnet, ohne daß es zu einem Namen gediehen wäre. Hubert Noppen woste stede bi der Groven, die 1571 in den geistl. Stbchschr. vorkommt, lag weit ab, zwischen der Königs=Straße und der Runden Grube (A. Stb.). Auch in Greifswald hatte man einen wüsten Platz, jetzt Rubenow=Platz (Pyl, Gesch. der Greifswalder Kirchen I, S. 125).

beim Bauhofe s. Bauhof=Straße.

Bauhof=Straße: ex opposito stabuli civitatis 1294 (M. U.=B. 2266). hereditas et 10 bode in pl. cerdonum econtra stabulum consulum 1412 (geistl. Stbchschr. f. 29 r ). bey der hern stalle 1412 (Stadtbuchauszug Elmhofs). beim Hern stall (A. Stb.). Hinter dem Herrenstalle. Vgl. in pl. fabrorum prope stabulum consulum 1328 (M. U.=B. 4990). Der unterste Theil wird im A. Stb. "beim Bauhofe" benannt, teghen dem holthave, oder nur holthoff um 1475 (Wachtregg.). Der Bauhof lag neben dem Wasserthurm bei der Einmündung der Grube. 1876, Aug. 24 wurden beide Theile unter dem neuen Namen vereinigt.

Bau=Straße: platea colonum 1290 (B 160) in buntem Wechsel mit pl. colonorum, worin es B 184(1292) geändert und wonach es ebd. in pl. culture verbessert ist. Diese letzte genaue Uebersetzung des deutschen Namens hat keinen Beifall gefunden, bwenstrata 1295 oder 1296 (M. U.=B. 2320), bustrate und pl. que dicitur b%strate 1296 (B 229. 233), buwstrate 1463 (Urk.), buustrate neben buuwestrate

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(Bau=Straße)
um 1475 (Wachtregister). Das A. Stb. überliefert für den der Lübschen Straße zunächst liegenden Theil als älteren Namen kleine Baustraß (1535; gleichzeitig lutke bowstrate Ger. Inv. f. 177 v ) und benennt den Theil von der Papen=Straße an als kurtze Baustraß. Ehemals und noch im Alten Stadtbuche belegte man die nunmehr "Hinter dem Schilde" geheißene Fortsetzung mit demselben Namen. So schon 1653 korthe bauwstraße (Acten zur Wasserleitung) und 1540 "vor deme Mekelenborger dor in der bowstraten" (Ger. Inv. f. 233 r ). Vgl. Fuhrleute=Straße und S. 65.

Beginen=Straße: hereditas in vico apud baginas (Wurtzins für die Hausfrau Radolfs von Krukow) 1292 (B 184). Vgl. M. U.=B. 1660. (vicus retro hereditatem dni. Hassonis de Crucowe 1292, B 182). in pl. Lubhicensi super acie parve platee, cum itur ad conventum bagginarum Crucowen 1323 (M. U.=B. 4456). pl. begwinarum 1424. 1430 (Bürgersprachen, bei Burmeister S. 53. 58; an erster Stelle nachgetragen). bagginenstrate 1475 (Wachtreg.). begwinenstrate 1.515 (Urk.). Beginenstraß (A. Stb.).

Berg=Straße 1899, Decbr. 19.

Bleicherweg 1882, Mai 31.

Bliden=Straße: pl. bliden 1385 (geistl. Stbchschr. f. 15 v ), pl. machinarum 1401 (ebd. f. 21 r ). blidenstrate 1426 (lib. proscript. S. 104). Die korte blidestrate (1499, Urk.) mag das dem Fürstenhofe zu liegende Stück meinen, sicher thut das die kleyne blidenstr. um 1560 (Cop. der Mar.=Gertr.=Brüdersch. f. 24 v ). Nach dem A. Stb. ward dies Stück auch Pfaffenstraß genannt (unter Berufung auf eine Schrift von 1605, Jubilate). blyenstraße 1653 (Acten zur Wasserleitung). Auch in Stralsund (jetzt aber Blei=Straße. Hans. Gesch.=Bl. 9, S. XXXIII). Vgl. S. 67.

(Blojer=Str.) nennt Schröder A. B. 1325, ohne über ihre Lage etwas angeben zu können.

Blücher=Straße: arta platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus Spegelbergh 1435 (Urk.). alzeme gheyt van deme Speghelberghe na der groven 1463 (Urk.). Blucherstrate um 1475 (Wachtreg.). Blücherstraß (A. Stb.). Blüffelstr. (Schröder A. B. 1322). Richtig im Neuen Stadtbuche, während der Index Glashoffs die verderbte Form bietet, die aus dem Adreßkalender erst im Jahre 1891 verschwunden, aber kürzlich noch neu angeschlagen ist. Vgl. S. 69.

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Bor=Straße: pl. magna qua descenditur ad fossam kurz vor 1258 (A 18). pl. erga domum Bozzonis um 1260 (A 27). Boostrata 1327 (II f. 66 v ), Bostrate 1327 (II f. 72 r ), Boestrate 1421 (Urk.), platea Botesstrate 1404 (lib. miss. f. 27 v pl. Botes 1414 (Zb. I f. 211 r ) und so vorwiegend im 15. Jahrh., Borstrate um 1475 (einige Wachtreg.), Bohrstr. 1565 (geistl. Stbchschr. f. 113 r ), Beerstraße 1565 (lib. miss. f. 122 r ), Bothstrate um 1575 (Cop. der Mar.=Gertr.=Brüdersch. f. 138 r ), Borthstrate 1581 (geistl. Stbchschr. f. 129 v ), Bordestraße 1653 (Acten zur Wasserleitung), Bohrstraße olim Bohttstrasse (A. Stb.), Bortestraß (wenn nicht das e ein Abkürzungszeichen sein soll, A. Stb. f. 79). Plattdeutsch: Burstrat, dem entsprechend schon um 1750 eine Copie der Wasserleitungskarte Bauer=Straße hat. Vgl. bei der Wage, Wagebrücke. Vgl. S. 68.

Bostrate s. Bor=Straße.

Böttcher=Straße: pl. dolificum bald nach 1260 (A 27), bodekariorum um 1265 (A 35), doleatorum 1287 (B 138), doliatorum 1288 (B 141 und oft), boddekerstrate 1475 (Wachtreg.), Böddekerstrasse, Bötticherstr. (A. Stb.). In den Wachtregg. heißt das Stück zwischen Beginen=Straße und Speicher=Straße: Heide. Das A. Stb. läßt die Grenze zweifelhaft. Stb. B bezeugt mehrfach Böttcher in dieser Straße.

bei der Breiten Brücke s. Ziegenmarkt und am Platz.

Breite Straße: salsa fovea zw. 1250 und 1258 (M. U.=B. 649), salsa fossa 1258 (A 20) und später oft. soltegrove um 1260 (Einlage zu A 20), salsata fossa um 1270 (A 69), solttengruve 1295 (B 225). fossa piscatorum 1307 (M. U.=B. 6671n.), vyschergrove 1346 (M. U.=B. 6671). Vgl. die Anm. zu M. U.=B. 6671; nur wird an den Ziegenmarkt nicht zu denken sein. Zu warnen ist vor der leicht sich anbietenden Annahme eines directen Zusammenhangs zw. den Namen Fischer=Grube und Fischer=Reihe. pl. ampla supra fossam salsam 1374 (M. U.=B. 10587). brede strate 1400 (lib. proscr. S. 49). An der Identität der Straßen ist nicht zu zweifeln. Man vgl. folgende von Schröder A. B. S. 1314 und S. 1316 mitgetheilte Stadtbuchauszüge: hereditas tendens a salsa fovea usque ad recentem (1317), domus frumenticea . . inter foveas recentem et salsam sita (1337), hereditas sita super acie salse fosse in opposito fori humuli (1319); dazu noch:

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(Breite=Straße)
hereditas sicut a platea dolificum usque super salsa fossa 1325 (H f. 39 r ). Ueber die Benennung des Stückes zwischen Speicher=Straße und Neustadt ist das A. Stb. nicht ganz sicher (vgl. Ziegenmarkt). Vgl. S. 67 und unter Hillen=Brücke (S. 114 f.).

(bei den Brotscharren): apud macellos panum 1274 (B 98). pl. qua itur de macellis panum ad ecclesiam b. Marie virginis 1316 (Schröder A. B. 1362). juxta novas macellas panum 1325 (II f. 39 v ). Vgl. M. U.=B. 4672. Wohl an der Südseite des Marktes.

(bei der Burg): ante castrum bald nach 1260 (M. U.=B. 888), prope c. um 1288 (B 142), area nova juxta novum murum prope c. 1296 (M. U.=B. 2406). Die Lage dieser Burg ist nicht auszumachen. Sie dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit in der Gegend der Eisengießerei zu suchen sein. Unerklärlich aber ist die in einem der Wachtregister für das zwischen Fischer=Straße und Pöler Thor liegende Stück des Spiegelbergs angewendete Bezeichnung up der borch.

Burgstraße s. Schatterau.

Bustrate s. Bau=Straße.

Büttel=Straße: parva pl. preconum 1323 (H f. 19 v . in pl. dolificum super acie arte platee 1327 (II f. 66 ). in pl. doleatorum sive acie platee bedellorum 1368 (M. U.=B. 9834). bodelstrate 1446 (Urk.). Zu Schröders Zeit auch als Enge Straße (A. B. 1322).

Buxtehuden ort um 1475 in einem Wachtreg., anscheinend zwischen Meklenburger Straße und Dankwarts=Straße zu suchen, in S. Jürgens Kirchspiel.

hinter dem Chor: retro chorum ecclesie bti. Nicolai 1293 (M. U.=B. 2220), retro chorum sancti Nicolai 1357 (geistl. Stbchtchr. f. 8 r ), achter s. Niclas chore 1548 (geistl. Stbchschr. f. 100 r ). hinterm cohr oder furm Pohler thor, auch hinter st. Niclaus cohr (A. Stb.). In den Wachtregg.: Poler dor.

pl. que Cancro pertinebat s. Krevets=Straße.

pl. carbonistarum s. Kohlenmesser=Straße.

pl. carnificum s. Knochenhauer=Straße.

pl. colonum s. Bau=Straße.

Dahlmanus=Straße 1881, Decbr. 1.

parva pl. . . . retro Hinricum Dammenhusen s. Schatterau.

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Dankwarts=Straße: pl. Danckmari bald nach 1260 (A 25). Der Name wird recht verschieden geschrieben: Dancgmari, Dancmari, Dhangmari, Damgmari (B 226), Thangmari, Tangmari, Dagmari, Tagmari, Dangmeri (1431, Urk.; regelmäßig im 15. Jahrh.). Dangmerstrate 1419 (Urk.). Danquardstrate 1448 (Ger. Inv. f. 32 v ) und ebenso 1486 (Zb. II S. 249), Danckquardesstrate 1487 (Urk.), Danckqwerthstrate 1520 (urkundl. Notiz), Danckwerstr., Danckquarstr., Danckwarsstr., Danckworstr. (16. Jahrh., Jahrb. 55, S. 104). Danckwerther oder Dangnerstr. (A. Stb.). Dankwadestr. 1475 (in einem Wachtreg.). Danckmeisterstrate 1558 (angeführt im A. Stb.). in platea Dangmari ante valvam Magnopolensem 1368 (Zb. I f. 184 v ). Winterpols ort, anscheinend in der Gegend des Schildes zwischen Dankwarts= und Meklenburger Straße (einige Wachtregg.; acies Johis. W. in pl. Dangmeri 1439, geistl. Stbchschr. f. 48 r ; her Johan Wynterpols boden up dem schilde [1448], Ger. Inv. f. 31 v ). Das unterste Ende hieß ehemals "im Sack", und heißt im Stadtbuche "vor dem Meklenburger Thor"). Vgl. S. 75 f.

Diebs=Straße: pl. furum 1429 (geistl. Stbchschr. f. 39 r ), devestrate 1475 (Wachtreg.; in einem verschrieben jodeuestr.). Diebestraß (A. Stb., auch noch N. Stb.). Diebes=Str. (Glashoffs Index). Auch in Rostock und Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 37 unter Petristegel). In Stralsund Gr. und Kl. Diebsteig (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XXXIV).

Dreck=Straße s. Schatterau.

im Düstern: her Dyrk Wilden boden in der erskernen 1446 (Ger. Inv. f. 17 r , ob u oder n nicht unterscheidbar; kerne ist eine Nebenform von kerve), plathea Wilden um 1475 (Wachtreg.), gleichzeitig de kerne, in der kernnen, in de kernen (ebenfalls einige Wachtregg.), by der vulen groven up dem orde by der Aleffsstraten edder erskerne anders genomet 1551 (Urtheilsbuch C f. XI r ), erskarn 1564 (angeführt im Reg. zum A. Stb.), im Düstern 1653 (Acten zur Wasserleitung. A. Stb.). Arnstcarbestrasse um 1750 (Wasserleitungskarte). 1408 erwarb H. Dietr. Wilde von Nic. Düsterhus Besitz an der Neustadt mit Armen=Wohnungen (Schröder P. M. 1747). Die Ausbuchtung in der Mitte heißt im N. Stb. Hasenleger. Ob dieser Name schon früher darauf gieng, wie es nach einem Wachtreg. scheint, oder sich auf das Ganze erstreckte, erhellt nicht.

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(im Düstern)
hasenleger um 1475 (ein Wachtreg.), hasenlager 1633 (Anführung des A. Stb.), Schröder A. B. 1323. Arschkerbe, erschkarne auch in Lübek und Stralsund (Zeitschr. für Lüb. Gesch. 6, S. 39 unter Sack II; hans. Gesch.=Bl. 9, S. XL).

hereditas in vico , ubi moratur domina Edhela 1290 (B 153).

(Enge Straße) 1397 (lib. proscr. S. 44). In einem Wachtreg. eine Nebenstraße der Bau=Straße der Mauer zu. Vgl. Büttel=Straße, Kleinschmiede=Straße, Rosmarin=Straße.

Englische Grube: bey dem zeughause . . . der marcktvoigt habe ihm gesagte dass hier vordem die englische grube gewesen (Raths=Protokolle 1747, S. 186). Zeughaus=Straße? In Lübek eine bekannte Straße.

im Erskarn s. Düstern.

Faule Grube s. Wilhels=Straße.

Fischer=Grube s. Breite Straße.

bi der visscher muren um 1475, in der Gegend des Großen Wasserthors (Wachtregg.).

Fischer=Reihe: ante novam valvam penes curiam lignorum 1450 (geistl. Stbchschr. f. 56 r ). na dem pipensode 1475 (ein Wachtreg., andere nova valva). vorm nien dhore 1498 (geistl. Stbchschr. f. 73 r ). fürm neuenthor, sonst auch beim pipensode (A. Stb.). Der Name galt erst von der Neustadt an. Vgl. Breite Straße.

Fischer=Straße: pl. piscatorum 1428 (geistl. Stbchschr. f. 38 r ), fisscherstrate 1475 (Wachtregg.), apud murum (ein Wachtreg.).

(bei den Fleischscharren): hereditas apud antiquos macellos carnium 1272 (B 4), retro macellas carnium 1324 (M. U.=B. 4528, ein Vergleich mit 4601 erweist es als die Hege, was wir nach unsern sonstigen Kenntnissen hätten annehmen müssen), econtra macellos carnificum 1412 (geistl. Stbchschr. f. 29 v ). in atie oppositi ! macellarum 1482 (ebd. f. 66 r ). Schröder führt noch an "parva platea antiquae macelle carnium dicta", ohne Weiteres zu geben (A. B. 1325).

retro fratres s. ABC=Straße.

(Friesen=Straße) . Schröder, der allein sie anführt (A. B. 1325), wußte nicht, wo sie zu suchen sei.

Frische Grube s. Grube.

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(Fuhrleute=Straße): pl. vectorum 1409 und 1415 (geistl. Stbchschr. f. 26 v . 32 r ). Schröder (A. B. 1325) wußte sie auch nicht zu localisiren. Wohl Bau=Straße.

vor dem Fürstenhofe: apud curiam dni. nostri Magnopolensis 1326 (II, f. 55 v econtra curia[m] dni. Magnopolensis 1394 (Zb. I, f. 199 r ). gegen dem Meckelburger hofe (A. Stb.). gegen dem Tribunal (Schröder A. B. 1325).

Garten=Straß e 1899, Decbr. 19.

strata in qua Hasso de Gauvecov (st. Gawetzow) moratur 1295 (B 226).

(beim heil. Geiste): erga domum sancti Spiritus um 1265 (A 31), apud sanctum Spiritum um 1270 (A 39, des öftern in B), ex opposito domus sancti Spiritus um 1290 (B 209). Es wird sich fast ausnahmelos um die Lübsche Straße handeln. - retro sanctum Spiritum, super ortum domus sci. Spiritus s. Heide, pl. sci. Spiritus, h. Geistes Grube s. Neustadt.

Georgen=Kirchhof: apud btm. Georgium vor 1270 (A 37), retro turrim sci. Georgii 1287 (B 137; könnte auch Bau=Straße sein), retro ecclesiam bti. Georgii um 1290 (B 167), econtra cimiterium bti. Georgii 1425 (Zb I, f. 218 v ).

Gerber=Straße: strata cerdorum bald nach 1260 (A 29), pl. cerdonum 1272 (B 3), pl. loren 1282 (B 44), pl. serdonum 1290 (B 158), pl. lore, loere 1297 (B 241. 243), pl. sardonum 1322 (II, f. 2 r ), gherverstrate 1475 (Wachtreg.), gerwerstrate 1483 (Cop. des mind. Kalandes f. 74 v ), garverstraß (A. Stb.). Gerber sind dort vielfach nachweisbar.

(beim Gewölbe): acies et bode econtra testudinem ante aquas 1406 (geistl. Stbchschr. f. 23 v ). by deme welfte 1423 (lib. proscr. S. 97). up dem welfte oder over dem welfte oder welffte in den Wachtregg.

transitus Heynonis Gyren 1434 (Zb. II, S. 15).

Glatter Aal: im gladen ale, by deme gladen ale 1454 (geistl. Stbchschr. f. 57 v . Buch des Großen Kalandes f. 46 r . apud transitum um 1475 (ein Wachtreg.). Auch in Rostock. Vgl. S. 70.

mons Golberge um 1270 (M. U.=B. 885).

bei den Grauen Mönchen s. Schul=Straße.

hinter den Grauen Mönchen s. ABC=Straße.

Großschmiede=Straße s. Schmiede=Straße.

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Grube: recens fossa um 1255 (A 11), fovea r. 1258 (M. U.=B. 813), fossa um 1260 (M. U.=B. 890), fovea 1295 (B 223), grove 1326 (M. U.=B. 4706), prope grovas 1464 (Urk.), grova recens 1468 (Urk.), bi der fersschen ghroven 1475 (Wachtreg.). Oft waren bei der Länge der Grube genauere Bezeichnungen wünschenswerth, was im Laufe der Zeit zur Unterscheidung in Frische, Mühlen= und Runde Grube geführt hat; seit wann, ist nicht zu sagen. Noch 1498 jeghen deme welfte by der verschen groven (Urk.). fossa molendinorum 1379 (geistl. Stbchschr. f. 14), fossa molendini 1398 (Zb. I, f. 205 ! ), fossatum molendini 1444 (Stadtbuchauszüge des 16. Jahrh.), molengrowe [zw. 1455 und 1460] (Ger. Inv. f. 54 r ), der molre grove 1478 (Urk.), apud molendinum 1500 (Urk.), bey der grube mühle (A. Stb.). runde grube 1653 (Acten zur Wasserleitung. A. Stb.). teghen dem benhus und porticus (dieser=likhus, südl. Halle von S. Nicolai) 1475 (Wachtregg.), gegen St. Nicolai kirchoff (A. Stb.). teghen der wessche oder nur wessche 1475 (Wachtregg.), bey der wasche (A. Stb.). Vgl. Gewölbe, Wage, Wippe, Ziegenmarkt, die z. Th. hier einbezogen werden könnten. - Fischer= und Salze Grube s. Breite Straße. heil. Geistes=Grube s. Neustadt. Vogts= und Faule Grube s. Wilhelms=Straße. Englische Grube.

Grüne Straße: retro dotem sce. Marie 1282 (B 46). in pl. Dangmari super acie parve platee retro dotem bte. Virginis 1323 (II, f. 15 r ). ghrone strate 1475 (Wachtregg.), pl. viridis 1480 (Zb. II, S. 180). Benannt nach dem Grünen Hofe. Vgl. M. U.=B. 5563 mit Anm. Zeugnisse über dessen Lage: area . . in pl. clericorum apud gronenhove 1345 (geistl. Stbchschr. f. 5 r ). in viridi curia et bodis . . achter unser Leven [vrouwen] wedeme 1433 (ebd. f. 42 v ). curia viridis in arcta platea retro dotem b. Marie virginis 1434 (Schröder A. B. 1363). de grůne hoff myt sinen boden . . uppe der papenstraten orde 1434 (Urk.). Grüne Str. nach dem A. Stb. 1602 für "hinter der Alten Schule" (Keller=Straße) gebraucht.

Grützmacher=Straße: pl. pultificum 1408 (geistl. Stbchschr. f. 25 r ), ghruttemakerstrate 1475 (Wachtregg.). grosse Grützmacher-Str. (A. Stb.).

Kleine Grützmacher=Straße s. Königs=Straße.

Hahnrei s. Zeughaus=Straße.

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(Hakerstrate) 1475 in einem Wachtreg., in einem andern: na Hakers berchfrede. Beim jetzigen Meklenburger Thore.

Harolds=Thor s. Pöler Thor.

Hasenleger s. Düstern.

arta platea retro Radolphum Hate prope Beyendorpe 1395 (Zb. I, f. 199 ).

Hege: hereditas angularis in platea Lubicensi apud forum 1292 (B 184), um 1295 (B 205. 212). hega 1325 (M. U.=B. 4601), heegha 1349 (Zb. I, 116 r ), major hega 1399 (geistl. Stbchschr. f. 20 v ), magna hega 1404 (ebd. f. 22 r ), grote hege 1516 (geistl. Stbchschr. f. 86 v ). Im 16. Jahrh. bezog man auch lutke hege auf die Hege und gebrauchte dafür kleyne hege, und in Folge davon notirt das A. Stb. beides und bezieht das eine auf den obern, das andere auf den untern Theil der Straße, wobei es aber hin und her schwankt und nicht zu einem klaren Ergebnisse kommt. Die S. 74 ausgesprochene Ansicht hätte etwas weniger bestimmt formulirt werden sollen. In den Wachtregistern wird der Name entweder als heghe, hega oder als hegha major gegeben. Daß darunter aber beide Theile zu verstehen sind, geht stricte nur aus einem einzigen hervor, das nach einander verzeichnet hega major, arta, hega major. Demnach fehlt es für die kleine Hege hier an Raum. Die arta ist die Schüttings=Straße. lutke hege kommt in den Wachtregg. nicht vor. Der Name "hinter den Fleischscharren" hätte hierher gezogen werden können. Uebrigens geht die Ostseite in den Wachtregg. unter der Bezeichnung "by dem markede", 1653 in Acten zur Wasserleitung: lowenbuden. Ich notire noch: nove et antique bode civitatis site inter forum et hegham apud currus caulium 1414 (Auszug aus einer Stbchschr. im Verzeichnis 1601 f. 16 r ). in domo angulari vulgariter de heghe versus plateam Lubicensem 1448 (Urk.). Der Name erscheint noch bei Schröder (A. B. 1323) richtig und wird im Plattdeutschen auch heutzutage so gesprochen; in Wasserleitungsacten zum Jahre 1653 begegnet schon das entstellte Hegede, das im N. Stb. den amtlichen Stempel erhalten hat, während das A. Stb. das Richtige bot und nur beiläufig hegde verzeichnete (aus dem Jahre 1541). Auch in Rostock. Vgl. S. 67.

Heide: area protendens a nova platea super ortum domus sci. Spiritus 1294 (M. U.=B. 2263). In den Wachtregistern heißt die Straße westlich von der Speicher=Straße (zum

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(Heide)
Kirchspiele St. Jürgens gehörig) achter dem hilghen Gheste oder retro sanctum Spiritum, während das Ende zwischen Beginen=Straße und Speicher=Straße (zum Kirchspiele St. Marien gehörig) by der beide oder up der beide oder heyda benannt wird. 4 boden in der boddeker straten bi der heiden und Jochim Burowen belegen 1518 (geistl. Stbchschr. f. 87 v ). Das A. Stb. vollzieht die Scheidung von der Böttcher=Straße nicht mit voller Sicherheit, vgl. dort unter Beginen=Straße, Böttcher=Straße, Speicher=Straße.

hinter dem Herrenstalle s. Bauhof=Straße.

(Hillen=Brücke): hereditas . . . apud pontem Hillonis 1272 (A 87), hereditas apud Hillenbrugge 1286 (B 134), hereditas . . . ante Hillenbrugge 1325 (II f. 47 r ), zuletzt in dieser Art 1380 (geistl. Stbchschr. f. 14 v ). Undatirt ist die Anführung Schröders "pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen" (A. B. 1325). Vgl. die Ausführung bei der Zusammenstellung der Brücken (S. 114 f.).

Hogehus s. hinter dem Rathhause.

Hohe Straße, große: pl. que tendit sursum a domo dni. Henrici de Brakele versus ecclesiam bti. Georgii [1287] (M. U.=B. 1883). alta pl. qua itur de cimiterio bti. Georgii versus plateam Lubicensem 1421 (Bürgersprache, bei Burmeister S. 48 f.). alta pl. apud scm. Georgium 1430 (ebd. S. 58). hoge strate 1441 (Urk.). hoge strate by sunte Jwrghen 1448 (Ger. Inv. f. 30 r ). pl. alta 1457 (geistl. Stbchschr. f. 58 v ). Hogestraet in St. Georgi (A. Stb.).

Hohe Straße, kleine: pl. Regum 1443 (Stbch.=Auszug des 16. Jhs.), hoge strate by dem vatere um 1465 (Ger. Inv. f. 79 v ), hoghe strate um 1475 (einige Wachtregg.), pl. Regum um 1475 (andere Wachtregg.), hogestraße in s. Niclauß kirspel 1477 (Stadtbuchauszug Elmhoffs). Hogestraß in St. Nicolai olim de Konigsstraß (A. Stb. mit Beziehung auf eine Schrift von 1605 Matthaei). Vgl. S. 74.

Holzhof s. Bauhof.

Hopfenmarkt: forum in der Nähe der salsa fossa 1286 (B 136). forum humuli 1319 (Stbch.=Auszug bei Schröder A. B. 1314). hoppenmarcket 1508 (geistl. Stbchschr. f. 81 r ). Das A. Stb. konnte auf keiner festen Abgrenzung gegen Bademutter=Straße und Krämer=Straße fußen. Vgl. M. U.=B. 10663. Auch in Rostock.

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Hunde=Straße: hundestrata 1323 (M. U.=B. 4415), pl. canum 1324 (II f. 21 v ), hunstrata 1327 (II f. 64 r ), pl. canina 1343 (geistl. Stbchschr. f. 4 v ), hundesstrate 1516 (Ger. Inv. f. 116 r ). Auch in Lübek, Greifswald, Stettin, Barth, Demmin. S. Pyl, Gesch. der Greifswalder Kirchen I, S. 102.

Johannis=Straße: vicus qui protenditur de pl. Lubicensi ad cimiterium bte. Virginis 1292 (M. U.=B. 2144). Auch die spätern Umschreibungen - alle in Beziehung zu St. Marien oder St. Marien=Kirchhof - sind nicht bestimmter; in den Wachtreg. fehlt die Straße oder Name und Abgrenzung. Johannis=Str. 1572 (St. Marien Geb.=Reg.).

Juden=Straße s. Altböter=Straße.

beim Kayser, gegen dem Kayser s. Ulmen=Straße.

Katersteig oder Katthagen benennt man den neuen Durchgang von der Meklenburger Straße nach der Linden=Straße (bei der preußischen Barmherzigkeit).

Keller=Straße: retro scolas 1289 (B 152), apud scolas 1289 (B 153), achter der schole 1475 (Wachtregg.), hinter der alten schule 1569 (Anführung des A. Stb.), so auch noch Schröder. Nach dem A. Stb. wäre die Str. auch unter dem Namen Grüne Straße einbegriffen worden (z. B. 1602). Hinter der küsterey um 1750 (Wasserleitungskarte). Keller=Straße um 1800 (neuere Eintragung in die Copie der Wasserleitungskarte). Vgl. S. 66.

Kerbe s. Düstern.

(beim Kirchhofe): cimiterium 1273 f. 1277 (B 9. 16. 51). Welcher gemeint sein mag, ist uns verborgen.

(Kyverwyverstrate) 1578 f. (St. Nicolai=Gebäude=Register). Wahrscheinlich die Rosmarin=Straße.

Kleinschmiede= Straße: parva pl. qua itur ad predicatores 1372 (geistl. Stbchschr. f. 12 r ), pl. arta qua itur ad fratres pr. 1393 (Zb. I, f. 197 r ), parva pl. versus pr. 1399 (geistl. Stbchschr. f. 20 v ), p. pl. econtra pr. 1416 (geistl. Stbchschr. f. 33 v ), pl. cleensmede 1440 (ebd. f. 49 v ), pl. parva fabrorum 1468 (Reg. C), arta platea um 1475 (fast alle Wachtregg.), mestmakerstr., mesmakerstr., meskenstr., klensmedestr., klinsmedestr. um 1475 (einzelne Wachtregg.), in de[r] lutken smedestraten 1537 (Ger. Inv. f. 194 v ). Kleine Schmiede=Straße(Glashoffs Index). Einzelne Messerschmiede und Schlosser sind dort im M.=A. nachzuweisen, Nagelschmiede noch im 19. Jahrh. Vgl. S. 77.

Klivenhoff s. Wilhelms=Straße.

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bei der Klosterkirche: pl. apud domum Jacobi de Slawestorp ad murum protendens 1294 (M. U.=B. 2291), (apud pro-dicatores 1294, B 209, juxta fratres predicatores 1295, B 223), circa predicatores versus aquilonem 1324 (II, f. 35 v ), achter den monken, retro predicatores, by der monke kerkhave um 1475 (einzelne Wachtregg), parva pl. penes monasterium fratrum ordinis predicatorum 1504 (XII), wyntstrate 1518 (reg. parr. sce. Mar. f. XV. A. Stb., Schröder A. B. 1325), beim Schwarzen Kloster (N. Stb). Die eingeklammerten Bezeichnungen sind unsicher. Vgl. auch Kleinschmiede=Straße.

(Knochenhauer=Straße): pl. carnificum 1328 (M. U.=B. 4922, S. 544). Weiter nicht genannt.

(Kohlenmesser=Straße?): pl. carbonistarum nur von Schröder (A. B. 1325) angeführt, der selbst nichts Näheres wußte. Daß meine Uebersetzung sprachlich ihre Bedenken hat, verhehle ich nicht.

Königs=Straße: hereditatem penes fossam recentem . . . necnon tres bodas sitas retro prescriptam hereditatem cum tribus cellariis in pl. pultificum 1494 (Schröder P. M. 2554). In den Wachtregistern wahrscheinlich unter den Namen ghruttemakerstrate einbegriffen, von der sie in andern Stellen gar nicht zu unterscheiden ist. kleine grutmacherstr., kleine Grützmacherstr. (A. Stb.). Unter pl. Regum ist die kl. Hohe=Straße zu verstehn (s. da). Auch in Rostock und Lübek. Vgl. S. 74.

lutke korfmakerstrate s. Schüttings=Straße.

(Krevets=Straße): area . . . in pl. Dangmari super acie parve platee, que Cancro pertinebat 1324 (II f. 23 r ). Die porta Cancri (M. U.=B. 4831) kann nichts damit zu thun haben.

Krämer=Straße: pl. institorum bald nach 1260 (A 27), kremerstrate 1467 (Urk.), kramerstrate um 1540 (Randnotiz zu geistl. Stadtbchschr. f. 57 r ). Krämer sind dort nachweisbar. Es ist anzumerken, daß im Plattdeutschen Kremerstrat mit demjenigen e gesprochen wird, das sonst nur da erscheint, wo es aus ei geworden ist oder damit dialektisch in Beziehung steht, also wie Lehm; Hege mit dem andern wie in nehmen, legen. Der Unterschied, den Jakob Grimm (Gramm. I, 3. Aufl., S. 220) bemerkt, wird bei uns zu Lande nicht empfunden.

Krönkenhagen: Kr oe mekenhagen 1410 (Stbch.=Auszug Elmhoffs), Kromekenhagen 1411. 1472 (geistl. Stbchschr. f. 28 r , Urk.),

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Kromkehagen, Kromkenhagen, Kromenhaghen um 1475 (Wachtregg.), Krunkenhaghen 1500 (Urk.), Krömckenhagen auch Krönichenhagen (A. Stb.). Auch in Rostock. Vgl. S. 70.

pl. Kropelines s. Bademutter=Straße.

vicus retro hereditatem dni. Hassonis de Crucowe 1292 (B 182) wohl die Beginen=Straße.

an der Kuhle: die Kuhle um 1750 (Copie der Wasserleitungskarte). Fehlt im A. Stb. Die Anwohner hatten Wasser aus der K. in dabei aufgestellte Kufen und Balgen geschöpft und gleichsam eine eigne Wäsche angelegt. Dagegen ergieng 1803 ein Verbot, weil der Wasserkunst dadurch Wasser entzogen werde (Wismarsche Zeitung d. J. Nr. 63). Das Wasser entsprang der Metelstorfer Leitung. Uebrigens schon 1560 dath huß in der Mekelenburger straten am orde na dem Meckelborger dore yegen dem sode (Reg. par. Mar. f. 99 v ). Vgl. Küter=Straße.

to den kuterboden s. Küter=Straße.

beim Küterhofe s. bi de rackemuren.

(Küter=Straße): antiqua pl. kuterum 1277 (B 48), granarium apud murum in fine platee antiq. fartorum 1281 (B 39), pl. fartorum 1287 (B 142). Ein in der Anordnung allein stehendes und nicht datirbares, schwerlich aber von 1475 weit abstehendes Wachtreg. läßt auf einander folgen: by der monke kerkhave, to sik by de muren, wedder to den kuterboden. Hiermit sind alle Stellen angegeben. In der Gegend des alten Schlachthauses, das jetzt von beiden Zugängen des Katthagens umfaßt wird. Vgl. an der Kuhle.

pl. Ladewiges s. Zeughaus=Straße.

(Lange Straße): pl. longa, einzige Anführung bei Schröder (A. B. 1325), der sie nicht zu bestimmen wußte.

in dem ganghe Langemowe 1448 (Ger. Inv. f. 28 r ).

Linden=Straße: 1887, Nov. 22. Die Strecke, die etwa beim alten Meklenburger Thore begann und über Katthagen um einiges hinausreichte, hieß ehedem die preußische Barmherzigkeit, nach den alten Linden, die bei der Schleifung der Festungswerke i. J. 1717 von den Preußen geschont waren, während die Dänen deren ganze Schiffe voll nach Kopenhagen überführten. Schröder, A. B. 1088. Vgl. Kurtze Beschreibung, S. 276, 525 (im Neudrucke S. 272, 519), Crain, Beiträge S. 31. Diese ehrwürdigen Linden sind inzwischen bis auf ein paar abseits stehende weggeräumt.

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Lohberg: supra Loberge 1437 (geistl. Stbchschr. f. 46 r ), up dem Loberger vor dem steinhove 1469 (Verzeichnis der Schlüsselbewahrer), up der heide um 1475 (wenige Wachtregg., eins verbessert up dem Loberghe, das die meisten bieten), jegen deme steynhafe 1545 (Ger. Inv. f. 254 r ). Vgl. S. 71.

Lübsche Straße: pl. Lubicensis bald nach 1260 (A 29), Lubekerstrate 1285 (B 122; einzige Stelle). Wann der uralte und in der Kürzung noch übliche Name Lubesche strate zuerst belegt ist, habe ich nicht notirt.

(bei S. Marien): unter "retro dominam nostram scam. Mariam" um 1270 (A 70) scheint die Dankwarts=Straße verstanden werden zu müssen, vicus quo itur ad dominam nostram 1293 (B 194). Vgl. Johannis=Straße und Negenchören.

Marien=Kirchhof: cimiterium bte. Marie 1272 (B 2), juxta btam. Virginem 1295 od. 1296 (B 226), erga dotem bte. Virginis 1290 (B 166), ein Stück: by der sclole (st. schole) in einem Wachtreg. Für die nördliche Ecke der Ostseite wird im A. Stb. der Name "die scheven hören" angeführt.

retro dotem sce. Marie s. Grüne Straße.

Markt: forum um 1255 (A 9). Theile: ex opposito consistorii 1295 (B 215), contra consistorium 1323 (II, f. 8 r ), retro mediastinum 1457 (geistl. Stbchschr. f. 58 r ), achter dem kake 1562 (ebd. f. 109 r ). Wahrscheinlich auch soltfätchen (s. Salzfäßchen). Vgl. Pferdemarkt, Hopfenmarkt, Ziegenmarkt.

(bei der Mauer): apud plancas 1294 (M. U.=B. 2263), strata que vadit ad murum 1295 oder 1296 (M. U.=B. 2321). Unter "apud murum" um 1475 (in einem Wachtreg.) ist die Fischer=Straße zu verstehn. Vgl. Fischer=Mauer, bi de rackemuren, bei der Klosterkirche.

hinter der Mauer s. Bahnhofs=Straße, Thurm=Straße, Ulmen=Straße, Wall=Straße, Wasser=Straße.

gegen dem Meckelburger hofe s. vor dem Fürstenhofe.

Meklenburger=Straße: pl. Magnopolensis bald nach 1250 (A 4), pl. Mekelenborg um 1260 (A 22), Mekelingeburgestrate 1280 (B 31), pl. Makelenburgensis 1285 (B 128), pl. Mekelburgh 1290 (B 160), Mechelburgc 1295 oder 1296 (B 228), Mekelenburgensis 1297 (M. U.=B. 2440), Meckelbürger Strasse (A. Stb.).

tegen dem messe s. am Platz.

>Mestmaker Str. s. Kleinschmiede=Straße.

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(pl. militum Christi) nur von Schröder (A. B. 1325) angeführt, ohne daß er Näheres zu geben wußte, pl. militum 1385 (geistl. Stbchschr. f. 15 v ).

apud (fratres) minores s. Schul=Straße, vgl. Mönchen=Kirchhof.

retro (fratres) minores s. ABC=Straße und Schul=Straße.

Mönchen=Kirchhof: ehemals bei den Minderbrüdern (s. Schul=Straße), by der monke kerkhave (in einem Wachtreg.) meint den Kh. des Schwarzen Klosters s. bei der Klosterkirche.

Mönchen=Straße s. Schul=Straße.

Mühlen=Grube s. Grube.

Mühlen=Straße: pl. molendini 1272 (A 87), molenstrate 1272 (B 3), molestrate 1280 (B 25), strata molendinorum 1295 (B 227; später fast regelmäßig). Vereinzelt: pl. molendinatorum 1460 (geistl. Stbchschr. f. 60 v ). Vgl. S. 66.

Negenchören: econtra cimiterium bte. Marie virginis juxta novem choros 1431 (Zb. I, f. 231 v ), in de neghen kore, de 9 kore up, novem chori um 1475 (Wachtregg., in den ersten Stellen im Accusativ), in den negen koren 1480 ? (Rückseite einer Urk.), in de[n] neghen karen 1485 (Zb. II, S. 238), negen cöhr (A. Stb.), plattdeutsch: negenküren. In Falsterbo werden 1497 Buden genannt to den negen koeren. In Stralsund gab es: in den seven koren (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XLVIII f.). Vgl. S. 71.

vor dem Neuen Thore s. Fischer=Reihe.

Neustadt: fossa sancti Spiritus 1289 (M. U.=B. 1994). fovea sci. Sp. 1326 (II, f. 58 r zuletzt 1327 (II, f. 64 r ). area super salsa fossa et granarium super f. sci. Sp. (B 189), granarium et curia . . que jacet infra foveas domus s. Sp. et advocati (1322, Schröder A. B. 1314), granarium cum curia adjacente super fossa advocati et sci. Sp. 1324 (II, f. 31 v ). platea sancti Spiritus 1346. 1379 (geistl. Stbchschr. f. 5 r . 14 v ). 1396 (Zb. I, f. 200 r , während dasselbe Grundstück i. J. 1393 ebd. f. 197 v supra nova civitate angeführt wird), nova civitas bald nach 1250 (A 4) und in der Folge häufig, aber wohl fast ein Jahrhundert lang im eigentlichen Sinne gebraucht und erst dann auf die jetzt so genannte Straße an der Grenze der Neustadt beschränkt, nova civitas 1330 f. 1387. 1401 (M. U.=B. 5189 n. 5202. geistl. Stbchschr. f. 16 r . 21 r ). Vgl. Crull, Jahrb. 41, S. 130 Anm. M. U.=B. 650 n. Es ist zu beachten, daß von den in Betracht kommenden Straßen (Lübsche Straße, Dankwarts=Straße, Meklenburger Straße,

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(Neustadt)
Breite Straße, Grüne Straße, Keller=Straße scheiden aus, weil sie auch zur Altstadt gehören) vier allerdings schon vorher genannt oder beschrieben sind (Wilhelms=Straße 1270, Hohe Straße 1287, Baustraße 1290, Papen=Straße 1318), nicht dagegen vorkommen Bliden=Straße (1385), Zeughaus Straße (1408), Badstaven (1475). up der nyenstad 1459 (Urkunde), acies von S. Jacobs super novam civitatem retro sanctum Spiritum 1470 (Wachstafeln). Nienstadt (A. Stb.).

Nicolai=Kirchhof: apud scm. Nicolaum 1272 (A 88) und öfter, aber seiten sicher zu bestimmen, cimiterium bti. Nicolai 1279 (B 22). (prope oder circa dotem sei. Nicolai 1292. 1324, B 176, II f. 32 r kann auch Spiegelberg sein). kerkhof to sunte Nicolaus oder nur achter sunte Nicolaus um 1475 (Wachtregg.).

beim Nothstalle s. Schatterau.

pl. obstetricum s. Bademutter=Straße.

Papen= Straße: pl. clericorum 1318 (M. U.=B. 4012). sacerdotum 1379 (geistl. Stbchschr. f. 14 v papenstrate 1434 (Urk.), pl. presbiterorum 1468 (Urk.), presterstrate 1500 (Urk.). Der Name deckte theilweise mehr. Vgl. Bliden=Straße. Wegen der Fortsetzung nach der Stadtmauer hin, s. rackemur. Geistliche sind hier vielfach nachzuweisen. Auch in Greifswald (Pyl, Gesch. der Gr. Kirchen I, S. 96 f.) und Stralsund (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XLV).

(Pferde=Markt): perdhemarket 1273 (M. U.=B. 1270), forum equinum 1325 (II f. 43 v ), f. equorum 1327 (II f. 64 r , zuletzt 1441 (geistl. Stbchschr. f. 51 r ). Vgl. M. U.=B. 11082 n. Schröder (A. B. 1338) dachte ihn sich, wenn ich ihn recht verstehe, als den zw. Rathskeller und Hirschapotheke liegenden Theil des Marktes und erschloß die Lage "aus alten Urkunden, in welchen man von einem consistorio oder Rathhause am Pferdemarkt etwas findet". Diese Urkunden können wir leider nicht mehr verificiren; jedoch ist dasselbe Grundstück, das 1327 als acies parve platee circa f. e. auftritt (II f. 64 r ), kurz vorher (II f. 60 r ) als juxta consistorium super acie parve platee bezeichnet. Ferner wird 1378 das Erbe Heinr. Wessels angegeben als gelegen apud kornehus et forum equorum (M. U.=B. 11082), Schröder aber überliefert zum Jahre 1332 granarium Joh. Stalkopers quod situm juxta lapideam domum frumenticeam circa aciem parve platee cum itur

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versus valvam fabrorum (A. B. 1317) und Besitz des Joh. Stalköpere ist nochmals am forum equorum apud cuprifabrum bezeugt 1325 (II. f. 43 v ). Auch lag nach II f. 73 v (1327) das Erbe des Joh. v. Kalsow que cuprifabro pertinebat am f. e. Endlich finden wir noch im Jahre 1440 das Erbe des Schusters Herm. Lyndeman econtra f. e. penes Johem. Losen (IX), im Jahre 1459 aber 6 bode acies et horreum Jois. Loßen penes smedehuseken, das mit der valva fabrorum aufs engste verbunden gewesen sein muß (geistl. Stbchschr. f. 60 r ). Sonach mag es nicht für unwahrscheinlich befunden werden, daß der Pferdemarkt hinter der Wasserkunst der Meklenburger= und Schmiede=Straße zu lag. Denn daß jene kleine Straße nur die Schatterau sein kann, erscheint zweifellos. Hiermit gelangen wir noch zu einer ndern Erkenntnis, daß nämlich die bisher durch keinen Beweis gestützte Behauptung Schröders (Kurtze Beschreibung S. 279), ein älteres Rathhaus (es muß aber entgegen der Schröderschen Ansicht das 1350 in Flammen aufgegangene gewesen sein) habe östlich vom jetzigen gelegen, doch ihren Grund hat. Und damit würde sich der sonst so auffällige Umstand erklären, daß die Häuser an der Ostseite des Marktes nach hinten so wenig Zubehör haben.

Pipensot s. Ziegenmarkt und Platz.

am Platz: (teghen dem messe um 1475, ein Wachtreg.). "ostwerts furm Neuenthor" oder "beim hintersten Piepensode", auch wohl "bey der Breitenbrugge strandwerts" (1609) A. Stb. Platz um 1750 (Copie der Wasserleitungskarte).

parva platea apud Pl uslash ckeboteren 1323 (II f. 13 r . 16 v ), p. pl. cum itur versus cimiterium sce. Marie apud P. 1326 (II f. 60 r ). Vgl. Jahrb. 29, S. 81 f.

vor dem Pöler Thor: ante portam Haroldi bald nach 1250 (M. U.=B. 652), ante portam Hadheleri Haroldes 1273 (B 11), ante portam Haroldi 1279 (B 18) und so oft, zuletzt 1359 (M.U.=B. 8643), nach Schröder (A. B. 1319) vereinzelt noch 1412, in einem Wachtreg. 1475 irrthümlich statt Helleporte. ante valvam Polensem 1388 (geistl. Stbchschr. f. 17 r ). vor dem Polredore vor 1460 (Ger. Inv. f. 56 v ). In einem Wachtreg. bis an die Schweinsbrücke gerechnet, ein Gebrauch, den noch das A. Stb. vorfand.

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apud predicatores oder ähnlich s. bei der Klosterkirche. Es kann auch einen Theil der Meklenburger Straße oder der Kleinschmiede=Straße bezeichnen.

bi de rakkemuren um 1475 in einem Wachtreg. die Gegend bei der Stadtmauer Ausgangs der Papen=Straße bezeichnend, die im N. Stb. als erster Gang von der Bau=Straße zur Mauer (jetzt zur Wall=Straße) auftritt. Im Paulischen Plane: beim Küterhofe. Noch im 19. Jahrh. war dort die Wohnung des Schinders (racker). Möglicherweise könnte auch "by der rackkerige in der borch" 1541 (Ger. Inv. f. 237 r ) hierher zielen, wenn unter borch berchvrit zu verstehn wäre. Rackerei ehemals auch in Stralsund (hans. Gesch.=Bl. 9, S. XLVII).

apud pontem Radolfi 1291 (B 162), in fine recentis fosse ap. p. R. 1291 (M. U.=B. 2094), noch öfter erwähnt, zuletzt 1294 (B 202). Undatirt ist die Anführung Schröders: pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen (A. B. 1325), womit wahrscheinlich der Ziegenmarkt gemeint sein wird. Vgl. S. 113 f.

beim Rathhause, gegenüber dem Rh. wird meist am Markte zu suchen sein.

hinterm Rathhause: retro consistorium 1293 (B 194), retro pretorium 1356 (geistl. Stbchschr. f. 8 r ). Ob die hereditas Hans Holstendorps prope altam domum (1433, geistl. Stbchschr. f. 42 v ) hinterm Rh. oder in der Krämer=Straße gelegen gewesen, entzieht sich der Kenntnis: dies hohe Haus, dat hoge huß (1464 vom Bgm. Dietr. Wilde erworben) war eben das Eckhaus. In der Folge ward aber die in Rede stehende Straße danach benannt: Hoghehus um 1475 (Wachtregg.). Gleichzeitig jedoch (in einem Wachtreg.) und noch weit später (z. B. 1580 hereditas Zacharias Snor - jetzt Nr. 17 - in der Olde-Wismarschen straten by der stadt nigen huße - jetzt Nr. 15 -, geistl. Stbchschr. f. 128 v ), vermuthlich erst recht in der Vorzeit gieng sie unter dem Namen Olde-Wismerstrate mit. Außerdem muß noch "bi dat market" und "prope apotecam" (in zwei einzelnen Wachtregg.) darauf bezogen werden. Alt-Wismarsche hinterm rathhause olim daß hohe haus (A. Stb.). In einer der Ueberschriften für die Südseite des Marktes ist im A. Stb. fälschlich angegeben "heisset auch hinterm rathhause" wo es heißen sollte "hinterm kaack".

Riemenschneider=Straße s. Schüttings=Straße.

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(Ritter=Straße): pl. militum 1385 (geistl. Stbchschr. f. 15 v ). Schröder citirt: pl. militum Christi (A. B. 1325), ohne Näheres zu wissen.

Rosmarin=Straße: arta illa platea qua itur de cimiterio bti. Nicolai versus barvotos 1421 (Bürgersprachen, bei Burmeister S. 48), de enghe strate oder de egghe str. oder arta um 1475 (Wachtregg.), engestrass (A. Stb.). Schröder führt ohne nähere Angaben an: parva pl. qua itur ad s. Nicolaum welche führet nach der rothen brücke (A.B. 1325). Rosmarienstr. um 1750 (Wasserleitungskarte). Wahrscheinlich gemeint mit Kyverwyverstrate, die 1578 f. in St. Nicolai=Gebäude=Register vorkommt. Vgl. S. 71.

Runde Grube s. Grube.

(im Sack) A. Stb., Stadtplan Andr. Paulis, Schröder (A. B. 1321), Copie der Wasserleitungskarte. Es ist das unterste Ende der Dankwarts=Straße, im Stadtbuche jetzt "vor dem Meklenburger Thor". Die Bezeichnung stammt aus der Zeit, als der jetzige Ausgang geschlossen und das Thor sich mehr östlich befand. Ehedem auch in Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 39). Vgl. S. 75 f.

(Salomons orth) in einem Wachtreg. die ersten Häuser vom Krönkenhagen bezeichnend.

Salze Grube s. Breite Straße.

>Salzfäßchen: soltfätchen (A. Stb.). Vgl. S. 72.

Sargmacher=Straße: domus angularis sita in pl. Tagmari super vico quo itur ad ecclesiam bte. Virginis 1291 (B 172). hereditas in angulo quo itur de foro ad dominam nostram 1296 (B 222). (pl. qua itur de macellis panum ad ecclesiam b. Marie virginis 1316, Schröder A. B. 1362). in acie in pl. Dangmari apud parvam plateam qua itur ad ecclesiam bte. Marie virginis 1345 (M. U.=B. 6502). pl. sarckmaker 1367 (geistl. Stbchschr. f. 10 v , zarkmakerstrate 1371 (M. U.=B. 10182). Verderbt: pl. Serckmari 1423 (geistl. Stbchschr. f. 36 r ).

transitus Sassen s. Schatterau.

Schatterau: Hinr. Dammenhusen emit . . hereditatem . . in pl. fabrorum super acie qua itur ad valvam fabrorum 1319 (Schröder A. B. 1320). parva pl. cum itur versus valvam fabrorum 1323 (II f. 13 r ). parva pl. . . . retro Hinr. Dammenhusen 1324 (II f. 26 v ). parva pl. qua itur versus smededor 1338 (Schröder A. B. 1317). pl. parva

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(Schatterau)
qua itur ad smedehuse 1400 (geistl. Stbchschr. f. 20 v ). pl. qua itur nha dem smedehuseken 1401. (ebd. f. 21 r ), pl. urbium 1444 (Stb.=Auszug des 16. Jahrh.; noch um 1550). borchstrate 1466 (Wachstafeln; nach dem A. Stb. noch 1609 angewendet), de schaterowe um 1465 (Ger. Inv. f. 78 r ), de schetterouue, schetterowe um 1475, auch 1537 (in zwei Wachtregg., Ger. Inv. f. 191 r ), in der schattrow 1503 (geistl. Stbchschr. f. 77 v uff der schatterowen ordte 1586 (lib. miss. f. 127 r ). Das hintere Stück wird in Wachtregg., die von der Schmiede=Straße ausgehn, transitus Sassen, de schopenstele, transitus benannt, und vermöge des A. Stb. läßt sich feststellen, daß damit in der That die einem Braukellenstiele vergleichbare Abzweigung der Windpforte zu gemeint ist, indem dort die hintere Pertinenz zu Meklenburger Straße Nr. 20 - einem Theile des Poftgrundstückes -, ehemals eine Scheune, als schopenstele bezeichnet ist. Uebrigens wird "prope secretum", "apud secretum" (B 92. 161 um 1290) auf die Gegend um das "smedehuseken" zielen, dessen Lage in der Stadtmauer etwa beim Eingange der jetzigen Berg=Straße für das 15. Jahrh. mit ziemlicher Sicherheit nachweisbar ist. In früheren Zeiten hieß es auch necessarium fabrorum. Dreck=Straße (Register zum A. Stb, Schröder A. B. 1322.) Vgl. S. 70.

Scheuer=Straße: schurstrate 1410 (geistl. Stbchschr. f. 27 r ), schuerstrate 1424 (Zb. I f. 218 r ). Scheurstraße 1555 (lib. miss. f. 118 v ). Schürstrasse (A. Stb.). In zwei Wachtregg. irrthümlich noch als Borstrate. Die Grundstücke an der Ecke der Grube zu mögen auch als bei der Wage oder Wagebrücke gelegen bezeichnet sein.. Vgl. S. 69, 77.

am Schilde: Reynerus de schilde 1359 (Zb. I f. 160 r ), econtra clipeum 1413 (geistl. Stbchschr. f. 29 v ), by deme schilde undatirt (roth. Buch der Krämer S. 46), up dem schilde [1448] (Ger. Inv. f. 31 r ), auffm schilde 1562 (lib. miss. f. 120 r . Schild (A. Stb.). Begreift im N. Stb. auch "hinter dem Schilde". Auch in Rostock und früher in Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 40). Vgl. Ziegenmarkt. Vgl. S. 67.

hinter dem Schilde: hinter den Schill um 1750 (Wasserleitungskarte). Im A. Stb. unter dem Namen: [Kurtze] Bau=Straße, auf dem Paulischen Plane: fürm Meckelburger Thor, im N. Stb. unter "am Schild" einbegriffen. Vgl. S. 74, 76.

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beim Schmiedehäuschen s. Schatterau.

Schmiede=Straße: pl. fabrorum bald nach 1260 (A. 27), fabrarum um 1272 (A 73), fabrum 1284 (B 113). apud fabros 1280 (B 32). Smedestrasze um 1375 (M. U.=B. 3714 n.), smedestrate 1395 (lib. proscr. S. 43). Smiedestraß (A. Stb.). Großschmiede=Straße (Schröder A. B. 1315, N. Stb.), die Grodt Schm[idt]=Straße um 1750 (Wasserleitungskarte). Große Schmiede=Straße (Glashoffs Index). Vgl. S. 77.

de schopenstele s. Schatterau.

hinter der Schule s. Keller=Straße.

Schul=Straße: apud fratres um 1258 (A 19), ap. fr. minores 1284 (B 112), juxta minores 1295 oder 1296 (B 228), hereditas super acie . . . cum itur ad fratres minores 1326 (II f. 51'), pl. monachorum 1373 (geistl. Stbchschr. f. 12 v econtra minores 1411 (ebd. f. 28 r ), (juxta barvotes 1436, ebd. f. 45 r , (by den grawen monken 1449, Ger. Inv. f. 38 r ), achter den monken, retro minores um 1475 (wenige Wachtregg), monnekestr. (andere, aber den Namen zu früh, schon bei der Bademutter=Straße setzend). Schul=Straße olim Münch=Straße (A. Stb.). Die Ecke am Krönkenhagen heißt in ein paar Wachtregg. Wessels orth. Vgl. S. 66.

Schürstrate s. Scheuer=Straße.

Schüttings=Straße: Buden in hega apud Arnoldum Remensnider 1392 (geistl. Stbchschr. f. 18). (parva hege 1408, ebd. f. 25 r ). arta platea que dicitur de remensniderstrate 1452 (roth. Buch der Krämer S. 16 f.). de remensniderstrate. In den Wachtregistern entweder remensniderstrate oder arta. Vgl. unter Hege. in der lutken korfmakerstraten efte de lutke hege prope cimiterium ecclesie bte. Virginis 1484 (Buch des gr. Kalandes f. 47 r ), huseken oder bode . . in der remensniderstraten negst dem kramerschuttinge 1583 (geistl. Stbchschr. f. 131 r ). Schütting oder Riemensneiderstraß (A. Stb.). Der Krämer=Schütting (jetzt Nr. 2) kommt nach dem A. Stb. schon 1532 vor als kremerkrug. In diesem Haufe scheint eine geistl. Stiftung für das Krämer=Amt im Jahre 1415 fundirt zu sein (rothes Buch S. 21) und im. Jahre 1497 mußte das Amt daran bauen (ebd. S. 29). Toffelmacher-Strasse um 1750 (Wasserleitungskarte). - Welche Bewandtnis es mit der

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(Schütting=Straße)
acies platee Dangquardi et parve hege qua itur ad b. Virginem (1429, geistl. Stbchschr. f. 38 v ) hat, lasse ich dahin gestellt. Vgl. S. 74.

Schützenweg 1897 Dec. 14.

beim Schwarzen Kloster, bei den Schwarzen Mönchen s. b. d. Klosterkirche. Vgl. Kleinschmiede=Straße. Auch Stücke der Meklenburger=Straße können gemeint sein.

Schweinsbrücke: boven der zwinebruggen 1400 (Urk.), swienbrügge (A. Stb.). Eine swynebruge, aber nicht als Straßenname, findet sich auch in Greifswald (Pomm. Geschichts=Denkmäler II S. 172). Vgl. S. 70.

Schwibbogen: econtra swibagen oder swigbogen 1444 (Stbchauszug des 16. Jahrhunderts, geistl. Stbchschr. f. 52 v ). Auch in Rostock.

prope secretum s. Schatterau.

smedehüseken s. Schatterau.

Speicher=Straße: spikerstrate 1357 (geistl. Stbchschr. f. 8). Ob gemeint in area protendens a nova platea super ortum domus sci. Spiritus 1294 (M. U.=B. 2263) pl. granariorum 1416 (Verzeichnis 1601 f. 17 v , geistl. Stbchschr. f. 35 r ).

Spiegelberg: mons speculi um 1250 (A 6) und in der Folge oft, m. speculum 1296 (B 234, sonst nicht), spegelberg 1275 (B 105). Auch in Wittenburg und Sternberg. In Soest wird im Jahe 1378 ein Haus "tho dem spegele" benannt (Hans. Geschichtsblätter 27 S. 119 Anm.). Das zwischen der Fischer=Straße und dem Pöler Thor liegende Stück heißt in einem Wachtreg. "up der borch", das dem Gr. Wasserthore zunächst belegene ante helleporten 1408 (geistl. Stbchschr. f. 25 v , entsprechend noch im A. Stb.). Wenn, was wahrscheinlich ist, die Wedem von S. Nicolai sich stets bis dahin erstreckte, so gehören auch Bezeichnungen wie prope dotem sci. Nicolai (1292, 1296: B 176. 234) und circa dotem sci. N. (1324, II f. 32 r ) hierher. Vgl. S. 70.

Staven=Straße heißt im N. Stb. die südlich vom Badstaven diesem parallel laufende Verbindungsstraße zwischen Bau=Straße und Wall=Straße (im Glashoffschen Index: Stamer=Straße, auf dem Dolbergschen Plane: Staben=Straße). Im Jahre 1900 bebaut und mit der Promenade in Verbindung gesetzt. Die alte, echte Staven=Straße s. unter Badstaven.

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parva platea infra Johem. Stetyn et Johem. Walmerstorp 1326 (II f. 48 r ).

gegenüber dem Steinhofe s. Lohberg.

Stur s. ABC=Straße.

Thurm=Straße * ) 1894, Jan. 16. Früher "hinter der Mauer".

(Tittentaster=Straße) 1621, Octbr. 1 soll durch ein Gitter geschlossen werden (Notiz Dr. Crulls), ein kleiner Durchgang vom Markt nach der Diebes=Straße, jetz geschlossen, Schröder (A. B. 1325). In das Grundstück von "Stadt Hamburg" einbezogen. Ehemals auch in Lübek (Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 6, S. 27, dunkler Krambuden).

Toffelmacher=Straß e s. Schüttings=Straße.

(Tredemölen-Str.) nur von Schröder (A. B. 1325) genannt, ohne daß er Näheres wußte.

gegen dem Tribunal s. vor dem Fürstenhofe.

Ulmen=Straße 1876, Mai 24. Das Stück zwischen der Lübschen und der Zeughaus=Straße heißt im A. Stb. gegen dem Kayser, beim Kayser nach dem mittelsten der drei 1699 in die Luft geflogenen Pulverthürme (Schröder, Kurtze Beschreibung S. 645, Neudruck S. 615). Später "hinter der Mauer".

pl. vectorum s. Fuhrleute=Straße.

Vogts=Grube s. Wilhelms=Straße.

(bei der Wage): juxta wagham 1324 (II f. 32 v to der olden wage um 1475 (Wachtreg.). Die Wage befand sich über der Grube neben der Wagebrücke.

apud waghebr uslash gge 1322 (II f. 3 r ), penes wagebrugge 1444 (Stbchauszug des 16. Jahrh.). Brücke über die Grube zwischen der Bor= und der Scheuer=Straße.

Wall=Straße 1876, Mai 24. Früher "hinter der Mauer". 1901, Jan. 22. ist davon die Neue Wall=Straße abgetrennt.

(Warneken=Gang) , welcher als eine Gasse in Schoßregg. bezeichnet wird mit vielen Wohnungen (1600. 1619). Joch. W.,Wollenweber (Dankwarts=Straße 37/39 wohnhaft) hatte die Wohnungen für seine Knappen erbaut. Nach dem A. Stb. (bei der Papen=Straße). J. W. ward 1541 Meister, 1566 Beisitzer im Amte.

bei der Wäsche s. Grube.

Wasser=Straße 1876, Mai 24. Früher "hinter der Mauer" Eine ältere, nicht localisirbare Wasser=Straße führt Schröder an (A. B. 1325).


*) Die Rückseite hat Herr Bauunternehmer Scharff "Heinrich Scharff Straße" benannt.
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pl. textorum 1273 (B 13), weverstrate 1400 (Urk). Ob auch pl. antiquorum textorum 1273 (B 10) hierauf zielt?

(hinter der Wedem): retro dotem 1324 (II f. 32 r ), welche gemeint sei, ergibt sich nicht.

Wessels ort s. Schul=Straße.

Wilden=Straße s. Düstern.

Wilhelms=Straße: fossa advocati um 1270 (M. U.=B. 883), fovea advocati 1326 (II f. 57 v ), voghedes grove 1318 (M. U.=B. 3977). pur diese Benennung citirt das A. Stb. noch eine Schrift vom Jahre 1582. - by des voghedes groven anders ghenomet de vule grove 1400 (Urk.). by der vulen grove 1406 (Urk.), fossa putrida 1462 (Zb. II S. 99), f. fetida 1465 (Zb. II S. 112), (feda fons 1455, geistl. Stbchschr. f. 58 r ). In den Wachtregg.: apud fossam, bi der groven. Alte Leute haben Schröder erzählt, sie sei ca. 1620 noch einigermaßen im Stande gewesen; gepflastert ist sie 1690 (Schröder A. B. 1314). Wilhelms=Straße seit 1875, Febr. 11. Eine merkwürdige Uebereinstimmung zeigt sich darin, daß in Hamburg die Grafen= oder Vogts=Twiete später Fuhlentwiete genannt ist (Koppmann, kl. Beiträge II S. 34). In der Gegend des Düstern führt das A. Stb. einen Platz an "der klivenhoff" genannt. In der ältesten Zeit sind mehrfach Holzhöfe an dieser Gr. bezeugt.

Wind=Straße s. bei der Klosterkirche.

Winterpols ort s. Dankwarts=Straße.

(Wippe): hereditas . . . juxta wippam 1411 (geistl. Stbchschr. s. 28 r ). Krahn beim Ausflusse der Grube. Davon Wippebrücke, jetzt entstellt: Witt Brügg, Weiße Brücke. Also an der Runden Grube.

platea Wysmer s. Alt=Wismar=Straße.

vicus apud domum Wlfardi 1292 (B 178).

Wüste Stätte s. Bahnhofs=Straße.

strata Verneri Citelvt 1296 (B 230).

Zeughaus=Straße: pl. Ladewici 1408 (geistl. Stbchschr. f. 24 v ), pl. Ladewiges 1425 (Zb. I f. 218 r ), Ladewigstrate 1449 (geistl. Stbchschr. f. 56 r ). Die Wachtregg. haben theils hanreigerstrate, hanreggerstrat, hanrēstrate, theils und zwar die meisten pl. Ladowici. Hahnreyerstrasse (A. Stb.). Nach Schröder (A. B. 1323) auch im Düstern. Hahnrei bis 1871, Juni 10, wo auf Betreiben

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des weil. Adv. Gabr. Lembke die Straße ihren neuen Namen erhielt. Vgl. englische Grube.

Ziegenmarkt: (apud pontem Radolfi um 1290, A 93). aput fontem 1357 (M. U.=B. 8427, S. 240). econtra pipensodt 1422 (geistl. Stbchschr. f 36 r , beim piepensade 1650 nach dem A. Stb.). apud bredebrugge 1435 (geistl. Stbchschr. f. 44 v ). penes amplam pontem 1489 (ebd. f. 68 r ; das A. Stb. citirt: bey der bredenbrugge 1569). by dem schilde econtra fontem 1461 (geistl. Stbchschr. f. 61 r ). In den Wachtregg. meist "schilt", vereinzelt "teghen den ankkersmeden" und pipensot. kegen der anckerschmiede 1653 (Acten zur Wasserleitung). A. Stb.: bey der Anckersmiede, heist auch bey der Bredenbrugge, heist auch beim Piepensade. Zehgenmarck um 1750 (Wasserleitungskarte). Ein Ziegenmarkt auch in Rostock. pipensot ist ein von Röhren aus gespeister Soot. Auch die Bezeichnung pl. qua itur de ponte Radolfi ad pontem Hillen (Schröder A. B. 1325) wird hierauf zu beziehen sein. Vgl. S. 113 f.


Anhang.

A Thore, B Berchfrite, C Brücken.


A Thore.

Alt=Wismar=Thor: Johannes Cocus custos porte Antique Wismarie . . . pro palude que jacet ante portam Wismarie Antique apud fossatam 1278 (M. U.=B. 1458). valva A. W. um 1290 (B 88). porta Wismer 1287 (B 139). valva Wismariensis 1393 (Zb. I f. 197 r ). Das alte Thor ward 1813, Aug. 30, von den Franzosen eingeäschert. (Crain) Wismars Schicksale S. 27. Francke, Mecklenburgs Noth u. Kampf S. 269 f.

curia sita ultra moor extra valvam Hardighes 1316 (Schröder A. B. 1320). einzige Anführung; nicht zu bestimmen.

Haroldi valva s. Pöler Thor.

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Helleporte s. Gr. Wasser=Thor.

von der Heringspforten , vor welcher ao. 1413 ein holtzhof gewesen . . (Schröder A. B. 1320). Wohl in der Gegend des Heringhauses zu suchen, also beim Einflusse der Grube dem Wasser=Thurme zu. porta vulgariter dicta Herinkporte 1414 (Lübeker Urkb. V, S. 526).

via trans foveam advocati ad portandum wordinge juxta portam Cancri 1327 (M. U.=B. 4831). Vielleicht das Neue Thor. Krevets=Straße kann nichts damit zu thun haben.

Lübsches Thor: porta Lubicensis 1284 (B 111), valva L. um 1300 (A 41). Im Jahre 1456 bewohnt (chronistische Aufzeichnung, Einlage zu Schröder A. B. 1402). pons ante valvam L. 1330 (M. U.=B. 5143). Der an Stelle des 1699 durch die Explosion der benachbarten Pulverthürme vernichteten ansehnlichen Thors (Schröder, Kurtze Beschreibung S. 647, Neudruck S. 616. Vgl. auch die älteren Stadtansichten) errichtete Durchgang ward im Jahre 1869 abgebrochen.

Meklenburger Thor: valva Magnipolensis 1272 (A 79), v. Mekelburg 1273 (B 7), porta Mekelenburgh im letzten Viertel des 13. Jahrhs. (M. U.=B. 1264). velbr[uslash]gge Magnopolensis valve 1330 (M. U.=B. 5143). Im Jahre 1483 und 1489 wird dat nige doer vorme Mekelenborger dore urkundlich erwähnt, nach alten Abbildungen ein thurmartiger Bau. Zum Jahre 1602 schreibt Friedr. Gerschow: weil . . . wohl 5 thore hinter einander, dass man den thorwechter [von außen her] nicht erwecken möge. Jahrb. 58, S. 87. Das neue am Ausgange der Dankwarts=Straße errichtete Thor hatte die Inschrift: nos tegIt eXCeLsVs nos serVat DeXtra IehoVa et portas fIrMat roborat atqVe seras, wonach es im Jahre 1693 erbaut ist (Schröder A. B. 1320). Dagegen bietet eine andere noch erhaltene Inschrifttafel 1688. Dies Thor ist im Jahre 1869 gefallen, die letzten Reste des alten (am Ausgange der Meklenburger Straße) im Jahre 1894.

valva Monachorum 1307 (M. U.=B. 4415 n.), wirtt ao. 1316 in einer schrifft gedacht nach dem Webercamp (Stbchauszug Elmhoffs), zuletzt 1339 (M. U.=B. 4415 n. 2312 n). Wohl die Windpforte.

Neues Thor: nova valva 1450 (geistl. Stbchschr. f. 56 r ). Wenn Schröder (A. B. 1320) von einem neuen Stadtthor in der

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Breiten=Straße . . . 1440 zu berichten weiß, so hat er wahrscheinlich einen Irrthum in eben diese Schrift hineingetragen, vorm nien dhore 1498 (ebd. f. 73 r ). Ausgangs der Breiten=Straße. Vgl. Krevets=Thor. Die Windpforte gieng im letzten Jahrh. unter demselben Namen.

Pöler Thor: porta Haroldi bald nach 1250 (M. U.=B. 652), p. Hadheleri Haroldes 1273 (B 11), domus frumenti . . . apud molendinum prope Haroldes dore 1276 (B 109), granarium et horreum . . . inter portam Haroldi et molendinum 1291 (B 170), valva Haroldi um 1300 (A 42). propugnaculum pontis ante valvam Haroldi 1327 (M. U.=B. 4831). Noch 1359 (M. U.=B. 8643) nach Schröder (A. B. 1319) noch 1412. valva Polensis 1388 (geistl. Stbchschr. f. 17 r ). Abgebrochen 1870. dat nighe dore vor deme Polre dore vor der velbrugghe ward 1498 erbaut, nachdem lange vorher die Fundamente dazu gelegt waren (Kopmans Chronik, Jahrb. 47, S. 80).

Valva fabrorum: hereditas in pl. fabrorum super acie qua itur ad valvam fabrorum 1319 (Schröder A. B. 1320). ager situs super Weverkamp ante valvam fabrorum 1323 (ebd.). Zuletzt 1342 (M.U.=B. 6195). Etwa, wo jetzt die Berg=Straße ausmündet. Vgl. unter Schatterau.

(Wasser=Thor): porta aque in ponte Stephani 1327 (M. U.=B. 4831). ad ampliandum propugnaculum waterporte 1330 (M. U.=B. 5143). pratum extra valvas aquarum 1392 (geistl. Stbchschr. f. 18 r ). Nicht bestimmbar, vielleicht allerdings das Gr. Wasserthor. buten deme waterdore 1465 (Lottregister) wird auf das Neue Thor zu beziehen sein. Vgl. S. 114.

Großes Wasserthor: Helleporte 1408 (geistl. Stbchschr. f. 25 v ) und wiederholt im 15. Jahrh., in Abschriften des 16. Jahrh. auch Hellenporte und Helporte (Jahrb. 55, S. 97). im Ger. Inv. f. 236 r vor der hellen dor (1541). Hellepfort vel potius Hillenpfort (A. Stb unter Berufung auf eine Schrift vom Jahre 1617). Das dem Thore in den 70er Jahren des 19. Jahrh. zugedachte Schicksal, abgebrochen zu werden, ist glücklicher Weise abgewendet worden. Es ist das einzige erhaltene Thorgebäude. Wenn der Name nicht durch Volksetymologie corrumpirt ist, wird er als Höllenpforte zu deuten sein. Vgl. unter Hillen=Brücke (S. 113 f.).

Windpforte. Vgl. valva monachorum und Wind=Straße. Geöffnet im Jahre 1851. Auch Neues Thor genannt.

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Ein Verzeichnis derer, die im Jahre 1469 die Schlüssel zu den Thoren und Pforten in Verwahrung hatten, zählt der Reihe nach folgende Thore und Pforten auf. Abweichungen eines der Zeit nach nahestehenden undatirten (nach 1473) gleichartigen Verzeichnisses in der andern Kolumne.

to dem Mekelnborger
to dem Lubicen dore to der Lubsken porte. Hiermit beginnend.
to dem ersten hecke to der Vulen grove
to dem Nyen dore
to den molenstene . . . to II porten 1 ) to der porten by dem welfte . . . to II porten.
to dem hecke to dem hecke under dem welfte.
vor Weytgaten porten to der porten vor der Weygatsken dore.
up dem Loberger II d[ore] de porten twisken dem welfte unde dem steenhave.
to dem stenhave
to der Heleporten to der Helleporten.
achter h. Reyneke van Leyden de porte daer by, de lutte
to dem Poler dore
bii der groven molen to der singelen.
vor dem Olden-Wismer dore

Aller guten Dinge sind drei, und so ist noch ein drittes gleichzeitiges Verzeichnis in einem Rechnungsbuche erhalten, von dem ich das Wesentliche mittheile. Dies geht aber in anderer Richtung, to der Helleporten. - to der porten negest dem stenhave. - to der porten 2 ) Oldendorpes doren. - to den II porten tusken den welfte unde den molenstene. - neg[est] den welffte to dem molensteyne ward. - to den


1) Diese Stelle muß vollständig ausgeschrieben werden: to dem Nyen dore: Stobelow unde Hevensteker. item I slotele habet N. D., item Jasper Malchow den andern. item I to den molenstene N. D. unde Peter Rybe. item Kegeben unde Bruseke Peter Rybe II to II porten. - to dem Nigen dore: de Stabeloweske unde Hans Hevensteker. to der porten by dem welfte: Hermen Katte heft to II porten de slotel unde Hinrik Karstens heft I slotel to der por[ten].
2) Die letzte Silbe ist unsicher, es ist aber nicht die vermißte Präposition.
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waterporten. - to dem Nien dore. - to dem hecke up [der] vulen groven. - to der porten achter den holthave negest den Lub[schen] dore. - to den Lub[schen] dore. - to den Mekelnborger [dore]. - to dem Olden Wisserdore. - vor den Poller dore.

B berchvrede.

item. I berchfrede, dor want de prame swen inne.

item. dat smedehuseken, dar mot I up slapen.

item. I clen berchfrede, dar want Hovyngesche inne.

item. I berchfrede: Curd Scroder habet, dorde, gud gemak.

item. de verde: Engele, de verde, schone gemak.

item. de veffte, dar want Crud ! de swen.

item. de soste, heff Budsow, IIII mr.

item. Warendorp, IIII mr.

item. Wilken Haker habet, hir lach wachte to unde gaff IIII mr.

item. de IX: Jacop Ludke, de hadde wachtegeld.

item. de X, dar want Anckelam inne.

item. de XI: Peter Swarte.

item. de XII: Boldeke habet.

item. de XIII: heff Hemmelryke.

item. de XIIII: heff Smach[t]hagen bove.

item. de XV habet Balow unde ward de gaten.

(item. I clen berchfrede, dar want de Lunynk inne: XVI.) Diese Reihe ist gestrichen.

item. I berchfrede, dar want Regensten inne: XVII. Hennynk Malde: XVIII.

item. de XIX: blynde Clawes.

item. up der Fulen groven: XX. de grever unde ballastdreger.

item. de XXI: Hans Gerwen. Lunyk dar bii.

item. Stubbe de XXII.
Swarte up dem dore.

item. de XXIII: Peter Plate.

item. de XXIIII: Duskow.

item. de XXV: de ballastdregere.

item. de XXVI: Ryder; de maket de gaten reyne.

item. de XXVII: Vos.

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item. XXVIII, woste.

item. de XXIX: Hinrik Molre.

item. den swen byn Poler dore.

item. Vlege.

item. Bouwer: XXX.

item. XXXI: Ilow.

item. XXXII: Wemors, non.

item. XXXIII: Wullenpunt.

item. XXXIIII: La[b]bun.

item. XXXV: koherde.

Dies Verzeichnis wird um 1470 angesetzt werden können. Es beginnt zwischen dem Alt=Wismarthore und der Windpforte und geht rechts herum in der Richtung auf das Meklenburger Thor zu. Da auf dem Merianschen Plane nach den Beobachtungen, die Dr. Crull noch an der Stadtmauer machen konnte, die Berchfrite zwischen dem Pöler= und dem Alt=Wismarthore annähernd genau verzeichnet sind, so würde, wenn wir Vlege auf ein Vorwerk vor das Pölerthor setzen, der Kuhhirt auf das zunächst vor dem A.=Wismar=Thore liegende Berchfrit kommen und, da dies Thor nicht verzeichnet ist, das erste Bfr. der noch stehende Gefangenthurm sein. Das Schmiedehäuschen muß in der Gegend des Ausgangs der Bergstraße gesucht werden (vgl. unter Schatterau * ). Das Folgende ist uncontrollirbar. Wilken Haker jedoch hatte aller Wahrscheinlichkeit nach das Bfr. beim jetzigen Meklenburger Thore inne (vgl. Hakerstrate). Das 20. Bfr. ist bestimmt. Das Thor zwischen dem 22. und 23. Bfr. wird das Neue Thor sein. Das Gr. Wasserthor ist übergangen, wie die meisten Hauptthore. Die Vertheilung der Bfr. auf die Strecken zwischen den Thoren scheint also ziemlich gleichmäßig gewesen zu sein und nur der von Natur stärkste Theil zwischen Alt=Wismar=Thor und Klosterkirche etwa minder befestigt gewesen zu sein. Eine Auszählung in Anhalt des Merianschen Plans (der an der eben erwähnten Stelle durchaus


*) Dazu stimmt auch eine chronistische Aufzeichnung über den im Jahre 1452 ausgebrochenen großen Brand vor dem olde Wismarschen dore (d. h. binnen der Stadt). "in dem schmedehüseken uppe der muhren hadde eine herdsche, de darinne wahnde, dragen eine molde vol asche uppe den bohne" u. s. w. "unde brende um manniges bruwhuß wente bey der heren stall dale" u. s. w. (Einlage zu Schröder A. B. 1373.) Ein noch etwas früheres Zeugnis über die Ausnutzung der Berchfrite zu Wohnzwecken bietet das Ger. Inv. f. 31 r für das Jahr [1448]. Vgl. unter den Straßennamen rackemur.
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phantastisch ist) ist nicht möglich. Schröder (K. B. 274) weiß nur von 28 Weichhäusern. Das propugnaculum pontis ante valvam Haroldi (1327, M. U.=B. 4831) gehört nicht in die Reihe und das 1408 vor dem Alt=Wismarthore urkundlich bezeugte berchvrit ist gemäß einer andern Anführung die Kritzower=Burg.

C Die Brücken.

Da die Daten meist bei den Straßennamen gegeben sind, genügt eine Uebersicht mit Verweisung. Sicher bestimmt oder bestimmbar sind, wenn wir die Grube abwärts gehn: die Schweinsbrücke (s. da, zuerst im Jahre 1400), die rothe Brücke, das Brückchen vor der Rosmarin=Straße (s. da, Name aus Schröders Zeit?), die Wagebrücke (bei der Bor=Straße, zuerst 1322), Radolfs=Brücke (um 1290, s. da, auch unter Ziegenmarkt), später Breite Brücke benannt (s. Ziegenmarkt, zuerst 1435). Die Wippe=Brücke (s. Wippe) außerhalb der Stadt ist mir im Ma. nicht vorgekommen. Die Steffens=Brücke (porta aque in ponte Stephani 1327, M. U.=B. 4831) schwebt für uns ziemlich in der Luft. Fallbrücken sind 1327 oder 1330 vor dem Pölerthor, dem Meklenburger= und Lübschen=Thor bezeugt. Wegen der Hillen=Brücke aber vernothwendigt sich noch eine längere Auseinandersetzung. Die ältesten Belege, soweit sie sich auf Grundstücke innerhalb der Stadt beziehen, sind auf S. 92 mitgetheilt. Außerdem prata ante Hillenbr uslash gge 1328 (M. U.=B. 4922, S. 543); sortes sunt . . . extra Hillenbrůgghe VII 1345 (M. U.=B. 6525). Da die Witwe eines Bürgers Hille für das Jahr 1281 als auf dem Spiegelberge wohnhaft bezeugt ist (B 41) und das Große Wasserthor namentlich im 15. Jahrh. (zuerst 1408) Helleporte heißt, so war es zu verlockend dies zu combiniren, als daß man dem Reize hätte widerstehn können (Crain, Beiträge S. 13), und auch ich bin bis vor kurzem des Glaubens gewesen, daß das richtig sein werde. Indessen überwiegen die aus der Sache entspringenden Bedenken. Thor und Brücke wollen sich nicht räumlich vereinigen lassen, und nur in der Verzweiflung kann man sich entschließen anzunehmen, daß das Thor erst nach dem Eingehn der etwa an seiner Stelle gelegen gewesenen Brücke erbaut und benannt sei. Ist nun aus diesem Grunde einerseits die Lage der Hillen=Brücke Ausgangs des Spiegelbergs unwahrscheinlich, so kann sie andererseits nicht über die Grube geführt haben,

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was schon wegen jener von Schröder glücklicherweise angeführten Straße unmöglich ist. Während aber die Hauptbrücken über die Grube alle ihre festen Namen haben, vermissen wir den einer Brücke über die Salze Grube (jetzt Fischerreihe und Breite Straße). Man kann allerdings über deren untern Lauf zweifeln, ob sie geradeaus in der Richtung der Straße gegangen sei, oder sich über den Ziegenmarkt erstreckend, sich mit der Runden Grube vereinigt habe. Wahrscheinlicher jedoch ist die erste Annahme, indem im andern Falle die Grube kaum salzig gewesen wäre und schwerlich die Harolds=Brücke (später die Breite Brücke) Platz gefunden hätte. Hatte aber die Salze Grube die angenommene Richtung, so kann eine Brücke darüber in der Gegend der Neustadt nicht gut gefehlt haben, selbst wenn diese in ihrem untern Theile wirklich Grube gewesen sein sollte, als welche sie genannt wird. (Vgl. Crull, Jahrb. 41, S. 139 Anm.) Auf diese Brücke würde dann der in Frage stehende Name zu beziehen sein, die Straße aber, die sie und die Radolfs=Brücke verband, für den Ziegenmarkt gebucht werden müssen. Hierzu stimmt gut, daß ziemlich gleichzeitig die Namen Salze Grube und Hillen=Brücke verschwinden, daß, seit die Salze Grube Breite Straße heißt, die Brücke nicht mehr erwähnt wird. Die Herrenlötte vor der Hillen Brücke, die ersichtlich dieselben sind, die 1465 buten deme waterdore achten nettestaken, im 16. Jahrh. (1538. 1542. 1546. 1555) aber kurzweg nettestaken benannt werden, würden auf der Koppel gelegen gewesen sein müssen, wo noch heutzutage die Fischer ihre Netze trocknen und in Stand setzen. Gegen die irre führende Combination endlich mit Hille auf dem Spiegelberge und der Hellenporte wäre noch der Einwand zu erheben, daß alle alten Zeugnisse übereinstimmend Helleporte oder Hellenporte oder Helporte geben und einzig aus dem Jahre 1617 im Alten Stadtbuche Hillenpforte überliefert ist. Und dieser Einwand ist, dünkt mich, auch nicht ungewichtig.


Berichtigung: Die Knochenhauer=Straße (pl. carnificum) ist zu streichen. Es handelt sich a. a. O. augenscheinlich um die Fleischhauer=Straße in Lübeck.

Vignette
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IV.

Neue steinzeitliche Funde in Meklenburg.

Von
Dr. Robert Beltz.
~~~~~~~

B ei der letzten Behandlung, welche steinzeitliche Funde und Fundstellen in Meklenburg gefunden haben (Jahrb. 64, S. 78 ff.), konnte neben dem Bedauern, daß die große Masse der einst vorhandenen Denkmäler achtlos verwüstet ist, doch der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß eine größere Aufmerksamkeit und sorgsamere Behandlung der noch vorhandenen Reste immer noch zu werthvollen Ergebnissen führen würde. Die folgenden Mittheilungen mögen das bestätigen. Sie behandeln einige seitdem bekannt gewordene Denkmäler, aus denen hervorgeht einmal, daß unser Boden noch lange nicht erschöpft ist, sondern noch immer neue Erscheinungen bringt (Gresse, Wiligrad), sodann daß auch Gräber, die äußerlich den Anschein der Zerstörung gewähren, sehr wohl noch recht ergiebig für die Alterthumskunde werden können (Cramon).


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Hünengrab von Cramon (bei Malchow).
Katalog=Nummer des Großherzogl. Museums St. 116-124. E. 1375. 1376.)

Die Kies= und Sandebene, welche dem Endmoränengürtel Blücherhof-Krevtsee nach Westen zu in der Richtung nach Krakow

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und Plau vorlagert, gehört zu den in der Steinzeit stärker besiedelten Gebieten im Lande. Bei Blücherhof, dann bei Alt= und Neu=Gaarz, Dobbin, Serrahn sind schon seit langem Hünengräberbekannt geworden und zum Theil ausgebeutet (die Nachweise s. Jahrb. 64, S. 97 und 105, über ein Grab bei Hallalit s. unten S. 125). Neuerdings ist auch bei Cramon ein Hünengrab bekannt geworden und am 20. April 1900 mit entgegenkommendster Unterstützung des Herrn Oekonomierath Junghans zu Cramon

Das Grabinnere von Südosten.
Das Grabinnere von Südosten.

durch Herrn Senator Geist in Waren und Verfasser ausgegraben. Die Steinblöcke, welche die Grabkammer bildeten, sind unberührt geblieben und sollen erhalten werden, um ein Bild des Innern einer steinzeitlichen Grabanlage zu geben, wie man es leider nur noch sehr selten findet. Das Grab liegt 1,3 Kilometer nördlich vom Hofe rechts von dem Wege nach Liepen, gegenüber der Spitze des Orthsees auf der Höhe einer sanften Bodenerhebung, welche wohl als Rand des Thals eines alten Gletscherstroms aufzufassen ist, in dem heute die Nebel ihren Weg nimmt. Das Grab ist demnach weithin sichtbar.

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Bei Beginn der Ausgrabung stellte es sich als Erdhügel dar, aus dem einige Steine wenig herausragten. Die Decksteine fehlten, sie sind wohl seit längerer Zeit entfernt. Die Ausgrabung ergab, daß der ganze Hügel aufgetragen war, und zwar aus lehmigem Boden und Sammelsteinen, während der Grundboden kiesig ist. Die Blöcke der Steinkammer waren in den natürlichen Boden hineingelassen. Die Grabkammer bildete ein Rechteck in der Richtung von Norden nach Süden mit kleiner Abweichung nach Osten, von dem die ganze Länge etwa 5 m, und Breite 2,50 m betrug. Am Rande des Hügels sind noch einige stark überwachsene Umfassungssteine erkennbar, die von den äußern Rändern des Grabes 4,50 bis 5 m entfernt waren. Der Durch=

Skizze zum Grab
(Die Zahlen beziehen sich auf umstehenden Text.)

messer des Hügels betrug demnach etwa 10 m nordsüdlich, 7,50 m ostwestlich. Von den Umfassungssteinen her waren Erde und Steine gegen die Tragsteine geworfen in der Höhe von etwa 1,20 m; dieses ist also die Höhe des Hügels, über den einst die Deckplatten des Grabes herausragten. Soweit das äußere Bild.

Die Grabkammer bildet einen Raum von 3,80 m Länge, 1,65-1,70 m Breite und 1,40 m Höhe. Sie war geformt aus starken, aufrecht stehenden Blöcken mit glatter Innenwand; an der Westseite stehen drei Blöcke, der mittlere z. B. 1,80 m hoch, davon 30 cm im Boden eingegraben, oben 90 cm lang, 55 cm breit, die andere etwas kleiner. Die Fugen zwischen den Steinen sind mit flachen, über einander gelegten Platten und Keilsteinen genau geschlossen ("verzwickt"). Am Nordende sind zwei Träger,

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an der Ostseite nur zwei; an Stelle des dritten liegt an der Südostecke eine mauerartige Schichtung von rundlichen Steinen (etwa 15 cm Durchm.). Abweichungen zeigt auch die Südseite: hier stehen ein länglicher, ganz gerade abschneidender Stein von nur 25 cm Höhe und 75 cm Länge und ein Block, der nur 60 cm hoch ist. Offenbar liegt hier der Eingang und der niedrigste Stein ist die Schwelle. Vor dem Eingange auf dem Urboden lag ein Block, der auf den beiden Eingangssteinen aufgelegen haben mag und der bei der Oeffnung der Kammer, die, wie wir sehen werden, schon in vorgeschichtlicher Zeit stattgefunden hat, abgewälzt sein wird.

Die ganze Grabkammer war mit Erde und Findlingssteinen gefüllt. Die große Mehrzahl sind sicher regellos hineingeworfene Sammelsteine, wie sie auch die Oberfläche des ganzen Hügels bedeckten. Ein Theil aber war offenbar geschichtet. Auch die Lehmfüllung muß ursprünglich sein, denn in der Nachbarschaft des Grabes findet sich kein Lehm, sondern dieser kann nur zu dem Zweck der Füllung weit hergeholt sein. In der Tiefe auf dem Urboden fand sich ein ganz regelmäßiges Steinpflaster, bestehend aus flachen, etwa 2 cm starken Platten, überzogen mit einer festen Lehmdiele. Dieses Pflaster nahm aber nicht den ganzen Raum ein, sondern ließ im Norden und Osten eine Strecke frei (vgl. Skizze). Auf der Diele hatte die Beisetzung stattgefunden. Reste der Gebeine waren erhalten, und die Richtung der Leichen ließ sich danach bestimmen. Diese waren anscheinend sitzend an der Westwand, also nach Osten blickend, bestattet. Drei solcher Bestattungen waren deutlich:

Steinaxt

I. Im südlichen Theile. Etwa 25 cm von der Westwand fanden sich rechts eine Steinaxt, links ein Steinkeil; weiter nach Osten die Scherben eines verzierten Thongefäßes; als ob dem Todten eine Axt in die rechte, ein Keil in die linke Hand gegeben und ein Gefäß zu Füßen gesetzt wäre. In der ausgeworfenen Erde wurden gesammelt vier Feuersteinsplitter, darunter eine querschneidige Pfeilspitze. Die Steinaxt, aus einem feinkörnigen, grauen Gestein, anscheinend Diorit, bestehend, ist

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ungemein sauber gearbeitet; sie ist schlank, rundlich, die Schneide leicht nach unten gebogen; das Bahnende verschmälert sich zu einer glatt abschneidenden, ovalen Fläche. Länge 16 cm, größte Breite 5,5 cm. Höhe (im Schaftloch) 4 cm. Es ist der Jahrb. 63, S. 66 unter II 1 b α beschriebene Typus (vgl. unten S. 120).

Feuersteinkeil

Der Feuersteinkeil ist ein sehr zierliches Stück, von der Jahrb. 63, S. 16 beschriebenen Grundform B I, und zwar ist die eine Schneidefläche konkav ("Hohlkeil"), die Farbe ist grauweiß, beide Breitseiten gut geschliffen, die Schmalseiten mit muscheliger Vorarbeitung. Länge 8 cm, Breite oben 1,5 cm, unten 3 cm, größte Dicke (3,5 cm von oben) 1,5 cm.

querschneidige Pfeilspitze

Die querschneidige Pfeilspitze; ein dünner Feuersteinsplitter von 2 cm Länge mit konkaver Schneide. Ueber diese kleinen eigenthümlichen Spitzen ist in den Jahrb. zuletzt 64, S. 186 gesprochen; nicht nur in Dänemark, sondern auch in Aegypten sind sie in der That mit Schaft gefunden und also als Pfeilspitzen gesichert (vgl. Evans, Ancient stone implements 2. Aufl. 1897, S. 369 und 409 und Wilson, Arrowpoints u. s. w. S. 937); in neolithischen Grabhöhlen des Marnegebietes hat man sie sogar in der Wirbelsäule steckend, also in der Ausübung ihrer Funktion angetroffen (vgl. Cartailhac, la France préhistorique, S. 254). Zu chronologischen Bestimmungen sind sie nicht zu verwenden, da sie von den Anfängen der nordischen Steinzeit bis an das Ende unter den wechselndsten Verhältnissen vorkommen. Auch in Meklenburg sind gleiche Stücke schon in Gräbern gefunden, so in dem Hünenbette von Rosenberg (vgl. Friderico-Francisceum Text S. 76).

II. In der Mitte. Auf der Diele hatte offenbar Feuer gebrannt; sie war an einer Stelle ganz roth, auch lagen dort noch einige Kohlen. In den Lehm der Diele eingebettet und schwer zu erkennen lagen ostwestlich gerichtet die Reste einiger Röhrenknochen und mehrerer Gefäße, auch Feuersteinsplitter, vor dem westlichen Stein der Schmelz eines Zahnes. Die Splittern haben die Form der "prismatischen Messer" und mögen zum Theil

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Zufallsbildungen sein; eines aber hat sicher als Messer gedient. - Ueber die Thongefäße s. unten S. 122.

III. Der nördliche Theil enthielt eine Scherbe von einem Henkelgefäße und mehrere Feuersteine, weiß und mit Sprüngen, wie sie beim Brande zu entstehen pflegen. Um diese Feuersteine als Pflaster auffassen zu dürfen, wie man es in anderen Fällen, wo sie beobachtet sind, wohl gethan hat, waren es zu wenige. Auch im nördlichen Theile fanden sich Knochenspuren und zwar in der Richtung der Fuge zwischen dem nördlichen und dem mittleren Tragstein.

So weit die Beobachtungen auf dem Grunde der Grabkammer. In höheren Schichten fanden sich nun aber auch Gegenstände ganz anderer Art. Am nördlichen Ende lag auf einem Damm, etwa 30 cm über dem Urboden, ein eisernes Geräth; flach, leicht gebogen, am breiten Ende abgebrochen, 10 cm lang und an der Bruchstelle 2 cm breit. Es scheint eine Messerklinge mit geradem Rücken und leicht gewölbter, sich zuspitzender Schneide zu sein; der Griff ist abgebrochen und die Spitze gebogen. Aehnliche Formen sind aus wendischen Skelettgräbern und Burgwällen bekannt (vgl. Jahrb. 58, S. 219).

Am südlichen Ende fand sich zwischen den Steinen eine starke Brandschicht, welche schon 50 cm unterhalb der oberen Kante der Tragsteine begann und fast bis auf die Lehmdiele hinabging, auch über den Grabraum hinauf sich in die aufgeschichtete Wandung hinzog. In dieser Brandschicht lagen Scherben eines stark gebrannten Gefäßes, das mit Horizontalriefeln verziert war und einen nach außen gebogenen Rand hatte, in dem unverkennbaren Charakter wendischer Keramik. Auf der Schicht lagen die ziemlich recent aussehenden Knochen eines Pferdes. Nun erklärt sich die Gestaltung des südlichen Theils. Um in die Kammer gelangen zu können, wurde der Eingangsstein herabgewälzt und sodann auch durch Entfernung des südöstlichen Tragsteins mehr Raum geschaffen, der wohl auch zum Entweichen des Rauches nöthig war. Wahrscheinlich diente die Kammer jenen Wenden nur zum Aufenthalte, nicht als Grabraum, wenigstens sind menschliche Gebeine nicht beobachtet. Die Decksteine sind damals wohl unberührt geblieben und erst in neuerer Zeit entfernt, denn ein neben der Kammer liegender Block, ebenso ein Tragstein, zeigen Sprenglöcher.

Um dem Grabe seine Stellung unter den meklenburgischenSteinzeitfunden anzuweisen, betrachten wir zunächst die

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Geräthtypen. Die Art ist von einer Form, wie sie sich gleich oder sehr ähnlich in Hünengräbern mehrfach findet. Wir haben sie von Tatschow, Dobbin, Vietlübbe, Malchin und Stuer, auch das unten zu besprechende Stück von Blengow ist nahe verwandt. So weit die Fundberichte ein Urtheil gestatten (die meisten jener Funde entstammen Gräbern, die nicht sachgemäß ausgebeutet sind), gehören die Gräber alle in dieselbe Kategorie wie das besprochene, die der megalithischen Steinkammer.

Die Grundform ist weit verbreitet: es gehören hierhin die dänischen Formen S. Müller, Ordning I, 107, und Madsen, Aarbøer 1891, S. 310 und 311. 1 ) Daß dieser Typus eine Weiterentwickelung eines älteren scharfkantigen (S. Müller, Ordning, 72-75) ist und in eine jüngere Periode, die besonders durch die jütischen Einzelgräber, Gruppe III, charakterisirt wird, fällt, hat Müller, Aarbøer 1898, S. 245, ausgeführt. In Schleswig=Holstein findet er sich ebenfalls in gut charakterisirten jungsteinzeitlischen Muldengräbern und Ansiedlungen (Mestorf, Mitth. d. anthrop. Gesellsch. von Schleswig=Holstein, Hefte 5 und 12). Aus der Provinz Brandenburg (West=Havelland) stammt ein ähnliches Stück (Voß=Stimming, Vorgesch. Alterth. von Brandenburg I, 3, Abth. 2), und auch der Axthammer des Brandgrabes von Warnitz i. d. Neumark (Goetze, Ztschr. f. Ethnol. 1892, S. 178) steht der Form nahe; 2 ) in Bylan in Böhmen ist ein gleicher in "liegenden Hocker"=Gräbern mit "thüringischen" Amphoren und Schnurbechern, in denen aber auch schon Kupferringe auftraten, gefunden (Pic, Cechy predhistorické, Tafel III, 11). Diese Funde stimmen darin zusammen, daß sie stets einem jüngeren Abschnitte der Steinzeitkultur des betreffenden Landes angehören. Dem verführerischen Gedanken, daß sie einem Volke oder doch einer Kulturbewegung angehören, die die Flachgräber nach dem Norden gebracht hat, wollen wir hier nicht nachgehen; auf die große Aehnlichkeit des Cramoner Grabes in der Ausstattung mit den jütischen Einzelgräbern (Axt, Keil, querschneidige Pfeilspitzen, S. Müller, a. a. O. S. 215) sei aber doch hingewiesen, und diese dänischen Gräber schließen sich durch Axtform und Keramik (Weiter=


1) Noch genauer wie das Cramoner Stück entspricht die Axt aus einem zerstörten Hünengrabe bei Dobbin (2124, Jahrb. 11, S. 347) dem dänischen Typus.
2) Fast ganz gleich der Warnitzer ist eine Axt von Gnoien (1097, Jahrb. 8 B., S. 33) "aus einem Hünengrabe", leider ohne genauere Fundangabe.
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entwickelung des Schnurbechers), durch das Bindeglied des Warnitzer Grabes der thüringischen Schnurkeramik an.

Folgen wir der Montelius'schen Eintheilung der Steinzeit, (Månadsblad 1893), so würde der Typus seiner Periode III angehören.

Daß die Form des Feuersteinkeils die gewöhnliche in den Steinzeitgräbern ist, ist bekannt (s. u. a. Jahrb. 63, S. 34 und Goetze, Berliner Ztschrft. für Ethnologie 1900, Verhandlungen S. 153. 1 ) Sie bestehen auch fast immer aus demselben grauen Gestein; daß auch diese Geräthform im Wesentlichen jüngeren Abschnitten der neolithischen Periode angehört, hat für Dänemark Sophus Müller, für Norddeutschland Goetze (a. a. O.) wahrscheinlich gemacht.

Die Thongefäße. Leider ist die Anzahl nur gering, und es sind von keinem so viele Reste erhalten, daß eine Zusammensetzung möglich wäre; ja, nach der Erhaltung scheint es, daß die Gefäße gar nicht vollständig dem Beerdigten mitgegeben sind, sondern es sich nur um Scherben handelt, die bei der Grabceremonie eine Rolle gespielt haben. Bei der hohen Bedeutung, welche gerade die Keramik als Bestimmungsmittel für zeitliche Zusammenhänge hat, rechtfertigt sich ein genaueres eingehen.

Scherbe mit Verzierung

a) Aus dem ersten (südlichen) Begräbnisse: eine größere Scherbe; Randstück, schwarzbraun. Unterhalb des Randes ist ein dreifaches Band von spitzwinkligen Zickzackdoppellinien, welche in Tiefstich ausgeführt sind. Für die Form des Gefäßes bietet die Scherbe keinen Anhalt; die Verzierung ist in den Megalithgräbern häufig. Vgl. die Nachweise Jahrb. 63, S. 80 und 64, S. 113 und sehr zahlreiche Beispiele aus Ganggräbern bei Madsen, Gravhøje fra Stenalderen.


1) Den Ausdruck "Hacken" für die sehr häufigen unsymmetrisch gestalteten kann ich mir aber nicht aneignen, da die Form der Schneide darauf hinweist, daß diese Geräthe zum großen Theil als Schab= oder Glättinstrumente benutzt sind.
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Scherbe mit Verzierung

b) Aus dem mittleren: eine Anzahl einfacher und formloser Scherben brauner Färbung; außerdem ein größeres Randstück, hellbraun, verziert mit einer Doppelreihe von kleinen, halbmondförmigen Einstichen, von denen in Abständen von 2cm Streifen von paarweisen Halbmonden senkrecht nach unten gehen. Auch dieses Ornament ist nicht neu, sondern kommt sehr ähnlich auch sonst in unsern Megalithgräbern vor, so in dem unserm Grabe auch sonst ähnelnden von Remlin, ebenso wie in der dänischen Ganggräberkeramik (z. B. Madsen, Gravhøje XI, aa).

c) Aus dem nördlichen Begräbnisse: Der Rest eines Henkelgefäßes mit leicht eingezogenem Rande und scharfer Kante zwischen Rand und Wandung; diese biegt sich in starker Wölbung nach unten; unter dem Rande sitzt ein Henkel; unverziert; braun. Die Form ist sehr wahrscheinlich die im Jahrb. 63, S. 80 und 81 besprochene Schalenform, wie wir sie aus dem Hünengrabe von Tatschow und von der Ostorfer Seeinsel haben (vgl. auch unten S. 128, das zweite Gefäß von Blengow). In Dänemark finden sich sehr ähnliche Schalen in den "Ganggräbern" (S. Müller, Ordning I, 220 und 222); bei Lübeck in dem berühmten Grabe von Waldhusen (Freund, Lübecker Festschrift 1897, Tafel II, Fig. 5); in Hannover in Megalithkammern (z. B. Haltern bei Osnabrück; Müller und Reimers, Alterthümer der Provinz Hannover IV, 35). Analogien mit brandenburger und schlesischen Funden giebt Goetze a. a. O. 1900, S. 170, aus denen sich auch die Zeitstellung jener Schalen als (ältere? Genossen der "Bernburger" und "Rössener" keramischen Gruppe ergiebt. Das stimmt durchaus mit den Beobachtungen in Dänemark überein, denn auch die Ganggräber gehören in einen späteren Abschnitt der neolithischen Periode, ebenso wie die von Goetze besprochenen Typen.

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Die Grabform ist die bei weitem häufigste unter unseren Hünengräbern, die große (mit mehreren Decksteinen versehene) Grabkammer mit einem Eingange an einer Seite und ohne Gang. Der Erdauftrag ging fast bis zur Höhe der Tragsteine und diente dazu, sie in ihrer Lage zu halten. Zu der oft ausgesprochenen 1 ) Annahme, daß der Erdmantel auch die Decksteine bedeckt hätte, liegt hier ebenso wenig ein Grund vor, wie in den zahlreichen anderen Fällen, von denen hier nur auf die sehr ähnlichen Gräber von Alt=Sammit (Jahrb. 26, S. 115 flgd.) und Zarnewanz I (Jahrb. 64, S. 111) hingewiesen sein mag; die in einem Hügel gelegenen, ganz bedeckten Gräber, wie die unten zu besprechenden von Blengow und Gresse, gehören späteren Perioden an. Der Mangel ausreichender Untersuchungen drängt sich bei solchen Versuchen, eine fachliche und zeitliche Ordnung unserer Denkmäler vorzunehmen, immer wieder auf; es kann also nur als Vermuthung gelten, wenn wir folgende Reihenfolge als wahrscheinlich voraussetzen: I. Einfache Steinkammer im Boden mit freiliegendem Deckstein (z. B. Zarnewanz II; Jahrb. 64, S. 116). 2. Große Steinkammer, freistehend auf dem Urboden mit frei liegenden Decksteinen (Cramon u. s. w.). 3. Steinkammer, überdeckt von einem Hügel (Blengow u. s. w.), dem Typus der Ganggräber entsprechend. Durch das Fehlen des Ganges unterscheiden sich die großen meklenburgischen Hünengräber von den großen skandinavischen Grabbauten, den dänischen "Riesenstuben" (jättestuer), bei denen der aus großen Blöcken geschaffene Eingang einen so wesentlichen Bestandtheil bildet, daß die schwedischen Archäologen sie als "Ganggräber" (ganggrifter) zu bezeichnen pflegen. Anlage und Ausstattung der meklenburgischen Hünengräber aber stimmt so mit den nordischen Ganggräbern überein, daß eine zeitliche Zusammengehörigkeit zweifellos ist. Doch auch hier finden sich charakteristische Unterschiede: in Meklenburg sind in Megalithgräbern viel häufiger als in Dänemark durchbohrte Aexte aus Diorit oder ähnlichem Gestein, fehlen dagegen die künstlichen Dolche und Messer aus Feuerstein noch ganz. Wenn demnach die große Masse unserer Megalithgräber


1) So versichert Cartailhac, la France préhistorique S. 181 u. flgd. bestimmt, daß die französischen Dolmen sämmtlich eine Erd= und Steinbedeckung gehabt hätten, führt aber keine Beweise an. Ich glaube, daß es für jeden, der selbst auf dem festgefügten, ganz freistehenden Steinhause von Crucunno (Bretagne, Morbihan) gestanden hat, sehr starker Beweise bedürfen wird, nicht an die Ursprünglichkeit solcher Anlagen zu glauben.
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der nordischen Periode der Ganggräber entspricht und in Montelius, Periode III der Steinzeit (Manadsblad 1893) fallen wird, so deckt die mecklenburgische Steinkammerzeit sich doch nicht mit dieser skandinavischen Periode (dort sind gerade die Dolche eine Charakterform der Ganggräber), sondern scheint etwas älter zu sein. Wollen wir die relativen Begriffe "alt" und "jung" anwenden, so werden wir aber immerhin die Gräber des Cramoner Typus als jungneolithisch bezeichnen müssen. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß sie an das Ende gehören. Wir werden über noch jüngere, aber immer noch steinzeitliche Gräber unten bei Gresse und Wiligrad zu reden haben.

Es erübrigt noch ein sekundäres Vorkommniß zu erwähnen. Am Ende der Kammer fehlte, wie schon gesagt, der Kragstein, und es fand sich eine wendische Kulturschicht. Wir haben hier also ein Beispiel für die Benutzung eines steinzeitlichen Grabes in sehr viel späterer Zeit; anscheinend ist hier ein Tragstein entfernt und so der Zugang geschaffen. Der Grund des Grabes ist, wie die Ausgrabung zeigte, unberührt geblieben. Aehmliche Verhältnisse haben sich bei dem Hünengrabe von Remlin und einem der Moltzower gezeigt. Daß es noch immer nicht genügt, derartige an sich ja ganz selbstverständliche Erscheinungen, wie die späterer Benutzung einer steinzeitlichen Grabanlage, hier also in der Wendenzeit, einfach zu registriren, hat erst vor kurzem die Behandlung gezeigt, welche in den Bonner Jahrbüchern die westphälischen Hünengräber gefunden haben.

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Hünengrab von Hallalit (bei Teterow).

Nur 3,75 Kilometer von dem oben beschriebenen Megalithgrabe von Cramon entfernt, findet sich ein Hünengrab, das, so weit ich ehen kann, bisher unbekannt geblieben ist und welches ich, Dank der Freundlichkeit des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe, am 8. Juni 1900 besichtigen konnte.

Das Grab liegt 0,75 Kilometer westlich vom Orte, im Gebiete der Endmoräne, in einem Bestande junger Tannen auf einer flachen, länglichen Erhebung. Es ist zum großen Theile schon zerstört; erkennbar sind noch die großen Umfassungssteine, die den Hügel in einem länglichen Oval umgaben. Die Blöcke der Grabkammer sind gesprengt, doch ist deren Lage nahe dem östlichen Ende des Hügels noch erkennbar. Bei dem Aufräumen

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der Steine ist ein Keil von grauweißem Feuerstein gefunden, von jener flachen, schlanken Form, die in den steinzeitlichen Gräbern die gewöhnliche ist (B I); weitere Beigaben sind nicht beobachtet. Der Keil befindet sich in der Sammlung des Herrn von Tiele=Winckler auf Vollrathsruhe.

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Hünengrab von Blengow (bei Neubukow).
(Kat.=Nr. 4323-4328. St. 11-14. 111-114.)

Im Jahre 1871 ist bei Blengow auf dem Voßberge eine sehr interessante Steinkammer ausgeräumt, über deren Befund Jahrb. 30, S. 193 ff., von Lisch berichtet ist. Das Grab, eine "kleine unterirdische Steinkammer" mit einem ungeheuren Deckstein, ist in seiner Form erhalten geblieben, die Fundstücke sind damals zum Theil in die Schweriner Sammlung gekommen, zum Theil in Blengow in der Sammlung des Herrn Berthold Beste geblieben, zum Theil in die Hände des Herrn Baumeister Thormann in Wismar gelangt. Die letzteren sind vor einigen Jahren, die andern mit der ganzen schönen Sammlung als Schenkung des Herrn Anton Beste Dezember 1899 der Großherzoglichen Sammlung zugegangen, sodaß nunmehr das gesammte Grabinventar, soweit es erhalten ist, hier vereinigt ist. Damit ergeben sich einige Berichtigungen gegen die Darstellung in den Jahrbüchern. Nach dieser sind gefunden an der Westwand eine sitzende Leiche, zu Füßen eine Pfeilspitze; an der Nordwand zwei sitzende Leichen, eine mit Axt, eine mit Feuersteinkeil; eine dritte schien vergangen zu sein, zu ihren Füßen ein Hängegefäß. Unbestimmbar war die Zugehörigkeit einer Pfeilspitze, einiger Feuersteinsplitter und eines zweiten (zerbrochenen) Thongefäßes.

In der Schweriner Sammlung befinden sich jetzt:

1. Eine durchbohrte Axt aus graugrünem, dioritartigem Gestein von der Jahrb. 63, S. 67, als II 2 b beschriebenen Grundform; die obere und untere Seite leicht vertieft; das Bahnende rechteckig (mit Spuren der Abnutzung),

Axt
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die Schneide nicht so hoch wie das Bahnende. Länge 10,5 cm, größte Breite 4 cm, Höhe 3,25-4 cm, Durchmesser des Schaftlochs 2 cm. Die Form ist weit verbreitet und ähnelt der oben bei dem Grabe von Cramon besprochenen, unterscheidet sich aber von dieser wesentlich dadurch, daß sie nicht gebogen ist und nähert sich dadurch dem Typus Müller, Ordning 72, in dem dieser die Urform der ganzen Reihe sieht. Zu chronologischen Bestimmungen reicht, so weit ich sehen kann, die einfache Form nicht aus. In Böhmen sind sie z. B. noch in altbronzezeitlichen Gräbern gefunden (Pic, Cechy predhistorické IX., 25).

2. Ein Feuersteinkeil, zerbrochen, erhalten nur der untere Theil, grauweißes Gestein mit hellbraunen Flecken, schmal, gut geschliffen, Länge noch 5 cm (ursprünglich 7-8 cm). Breite der Schneide 4,5 cm, Dicke nur 0,5 cm. Die Grundform ist dieJahrb. 63, S. 17, besprochene B I, welcher ja die große Mehrzahl der in Hünengräbern gefundenen Keile angehört.

3. 4. Zwei flache "prismatische Messer" von 7 und 6,5 cm Länge.

Soweit die Steinsachen; es fehlen also die in dem Berichte erwähnten Pfeilspitzen.

Dagegen ist die Zahl der Thongefäße größer, nämlich:

5. Ein Hängegefäß (Kat.=Nr. 4327, vgl. Jahrb. 37, S. 195), am oberen Theile stark beschädigt, graubraun, dickwandig, unverziert; schmale rundliche Bodenfläche (3 cm Durchm.), starker horizontaler Wulst am Halsansatz, eingezogener Hals (der Rand fehlt); ursprüngliche Höhe etwa 10 cm. Auf dem Wulste sind, einander gegenüber, je zwei kleine, von oben nach unten durchbohrte Oesen, welche das Gefäß als Hängegefäß charakterisiren. Hängegefäße, wenn auch etwas anderer Form, gehören in Dänemark den Ganggräbern (Montelius, Periode III der jüngern Steinzeit) an, auch das Montelius, Antiquités suédoises 95 abgebildete, dem unsern nahestehende Hängegefäß gehört in einen jüngern Abschnitt der Steinzeit.

Hängegefäß
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Scherbe mit Verzierung

6. Ein Randstück (Kat.=Nr. 4326), leicht nach innen gewölbt, verziert oben mit sich kreuzenden, tief eingestochenen Linien, ein Ornament, das der nordischen Keramik im allgemeinen fremd ist.

7. Kleiner Topf (Kat.=Nr. St. 11) mit absetzendem Bauchrand und mit Henkeln (vgl. Jahrb. 63, S. 82 oben); in der Abbildung tritt die Rundung des Bodens nicht genügend hervor. Daß das Gefäß zu den Hängegefäßen zu zählen ist, ergiebt die Vergleichung mit den sehr ähnlichen bei S. Müller, a. a. O. 231, zu dem ein Deckel mit vertikal durchbohrten Oesen gehört; vgl. auch die sehr ähnlichen Gefäße bei Madsen, Gravhøje etc. ., Tafel 18 aus dem Ganggrabe von Udby bei Holbaek.

Topf

8. Topf mit leicht gewölbter Wandung (Kat.=Nr. St. 12, vgl. Jahrb. 63, S. 81) und leicht eingezogenem Halse, ähnlich dem bei Madsen, Gravhøje Tafel 28, Fig. hh abgebildeten Gefäße aus einem Ganggrabe.

9. Topf mit wulstigem hochliegendem Bauchrande (Kat. = Nr. St. 14), eingezogenem Halse, zwei Henkeln, schmaler Standfläche; unverziert; der Form nach also sehr ähnlich den Schalen von Ostorf, Jahrb. 63, S. 80, und mehrerer der bei Mestorf, Vorgeschichtl. Alterth. von Schleswig = Holstein, Tafel XVII, abgebildeten.

Topf

Wenn so die Keramik des Blengower Grabes sich der der nordischen "Ganggräber" anschließt, so stimmt

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damit der Bau des Grabes sehr gut überein. Es ist eines der wenigen Graber, deren Deckstein unter dem Boden lag und zwar innerhalb eines Hügels, ferner hatte es vor dem Eingange einen, wenn auch nur kleinen Gang. Es kommt also dem Typus der "Ganggräber" wesentlich näher wie die große Mehrzahl unserer Steinkammergräber und nimmt eine Zwischenstellung zwischen dem oben beschriebenen Grabe von Cramon und dem unten zu behandelnden von Gresse ein.

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Hünengrab von Gresse (bei Boizenburg).

In der Uebersicht über die Vertheilung der meklenburgischen Hünengräber Jahrb. 64, S. 92 ist als die südwestlichste Gruppe eine Anzahl von Gräbern bei Wittenburg und Boizenburg zusammengefaßt, an deren Gebiet sich dann die gräberleere Thalsandheide anschloß. Am weitesten vorgeschoben erschienen einige Gräber bei Granzin. Seitdem ist ein neuer Grabfund bekannt geworden, der unmittelbar an dem alten Abfallsufer zum großen Elbthal hin gelegen ist und der nach seiner ganzen Anlage ein besonderes Interesse beanspruchen darf. Verfasser hat das Grab unter freundlicher Führung des Herrn Freiherrn von Ohlendorff am 23. Mai 1900 besichtigt. Etwa 800 m nordöstlich von Schloß Gresse liegt auf ebenem Gelände ein sehr auffallender, mit alten Bäumen bestandener Hügel von etwa 6 m Höhe und 25 m Durchmesser, der sog. Finkenberg. Herr Freiherr von Ohlendorff auf Gresse hat im Frühjahr 1899 den Hügel von der Höhe und der Nordseite her angraben lassen und eine große Grabkammer im Innern frei gelegt. Diese Kammer ist nach Möglichkeit erhalten, indem die Steinwände, so weit angängig, in ihrer ursprünglichen Lage gelassen sind, oben durch eine Wölbung geschlossen und mit Oberlicht versehen. Ein ausgemauerter Gang, zu dem die Steinmassen des Grabes benutzt sind, führt jetzt in den Grabraum, in dem die hier gemachten Funde aufbewahrt werden. So ist eine bedeutungsvolle und in ihrer Art einzige Anlage dauernd geschützt und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Grabkammer lag gerade in der Mitte des Hügels und bildete einen unregelmäßig vierseitigen Raum mit gerundeten Ecken von etwa 4 m Durchmesser und 2 m Höhe. Die Wände bestanden nicht aus großen, stehenden Steinblöcken, wie bei den Hünengräbern, sondern aus wagerecht gelegten, geschichteten

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Steinen von durchschnittisch 30 cm Länge. Sie war auch nicht überwölbt mit den üblichen massiven Felsen, sondern die Decke bestand aus denselben Steinen, wie die Wände. Eine Holzüberdeckung ist nicht beobachtet, es hatte den Anschein, als ob die Steine oben ein Gewölbe bildeten. Natürlich kann dieses nur ein sog. "falsches Gewölbe", d. h. ein durch Ueberkragen der Steine gebildeter oberer Abschluß gewesen sein. Im Innern der Kammer fand man an einer Stelle eine starke Brandschicht von 1 m Länge und 30 cm Stärke. Die Beerdigung hat an der Westwand stattgefunden. Beobachtet sind:

1. Reste eines (oder mehrerer?) unverbrannten Leichnams.

2. Eine Axt, anscheinend aus Gneis, länglich und unregelmäßig, ähnlich dem in Jahrb. 63, S. 60 abgebildeten Stück, Grundform A, 19 cm lang, 4 cm hoch.

3. Eine Axt, anscheinend aus Diorit, von der a. a. O., S. 61 abgebildeten Form, Grundform B I a, 13 cm lang, 5 cm hoch.

4. Ein "Arbeitskeil" aus Feuerstein, gleich Jahrb. 63, S. 21. Grundform C b I, 12 cm lang.

5. Ein "Hohlteil" aus Feuerstein, der Form nach dem vorigen gleichend, 11 cm lang.

6. Ein Keil "mit geschweifter Schneide" von Feuerstein, ähnlich dem a. a. O. S. 19 abgebildeten Stück, Uebergangsform von B zu C, 11 cm lang.

7. Ein flacher, unregelmäßig geformter Keil (oder Axt) aus einem schiefrigen Gestein, ungefähr 8 cm lang.

8. Ein Dolch aus Feuerstein; gleich der Abbildung a. a. O. S. 49, Grundform II C 2, prachtvoll gearbeitet, mit gekröselten Seiten und feiner paralleler Muschelung der Klinge; leider ist der größere Theil der Klinge abgebrochen. Länge noch 14,5 cm.

Die steinzeitlichen Grabformen sind Jahrb. 64, S. 79 flgd. besprochen. Keiner schließt sich das von Gresse an. Von allen in Meklenburg bekannt gewordenen Hünengräbern unterscheidet sich das besprochene in verschiedenen sehr wesentlichen Punkten. einmal durch seine Lage in der Tiefe eines Hügels, der in seiner ganzen Anlage genau den bronzezeitlichen Gräbern gleicht. sodann durch seine Schichtung aus Steinen, während die Grabkammern

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sonst aus aufrecht stehenden Blöcken oder Platten gebildet werden. Der erste Punkt findet seine Analogien in den "Riesenstuben" von Schweden, Dänemark und Schleswig=Holstein, die ja auch oft von sehr bedeutenden, zu Hügeln geschichteten Erdmassen umgeben sind; in S. Müllers Nordischer Alterthumskunde S. 77 flgd. ist das Material übersichtlich zusammengefaßt. - Eigenthümlich diesen Riesenstuben aber ist der Gang, der hier anscheinend fehlt, und keine zeigt die aufgemauerten Wandungen. In diesem Punkte entfernt sich das Gresser Grab von den nordischen Hünengräbern und schließt sich an jene "Kuppelgräber" an, deren bekanntester Vertreter das "Schatzhaus des Atreus" in Mykene ist. Derartiges findet sich erst in weiteren Entfernungen von uns.

Dahin gehören, um zunächst einige Beispiele anzuführen, die dem Verfasser aus eigener Anschauung bekannt sind, mehrere der großartigen Gräber in der Bretagne (Dep. Morbihan), so der Mané-er-Hroèg bei Locmariaquer, ein 12 m hoher Hügel, auf dessen Grunde sich die aus platten Steinen aufgesetzte und mit starken Platten überdeckte Grabkammer (4x3x1,5 m) fand, zum Theil auch der mächtige St. Michel bei Carnac, wo wenigstens eine Seite der Grabkammer aus einer Trockenmauer bestand, das Grab von Tumiac bei Arzon, kurz, gerade die größten und ergebnißreichsten Gräber jener klassischen Gegend. (Die Belege s. bei Mortillet, Musée préhistorique Tafel 59, Cartailhac, la France préhistorique S. 204 flgd. u. s. w.)

Auch über Grabhügel an der Westküste Frankreichs (z. B. St. Amand, Dep. Charente) liegen gute Untersuchungen, besonders von Chauvet, vor. Diese werden folgendermaßen beschrieben (Cartailhac, S. 214 ff.): einige der Hügel schlossen echte Megalithgräber ein, andere bargen Trockenmauern aus flachen Bruchsteinen, mit Wiederlagern aufrecht gestellter Blöcke, die Zweidrittel oder Dreiviertel der Höhe erreichten. Die Kammer war rechteckig, polygonal, besonders aber rund. Erhalten waren Theile der Bedachung in Form über einander gelegter Platten, ein System einfachster Wölbung [das sog. "falsche Gewölbe"], wie es noch jetzt bei den Hütten der Hirten in den Kalksteinplateaus. von Südfrankreich in Gebrauch ist. Mehrere hatten enge und lange Eingänge. Endlich war meist der Boden mit einer rothen Lehmdiele bedeckt, auf der die Reste der Beerdigten mit ihren Beigaben lagen. Ärmliche Beobachtungen sind in einer Nekropole bei Fouqueure gemacht. In beiden Fällen handelte es sich um neolithische Begräbnisse.

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Ebenso sind in Süd = Frankreich Grabkammern aus Trockenmauern mit Erdauftrag bekannt, die zum Theil schon Kupfer (oder Bronze) ergeben haben; so ein großes Grab von La Roquette bei St. Pargoire (Dép. Herault), wo 26 Leichen mit Feuersteinklingen, Bernstein, Kupferzierrath u. s. w. gefunden sind und zu dem der Entdecker, Cazalis de Fondouce, Analogien aus Sardinien anführt (Cartailhac, a. a. O., S. 220).

Auf weitere Beispiele aus Frankreich bezieht sich Montelius, Orient und Europa I, 1899, S. 58 ff., wo ebenfalls S. 70 ff. Beschreibungen und Abbildungen zahlreicher gleicher Anlagen aus Irland und auch einige aus Schottland gegeben werden. Aus den Ausführungen von Montelius ergiebt sich, wie ähnliche Bauten mit ähnlicher Ausstattung in Kleinasien (besonders Karien), Sardinien, Spanien bekannt geworden sind (a. a. O., S. 36. 60. 75. 89 u. s. w.).

Ob unser Gresser Grab einen inneren Zusammenhang mit jenen Kuppelgräbern hat, die von Spanien bis Schottland sich hinziehen und zwar unverkennbar die Küste entlang, bleibe noch dahingestellt. Denkbar ist ein solcher sehr wohl. Alle jene Gräber liegen der Küste nahe. Auch das Gresser Grab liegt am alten Elbthal, etwa 140 Kilometer von der Elbmündung entfernt. Wenn jene Gräber, wie man jetzt meist annimmt, ihre Entstehung einer die Küsten entlang sich bewegenden "orientalischen" Beeinflussung verdanken, so kann diese sich auch nach Deutschland erstreckt haben, ebenso gut wie die jung=steinzeitlichen Thonbecher und alten Metallgegenstände in identischen Formen sich nicht nur auf dem ganzen Verbreitungsgebiete der Kuppelgräber in Europa, sondern auch in Deutschland finden. Zunächst aber, ehe weitere Beobachtungen vorliegen, wollen wir uns mit dem Nachweise begnügen, daß das Grab von Gresse in seiner Bauart nicht nur, sondern auch in seiner zeitlichen Stellung sich einer Gruppe von Gräbern anschließt, die bisher besonders hauptsächlich im westlichen Europa bekannt geworden sind und auf unserem Boden, im Gebiete der nordischen Steinzeit, sich noch durchaus fremdartig ausnehmen.

Die Ausstattung des Grabes gleicht der unserer megalithischen Kammern, der typischen Hünengräber. Auffallend ist nur das Vorkommen des Dolches in einer Form, die, soweit ich das Material übersehen kann, in den älteren steinzeitlichen Gräbern überhaupt nicht, sondern bei uns wenigstens erst am Ende der

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Steinperiode, besonders in Flachgräbern, vorkommt, so in den Flachgräbern von Basedow) (vgl. Jahrb. 64, S. 124). Auch der Keil mit geschweifter Schneide gehört erst in die jüngsten Abschnitte der Steinzeit.

Daraus ergiebt sich die zeitliche Stellung unseres Grabes. Dieses gehört sichtlich einer ganz jungen Periode der Steinzeit an, entsprechend Montelius' Periode IV der jüngern Steinzeit, (Månadsblad 1893). Die Grabform führt schon zu der Bronzezeit hinüber. Aber die Form der Grabkammer ist noch nicht aufgegeben, nur wird sie anders gebildet wie in den früheren Perioden. Das Bild, welches wir von der Entwickelung der steinzeitlichen Grabformen entwerfen konnten (Jahrb. 64, S. 82 ff.), erhält hierdurch einen neuen Zug, der mit den andern nicht so ohne weiteres vereinbar ist. Wir sahen dort, wie aus der Steinkammer, mit der Abart des steinkammerlosen Hünenbettes, die Steinkiste 1 ) wurde. In diesen Gang läßt sich die Grabform, deren einziger Vertreter auf dem Gebiete der nordischen Steinzeit bisher das Grab von Gresse ist, nicht einreihen, wir werden in ihm eine jener mannigfachen auswärtigen Einwirkungen zu sehen haben, die schon in der Steinzeit bestimmend in den einheimischen Formenkreis eingriffen.

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Flachgrab von Wiligrad (bei Schwerin).
(Kat.=Nr. St. 115.)

Im Parke zu Wiligrad, dem früheren Lübstorfer Holze, ist man im Januar 1900 beim Kiesfahren auf eine alte, äußerlich nicht erkennbare Begräbnißstelle gestoßen. Etwa 1 km nordöstlich vom Anhalte Wiligrad entfernt, liegt rechts von der neuen zum Schlosse führenden Chaussee ein rundlicher Kieshügel in natürlicher Schichtung. Bei der Abtragung fand man etwa 60 cm unter der Oberfläche eine Anzahl Gebeine. Eine Untersuchung des Fundortes durch Verfasser am 18. Januar v. Js. und ein Verhör des Chausseewärters Dube, welcher die Aufsicht bei den Arbeiten geführt und einen Theil der Gebeine in Verwahrung genommen hatte, ergab Folgendes:


1) Das Flachgrab scheint nicht auf nordischem Boden aus der Steinkiste hervorgegangen, sondern aus fremden (südlichen) Einflüssen entstanden zu sein.
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Die Skelette lagen in einer rahmenförmigen Steinsetzung aus mittelgroßen Steinen (20-30 cm Durchm.); diese war durch Querschichten kleiner Steine in fünf Abtheilungen getheilt.

Skizze  zur Steinsetzung

Der innere Raum der ganzen Steinsetzung betrug in der Länge 2, in der Breite etwa 1 m; die Richtung war nord=südlich. In jedem der fünf Räume lagen die Gebeine frei im Boden, über jedem Schädel fand sich ein größerer Stein. Der Raum für jede Leiche war nach dem Gesagten sehr klein (1 m x 30 cm), die Gebeine lagen durch und auf einander, zerdrückt und gebogen; an einer Stelle lagen Rippe, Schlüsselbein, Oberschenkelkopf neben einander, die fünf Schädel aber lagen alle in der Mitte des Grabraums und standen alle aufrecht ("stuhr uppsätt", sagte mein Gewährsmann). Brandspuren, Scherben oder Beigaben irgend welcher Art sind nicht beobachtet. - Die meisten Schädel waren sehr mürbe und zerfielen, erhalten geblieben ist nur einer; dieser ist auf Höchsten Befehl Seiner Hoheit des Herzog=Regenten dem Großherzoglichen Museum überwiesen.

Wenn wir das Grab hier bei den steinzeitlichen Funden behandeln, so geschieht das natürlich nur als Vermuthung, zumal die gute Erhaltung des Schädels in so geringer Tiefe eine wesentlich jüngere Zeit wahrscheinlich machen würde; da alle Beigaben fehlen, die Schädelformen allein aber noch nicht als zeitliches Bestimmungsmittel vorgeschichtlicher Begebenheiten verwendbar sind, so bleibt ja nur die Grabform über. Diese ist aber so eigenartig, daß meines Wissens keine andere vorgeschichtliche Periode Analogie bietet als die Steinzeit. Der enge Raum, auf dem die Gebeine beigesetzt sind, und die unnatürliche Stellung des Schädels weisen dahin, daß hier ein Beispiel einer Bestattungssitte vorliegt, wo der Leichnam erst nach Entfernung der Fleischtheile seine letzte Ruhestätte gefunden hat; zahlreiche Beobachtungen auf sehr verschiedenen Gebieten, besonders auch die noch bestehenden Sitten mancher primitiven Völkerstämme machen es wahrscheinlich, daß in solchen Fällen der Leichnam zunächst eine vorübergehende Aufbewahrung gefunden und erst in macerirtem Zustande dem endgültigen Grabe übergeben ist. Es sei dafür auf

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die eingehenden Ausführungen von Cartailhac in dessen la France prehistorique verwiesen, wo S. 257 aus neolithischen Grabhöhlen der Champagne Beispiele einer derartigen Behandlung der Leichen und aufrechter Schädelstellung angeführt sind; vgl. dazu auch Virchow in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1898, S. 283. Ebenda 1900, S. 146 erwähnt Goetze ein jung=neolithisches "Hockergrab" aus der Uckermark, in dem der Schädel ganz wie bei dem unseren aufgesetzt war; auch der Fund aus einem steinzeitlichen Hügelgrabe von Tensfeld im östlichen Holstein, wo die Gebeinreste von zehn Personen auf einem Raum von 0,70x1,15 m zusammengedrängt gefunden wurden, sei hier erwähnt. (Vgl. Mestorf, Mitth. d. anthrop. Vereins in Schleswig=Holstein 12, S. 30.)

Zur Grabform selbst. Steinzeitliche Flachgräber ohne wesentlichen Steinschutz sind in den letzten Jahren sehr in den Vordergrund gerückt worden. Auf Grund eines sehr bedeutenden Materials hat Sophus Müller, Aarbøger 1898, S. 157 flgd. nachgewiesen,. daß die besonders auf der Westseite von Jütland häufigen "Einzelgräber" in mehrere zeitlich zu trennende Gruppen zerfallen, von denen die älteste den "Riesenstuben" gleichzeitig, aber in der ganzen Ausstattung verschieden ist, während die jüngste, den Steinkistengräbern gleichaltrig ist und sich auch in der Ausstattung nähert; Müller sieht in den Einzelgräbern die Bestattung eines neu eingedrungenen, den Erbauern der Hünengräber stammfremden Volkes. Aehnliche Gräber mit ähnlichem Inhalte finden sich in Schleswig=Holstein, Meklenburg, den nördlichen Theilen von Brandenburg und im Gebiete der unteren Oder, und man nimmt an, daß diese Begräbnißform fremd, in einem jüngeren Abschnitte der neolithischen Periode von Süden her eingedrungen ist. (Schumann, Nachr. über deutsche Alterthumsfunde 1898, S. 89.) Die wenigen bisher in Meklenburg bekannt gewordenen Beispiele sind Jahrb. 64, S. 88 besprochen. Ueberall stnd es überwiegend gestreckt gebettete Leichen, doch kommen auch liegende Hocker (z. B. in Ketzin Ost=Havelland, Goetze a. a. O.) oder regellos beigesetzte Gebeine in der Art der Wiligrader vor. Eine so überzeugende Gliederung dieser Grabformen, wie sie für Jütland gelungen ist, ist auf deutschem Boden noch nirgends möglich; eine völlige Analogie für die Form des Wiligrader Grabes weiß ich nirgends nachzuweisen; wir müssen uns begnügen, es in diesem Zusammenhange aufzuführen, genauere Auskunft von weiterer Erforschung des Landes erwartend.

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Das einzige Fundstück, welches erhalten geblieben ist, ist der Schädel. Die folgenden Maaße desselben sind gegeben nach den Messungen des Herrn Dr. Asmus in Teterow, welcher sie uns zu diesem Zwecke mit dankenswerther Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt hat. Gerade Länge 179 mm, größte Länge 181 mm, Intertuberal=Länge 177,5 mm. - Größte Breite

Schädel

143,5 mm, Stirnbreite 101,5 mm, Ohrbreite 129 mm, Hinterhauptsbreite 115 mm. - Länge der Schädelbasis 103 mm. Breite der Schädelbasis 104,5 mm. - Ganze Höhe 139 mm, Ohrhöhe 118 mm. - Horizontalumfang 530 mm. - Stirnbogen 135 mm, Scheitelbogen 135 mm. - Vertikaler Querumfang 325 mm.- Gesichtslänge 117 mm, Obergesichtslänge 68 mm, Jochbreite 134,5 mm, Gesichtsbreite 94 mm. Foramen magnum bis Oberkiefer 87,5 mm, F. m. bis Kinn 108 mm, Augenhöhe 31 mm, Augenbreite 41,5 mm, Nasenhöhe 53 mm, Nasenbreite 27,5 mm,

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Gaumenlänge 48 mm. Gaumenbreite 45 mm, Unterkieferwinkelbreite 108 mm, Astbreite des Unterkiefers 35 mm, Kinnhöhe 31 mm. - Indices: Längenbreitenindex 79,3, Längenhöhenindex 76,8, Breitenhöhen 96,9, Gesichtsindex nach Kollmann 86,9, Obergesichtsindex nach Kollmann 50,6, Gesichtsindex nach Virchow 124,5, Obergesichtsindex nach Virchow 172,3, Nasenindex 51,9, Augenindex 74,4, Gaumenindex 93,7.

Das Geschlecht bestimmt Herr Dr. Asmus als männlich, das Alter auf etwa 30 Jahre.

Der Schädel ist ziemlich fest, gut erhalten bis auf einige Verletzungen, die er bei der Entnahme aus dem Boden davon getragen hat. Die Zähne sind gut und vollständig bis auf drei nach der Auffindung verlorne, die Nähte beginnen zu verknöchern.

Nach den oben gegebenen Maaßen ist der Schädel als hochgradig mesocephal, fast brachycephal (breitköpfig), hypsicephal und mittelhoch zu bezeichnen; die Hohe ist bedeutend für einen so breiten Schädel. Der Typus nähert sich ziemlich dem meklenburgischen Wendenschädel, wie ihn neuerdings Asmus ("Die Schädelformen der altwendischen Bevölkerung Meklenburgs", S. 9) festgestellt hat, unterscheidet sich aber durch größere Annäherung an Brachycephalie und durch Länge des Gesichtes.

Ueber steinzeitliche Schädel aus Meklenburg fehlt noch eine zusammenfassende, alle erforderlichen Momente berücksichtigende Untersuchung; die von Brückner (26. Jahresbericht des Museums von Neubrandenburg 1898) behandelt sie nur nach dem Verhältniß des Längenbreitenindex; danach sind die aus neolithischen Steinkammern stammenden Schädel durchweg dolichocephal; eine zweite Gruppe sehr alter Schädel ("Torfschädel" und Schädel aus "Urvolkgräbern") dagegen überwiegend brachycephal. Das stimmt durchaus mit den Beobachtungen in den skandinavischen Ländern, wo neben vorwiegender Dolichocephalie ein starker Procentsatz brachycephaler Schädel in der Steinzeit beobachtet ist. Dagegen würde, nach gefälliger Mittheilung des Herrn Dr. Schumann in Löcknitz, in Pommern ein Schädel von so hochgradiger Mesocephalie, wie der Wiligrader, eine Ausnahmestellung einnehmen. Danach würde also der besprochene Schädel sich in die Reihe der altwendischen Schädel leichter einreihen lassen als in die der steinzeitlichen, aber seine Zugehörigkeit zu der letzteren ist doch sehr wohl möglich.

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Feuersteinmanufaktur von Garvsmühlen (bei Neubukow).
(Kat.=Nr. St. 109. 110.)

In der Nähe des Jahrb. 64, S. 119 besprochenen Hünengrabes von Garvsmühlen befindet sich eine kiesige Erhöhung, auf der Abfälle von Feuersteingeräthen, Splitter, Messer u. s. w. in Masse gefunden sind. Bei der Schenkung der Sammlung des Herrn Beste auf Blengow an das Großherzogliche Museum sind auch folgende von dort stammende Stücke hierher gelangt:

1. Sechs "prismatische Messer" von der bekannten Form (untere Seite glatt, leicht konkav, obere Seite mit einer, oder häufiger, zwei scharfen Kanten), charakteristische Stücke aus weißgrauem, schwarzgrauem oder gelbbraunem Stein; 9-4 cm lang.

2. Zwei "löffelförmige Schaber"; der eine aus dunklem Feuerstein ist auf der oberen Seite nur an den Rändern bearbeitet und zeigt sonst die ursprüngliche, kreidige Oberfläche, die untere Seite ist ganz glatt (ohne sekundäre Bearbeitung) und an der Schneide löffelartig konkav; auf der oberen Seite zeigt der Griff eine hohe Kante, alle Ränder sind scharf zugeschlagen; Länge 11 cm. Das zweite Stück (beistehend abgebildet) unterscheidet sich durch die Farbe (grauweiß), eine stärkere Biegung der Schabfläche und einen stärkeren Mittelgrat; Länge 9,5 cm.

Schaber

Es ist das erste Mal, daß derartige Geräthe in unsere Sammlung kommen; auch sonst scheinen sie in Deutschland selten zu sein; eines aus Schleswig=Holstein bildet Virchow in der Zeitschrift für Ethnologie 1894, Verhandlg. S. 356, ab. Etwas häufiger sind sie in den skandinavischen Ländern; vgl. S. Müller,vOrdning I, 148, Montelius, Antiquités suédoises 70, aus einem Moorfunde in Uppland, wo acht solche Geräthe zusammen gefunden sind und Rygh, Norske Oldsager 48, ebenfalls aus einem Moorfunde (bei Drontheim); über einzelne in England gefundene Exemplare dieser "spoon-shapeds scrapers" s. Evans, The ancient stone implements, 2. Aufl., S. 308 und 310. In Frankreich, wo die Schaber (grattoirs) ungemein häufig sind, finden sich einzelne recht ähnliche Formen. Dort gehören sie zu einer Gruppe von Altsachen, die man als den Anfang der neolithischen Periode oder auch als die Uebergangszeit zwischen

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paläolithischer und neolithischer Periode bezeichnet, das Campignien Salmons. Es ist im wesentlichen dieselbe Stufe, der in Dänemark die Kjökkenmöddingindustrie in ihrer späteren Entwickelung entspricht. 1 ) (Montelius' 2. Periode des älteren Steinalters.) S. Müller behandelt Aarbøger 1896, S. 343, einige Geräthe, die unserm "Löffel" durch Biegung und dreiteiligen Querschnitt ähnlich werden und in denen er Formen aus dem Ende der Kjökkenmöddingzeit oder Anfang der Dolmenzeit sieht. Auch unsere Schaber werden also in einen sehr frühen Abschnitt der nordischen Steinzeit zu setzen sein.

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Messer von Warnkenhagen (bei Grevesmühlen).
(Kat.=Nr. Gl. III c 121.)

Daß die Ostseeküste, besonders in der Gegend bei Wismar, einen außerordentlichen Reichthum steinzeitlicher Gegenstände birgt,

gebogene längliche Klinge, mit spitzovalem Durchschnitt

ist seit langem bekannt: Krusenhagen, Redentin, Wismar selbst, Gägelow, Beckerwitz gehören zu unseren ergiebigsten Fundstellen. Dagegen hielt man die westlichen Küstenstriche bis Lübeck hin für verhältnißmäßig arm. Nach neueren Beobachtungen wird es wahrscheinlich, daß dieser Mangel nur ein scheinbarer ist und es hier früher nur an dem erforderlichen Sammeleifer gefehlt hat. So haben neuerdings die Feldmarken von Elmenhorst und Warnkenhagen eine ganze Anzahl besonders schöner Feuersteingeräthe ergeben, von denen wir ein interessantes bei Warnkenhagen gefundenes Stück dem Herrn Pastor Ehlers in Federow (bis vor kurzem in Elmenhorst) verdanken. Der Stein ist weißgrau, mit zahlreichen braunen Flecken. Die Form ist eine ganz ungewöhnliche, nämlich eine gebogene längliche Klinge, mit spitzovalem Durchschnitt; die Länge beträgt, gemessen auf der Oberfläche 17 cm, zwischen den Endpunkten 16 cm; unten ist das Geräth 2 cm breit, weitet sich dann allmählich zu 3 cm und endet in einer Spitze; die Dicke ist nicht gleich=


1) In dem neuen großen Werke über die "Kjökkenmöddings" Madsen, Müller u. s. w. Affaldsdynger fra Stenalderen i Danmark 1900 sind Tafel V eine Anzahl ähnliche, aber typologisch ältere Stücke angeführt.
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mäßig, sondern wächst von den scharfen Rändern zu 1,5 cm. Das Messer ist kleinmuschlig geschlagen und an den Seiten zu einer zackigen Schneide nachgedengelt.

Vollständig gleiche Stücke sind mir nicht bekannt. Es schließt sich an die Jahrb. 63, S. 42 behandelte Grundform I a der Klingen, die überwiegend als Dolche oder Lanzen gedient haben werden. Daß solche Klingen auch gelegentlich als Messer benutzt sind, zeigen Stücke wie Sophus Müller, Ordning I, 150, wo die beiden Seiten unsymmetrisch geformt sind; noch deutlicher ist die Messerform bei den von Evans, The ancient stone implements 2. Aufl. S. 356 flgd. behandelten englischen Stücken. Von den gekrümmten Stücken der älteren Zeit der Steinperiode, wie wir sie oben bei dem Schaber von Garvsmühlen zu besprechen hatten, sind sie sicher zu trennen.

Vignette
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V.

Die Inspirirten in Rostock. 1 )

Von
Konrektor Ritter in Ludwigslust.
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Religiöse Toleranz war dem 17. Jahrhundert und dem Anfang des 18. im Allgemeinen fremd. Cujus regio, ejus religio war der fast überall herrschende Grundsatz. Nur die niederländische Republik machte hierin eine Ausnahme. Abgesehen von der kurzen Zeit der Unduldsamkeit gegen den Arminianismus, konnte wohl jede religiöse Meinung sich hier ungestört entfalten und Anhänger gewinnen. So geschah es, daß die Niederlande fast ein Tummelplatz von allerlei unruhigen Geistern und wunderlichen Heiligen wurden. Labadie und die Schürmann, Poiret, Giftheil, Breckling, Gichtel, die Cevennenpropheten u. ä. trieben hier ihr Wesen. Die zuletzt genannten sind auch für Deutschland von einiger Bedeutung geworden. Denn von ihnen sind die sogenannten Inspirirten ausgegangen. Gruber und Rock waren im mittleren Deutschland die bedeutendsten Vertreter derselben. Ihre Niederlassung in der Wetterau und ihr Verhältniß zu Zinzendorf haben sie bekannt gemacht. Unbekannter sind dagegen Inspirirte in Norddeutschland. Bei der hier herrschenden ruhigeren Gemüthsart ist eine nennenswerthe Ausbreitung einer krankhaft über=


1) Diesem Aufsatze liegen ausführliche Notizen zu Grunde, die sich in dem Nachlaß meines verstorbenen Vaters, des Superintendenten Ritter zu Rostock, gefunden haben.
Der Verfasser.
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spannten mystischen Richtung von vornherein nicht so sehr zu erwarten. Hinzu aber kommt wohl, daß hier in den größeren Territorien das Gefüge der Kirche fester war, als in dem zerstückelten Mitteldeutschland. Wenigstens finde ich, daß in Meklenburg Staats= und Kirchengewalt sofort energisch Hand in Hand gegen das "fanatische Gift" einschreiten und den bescheidensten Anfang einer Sektenbildung schon im kleinsten Keime ersticken. Aus dem Archiv des Geistlichen Ministeriums zu Rostock läßt sich eine ziemlich lückenlose Darstellung der Maßregeln gegen die Inspirirten, so viel oder vielmehr so wenig deren in Rostock aufgetreten sind, entnehmen. Eine solche sei im Folgenden versucht.

Der Superintendent von Krakewitz erhielt, - die Zeit kann ich nicht bestimmen - ein Reskript des Herzogs Karl Leopold, in dem seine Aufmerksamkeit auf diese Leute gelenkt wurde. 1 ) Es war nämlich ein Kapitän Bernhardt in Bützow wegen Schwärmerei in Haft gebracht und bei ihm ein Brief des aus Berlin stammenden 2 ) Porträtmalers Joachim Georg Rhete in Rostock gefunden worden, aus dem hervorging, daß dieser Rhete und ein Schuster Joachim Schönfeld zu derselben Sekte mit Bernhardt gehörten. Der Herzog befahl nun Krakewitz, diese Leute "zu vermahnen und ihnen ihre Thorheit gebührend unter die Augen zu stellen". Krakewitz übergab die Sache dem Professor Dr. Engelcken, dem damaligen Dekan der theologischen Fakultät. Da Rhete verreist war, ließ Engelcken den Schuster Schönfeld zu sich kommen und ermahnte ihn, von seinen Verkehrtheiten abzulassen. Er hatte zuerst die Absicht, in Gegenwart der Fakultät damit fortzufahren; als er aber erwogen, daß die Angelegenheit vor allem vor die Rostocker Prediger gehöre, übergab er sie dem Geistlichen Ministerium.

Das Ministerium beschloß 3 ) "die von Christo selbst vorgeschriebenen gradus brüderlicher admonition und Bestrafung sorgfältigst zu observiren" und beauftragte deshalb die Spezialbeichtväter Rhetes und Schönfelds, mit denselben zu sprechen, sie zu verhören, zu unterrichten u. s. w. Infolgedessen zitirte der Pastor an St. Marien Dr. J. J. Weidner 4 ) auf den 10. Januar 1718


1) Species facti u. s. w. im Archiv des Geistl. Min. zu Rostock, Tom. XX.
2) Vergl. a. a. O., Seite 159 und Seite 177. Die Abschrift dieser Briefe steht Seite 163.
3) Vergl. a. a. O., Seite 160.
4) Zugleich Professor der Theologie.
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den Schuster Schönfeld vor sich. 5 ) Dieser erschien Nachmittags 3 Uhr. Weidner stellte ihm zuerst seine tiefe Bekümmerniß über die groben Irrthümer seines Beichtkindes vor und begann dann das eigentliche Verhör mit der Frage nach seinem Verhältniß zu dem Kapitän Bernhardt. Schönfeld gab zu, daß er denselben nicht nur kenne und, meist durch Vermittelung von Soldaten, mit ihm korrespondire, sondern ihn auch für einen Bekenner und Märtyrer der Wahrheit halte. Gefragt, was für eine Wahrheit denn das sei, bekannte er offen, Bernhardt lehre, daß Christus bald kommen werde zum tausendjährigen Reiche und alle Bosheit und Ungerechtigkeit der Welt ausrotten, und zwar werde er das alles hinausführen in dem König von Schweden, Karl XII. Wann dieses Reich kommen werde, das stehe bei dem Herrn. Dabei berief er sich auf Apoc. XX. und Jerem. XXX. Obwohl Weidner ihm vorstellte, wie ungereimt es sei, den König von Schweden für den Messias zu halten, blieb er hartnäckig bei seiner Meinung und suchte sie aus der Schrift zu beweisen. Als Aufgabe desselben stellte er hin, Babel zu zerstören, und unter diesem Namen befaßte er Rom, den Papst, alle Heiden, überhaupt alle Abgötterei und Sünde, endlich die Gottlosen auch in unserer Kirche. Gegen letzteres legte Weidner großes Gewicht darauf, daß diese Gottlosen doch Erkenntniß des dreieinigen Gottes, des Mittlers Jesus und der Mittel des Heils besäßen, und suchte zu beweisen, daß sie darum doch nicht zu Babel gerechnet werden dürften. Schönfeld aber meinte, auch die eigentlichen Heiden hätten wohl Erkenntniß Gottes, denn Christus erleuchte sie auch. Entrüstet fragte Weidner, ob er denn glaube, daß so gotteslästerliche Rede Gott gefallen könne. Die Antwort war, er sei festiglich der göttlichen Gnade versichert, und Gott werde schon offenbaren, daß er nicht irre.

Bei diesem Gespräch kam also nichts heraus, und in seinem Bericht an das Geistliche Ministerium räth deshalb Weidner, man möge die Leute vor gesammtem Ministerium noch einmal verwarnen, alles wohl zu Papier bringen und die Sache der Obrigkeit übergeben. Er wollte also kurzen Prozeß machen. Zu überzeugen seien solche Menschen doch nicht, meint er, wenn sie auch zuerst nach "erfolgter Schärfe" ihren Irrthum aufzugeben schienen; freilich könne Gott in seiner Allmacht auch sie bekehren.

Von viel größerer Begabung als dieser ziemlich unbedeutende Schönfeld war augenscheinlich der Porträtmaler

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Joachim Georg Rhete. Ihn lud der Archidiakonus 1 ) Petrus Becker an St. Marien zu sich. Am 14. Januar 1718 fand das Verhör desselben statt. Rhete erklärte sich willig, seinen Glauben zu bekennen, und erlaubte auch, daß Frage und Antwort aufgeschrieben würden. Gleich von vornherein betonte er aber feierlichst, er sei kein Lehrer, die Streitfragen nicht gewohnt, lasse sich also mit keinem Menschen in Disput ein; er werde alles anhören, aber nichts glauben, bis er innerlich in seinem Herzen vom Geist der Wahrheit überführt sei. Becker sagt in seinem Bericht 2 ): wenn ihm etwas aus Gottes Wort entgegengehalten worden sei, so habe er geantwortet: "das sage ich, das meine ich, nach meiner Erklärung"; er wolle bei dem innerlichen Spruch des Geistes bleiben, es gehe ihm wie es wolle. Aus Beckers Bericht geht hervor, daß Rhete mit Bernhardt 1716 bei Gelegenheit der Feuersbrunst in Bützow bekannt geworden war. Ueber seine Lehrmeinungen gab er freimüthig Auskunft. Nicht allen Lehrsätzen Bernhardts messe er Glauben bei, aber das Fundament, darauf sich dessen Glaube gründe, glaube er steif und fest. Dieses Fundament sei, daß der Herr Christus vor dem jüngsten Gericht kommen werde, auf Erden das tausendjährige Reich aufrichten und also seine zerstreuten Gläubigen unter seinen Hirtenstab zusammenbringen. Die Art, die Zeit, der Ort sei ihm nicht bekannt; Grund dieser Lehre sei die Heilige Schrift, sonderlich die Offenbarung Johannis. Becker suchte ihm "ordentlich, weitläufig, gründlich" zu demonstriren, daß die betreffenden Worte der Apokalypse nicht so zu verstehen seien, und bat ihn, er möge sich doch besinnen und sich bedeuten lassen. Aber vergebens. Rhete entgegnete, er disputire nicht, er könne alles anhören, aber nicht alles glauben; er bleibe bei seinem Glauben, man sage, was man wolle. Ebenso wie Schönfeld behauptete er, der König von Schweden sei der Messias; derselbe werde Herr werden über die ganze Welt. Auf Beckers Einwurf, wie es denn möglich sein solle, daß Christus, wahrer Gott und Mensch, in den König von Schweden fahren könne, meinte er, wenn der Sohn Gottes Fleisch und Blut annehmen könne aus dem Leibe der Jungfrau Maria, warum denn auch dies nicht solle geschehen können? Auf weitere Fragen bekannte er, daß er in Holland von einem


(  ...  ) Vergl. den Bericht Weidners a. a. O., Seite 169.
1) Vgl. a. a. O. S. 178.
2) Auch Professor der Mathematik.
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guten Freunde zu den Inspirirten geführt sei; vorher habe er von ihnen nichts gehört, noch von Inspiration gewußt. Nach der Zeit hätten sie ihm wohl "Ansprachen" zugesandt; diese verdeutsche er jetzt, wenn er Zeit habe.

Darauf kam Becker auf den Hauptpunkt und fragte, ob Rhete diese Aussprachen für göttliche Offenbarung halte, und welchen Grund er habe, dies zu thun. Dieselben müßten von Gott sein, lautete die Antwort, weil er noch nie auf der Welt Menschen gefunden habe, die so wie jene in der Furcht Gottes und in der Liebe wandelten. Im übrigen entgegnete er fast stets, die Fragen Beckers liefen auf Disputation hinaus, damit wolle man ihn verschonen.

Natürlich lag Becker viel daran, die Verbreitung der Sekte zu erkunden. Aus Rhetes Antworten, die sich hierauf beziehen, erfahren wir nur, daß er einen in dem Briefe an Bernhardt erwähnten "Bruder" nicht hat nennen wollen und bestritten hat, daß er versucht habe, andere in seine Gemeinschaft hinüberzuziehen. Zu dem sog. Gesicht der Debora von Vilvorden, 1 ) das seine und Bernhardts hohe Stellung bei den holländischen Inspirirten deutlich bezeugt, bekannte er sich ausdrücklich. Er gab an, Debora sei eine holländische Buchhalterfrau, die das Gesicht dem Bernhardt "communiciret" habe; auf des letzteren Verlangen sei es von ihm ins Deutsche übersetzt. Da Rhete keiner Belehrung zugänglich war, blieb auch diese Unterredung ohne jeden Erfolg.

Einige Tage darauf, am 21. Jan. 1718, richtete Rhete ein Schreiben an Petrus Becker, in welchem er sich wieder ausdrücklich zu seinen Ansichten bekannte und sich bereit erklärte, vor dem Geistlichen Ministerium, vor dem Landesfürsten, ja vor Papst, Türken, Kaiser und der ganzen Welt seinen Glauben zu bezeugen, wie seine Genossen in Amsterdam am 7. März 1717 vor Sr. Czarischen Majestät 3 Stunden lang gethan. 2 ) Er fügte aber hinzu: weil er fürchte, daß die Prediger sich arg ver=


1) Vgl. S. 164. "Ein Gesicht von Debora Vilvordten (so heißt es hier), angehend die Schriften von dem Bruder Bernhardt, geschrieben an die Juden in Amsterdam, nachdem der Bruder Rhet uns zur selbigen Zeit alles gewarschauet hatte, um über dieselben Schriften zu bitten und auf seine Träume und Gesichte wohl acht zu haben." Der Text der Abschrift ist schwer verständlich und theilweise nicht recht zu entziffern.
2) Peter der Große hatte sich Anfang 1716 nach Westeuropa begeben und weilte Ende 1716 bis Anfang April 1717 in Holland, Vgl. Brückner, Peter der Große, S. 431 ff.
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sündigen würden, wenn sie behaupteten wie Petrus Becker, daß die lutherische Kirche die Inspirirten verdamme, so bitte er, man möge ihn und seine Genossen in Ruhe lassen, sie hätten ihrerseits niemanden beunruhigt; wenn man etwas thun wolle, so möge man Bernhardts Schriften widerlegen.

Aber man meinte, ihn nicht in Ruhe lassen zu dürfen. Rhete wurde auf den 18. Februar vor das Geistliche Ministerium zitirt. Er erklärte am 17. brieflich 1 ) seine Bereitwilligkeit, zu erscheinen, sagte aber dabei, er sei des unnützen Streitens überhoben, weil der höchste Gott des unnöthigen Disputirens bald ein Ende machen werde. Auch Schönfeld wurde auf denselben Tag geladen.

Um 10 Uhr Morgens trat das Ministerium zusammen unter dem Vorsitz des Director ministerii Magister Zeidler, Pastors an St. Petri. 2 ) Schönfeld wurde zuerst vorgefordert und ermahnt, auf die gestellten Fragen klare und aufrichtige Antwort zu geben. Die erste Frage, die Zeidler an ihn richtete, betraf den Punkt, um den es sich hauptsächlich handelte: ob er glaube, daß es auch jetzt noch, nachdem wir die Heilige Schrift hätten, unmittelbare Offenbarungen Gottes gebe. Schönfeld wich aus und sagte: er glaube, daß die Bibel Gottes Wort, aber nicht der Geist sei, sondern Gottes Wort sei der Same, durch den der Geist in uns erweckt werde; der Geist sei schon in dem natürlichen Menschen, ehe er Gottes Wort angenommen, als ein Stück von Gott, das nachmals durch die Worte der Heiligen Schrift in uns entzündet und angeflammt werde. Zum Beweise berief er sich auf Röm. 2, 14. Aber Zeidler fragte wiederum, ob es denn heute noch unmittelbare Offenbarungen gebe, und nun bejahte Schönfeld ohne Weiteres. Daß sie von Gott kämen, das wisse er aus eigener Ueberzeugung und Erfahrung; der Schriftbeweis stehe Phil. 3. Aus den Offenbarungen der ersten christlichen Zeit schloß er, daß es solche auch in der letzten geben müsse, sonderlich, wenn der Herr zum tausendjährigen Reich komme, um den Antichristen zu vernichten. Dieter letztere sitze schon jetzt im Tempel Gottes, bei allen Sekten, ja auch bei den Lutheranern. Endlich könne Gott doch thun, was er wolle, mithin auch neue Offenbarungen geben. Da Schönfeld sich auf ein deutliches Schriftwort hierfür nicht berufen konnte, erklärte ihm Zeidler "mit weitläufigen, schönen Umständen", daß die Zeit


1) S. 187 die Abschrift des Briefes.
2) Vgl. das Protokoll a. a. O. S. 189.
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der Offenbarung mit dem letzten Apostel aufgehört habe, erzielte jedoch keinen Eindruck. Den Zweck der angeblichen Offenbarungen setzte Schönfeld darein, daß das Evangelium Christi verdunkelt sei und, da es sich nicht selbst aufdecken könnte, der liebe Gott Leute durch Offenbarungen ausrüsten müsse, die dazu geschickter wären als die Unwiedergeborenen. Als man ihn nun fragte, ob denn nach seiner Meinung alle unwiedergeboren seien, die solchen Offenbarungen widersprachen, antwortete er mit einem klaren Ja! Da drang Zeidler in ihn, zu erfahren, ob er denn sämmtliche Prediger in Rostock für unwiedergeboren halte. Er erwiderte jedoch vorsichtig, das wisse er nicht, ein Richter sei er nicht; wenn sie aber die Offenbarungen für Gräuel, ja für Teufelslehre hielten, so könne er sie nicht als wiedergeboren anerkennen; demnach könnten sie nicht nach Gottes Willen gültig predigen, taufen und Abendmahl verrichten. Bei diesen Aussagen entspann sich eine Erörterung über das Wesen der Taufe. Schönfeld lehrte, daß dieselbe die Wiedergeburt nicht schenke, da sie den Glauben nicht gebe, sie sei der Bund eines guten Gewissens mit Gott.

Zeidler lenkte nun wieder auf den Hauptpunkt zurück und fragte, ob denn Gottes Wort an sich nicht klar und demnach einer besonderen Offenbarung bedürftig sei. Die Heilige Schrift sei allerdings an sich klar, meinte Schönfeld, aber wenn die Menschen sich durch das eine Mittel nicht ziehen ließen, so brauche Gott das andere; woher aber jene Einsprachen kämen, das könne ein Mensch nicht aussprechen. Auf weiteres Befragen sagte er aus, er habe sich nicht halten können, als er in der Kirche Dinge vom Priester gehört, die er besser wisse, namentlich, als Dr. Weidner am 8. p. Tr. über die falschen Propheten gepredigt; gesagt habe er aber niemandem von diesem seinem innerlichen Triebe, es vielmehr Gott übergeben, ob und wann er es offenbar machen wolle. Seit der Zeit sei er bei Weidner nicht zur Beichte und zum Abendmahl gekommen, sondern in eine andere Kirche gegangen. Zeidler: Ob er denn wirklich glaube, daß Christus in den König von Schweden gefahren sei? Schönfeld: Das habe er nie gesagt, das seien Bernhardts Sätze. Wohl aber glaube er, daß der König von Schweden sei aus dem Samen Abrahams nach dem Fleisch; dieser sei der, von dem geschrieben stehe, daß er mit eiserner Ruthe die Gottlosen zerschlagen werde, auf den die Worte gingen: Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeuget; er sei der Messias, auf den die Juden hofften, u. s. w. Als man ihm nun deutlich machte,

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daß dies mit der Lehre von der Trinität Gottes nicht stimme, und man ihn fragte, ob er denn glaube, daß Christus die zweite Person der Gottheit sei, gab er zur Antwort: die Gottheit Christi glaube er, von einer Person wisse er aber nichts; Gott sei ein unbegreifliches Wesen, von drei Personen stehe nichts in der Bibel. Darauf wurde er entlassen.

Am 21. Februar wurde das Verhör fortgesetzt. 1 ) Zeidler suchte Schönfeld die kirchliche Lehre von der Trinität deutlich und glaubhaft zu machen. Wie zu erwarten war, gelang dies nicht, und der Schuster bat schließlich, man möge ihn verschonen, was er glaube, das wisse er von Gott. Mit demselben Mißerfolge wurde über das natürliche Vermögen des Menschen und über die neuen Offenbarungen hin= und hergeredet. Als zum Schluß Zeidler auf Karl XII. zurückkam und fragte, ob Schönfeld denn meine, daß derselbe sich selbst für den Messias halte, erhielt er die Antwort: wenn jener vor ihm stünde und es leugnete und sagte: Ich bin es nicht, so wolle er doch sagen: Du bist es, und wenn er ihm den Kopf wegschlagen ließe. Da die Entgegnungen der Prediger keinen Eingang bei ihm fanden, 2 ) wurde er mit dem Spruche: "Hütet euch vor eurem Geist" entlassen.

Rhete war ebenfalls auf den 18. Februar geladen worden, aber nicht vorgekommen. Am folgenden Tage schrieb er in seiner heftigen Art einen Brief an Petrus Becker und beschwerte sich hierüber mit allerlei "ungebührlichen und lästerlichen Redensarten". Am 23. Februar sollte mit ihm verhandelt werden. In einer vorläufigen Unterredung mit Zeidler weigerte er sich aber "mit ungestümen Worten" zu kommen, und als im Auftrage des Ministeriums ihn Becker "mit Vorstellung allerhand freundlicher conditiones einladen und heranziehen" wollte, war er schon früh Morgens "hinaus aufs Land" gereist. So wurde nichts aus der Konferenz des Ministeriums mit Rhete.


1) Vgl. a. a. O. S. 195.
2) Die halsstarrig festgehaltene abgöttische Verehrung des Schwedenkönigs ist wohl ohne Zweifel zurückzuführen auf das bekannte kraftvolle Eintreten desselben für die Evangelischen Schlesiens im Frieden von Altranstädt 1706. Daß diese That Karls einen solchen Eindruck auf fernerstehende machen konnte, ist wohl ein Beweis für die Lebhaftigkeit der Empfindung, die man in manchen Kreisen über die damalige jämmerliche Lage der evangelischen Kirche hegte. - Beachtenswerth ist die Dauerhaftigkeit der Verehrung für Karl trotz des offenbaren Niedergangs seiner Macht.
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Inzwischen war diese Angelegenheit in der Stadt vielfach besprochen und natürlich auch zu den Ohren des Raths gekommen. Derselbe war mit dem Vorgehen der Prediger nicht einverstanden. Vielleicht empfand er es sehr, daß Karl XII., der ein Freund des mit der Stadt in Streit befindlichen Herzogs Karl Leopold war, solche Sympathien in Rostock genoß, und glaubte wohl bei der bekannten Zuneigung der Geistlichen für den Herzog auf jeden Fall sicherer zu gehen, wenn er diesen die Regelung der Sache nicht allein überließ. Jedenfalls aber fühlte er sich in seinen Rechten verletzt. Und zwar nicht ohne Grund, denn nach dem Erbvertrage von 1584 1 ) (§§ 4-6) sollten Bürger und Einwohner der Stadt, die in den Verdacht irriger Lehre gekommen seien, zuerst von den zuständigen Predigern, wenn dies aber nichts helfe, von dem Rath und dem Ministerium gemeinsam vermahnt werden; führe auch dies nicht zum Ziele, so sollte Rath und Ministerium an den Landesfürsten berichten und dieser durch das Konsistorium in Rostock oder andere Theologen das Urteil fällen, dessen Exekution dem Rath zustehe. Darum wandte sich der Rath mit einer Beschwerde an das Geistliche Ministerium, und dieses erkannte an, daß es seine Kompetenz überschritten hatte, indem es in einen mit dem Rathe gemeinsamen Konvent willigte. 2 )

Freitag, den 25. Februar 1718, Vormittags 11 Uhr, versammelten sich im Amtszimmer des Geistlichen Ministeriums die Deputirten beider Kollegien. Der Rath hatte den Bürgermeister Tielke und die Senatoren Müller und Dr. Meier abgeordnet, das Ministerium die Pastoren der Hauptkirchen, Zeidler, Petrus Becker, Weidner und Lehmann. 3 ) Rhete hatte seinen harten Sinn erweicht und war auf die Vorladung erschienen. Die Untersuchung drehte sich um dieselben Punkte wie früher. Aber Rhete blieb standhaft bei seinen Ansichten. So kam eigentlich nichts Neues zum Vorschein. Nur Weniges verdient erwähnt zu werden. Man erkundigte sich bei ihm nach seiner Bekanntschaft mit dem Monsieur Schack. Rhete sagte aus, er kenne ihn seit etwa 5 Wochen, derselbe habe ihm einen Brief von Bernhardt überbracht und speise jetzt alle Tage bei ihm; sie läsen


1) Vgl. den Auszug aus demselben a. a. O. S. 205.
2) Vgl. a. a. O. S. 207 u. S. 243.
3) Der Bürgermeister hatte den Vorsitz, ihm zur Rechten saßen die Senatoren, zur Linken die Geistlichen. Das Verhör selbst scheint Zeidler, der Direktor ministerii, geleitet zu haben.
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ein Kapitel aus der Bibel, erbauten sich und examinirten einander, ob sie noch "was Sündliches an sich hätten", vom tausendjährigen Reich sprächen sie nicht. Die Ursache der Anwesenheit des Schack behauptete er nicht zu kennen. Auch seine Bekanntschaft mit dem Pastor Vanter zu Kuhlrade (bei Ribnitz) gab er zu und bekannte, an denselben Briefe befördert zu haben. 1 ) Darauf wurde auch Schönfeld gerufen. Man verhandelte jedoch nicht weiter, sondern befahl beiden sub poena carceris, sich aller Zusammenkünfte zu enthalten und ihre gefährlichen Irrthümer nicht weiter auszubreiten. Mit dem Versprechen, sie später wieder vorzuladen, entließ man sie. Darauf beschloß die Deputation, bei den folgenden Sessionen beide ad protocollum zu vernehmen, ihnen ausführlich ihre Irrthümer zu widerlegen und erst, wenn das erfolglos bleibe, die Akten nebst Relation an den Herzog zu weiterer Verordnung zu senden.

Schon am 1. März wurde Schönfeld wieder verhört. Aus den Akten ist darüber nichts wesentlich Neues zu entnehmen, nur daß er angab, von Rhete einige holländische Aussprachen erhalten zu haben, unter anderen ein Buch mit dem Titel "Allarmgeschrei"; jener erhalte solche Dinge durch Knechte und Mägde in Holland, die er dort kennen gelernt habe. 2 ) Am 27. Oktober folgte noch eine Besprechung mit ihm, aber wieder ohne Erfolg.

Der oben erwähnte, durch den Erbvertrag gewiesene modus procedendi wurde jedoch nicht ergriffen, sondern man wandte alle Mühe an, Schönfeld privatim von seiner Irrlehre abzubringen. Weidner und Becker gelang es endlich, ihn zum Nachgeben zu bestimmen. Wie sehr in Aussicht gestellte Strafen mitgewirkt haben, den Schuster mürbe zu machen, entzieht sich unserer Kenntniß. Leicht wird diese Bekehrung jedenfalls nicht gewesen sein. Denn erst am 24. Oktober 1719, also nach einem


1) Vanter (Fanter) war 1715 zunächst von der theologischen Fakultät und dann vom Konsistorium zu Rostock wegen seiner schwärmerischen Ideen zu Protokoll vernommen, dann eine Zeit lang vom Amt suspendirt, Ende 1715 jedoch nach Widerruf seiner Lehre vor versammelter Gemeinde zu Kuhlrade wieder eingesetzt worden. Die uns bekannten Bernhardt und Schönfeld hatten mit ihm in Verbindung, ersterer sogar in Briefwechsel gestanden. Ueber Vanters Ideen geben die Protokolle, die sich im Großh. Archiv befinden, genaue Auskunft. - Mittheilung des Geh. und Haupt=Archivs zu Schwerin.
2) Vgl. a. a. O. S. 272.
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Jahre, konnte der Bürgermeister Tielke der versammelten gemeinsamen Deputation die frohe Kunde mittheilen, daß jener widerrufen wolle. 1 ) Der Schuster wurde vorgefordert und bekannte sich zu einem völlig rechtgläubigen "Bekenntniß", das Becker entworfen und eingehend mit ihm durchgesprochen hatte und in dem alle Irrthümer zurückgenommen wurden, mit Ausnahme seiner Ansicht über das tausendjährige Reich, in Betreff dessen er sein Urtheil sich vorbehielt. Die Deputirten gaben ihrer Freude über den guten Erfolg Ausdruck und kündigten Schönfeld an, daß man ihn nun wieder ad sacra admittire, daß jedoch an dem Sonntage, an dem er zum ersten Male das Abendmahl empfange, von der Kanzel der Marienkirche, bei der er eingepfarrt war, der Gemeinde ohne Nennung seines Namens angezeigt werden solle, daß ein Verirrter zu der Wahrheit zurück gekehrt sei. Wegen des tausendjährigen Reiches wies man ihn an seinen Beichtvater und forderte schließlich von ihm, daß er auch seine Frau zu bekehren suche, was er auch versprach.

Die letzte Vernehmung Rhetes hatte am 25. Februar 1718 stattgefunden. Auf Dienstag, den 2. November 1718, wurde er wieder geladen. 2 ) Inzwischen hatte er in einem Briefe an den Bürgermeister die Prediger sehr mitgenommen, sie Ungläubige genannt und gesagt, die Gemeinde habe im Gotteshause gefragt: "Wo sind die Priester? Wir wollen sie zu Tode steinigen." Im Verhör bekannte er sich zu diesem Briefe. Als man ihn dann hart anließ, wie er die Prediger so habe schelten können, vertheidigte er sich damit, daß er sagte, sie hätten nicht glauben wollen, daß Karl XII. der Messias sei, da doch Gott ihm solches zu schreiben eingegeben, also seien sie Ungläubige. Daß er damit denselben an ihre Ehre gegriffen hätte, wollte er nicht zugeben. Wegen des Redens der Gemeinde in der Kirche bezog er sich auf das Zeugniß der beiden Schönfeld, des Schusters und des Schulmeisters; die hätten ihm gesagt, daß besonders die gemeinen Leute so geredet hätten. Namen zu nennen weigerte er sich, wollte auch über den Glaubensstand des Lehrers nichts wissen. Eingehender war die Untersuchung über eine von ihm herrührende (wohl holländische) Uebersetzung der Aussagen von Propheten, die 1717 in Rostock gewesen waren. 3 ) Er


1) Vgl. a. a. O. S. 223.
2) Vgl. a. a. O. S. 279 u. S. 229.
3) Ueber diese habe ich in den Akten nichts gefunden.
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gab vor, diese Schrift wäre in der Stadt allgemein im Schwange gewesen, er habe sie vor etwa einem Jahre von Pastor Vanter in Kuhlrade erhalten und sie, wohl in der Uebersetzung, durch den Kaufmann Benedix Hein am Schilde mit einem Briefe nach Holland zu schicken versucht, weil die dort hätten die Wunder hören wollen, die am hiesigen Orte geschehen seien. Sie durch Hinwerfen auf den Straßen in Rostock verbreitet zu haben, bestritt er entschieden. Bei dieser Gelegenheit kam auch zur Sprache, daß Rhete seine Kunst als Maler benützt hatte, um seine Ansichten zu verbreiten. Er hatte das tausendjährige Reich bildlich dargestellt und je ein Exemplar seines Gemäldes an den Obersten von Vietinghof nach Schweden, an den Wismarschen Superintendenten und an den Superintendenten Schumann in Schwerin gesendet. Von den beiden letzteren war ihm sein Bild zurückgeschickt worden. Getrieben sei er, so gab er an, zu diesen Schritten durch eine Stimme, die ihm beständig zugerufen: "Verflucht sei, wer des Herrn Werk nachlässig treibt".

Da er durchaus zu einem Widerruf nicht zu bewegen war, mußte man unverrichteter Sache auseinandergehen. Zur weiteren Verhandlung wurde aber ein ausführliches Schriftstück aufgesetzt, nach dem Rhete examinirt werden sollte. Am 22. November 1718 wurde er wieder vorgefordert; jedoch abermals ohne den geringsten Erfolg. Man verzichtete deshalb auf ein ausführliches Verhör und beschloß, nach Maßgabe der Erbverträge die Sache an Serenissimus abzugeben.

Daß letzteres wirklich geschehen sei, kann ich aus den Akten nicht nachweisen. Vielmehr spricht alles dagegen. Aber von weiteren Verhandlungen mit Rhete vernimmt man auch nichts. Auch scheint man den Weg privater Belehrung desselben nicht beschritten zu haben. Augenscheinlich hat man die Sache einfach ruhen lassen. Aber warum? Die Hoffnung, den Mann überzeugen oder überreden zu können, hatte man wohl aufgegeben, während man bei dem unbedeutenderen und von Rhete nur verführten Schönfeld auf diesem Wege zum Ziele zu kommen hoffen durfte. An den Herzog die Sache abgeben, wie man ja hätte thun sollen, wird aber der Rath nicht gewollt haben. Denn der Stadt, die in Verbindung mit der Ritterschaft, dem Kaiser, Hannover u. s. w. mit Karl Leopold im heftigsten Streite lag, konnte nicht erwünscht sein, daß demselben eine Handhabe geboten wurde, sich in die städtischen Angelegenheiten ein=

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zumischen. Auch wenn die Prediger anders dachten, so konnten sie nicht mit ihrer Meinung durchdringen, da der Bürgermeister in der gemeinsamen Deputation den Vorsitz führte.

Am 11. Dezember 1718 aber ging Rhetes Messias, Karl XII., den Weg alles Fleisches und starb. Wir dürfen wohl vermuthen, daß dies auf den erregten Mann beruhigend gewirkt und ihn zur Selbstbesinnung geführt hat. Jedenfalls aber ist er durch den Tod seiner Frau, der ungefähr in diese Zeit fällt, dazu getrieben worden, das abgebrochene Verhältniß zur Kirche wiederherzustellen. Rhete war nämlich, wie Schönfeld, vom Abendmahl abgewiesen worden und hatte, in Erregung hierüber, als seine Frau ihrem Ende entgegenging, keinen Prediger zu ihr rufen lassen. Diese Unterlassung bedrückte ihn nachträglich, und da er selbst die Entbehrung des Sakraments schmerzlich empfand, richtete er am 13. Dezember 1721 ein Schreiben an Zeidler, den Director ministerii, 1 ) in dem er die Schuld dafür, daß seine Frau ohne geistlichen Trost gestorben sei, auf seinen Beichtvater schob, weil derselbe ihn abgewiesen habe und wo der Mann, da auch die Frau sein müsse. Ferner bat er, ihn wieder zum Abendmahl zuzulassen mit Vermeidung aller unnützen Disputationen. Werde jedoch seine Bitte nicht gewährt, so müsse er an den Herzog appelliren, fügte er hinzu; er versehe sich aber eines gütigen liebreichen Vergleiches. Zugleich überreichte er eine Schrift: "Einfältig Bekenntnis nach der Heiligen Schrift". In derselben legte er nicht nur ein vollkommen rechtgläubiges Bekenntniß ab, sondern erkannte auch die Prediger der Stadt als ordentlich berufene Lehrer an, die man nicht lästern dürfe. Einen eigentlichen Widerruf seiner früher aufgestellten Sonderlehren gab er jedoch nicht; die Lehre vom tausendjährigen Reiche überging er ganz.

Dieses Bekenntniß wurde aber als nicht genügend erachtet, und die Verhandlungen begannen wieder. Es lohnt sich jedoch nicht der Mühe, dieselben hier weiter zu verfolgen. Sie schleppten sich noch 4 Jahre hin. Unter den Akten findet sich unter dem 19. September 1725 ein eigenhändiges Bekenntniß Rhetes als "endliche Konfession" desselben. 2 ) In 10 Sätzen wiederholt er


1) Vgl. a. a. O. S. 307.
2) A. a. O. S. 305.
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hier zuerst sein Bekenntniß vom Dezember 1721 und fügt dann noch zwei weitere Sätze hinzu, in denen er seine Sonderlehren widerruft, seine Ausfälle gegen die Prediger zurücknimmt und verspricht, bei etwaigen "Skrupeln" in Glaubenssachen sich zu dem von Gott verordneten Predigtamte, insonderheit zu seinem Beichtvater, zu halten und von demselben Unterricht aus Gottes Wort zu suchen. Er schließt mit der Erklärung, daß sein Beichtvater dieses seines Bekenntnisses auf der Kanzel gedenken dürfe, "nachdem er es nötig erachtet".

Damit wird die ganze Sache erledigt gewesen sein.

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VI.

Das Wappenbild der von Levetzow.

Von
Dr. Crull in Wismar.
~~~~~~~~~~~

B eim Siebmacher ist das Wappenbild der von Levetzow als ein Feuerwedel dargestellt 1 ) und vermuthlich auf Grund dieser Abbildung von M. J. Beehr als flabellum bezeichnet. 2 ) Auch von Meding nennt es einen Feuerwedel 3 ) und von Retberg führt neben den Pommerschen Weyher und von Obelitz, zu denen er noch die Bernevür und die Holsteinischen Stake hätte fügen können, die von Levetzow als solche auf, die einen Wedel im Schilde führten, sagt aber freilich an einer anderen Stelle, daß die von Levetzow und die Westfälischen Schele ein Gatter, und zwar ein Fallgatter, als Schildfigur hätten, welches manchmal oben mit drei Ringen versehen sei, eine Behauptung, die bezüglich der von Levetzow durchaus irrtümlich ist. 4 ) Als ein Fallgatter, ein gestürztes, bestehend aus queren und spitz auslaufenden aufrechten Stangen, Schienen oder Pfählen, mit einem Kolben, Fuß, oder wie man es nennen will, am Obertheile, also unten, versehen, bildete auch Masch die Schildfigur ab 5 ) und von Lehsten sagt, dieselbe sei ein Fallgatter von fünf in die Quere und fünf in die Länge gelegten Balken, welch letztere oben in Spitzen ausliefen, unten durch einen "breiten Fuß" zusammengehalten


1) Wappenbuch V, 154.
2) Rer. Mecleb. VIII, p. 1628.
3) Nachr. v. adl. Wapp. I, Nr. 472.
4) Gesch. d. Deutsch. Wappenbilder. 1888, S. 100. 52.
5) Mecklenb. Wappenbuch.
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würden. 1 ) In seinem Wörterbuch der heraldischen Terminologie nennt es von Querfurth ein Schutzgatter oder Fallgatter, oben mit fünf Spitzen versehen, unten auf einem Postament stehend. 2 ) Endlich giebt Hefner an: aufrecht gestellt ein rothes Fallgatter (alias Bratrost, noch wahrscheinlicher aber ein Feuerwedel . . .), und bildet eine rostähnliche Figur ab, die für von Lehstens "breiten Fuß" einen in einen Ring auslaufenden kurzen Stiel hat, während eine zweite Darstellung geradezu einen Feuerwedel zeigt. 3 ) Masch ist dem schon entgegengetreten und hat versichert, das von Levetzow'sche Wappenbild sei ein Fallgatter. 4 )

Schwerlich ist dies Wappenbild in neueren Zeiten, und vielleicht niemals, M. J. Beehr ausgenommen, von Jemandem innerhalb Landes für einen Feuerwedel oder gar Bratrost angesehen worden und vielmehr wohl allgemein als Fallgatter betrachtet, ohne freilich zu fragen, was an einem solchen von Lehstens "breiter Fuß" zu thun habe; daß derselbe das Gatter zusammenhalten solle, erscheint als bloße Verlegenheitsphrase und besagt durchaus gar nichts, da ein Gatter durch Niete oder Nägel zusammengehalten wird. Ein "Fuß" würde dazu gänzlich überflüssig sein und dem Gebrauche des Fallgatters hindernd in den Weg treten, denn ein solches, aus einem Gitter von Eisenstangen oder Pfählen bestehend, ist mittelst Ringe an Ketten oder Tauen aufgehängt, die über eine Walze laufen, so daß das Gatter, welches in einem Falze der Thorleibung auf= oder abwärts sich bewegt, je nach Umständen aufgezogen und niedergelassen werden kann. Wenn nun aber jener "Fuß" für ein Fallgatter ebenso hinderlich wie unnöthig ist, aber auf keinem von Levetzow'schen Siegel u. s. w. fehlt, so liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die Schildfigur kein Fallgatter, sondern etwas Anderes sei.

Um zu klarer Erkenntniß des Thatbestandes zu gelangen, ist es geboten, die Siegel aus guter Zeit zu fragen, aus jener Zeit, wo Schild und Helm noch im öffentlichen Leben in Wirklichkeit sich zeigten, nicht bloß gemalt, geschnitzt, gegraben, gestickt wurden, wo die Heraldik noch etwas Lebendiges war. Bis zum Jahre 1385 sind zwölf verschiedene Siegel der von Levetzow bekannt geworden und davon drei im M. U.=B. abgebildet,


1) D. Adel Mecklenburgs.
2) S. 137, Fig. 240.
3) Meklenburgischer Adel.
4) Arch. f. Landeskunde 1858.
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nämlich das älteste, das des Ritters Günther von 1313 zu Nr. 3654, das Günthers von Willershagen von 1329 zu Nr. 5014 und dasjenige Arnds (Helm=Siegel) von 1356 zu Nr. 8202, während nur verzeichnet und beschrieben sind die Siegel zu Nr. 6821, 9325, 9939 A, 9998, 10183 und 10459. Hätte man diese sämmtlich vor Augen, so dürfte die Feststellung der Schildfigur leichter und zuverlässiger sein, da aber jenes nicht thunlich, so müssen die abgebildeten Siegel genügen, und das dürften sie auch in der That.

1. Siegel

1. Siegel von 1313; auf einem massiven Sockel, dessen Breite ungefähr der halben Breite der ganzen Structur gleich ist und dessen Höhe fast drei Viertel seiner Breite mißt, ist ein Ständer aufgerichtet, der im ersten und zweiten Drittel seiner Höhe von Querstücken gekreuzt wird, deren oberes beiderseits weiter hinaustritt als das untere. Auf letzterem stehen jederseits von dem stumpf endigenden Ständer drei Stangen, Latten oder dgl., welche, in gleicher Höhe mit dem Ständer, spitz auszulaufen scheinen.

2. Siegel
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2. Siegel von 1329: aus rechtwinkligen Stützen gebildeter Fuß, von ziemlich denselben Verhältnissen wie am ersten Siegel, trägt einen kurzen Ständer, auf dem sieben Latten oder Stangen auf einem Querstücke stehen, welche, spitz auslaufend, in zwei Drittel ihrer Höhe durch ein Querstück verbunden sind, welches jedoch nicht wie beim ersten Siegel vorsteht.

3. Siegel

3. Siegel von 1356; auf einem getreppten Sockel ein kurzer Ständer, der ein Querstück trägt, auf welchem fünf Pfähle gleicher Stärke mit jenem stehen. Gleich stark ist auch das die Pfähle dicht unter deren Ende zusammenhaltende Riegelband.

Ohne Voreingenommenheit wird Niemand diese Wappenbilder für Fallgatter ansehen können. Dieser Ueberzeugung war auch Dr. Lisch, welcher, durch jene Siegel bewogen, nach einer anderen Deutung der Schildfigur aussah und solche für einen Kerzenrechen erklärte, dem er zur Erläuterung, wie es scheint, noch "Siebenarmiger Leuchter" in Parenthese hinzusetzte. Lisch gab diese Ansicht zuerst kund in der Anmerkung zu M. U.=B. Nr. 3654 und begründete dieselbe in einem kurzen Aufsatze im Jahrbuche von 1871 näher, in welchem er sich auf den Artikel herse s. f. râtelier bei Viollet=le=Duc 1 ) bezieht. Die Bezeichnung als Kerzenrechen ist dann im M. U.=B. beibehalten, während der Zusatz fünfarmiger Leuchter nur noch zu Nr. 10183 wiederkehrt. Ich selbst habe in meiner heraldischen Arbeit im Jahrbuche von 1887 auf Lisch's Autorität hin als die von Levetzow'sche Schildfigur einen Kerzenrechen angegeben, eine Bezeichnung, welche


1) Mobilier fran[c caron]ais, 2 éd. I, p. 121.
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mir einleuchtete, von der ich aber inzwischen zurückgekommen bin und zwar auf Grund nachstehender Erwägungen.

Die zwischen Lettner und Altar aufgestellten großen Leuchter mit mehreren Armen, z. B. mit dreien wie zu Halberstadt, mit fünfen wie zu Perleberg und Werben, mit sieben wie in Mölln und Kolberg, 1 ) bestehen aus einem stärkeren Ständer, von dem beiderseits in gleicher Flucht und bis zu gleicher Höhe mit jenem die Arme abgehen, die sich bei den älteren concentrisch emporschwingen, bei den jüngeren S horizontal förmige Gestaltung mit Verlängerung des lichttragenden Schenkels haben. Sämmtlich bestehen sie aus Bronze oder Messing, sind Gußwerke, und weder in der einschlägigen Literatur verlautet etwas von mehrarmigen Leuchtern aus Holz oder aus Eisen, noch sind solche irgendwo aufgefunden worden. Das von Levetzow'sche Wappenbild ist aber nach Maßgabe besonders des ältesten, dann aber auch aller folgenden Siegel auf keinen Fall ein Gußwerk, sondern offenbar eine Holzstructur, nicht einmal Eisenarbeit, und es wird mit Sicherheit behauptet werden dürfen, daß dieselbe keinen siebenarmigen Leuchter vorstelle, um so weniger, als außer einem Siegel - zu Nr. 9998 -, welches sechs Pfosten hat, sämmtliche Siegel des 14. Jahrhunderts von 1348 (Nr. 6821) an nur fünf Pfosten zeigen, und als die bekannten Siegel des 15. Jahrhunderts bis auf eines von 1493, das sieben Pfosten hat, ebenfalls nur fünf Pfosten aufweisen.

Wie ist es aber nun mit dem " Kerzenrechen"? Ein Kerzenrechen, hercia, rastrum, pergula, ist eine Vorrichtung, mehrere Kerzen beliebiger Zahl neben einander zu tragen, sei es 1. daß eine Balkune oder eine Planke, die auf Knaggen an der Wand ruht, die Lichtschalen aufnimmt, sei es 2. daß jene auf festen freistehenden Stützen ruhen, sei es 3. daß eine Tragevorrichtung quer über dem Chore u. s. w. angebracht ist, sei es endlich 4. daß ein Querstück, auf ein oder zwei beweglichen Stützen ruhend, eine Mehrzahl einzelner Kerzenträger vertritt, wie sie um die Katafalke gestellt werden. Von der Vorrichtung 1. hat sich nur ein Beispiel in der Frauen=Kirche zu Nürnberg erhalten, jedoch modificirt, insofern leuchtertragende Engel die Stelle von Lichtschalen vertreten, von der 2. giebt eine Abbildung bei


1) Auch S. Nicolaus in Wismar hatte vielleicht einen siebenarmigen Leuchter: 1 m. den bruggeren, de wedder tho bruggeden im chore, dar de socuenboem stunth. Reg. S. N. 1567.
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Viollet=le=Duc, die er einem alten Drucke entnahm, eine Kunde, von der 3. aber existirt noch ein Beispiel in der Collegiatkirche zu Xanten und die Nachricht von einem solchen in der Kathedrale zu Bourges, 1 ) aber von der 4. Vorrichtung giebt es weder eine Abbildung, noch sind Exemplare von dergleichen bekannt. Wenn das nun gleich der Fall ist, so darf man doch als sicher annehmen, daß das Querstück zur Aufnahme der Leuchterschalen die Hauptsache bei den Kerzenrechen ist, nicht die Unterstützung, und daß das Querstück, weil es die Kerzen trägt, der oberste Theil der Vorrichtung sein muß. Ganz verschieden davon stellt sich das von Levetzow'sche Wappenbild dar, denn bei diesem ragen die Stäbe oder Pfosten, welche das Querstück doch tragen sollten, mehr oder minder über dasselbe hinaus, so daß auf selbigem kein Platz zur Anbringung von Kerzenträgern oder Lichtschalen ist. Endlich ist von solchen auf keinem der Siegel eine Spur zu sehen, wie es sein müßte, wenn ein Kerzenrechen, dessen Characteristicum sie doch sind, nicht das Gestell, gemeint wäre.

Wenn nun überall keine Rede davon sein kann, die fragliche Figur als Feuerwedel oder als Bratrost anzusprechen, und ich dargethan zu haben glaube, daß sie ebensowenig ein Fallgatter oder einen Kerzenrechen darstellen könne, so fragt es sich, für was sonst man sie dann anzusehen habe. Allerdings scheint es nach dem Grafendiplom für Christian Rave auf Stük von 1734, 2 ) daß das Fallgatter die letzten beiden Jahrhunderte Familien=Tradition gewesen ist, 3 ) doch ist mir nicht bekannt, ob sie etwa noch weiter zurückreichen möchte. Keinesfalls bestand sie schon in der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, wie das an einem Stuhl in der Kirche zu Basse befindliche von Levetzow'sche Wappen 4 ) beweist, da hier die Figur sich in Nichts von den=


1) Bei Viollet=le=Duc a. a. O. Ob eine Einrichtung im Museum zu Gent, Reusens, archéol. chret. II, 428, hierher gehört, sei dahingestellt.
2) v. Meding a. a. O. I, S. 454.
3) Der oben angenommenen Familientradition scheint entgegen zu stehen, daß das v. Levetzow'sche Wappenbild in das preußische Grafendipom für v. Blücher=Finken als "Feuerwedel" aufgenommen ist, aber nach der Schilderung des Mannes und seiner Standeserhöhung bei Wigger, G. v. Blücher II. 2, S. 88 ff. möchte ich den Feuerwedel auf Siebmacher oder M. G. Beehr zurückführen.
4) Schlie, Kunst= u. Gesch.=Denkm. I, S. 500 (2. Aufl. S. 517).
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jenigen der alten Siegel unterscheidet und namentlich der Fuß eine bei weitem bedeutendere Größe hat, als auf den Fallgatter

Schildfigur

Siegeln. Gänzlich zu verwerfen ist aber die Tradition nicht, denn wenn sie auch durch die nähere Bezeichnung "Fallgatter" irrt, so trifft sie doch meines Erachtens das Richtige, indem sie die Figur als "Gatter" bezeichnet, kurz, ich sehe in derselben eben ein "Gatter", welches entweder um seine Mitte beweglich - von Retberg nennt solche "Drillgatter" - Fuhrwerken und Vieh einen Weg versperrt, oder unbeweglich auch Menschen von solchem abhält; das älteste Siegel spricht mehr für jene Art, die übrigen für die andere. Ein folches Gatter, begleitet von

Schildfigur

zwei Rosen, ist auch die Schildfigur der von Hasbergen 1 ), während eine ähnliche Vorrichtung, ein Heck, von denen von Haxthausen im Schilde geführt wird.


1) Schlie a. a. O. III, S. 149; auch in v. Meyenn, Pentz II, 322.
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Ein solches Drillgatter oder Drehthor, allerdings den größeren Verhältnissen nach in etwas anderer, festerer Konstruktion, zeigt eine Abbildung von 1493 in Hartmann Schedels Weltchronik, wo bei der Darstellung von Sagatz dieses Drehthor den Abschluß einer Brückenbefestigung durch Wehrzäune bildet.

Abbildung von 1493 in Hartmann Schedels Weltchronik

Ich bin dem Geh. Archivrath Grotefend für den Hinweis auf dieses Beispiel zu Dank verbunden.

Es ist das einzige bekannte Bild einer solchen Vorrichtung aus dem Mittelalter und wohl geeignet, die Richtigkeit der Bezeichnung "Drillgatter" für das von Levetzowsche Wappen zu erhärten.

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VII.

Zur Geschichte der meklenburgischen Volkshymne.

Von
Dr. W. Voß.
~~~~~~~~

W er ist der Verfasser der Hymne "Gott segne Friedrich Franz", und wann ist sie entstanden? Eine von interessirter Seite jüngst so gestellte Frage brachte einmal allgemein zum Bewußtsein, daß der Ursprung unserer Volkshymne, die Zeit ihrer Entstehung und der Name des Autors in weitesten Kreisen vollständig unbekannt war. Ja, es scheint, man hatte sich kaum je die Frage nach dem Ursprung ernstlich gestellt, obwohl das Lied Jahr für Jahr an Großherzogs Geburtstag gesungen wurde und seine Weise und sein Inhalt jedem Kind bekannt und vertraut war. Etwas Ueberraschendes und Außergewöhnliches hat dieses gänzliche Vergessenwerden an sich ja nicht. Die Volkstümlichkeit eines Liedes, einer Weise ist ihrem Verfasser von je her gefährlich geworden: je weiter ein Lied verbreitet ward, je allgemeiner es aufgenommen, gesagt und gesungen wurde, um so mehr eigene Persönlichkeit gewissermaßen gewann es, die sich mit dem Namen des Autors nicht mehr zu decken brauchte, die vielmehr in sich selber Gültigkeit und Werth hatte. Und fragte man einmal nach der Herkunft des göttlichen, vaterlos gewordenen Liedes, so schien es, als habe das ganze Volk seinen Theil daran gehabt, als sei es aus dem Volk entstanden, aus der gemeinsamen fröhlichen Schaffenskraft vieler, als habe nur wieder das Volk auch ein Recht dazu, es zu modeln und zu bilden, wie es ihm gefalle. Es war Allgemeingut geworden und darüber vergaß man, daß es schließlich doch das Werk eines einzelnen war, und den Namen dieses Einzelnen. So auch unser Lied "Gott segne

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Friedrich Franz". Auch in ihm steckt ein gut Stück von dem Allgemeincharakter der Volkspoesie und fast gleichgültig möchte es scheinen, ob man versuchen solle oder nicht, den Schleier zu lüften, der über seinem Ursprung liegt. Man könnte zufrieden sein, es als das zu nehmen, was es ist, als den Ausdruck der Liebe und Verehrung eines Volkes für ein Fürstenhaus, das es lange und glücklich regiert hat. Denn was kann der Name des Autors uns groß sagen? Lied und Dichter sind einander fremd geworden; es ist der Berührung mit ihm entwachsen und heute doch mehr als der Ausdruck persönlichen Empfindens dessen, der es verfaßte. Aber da die Frage einmal aufgeworfen war, machte sich der Zauber, den alles Unbekannte auf den menschlichen Forschungstrieb ausübt, auch hier geltend; es reizte, das Dunkel zu lichten, den Ursprung des Liedes aufzudecken und forschend den Weg nachzugehen, den es ging, um zu werden, was es geworden ist. Was es an kundigen Leuten in Meklenburg gab, ward zur Beihülfe aufgerufen: an die Erinnerung alter Herren ward appellirt, der Vorrath alter Zeitungen, Gedichte und Festlieder durchstöbert, und was als Ergebniß dieser Durchforschung mündlicher und schriftlicher Aufzeichnung gewonnen ward, mögen die folgenden Zeilen dem Leser verrathen.

Von vornherein schien es nicht zweifelhaft, daß der Ursprung des Liedes sich bis in die Zeit Friedrich Franz I. werde zurückverfolgen lassen, und da wieder lag es am nächsten, als Ausgangspunkte der Untersuchung sich einmal erst die beiden wichtigsten Ereignisse seiner Regierung, die, wie man wußte, unter allgemeiner großer Betheiligung gefeiert waren, herauszugreifen und in den dabei veranstalteten Festlichkeiten nach Spuren unseres Liedes zu suchen. Wenn bei einer Gelegenheit, so schien es, mußte es bei einer von diesen gesungen sein. Es waren das die Rückkehr des Herzogs nach seiner Vertreibung durch die Franzosen im Jahre 1807 und die 50jährige Regierungsjubelfeier 1835. Für 1807 war das Suchen umsonst; es fand sich nichts. Dagegen ließ sich das Lied genau in der Fassung, wie wir es heute noch kennen, 1835 nachweisen; es wurde bei der am 27. April im Gymnasium Fridericianum zu Schwerin gehaltenen Schulfeier gesungen und steht abgedruckt in der Einladungsschrift des Direktors Wex 1 ) zu dem Festakt als letzte


1) Quod Bonum Faustum Felixque Sit Principi Nostro . . . Sacra Semisaecularia Imperii . . . In Gymnasio Frider. Die XXVII Mens. April. Hora XI Pie Celebranda Indicit Fr[idericus] Carolus Wex. Suerini 1835. 4°.
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Nummer (Nr. E) der für die Feier gewählten Gesänge. Damit war ein fester Punkt bestimmt. Aber ich stand da zugleich auch vor einer neuen Frage: war unser Lied der besonderen Jubelstimmung des Jahres 1835 entsprungen, hatte ich also hier sein erstes Auftreten entdeckt? oder aber lag sein Ursprung weiter zurück und kam es hier nur wieder zum Vortrag, weil es sich schon eine Position errungen? Ein Blick in die voraufgehende Zeit mußte das entscheiden; man mußte sich da überzeugen können, ob und wie weit sich etwa noch ein früheres Vorkommen nachweisen lasse. An Material, um das klar zu stellen, konnte es nicht fehlen. Man feierte schon damals bei uns Großherzogs Geburtstag, und in den Nachrichten über diese Feier durfte man sicher sein, die eine oder andere Notiz zu finden. Aber damit nicht genug. Noch ein anderer Tag spielte im Leben Friedrich Franz I. eine Rolle, der 10. August, der Tag seiner ersten Wiederkehr nach dem geliebten Doberan im Jahre 1807. Jahr für Jahr feierte man am Damm das Erscheinen dieses glücklichen Tages, und bei den Toasten und Festaufführungen, war zu vermuthen, mangelte es nicht an Gedichten, die vorgetragen, an Liedern, die gesungen wurden. Schritt für Schritt rückwärts schreitend, war ich auch bald so glücklich, weitere Spuren zu finden und diese führten mich schließlich hinauf bis 1818. Wieder war es eine Schweriner Schulfeier des 10. Dezember, verbunden mit der Einweihung eines neuen großen Hörsaales, bei der ich unser "Gott segne Friedrich Franz" nachweisen konnte. Aber noch mehr: in dem Bericht über diese Feier, den das Freimüthige Abendblatt brachte, fand ich auch den Namen des Verfassers genannt. Am Schluß seiner Festrede, heißt es darin, rief der Direktor der Anstalt, damals Görenz, "das Publikum auf zur Begleitung des passenden Arresto'schen Gesanges "Gott segne Friedrich Franz" - welchen dasselbe voll herzlicher Theilnahme nach besonders gedruckten Exemplaren mitsang". Der hier genannte Arresto aber, das ist mir ganz zweifellos, kann nur der als Schauspieler und Lustspieldichter bekannt gewordene Christlieb Georg Heinrich Arresto sein, der geboren zu Schwerin 1768 als Sohn des Geh. Kanzlisten Carl Rudolf Arresto am 22. Juli 1817 als meklenburgischer Hofschauspieldirektor zu Doberan starb. 1 )


1) Freimütig. Abendbl. 1. Jahrg. (1818) Sp. 415. Erwähnt ist Arresto als Verfasser dann auch noch: Freim. Abdbl. 3. Jahrg. (1820) Sp. 94 und 19. Jahrg. (1837) Sp. 763. Eine kurze Notiz über den Fund brachte schon die Meckl. Zeitung (1900, Nr. 558), in der auch die Anfrage früher erschienen war.
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Mit der Auffindung des Namens des Verfassers war der eine Theil der gestellten Frage gelöst, und der andere, die zeitliche Festlegung der Entstehung unseres Liedes, doch der Lösung bedeutend näher geführt. Auch mit dem Jahre 1818 hatte ich den äußersten Punkt nicht erreicht. Wenn Arresto 1817 starb, konnte das Lied nicht gut später gedichtet sein, und die Grenzen, innerhalb deren sein Ursprung gesucht werden mußte, waren die Grenzen dieses Menschenlebens. Aber der Kreis ließ sich noch enger ziehen. Arresto brachte einen großen Theil seines Lebens außerhalb Meklenburgs zu. 1 ) Er laßt sich hier nachweisen bis 1779, dann von 1786-1789, Januar-März 1801 und schließlich noch von Februar 1813 bis zu seinem Ende. In den Zwischenzeiten, namentlich von 179I-1801, wo er in Holland desertirte und, anfangs gar noch unter falschem Namen, in Süddeutschland und Hannover als Schauspieler thätig war, ferner während seines Aufenthalts in Hamburg 1801-1804 und in Rußland 1804-1811, konnte er, meiner Ansicht nach, wenig Neigung und Anregung gefunden haben, zu Ehren seines angestammten Fürsten ein Nationallied zu schreiben. Ich glaubte die Grenzen großer Wahrscheinlichkeit nicht zu überschreiten, wenn ich dem Verfasser die Möglichkeit, "Gott segne Friedrich Franz" zu dichten, auf die Zeit einschränkte, wo er in Meklenburg sich aufhielt. Davon schied wieder die Jugend, also die erste Periode bis 1779, aus, und es blieben die Jahre 1786 bis 1789, 1801, 1813-1817, die demnach allein noch in Frage kommen konnten. Unter diesen aber schien mir die Wahl auf die Zeit seines längeren letzten Weilens im Lande fallen zu müssen. Es sprachen dafür eine Reihe von Gründen, die, jeder für sich betrachtet, vielleicht von wenig entscheidender Bedeutung waren, denen ich in ihrer Gesammtheit und Gesammtwirkung aber doch ein nicht zu unterschätzendes Gewicht beilegen durfte.

Zunächst hatte ich den Eindruck, als ob das Lied, als es 1818 in Schwerin auftauchte, neu und noch nicht lange bekannt gewesen sei. Es wurde in der Versammlung in besonders gedruckten Exemplaren vertheilt, gewiß doch ein Zeichen, daß man annahm, der Wortlaut sei nicht Jedermann genügend geläufig. Und wieder konnte es damals nicht allzu alt sein, da man darauf hinwies, als auf ein etwas, das noch in Jedermanns Erinnerung sei. Es war, ließe sich denken, unlängst einmal bei irgend einer Festlichkeit gesungen worden und hatte Anklang ge=


1) Näheres über sein Leben in Anhang I.
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funden, und jetzt, da man bei der besonderen Feier der Einweihung des neuen Hörsaals, verbunden mit der des fürstlichen Geburtstages, sich nach einem passenden Liede umsah, nahm man es wieder auf. Ja, die Schweriner Schulfeier von 1818 mag nicht nur die erste gewesen sein, in der es erwähnt, sondern auch die erste, in der es wieder gesungen worden. Es ist das, wie gesagt, nur der Eindruck, den ich hatte, dessen Wahrheit nicht sicher zu beweisen ist; aber ich denke, man wird ihn nicht als ganz bedeutungslos ablehnen dürfen. Wir sind ja leider in der üblen Lage, hier häufiger auf Vermuthungen zurückgreifen zu müssen. Die Lückenhaftigkeit des Quellenmaterials vor 1818 nöthigt uns dazu. Die Schulprogramme, aus denen man in erster Linie schöpfen möchte, sind noch von einer Dürftigkeit, daß sie für unsern Zweck nahezu ganz ausfallen, und die Zeitungen - - nun, man weiß, wie es mit ihnen bestellt ist. Der Zustand der laufenden Berichterstattung über meklenburgische Verhältnisse ist bis zum Erscheinen des Freimüthigen Abendblattes (1818) der traurigste, den man sich denken kann. Ausschließlich die Ereignisse der hohen Politik finden Berücksichtigung in den heimischen Zeitungen. Was in Konstantinopel, Madrid, Paris, London, Berlin sich ereignet, bringen sie treulich, sucht man aber nach Nachrichten über das, was im engern Vaterlande geschah, nach einer Kunde über das Leben und Treiben unseres Volkes, so durchblättert man sie umsonst. Da mag noch manches geschehen sein, von dem wir nichts mehr wissen.

Für meine Annahme dürfte sodann sprechen, daß "Gott segne Friedrich Franz" 1807 bei der Rückkehr des Herzogs in sein Land noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint. Wir sind gerade über dieses Ereigniß einmal ganz ausnahmsweise gut unterrichtet. Wir besitzen den Text einer großen Anzahl von Ansprachen gereimten und ungereimten Inhalts, die an verschiedenen Orten zur Bewillkommnung des fürstlichen Paars gehalten, von Gedichten, die überreicht wurden, und wir besitzen eine genaue Beschreibung der Feierlichkeiten, die man bei dem Einzug in Schwerin veranstaltete. 1 ) Das Außergewöhnlichste in Poesie und Prosa wurde bei dieser Gelegenheit geleistet, um der Freude über das Wiedersehen des Landesherrn Ausdruck zu


1) Ausführliche Beschreibung aller bei Gelegenheit der frohen Wiederkehr unserer Durchl. Landesherrschaft in Schwerin vorgenommenen Feierlichkeiten und sonstigen Merkwürdigkeiten, nebst allen gehaltenen Reden und überreichten Gedichten. Schwerin 1807. 8°.
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geben; aber auch hier, wo die leicht singbare Melodie und der einfach volkstümliche, für den Fall wie geschaffene Text des Liedes sich geradezu dazu hätte aufdrängen müssen, gesungen zu werden, findet man keine Spur davon. Das beweist an sich nichts, gewiß. Es ist leichtfertig, aus dem Nichtwissen von einer Sache auf deren Nichtsein zu schließen. Ich bin weit davon entfernt, das zu thun. Aber wo es sich darum handelte, das Material zu sammeln, das meine oben dargelegte Ansicht stützen könnte, durfte dieser Punkt nicht fehlen.

Endlich mag hier eine allgemeine Betrachtung Platz finden, die, wenn sie mich auch nicht zu meiner Ansicht führte, mich doch wesentlich in ihr bestärkte. 1806 veröffentlichte der bekannte Georg Gabriel Friedrich Küffner, der später Pastor in Gnoyen ward, unter dem Pseudonym Philopatros im Mecklenburgischen Journal ein "Vaterlandslied der Mecklenburger für die hohen Feste des Volkes, besonders den 10. Dec. und 10. Oct.", zu singen nach der Melodie "Freut Euch des Lebens". 1 ) Er wollte damit augenscheinlich einem Bedürfniß entgegenkommen, das sich fühlbar zu machen begann und das, seiner Meinung nach, bisher eine genügende Befriedigung nicht gefunden hatte. Er vermißte ein Lied im Volkston, das bei feierlichen Gelegenheiten als Ausdruck vaterländischer Gesinnung und Empfindung hätte gesungen werden können, und da er den Beruf in sich spürte, Meklenburgs Volksdichter zu werden, schuf er ihm eine Hymne. Nun hat ja dieses Lied insofern seinen besonderen Charakter gegenüber "Gott segne Friedrich Franz", als es für beide Meklenburg, Schwerin und Strelitz, bestimmt war. Man könnte also denken, daß Küffner gerade das Fehlen dieser gemeinsamen Beziehung als Mangel der vorhandenen patriotischen Lyrik seines Vaterlandes empfunden und darum auch unser Lied, dessen Dasein vorausgesetzt, nicht als vollwerthig angesehen habe. Aber

Alle: Heil, Land der Freiheit!
Heil, Mecklenburger Dir!
Wo ist auf Erden
Ein Volk wie Wir?
Einer: Zwar strahlt in Deutschlands Fürstenrath
Durch Heeresmacht nicht unser Staat;
Doch ist des Kaisers Unterthan
Nicht glücklicher als Wir.

1) Mecklenburg. Journal, Bd. II (1806). S. 1 ff. Der 10. Dec. und 10. Oct. sind die Geburtstage der beiden damals regierenden meklenburgischen Herzöge. Das Gedicht hat 22 Strophen, deren 1. lautet:
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ich glaube das nicht. Ich glaube vielmehr, daß er damals noch ganz freies Feld vor sich hatte, daß es eine Konkurrenz irgend welcher Art überhaupt für ihn noch nicht gab, daß thatsächlich das Bedürfniß nach einem Vaterlandsliede vorhanden und noch zu befriedigen war. Und das will ich ein wenig eingehender begründen.

Das, was wir ein patriotisches Volkslied nennen, gab es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bei uns nicht. Die dichterischen Erzeugnisse jener Zeit, die zu Ehr und Preis des Fürstenhauses bei Thronbesteigungen, Geburtstagen und ähnlichen Gelegenheiten entstanden, gedruckt und gewidmet wurden, hatten doch einen wesentlich anderen Charakter. Diese Art Festpoesie, mit Vorliebe im höhern Ton der Ode gehalten und häufig antikem Versmaß angepaßt, sollte nach der Absicht der Verfasser gar nicht volkstümlich sein, und in ihrer getragenen, schwerfällig=feierlichen Ausdrucksweise, ihrem mit Anspielungen und Beziehungen auf den griechisch=römischen Olymp oft reich gespicktem Inhalt mußte sie der großen Masse auch immer unverständlich bleiben. War aber einmal ein Dichter, der einfach und derb im Volkston zu seinem Fürsten sprechen wollte, er kam doch über eine gekünstelte Anlehnung an das Volksthümliche nicht hinaus, und der poetische Gehalt litt nun erst gar; es sind grausam nüchterne und trockene Produkte, die aus solchem Bestreben hervorgewachsen sind. Und was die Hauptsache, der Liedcharakter fehlte der ganzen Gattung. Wohl kannte man Cantaten, die kunstvoll aufgebaut, in kunstvolle Musik gekleidet, an festlichen Tagen zur Aufführung kamen. Das Volk aber will Lieder, die es singen kann, will einen einfachen Text, den es versteht und leicht fließende, ansprechende Melodie. Nun sang das Volk gewiß auch im 18. Jahrhundert; es hatte seine Weisen, die es liebte und an denen es im fröhlichen Kreise sich ergötzte. Man hatte Wein=, Trink=, gesellige Lieder. Aber das Vaterlandslied fehlte uns, wie an der Wende des Jahrhunderts dem ganzen übrigen Deutschland.

Erst in den 90er Jahren und dann auch vereinzelt noch, erschienen in der Monatsschrift für Meklenburg dichterische Versuche, die ein frischeres nationales Leben athmeten, die, von einem bemerkenswerthen Selbstgefühl getragen, das Keimen eines kräftigen Volksbewußtseins verriethen. Wir standen im Beginn der französischen Revolution. Die mächtige Volksbewegung, die Frankreich zur Revolution geführt, fing auch in Deutschland an,

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Regungen der Volksseele zu wecken. Es gährte und zuckte allüberall; es ging durch das Land wie ein Schwirren und Klingen, vergleichbar dem leisen Zittern des Lebens, mit dem der Morgen nach der Nacht den Tag heraufführt. Eine wunderbare Stimmung, die wir noch ahnen können aus den Aufzeichnungen der Männer, die sie selber mit durchlebten und in späteren ruhigen Tagen, da Urtheil und Gefühl geklärt, noch einmal durch Sinn und Seele gehen ließen! Das Volk erwachte. Aber doch wie anders der Charakter dieser Bewegung bei uns als in Frankreich. Wohl sympathisirte man im Anfang mit den Revolutionsmännern in Paris, die die Bahn freigemacht hatten für die neue Zeit; als dann aber Blutnachricht auf Blutnachricht von jenseits des Rheins eintraf, trat eine Ernüchterung ein, die von dieser Art von Beglückung nichts mehr wissen wollte. Man hatte die Predigt von den hohen unveräußerlichen Gütern der Menschheit begeistert aufgenommen; aber man besann, sich rechtzeitig auf den Gegensatz von deutscher und romanischer Eigenart, um sich noch vor der Verwässerung in kosmopolitischen Idealismus retten zu können. Dazu kam, daß ein stark monarchisches Gefühl uns noch nicht erlaubte, die Liebe zu Freiheit und Vaterland von der Liebe zum Fürstenhause zu trennen, und beide verknüpften sich zu einem Nationalgefühl, das in ganz anderen Klängen sich aussprechen mußte, als es die Marseillaise that. Allerdings, wie die Bewegung bei uns ruhiger und gemessener, man könnte sagen, loyaler verlief, fehlte ihren Liedern auch wieder der Dichter, der ihnen den berauschenden hinreißenden Schwung hätte verleihen können wie Rouget de Lisle.

Von Liedern aber, die dem erwachenden Nationalgefühl Ausdruck verleihen sollten, erwuchs bei uns in Deutschland eine reiche Saat. Ihr Charakter war Anfangs ein allgemein deutscher. Der Gegensatz, der sich geltend gemacht, war ein Gegensatz von Volk zu Volk gewesen; nicht als Bürger der engern kleinen Landschaft, als Angehöriger des großen weiten Vaterlandes stand man in Protest gegen Frankreich und fremden Volkes Art. Auch die Zeitlyrik der 90er Jahre in Meklenburg legt Zeugniß davon ab, und ich will als Beispiel dafür einige der Gedichte anführen, auf die ich oben hinwies. So veröffentlichte 1791 ein Th. Bühring ein Gedicht "Das Vaterland", von dem ich die drei letzten Strophen hier folgen lasse. Sie können eine Idee von dem Charakter und der Tendenz dieser Poesie geben; es sind das Dinge, die sich mehr durch Lesen empfinden, als durch Beschreiben mittheilen lassen. Es heißt darin:

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   Vaterland! Vaterland!
Wars der geschmeid'ge Franzmann nicht,
den Du erwektest, jedem Volk,
vom Joch der Tirannei zerquetscht,
zu sein ein Beispiel für und für!

   Vaterland! Vaterland!
Wohl mir, daß ich ein Deutscher bin,
Gott und Gesetz nur unterthan,
frei wie der Adler in der Luft,
frei wie der Fisch im Ozean. -

   Vaterland! Vaterland!
Dem stolzen Britten weich' ich nicht,
dem edlen, kühnen Schweitzer nicht,
denn Deutschland ist mein Vaterland; -
Thuiskons, Hermanns Sohn bin ich!!

Man lese dazu noch "Empfindungen eines Podagristen am Geburtstage seines Fürsten, 10. Dec. 1792" von dem Stadt= und Kreisphysikus Ebeling in Parchim, "Freiheit und Gleichheit im eigentlichen Verstande" von P. (1793), das "Trinklied für freie Deutsche" von Fr. Simonis (1793), das Gedicht von Fr. Hempel:

"Die Zeiten Brüder sind nicht mehr,
Wo Jacobiner täuschten." (1795.)

und "Lied im Frühjahr 1799 gesungen" (nach der Melodie: "Bekränzt mit Laub etc. .") von J. G. Lorentz. 1 ) Man wird hier bestätigt finden, was ich sagte: ein Patriotismus, der sich als ein stetig steigendes Abweisen der französischen Beglückungspraxis äußerte, ein Betonen des Deutschthums gegenüber französischer Art und jedes andern Volkes Art. Das alles in einer Sprache gesagt, wie man sie bisher nicht kannte, und schon gesellte sich dem Wort die Melodie.


1) Monatsschrift von und für Mecklenburg. 1791, Sp. 593. 1793, Sp. 1, und die Heftumschläge zu Stück 2 und 10. 1795, Umschlag zu Stück 1. 1800, Umschlag zum 1. Supplement. - Theodor Hans Heinrich Bühring, 1808 Pastor zu Rühn, 1828 zu Gr.=Upahl, † 9. Juni 1838. Sein Gedicht "Vaterland" ist wesentlich verändert wieder abgedruckt in der Sammlung seiner "Gedichte" (1801) S. 121. - Joh. Dietr. Philipp Christian Ebeling, † Parchim, 12. Januar 1795. - Joh. Friedr. Simonis, 1800 Pastor in Ruchow, † 29. Aug. 1839. - Joh. Christian Friedrich Hempel, 1805 Pastor in Röcknitz, † 29. Aug. 1809.
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Aus dieser hohen Stimmung befruchtete sich dann bald auch der Stammespatriotismus. Sang man Lieder zu Ehr und Preis des großen Vaterlandes, warum sollte nicht die engere Heimath ihren Antheil daran haben? Es ist immer so gewesen: sobald wir uns einmal mit gewaltigem Ansturm in einer großen deutschen Sache begeistert hatten, wir kehrten, ein jeder in seine Landschaft, zurück, um nun erst, was wir von da draußen mitgebracht, in landesübliche Münze umzuprägen. Die Stimmung wurde reif für das Entstehen von Landeshymnen. Den Anfang damit machte bekanntlich Schleswig, damals dänische Provinz, oder vielmehr deutsches Land unter dänischem Oberherrn, der als Herzog von Schleswig=Holstein deutscher Reichsfürst war. Am 27. Januar 1790 erschien im Flensburger Wochenblatt, von dem Herausgeber der Zeitung, cand. theol. Harries, verfaßt, ein "Lied für den dänischen Unterthan an seines Königs Geburtstag zu singen", gesetzt nach der Melodie des bekannten englischen Volkssangs "God save the king". Das Lied ist interessant als das erste Auftreten der Landeshymne auf deutschem Boden. Aber interessanter ist es vielleicht noch dadurch, daß es, wenige Jahre nach seinem erscheinen, Vorbild für eine andere Hymne geworden, die weitaus größere Bedeutung gewonnen hat. "Das Lied für den dänischen Unterthan" wurde 1793 nach Berlin importirt und tauchte hier, um zwei Strophen verkürzt und im Uebrigen ganz unwesentlich verändert, als "Berliner Volksgesang" wieder auf. Es ist das "Heil Dir im Siegerkranz", das preußische Nationallied.

In unserm engern Vaterlande zeigten sich die ersten Spuren einer ähnlichen Bildung schon in den "Empfindungen eines Podagristen" (1792). 1806 dann folgte Küffner's Vaterlandslied, 1812 (in Doberan am 10. August gesungen) ein "Heil unserm Friedrich Franz", das in bemerkenswerthem Grade den Einfluß von "Heil Dir im Siegerkranz" verräth, ja eigentlich nur eine den meklenburgischen Verhältnissen angepaßte Umdichtung davon ist, und in die Jahre darauf wird man den Ursprung von "Gott segne Friedrich Franz" setzen müssen.

Ganz außer Berücksichtigung habe ich bisher in dieser Betrachtung die Frage nach Art und Wahl der Melodie gelassen. Sie kann aber auch noch ein gewichtiges Wort in der Sache mitsprechen. Die Melodie unseres Lieder ist, gleich der des "Heil Dir im Siegerkranz" dem englischen "God save the king" entnommen. Text und Weise dieses Liedes aber sind nach der glaubwürdigsten Annahme Werk des Henry Carey; es ist

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wahrscheinlich um 1740 entstanden und 1745 im Druck erschienen. Als Volkssang wurde es schnell beliebt und früh gesungen und wird von England bald seinen Weg auch nach Hannover, das damals mit England in Personalunion stand, gefunden haben. Von hier aus war sein Eindringen in Deutschland nicht schwierig. Wir können seine Melodie zuerst in einem Studentenliede des Jahres 1781 wieder nachweisen, dem "Landesvater" des Kieler August Niemann, dem ein sechsstrophiger Passus "Heil, Kaiser Joseph, Heil", Mel.: "God save great George the king" eingefügt war. Diese ihre Verwendung im "Landesvater" blieb längere Zeit noch vereinzelt, und wenn man nach einer Erklärung dafür suchen will, so liegt sie nicht so fern: in die Eigenart studentischen Kommersgesanges gezwängt, mußte sie weitern Kreisen mehr oder weniger fremd bleiben. 1790 folgte das "Lied für den dänischen Unterthan", und damit erst, daß dieses Lied 1793 nach Berlin übernommen und preußische Volkshymne wurde, ward die Melodie in Deutschland populär. Das bahnte ihr den Weg und gab der Nachahmung Antrieb, sie immer wieder aufzunehmen. 1 )

In Meklenburg finde ich sie zuerst 1812 in dem oben erwähnten, in Doberan gesungenen Liede, und ich glaube nicht, daß bei uns früher von ihr Gebrauch gemacht ist. Allerdings, ein Schluß ex silentio will auch hier wenig beweisen, und aus dem Vorkommen anderer Melodien in unsern patriotischen Liedern, wie "Bekränzt mit Laub" (1799, oder wie es auch heißt: "Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsere Reben", 1802 und 1809), "Freut Euch des Lebens (1806) u. s. w. schließen zu wollen, daß nur diese bekannt gewesen, wäre thöricht; aber wenn man weiß, wie jene Melodie "God save the king" seit ihrem Auftauchen 1812 lange Zeit bei uns geradezu vorherrschend geworden ist für alle Versuche gereimter nationaler Begeisterung, wie alle anderen daneben weit zurücktraten und nur ganz vereinzelt zur Verwendung kamen, als habe man auf sie, als die einzig mögliche und singbare Volkshymnenmelodie, gewartet, dann mag man doch


1) Böhme, Volksthümliche Lieder der Deutschen (1895) S. 11 ff., 411, 537. Hoffmann von Fallersleben, Unsere volkstümlichen Lieder, 4. Aufl. (1900), S. 114/115. Zu der Ansicht, die den Ursprung des Liedes nach Frankreich verlegt, vergl. auch noch: Malortie, Beiträge zur Geschichte des Braunschweig=Lüneburgischen Hauses und Hofes. Heft 7 (1884), S. 157 ff., und die, übrigens apokryphen, Souvenirs de la Marquise de Créquy. Vol. I. (Paris 1834), S. 147, wo auch eine Strophe des französischen Textes abgedruckt steht.
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nachdenklich werden. Dieser Stimmung kam die Bekanntschaft Arresto's mit der Melodie, die er nach Meklenburg schon mitbrachte, entgegen. Er war 1798 und 1799 in Hannover engagirt gewesen und hatte das "God save the king" dort genügend kennen gelernt, es oft und zuweilen wohl mehr, als ihm lieb war, fingen hören. 1 ) Die Weise klang ihm in den Ohren fort, als der musikalische Ausdruck eines starken, wenn auch vielfach sportsmäßig überreizten nationalen Gefühls und treu ergebener Loyalität. 1801, als er nur flüchtig, für die Dauer von ein paar Monaten, wieder in der Heimath weilte, hatte er keine Gelegenheit, sie zu verwerthen. Aber als er dann aus Rußland zurückgekehrt war und 1813 auf Neue in Meklenburg erschien, in der Zeit, da die Volksbegeisterung hoch ging, in der Zeit der Freiheitskriege, da wird ihm sein Lied aus der Feder geflossen sein, nach der Melodie, die ihm von alten Tagen her vertraut war, und die jetzt begann, sich ihren Weg durch Deutschland zu bahnen.

Allerdings, eine sichere, einwandfreie Bestätigung meiner Ansicht suchte ich vergebens; ich habe nicht herausfinden können, wann und wo unser Lied zuerst erschienen, noch wann und bei welcher Gelegenheit es zuerst zum Vortrag gekommen. Ich habe die Zeitungen jener Jahre durchstöbert, die Dichtungen Arresto's, so weit sie in Betracht kommen konnten und mir zur Hand waren, eingesehen, und das war eine hübsche Anzahl von Prologen und Festgedichten; alles umsonst. Zuletzt wurde ich durch das Verzeichniß der meklenburgischen Literatur im Staatskalender von 1816 auf ein Schriftchen Arresto's aufmerksam gemacht, das ich noch nicht kannte und das mir durch die Veranlassung, bei der es entstanden, beachtenswerth schien. Es war das ein


1) Welche Zustände damals am Hannoverschen Theater herrschten, mag ein Auszug aus der Hamburgisch= und Altonaischen Theater=Zeitung von 1798 zeigen. Es heißt da (Bd. I, S. 360): "Eben wird ein herrlicher Quartett gesungen - alles ist Ohr! Der Fähndrich von - und der Hr. von - und ihr Attache, Hr. * *, der Lieutenant von -, der Jude * * stürmen ins Parterr! Sinn und Seel berauscht - der Sinnlichkeit Preis gegeben, ruft der Anführer Hr. Fähndrich von * * blank sollen sie stehen, die Hunde! Alle! - vorwärts! Er entblößt sein Haupt und ruft: "God save the king - und die hinter her stolpernden lallen noch save - king. Man glaube nicht, daß das Orchester sich untersteht die Melodie jenes Liedes nicht zu spielen, das dieser, und jener, und der rechtliche Mann, der Gut und Blut für seinen Landesherrn und die vaterländische Verfassung gäbe. sich erdreistet zu dem Ruf Silentium zu rufen!"
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Vorspiel, das er zur Feier der Annahme der Großherzoglichen Würde durch Friedrich Franz I. im Jahre 1815 gedichtet, betitelt "Das Fest der Freude". Aber hier wollte das Unglück, daß trotz aller Nachforschungen und Nachfragen sich nirgends mehr ein Exemplar davon auftreiben ließ. Vielleicht wäre darin etwas zu finden gewesen; eine bessere Gelegenheit hätte der Dichter sich ja nicht wünschen können, sein Festlied anzubringen. Aber das Bedenken bleibt: benützte er die Gelegenheit? Der Vermuthung ist nur zu viel Spielraum gegeben, wo die Beweise fehlen. Wir müssen uns schon damit genügen lassen, die Zeitgrenzen, innerhalb deren unser Lied entstanden sein muß, so eng als möglich gesteckt zu haben; die weitere Lösung mag einem glücklichen Zufall vorbehalten bleiben, an den ich übrigens, aufrichtig gesagt, nicht glaube.

Eine Frage wäre aber noch zu beantworten: ist das Lied, wie Arresto es dichtete, identisch mit dem Liede, wie wir es kennen? Der Eingang "Gott segne Friedrich Franz" ist heute noch der alte, aber damit ist nicht gesagt, daß auch der ganze weitere Wortlaut unverändert geblieben. Die Beispiele sind nicht selten, daß ein Liedtext nach Fall und Gelegenheit umgemodelt ward und der umgemodelte Text vorübergehend oder dauernd an die Stelle des Originals trat. Könnte nicht von Wandlungen, die auch unser Lied durchgemacht, etwas an ihm hängen geblieben sein? Die Lösung dieser Frage ist freilich dadurch erschwert, daß eins der beiden Vergleichsobjekte fehlt. Der älteste uns bekannte, sicher datirte Text stammt von 1825. Er beweist allerdings eine konservative Ueberlieferung für die letzten 75 Jahre; er läßt aber für die Jahre vorher die Frage offen. Doch denke ich auch für diese Zeit den Sachverhalt bis zu einem gewissen Grade der Wahrscheinlichkeit klar stellen zu können.

Wir besitzen in den Sammlungen der Großherzoglichen Regierungsbibliothek zu Schwerin einen Einblattdruck von "Gott segne Friedrich Franz", undatirt, den ich aber nach Druck und Papier noch bis in die Zeit vor 1820 zurückverweisen möchte. Ich will sogar glauben, daß wir in ihm ein Exemplar der Sonderabdrücke vor uns haben, die, wie das Freimüthige Abendblatt zu erzählen weiß, zu der Schulfeier des Schweriner Gymnasium im Jahre 1818 hergestellt wurden. Ist das richtig, so haben wir schließlich doch einen Text, der, wenn er auch nicht das Original ist, uns doch dieses ersetzen kann; er steht zeitlich jenem außerordentlich nahe, und die Bezeichnung "Arresto'sches Lied", die ihm das Freimüthige Abendblatt giebt, muß, so lange

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nicht das Gegentheil festgestellt ist, beweisen, daß er auch den Wortlaut des Originals wiedergiebt. Bis auf ganz geringfügige Abweichungen ist aber der Wortlaut dieses Textes genau derselbe wie der, den wir heute noch kennen.

Ich schließe diese Erörterung mit einigen Bemerkungen über die Vorlage unseres Liedes. Ist "Gott segne Friedrich Franz" selbständige Dichtung, oder hat es eine Vorlage gehabt, und wenn das der Fall, welche? Die Antwort müßte sich aus der Vergleichung mit den bekannteren ähnlichen Texten ergeben, und in Frage dafür konnten zunächst, meiner Ansicht nach, nur "God save the king" und "Heil Dir im Siegerkranz" kommen. Eine eingehende Vergleichung mit diesen beiden aber hatte folgendes Resultat. Einmal die Melodie. Sie ist allen drei gemeinsam, so daß eine Prüfung nach dieser Seite hin ziemlich überflüssig erscheinen mochte; aber unser Einblattdruck hat am Kopf seines Textes einen Melodieenvermerk, und dieser Vermerk "Einstimmiger Gesang nach der Melodie: "God save the king" deutet doch darauf hin, daß unser Autor bei seiner Nachdichtung an das englische .Volkslied gedacht hat. Das tritt noch mehr hervor bei Betrachtung und Vergleichung des Wortlauts. Schon der Eingang "Gott segne Friedrich Franz" klingt an "God save the king" an, und sachlich, z. T. sogar wörtlich übereinstimmend ist dann fast der ganze weitere Inhalt. Ich vermerke als besonders bezeichnend: 1 )

"Long to reign over us." "Bis in die fernste Zeit."
     Str. 1.      Str. 1.
"Thy choicest gifts in store "Ueber Sein Fürstenhaus
On George be pleas'd to pour" Schütte dein Füllhorn aus"
     Str. 2.      Str. 2.
"O grant him long to see "Der Eintracht schönes Band
Friendship and unity". Bleib zwischen Thron und Land
     Str. 4. Stets unverletzt."
     Str. 3.

Anklänge an "Heil Dir im Siegerkranz" finden sich dagegen gar nicht. Somit kann es nicht zweifelhaft sein, daß "Gott segne Friedrich Franz" in bestimmtem und bewußtem Anschluß an "God save the king" entstanden ist, und die weiter oben


1) Ich lege die vierstrophige Fassung des "God save the king" zu Grunde, die Pepin, The Strains of the British Muses (Göttingen 1779), S. 211/12, giebt. Arresto scheint diesen erweiterten Text gekannt zu haben. Aeltere Texte hat Boehme, Volksthümliche Lieder der Deutschen, S. 537 ff., wieder abgedruckt.
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gemachte Bemerkung, daß Arresto die Anregung zu der Ausgestaltung seines Liedes seinem Aufenthalt in Hannover verdanke, erweist sich als gut begründet; nicht nur die Melodie nahm er herüber, sondern auch den Ideengang des Textes mit zum Theil recht enger Anlehnung an das Original.

So viel über den Ursprung von "Gott segne Friedrich Franz". Ich will nun versuchen, es auf seinem Wege vorwärts zu begleiten, von seinem Eintritt in die Welt bis zu dem Zeitpunkt, wo es Gemeingut des ganzen Volkes geworden ist. Und das ist ein weiter Weg. Man würde sich gewaltig irren, wenn man glauben wollte, daß es sogleich, nachdem es gedichtet, nun auch schon seinen Triumphzug durch das Land genommen, überall populär geworden und allüberall gesungen sei, wo festesfreudige Menschen sich zu patriotischer Feier zusammengethan hätten. Nichts von dem. Es hat eine geraume Zeit gedauert, bis es die Stellung sich erzwang, die es heute einnimmt.

Zuerst scheint es in Schwerin rezipirt zu sein für die Schulfeier des Gymnasiums am 10. Dezember; ich finde es außer 1818 noch erwähnt 1820, 1825, 1828, 1829, 1830, 1834. 1 ) Das ist eine stattliche Reihe sicher überlieferter Daten, die an sich schon darthun, daß "Gott segne Friedrich Franz" seit 1818 dort mit einer gewissen Regelmäßigkeit am 10. Dezember gesungen wurde. Man rechne dazu, daß die Berichte über die einzelnen Jahre durchaus nicht alle gleich genau und eingehend sind; häufiger sind Festlieder gar nicht angeführt, und es mag wohl sein, daß unser Lied das eine oder das andere Mal nicht erwähnt, aber doch gesungen ist. Das würde die Reihe noch enger schließen. Ausnahmen giebt es; aber ich kenne deren bis 1835 nur 3. 1827 ward die Feier geschlossen mit einer Arie für 4 Stimmen, komponirt von Pompilius (?), arrangirt von Monich, 2 ) 1831 mit "Heil Dir im Siegerkranz", wenn hier im Bericht Melodie und Text nicht verwechselt ist, 1833 mit einem lateinischen Liede nach der Melodie: "God save the king". Eine Fortwirkung der Gewohnheit des Gymnasiums, am 10. Dezember "Gott segne Friedrich Franz" zu singen, war vielleicht schon, daß es 1823 auch in einer Nachfeier des fürstlichen Geburtstages, die der Schweriner Gesangverein am 13. Dezember veranstaltete, vierstimmig von


1) Freimüth. Abendbl., die betreffenden Jahrgänge in ihren Berichten über die Feier des 10. Dezember.
2) Wahrscheinlich der Lehrer Wilhelm Christoph Monich; vergl. über ihn Wex, Zur Geschichte der Schweriner Gelehrtenschule. Schwerin 1853, S. 62.
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Lührß 1 ) arrangirt, zum Vortrag kam und 1825 am 29. September bei der Grundsteinlegung des neuen Regierungsgebäudes gesungen wurde.

Außerhalb Schwerin, aber später, kann ich es nachweisen in Parchim und auch hier für die Schulfeier des Gymnasiums an Großherzogs Geburtstag, zuerst 1832. Nach mündlicher Mittheilung soll es schon um die Mitte der 20er Jahre, mit Eintritt Zehlicke's in das Direktorat (1827), dort eingeführt und seitdem regelmäßig am 10. Dezember gesungen sein. In den Schulprogrammen begegnet es das erste Mal 1833 und fortan Jahr für Jahr bis zum Schluß der Regierungszeit Friedrich Franz I.

Sonst habe ich das Lied nur noch in einer Ludwigsluster Seminarfeier gefunden, es wurde dort 1831 bei der Einweihung des neuen Seminargebäudes, die man mit der Begehung des fürstlichen Geburtstages am 10. Dezember zusammenfallen ließ, unter andern Liedern mit gesungen. Ich weiß aber nicht, ob es damals zuerst aufgenommen worden, oder ob es in alter Tradition, wie in Schwerin und Parchim, als feststehender Festsang für den 10. Dezember schon eingebürgert war; ebenso fehlt mir auch jede Nachricht über den Usus der nächstfolgenden Jahre, so daß es zweifelhaft bleiben muß, wann es dort endgültig rezipirt ist. Im übrigen Meklenburg ist "Gott segne Friedrich Franz" vor 1835 nicht nachweisbar; durchweg, so weit Berichte vorliegen, sind zur Feier des 10. Dezember und bei sonstigen passenden Gelegenheiten andere Lieder gesungen worden. 2 ) Vorherrschend war aber auch bei diesen die Melodie "God save the king". So entstand in Rostock zur Universitätsjubelfeier am 12. November 1819 ein "Fürstenlied", das nicht nur mit dem Eingang "Heil sei dem Fürsten! Heil!", sondern auch mit dem weitern Inhalt leicht an "Heil Dir im Siegerkranz" anklang. Es fand viel Beifall und wurde im folgenden Jahre, 1820, bei der Geburtstags=Vorfeier in der Societé am 9. Dezember wiederholt. 1822 fanden zur festlichen Begehung des 10. Dezember in Rostock zwei gesellige Vereinigungen statt, die eine in der Societé, die andere im Schleuder'schen Saal. Bei beiden kamen eigens für den Fall gedichtete Festgesänge zum Vortrag; aber wir wissen nur von dem zweiten, daß es nach der Melodie


1) Friedrich Lührß, Schloßorganist, später Musikdirektor in Schwerin, † 1874.
2) Auch für das folgende ist Hauptquelle das "Freimüthige Abendblatt", daneben Archivakten (Tagebücher Friedrich Franz I.).
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"God save the king" verfaßt war und, ähnlich dem "Fürstenliede", den Eingang hatte "Heil unserm Fürsten, Heil!" Der Text ist leider nicht erhalten. 1826 am 10. Dezember morgens zog Militärmusik durch die Straßen und spielte "Godsave the king" und "Freut Euch des Lebens". 1827 im Juni besuchte Friedrich Franz Rostock. Man arrangirte zu Ehren dieses Besuches glänzende Festlichkeiten, und bei einer der hierbei sich bietenden Gelegenheiten, am 13. Juni abends im Theater, in Anwesenheit des Fürsten, ward ein "Mecklenburgisches Volkslied": "Heil unserm Friedrich Franz!" gesungen, eine Auffrischung des alten Doberaner Sangs von 1812 mit theilweise sehr starker Anlehnung an das Original. Der 10. Dezember dieses Jahres brachte ein "Festlied": "Heil sey dem Fürsten! Heil!, als dessen Verfasser der Advokat Crull genannt wird, das aber im wesentlichen, wie schon der Eingang zeigt, eine wenig veränderte Bearbeitung des "Fürstenliedes" von 1819 ist. 1831 gab man am 10. Dezember ein Abendfestkonzert. Als Nr. 7 des Programms führte man die Schneider'sche 1 ) Ouvertüre über "God save the king" auf, und aus voller Brust, schreibt der Berichterstatter, sang die zahlreiche Versammlung das Schlußlied mit: "Heil unserm Fürsten! Heil!" Bedauerlicher Weise kann ich auch hier wieder nicht feststellen, welches Lied gemeint ist; es könnte aber eine Wiederholung des von 1822 gewesen sein. 1832 hören wir, daß die Studenten am 9. Dezember abends einen Fackelzug veranstalteten, vor dem Großherzoglichen Palais 3 Lebehoch ausbrachten und zwei Strophen "des bekannten deutschen nach dem Englischen des "God save the king" gedichteten und komponirten Liedes" sangen. Haben wir auch hier noch "Heil unserm Fürsten! Heil! oder gar "Heil Dir im Siegerkranz"? Die unbestimmte Angabe verbietet uns abermals, mehr als eine Vermuthung auszusprechen. Die Universität begann nach einer längern Pause (seit 1759) erst 1829 wieder, den Geburtstag des Landesfürsten mit einem Festakt zu begehen; soweit ich aber sehen kann, wurde die Feier dort regelmäßig mit "Nun danket


1) Friedrich Schneider, der Komponist des "Weltgericht", geboren 3. Januar 1786, † 23. November 1853. Die Ouvertüre wurde 1818 komponirt und 1819 als Ouvertüre zum Festspiel "Die Königseiche, God save the king" Opus 43 bei C. F. Peters, Leipzig, veröffentlicht; sie wurde im Leipziger Gewandhaus zuerst gespielt am 9. Dezember 1819. (Nach einer gütigen Mittheilung des Herrn Dr. Max Friedländer in Berlin.) Außer 1831 in Rostock finde ich sie in Meklenburg noch 1837 in Malchin gespielt.
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alle Gott" beschlossen. Auch über eine Schulfeier in Rostock ist mir aus älterer Zeit nichts bekannt geworden. In den Programmen findet sich eine solche zuerst 1866 erwähnt, doch deutet hier der Wortlaut, in dem davon gesprochen wird, an, daß damals schon eine Gewohnheit bestand. Wie es scheint, beschränkte sich die Feier auf Freigabe der Schule um 10 Uhr.

Ueber Wismar sind die Berichte spärlich und wenig eingehend. Aus den kurzen Notizen, die wir über festliche Begehungen von Großherzogs Geburtstag dort haben, ersehen wir nur, daß Bankette und Bälle stattfanden, aber nicht, daß dieses oder jenes Festlied dabei zum Vortrag gekommen wäre. Nur zum Jahre 1826 ist auch hier erwähnt, daß Morgens Militärmusik durch die Straßen zog und "God save the king" spielte. Daß eine besondere Schulfeier an diesem Tage veranstaltet worden, darüber finde ich keine Nachricht.

Etwas reicher sind die Nachrichten aus den Landstädten; aber nirgends zeigt sich bis 1835 eine Spur, daß "Gott segne Friedrich Franz" am 10. Dezember oder sonst gesungen wäre. In Güstrow ließ der Rath zu des Fürsten Geburtstag alljährlich vom Rathhause "Nun danket alle Gott" blasen. 1 ) Im Laufe des Tages fanden dann Festessen und Festbälle statt, und einmal bei einer solchen Gelegenheit, 1832, sehe ich, ward "Heil Dir im Siegerkranz" gesungen. Von einer Schulfeier wissen wir auch hier wenig, aber doch etwas mehr als von denen in Rostock und Wismar. 1794 beging man den 10. Dezember durch einen solennen Akt im großen Hörsaal der Domschule; Festreden wurden von den Zöglingen gehalten und die Güstrower musikalische Gesellschaft und der Singchor trugen eine Cantate vor. 2 ) Für 1796 führt Raspe in seinem Verzeichniß der Güstrowschen Schulschriften eine Einladung von Fuchs zum Geburtstage des Herzogs an, die ich nicht kenne. 3 ) Von da aber bis zum Tode Friedrich Franz I. sucht man umsonst nach einer weitern Notiz. In Bützow finde ich 1822 "Heil Dir im


1) Küffner, Kirchliche Weihe der Fürstencrone. Rostock und Greifswald 1826. S. XXII.
2) Am Geburtstage unseres Durchl. . . . Herzog, Herrn Friedrich Franz wurde am 10. Dezember 1794, auf dem großen Hörsaal unserer Domschule zu Güstrow bey einem solennen Actu vor, zwischen und nach den zu haltenden Reden unterer Zöglinge von der Güstrowschen musikalischen Gesellschaft und dem Singechor nachstehende Cantate aufgeführt. Rostock. 4°. 4 Bl.
3) Raspe. Einladung zur Jubelfeier des 300jährigen Bestehens der Domschule zu Güstrow. Güstrow 1853, S. 72.
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Siegerkranz", dasselbe 1824 in Neustadt. In Wittenburg feierte man den 10. Dezember 1824 mit einem großen Ball, der bis zum andern Morgen 4 Uhr dauerte, und eine Stunde darauf, um 5 Uhr, ward in der Hauptstraße der Stadt "das beliebte Volkslied "Heil unserm Fürsten! Heil!" mit Blase=Instrumenten vorgetragen". Leider fehlt wieder der Text, und es bleibt der Vermuthung ein freies Spiel, zu entscheiden, ob unter dem "beliebten Volkslied" das Rostocker "Fürstenlied", das allerdings einen etwas abweichenden Eingang hat, oder das Rostocker Lied von 1822, das auch mit "Heil unserm Fürsten! Heil!" beginnt, oder irgend ein anderes zu verstehen sei. Merkwürdiger Weise ward in demselben Jahre am 10. Dezember in Ludwigslust bei dem Festmahl in der Sozietat ein von der Frau von Montenglaut 1 ) als Impromptu niedergeschriebenes Lied gesungen, das gleichfalls mit "Heil unserm Fürsten! Heil!" anhub; aber ich kann mir nicht denken, daß dieses "Impromptu" schon so bekannt gewesen sei, daß es zu gleicher Zeit in Wittenburg als Volkslied hätte auftreten können. Den Ludwigsluster Text hat das Freimüthige Abendblatt aufbewahrt. Besonders sangeslustig oder besonders mittheilungsfreudig scheint man in Malchin gewesen zu sein; hier werden Festlieder 1830, 1832 und 1833 erwähnt. 1830 sang man "Heil Dir im Siegerkranz", 1832 eine vom Rektor Bülch dort verfertigte Umdichtung des "God save the king", 1833 "Heil Friedrich Franz", vermuthlich eine Wiederholung des Liedes von 1832, dessen Text wir wieder einmal nicht kennen. Für Ribnitz merke ich 1828 an "Laut hall im Jubelklang", das am 10. August desselben Jahrs auch schon in Doberan vorgetragen war, für Boizenburg 1830 ein besonders gedrucktes Lied, das, wie es in dem Berichte heißt, beim Festmahl unter die Versammlung vertheilt und von derselben mit Jubel und Freude abgesungen wurde. Von diesem wie von jenem ist der Wortlaut nicht überliefert. Aus Teterow endlich bringe ich für 1831 ein Lied nach der Melodie "Schier dreißig Jahre" mit dem Eingang: "Schon mehr als vierzig Jahre, Warst unser Vater Du".


1) Artemisie Henriette Marianne von Montenglaut, geb. von Cronstein, geboren den 25. Februar 1768 als Tochter des Dragonerkapitäns von Cronstein, gestorben 5. Dezember 1838. Sie war in 3. Ehe verheirathet mit dem emigrirten Freiherrn Pidoux de Montenglaut († 1810). Man hat von ihr Gedichte und Novellen. (Neuer Nekrolog der Deutschen XVI, S. 1072.) - 1824 war sie auf einer Tournee in Meklenburg, hatte im November deklamatorische Vorträge in Wismar und Schwerin gehalten und war zu gleichem Zweck in Ludwigslust.
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Eine eigene Stellung nahm Doberan ein. Seit der Gründung des Bades 1793 kam Friedrich Franz, der für diese seine Schöpfung ein ganz besonderes, stets reges Interesse zeigte, fast Jahr für Jahr dahin, um die Sommermonate am Strande zu verleben. Eine so regelmäßige Wiederkehr gab dem Ort und dem Badeleben natürlich sein Gepräge. Aber es war das nicht das Gepräge steifer Formen und zeremonieller, abgrenzender Etikette; der Fürst liebte, sich hier als Mensch zu geben, und seine Leutseligkeit, die auch für den gewöhnlichen Sterblichen ein liebenswürdiges Wort hatte, schuf Raum für eine weitgehende Annäherung zwischen der Badegesellschaft und dem Hofe. Blieb der Hof einmal aus, so war es, als fehlte etwas. Man lebte dort das Leben einer großen Familie, deren Mittelpunkt und Haupt der Fürst war. Früh fing man hier an, bei Tafel Lieder zum Preise des Herzogs zu singen. Das früheste, das ich nachweisen kann, stammt aus dem Jahre 1802. Am 11. Juli war's, beim ersten Mahl in dem neuen Saale, da hatte ein Fremder ein Gedicht drucken lassen und unter Zustimmung der Musik wurde es von der ganzen Tischgesellschaft abgesungen. Es war gesetzt nach der Melodie "Am Rhein, am Rhein" und begann:

Heut paart sich froh zum schäumenden Pokale
     Der Tonkunst Harmonie;
Heut würzt Apoll im freudenreichen Saale
     Mit süßer Melodie.

und schloß mit: "Es leb' der Herzog, hoch!!!" Die Rückkehr des Fürsten aus der Verbannung und sein Wiedererscheinen in Doberan am 10. August 1807 ward mit Jubel gefeiert; ich lese aber nichts von besonderen Festliedern. Bedeutungsvoll wurde, daß seitdem der 10. August für Doberan ein Festtag ward, ein Gedenktag, an dem die Badegesellschaft sich zu heiterm Mahl vereinigte und mit Toast und Sang dem geliebten Herrscher ihre Verehrung darbrachte. Doch auch die Doberaner Sänger gingen ihre eigenen Wege; ich finde nicht, daß nur einmal während der Regierungszeit Friedrich Franz I. "Gott segne Friedrich Franz" dort gesungen wäre. Für 1809 hat uns Vogel das Lied überliefert; es war wie das von 1802 nach der Melodie "Am Rhein, am Rhein" gedichtet und begann: "Es rauscht dahin - der rasche Strom der Zeiten!" 1812 gab man eine Festvorstellung; sie wurde mit einem Vorspiel mit Gesang, verfaßt von dem Schauspieler Diestel, eingeleitet, das mit dem "Volkslied nach

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einer bekannten Melodien endete, von dem ich schon oben bemerkte, daß es das erste mir bekannt gewordene, nach der Melodie "God save the king" gedichtete Lied in Meklenburg sei. Diesem Beispiele folgte das Lied von 1817 "Heil Dir im Ehrenkranz", das von 1818 "Heil Dir, dem heut sein Land" und das von 1821 "Singet den Hochgesang". Zum 10. August 1822 lieferte L. Jacobi einen Rundgesang, Melodie "Umkränzt mit Laub", 1823 eine Demoiselle Bauer ein Festgedicht von wenig bekannter Melodie, das darum auch keinen Anklang fand. Zur Abwechselung brachte dann das Jahr 1824 die Melodie "Wir winden Dir den Jungfernkranz" und 1825 einen neuen Rundgesang von Jacobi (Melodie wie 1822: "Umkränzt mit Laub). 1826 sang man Vormittags am Damm nach der alten Weise des "God save the king":

"Hier, wo das blaue Meer
Vor uns so groß und hehr
Hebt Herz und Geist",

und in Doberan bei Tafel "Gegrüßt sey uns im Reihentanz der Horen" (Melodie "Umkränzt mit Laub"). 1827 wurde der 10. August, der Tag der 20. Wiederkehr, besonders weihevoll begangen und an Liedern mehr gedichtet und gesungen, als gewöhnlich. Ich nenne: "Tritt frey aus der Tiefe des Herzens hervor" von Carl von Boddin, "Dich weckt mit jauchzendem Gesange" von Studiosus Mantius, 1 ) ein "Lied der Handwerksleute" vom Schauspieler Julius Cornet und zwei, die größeres Interesse für uns haben, "Heil unserm Fürsten! Heil!" von Wundemann und ein "Mecklenburgisches Volkslied," dasselbe "Heil unserm Friedrich Franz!", das am 13. Juni dieses Jahres schon in Rostock gefallen hatte. 1828 sang man am Damm "Dir ertönt Feierklang", in Doberan "Laut hall im Jubelklang", 1829 "Wonne, schwellt jede Brust", 1831 wiederholt "Laut hall im Jubelklang", 1832:

"Heil sey Dir Friedrich Franz
Vater des Vaterlands,           
Heil Edler, Dir!"

1) Wahrscheinlich das Lied, das nach dem Freimüth. Abendbl. vom Hofmusikus Richter komponirt und von 4 Rostocker Studenten (Ed. Mantius, Albr. Schwartz, Carl Kühn, Ed. Napp) in Doberan vorgetragen wurde.
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1834 endlich klang es "Eilt Mecklenburger! heut zum frohen Feste", Melodie: "Am Rhein, am Rhein". 1 )

Damit schließe ich die Uebersicht. Man sieht, es ist ein ganz hübsches Material gesungener Volks= und Festlieder, das sich für die Zeit von Anfang des Jahrhunderts bis 1835 aus Meklenburg hat zusammentragen lassen. Das Ergebniß aber, das wir für unsere Zwecke aus diesem Material ziehen können, ist das folgende. "Gott segne Friedrich Franz" ist in seinem Gebrauch im Wesentlichen auf die beiden Großherzoglichen Schulen in Schwerin und Parchim und vielleicht noch das Seminar in Ludwigslust beschränkt geblieben. Es scheint wenigstens nicht, daß es bis 1835 auch nur einen Schritt weiter dauernd Boden hat gewinnen können. 2 ) Ich will zugeben, daß hier und da es noch einmal mag gesungen sein, wo es sich nicht mehr nachweisen läßt; Thatsache bleibt jedenfalls, daß es bis 1835 in dem bei Weitem größern Theil Meklenburgs noch nicht recipirt war. Der Bericht über die Parchimsche Schulfeier vom Jahre 1834 meint freilich "daß die Feier mit dem von der ganzen Versammlung mit dem innigsten Enthusiasmus gesungenen "Gott segne Friedrich Franz" beschlossen wird, ist für den Meklenburger keine Neuheit, sondern nur das, was er in allen Gauen des geliebten Vaterlandes selber hat und thut". 3 ) Ich glaube aber, daß der Berichterstatter hier den Mund reichlich voll nimmt; anderweitig habe ich seine Ansicht nicht bestätigt gefunden.

Allerdings kann man ebenso wenig von einem der andern Lieder sagen, daß es mehr als vorübergehend weitere Verbreitung gefunden als unser Lied. Die größte Konkurrenz noch machte ihm "Heil Dir im Siegerkranz"; an nicht weniger als einem halben Dutzend verschiedener Stellen sind wir ihm ja begegnet. Aber, so viel ich sehe, hat auch dieses sich zu dauerndem Gebrauch nirgends eingebürgert. Bedeutender als sein eigenes Auftreten war freilich sein Einfluß auf die Textbildung in der patriotischen


1) Vogel, Annalen des Seebades zu Doberan. 1802, S. 4; 1809, S. 7; 1812, S. 9 ff. Freimüth. Abendblatt, Jahrg. 1823, 1825, 1828. Die Lieder von 1817 ff. zum größten Theil im Großherzogl. Archiv (Tagebücher Fr. Fr. I.) oder in der Regierungsbibliothek, das von 1821 in der Universitätsbibliothek Rostock. Letztere besitzt noch ein undatirtes "Heil sey Dir Friedrich Franz", das wohl der Zeit zwischen 1812 und 1820 angehört; Anklänge an dieses zeigt das Lied von 1832.
2) Gelegentliche Absingung bei offiziellen Feiern, wie bei der Grundsteinlegung des Schweriner Regierungsgebäudes 1825, kann hier nicht mitzählen.
3) Schulschriften. Heft 4. Parchim 1835. S. 73.
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Lyrik jener Tage. Schloß sich "Gott segne Friedrich Franz" bewußt in Melodie und Wortlaut an "God save the king" an, so war für die große Zahl der übrigen Vaterlandslieder "Heil Dir im Siegerkranz" ausgesprochenes Vorbild und Vorlage. Das zeigt schon allgemein der Eingang: kein "Gott segne" mehr, sondern "Heil unserm Friedrich Franz" oder "Heil Dir im Ehrenkranz", "Heil unserm Fürsten! Heil!" und so weiter. Als besonders beliebt sind dann auch einzelne Wendungen und Ausdrücke übernommen: der "Siegerkranz" als "Ehrenkranz" oder "Bürgerkranz", der "Herrscher des Vaterlands" unverändert oder als "Vater des Vaterlands", die "Wonne, Liebling des Volks zu sein" u. a. Mehr oder minder große Anlehnungen dieser Art zeigen namentlich: die Doberaner Lieder von 1812 und 1817, das Rostocker "Fürstenlied" von 1819, das lateinische Schweriner von 1833. Alle diese Nachbildungen hatten ein kurzes Dasein; schon der ausgesprochene Charakter des Gelegenheitsgedichts bedingte das bei der größern Zahl von ihnen. Allein das "Fürstenlied" und das Rostocker "Heil unserm Fürsten! Heil!" hielten sich etwas länger; es schien sogar eine Zeit lang, als sollte das eine oder das andere für Rostock werden, was "Gott segne Friedrich Franz" für Parchim und Schwerin war.

Vorherrschend blieb seit 1812 die Melodie: "God save the king". Sie war es in dem Grade, daß man kaum noch ein Festlied zu dichten wagte, ohne sie zu Grunde zu legen. Ich will dafür ein zeitgenössisches Zeugniß anführen. Der Ratzeburger Justizrath G. C. Sponagel in seinem Buch "Des Vetters Feldzug in die Seebäder von Doberan (Hannover 1826)" läßt seinen Helden auch an der Feier des 10. August in Doberan theilnehmen. Von Ehrgeiz angestachelt, hat der Vetter ein Gedicht zu diesem Tage verfaßt. "Ich hatte", erzählt er, "meinen Pegasus gesättelt und die Empfindungen der fremden Badegäste auch auszusprechen versucht, Namens deren ich es vorzutragen beabsichtigte. Der bekannten Melodie des englischen Volksliedes hatte ich es angepaßt, weil die Weise es auszusprechen bei der Hand war, wenn ich meinen Zweck nicht verfehlen würde." (S. 338/39). Die nach anderer Melodie gedichteten Lieder kamen also schon dadurch in eine ungünstigere Stellung.

Nach Allem war die Position von "Gott segne Friedrich Franz" um 1834 keine schlechte. Es hatte die geläufige Melodie und es hatte, was keiner seiner Konkurrenten sich hatte erwerben können, seinen festen, gleichsam schon ererbten Besitzstand. Wenn auch 1824 noch wieder ein Anonymus Meklenburg mit einem

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"Festgesang für frohe gesellschaftliche Vereine am 10. Dezember I824", Melodie "Bekränzt mit Laub" beglücken zu müssen glaubte, weil er das Bedürfniß nach einer über den lokalen Brauch sich erhebenden, für das ganze Land gültigen Fassung empfand, wenn 1834 ein Korrespondent des Freimüthigen Abendblatts aus dem weltfremden Winkel Leussow, Amt Grabow, für die kommende Jubelfeier des Jahres 1835 Küffners Vaterlandslied von 1806 zu erwecken suchte und neben der "allbekannten und beliebten Volksweise" des "Freut Euch des Lebens" als passend und anwendbar zu solcher Gelegenheit pries: "Gott segne Friedrich Franz" mußte seinen Weg machen und machte ihn. 1 )

1835 am 24. April beging Friedrich Franz I. den Tag seines 50jährigen Regierungsjubiläums. Einem Herrscher ist selten vergönnt, auf ein halbes Jahrhundert wirkender Thätigteit zurückzusehen, und wenn es dem einen oder dem andern einmal gelang, das Ziel zu erreichen, so zeigte der Rückblick die vergangenen Jahre hinab ihm oft noch ein trübes Bild, das ihm selber die Stirn verdüsterte, und er sah sich vereinsamt. Der auserwählten Glücklichen sind wenig. Wer zu solcher Höhe emporgestiegen, mit hellem Auge umschauen kann, dem wird der Tag ein Ehrentag, und das dankbare Volk, das ihn den Weg hinauf begleitet hat, legt ihm die Kränze seiner Freude und seiner Liebe zu Füßen. Meklenburg beging das Fest seines Landesfürsten mit rauschender Begeisterung. In den Städten, auf dem flachen Lande, allüberall wollte man sein Theil haben an der Feier; die Blätter jener Tage sind voll von Berichten, und die reichen Einzelzüge, die sie uns bringen, setzen sich zusammen zu einem vollen schönen Bild der damals herrschenden Festfreude. Hier war es bequem, Umschau zu halten. Die Gelegenheit mußte die Probe darauf geben, wie weit unser Lied bisher gedrungen und bekannt geworden; sein Geltungsbereich mußte sich fixiren lassen. Und das Resultat? Soweit nicht geistliche Lieder vorgezogen wurden, wie "Nun danket alle Gott", "Herr Gott, Dich loben wir" oder ähnliche, z. B. bei der Rostocker


1) Freimüth. Abendblatt 1824, Sp. 847/48; 1834, Sp. 678. Die Korrespondenz aus Leussow (Loissow) ist unterzeichnet B.; es ist das wahrscheinlich der damalige Organist G. W. Bade dort. Er kennt übrigens den Namen des Verfassers, Küffner, nicht mehr und meint, daß das Lied 1803 oder 1804 kurz vor der Besetzung Meklenburgs durch die Franzosen erschienen sei.
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Universitätsfeier, begegnen uns auch in diesem Fall wieder vielfach dem Zweck und Tag angepaßte, "eigends" gedichtete Lieder, deren Text oder Eingang jedoch leider fast nie überliefert ist, so in Goldberg, Doberan, Dargun, Sülze, Penzlin, Malchin, Gnoyen und sonst. In Wismar zog das Militär nach der Parade auf dem großen Markt und nach der Ansprache des Kommandeurs unter den Klängen von "God save the king" zum Gottesdienst in die Nicolaikirche; in Warin sang man "Heil Dir im Siegerkranz, Heil unserm Friedrich Franz", in Wittenburg "Heil Friedrich Franz". "Gott segne Friedrich Franz" ist als geblasen oder gesungen erwähnt in Grevesmühlen, Güstrow, Schwaan, Damshagen, und auch von Dargun heißt es wenigstens, daß dem für die Feier gedichteten Liede die Melodie "Gott segne Friedrich Franz" zu Grunde gelegt worden. In Parchim ward an diesem Tage beim Schulfestakt abweichend eine für die Gelegenheit zurecht gemachte Fassung gesungen; eine ähnlichefügte Bahrdt seinem zur Jubelfeier verfaßten Festspiel ein, das am 26. April in Ludwigslust zur Aufführung kam. Das Schweriner Gymnasium beging seine Feier erst am 27. April, und hier blieb man bei dem alten überlieferten Text. 1 )

Gewiß von einer allgemeinen Verbreitung und Anwendung kann man auch hier noch nicht reden; aber es zeigte sich doch bei dieser Gelegenheit, daß das Lied allgemeiner bekannt geworden war. Der beste Beweis dafür ist, daß es vielfach bereits als Melodievermerk "God save the king" und "Heil Dir im Siegerkranz" ersetzt. In Güstrow z. B. heißt es, wurden vom Pfarrthurm Choräle und das Vaterlandslied "Gott segne Friedrich Franz" geblasen; in Grevesmühlen bliesen es die Jägerhornisten des Schützenkorps, und aus Damshagen lautet der Bericht ähnlich. Ich denke mir, man wird das dem Einfluß der Schulen von Parchim und Schwerin zuschreiben müssen, der sich allmählich bemerkbarer machte. Es gingen von beiden Anstalten Jahr für Jahr eine Anzahl Männer ins Land, von denen man doch annehmen mag, daß sie die empfangenen Eindrücke mitnahmen und bewahrten; es lag für sie nahe, wenn der Anlaß gegeben, in der Richtung dieser Eindrucke thätig zu sein.


1) Freimüth. Abendblatt 1835 passim. Für Parchim wie für Schwerin wurden zur Feier besondere Einladungsprogramme ausgegeben, die auch die zu singenden Texte enthielten. Bahrdt's Festspiel "Der Rune letzter Spruch" in seinen "Erinnerungen". Neustrelitz und Neubrandenburg 1840, S. 160 ff.
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So dürfte in Meklenburg manches "Gott segne Friedrich Franz" gesungen sein, dessen Quelle in Schulerinnerungen lag.

1837 starb Friedrich Franz I. Mit seinem Nachfolger kam ein neuer Name, Paul Friedrich, und diesem Namen mußten nicht nur die neuzudichtenden Lieder angepaßt werden, auch die alte Schwerin=Parchimsche Weise, die auf den Reim "Friedrich Franz" gestellt war, paßte nicht mehr und konnte nur in einer durchgreifenden Ummodelung beibehalten werden. An beiden Schulen unterzog man sich dieser Erneuerungsarbeit, in Schwerin der damalige Direktor des Gymnasiums, Wex, in Parchim ein nicht genannter; aber, da man hier wie dort selbständig vorging, kamen zwei verschiedene Lieder heraus. Beide lehnen sich an das alte Original noch ziemlich eng an, doch nicht so weit, daß die Aenderungen sich nur auf das unumgänglich Notwendige beschränkt hätten; die Redaktoren haben auch sonst Textverbesserungen anzubringen für gut befunden, und gerade an diesen Stellen tritt der Unterschied der zwei Bearbeitungen am Augenscheinlichsten hervor. Merkwürdiger Weise stimmen die ersten vier Zeilen bei beiden vollständig überein. Ein dritter Text, der uns aus Bützow überliefert ist, hält sich, wie es scheint, ganz frei von irgend einer Vorlage; aber er hat auch die Eingangszeile "Heil Dir, Paul Friederich" gleichlautend mit der Schweriner und der Parchimschen Fassung. Aus dieser Uebereinstimmung des Eingangs bei allen drei ergiebt sich die Schwierigkeit, in Fällen, wo man nur den Eingangsvermerk angegeben findet, zu ermitteln, welche der drei Fassungen gemeint ist. Ich glaube, im Zweifelsfalle wird man gut thun, sich immer für die Schweriner zu entscheiden.

"Heil Dir, Paul Friederich" trat in Parchim und Schwerin vollständig an die Stelle von "Gott segne Friedrich Franz"; vom 15. September 1837 angefangen bis 1842 scheint es dort bei der Schulfeier an des Fürsten Geburtstag regelmäßig gesungen zu sein. Eine Ausnahme machte nur Schwerin 1840, wo statt des herkömmlichen das Vaterlandslied aus der Lappe'schen Oper "Die Obotriten", die gerade in diesem Jahre mit großem Erfolg am Hoftheater zuerst über die Bühne gegangen war, als Festlied gewählt war. Sonst kann ich ein "Heil Dir, Paul Friederich", abgesehen von Bützow 1837, nur noch nachweisen in Wismar und Wittenburg. In Wismar ward es am 22. September 1838 beim Stapellauf des "Paul Friedrich", als das Schiff unter dem Donner der Kanonen sich in Bewegung setzte und ins Meer glitt, an Bord gesungen; in Wittenburg spielte es am 15. Sep=

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tember desselben Jahres Mittags die Musik vom Rathhause neben "Nun danket alle Gott".

Die Regierungszeit Paul Friedrichs war kurz, und darum auch hatten alle diese Neudichtungen nur ein kurzes Dasein. 1842 schon folgte Friedrich Franz II. Seitdem ist der Name "Friedrich Franz" stehend geblieben in unserm Herrscherhause bis auf den heutigen Tag, und diese Stetigkeit mußte der Verbreitung eines Liedes günstig sein, das so mit dem Namen verquickt war, wie unser Lied. Empfand man zu Zeiten noch einmal das Bedürfniß, eine über Wechsel und Namen erhabene, allgemein gültige Fassung zu finden, sie schwand stets wieder, da ihre Berechtigung nie zwingende Nothwendigkeit ward. Unter den gegebenen Verhältnissen mag gerade der persönliche Charakter dem Volk die alte Weise lieb und werth gemacht haben. Denn fraglos wird die begeisterungsfreudige Menge immer das Gefühl einer innigem Beziehung zu ihrem Fürsten haben, wenn sie singend seinen Namen nennt. Die innere Anschauung arbeitet reger, die Worte formen sich zum Bild und in die Mitte des Bildes tritt die Person des Genannten, wie uns das Bild eines Freundes vor die Augen tritt, dessen Namen wir aussprechen. Man schätzt die große Masse schlecht ein, wenn man ihr Verständniß für Abstraktionen zutraut; das Volk will mit den Augen sehen, will Bilder und keine Begriffe.

Die Neue Schwerinsche politische Zeitung brachte an der Spitze ihrer Nr. 25, Jahrgang 1843 ein Festgedicht zum 28. Februar, dem Geburtstage des neuen Herrn, von A. J. C. zur Nedden, 1 ) das man eine Variation über die 1. Strophe von "Gott segne Friedrich Franz" nennen könnte. Es beginnt:

     "Gott segne Friedrich Franz"
Dem Mecklenburger wohl bekannte Weise,
Die durch ein Halbjahrhundert froh erklang,
Gesungen einst dem theuren Fürsten=Greise,
Erschalle heute als ein Feiersang!

und der Schluß:

Und laß Ihm einst, wie Seinem Ahn', ertönen
Am Jubelfest:
     "Gott segne Friedrich Franz!"
          u. s. w.


1) August Johann Karl zur Nedden, geb. 1804, 1836 Kanzleiregistrator an der Justizkanzlei in Schwerin, 1863 Sekretär, 1865 Hofrath, gestorben 17. Mai 1881. (Mecklenburg. Zeitung 1881, Nr. 228).
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Das Gedicht ist charakteristisch für die herrschende Stimmung unserm Lied gegenüber; es leitet seine Geschichte in der Zeit der kommenden Regierung ein.

Allerdings ist es nicht ganz zweifellos, ob es, selbst an den alten Stätten, wo es einst gesungen ward, sofort wieder rezipirt wurde. Für Schwerin fehlen uns aus den ersten Jahren, 1843 bis 1845, bedauerlicher Weise alle näheren Berichte. Das Freimüthige Abendblatt schweigt ganz, und die Chronik der Gymnasialprogramme bringt zur Feier des 28. Februar kurz nur das Verzeichniß der gehaltenen Reden und dazu immer wieder die Notiz, daß dem Festakt auch Gesänge des Chors und einzelner Schüler angeschlossen gewesen seien. Für 1846 kann ich dann "Gott segne Friedrich Franz" nachweisen, und der Ausdruck, mit dem jetzt von ihm gesprochen wird, es sei, heißt es, "der den Meklenburgern schon aus älterer Zeit so lieb gewordene Chor", 1 ) läßt fast schließen, daß man es damals zum ersten Mal wieder aufgenommen habe. Aber ich will ein bestimmtes Urteil darüber nicht abgeben. Am Parchimschen Gymnasium wurde, das wissen wir sicher, am 28. Februar 1843 und 1844 eine abweichende Fassung gesungen. Für 1845 fehlt mir die Nachricht, und von 1846-1853 fanden wegen Mangel eines genügend großen Saals in Parchim überhaupt keine Schulfeierlichkeiten, also auch keine Feier des fürstlichen Geburtstages, statt. Aber 1854, als mit der Eröffnung des neuen Hörsaals dieses Interregnum ein Ende nahm, erklang im Festakt am 28. Februar auch sogleich wieder unser "Gott segne Friedrich Franz". 2 )

In den Jahren darauf bis in die Gegenwart wird es immer schwieriger, die Geschichte unseres Liedes zu verfolgen. Ich will mich deshalb damit begnügen, es bis hierher begleitet zu haben. Das Ergebniß der Entwickelung liegt ja klar vor Augen. "Gott segne Friedrich Franz" hat sich eine feste Stellung in unserm Volksleben errungen; es ist die Volkshymne geworden, die gesungen wird, wenn das Volk seines Fürsten gedenken will. Was ihm diesen Rang hat streitig machen wollen, ist zurückgesunken, so vollständig, daß man heute fast vergessen hat, daß es einst Konkurrenten gab. Das gilt nicht allein von den


1) Freimüth. Abendblatt 1846, Sp. 192.
2) Freimüth. Abendblatt 1843, Sp. 198; 1844, Sp. 181. - Parch. Schulschriften N. F. V. (1845) S. 78/79. Schulschriften 3. Folge IV. (1854) S. 36. - Die Fassung des Liedes von 1843 schließt sich ziemlich genau an den Wortlaut der Parchimschen Fassung von "Heil Dir, Paul Friederich" von 1837 an.
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ältern Liedern, auch was in neuerer Zeit an dichterischen Versuchen ähnlicher Art aufgetaucht ist, hat eine Stellung von irgend welcher Bedeutung nicht gewinnen können. Ich nenne da nur das Bahrdt'sche (1838): 1 )

"Ich bin ein Mecklenburger, meine Farben,
Sie wehen mir in Lust und Leid voran!",

das Dehn=Lappe'sche "Vaterlandslied" aus der Oper "Die Obotriten" (1840):

"O Vaterland du theures, sei gepriesen",

Emanuel Geibel's "Trinkspruch" (1870):

"Stoßt an im Saft der besten Reben.
Stoßt an: Land Mecklenburg soll leben",

und das Lied "Mecklenburgs Schönheit" aus Greve's "Heimathskunde" (1873):

"Du herrlich Land, mein Heimathland".

Aber auch die Ueberarbeitungen seines Wortlauts, die Verbesserungen, mit denen man gelegentlich störende Härten seiner Fassung zu mildern gesucht, hatten kein besseres Schicksal. Der alte originale Text erwies sich von einer Lebenskraft, daß er aus all diesen Vermummungen siegreich immer wieder hervorbrach; wir haben ihn heute, wie vor bald 100 Jahren unsere Voreltern ihn hatten und sangen. Was ist das Geheimniß dieses Erfolges? Es ist keine Zauberei dabei; der Erfolg erklärt sich allein daraus, daß unser Lied nicht mehr sein wollte, als das Volk verstehen und begreifen konnte, aus der Singbarkeit seiner Melodie und der anspruchslosen Einfachheit seiner Worte. Man mag den Text trivial nennen. Zugegeben; aber Dichter, die Volksthümlichkeit und echt poetischen Schwung glücklich vereinigen, sind seltene Erscheinungen, und nur besonders günstige Bedingungen geben ihnen das Leben. Wir wollen zufrieden sein, daß wir eine Hymne haben, die sich als lebensfähig erwiesen hat, und daß sie das ist, bekundet uns das Volk jedes Jahr, wenn es an seines Fürsten Geburtstag singt

"Gott segne Friedrich Franz".


1) Bahrdt, Erinnerungen, S. 207. (Das Lied ist Einlage in: "Der Bivouak vor Paris. Ein dramatisches Gemäld"); Geibel, Werke, 2. Aufl., Bd. IV. 252; Greve, Bilder aus der Heimatkunde von Mecklenburg, S. 1.
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Anhang I.
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Christlieb Georg Heinrich Arresto.

Sein Leben und seine Werke. 1 )
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S o gewiß es ist, daß vererbte Neigungen und der Einfluß des Lebens und der Umgebung nicht ganz den Menschen ausmachen, so wahr ist es doch, daß sie wesentlich bedingend mit einwirken auf sein Werden und Sein, auf seine innere Entwicklung, wie auf die Gestaltung seiner äußern Lebensverhältnisse. Einen sprechenden Beweis dafür liefert die Biographie unseres Helden. Echter Sohn seines Vaters, ein unruhiger Geist wie dieser, leichtlebig bis zum Leichtsinn, schnell gereizt und aufbrausend, trat er in die Welt als geborener Feind ihrer guten Sitte und gesetzten Ordnung. Aber das Leben nimmt solche heißen Köpfe gemeiniglich in harte Schule; es rüttelt und schüttelt sie, daß ihnen schließlich keine Wahl bleibt, als trutzig unterzugehen oder sich darein zu fügen, wie andere die gebahnten Straßen zu gehen, statt eigenwillig und stürmisch über Hecken und Gräben ihren regellosen Weg zu nehmen. Ein Abweichen von der Regel verzeiht die Welt nur dem Herrn und dem Genie, und Arresto war weder das eine, noch das andere. Er hat den Kampf mit den Mächten des Lebens voll ausfechten müssen; ein abenteuerliches Wanderdasein führte ihn durch einen großen Theil von Europa, und es war noch wie ein Kompromiß, den er dem Gegner abzwang, daß er als Schauspieler Beruf und Existenz fand.

Der Vater, Karl Rudolf Arresto, 2 ) stammte aus dem Preußischen. Um 1722 geboren, war er 1747 als Husar zu dem Ziethen=Regiment gekommen und war den fünf


1) v. Recke und Napiersky, Allg. Schriftsteller= und Gelehrten=Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Bd. I (1827) 46/47; II 590; IV 601; Nachträge (von Th. Beise) I 14 und Nachträge zu Nachtrag I und II, S. 2. Schröder, Lexikon der Hamburg. Schriftsteller. Bd. I (1851) 99. Goedeke, Grundriß. V 370; VII 485. Dazu Akten des Großherzogl. Archivs zu Schwerin.
2) Man findet die Schreibungen: Arressto, Arresto, Aresto.
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Schwadronen des II. Bataillone, das damals in den von Preußen besetzt gehaltenen meklenburgischen Aemtern garnisonirte und in Parchim, Lübz und Plau stand, zugewiesen worden. Der Kommandeur in Parchim aber, Oberstlieutenant von Vippach, 1 ) hatte ihn zunächst nicht eingestellt, sondern ihn, wahrscheinlich seiner guten Handschrift wegen, als Sekretär bei sich behalten. In dieser Stellung war er 26 Monate lang geblieben. Als er dann doch noch in die Truppe eintreten sollte, zeigte sich, daß er brustkrank und zum Dienst untauglich geworden, und er erhielt Januar 1749 seine Entlassung mit der Versicherung, daß anderweitig für ihn gesorgt werden würde. 17 Monate wartete er auf die Erfüllung dieses Versprechens, umsonst. Da wandte er sich denn, in einem Gesuch vom 5. März 1750, an den Herzog Christian Ludwig und bat, ihn in meklenburgische Dienste zu übernehmen. Dieses Gesuch hatte bessern Erfolg; noch im März erhielt er die Antwort, daß ihm eine Anstellung als Schreiber in der Regierungskanzlei mit 5 Thalern monatlich zugewilligt sei. Er wurde dann während des Jahres 1750 Pedell, 1751 Kopist. Während des siebenjährigen Krieges theilte er mit dem Hof und der Regierung Leid und Drangsal der preußischen Okkupation; er flüchtete mit dem Herzog 1757 nach Lübeck, 1758 nach Altona, 1759 abermals mit dem ihm anvertrauten Geheimen und Regierungs=Archiv nach Lübeck und ebendahin die folgenden Jahre, sobald man erfuhr, daß feindliche Truppen im Anmarsch seien. 1762 ward er Kanzlist, 1781 Geheimer Kanzlist und starb den 21. Juni 1799 in seinem 77. Lebens= und 49. Dienstjahre. 2 ) Er war viermal verheirathet gewesen; zwei seiner Frauen trug er zu Grabe, von der dritten wurde er geschieden, die vierte begrub ihn. Aus diesen Ehen wurden ihm 6 Kinder geboren, 2 Sohne und 4 Töchter, von denen 4 ihn überlebten. 3 ) Außerdem hatte er einen Sohn aus


1) Heinrich Sigismund von Vippach und Mark=Vippach, geboren 17. März 1712, † 12. September 1755. (Mackensen, Schwarze Husaren, Bd. II (1892), Anlagen S. 20*.) Er verließ Meklenburg Ende 1748 wieder. Am 27. November 1747 zum Chef des Husarenregiments von Ruesch (Schwarze Husaren) ernannt, verabschiedete er sich in einem Schreiben vom 15. Dezember 1748 vom Herzog Christian Ludwig, um diese Stellung anzutreten.
2) Mecklenburg. Nachrichten 1799, S. 714.
3) Er war verheirathet:
1. mit einer geborenen Fenzahn oder Fenzsam, † 1762, Tochter des Jägers Eggerd Fenzahn, Banzkow.
 Sohn Sigismund Ernst Wilhelm, getauft 22. April 1748, begraben 1. Mai 1748. (  ...  )
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einem wilden Verhältnisse während seiner ersten Ehe, der später auch legitimirt wurde und nach einem stürmischen Leben in englischen Diensten endete. 1 )


(  ...  ) 2. 1763, 16. Januar, mit Eva Margarethe Elisab. Brammer, geb. 10. Januar 1739 als Tochter des Küsters Brammer an St. Georg in Parchim, einer Halbschwester seiner ersten Frau.
Tochter: Friederike Charlotte Elisabeth, geb. 8. Oktober 1763, verehl. (26. Oktober 1800) Kaufmann Westphal, Demmin.
3. 1767 mit Karoline Helena Elisab. Reusner, get. 24. November 1748 als Tochter des Amtsschreibers Stephan Heinrich Reusner († 22. Januar 1801) in Schwerin, geschieden 1771.
Kinder: a. Christlieb Georg Heinrich, get. 14. März 1768, † 22. Juli 1817;
b. Sophie Caroline Helena, get. 12. August 1769, verehel. Inspektor Anderssen, Tribsees.
4. 1772 mit Johanna Sophie Elisab. Sickel, nachgelassenen Tochter des Pastors Sickel in Nordheim, † 10. Januar 1821, 79 Jahre alt.
Kinder: a. Dorothea Maria Elisab., get. 10. Dezember 1773;
b. Christina Auguste Dorothea, get. 20. September 1774, verehel. Musikdirektor Ebers, Neustrelitz.
(Cleemann, Repertorium universale (1809) S. 72. Cleemann, Syllabus Parchimensium (1809/10) S. 46,147; Kirchenbuch der Schweriner Schloßkirche und Akten des Schweriner Archivs.)
1) Kaspar Friedrich Arresto, geb. 1761. Sein Leben ist abenteuerlich und für die Familie charakteristisch genug, um hier einen Platz zu verdienen. Als kaum 13jähriger Knabe (um 1774) entlief er dem Arbeitsmann Crumsee in Ludwigslust, zu dem er in Kost gegeben war, weil er wegen einer Schulversäumniß gestraft werden sollte. Er trieb sich eine Weile im Lande herum und kam dann nach Rostock, wo er bei dem Advokaten Walter Stein Arbeit fand. Dort blieb er 3 Jahre lang. Als er aber eines Tages auf einer Lüge ertappt und gezüchtigt wurde, entwischte er aufs Neue und nahm sein Vagabundenleben wieder auf. Nach weiteren 1 1/2 Jahren, ganz heruntergekommen, kehrte er nach Schwerin zu seinem Vater zurück (1780). Von hier aus wandte er sich in einer vom Vater Arresto selber verfaßten Supplik (10. März 1780) an den Herzog mit der Bitte, ihm durch Erhöhung des Gehalts seines Vaters eine Beihülfe zum Studium des Französischen und der Musik zu gewähren. Man weiß nicht recht, ob diese Supplik mehr im Interesse des Vaters oder des Sohnes eingereicht worden: jedenfalls ward das Gesuch abschlägig beschieden, und der Sohn ging wieder in die Weite. 1790 finden wir ihn in englischen Diensten auf St. Helena: er ist seit 8 Jahren brittischer Soldat, verheirathet mit einer Tochter des Hauptmanns Salomon St. Maurice und scheint sich nach einem Zeugniß des Gouverneurs Rob. Brooke (vom 7. April 1790) jetzt ganz gut zu machen. Auf seine Bitte wandte sich der Vater damals mit einem Gesuch (24. August 1790, wiederholt am 13. August 1791) an den Herzog, er möge sich doch bei der brittischen Majestät dafür verwenden, daß der Sohn eine Offizierstelle in der ostindischen Kompagnie erhalte. Ein Empfehlungsschreiben (vom 23. August 1791) ist daraufhin thatsächlich nach England abgegangen. Was weiter daraus geworden ist, weiß ich nicht. Auf Bitte des Vaters (20. August 1789) hatte der Herzog den Sohn schon 1789 legitimirt.
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Was für ein Charakter Vater Arresto war, darüber erfahren wir mancherlei Interessantes aus den Akten. Seine Ehe mit der dritten Frau wurde geschieden, und solche Scheidungen pflegen nicht ohne Eclat eingeleitet, nicht ohne Zank und Prozeß zu Ende geführt zu werden. Da giebt es Klagen und Gegenklagen, und die Niederschrift solcher Auseinandersetzungen rettet uns oft Bilder der Vergangenheit, die von Sitte der Zeit und Art der Menschen beredt sprechen. Wir besitzen die Scheidungsakten in Sachen Arresto's und seiner Frau Karolina Helena Elisabeth, geborenen Reusner, und was wir darin lesen, giebt nicht gerade ein erfreuliches Bild von ihm.

Er hatte sich bei der Heirath verpflichten müssen, mit seiner jungen Frau zu seinem Schwiegervater, der verwittwet war und nur diese Tochter besaß, ins Haus zu ziehen, um ihm die Wirtschaft zu erleichtern. Das erste Jahr ging es mit dem Zusammenleben auch ganz gut. Dann aber, um Ostern 1768, kam Unfriede ins Haus. Sei es, daß er sich von Vater Reusner zu sehr beaufsichtigt fühlte, sei es, daß Einflüsterungen von Seiten seiner Verwandten erster Ehe, die ihn für sich zu gewinnen hofften, auf ihn einwirkten, Arresto erklärte plötzlich, ausziehen zu wollen. Die Frau und der Schwiegervater widersetzten sich dem, und es kam zu erregten Auseinandersetzungen. Die herzogliche Regierung legte sich schließlich ins Mittel und brachte noch einen Vergleich zu Stande (8. Juni 1768), nach dem Arresto einwilligte, zu bleiben, und sich verpflichtete, bei weitern Streitigkeiten sich dem Schiedsspruch der Schweriner Justizkanzlei zu unterwerfen. Die Freude dauerte jedoch nur kurze Zeit. Bald kam er auf seine alte Forderung zurück und fand denselben Widerstand wie zuvor. Die Leidenschaften erhitzten sich, und wüste Szenen folgten. Arresto kam häufiger betrunken nach Haus und suchte dann Händel mit Jedermann. Er ohrfeigte seine Frau auf der Straße; er schlug sie, als sie eines Abends Gegenworte auf sein Gezänk hatte, mit dem Pfeifenrohr, daß die Stücke davonflogen und die Mägde aus der Küche herbeieilen mußten, sie von dem Wüthenden zu befreien. Es kam zum Prozeß. Nach Bescheid der Justizkanzlei (31. Oktober 1769) ward Arresto freigegeben, ausziehen zu dürfen, und der Frau befohlen, ihrem Gatten zu folgen. Sie aber weigerte sich, den Spruch zu erfüllen; sie blieb mit ihren beiden Kindern beim Vater und klagte auf Scheidung.

Was die Akten nun an gegenseitigen Beschuldigungen aufführen, ist arg. Arresto klagt, daß man ihm seinen Sohn ent=

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fremde, ihn allerlei Zoten lehre, unter andern das schöne Lied "Die Juden haben ein Schwein geschlachtet", daß die Mutter weder Bibel noch Gesangbuch in die Hand nehme. "Und dies Kind", schreibt er (31. März 1770), "welchem Gott Munterkeit und Verstand geschenkt, soll ich in dem Reusner'schen Hause lassen?" Man erfährt von der andern Seite, daß Arresto von seinem Schwiegervater im ersten Jahr 300 Thaler zur Zahlung seiner Schulden erhalten, daß er Spiel= und Trink=Gesellschaften liebe und dazu auch seine Frau ziehe, daß er unordentlich lebe, unerlaubten Umgang mit andern Weibern pflege, das Seine verprasse und verschwende. Mit seiner Frau zanke er dann wieder, wenn sie mit dem Wenigen, was er ihr zur Wirtschaft gebe, nicht auskomme. Er behandle sie auch sonst niederträchtig, und seine Härte allein habe den Tod der beiden ersten Frauen verschuldet. Eine Blüthenlese angenehmer Eigenschaften! Man wäre geneigt, diese Charakteristik für übertrieben und vom Haß diktirt anzusehen, so maßlos erscheint sie. Der Beschuldigte war jedenfalls dieser Ansicht; er wandte sich darob Beschwerde führend an den Herzog. Aber wenn man dann in der Rückantwort auf diese Beschwerde (2. Januar 1770) liest, daß ihm nach seiner von Lübeck her sattsam bekannten Aufführung das alles zuzutrauen sei, so muß man doch wohl glauben, daß er ein recht loser Vogel gewesen. Stellt man sich ihn nun in der Pose sittlicher Würde vor, die er gelegentlich bewußt oder unbewußt spekulirend anzunehmen liebte, man denke an seine Entrüstung über die Vorgänge im Reusner'schen Hause, an seinen Appell mit Bibel und Gesangbuch an das fromme Gemüth des Herzogs Friedrich, 1 ) so ist das Bild vollständig. Es ist etwas Theatralisches in dem Manne.

Daß er dabei auch schätzbare Eigenschaften besessen, wird nicht geleugnet werden dürfen. Er erinnert selber einmal an die treuen Dienste, die er in Kriegszeiten zu Lande und zu Wasser geleistet, wie er das ihm anvertraute Archiv und 10000 Thaler gerettet. Er war ein fleißiger und hurtiger Arbeiter, der bis an sein Ende über kleine Verstimmungen hinweg sich der Wohlgeneigtheit seiner Vorgesetzten und des Herzogs zu erfreuen


1) Charakteristisch ist auch ein Passus in der von ihm wenigstens beeinflußten Supplik seines Sohnes Kaspar Friedrich vom 10. März 1780 (siehe vorhergehende Anmerkung); es heißt da: "Mein Vater, der jederzeit die edelsten Gesinnungen und Denkungs=Art gegen seine Kinder heget, und Bosheiten auch Laster auf das ernstlichste bestraft, damit seine Kinder heute oder Morgen Gott und dem Publico in der Welt was nützen werden." Man wird sehen, was hiervon zu halten.
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hatte. Auch poet war er, und so kündigte sich das dichterische Talent des Sohnes schon im Vater an. Zeugniß dessen sind zwei Briefe Arresto's an Foeldner, den Kammerdiener der Prinzeß Friedrich. In dem einen (6. Januar 1780) erkundigt er sich nach dem Schicksal des Gedichts, das er bei Gelegenheit der Entbindung der Prinzeß am 19. November 1779 an den Kabinetssekretär Ludwig zur Ueberreichung an den Erbprinzen adressirt; in dem andern (9. März 1780) dankt er für Nachricht "in Absicht der geschehenen Uebergabe meiner derzeitigen Gedichte" an den Prinzen. Gesehen und gelesen habe ich von diesen Poesieen nichts, kann also nicht über ihren Werth urteilen.

Am 25. Januar 1771 ward durch herzogliches Edikt an die Justizkanzlei in Schwerin die Trennung der Ehe Arresto's und seiner Frau, geborenen Reusner, kraft landesherrlicher Gewalt ausgesprochen. Der Sohn fiel dem Vater, die Tochter der Mutter zu; doch erklärte sich Arresto geneigt, einen gewissen Einfluß der Reusner's auf seines Sohns Erziehung zuzulassen.

Dieser Sohn war Christlieb Georg Heinrich oder, wie das Taufregister des Kirchenbuchs für die Hofgemeinde ausweist, Gottlieb Georg Heinrich Arresto, getauft den 14. März 1768. 1 ) Er war ein zartes Kind, als der Konflikt im elterlichen Hause ausbrach, und die ersten Anfänge erlebte er, als er noch in jenem Zustand schuldlosen Unbewußtseins war, in dem einem jungen Weltbürger alles andere gleichgültig ist, wenn er nur seine Nahrung bekommt. Aber, er wuchs heran, und je älter und einsichtiger er wurde, um so mehr mußte das Zerwürfniß zwischen seinen Eltern auch auf ihn wirken. Das Traurige in solchen Konflikten ist ja immer, daß eine Scheidung nicht reinen Tisch macht. Es bleiben Berührungspunkte, an denen der Hader stets neu wieder erflammt, und die Leidenden sind jene armen Wesen, denen Vater und Mutter in gemeinsamer treuer Arbeit Leiter und Berather auf den ersten Schritten ins Leben sein sollten. Der Eltern Unfriede verkümmert nicht nur der Kinder Herz; wer als Knabe zwischen zwei widerstreitenden Willen hin und her geworfen wird, geräth in die Gefahr, auch als Mann


1) Taufzeugen waren: 1. der Großvater, Amtsschreiber Stephan Heinrich Reusner, 2. der Amtmann Andreas Christlieb Streubel, 3. der Ingenieur Georg Friedrich Reusner, Sohn des Amtsschreibers, 4. der Amtsregistrator Heinrich Hugo Schröder. Der Täufling dürfte nach dem zweiten Pathen den Namen "Christlieb" erhalten haben. Die Eintragung "Gottlieb" wird auf einem Irrthum des Eintragenden beruhen.
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sich einer sonderlichen Verantwortlichkeit für sein Thun und Treiben nicht bewußt zu werden.

Der Knabe blieb nach der Scheidung seiner Eltern zunächst beim Vater. Aber ein Unglück für ihn war, daß er damit nicht zugleich dem Einfluß seiner Mutter - und seiner mütterlichen Verwandten entzogen wurde. Das Zugeständniß Arresto's an die Reusner's, bei der Erziehung des Sohns auch ein Wort mitreden zu dürfen, begünstigte geradezu diesen Einfluß und ward von ihnen voll ausgenutzt. Bei der beiderseitig weiter herrschenden Animosität führte das natürlich bald zu ärgerlichen Differenzen. Die Justizkanzlei mußte wieder einschreiten, und Ostern 1778 wurde der Bursche unter beiderseitiger Zustimmung zu dem Rektor Clemann 1 ) in Schwerin in Pflege und Unterricht gegeben; die Kosten sollten die Parteien je zur Hälfte tragen. Er blieb dort ein Jahr, bis Ostern 1779. Dann wollte der Vater ihn wieder wegnehmen, aus welchen Gründen, ist nicht recht ersichtlich; will man jedoch eine Erklärung, so mag man annehmen, daß er ihn gern aus Schwerin und dem Bereich der lieben mütterlichen Verwandtschaft forthaben wollte. Er bot ihn zunächst seinem Schwager, dem Rektor Sickel in Sternberg, an, und als dieser refüsirte, beschloß er, ihn nach Halle ins Waisenhaus zu schicken. Kaum aber war seine Absicht bekannt geworden, so erhob sich der lebhafteste Protest von Seite der Reusner's; sie gaben vor, befürchten zu müssen, daß Arresto nur nach einer Gelegenheit suche, auf unauffällige Weise sich des Kindes zu entledigen, und darum, schlossen sie, sei es jetzt mehr als je ihre Pflicht, über dasselbe zu wachen. Clemann weigerte sich darauf hin, den Knaben herauszugeben, und wandte sich an die Justizkanzlei mit der Frage, wie er sich verhalten solle. Arresto klagte beim Herzog. Die Justizkanzlei, zum Bericht aufgefordert, stellte sich auf die Reusner'sche Seite, und ihr Zeugniß (vom 19. März 1779) ist wieder nicht gerade ein Ehrenzeugniß für den Vater. Sie beschuldigt ihn, daß er den Haß gegen die Mutter auf den Sohn übertragen habe. Harmlose Streiche lege er ihm als Bosheiten aus und züchtige ihn dafür über Gebühr. Der Armschaden, den das Kind sich zugezogen, sei so nachlässig behandelt worden, daß er fast schon zum Krüppel geworden sei. Darum habe die Obrigkeit vollauf


1) Johann Christian Clemann, Rektor zu Schwerin, geb. 1715 zu Wittstock, † 1. Dezember 1793. (Cleemann, Archiv=Lexikon (1819), S. 133; Wex, Gesch. d. Schweriner Gelehrtenschule (1853) S. 58.)
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Ursache, ein Auge auf diese Erziehung zu haben, und die Befürchtung, daß dem Knaben auf der Reise nach Halle ein Leid geschehen könne, sei doch nicht so ganz von der Hand zu weisen. Man streiche hier von ab, so viel man will, es wird immer ein Rest bleiben: auch das Arresto'sche Haus war nicht eine Stätte, wo ein Kind Weisheit lernen und sein Urtheil über Recht und Unrecht schärfen konnte. Die herzogliche Regierung meinte aber doch in diesem Falle dem Vater beistimmen zu müssen. EinReskript vom 20. März ordnete trotz aller Einreden an, daß Arresto in seiner Verfügung über seinen Sohn nicht zu hindern sei; man solle ihm nur für den Fall, daß dem Jungen unterwegs etwas zustoße, exemplarische Strafe androhen, und wolle man ein Uebriges an Vorsicht thun, so könne man den Knaben ja den nach Leipzig zur Ostermesse reisenden Kaufleuten mitgeben.

Dieser höchsten Entscheidung gegenüber mußte natürlich jeder weitere Einwand schweigen. Der Vater setzte seinen Willen durch; der junge Arresto kam Ostern 1779 nach Halle auf die lateinische Schule des Waisenhauses. 1 ) Von seinen Leistungen dort, seinem Leben und seiner Aufführung erfahren wir leider nichts. Wir hören von ihm erst wieder, daß er nach Absolvirung der Schule Ostern 1786 die Universität Rostock bezog, um Jura zu studiren 2 ) und daß er Michaelis 1787 von da nach Bützow 3 ) übersiedelte, hier seine Studien fortzusetzen und zu vollenden. Ueber die Zeit dieses Bützower Aufenthalts sind wir etwas genauer unterrichtet. Eine Klage wegen unbeglichen gebliebener Schulden bei seinem Abgange, die zuerst bei seinem Vater und, als dieser sich zu zahlen weigerte, beim Herzog anhängig gemacht wurde, enthüllt eine Reihe von Einzelheiten, die interessiren mögen. Wir entnehmen der Klage, daß der Vater


1) Er ist im Album scholae latinae Orphanotrophei 1779 eingetragen als Nr. 11595. (Nach Mittheilung des Direktoriums der Francke'schen Stiftungen, Halle.)
2) Joachimus Henricus Pries, Theol. prof. . . . . Academiae Rector civium academicorum numero adscripsit . . . . . 1786 d. 2. Aprilis. Dn. Christlieb Georgium Henricum Arresto Suerinensem. (Nach einer gütigen Mittheilung des Herrn Dr. Hofmeister, Rostock.) Man vergleiche auch Eschenbach Annalen I (1790) 192.
3) Anno 1787 d. 1. Oct. tertium Rector Academiae constitutus Petrus Joannes Hecker. Mathes. P. P. O., in numerum civium academiae recepit . . . 8, Christlieb Georgium Henricum Arresto Suerinensem, Juris Studiosum, Rostochii jam inscriptum, d. XVII. Octbr. (Nach Mittheilung des Dr. Hofmeister.) - Nach v. Recke und Papiersky: Nachtrg. S. 14 soll er auch in Göttingen studirt haben; eine Anfrage dort ergab aber ein negatives Resultat.
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Arresto seinen Sohn an den Konsistorialrath Doederlein empfohlen hatte und durch diesen alle Kaufleute und Weinschenken hatte warnen lassen, ihm zur Zeit mehr als je einen Gulden zu kreditiren, daß der Rathsweinkellerpächter Drümpelmann sich aber trotzdem bereit finden lassen, ihn in die Assemblee, eine "Gesellschaft von Honoratioren und Literaten", die täglich zu gemeinsamem Abendessen (2 Gerichte zu 6 ßl. und 1/2 Flasche Wein) in seinem Lokal sich zusammenfand, aufzunehmen, und daß sich da nun für die Zeit von Michaelis 1787 bis Januar 1788 eine Rechnung von 12 Thlr. 4 1/2 ßl. aufgesummt hatte, die nicht bezahlt worden war. Der Vater nannte das Ausnützung des Leichtsinns seines Sohns, und nach der Sorgfalt zu urtheilen, mit der er seinem Sohn den Kredit einzuengen suchte, scheint er doch eine gewisse Ursache gehabt zu haben, nicht all zu viel Vertrauen zu der Einsicht und Solidität des jungen Studenten zu hegen. 1 )

Michaelis 1788 kehrte Arresto von der Universität nach Hause zurück, und sogleich sehen wir seinen Vater bemüht, ihm eine Stellung bei der Regierung zu verschaffen. In einem Gesuch vom 27. Oktober 1788 bat er, seinen Sohn als "supernumerairen Canzlisten" ihm selbst zur Hülfe im Regierungscollegio anzustellen, 2 ) und wäre es zur Genehmigung gekommen, so wäre unser Held vielleicht in eine friedliche Beamtenkarriere hineingeführt worden, deren heilsamer, sanfter Zwang mit der Zeit alle die trutzigen kleinen Eigenheiten seines Charakters hätte verkümmern lassen, die das Leben so unsagbar schwer, aber auch so unsagbar lebenswerth machen. Es sollte nicht so kommen; eine böse Geschichte, die dem Herrn Kandidaten passirte, machte alle Hoffnungen und Zukunftspläne seines Vaters zu Schanden.

Es war an einem Montag, den 23. Februar 1789, da besuchten Arresto und ein Freund von ihm, der Baron von Ramin, preußischer Offizier, Abends die Komödie. Sie tranken gleich im Anfang und in den Zwischenakten im Punschzimmer unten viel Punsch und waren schon ziemlich berauscht, als sie nach dem ersten oder zweiten Aufzug über den alten Garten hinüber in die Theatergarderobe gingen. Dort fanden sie Gesellschaft, unter andern den Musikdirektor Roy und den Schauspieler Hostovsky, und


1) Für den, den die Preise jener Zeit interessiren, gebe ich folgende Details: 1/2 Bouteille sehr alten Franzwein 16 ßl., 4 Butterbröte 4 ßl., 1 Schnaps 1 ßl., Semmel und Käse 1 ßl., 4 Parthie Carambol, à 2 ßl., 8 ßl.
2) Dorsualbemerkung auf dem Gesuch, datirt 29. Dezember 1788, "Gehet wohl inter deliberanda."
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Arresto forderte den gleichfalls anwesenden Theaterfriseur Paetow auf, ihnen zwei Gläser Punsch zu holen. Auf die Antwort, daß das nicht seines Amtes sei, gab es grobe Worte. Den Worten folgten Thätlichkeiten. Arresto ohrfeigte Paeton), und Paetow ergriff einen herumliegenden Theaterdegen und hieb damit auf seinen Gegner ein. Auf den Lärm hin kamen der Intendant, Graf Bassewitz, der Direktor Fischer u. a. herbei und rissen beide auseinander. Arresto wurde hinausgedrängt, auf das Theater unter heftigem Widerstreben hinaufgezogen und hinter den Koulissen über dasselbe weg die Treppe nach dem alten Garten hinunter an die Luft gebracht. Er versuchte noch einmal wieder in die Garderobe zu kommen, und als ihm das mißlang, rannte er ohne Hut und wie wahnsinnig zu der Weinstube von Tränker 1 ) in der Königstraße, wo er und Ramin vor dem Theater gewesen, zurück und kam da hineingestürzt, schreiend "ein Degen, ein Degen!" Auch hier fortgewiesen, ging er zu dem Sattler Henn, ließ sich von dem Dienstmädchen das Zimmer des Schauspielers Hagemann, mit dem er befreundet war, aufschließen, nahm von der Wand einen Hirschfänger, riß ihn aus der Scheide, und nachdem er noch eine Kopfbedeckung gesucht, aber keine gefunden, eilte er wieder auf die Straße. Vor dem Tränkerschen Hause trieb ihm das Unglück den Barbiergesellen Greßmann (oder Kreßmann) in den Weg. Sei es nun, daß dieser ihn durch Necken reizte, sei es, daß er ihn für einen andern hielt, mit den Worten "Du Hund!" hieb Arresto auf den Menschen ein. Der wehrte sich, so gut es ging, mit seinem Stock, wurde aber doch schließlich ziemlich erheblich an der rechten Hand verwundet. Herbeieilende traten dazwischen, entwanden Arresto seine Waffe und führten beide ins Tränkersche Haus, wo sie verbunden wurden. Arresto ward dort zu Bett gebracht. Als dann aber das Volk auf der Straße eine drohende Haltung anzunehmen begann, und die Handwerksgesellen, die ihren Kollegen rächen wollten, gegen die Thür drängten, fand man es doch rathsam, ihn unter dem Schutz der Wache über den Hof und durch den Thorweg weiter zu bringen. Er erwachte am nächsten Morgen im Hause seines Großvaters (Reusner), nach seiner Aussage ohne Erinnerung dessen, was den Tag vorher gewesen, und erstaunt über die Grenadiere, die schon da waren, ihn zu verhaften.


1) In den Akten steht Trenck und Trencker; die Schreibung Tränker fand ich in der Todesanzeige vom 22. Juli 1798, Meckl. Nachrichten 1798. S. 680.
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Da haben wir ein Bild von der Art und dem Charakter des jungen Arresto. Genußfreudig und leichtherzig, Habitué des Theaters und der Weinschenken, vornehme Bekanntschaften suchend und sich selber Kavalier dünkend, dabei temperamentvoll, aufbrausend und selbst gewaltthätig, sobald ihm jemand in den Weg tritt, so steht er vor uns. Den Vater kostete dieser Spaß 60 Thaler Gold, den Louisdor zu 5 Thaler gerechnet, die er nach langem Sperren am 12. Januar 1791 endlich als Entschädigung an Greßmann zu zahlen sich verpflichten mußte. Dem Sohn brachte das Urteil (vom 24. März 1789) 6 Wochen Haft in Dömitz wegen Berauschung und Störung der öffentlichen Sicherheit, außerdem Verwarnung und Tragung aller Kosten des Verfahrens. Auch mit der Karriere war es aus. Ein zweiter Dorsualvermerk auf dem Gesuch seines Vaters, datirt vom 24. Februar 1789 und von des Ministers von Dewitz eigener Hand, wies an, das Gesuch zu den Akten zu legen, "da die Aufführung des jungen Arresto aller Empfehlung entgegen sei." Und er hatte gerade, um sich besser zu insinuiren, zum bevorstehenden Geburtstag der regierenden Herzogin, zum 9. März, einen Prolog, "Das ländliche Fest," verfaßt und drucken lassen!

Dem Brausekopf war es natürlich höchst unsympathisch, sich auf 6 Wochen in Dömitz festsetzen zu lassen. Er empfand überdies die Blamage, die sein Benehmen ihm und seinen Angehörigen gebracht hatte, und hatte das begreifliche Bedürfniß, die Situation zu wechseln. Darum wandte er sich, kaum daß er verurtheilt war, mit einer Supplik (26. März 1789) an den Herzog und bat um gnädige Aufhebung des ihm zudiktirten Festungsarrestes und zugleich um die Erlaubniß, als Soldat im Leibregiment eintreten zu dürfen, wie das schon längst sein Wunsch sei; er gelobe für die Zukunft auch alle Besserung. Die Genehmigung erfolgte umgehend. Aber er kam nicht ins Leibregiment. Meklenburg hatte damals 3 Bataillone, nämlich das von Glüer'sche, später von Pressentin'sche Regiment und 1 Bataillon Grenadiere des von Both'schen Regiments im Solde der Generalstaaten in Holland stehen, und dorthin wurde der Missethäter abgeschoben: er wurde der von Lowtzow'schen Kompagnie des Grenadierbataillons zugetheilt und kam nach Herzogenbusch in Garnison. Man war wohl froh, in Rücksicht auf den Vater auf diese Weise die Sache aus der Welt schaffen zu können. 1 )


1) Dorsualvermerk auf Arrestos Gesuch, datirt 31. März 1789: "Supplicant geht nach Holland und wird als Grenadier angestellet." Man (  ...  )
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Der Vater blieb auch jetzt um die Karriere seines Sohns bemüht. Er richtete am 23. Oktober 1790 an den Herzog das Gesuch, den inzwischen Unteroffizier gewordenen Arresto zum Offizier zu ernennen, und als ihm das abgeschlagen wurde, kam er am 6. Dezember 1790 mit der neuen Bitte, ihm doch wenigstens die Junkerqualität zu verleihen, um ihm das Offizierwerden zu erleichtern. Aber auch damit hatte er keinen Erfolg. Besonders rühmenswerth scheint sich der junge Thunichtgut in Holland nicht geführt zu haben, und als er am 21. August 1791 ohne Wissen seines Vorgesetzten mit einem Grafen von Wittgenstein, der als Lieutenant in der holländischen Garde stand, und noch zwei andern holländischen Offizieren, um sich, wie man sagte, mit dem Grafen zu duelliren, nach Bokhoven ritt und nicht wieder kam, befürwortete der Berichterstatter über diesen Fall, der Oberstlieutenant von Crivitz, ihn ruhig laufen zu lassen, da nichts an ihm gelegen sei. 1 )

Bis 1794 hören wir nun nichts von ihm. Am 24. Februar dieses Jahres aber debütirte am Stuttgarter Hoftheater, bei Eröffnung der Bühne, ein Schauspieler Namens Burchardi als Montalban in "Lanassa" (von H. M. Plümicke). Er gefiel, nach der Kritik, einem großen Theil des Publikums; man rühmte ihm nach, daß er ein angenehmes Aeußere habe und mit viel Anstand und Feuer spiele, "nur wohl mit etwas zu vielem, und oft in der sogenannten großen Manier". 2 ) Er wurde engagirt und figurirt im Württembergischen Adreßbuch für 1795 und auch noch 1796 im Personalverzeichniß der Herzoglichen Hofbühne als Burkhardi. Im Adreßbuch für 1797 ist er verschwunden; aber statt seiner erscheint ein Arestov. Ich habe guten Grund, anzunehmen,


(  ...  ) vergleiche dazu die Kostenliquidation des Hauptmanns von Creutzburg vom 30. März 1789, wonach die Wachtkosten für Arresto in Schwerin bis zu seinem Engagement unter dem von Both'schen Grenadierbataillon 7 Thaler 32 ßl. betrugen.
1) Promemoria des Oberstlieutenant Carl Christian von Crivitz, Herzogenbusch, 26. Auaust 1791. Es heißt darin: "Da indeß nach seiner bekannten Denkungsart, und daraus fließendem Betragen zu urtheilen, von eben diesem Arresto sich wohl wenig Beßerung erwarten ließ, er auch manchen in der Ausschweifung zum Vorbilde gedienet, so möchte man es für ein Glück halten, daß auf gemeldete Weise das Corps vielmehr seiner entledigt ist." - Bokhoven liegt nördlich von Herzogenbusch nahe der Maas. - Der Graf Wittgenstein mag Victor Friedr. Carl Ferdin., aus der Linie Saun=Wittgenstein=Sayn, sein, der geb. 12. Septbr. 1768, als Lieutenant beim 3. Holländ. Waldeck=Reg. stand (Neues Genealog. Reichs= u. Staats=Handb" Frankf. 1791, I 219; 1792, I 232).
2) Annalen des Theaters, Berlin. 13. Heft (1794), S. 91.
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daß beide eine und dieselbe Person sind, und daß wir in diesem Burchardi=Arresto unsern desertirten jungen Helden Christlieb Georg Heinrich Arresto wieder haben. 1 ) Schauspieler ist er geworden und zwar ein glücklicher, sagt man, mit viel verheißender Begabung und getragen von der Gunst des Publikums. Er hat den Beruf gefunden, in dem wir ihn von nun an bis zu seinem Ende begleiten werden.

Stuttgart verließ er noch vor Ablauf des Jahres 1797 und wir treffen ihn 1798 in Hannover bei der Großmann'schen Gesellschaft, die gerade damals eine schwere Krisis durchzumachen


1) Er erscheint später in Hannover als "Aresto (ehemals Burchardy)". Die Sache ist übrigens nicht ganz so einfach, wie sie aussieht. Zu dieser selben Zeit gab es nämlich noch einen Schauspieler Burchardi, Karl Eduard, der nach Reichard's Theaterkalender von 1788 (S. 135) 1746 in Königsberg geboren war und 1766 (oder nach der veränderten Angabe in den Jahrgängen von 1792 an: 1769) debütirte, und von diesem Burchardi heißt es, zuerst im Jahrgang 1799 des Theaterkalenders (S. 99), gleichfalls "jetzt genannt Aresto". Wer von den auftauchenden Burchardi=Aresto's ist nun der Christlieb Georg Heinrich und wer der Karl Eduard? In unserem Falle könnten die jugendlichen Rollen, die der betreffende Schauspieler spielte, zu Gunsten des ersteren angeführt werden. Aber entscheidend ist das nicht. Man lese nur, was die Hamburgisch= und Altonaische Theater=Zeitung, I (1798) S. 159/60 gerade über diesen Punkt sagt: "Durchwandern Sie das sogenannte Vaterland von einer Ecke zur andern, Sie werden fast überall die unbegreifliche Eitelkeit an der Tages=Ordnung finden, daß abgelebte Matronen und völlig verblühte Schönheiten junge naive Mädchen, unschuldige Liebhaberinnen und Natur=Kinder spielen, und daß die grau gewordenen Amorosos der Vorzeit keinem Jünglinge von Talent und Liebe zur Kunst eine Liebhaberrolle von Bedeutung überlassen." Ich möchte die Frage von einer andern Seite anschneiden. Hat Karl Eduard Burchardi sich thatsächlich je Aresto genannt? Von unserm Helden wissen wir, daß er sich im Beginn seiner Laufbahn unter dem Pseudonym Burchardi verbarg, wozu er ja hinreichenden Grund hatte, und daß er später wieder mit seinem wirklichen Namen hervortrat. Denn daß er mit dem Hannoverschen Aresto identisch ist, möchte nicht zu bezweifeln sein: der Verfasser von "Frohe Laune" ist auch der Verfasser von "Vergehen und Größe", "Der Indienfahrer", "Die Soldaten" ("Hamburg und Altona". Eine Zeitschr., 1804, I 99).' Es war der Aresto, genannt Burchardi. Aber der Burchardi, genannt Aresto? Merkwürdig ist, daß Burchardi gerade 1798 (Theaterkal., für 1799) diesen Beinamen zu führen anfängt, kaum zwei Jahre, nachdem Arresto den Namen Burchardi abgelegt. Es wäre nicht unmöglich, daß hier ein Versehen der Redaktion des Theaterkalenders vorläge. Man führte in der Schauspielerliste den alten Burchardi. Da tauchte plötzlich 1797/98 ein Burchardi auf, der sich Aresto nannte: man kannte nur den einen, Karl Eduard, und, als könne nur dieser gemeint sein, gab man ihm den neuen Beinamen. Unser Arresto steht nicht in dem Schauspielerverzeichniß des Reichard'schen Kalenders; sein Rival hat ihn einfach todt gemacht.
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hatte, wieder. Er ist in deren Mitgliederliste aufgeführt als "Herr Aresto (ehemals Burchardy)"; seine Rollen sind "junge Helden und Liebhaber im Lust= und Trauerspiele, Bonvivants, singt". Die Kritik lobt ihn auch hier, wie sie es schon in Stuttgart gethan, und spricht sich über die Art und Grenzen seiner Befähigung ganz ähnlich aus. "Ein geschickter Schauspieler", schreibt sie, "in Bonvivants, Conversations=Männer und Raisonneurs. Er hat eine glückliche Bildung und zeichnet seinen Caracter, so lange er in den humoristischen Grenzen bleibt, glücklich. Im höhern Schauspiel liebt er Pathos und hochfahrende Rede. Sein Bariton ist nicht unangenehm." Auch einen artigen literarischen Triumph brachte ihm sein Hannöversches Engagement. Die Großmann'sche Truppe spielte das Jahr über außer in Hannover noch in Bremen und während der Brunnenzeit in Pyrmont. An diesem letztgenannten Orte erlebte im August 1798 Arresto's Lustspiel "Frohe Laune" die erste Aufführung; es wurde mit Beifall vom Publikum aufgenommen, und er selber gab den Werbeoffizier darin mit großem Erfolg. 1 )

1799 löste er dieses Engagement. Er gastirte in Hamburg und ging von da nach Stuttgart zurück. Aber lange hielt er es auch dort nicht aus; im Juni 1800 finden wir ihn schon wieder auf der Wanderschaft. Am 10., 17. und 20. dieses Monats spielte er in Leipzig bei der Franz Seconda'schen Truppe den August in "Leichtsinn und gutes Herz" (von Fr. G. Hagemann), den Baron Wiburg in "Stille Wasser sind tief" (von Fr. L. Schröder), den Wallenfeld in "Der Spieler" (von Iffland) und den Baron Ruf in "Die Schachmaschine" (von H. Beck), einem der beliebtesten unter den Stücken der damaligen Zeit, am 2. Juli mit großem Beifall in Hannover den Philip Brook in "Die Mündel" (von Iffland), den Salbader im "Sonntagskind" (Oper von Wenz. Müller, Text von Vulpius) und den Wilibald in "Heirath durch ein Wochenblatt" (von Schröder). Er ging dann nach Altona und blieb hier bis kurz vor Schluß des Jahres. 2 )

Der Schauspieldirektor Krickeberg hatte damals mit der Herzoglich Meklenburgischen Theaterintendanz einen Kontrakt abgeschlossen, der ihn verpflichtete, gegen einen jährlichen Zuschuß


1) Reichard's Theaterkalender (Gotha) 1798, S. 237; 1799, S. 231; 1800, S. 277. Hamburgisch= und Altonaische Theater=Zeitung, I (1798), 288, 336, 367; II (1798), 193.
2) Wollrabe, Chronologie sämmtl. Hamburg. Bühnen (1847), S. 102. - Herzogl. Wirtemberg. Adreß=Buch für 1800, S. 31. - Taschenbuch fürs Theater (Hamburg 1801), S. 231, 240, 269, 271.
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des Hofes im Betrage von 2600 Thlr. und eine Reihe weiterer Erleichterungen und Vergütungen, für drei Jahre (vom 1. Januar 1801 bis 1. Januar 1804) vom Januar bis Ende März in Schwerin und vom 1. Juli bis Ende August in Doberan zu spielen, während es ihm freiblieb, die übrige Zeit in Rostock, Güstrow und sonst Vorstellungen zu geben. In die Truppe, die Krickeberg auf diesen Kontrakt hin zusammensetzte, trat auch Arresto. Nach 11jähriger Abwesenheit kam er so in seine Heimath zurück. Ich sehe nicht, daß man ihm wegen seines einstigen Desertirens Schwierigkeiten gemacht hätte; es scheint, daß man stillschweigend über das Vergangene hinwegsah. Jedenfalls sah man ihn in seiner neuen Rolle lieber als in der alten; er spielte am 7. Januar mit Beifall den Baron Ruf in "Die Schachmaschine", brachte am 20. März seinen "Indienfahrer" heraus und hatte am 25. ein Benefiz mit dem ansehnlichen Ertrag von 111 Thlr. Ende März aber nahm er auch hier wieder Abschied und ging ein Engagement am Deutschen Theater in Hamburg, dieser von Schröder so lange glanzvoll geleiteten Bühne, ein. 1 )

Am 8. April trat er seine Stellung in Hamburg an, und die Zeit seiner Wirksamkeit hier, bis in den Sommer des Jahres 1804, kann man wohl als den Höhepunkt seiner schauspielerischen und schriftstellerischen Thätigkeit betrachten. Das war die Zeit, wo seine "Soldaten" (Sept. 1803) und deren Fortsetzung "Der feindliche Sohn" (Januar 1804) herauskamen und zwischen Publikum und Kritik einen heißen Kampf entfachten. Das eine entzückt, hingerissen, bereitete ihnen volle Häuser, so daß im Herbst und Winter 1803 auf 1804 Arresto's "Soldaten" neben Lessings "Nathan der Weise" die größten Einnahmen bringen konnten; die andere, die beiden Stücken einen höhern Werth nicht zuerkennen wollte, hielt darum um so strenger Gericht über den Schauspieler=Dichter. Die Arroganz Arresto's, der, den Erfolg auf seiner Seite, sich hochmüthig über die Kritik glaubte hinwegsetzen zu können, nahm den Gegensätzen auch nicht gerade ihre Schärfe. Vom Gebiet des Sachlichen fing die Fehde an, hinüber ins Persönliche zu spielen. Man hatte ihm noch nicht verziehen, was er in der Vorrede zu der gedruckten Ausgabe seines "Indienfahrer" 1803 geschrieben 2 )


1) Bärensprung. Geschichte des Theaters in Mecklenburg=Schwerin (1837), S. 182 ff.
2) "Wenn Dir . . . ein Mann begegnet, der Dir freundlich und bescheiden Deine Fehler und Mängel zeigt: so mache es, wie es Dein (  ...  )
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und fand jetzt doppelten Grund, ihm die Nichtachtung und Schmähung heimzuzahlen. Die Rücksichtslosigkeit der Polemik gegen ihn ging so weit, daß man vergaß, was sonst zwischen anständigen Menschen Regel und Satzung zu bleiben pflegt; man scheute sich nicht, auch den Menschen Arresto mit in die Erörterung zu ziehen und mit dessen moralischen Qualitäten den Schriftsteller zu messen. Wie ein wilder Kampfruf aus diesem Streite klingt es nach, wenn er 1804 dem Druck seiner "Soldaten" das Begleitwort mitgab: "Soldaten!. Der bescheidene, belehrende Kritiker ist gleich einem alten, gedienten Officier; ihm erzeiget diejenige Hochachtung, die ihm gebührt. Die gemeinen, hämischen Tadler sind Banditen in Hohlwegen; diese - schießt todt! wo ihr sie findet." 1 )

Während noch die Erregung hoch ihre Wellen schlug, verließ Arresto Hamburg, um einem Ruf nach St. Petersburg zu folgen. Dort waren für das Schauspiel gute Tage angebrochen. Im Frühjahr 1804 hatte eine gründliche Umgestaltung des Theaterwesens stattgefunden, die den vorhandenen Bühnen eine gesundere finanzielle Basis und damit eine bessere Bürgschaft für ihr Gedeihen geben sollte. Es gab damals in Petersburg 4 Bühnen, 3 sogenannte Krontheater, das französische, das russische und das italienische, die der kaiserlichen Intendanz direkt unterstellt waren, und das deutsche Theater, das unter der Leitung eines Privatunternehmers, damals eines Herrn Miré, stand. Alle vier wurden vom Hof unterstützt; doch waren die Zuschüsse bisher so wenig ausreichend gewesen, daß sie insgesammt in schwere Schulden gerathen waren. Dem sollte nun gründlich abgeholfen werden. Der Kaiser übernahm alle Schulden auf seine Kasse und erhöhte das jährlich von ihm zu zahlende Fixum um eine ganz beträchtliche Summe. Für das deutsche Theater bedeutete das einen


(  ...  ) Vater im gewöhnlichen Leben macht; drücke ihm dankbar die Hand! Begegnet Dir aber ein gemeiner Tadler, oder einer aus dem Geschmeiß anonymer, hämischer Rezensenten, . . .: folge auch hierin seinem Beispiel: zeige ihnen verächtlich den Rücken!"
1) Die "Soldaten" wurden zuerst am 9. September 1803 aufgeführt und machten in 13 Wiederholungen volle Häuser. "Der feindliche Sohn" kam am 20. Januar 1804 heraus und brachte es auf 7 Wiederholungen. Arresto erhielt für das erste Stück 300 M. Banko (24 Louisd'or) Honorar von der Direktion, für das zweite 200 M. Man vergleiche: Hamburg. unpart. Correspond. 1803, Nr. 147; 1804, Nr. 13. "Hamburg und Altona", 1803, IV 91, 232; 1804, I 98 ff., 242, 252; II 95, 97, 98 ff., 238 ff. "Der Freimüthige" (herausgegeb. von Kotzebue) 1803, S. 648, 679, 687. Wollrabe, Chronologie, S. 104, 115. - Nach dem Hamburger Adreßbuch wohnte Arresto dort (1803 und 1804): Valentinskamp Nr. 302.
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Schuldenerlaß von 56 000 Rubel und einen Jahreszuschuß von 25 000 gegen früher 5000 Rubel. 1 ) Miré reiste nun nach Deutschland, um sein Personal zu vervollständigen, kam im April nach Hamburg und engagirte unter andern auch Arresto für das Fach der ersten Liebhaber und Helden. Die Engagements=Bedingungen scheinen recht günstige gewesen zu sein; man erzählte sich, daß Arresto 2500 Rubel festes Gehalt zugesichert erhalten habe und außerdem das Vorrecht, Gelegenheitsstücke zu liefern, mit dem Anspruch auf Honorar und je eine Benefizvorstellung für jedes von ihm neu gelieferte Stück. Im August trat er zuerst in Petersburg auf. "Der Ruf, der ihm voranging," heißt es in einer Kritik, "hatte die Erwartung des Publikums sehr gespannt. Er hat sie befriedigt, und das Publikum hat ihn mit Enthusiasmus aufgenommen." Seine ersten Rollen waren Rolla in "Die Sonnenjungfrau" und in "Die Spanier in Peru" (beide von Kotzebue). 2 )

Trotz des größeren Zuschusses aber kam Mire bald wieder in Zahlungsschwierigkeiten. Er trat darum 1805 ab, und statt seiner übernahm nun Arresto die Leitung des Theaters. Die Jahressumme wurde ihm auf 30 000 Rubel erhöht und man rühmte seiner Leitung Fleiß, Ordnungsliebe und bessere Oekonomie nach; trotzdem wollte das Unternehmen nicht gedeihen, und als das Theatergebäude nach einer Aufführung von "Fanchon" (Oper von Himmel, Text von Kotzebue) 1806 in der Nacht vom 31. Januar auf 1. Februar a. St. abbrannte, beschloß der Kaiser auch das deutsche Theater zum Krontheater zu erheben und es wie die andern der Oberleitung des Intendanten aller Schauspiele, Herrn von Narischkin, zu unterstellen. Arresto blieb noch bis 1808. Dann schied er aus dem Verbande aus und verließ Petersburg. 3 ) Er soll darauf eine Zeit lang (um 1808) an der Reval'schen Bühne engagirt gewesen sein; aber 1810 sehen wir ihn wieder an der Spitze einer eigenen Truppe, mit der er in Mitau und Libau Vorstellungen gab. Freilich dauerte das nicht lange. Im Frühjahr 1811 schon brach in Mitau die Gesellschaft zusammen; Arresto mußte seine Truppe auflösen und kehrte nach Deutschland


1) Storch, Rußland unter Alexander I. Lief. 2 (1803), S. 253; Lief. 7 (1804), S. 166. Intelligenzblatt der allg. (Hallischen) Literaturzeitung, 1804, Sp. 36.
2) "Hamburg und Altona", 1804, I 344. Zeitung für die elegante Welt, 1804, S. 582, 912. "Der Freimüthige" 1804, II, S. 228, 396.
3) Zeitung für die elegante Welt, 1806, S. 47, 240, 268, 392, 944. Jffland, Almanach fürs Theater, 1809, S. 157: "Entlassen: Herr Arresto."
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zurück. Im Winter 1812 finden wir ihn in Königsberg; er gab dort einige Gastrollen, ohne jedoch sonderlich zu gefallen. Der Fremde müde und nach bewegtem Leben der Ruhe bedürftig, wandte er dann die Schritte wieder der alten Heimath zu. 1 )

Im Februar 1813 spielte die Breede'sche Truppe, die von Rostock gekommen war, in Güstrow. Sie gab dort am 18. ein kleines Lustspiel, "Die Theaterunternehmung oder Der Schauspieler auf Probe" (von ?), und hierin, in der Rolle des Schauspielers Fröhlich, gastirte der "vormalige Direktor des Kaiserlichen Theaters zu St. Petersburg", Arresto. Das war sein erstes Wiederauftreten in Meklenburg. Er veranstaltete 2 Tage darauf, am 20., ebendort noch eine Musikalische Akademie, aing dann aber weiter nach Schwerin. Von hier aus that er einen Schritt, den er vielleicht schon längere Zeit erwogen hatte; er wandte sich, im März, an den Herzog mit der Bitte, ihn in den Staatsdienst zu übernehmen und als Kanzlist im Regierungskollegium oder in einer der anderen Kanzleien anzustellen. Des Schauspielens satt, mit 45 Jahren an Enttäuschungen reich und keine Hoffnungen vor sich, sehnte auch er sich nach einer sicheren, wenn auch bescheidenen Stellung für den Rest seines Lebens. Der Herzog war nicht abgeneigt, den Wunsch zu erfüllen, theils aus Rücksicht auf die Verdienste des Vaters, theils, weil er meinte, daß man Supplikanten werde brauchen können, da er studirt habe. Aber zur Zeit war keine Vakanz vorhanden; man mußte ihn auf die Zukunft vertrösten und wies ihn an, sich vorkommenden Falls wieder zu melden. 2 ) Das war für ihn einem Abschlag gleich. Er sollte, schien es, nicht zu Ruhe kommen; der alte Beruf hielt ihn fest und ließ ihn nicht mehr los. Er gab noch zwei Vorstellungen in Schwerin, am 20. und 23. April; dann hören wir Monate lang nichts von ihm. Aber noch einmal lächelte ihm das Glück. Der Schauspieldirektor Becker, der damals die Konzession für Doberan hatte, wurde wegen vorgefallener Differenzen im Juli des Jahres 1813 plötzlich seines Kontrakts entlassen; die Stelle war frei, und Arresto gelang es, für sich die Konzession zu erhalten. Er verpflichtete sich für die Dauer von 6 Jahren; der Hof bewilligte ihm die gleichen Zuschüsse, wie sie seinem Vorgänger gezahlt waren, nämlich 300 Thaler jährlich an Reisegeldern und 100 Thaler wöchentlich


1) v. Recke und Napiersky, Nachträge zu Nachtrag I, S. 2. Chr. Müller, St. Petersburg (1813), S. 436/37. Zeitung f. d. eleg. W., 1812, S. 2088.
2) Herzogl. Schreiben d. d. Ludwigslust, 18. April 1813.
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für die Zeit, daß er in Doberan spielte, außerdem aber das Recht, die Erfrischungsanstalten zu verpachten und die Redouten für seine Rechnung zu veranstalten.

Wir können ihn nun für die nächsten Jahre ziemlich genau Monat für Monat in seiner Thätigkeit im Lande verfolgen. Wir finden ihn von Anfang Oktober 1813 bis gegen Mitte Februar 1814 in Rostock, wo er sich vom Rathe auch die Spielerlaubniß erwirkt hatte, 1 ) vom 13. Februar bis 1. April in Güstrow, vom 8. Juli bis zum Herbst in Doberan, dann wieder bis Ende Januar 1815 in Rostock, vom 29. Januar bis zum 9. Mai in Schwerin, von da bis zum 6. Juli in Rostock, während der Saison in Doberan, vom 3. Dezember 1815 bis 5. April 1816 in Schwerin, darauf in Rostock, vom 10. Juli bis zum Ende der Saison in Doberan, den Herbst und Winter über bis Weihnachten in Stralsund, von Ende Dezember bis Anfang Februar 1817 in Rostock, vom 9. Februar bis 13. Mai in Schwerin, zum Pfingstmarkt wieder in Rostock, am 23. Juni endlich in Doberan, wohin er seiner Gesellschaft vorangegangen war, die ihm am 6. Juli nachfolgte. Hier ereilte ihn der Tod. 2 )

Vom Schauspieler Arresto erfahren wir aus dieser letzten Periode seiner Laufbahn nicht mehr viel. Er trat noch auf, gewiß; aber bei der Durchsicht der Reihe uns erhaltener Schweriner Theaterzettel fand ich seinen Namen nicht allzu häufig. Er ist vom Fach der Helden und jungen Liebhaber übergegangen ins Fach der Charakterdarsteller; wenn er noch spielte, spielte er Rollen wie den alten Klingsberg in Kotzebue's "Die beiden Klingsberg", Marinelli in "Emilia Galotti", Humphry Bohun in Körner's "Rosamunde", Tartüffe in Molière's "Tartüffe", Talbot in der "Jungfrau von Orleans". Seine Hauptsorge aber verwandte er auf seine Direktionsthätigkeit. Und eine sorgenreiche Aufgabe war es, das Unternehmen durch all die Schwierigkeiten und Hemmnisse, die allüberall sich ihm entgegenstellten, sicher hindurch zu führen. Wir besitzen aus diesen letzten Jahren, 1815-17, eine Reihe von Briefen Arresto's an den Kabinetssekretär Joh. Friedr. Hoese in Ludwigslust; sie geben, wenn auch nicht ein volles Bild, so doch Andeutungen genug von dem, was er zu kämpfen und was er zu leiden hatte. So klagt er in einem


1) Zunächst bis Ostern 1814, er kam dann aber ziemlich regelmäßig im Frühjahr und Herbst jeden Jahres wieder nach Rostock. (Bärensprung a. a. O" S. 241, 243.)
2) Bärensprung a. a. O., S. 241 ff.
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Schreiben, Schwerin, den 30. März 1815, daß Graf Hahn und Ruhland ihm Konkurrenz machten; sie hätten von dem Magistrat in Rostock, wo er leider nicht die ausschließliche Konzession habe, die Erlaubniß erhalten, dort auch spielen zu dürfen, wenngleich mit der Bedingung, zu gehen, sobald er komme. 1 ) Ein Theater aber sei für Meklenburg genug; er habe schon Mühe, sich zu halten. "Ist es denn," ruft er aus, "keine Möglichkeit, solchen Fremdlingen das Handwerk zu legen?" Er wisse nicht, wie das werden solle. Zum Pfingstmarkt solle er noch 500 Thlr. Schulden zahlen. Schwerin habe er unterschätzt; da sei es noch immer gut gegangen, aber länger dürfe er auch nicht bleiben. Am 8. April 1816 (Schwerin) dankt er für übersandte 80 Thlr. Er habe, fügt er hinzu, mit Brandenstein 2 ) gesprochen; der meine ebenfalls, der Großherzog könne etwas mehr für das Theater thun denn die Dekorationen kämen in Verfall. Zum "Titus" habe er zwei neue malen lassen; wovon sie aber bezahlt werden sollten, möchten die Götter wissen. Am 12. Mai 1816 (Rostock) neue Klagen über die Kompagnie Ruhland=Graf Hahn. Sie hatten sich mit dem Ballettänzer Buschenheyer assoziirt und die Erlaubniß erwirkt, unter dem Titel "pantomimische Vorstellungen" während des Pfingstmarktes in Rostock ein Theater zu etabliren. Wenn es dazu komme, sei er geschlagen; denn seine Hoffnung sei der Pfingstmarkt, um manche Scharte auszuwetzen. Darauf sei auch der "Titus" berechnet gewesen, für den Dekorationen und Garderobe ihn 200 Thlr. gekostet. Ob es nicht möglich sei, den Großherzog zu einem Erlaß zu bewegen, daß die Verordnung, 3 ) wonach ohne Regierungskonzession sich keine Schauspiel=Gesellschaften im Lande aufhalten und Vorstellungen geben dürften, sich auch auf Pantomimen und dergleichen mehr erstrecken solle.

Um das Theater all den elenden, bedrängenden Verhältnissen zu entreißen, machte Arresto schon damals den Vorschlag, es unter Zahlung einer genügenden jährlichen Subvention zum Hoftheater zu erheben. Wir wissen darüber nichts Näheres mehr, können die Thatsache aber aus einem Briefe an Hoese, Schwerin, den 4. April 1816, erhärten. Er bittet darin, ein beiliegendes Schreiben an "S. Erzellenz", doch jedenfalls einen der Minister, 4 )


1) Bärensprung a. a. O., S. 247.
2) Wohl der Minister August Georg von Brandenstein.
3) Verordnung vom 31. August 1810.
4) Wohl der Minister Leopold Hartwig von Plessen, dem, nach dem Staatskalender, das Kabinet damals unterstellt war.
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zu übergeben und sein Gesuch zu unterstützen. Er habe seinen Ueberschlag gemacht; mit einem Zuschuß von 400 Thlr. komme er aus. "Ich für mich selbst," fährt er dann fort, "will auf Ehre und Gewissen nichts lukriren, denn ich bin allein, wenn ich nur anständig, wie es meine Lage fordert, auskomme. Mit diesem Zuschuß kann der Großherzog es zum Hoftheater machen und ernennen. Dann gewinnt noch das Ganze ein besseres Ansehen, besonders bei den Rostockern und Doberaner Gästen." Arresto's Idee fand noch keine Verwirklichung, erst 20 Jahre später, 1836, gelangte zur Ausführung, was er damals so warm befürwortet. 1 )

Im Jahre 1817 begann er zu kränkeln. Am 16. Mai schrieb er seinem Freund Hoese, daß er noch einige Tage in Schwerin bleibe, um so viel wie möglich das angefangene Werk seiner Gesundheit zu vollenden, wozu Ruhe und Beseitigung alles dessen, was unangenehm sein könnte, gehöre. Er reiste dann seiner Truppe nach Rostock nach. Aber sein Befinden besserte sich nicht; es wurde eher schlimmer. Er konnte schließlich nur noch Zwieback in Kaffee getaucht und Flüssiges zu sich nehmen. Jedoch hören wir nicht, daß er wegen seines Zustandes schon ernstliche Bedenken gehabt habe; er meinte nur einmal, in einem Brief vom 8. Juni, die Schweriner Aerzte hätten sich geirrt und auf den Magen kurirt, indeß die Krankheit im Schlunde liege, rheumatisch und krampfhaft sei. Der Druck der äußeren Verhältnisse kam dazu, ihm den Lebensmuth herabzustimmen; auch in diesem Jahre verdarben Seiltänzer und Kunstreiter ihm das Pfingstmarktgeschäft in Rostock gründlich. Krank und müde reiste er am 23. Juni nach Doberan, um die Saison dort vorzubereiten, und hier verschied er, 49 Jahre alt, am 22. Juli 1817. 2 )

Er hinterließ Angehörige, die an seinem Sarge trauern konnten, eine Stiefmutter und Schwestern. Aber das Tragische in seinem Schicksal war, daß er Weib und Kind sein eigen genannt, die noch lebten, und daß er es entbehren mußte, von


1) Wedemeier, Beiträge zur Geschichte des Großherzoglichen Hoftheaters in Schwerin (1861), S. 3/4. Wedemeiers Arbeit erschien zur 25jährigen Jubelfeier des Hoftheaters.
2) Seine Todesanzeige s. Mecklenb.=Schwerinsche Anzeigen 1817, S. 1143; sie ist unterzeichnet "Mutter, Geschwister und Geschwisterkinder" (Schwerin, Tribsees und Demmin). Die Anzeige nennt ihn Hof=Schauspiel=Direktor. Doch figurirt er nicht im Staatskalender. Der erste ossizielle Hofschauspieldirektor war Johann Christian Krampe, Verleihung vom 16. Dezember 1833. (Wedemeier a. a. O., S. 3 Anm.)
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ihrer Liebe getröstet, hinüberzuschlummern. Er war verheirathet gewesen, wenn man dem äußeren Anschein glauben darf. In den Jahren 1798 und 1799 finden wir neben ihm in Hannover eine Madame Aresto engagirt, eine unbedeutende Schauspielerin, die nur in untergeordneten Rollen spielte; 1 ) sie muß seine Frau gewesen sein. Ich weiß aber nicht, wie ihr Mädchenname gewesen, noch wie sich beide zusammengefunden, noch wo und wann sie getraut worden. Nach 1800, also nach Arresto's Abgang aus Hannover, entschwindet sie den Augen; wir treffen ihn fürderhin ohne sie engagirt, allein, in Stuttgart, Schwerin, Hamburg. Hatte eine Scheidung oder Trennung stattgehabt? Aus des Schauspielers Ludwig Wollrabe Erinnerungen erhellt, daß beide eine Tochter, Emilie, gehabt und daß die Mutter später den Komiker Otto Bachmann, der lange ein beliebtes Mitglied des Hamburger Thalia=Theaters war, geheirathet und das Kind mit in diese Ehe genommen. Wollrabe lernte Mutter und Tochter Ende der 20er Jahre in einem elenden Engagement in Ostrowo kennen, und diese Emilie Bachmann geb. Arresto wurde seine Frau. 2 ) Eine Enkelin Arresto's, Wollrabe's zweite Tochter Amalie, geboren den 4. März 1837, verheirathete sich am 4. Februar 1861 in unebenbürtiger Ehe mit dem Prinzen Leopold von Löwenstein=Wertheim=Freudenberg. Sie wurde von König Ludwig II. von Bayern durch Patent vom 1. Dezember 1869 zur Freiin Wollrabe von Wallrab, am 15. Januar 1875 für sich und ihre Nachkommen zur Gräfin von Löwenstein=Scharffeneck erhoben. Ihrer Ehe entsprossen 5 Kinder, 2 Knaben und 3 Mädchen.

Der Großen einer, deren Name nach dem leiblichen Tode fortlebt und im Gedächtniß der Nachwelt erhalten bleibt, war Arresto nicht. Er war ein tüchtiger Schauspieler, der auch einmal seine Glanzzeit hatte, wo er, von der Gunst des Publikums getragen, sich um Haupteshöhe über das gewöhnliche Niveau erhaben dünken mochte. Aber bessere als er sind vergessen. Mit dem Nachruhm des Mimen ist es überhaupt ein eigen Ding. Die Heroen des Lebens und der Geisteswelt haben vor ihm voraus, daß sie ihren Thaten den Stempel einer starken Persönlichkeit aufdrücken können, der diesen anhaften bleibt, an dem man sie immer wieder fassen, begreifen, bewundern kann. Des Schauspielers Kunst müht sich um die Interpretation eines Dichtwerks, die persönlich sein kann, die aber mit dem Eindruck, den sie gemacht,


1) Reichard's Theaterkalender 1799, S. 231; 1800, S. 277.
2) L. Wollrabe, Memoiren (1870), S. 57.
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schwindet und kaum je wieder ganz zu rekonstruiren ist. Arresto war auch Dichter. Aber sein Dichterruhm sank kaum weniger schnell zu Grabe, als sein Ruf als Schauspieler. Wer führt heute noch seine Stücke auf, und wer liest sie? Am längsten haben sich seine "Soldaten" gehalten, das erfolgreichste seiner Werke, das seiner Zeit die Runde über fast alle Bühnen Deutschlands machte; aber auch dieses, wenn man selbst zugeben will, daß es an wirksamen Szenen nicht arm ist, verdient schwerlich, der Vergessenheit wieder entrissen zu werden. Die Kritik hat Recht behalten gegen das Publikum, das sich von der Augenblicksstimmung fortreißen ließ. 1 )

~~~~~~~~~~

Werke Arresto's.

(Die mit * bezeichneten bei Goedeke, Bd. V 370 und VII 485.)
~~~~~~

1. Das Ländliche Fest, ein Prolog mit Gesang. Zur Feyer des Hohen Geburths=Tages der regierenden Frau Herzogin Louise Durchl. zu Meckl.=Schwerin und Güstrow. Schwerin 1789. 8°. 24 S.

2. Am Hohen Geburts=Tage des Durchl. Herzogs und Herrn, Herrn Friederich Franz, regierenden Herzogs zu Mecklenburg=Schwerin und Güstrow. Den 10. December 1789. o. O. 4°. 4 Bl.


1) Ich gebe im Folgenden eine Zusammenstellung von Kritiken über Werke Arresto's, die aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt; sie soll nur dem Leser dienen, den es interessirt, das Urtheil der Mitwelt über Arresto kennen zu lernen. Die Mehrzahl dieser Urtheile ist absprechend:
"Das Ländliche Fest," in Eschenbach's Annalen der Rostocker Academie, I 192.
"Vergehen und Größe," in Neue allgemeine deutsche Bibliothek: Bd. 90, S. 350.
"Frohe Laune," in Neue allgem. d. Bibl., Bd. 67, S. 30. Hamburgisch= und Altonaische Theater=Zeitung (1798), II 193.
"Die Landesfreude," in Eschenbach's Annalen, X 112.
"Der Plan," in "Der Freimüthige", 1804, II, S. 5.
"Der Indienfahrer," in "Der Freimüthige", 1803, S. 700.
"Die Soldaten," in "Hamburg, unpart. Corresp.", 1803, Nr. 147; "Hamburg und Altona", 1804, I 98. Eine sehr scharfe Kritik brachte "Der Freimüthige" 1803, S. 648.
"Der feindliche Sohn," in "Hamburg, unpart. Corresp.", 1804, Nr. 13. "Hamburg und Altona", 1804, II 98, 238. "Der Freimüthige", 1804, I, S. 91.
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*3. Vergehen und Größe. Schauspiel in 5 A. Frankfurt 1796. 8°. Grätz 1796. 8°. Leipzig 1803. 8°. (N. A. Stuttgart 1803. 8°.)

*4. Frohe Laune. Lustspiel in 5 A. Hamburg 1800. 8°. (1798 zuerst in Pyrmont aufgeführt.)

*5. Die Landes=Freude. Epilog zu der theatralischen Vorstellung Achmet und Zenide auf die höchste Geburtsfeier der Durchl. Fürstin und Frau, Frau Louise, regierenden Herzogin von Mecklenburg=Schwerin. Schwerin 1801. 4°. 18 S.

*6. Graf Retorini. Schauspiel.

*7. Der Plan. Lustspiel in 1 A. Hamburg. Holländisch: Leeuwarden 1804. 8°.

*8. Der Indienfahrer. Schauspiel in 4 A. Hamburg 1803. 8°. N. A. 1806. Holländisch: (De Oost=Indienvaarer.) 1804. Derde Druk. Amsterdam 1826. 8°. (20. März 1801 in Schwerin aufgeführt.)

*9. Die Soldaten. Schauspiel in 5 A. Hamburg 1804. 8°. o. O. 1805. 8°. Bearbeitung von Karl Dielitz, am 4. August 1825 in Berlin aufgeführt. Holländisch: De Militaire Stand. Leeuwarden 1805. 8°. (24. Februar 1806 in Schwerin aufgeführt.)

*10. Der feindliche Sohn. Schauspiel in 5 A. Hamburg 1805. 8°. Holländisch: Leeuwarden 1805. 8°.

*11. Schreiben an den Herausgeber: Schröder's St. Petersb. Monatsschr. 1806. 2, 135-143.

*12. Poscharsky und Minin oder: Die Befreiung Moskaus. Histor. Original=Schauspiel in 6 A. Reval 1809. 8°. (18. Februar 1814 in Güstrow, 5. April 1815 in Schwerin aufgeführt. 1 )

13. Die Todtenfeier oder Die Wette. (22. März 1814 in Güstrow aufgeführt.)

14. Der 10. August. Prolog zur Gedächtniß=Feier dieses glücklichen Tages. Dobberan 1814. 4°. 4 Bl.

15. Empfindungen am 10. December 1814. Vorgetragen im Schauspielhause zu Rostock. Rostock. 4°. 2 Bl.

16. Gefahr und Rettung. Ein Gemälde der Wirklichkeit. (Die Szene ist in Doberan am Tage der Affaire bei Retschow, den 28. August 1813.) (15. März 1815 in Schwerin aufgeführt.)


1) Bei Goedeke, VII 485, steht "1819". Den Herausgebern ist entgangen, daß es zu den Beise'schen Nachträgen zu v. Recke und Napiersky's Lexikon noch wieder einen Nachtrag giebt und dort S. 2 die Jahreszahl in "1809" verbessert ist.
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17. Thaliens Abschied. Epilog mit Gesang von A[rresto?]. Musik von Dehlsen. (9. Mai 1815 in Schwerin aufgeführt.)

18. Das Fest der Freude. Vorspiel zur Feyer der Großherzogl. Würde des Großherzogs Friedrich Franz. Rostock 1815. 8°.

*19. Die Zeiten. Prolog zur Feier des 10. August in Dobberan. Rostock 1815. 8°. 8 Bl.

20. Die Feier des 10. December 1815. (Großer musikalischer Prolog. Musik von Dehlsen.) 8°. 4 Bl.

21. Mecklenburg. Allegorisches Gemälde nach dem Leben aufgestellt bey Höchster Anwesenheit des Durchl. Fürsten Blücher von Wahlstadt zu Doberan im Schauspielhause. Rostock [1816]. 4°. 4 Bl.


Anhang II.
~~~~~~~~~

1779.

1.

"God save the King".

God save great George our King,
Long live our noble King,
   God save the King;
Send him victorious,
Happy and glorious,
Long to reign over us,
   God save the King.

O Lord our God arise,
Scatter his enemies,
   And make them fall:
Confound their politics,
Frustrate their knavish tricks,
On him our hopes we fix,
   God save us all.

Thy choicest gifts in store,
On George be pleas'd to pour,
   Long may he reign:
May he defend our laws,
And ever give us cause,
With heart and voice to sing,
   God save the King.

O grant him long to see,
Friendship and unity
   Always increase;
May he his Sceptre sway,
All Loyal souls obey;
Join heart and voice, Huzza,
   God save the King.

Aus: Ph. Pepin, The Strains of the British Muses. Gottingen 1779. S. 211/12.

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1812.

2.

Heil unserm Friedrich Franz,
Herrscher des Vaterlands,
   Heil, Herzog, Dir!
:,: Fühl in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz:
Liebling des Volks zu seyn.
   Heil, Herzog, Dir!:,:

Wir alle sind Dir gut,
Und opfern Gut und Blut
   Gern für Dich auf.
:,: Regier uns lang' beglückt,
Im Frieden, der Dich schmückt,
Und werd einst spät entrückt
   Im Ehrenlauf.:,:

Erhabner, segne Ihn!
O, laß sein Stammhaus blühn,
   Blühn unser Land!
:,:Dies mindre Ihm die Last,
Die seine Krone faßt,
Die du geknüpfet hast
   In Purpurband.:,:

Heil unserm Friedrich Franz,
Herrscher des Vaterlands,
   Heil, Herzog, Dir!
:,:Fühl in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz:
Liebling des Volks zu seyn.
   Heil, Herzog, Dir!:,:

Gesungen 10. August 1812 in Doberan, Vogel, Neue Annalen des Seebades zu Doberan. 10. Heft (1813), S. 11/12.

1812-20(?).

3.

Heil sey Dir Friedrich Franz!
Vater des Vaterlands,
   Heil Herzog Dir!
So schall'ts vom Elbe Rand,
Bis zu der Ostsee Strand,
Aus Deines Volkes Brust,
   Heil Herzog Dir!

Wie fest das heil'ge Band,
Liebe des Volks genannt,
   Sich um Dich wand,
Das zeugte unser Schmerz
Und das zerrißne Herz!
Als stolzer Feinde Schaar,
   Dich von uns trieb!

Das sah' Dein nasser Blick,
Als Du geführt zurück,
   Zu Volk und Thron!
Ein Jauchzen war es nur
Und jedes Kummers Spur
Entfloh, beym Wiedersehn,
   Dem treuen Volk!

Und diese Liebe blüht,
Und diese Flamme glüht,
   Stets jung und neu!
Heilig ist uns das Band
Und uns von Gott gesand,
Was Fürst und Vaterland
   Liebend vereint!

Und wenn der Tag erscheint,
Der uns zum Fest vereint,
   Der Lieb' geweiht,
Dann steigt zu heil'gen Höh'n
Um frohes Wiedersehn
Der Deinen heißes Fleh'n,
   Zu Gott empor!

Ja Herr Dich bitten wir!
Gesegnet stets von Dir
   Erhalt uns Ihn!
Zernicht der Krankheit Wuth
Schütz uns das größte Gut
Erhalt uns Friedrich Franz
   Erhalt uns Ihn!!

Einzeldruck. 8°. 2 Bl. (Universitäts=Bibliothek Rostock.) Ueberschrift: "Am Tage der höchsterfreulichen Feier des 10. Augusts". Leider fehlen Ort und Jahresbezeichnung. Die Datirung "10. August" beweist wenigstens, daß das Lied in Doberan gesungen sein muß, und jedenfalls nicht vor 1807. Eine

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weitere, genauere Ansetzung aber ist schwierig. Man möchte allerdings aus dem Gebrauch des Titels "Herzog" schließen, daß die Entstehung nicht über 1815 hinaus reichen könne, und man hätte damit für die Zeit der Abfassung die Grenzen 1807 bis 1815 gewonnen. Aber derselbe Titel "Herzog" begegnet noch in dem Liede der Frau von Montenglaut 1824. Andererseits ist mir nicht recht wahrscheinlich, daß man vor 1812, unter den Augen der Franzosen, mit Versen derartigen Inhalts, wie unser Lied sie aufweist, hervorzutreten gewagt hätte. Einen Anhalt für eine nähere Zeitbestimmung würde die Erwähnung der Krankheit des Fürsten geben können. Leider fehlen jedoch gerade für diese Zeit Journale, wie wir sie aus späteren Jahren von Friedrich Franz' eigener Hand besitzen, die uns Tag für Tag Aufzeichnungen über seine persönlichen Erlebnisse, auch über den Stand seiner Gesundheit bringen. Ich schätze, daß das Lied zwischen 1812 und 1820 entstanden sei.

1817.

4.

Heil Dir im Ehrenkranz,
Vater des Vaterlands!
   Heil Friedrich Franz!
Auch in dem Herrscherglanz
Fühl' sie die Wonne ganz,
Liebling des Volks zu seyn,
   Heil, Edler! Dir!

Das Volk, das Dir gehört -
Sieh, es ist Deiner werth;
   Es traut auf Dich. -
Heil Dir, o Friedrich Franz!
Sey stets im Sternenglanz,
Auf Deinem Fürstenstuhl,
   Des Volkes Ruhm.

Gottlob die böse Zeit,
Die uns der Schmach geweiht,
   Sie ist nicht mehr!
Von Fesseln sind wir frei;
Wir durften biedertreu
Dir huldigen Friedrich Franz
   Dir Vater! Dir!

Dein Mecklenburg blieb treu!
Es fühlt sich froh und frei,
   Beglückt durch Dich!
Ihm kehrte Heil und Glück
An Deiner Hand zurück!
Sie spendet Seegen uns
   Gleich Gottes Hand.

Heil jedem Deutschen Mann,
Der's mit empfinden kann,
   Was uns entzückt!
Der Mecklenburger freut
Sich seines Fürsten heut!
Auch Deiner Treuen Kreis
   Stimmt laut mit ein.

So lang die Ostsee braust,
Der Nordwind uns umsaust,
   Und hier am Strand
Die Wogen brechen sich:
So lange sicherlich
Steht vest Dein wahrer Ruhm
   Gleich Meeresfels.

Noch einmal stoßt mit an!
Es gilt dem edlen Mann,
   Fürst Friedrich Franz!
Er lebe lang und froh!
Und oft noch klingt' es so,
Wie heut im frohen Reih'n:
   Auf! Stoßt mit an.

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Einzeldruck: "Gedächtniß=Feyer der Rückkehr unsers biedern Fürsten den 10ten August 1817". 4°. 2 Bl. (Regierungs=Bibliothek Schwerin.)

1818 (?).

5.
Einstimmiger Gesang nach der Melodie: "God save the King".

Gott segne Friedrich Franz!
Und Seiner Krone Glanz
   Trübe sich nie!
Friede und Heiterkeit
Bleiben 1 stets sein Geleit
Bis in die fernste Zeit,
   Fliehen 2 Ihn nie!

Ueber Sein Fürsten=Haus
Schütte Dein Füllhorn aus
   Für deines Hauses Glück
Schärfe den Vaterblick 3 ,
Und jedes Mißgeschick
   Scheuch Dein Gebot!

Sei eine feste Burg
Dem theuern Mecklenburg
   Künftig wie jetzt;
Schütz unser Vaterland,
Der Eintracht schönes Band
Bleib zwischen Thron und Land
   Stets unverletzt!

Einblattdruck 8°, in Antiqua gedruckt. (Regierungs=Bibliothek Schwerin.) Der Text von 1825, der bei der Grundsteinlegung des neuen Regierungsgebäudes am 29. September gesungen wurde, ist mir aus einem Sonderdruck bekannt, der unser Lied und noch ein zweites für die Feier bestimmtes enthält (8°. 2 Bl.) und dem Tagebuch Friedrich Franz I. im Großherzoglichen Archiv beiliegt; er hat die Ueberschrift: "Einstimmiger Gesang nach der Melodie: "God save the King" und trägt von Friedrich Franz I. Hand den Vermerk: "29. September 1825 Gesang bey der Legung des Grundsteins". Wieder abgedruckt ist er im Freimüthigen Abendblatt (1825) Sp. 736, doch nicht ganz genau. Ich bezeichne ihn im folgenden als Text A. Ich zog zum Vergleich außerdem heran die Abdrücke im Schweriner Programm von 1835 (B), in "Timm, Liederbuch für Turner", 10. Aufl. (1887), S. 217 (C), und in "130 Volkslieder" (Rostock 1894), S. 21 (D). Die Abweichungen dieser Texte von dem von 1818 sind die folgenden: 1. Bleibet A, Bleibe B C D. 2. Fliehet A, Fliehe B C D. 3. Auf seines Hauses Glück ruhe Dein Vaterblick C. Der Ludwigsluster Text von 1831 (Handschriftlich im Archiv) stimmt mit B und D überein.

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1818.

6.
Mel.: "God save the King".

Heil Dir, dem heut sein Land
Der Feude Kränze wand!
   Heil Herrscher Dir! -
Der Drei und Dreißig Jahr
Des Landes Vater war:
Ihm bringt heut Wünsche dar,
   Die Lieb Ihm weiht.

Aus froher Herzen Drang,
Tönt jubelnder Gesang
   Dir Friedrich Franz;
Heut kehrtest Du zurück,
Im segnenden Geschick!
Es strömten Heil und Glück
   Mit Dir auf's Land.

Im feiernden Gesang,
Nimm froher Herzen Dank,
   Du Edler Mann!
Der über Wolken thront,
Bei dem der Seegen wohnt,
Der alles Gute lohnt -
   Er lohn auch Dich!

Fürwahr, Dein harret Lohn,
Als Herrscher auf dem Thron,
   Als Vater heut!
Herzlichkeit schließt sich an!
Und Alle, Mann für Mann,
Sie stoßen jubelnd an:
   "Für Friedrich Franz!"

Einzeldruck: "Seiner Königlichen Hoheit dem regierenden Großherzog von Mecklenburg=Schwerin Friedrich Franz. Bei der höchsterfreulichen Feier am 10ten August 1818. Von A . . . . [Rostock] Adlers Erben". 8°. 2 Bl. (Regierungs=Bibliothek Schwerin.)

1819.

7.

Fürsten=Lied.

Singbar nach: "God save great George, our King".

Einer:

Heil sey dem Fürsten! Heil!
Freude des Edlen Theil,
   Der uns regiert!
Wer hier im Jubel=Kreis
Weisheit zu ehren weiß,
Singe dem Fürsten Preiß,
   Dem er gebührt!

Alle:

Wer hier im Jubel=Kreis
Weisheit zu ehren weiß,
Singe dem Fürsten Preiß,
   Dem er gebührt!

Einer:

Ihm, der dem Vaterland,
Männlich, mit fester Hand,
   Frieden errang;
Dir, Herr! im Bürger=Kranz,
Dir in der Krone Glanz,
Vater des Vaterlands!
   Tönt der Gesang.

Alle:

Dir, Herr! im Bürger=Kranz,
              etc. .

Einer:

Der, als uns Sturm bedroht',
Muthig ihm Ruh gebot
   Und ihn bezwang!
Der an dem steilen Riff
Kräftig ins Ruder griff,
Lenke des Staates Schiff,
   Leit' es noch lang!

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Alle:

Er, der am steilen Riff
              etc. .

Einer:

Nicht, wie durch Heeres=Kraft
Sieg der Erobrer schafft
   Blutig und kühn:
Tugend und Wissenschaft,
Hat uns dies Glück geschafft -
Gott hat dem Fürsten Kraft
   Seegnend verliehn!

Alle:

Tugend und Wissenschaft
              etc. .

Einer:

Tritt in den Fürsten=Saal,
Ziere das Jubel=Mahl
   Heiliges Bild!
Der uns die Palme zog,
Nimmer das Rechte bog,
Er herrsche lange noch
   Freundlich und mild!

Alle:

Er, der die Palm' uns zog,
              etc. .

Einer:

Auf, Niclot's Enkel! singt
Auf, treue Bürger! singt
   Laut ohne Hehl:
Er dort im Fürsten=Glanz,
Er dort im Bürger=Kranz,
Hoch lebe Friedrich Franz
   Titus Aurel!

Alle:

Er dort im Fürsten=Glanz,
Er in dem Bürger=Kranz,
Hoch lebe Friedrich Franz
   Titus Aurel!

Aus: "Jubilar=Gesänge. Rostock, am 12. November 1819". o. O. u. J. 8°. S. 3-6.

1827.

8.

Mecklenburgisches Volkslied.

Heil unserm Friedrich Franz!
Vater des Vaterlands,
   Heil, Herrscher, Dir!
Fühl' in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz:
Liebling des Volks zu seyn,
   Heil, Herrscher, Dir!

Wir alle sind Dir gut,
Und opfern Gut und Blut
   Gern für Dich auf.
Regier uns lang' beglückt
Im Frieden, der Dich schmückt,
Und werd' einst spät entrückt
   Im Ehrenlauf.

Erhabner, segne Ihn!
O, laß Sein Stammhaus blühn,
   Blühn unser Land.
Er schützet Recht und Bund,
Ihm singt mit Herz und Mund -
Den Blick auf Ihn gewandt -
   Das Vaterland.

Einblattdruck, 8°. (Großherzogl. Archiv.) Man vergleiche hierzu den Text des Liedes von 1812 (Nr. 2).

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1827.

9.

Heil unserm Fürsten! Heil!
   Der Wünsche bestes Theil
      Sey Ihm geweih't!
Hier an der Ostsee Strand
   Huldigt das Vaterland
      Ihm hocherfreut.

Seegen dem frohen Tag!
   Der uns nach Schmerz und Schmach
      Wieder erschien.
Wie viel des Guten ist
   Seit jenes Tages Frist
      Herrlich gedieh'n?

Drum weih'n mit Dankbegier
   Wir diese Hallen hier
      Zum Wonn=Asyl.
Vater, wir freuen uns Dein,
   Freuen uns, stets Dein zu seyn,
      Mit Hochgefühl.

Seegen und Wohlergehn
   Lang noch Dein Leben krön'
      Mit Ruhm und Glanz!
Spät noch im Festgesang
   Preis' Dich der Enkel Dank:
      Heil Friedrich Franz!

Einzeldruck: "Zur Feyer des zehnten Augusts, am Seebade zu Doberan. Von J. C. F. W[undemann]. 1827. [Rostock] Adlers Erben". 8°. 2 Bl. (Großherzogl. Archiv.) Der Versbau ist etwas abweichend von der Norm des "Heil Dir im Siegerkranz"; die Strophe hat statt 7 nur 6 Zeilen.

1827.

10.
(Singweise: "Heil Dir im Siegerkranz!")

Heil sey dem Fürsten! Heil!
Freude des Edlen Theil,
   Der uns regiert!
Wer hier im frohen Kreis
Weisheit zu ehren weiß,
Singe dem Fürsten Preis,
   Dem er gebührt!

Dir, der dem Vaterland,
Männlich, mit fester Hand,
   Frieden errang;
Dir, Herr! im Bürger=Kranz,
Dir, in der Krone Glanz,
Vater des Vaterlands!
   Tönt der Gesang.

Weile in diesem Saal,
Ziere des Festes Mahl,
   Heiliges Bild!
Der uns die Palm' erzog
Nimmer das Rechte bog
Er herrsche lange noch
   Freundlich und mild!

Ihm dankt das Vaterland,
Daß Er die Friedens=Hand
   Liebend uns bot!
Ihn dort im Bürger=Kranz,
Ihn in der Krone Glanz,
Ihn, unsern Friedrich Franz,
   Ihn segne Gott!

Einzeldruck: "Festlied bey der Feyer des Geburtstages Sr. Königl. Hoheit des Allerdurchlauchtigsten Großherzogs Friedrich Franz am 10. December 1827 gesungen in der Societät zu Rostock. Rostock. Adlers Erben." 8°. 2 Bl. Dazu von Friedrich Franz eigenhändig die Bemerkung: "Die Verse sind vom Advocat Crull." (Großherzogl. Archiv.) Man vergleiche hierzu den Text des "Fürstenliedes" von 1819 (Nr. 7).

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1828.

11.

Laut hall im Jubelklang
Der frohe Festgesang
   Aus jeder Brust!
:,:Jauchzet in vollem Chor!
Denn aus der Nacht empor,
Stieg durch das Strahlenthor
   Uns dieser Tag!:,:

Und in des Festes Glanz
Windet die Lieb' den Kranz
   Innig und treu!
:,: Dir, der Du freundlich mild
So manche Thrän' gestillt,
Der ächten Weisheit Bild,
   O edler Fürst!:,:

Mit dankerfüllter Brust
Schaut Dich voll hoher Lust,
   Dein glücklich Volk.
:,:Hoch lebe Friedrich Franz!
Vater des Vaterlands,
Fühle die Wonne ganz,
   Geliebt zu seyn!:,:

König der Könige,
Du Herrscher in der Höh'
   Erhalt uns Ihn!
:,: Segne Sein treu Bemüh'n,
Schütz' und behüte Ihn,
Laß viel der Freuden blüh'n
   An Seinem Thron!:,:

Einzeldruck: "Festgesang gesungen am 10. August zu Doberan 1828". 8°. 2 Bl.(Großherzogl. Archiv.)

1833.

12.
Ad modos: "God save the King".

Princeps, Feliciter!
Te, Patriae Pater,
   Servet Deus.
Amictu purpurae
Ames deliciae
Populi dici, Te
   Servet Deus.

Auspiciis Tuis
En Megalopolis
   Floret, viget.
Perdiu civium
Tu sis praesidium
Ac decus, Te diu
   Servet Deus.

Aus: Ad Audiendas Orationes quae ad sacra natalicia . . . Domini Friderici Francisci . . . celebranda in magno auditorio Gymnasii Fridericiani d. X. mens. Decembr. hora X. habebuntur . . . invitat Fr. Carolus Wex. Suerini 1833. S. 15.

1835.

13.

Volkslied.

Gott segne Friedrich Franz,
Ihn, den der Ehre Kranz
   Würdig heut schmückt!
Ihn, der seit fünfzig Jahr
Fürst uns und Vater war,
Ihn, der uns immerdar
   Durch Lieb' beglückt!

Liebe und feste Treu'
Schwören wir heut auf's Neu'.
   Ihm, unserm Herrn.
Rufe uns sein Gebot
Auf in Gefahr und Noth,
Folgen wir bis zum Tod'
   Ihm, unserm Stern.

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Hier und dort, überall
Tönet im Jubelschall
   Festlicher Sang.
Jubelgreis, Friedrich Franz,
Strahlend in Ruhmes Glanz,
Nimm, zu der Ehre Kranz,
   Volkslieb' und Dank!

Segne, Herr Zebaoth,
Segne, Du starker Gott,
   Ihn und Sein Haus!
Schütze mit deiner Hand
Ferner das Vaterland,
Segne auch jeden Stand,
   Erhör' uns Gott!

Aus: "Der Rune letzter Spruch. Vaterländisches Festspiel zur Jubelfeier der 50jährig. Regierung Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz von Mecklenburg=Schwerin." (J. F. Bahrdt, Erinnerungen, Neustrelitz und Neubrandenburg 1840, S. 183/84.) Abgedruckt auch im Freimüth. Abendblatt, 17. Jahrg. (1835), Sp. 365, mit geringfügigen Abweichungen (Str. 3, Z. 2: "ein", Z. 7: "Volkslied", Str. 4, Z. 2: "Schirme".)

1835.

14.

Gott segne Friedrich Franz
Und seiner Krone Glanz
   Tübe sich nie!
Denn schon seit fünfzig Jahr
Er unser Heilstern war;
Und wir, die treue Schaar
   Lassen ihn nie.

Auf sein erhabnes Haupt
Vom Eichenkranz umlaubt,
   Gnädiger Gott,
Senke den Vaterblick
Senke Du wahres Glück,
Und jedes Mißgeschick
   Scheuch Dein Gebot.

Friede und frische Kraft,
Die unsern Segen schafft,
   Fliehe ihn nie!
Freude und Heiterkeit
Bleibe stets sein Geleit
Bis in die fernste Zeit;
   Meide ihn nie.

Sei eine veste Burg
Dem theuren Mecklenburg
   Künftig, wie jetzt!
Schütz' unser Vaterland;
Der Eintracht schönes Band
Bleib zwischen Thron und Land
   Stets unverletzt!

Aus: "Gesänge für die vom Großherzogl. Friedrich Franz=Gymnasium [zu Parchim] anzustellende Feier des Regierungsjubiläum Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs." 8°. 1 Bl., gedruckt in Antiqua. Unser Lied ist Nr. 3 der dort abgedruckten 3 Gesänge.

1837.

15.

Heil Dir, Paul Friederich,
Jubelnd begrüßen Dich
   Meklenburgs Gau'n!
Um Deiner Krone Glanz
Flechten der Liebe Kranz
Söhne des Vaterlands,
   Die Dir vertrau'n.

Glück, Ruhm und Heiterkeit
Bleibe stets Dein Geleit,
   Schmück unsern Thron.
Lange mit kräft'ger Hand
Lenke Dein Volk und Land,
Glück blüh' in jedem Stand
   Dir, Fürst, zum Lohn.

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Auf unsers Fürsten=Haus
Geuß Deinen Segen aus,
   Gott, unser Hort!
Ueber der Seinen Glück
Wache Dein Vaterblick,
Jegliches Mißgeschick
   Scheuche Dein Wort.

Sei unserm Meklenburg,
Herr, eine feste Burg,
   Schild ihm und Schwert.
Knüpfe der Eintracht Band
Fest zwischen Thron und Land,
Friede, von Dir gesandt,
   Schirm' unsern Herd.

Schweriner Version, verfaßt vom Gymnasialdirektor Fr. K. Wex, Freimüth. Abendbl., 19. Jahrg. (1837), Sp. 763/64. Gleichen Wortlaut hat der Text auf der Rückseite der gedruckten Festordnung, die Wex's Einladungsschrift zur Geburtstagsfeier Paul Friedrichs 1841 beigeheftet ist.

1837.

16.

Heil Dir! Paul Friederich;
Jubelnd begrüßen Dich
   Meklenburgs Gau'n.
Um Deiner Krone Glanz
Flicht Dir den schönsten Kranz
Dein Volk; es weih't Dir ganz
   Herz und Vertraun.

Fühle die Wonne ganz,
Vater des Vaterlands,
   Segner zu sein.
Kraft, Deinem Volk geweih't,
Friede und Heiterkeit,
Bis in die fernste Zeit
   Bleibe sie Dein!

Ueber Dein Fürstenhaus
Schütte sein Füllhorn aus
   Reich unser Gott!
Auf Deines Hauses Glück
Weile sein Vaterblick;
Und jedes Mißgeschick
   Scheuch sein Gebot!

Stets eine feste Burg
Dem theuren Meklenburg
   Sei er, wie jetzt!
Schütz' unser Vaterland;
Der Eintracht schönes Band
Bleib zwischen Thron und Land
   Stets unverletzt.

Parchimsche Version, Freimüth. Abendbl., 19. Jahrg. (1837), Sp. 790.

1837.

17.

Heil Dir, Paul Friederich!
Meklenburg preiset Dich,
   Ehret den Kreis,
Der unserm Vaterland,
Mit treuer Liebeshand,
Durch Dich die Krone wand,
   Zu seinem Preis.

Gott, dessen Majestät
Ueber uns Alle geht,
   Krön' Dein Bemühn;
Schenk' Deinem Throne Glanz,
Weihe Dein Volk Dir ganz,
Laß spät den Lorbeerkranz
   Dir, Herrscher, blüh'n.

Nur wo die Liebe weilt,
Wo man nur ungetheilt
   Treue erkor.
Blicke durch Deine Hand
Segensreich jeder Stand,
Blühend das Vaterland,
   Aus sich hervor.

Durch Deinen Vaterblick
Gründe des Volkes Glück,
   Das Dich verehrt.
Sei unser Schirm und Schild,
Nach Deiner Ahnen Bild
Führe den Scepter mild,
   Du, Ihrer werth!

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Dein milder Herrscherruhm
Bleib' unser Eigenthum
   Durch Dein Panier.
Um Deiner Krone Glanz
Winden den Liebeskranz
Söhne des Vaterlands,
   Heil, Herrscher, Dir!

Auf Dein erhab'nes Haus
Breite sich Segen aus
   Mit edler Zier;
Lieblich, wie Maiengrün,
Möge die Freude sprüh'n,
Tugend um Dich zu zieh'n.
   Heil, Herrscher, Dir!

Heil Dir am Jubeltag,
Wo uns stets Wonne lag,
   Wie heute hier;
Strahle im Rosenduft
Durch süße Himmelsluft,
Bis spät Dein Volk noch ruft:
   Heil, Herrscher, Dir!

. . . t .

Bützower Version, Freimüth. Abendbl., 19. Jahrg. (1837), Sp. 829/30.

1843.

18.

Heil Dir im Jugendglanz,
Dir, unserm Friedrich Franz;
   Heil, Herrscher, Dir!
Was treue Herzen flehn,
Es wird vor Gott bestehn;
Du wirst den Segen sehn
   Nachfolgen Dir.

Wohlzuthun ist Dir Lust,
Thatendrang schwellt die Brust,
   Hochherz'ger, Dir.
Hell strahlt der Krone Glanz,
Heller Dein Tugendkranz,
Heller des Vaterlands
   Glaube an Dich.

Du fühlst die Wonne ganz,
Vater des Vaterlands,
   Segner zu sein.
Kraft, Deinem Volk geweih't,
Friede und Heiterkeit,
Bis in die fernste Zeit
   Bleibe sie Dein!

Ueber Dein hohes Haus
Schütte sein Füllhorn aus
   Reich unser Gott!
Auf Deines Hauses Glück
Weile sein Vaterblick,
Und jedes Mißgeschick
   Scheuch sein Gebot!

Stets eine feste Burg
Dem theuren Mecklenburg
   Sei er, wie jetzt!
Schütz' unser Vaterland.
Der Eintracht schönes Band
Bleib' zwischen Thron und Land
   Stets unverletzt!

Freimüthig. Abendblatt 1843, Sp. 198.

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VII.

Meklenburg unter Wallenstein

und

die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge.

Von
Dr. Otto Grotefend in Marburg.
~~~~~~~~~~~~~~

D ie vorliegende Arbeit zerfällt naturgemäß in drei Abschnitte: die Besitzergreifung Meklenburgs durch Wallenstein, der Usurpator als Landesherr, die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge.

Während zu den beiden ersten Theilen die große Menge der gedruckten Quellen mir genügend Stoff bot, habe ich für den dritten Abschnitt hauptsächlich die Akten des Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchivs zu Schwerin benutzen dürfen. Vor allem kommen hier die Acta invasionum hostilium in Betracht, ferner die Acta homagii, der Briefwechsel der Herzöge, besonders der des Herzogs Johann Albrecht von Meklenburg=Güstrow mit dem Obersten von Lohausen und mit dem schwedischen Gesandten Dr. Jakob Steinberg in Hamburg, schließlich die umfangreichen Akten über die langwierigen Untersuchungen, die von den Herzögen nach ihrer Rückkehr gegen den gefangenen Kammerregenten Heinrich Kustoß und mehrere in Wallensteinsche Dienste getretene Meklenburger geführt wurden.

Das Schweriner (des Herzoge Adolf Friedrich) Archiv ist auch über die in Frage kommende Zeit im ganzen gut erhalten. Dagegen ist das Archiv der Güstrower Linie, soweit es nach dem Tode des letzten Herzogs († 1695) und der Auseinander=

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setzung in Folge des Hamburger Vergleichs (1701) ohne rechte Aufsicht in Güstrow belassen wurde, zum Theil im Laufe der Jahre als herrenloses und platzraubendes Gut vernichtet worden, bis in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts und in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die Reste für das Schweriner Archiv gerettet wurden.

Wallenstein scheint sein meklenburgisches Regierungs=Archiv mit sich genommen zu haben, und mit diesen Akten werden auch zahlreiche Aktenstücke aus der Zeit der früheren Herzöge dem Lande entzogen sein. Schon vor der Besitznahme Meklenburgs hatte er sein Augenmerk darauf gerichtet gehabt, den Herzögen die Verfügung über ihre Archivalien zu entziehen; in einer bei den Schweriner Homagialakten beruhenden, allgemein gehaltenen Aufzeichnung dessen, was bei der bevorstehenden Einnahme Meklenburgs alles zu geschehen habe, findet sich auch schon der Punkt: "Das Archivum alsbald zu versiegeln." Doch der Verbleib der aus dem Lande geführten Archivalien ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt, da weder in Wallensteinschen noch in anderen böhmischen Privat=Archiven, soweit sie einzusehen waren, etwas davon gefunden worden ist. Bekannt ist nur, daß im Statthalterei=Archiv zu Prag unter dem Schlagwort Landtag sich meklenburgische Landtags= und niedersächsische Kreistagsakten (Handakten des Güstrowschen Kreistagsgesandten Dr. Alb. Hein) aus den Jahren 1620-1628 befinden, die zumeist aus dem Güstrower Archive, nur in wenigen Bündeln auch aus dem Schweriner Archive stammen müssen. Auch liegen dort noch, bisher leider unerreichbar, Berichte des Wallensteinschen Statthalters von Wingersky über Gustav Adolfs militärische Fortschritte in Meklenburg.

Was von Wallensteinschen Verwaltungsakten im Archiv zu Schwerin beruht, stammt meist aus dorthin abgegebenen Registraturen unterer Instanzen, ist also für eine allgemeine Darstellung von geringerem Werth. Die Kammerregistratur, die davon noch manches bessere, bei früheren Abgaben an das Archiv als wichtig zurückbehaltene Stück enthalten haben mochte, wurde 1865 beim Brande des Regierungsgebäudes ein Raub der Flammen, während das Archiv allein gerettet wurde.

~~~~~~~~~~~~~
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Von der benutzten Litteratur stelle ich in nachstehendem die Hauptwerke, die ich in den Anmerkungen in stark abgekürzter Weise angeführt habe, mit ihren vollständigen Titeln in alphabetischer Ordnung zusammen.

Apologia, fürstlich mecklenburgische. Das ist: Hochnothwendige Vorantwortung vnd wolgegründete Deduktion der Vrsachen, Warumb die . . Fürsten vnd Herren, Herr Adolph Friederich vnd Herr Hans Albrecht Gebrüdere, Hertzoge zu Mecklenburg etc. . den Hertzog=Fürstenthumben vnd Landen nicht haben priviret vnd entsetzet werden können noch sollen. 1630.

M. J. de Beehr: Rerum Meclenburgicarum libri VIII, ed. Kappius. Lipsiae 1741.

Ernst Boll: Geschichte Mecklenburgs mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte. Neubrandenburg 1855/56. II. Bd.

Robert Breyer: Wallensteins Erhebung zum Herzog von Mecklenburg. Diss. Göttingen 1881.

Friedrich Förster: Albrecht von Wallenstein, des Herzogs von Friedland und Mecklenburg ungedruckte Briefe und amtliche Schreiben aus den Jahren 1627-34. 3 Bde. Berlin 1828-29. (Angeführt als: Förster, Briefe.)

Friedrich Förster: Wallenstein, Herzog zu Mecklenburg etc. ., als Feldherr und Landesfürst in seinem öffentlichen und Privatleben. Potsdam 1834. (Förster, Wallenstein.)

Friedrich Förster: Wallensteins Prozeß vor den Schranken des Weltgerichts und des k. k. Fiskus zu Prag. Leipzig 1844. (Förster, Wallensteins Prozeß.)

David Franck: Altes und neues Mecklenburg. XIII. Buch. Güstrow und Leipzig 1756.

Anton Gindely: Waldstein während seines ersten Generalats im Lichte der gleichzeitigen Quellen 1625-30. 2 Bde. Prag und Leipzig 1886.

J. P. Hassel: Die Absetzung der Herzoge von Mecklenburg und die Einsetzung Wallensteins zum Fürsten des Landes. In: Raumers histor. Taschenbuch, 1867, IV. Folge, 8. Jahrgang.

Arthur Heinrich: Wallenstein als Herzog von Sagan. Breslau 1896

Adolf Hofmeister: Die Brüder Varmeier und die Ermordung des Obristen H. L. von Hatzfeld im Jahre 1631. Rostock 1888. (Separat=Abdruck.)

O. Hunziker: Wallenstein als Landesherr, insbesondere als Herzog von Mecklenburg. Programm der Cantonsschule in Zürich 1875. Auch separat erschienen, hier nach der Quartausgabe des Programms angeführt.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 230 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Friedr. von Hurter: Wallensteins vier letzte Lebensjahre. Wien 1862.

Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde. Schwerin.

H. H. Klüver: Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg III. Hamburg 1738-42.

O. Krabbe: Aus dem kirchlichen und wissenschaftlichen Leben Rostocks. Zur Geschichte Wallensteins und des dreißigjährigen Krieges. Berlin 1863.

K. Ch. Fr. von Lützow: Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg. III. Teil. Berlin 1835.

J. O. Opel: Der niedersächsisch=dänische Krieg. III. Band. Magdeburg 1894.

L. von Ranke: Geschichte Wallensteins. Leipzig 1869.

E. von Schaumburg: Wilhelm von Calckum genannt Lohausen. Elberfeld 1866.

Otto Schulenburg: Die Vertreibung der mecklenburgischen Herzöge Adolf Friedrich und Johann Albrecht durch Wallenstein und ihre Restitution. Diss. Rostock 1892.

J. H. Spalding: Mecklenburgische öffentliche Landesverhandlungen, aus öffentlichen Landtags= und Landesconventsprotokollen gezogen. II. Band. Rostock 1795.

E. H. Zober: Ungedruckte Briefe Albrechts von Wallenstein und Gustav Adolf des Großen. Stralsund 1830.

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1. Die Besitzergreifung Meklenburgs durch Wallenstein.

Der Katholizismus hatte im Jahre 1626 auf der ganzen Linie gesiegt, Graf Ernst von Mansfeld, Herzog Christian von Braunschweig und zuletzt der König Christian IV. von Dänemark waren unterlegen. Aber auch nach der Niederlage des Dänenkönigs, des erwählten Obersten des niedersächsischen Kreises, blieb der siegreiche Tilly in Norddeutschland stehen, um gestützt auf seine erdrückende Truppenmacht, die religiösen Reaktionspläne des Kaisers in den reichen Stiftern dieser Länder zu verwirklichen, und stand drohend südwestlich von Meklenburg denn an der untern Elbe sich festsetzenden Dänen gegenüber.

Von Südosten her aber nahte sich noch eine andere Armee, einer gewitterschweren Wolke vergleichbar, das Heer Wallensteins, der nach Besiegung des Grafen von Mansfeld in Eilmarschen aus Schlesien wieder gen Norden gegen die Dänen zog, deren völlige Niederwerfung er seinem ligistischen Nebenbuhler Tilly nicht gönnte. Schlesien, Sachsen, Brandenburg waren vom Feinde gesäubert, so blieb neben Pommern nur noch Meklenburg übrig, dessen westliche und südwestliche Theile von den Truppen König Christians besetzt waren.

Die mekenburgischen Herzöge Adolf Friedrich I. von Schwerin und Johann Albrecht II. von Güstrow selbst hatten sowohl dem Kaiser wie ihren Landständen gegenüber des öfteren erklärt, sie seien zu schwach, um die Dänen mit Waffengewalt aus dem Lande vertreiben zu können. Auf friedliche Verhandlungen aber ließ sich Christian IV. gar nicht ein, rücksichtslos ließ er durch seinen Oberst=Wachtmeister von Schlammersdorf am 3./13. Januar 1627 1 ) den Westen Meklenburgs sammt der kleinen aber wichtigen Elbfestung Dömitz mit 400 Mann, die allerdings sofort dem Befehl des meklenburgischen Hauptmanns Gerhard Oberberg unterstellt wurden, besetzen. Tilly blieb zunächst bis zum Sommer 1627 ruhig in den Braunschweig=Lüneburgischen Landen stehen und schrieb von dort aus an die Herzöge von Meklenburg seine erfolglosen Briefe und Er=


1) Apologie, S. 328.
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mahnungen. Erst im Juli 1627 begann er seinen Vormarsch gegen die Dänen und überschritt im August 1 ) die Elbe; zur elben Zeit aber näherte sich auch Wallenstein dem Lande, das fast vier Jahre hindurch seinem unbeschränkten Willen unterthan sein sollte.

Zunächst betrat er selbst jedoch die Herzogthümer noch nicht, sondern schickte zwei seiner hervorragendsten Offiziere, den Grafen Heinrich Schlick und den Obersten Johann Georg von Arnim, voraus. Graf Schlick zeigte sofort, wie Wallenstein sich Tilly gegenüber stellen wollte, indem er den Kommandanten von Dömitz, Gerhard Oberberg, beweg, die Festung durch Akkord ihm zu übergeben. Die Kapitulation, in der Oberberg sehr günstige Bedingungen erhielt, wurde am 21./31. August 1627 abgeschlossen, 2 ) obwohl Tilly schon seit einiger Zeit mit dem Herzoge Adolf Friedrich wegen Einräumung der Festung verhandelt hatte. Durch den Besitz dieser Stadt, der vertragsmäßig allerdings nur für die Zeit des dänischen Krieges vorgesehen war, schloß Wallenstein den gefährlichen Nebenbuhler von einem Eingreifen in die meklenburgischen Verhältnisse, von dem entscheidenden Kampfe gegen den Dänenkönig aus.

Hatte selbst Tilly noch im November 1627 die Ergebenheit der Herzöge dem Kaiser gegenüber gerühmt, hatte im August 1627 Wallenstein zu ihrem Abgesandten Friedrich von Damnitz gesagt, er habe keinen Befehl, einen Reichsfürsten, der das Schwert gegen den Kaiser nicht gezückt habe, anzugreifen, so ballte sich das drohende Unwetter dennoch am Ende dieses selben Jahres zusammen und sandte in seinen letzten Tagen den verheerenden Blitzstrahl aus. Trotz freiwilliger Uebergabe von Wismar und Poel an Wallensteins Offiziere, trotz vieler Verhandlungen des mecklenburgischen Agenten am Kaiserhofe, Jeremias Pistorius von Burgdorf, selbst durch eigens abgefertigte Gesandte vermochten die Herzöge nicht, den Sinn des Kaisers ihnen freundlicher zu stimmen; stets warf er ihnen Ungehorsam gegen seinen letzten, am 23. Juni/3. Juli 1627 erlassenen Befehl, die dänischen Truppen mit Gewalt aus dem Lande zu bringen, vor. Und doch hatten die Herzöge dieses Schreiben nicht nur erst am 1./11. August erhalten, sondern sie waren auch in der That militärisch viel zu schwach, um den Befehl mit Aussicht auf Erfolg ausführen zu können.


1) Opel, III, S. 187.
2) Opel, III, S. 296.
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Wallenstein bearbeitete inzwischen selbst und durch seine Freunde am Kaiserhofe die leitenden Beamten des Kaisers für seinen Plan, den er am 19./29. Oktober 1627 dem Oberstlieutenant von St. Julien ankündigte 1 ): Absetzung der Herzöge wegen Hochverraths und Belehnung Wallensteins mit Meklenburg zur Entschädigung für seine ausstehenden Kriegsforderungen. Zwei Parteien stritten lange am Hofe des Kaisers über diese Pläne und ihre Berechtigung, schließlich siegte Wallenstein mit Hülfe des jesuitischen Einflusses bei dem engherzig=katholischen Kaiser und schon am Ende des Jahres, wahrscheinlich am 9./19. Dezember 1627, 2 ) übergab dieser in geheimer Audienz zu Brandeis die Herzogthümer Meklenburg an Wallenstein, vorerst allerdings, wie die für die Oeffentlichkeit bestimmte Urkunde ausspricht, nur als Unterpfand für die von ihm vorgeschossenen Kriegsgelder, "bis Sr. Liebden angeregte Kriegsunkosten erstattet und bezahlet worden". 3 ) Johann von Altringer und


1) Jahrb. 40, S. 93, Nr. 2.
2) Diesen Tag macht Gindely (I, S. 365) als den richtigen geltend, indem er der Khevenhüllerschen Aufzeichnung den Bericht entgegenstellt, den der päpstliche Nuntius Caraffa bereits am 29. Dezember 1627 n. St. über den Vorgang nach Rom richtete. Auch Wallenstein berichtet schon am 20. Dezember 1627 n. St. aus Brandeis an Arnim über die "Mutacion" mit Meklenburg: "allbereit ist es accordirt". (Förster, Briefe I, S. 169, Nr. 100.)
3) So das Patent vom 1. Februar 1628 n. St. durch das Johann Altringer und Reinhard von Walmerode als kaiserliche Kommissarien und Exekutoren eingesetzt wurden. (Gedr. Förster, Briefe I, S. 291.) Das Schweriner Archiv bewahrt bei den Homagialakten eine nicht ganz vollständige Abschrift einer sog. Konzessionsurkunde über die Herzogthümer (leider ohne Datum), die sich inhaltlich enge an das Patent anschließt, und in der gleichfalls die Herzogthümer Wallenstein "zu einem währenden Unterpfande so lang unablöslich" übergeben werden, "bis Se. Liebden angeregter Kriegesunkosten zu derselben billigmäßigen Satisfaction und Genügen wieder erstattet und bezahlet worden sein". Diese Urkunde, die nach dem Fundorte namentlich auf Meklenburg berechnet zu sein scheint, tritt also noch zu den von Gindely, I, S. 367 f., besprochenen Urkunden, in denen der Handel in Kaufesform ausgedrückt wurde. (Der Kaufbrief vom 26. Januar 1628 n. St. ist gedruckt bei Förster, Proceß, S. 91.) Obschon diese Form auch in die Oeffentlichkeit gelangte, wie des päpstlichen Nuntius Caraffa's Bericht nach Rom vom 12. April 1628 (Gindely, I, S. 367) und ein Bericht an Oxenstierna vom Mai 1628 (Axel Oxenstierna's Skrifter och Brefvexling II. Reihe, Bd. 10, S. 112) beweisen, scheint in den Herzogthümern nur die Form des Unterpfandes bekannt geworden zu sein. Die pfandweise Ueberlassung des Bisthums Schwerin erfolgte auch am 26. Januar 1628 n. St. in urkundlicher Form (Gindely, I, S. 367).
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Reinhard von Walmerode wurden als kaiserliche Kommissare am 22. Januar/1. Februar abgesandt, um das kaiserliche Patent in Meklenburg zu verkünden, die Unterthanen ihres den Herzögen geleisteten Treueides zu entbinden und auf Wallenstein, den neuen Herrn, in der Pfandhuldigung zu verpflichten.

Man hatte vielleicht am Kaiserhofe gehofft, daß die Herzöge, aufs Höchste bestürzt, ihr Land sofort verlassen würden, um hülfesuchend nach Dänemark oder Schweden zu gehen. Auch Wallenstein hatte diese Hoffnung getheilt; denn er schrieb 1 ) am 6./16. 2 ) November 1627 an Arnim, wenn der ältere oder der jüngere Herzog nach Schweden wollten, so solle er ihnen dabei helfen, er würde ihm, Wallenstein, damit einen großen Dienst erweisen. Die Herzöge blieben jedoch zunächst im Lande, und versuchten durch verschiedene Gesandtschaften an den Kaiser, an Tilly, ja an Wallenstein selbst, sowie durch Bitten an mehrere Fürsten um Interzessionalschreiben, diesen Beschluß des Kaisers rückgängig zu machen.

Alles war vergebens. Die Kommissare waren bereits Ende Februar 1628 in Boizenburg an der Elbe eingetroffen und Arnim hatte Meklenburg schon zum Theil besetzt. Am 3./13. März rieth 3 ) Herzog Adolf Friedrich seinem Bruder Johann Albrecht, der stündlich auf das eintreffen Arnims in Güstrow wartete, wenn die kaiserlichen Kommissare ernstlich die Pfandsumme von 700 000 Thalern einforderten, so müßten sie ihre Schuldlosigkeit einwenden, und daß ihre Gesandten am kaiserlichen Hofe noch auf Bescheid warteten, sowie daß sie schon viele Tonnen Goldes verloren hätten und das Geld nicht zahlen könnten. Wenn die Kommissare Ritter= und Landschaft zusammenberiefen, so müßten sie, die Herzöge, Gesandte an sie abschicken und auf die von Kaiser und Reich den Herzögen ertheilten Regalien, wie das jus convocandi subditos hinweisen, sowie auf die Anfangs beim Einrücken der kaiserlichen Armee ihnen gegebenen Versprechungen, müßten ferner um Aufschub bitten und nochmals beim Kaiser vorstellig werden. Wäre auch dieses nutzlos, so müßten sie sich mit einer Protestation verwahren. Schließlich


1) Förster, Briefe I, S. 139.
2) Wallenstein wendete stets den neuen Kalenderstil an, während die protestantischen Herzöge von Meklenburg nach dem alten Stile rechneten. Es sind daher hier stets beide Datierungen angegeben.
3) Schweriner Archiv: Acta invas. host. Vol. IX. (Korrespondenz zwischen den Herzögen Adolf Friedrich und Johann Albrecht.)
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rieth er seinem Bruder zur sofortigen Einberufung der Stände, mit denen man auch wegen Erleichterung der Einquartierungslasten sich bereden könnte.

Drei Tage später, am 6./16. März 1628, ertheilte der Kaiser 1 ) dem meklenburgischen Abgesandten von Plessen die kurze Antwort, es bleibe zunächst bei seinem früheren Bescheide und er müsse erst den Bericht der nach Meklenburg geschickten Kommissare erwarten, ehe er sich auf weitere Verhandlungen einlassen könnte.

Altringer und Walmerode waren indessen, wie gesagt, in Begleitung der Vertreter 2 ) Wallensteins, nämlich des Obersten Heinrich von St. Julien, des Dr. Justus Lüders sowie des Dr. Heinrich Niemann, in Boizenburg an der Elbe eingetroffen und hatten am 11./21. März die meklenburgischen Landstände zum 23. März/2. April nach Güstrow zusammenberufen. Gegen diese Einberufung legten die Herzöge sofort bei den Kommissaren sowie bei dem kaiserlichen Abgesandten in Lübeck, dem Grafen von Schwarzenberg, Protest ein. Sie befahlen aber dann doch den Ständen, die von ihnen zur Vertretung ihrer Rechte vor der Kommission den Hofgerichtsassessor Dr. Heinrich Schuckmann als Beistand erhalten hatten, aus Ergebenheit gegen den Kaiser, der Ladung Folge zu leisten.

Zahlreich fanden sich die Landstände an dem festgesetzten Tage in Güstrow ein, und unter dem Schutze kaiserlicher Truppen begannen im Schlosse die Verhandlungen 3 ) über die Einsetzung Wallensteins als Herzogs von Meklenburg, die Absetzung und Vertreibung der angestammten Fürsten. Am 24. März/3. April reiste auch der Herzog Adolf Friedrich nach Güstrow, wie er in seinem Tagebuche angiebt, 4 ) um die Absichten der Kommissare zu erfahren und, wenn möglich, zu hintertreiben.

Beide Herzöge baten um Aussetzung des Kommissoriums, da sie sich nochmals an den Kaiser zur Untersuchung der Sache wenden und die Zahlung der Wallenstein zuerkannten Kriegsgelder selbst übernehmen wollten. Auch die Stände erklärten sich zur Uebernahme dieser Schuld bereit und baten um eine Frist von drei Monaten. Trotz aller Bitten aber erlangten sie von den Kommissaren, die sich auf die ihnen gegebenen Befehle


1) Apologie, Beilage Nr. 11.
2) Apologie, Beilage Nr. 3.
3) Spalding II, S. 153 f.
4) Jahrbuch 12, S. 93.
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beriefen, nur einen Aufschub von wenigen Tagen. Am 29. März/8. April stellten die Stände die Bedingung auf, daß sie unter dem neuen Herrn bei der augsburgischen Konfession sowie allen Privilegien und Rechten erhalten blieben und es ihnen freistehe, sich der Herzöge anzunehmen und beim Kaiser für sie um Verzeihung zu bitten. Die Kommissare lehnten eine uneingeschränkte Bewilligung dieser Bedingung ab: von einer solchen Konfirmation stehe nichts in ihrem Kommissorium, Meklenburg werde an Wallenstein mit denselben Rechtszuständen übergehen, wie es die Herzöge inne gehabt hätten. Nachdem Dr. Schuckmann Namens der Stände erklärt hatte, sie hätten von dem Obersten von Arnim gehört, daß ihre Herzöge sie des Gehorsams entlassen hätten, erfolgte noch an demselben Tage (29. März/8. April 1628) unter Reservation der Religion, Privilegien und Gerechtigkeiten die Huldigung für den neuen Pfandbesitzer Meklenburgs, Albrecht von Wallenstein. Am folgenden Tage wurde der Kommissionsabschied unterschrieben, daß die Herzoge binnen vierzehn Tagen die Residenzen räumen sollten. Es war dies eine Forderung, auf deren Verwirklichung Wallenstein schon lange bei seinem Stellvertreter St. Julien gedrängt hatte. Wie oben bereits erwähnt, hätte er es gerne gesehen, wenn die Herzöge schon 1627 hätten "durchgehen" wollen zum Schweden oder sonst wo hin, da er sie nicht im Lande zu sehen begehrte, 1 ) wo sie zuvor geherrscht haben; am 30. Januar/9. Februar 1628 befahl er in seiner drastischen Art dem Obersten St. Julien, die Fürsten unbedingt zu entfernen, "denn zween Hanen auf einem Müst taugen nicht zusammen". 2 ) Immer wieder drängte er in seinem Schreiben darauf, daß die Herzöge "per amor o per forza ' aus dem Lande geschafft würden, "quia salus suadet". Am 10./20. April 3 ) bewilligte er ihnen noch einen fünfzehntägigen Aufenthalt auf den Leibgedingsgütern ihrer Gemahlinnen; aber auch die Herzoginnen müßten außer Landes gehen, könnten jedoch diese Güter behalten und durch eigene Beamte für ihre Rechnung verwalten lassen. Am 11./21. Mai 4 ) verlangte er wiederum sofortigen Abzug, der denn auch am 12./22. Mai erfolgte. 5 )


1) Förster, Briefe I, S. 139, S. 169 (10./20. Dezember 1627).
2) Jahrbuch 40, S. 95.
3) Jahrbuch 40, S. 100.
4) Jahrbuch 40, S. 102.
5) Tagebuch Adolf Friedrichs, Jahrbuch 12, S. 94.
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Vor einer Frau aber mußte sich auch der eiserne Wille Wallensteins beugen: trotz aller Befehle und Anfeindungen verließ die verwittwete Herzogin=Mutter Sophie ihren Wittwensitz Lübz nicht und setzte es schließlich auch bei Wallenstein durch, daß sie dort verbleiben konnte. Am 14./24. Mai 1628 1 ) schrieb er an St. Julien: "Was aber die alte Herzogin betrift, solches remitire ich alles in des Herrn discretion, viel lieber wolte ich schon das sie auch weck ziehen thete, vermeint aber der Herr, das nicht sein kan, so seys."

Hatten die Herzöge, noch während sie im Lande waren, sich eifrig nach Unterstützung umgesehen, so vergrößerte die Verbannung naturgemäß ihre Anstrengungen.

Die zum Theil nur kärglich erhaltenen Akten aus dieser für sie so traurigen und entbehrungsreichen Zeit geben uns kaum ein schwaches Bild von dem Briefwechsel, der von den Herzögen in der Zeit ihres Exils von ihren sächsischen Wohnorten sowohl wie später von Lübeck aus geführt worden ist. 2 ) Kein Fürst, Niemand von Rang oder Stand, von dem man annehmen konnte, daß er. irgend Einfluß beim Kaiser habe, wurde übergangen. Alle Kurfürsten, der König von Spanien, die Infantin zu Brüssel, der spätere römische König Ferdinand III., österreichische Erzherzöge, der Erzbischof von Bremen und andere Reichsfürsten, Mitglieder des Reichshofraths und des kaiserlichen geheimen Raths, ja sogar Tilly und Wallenstein selbst wurden um ihre Interzession gebeten. Dazu verband ein überaus reger Briefwechsel den Herzog Adolf Friedrich in Torgau, dann in Reinharz, mit seinem Bruder Johann Albrecht in Harzgerode über die abzuschickenden Schreiben, die vielfach quälenden Geldsorgen und die Pläne für die Zukunft.

Den Höhepunkt erreichten diese Bemühungen der Herzöge in der Abfassung der umfangreichen Apologie, auf deren Anfertigung schon im Juni 1629 ihr Agent zu Wien, Jeremias von Burgdorf, zugleich Agent Kursachsens, drängte. Der erste Theil dieser Schrift ist eine geschichtliche Darstellung der jüngsten Verwickelungen in Norddeutschland, der zweite eine Sammlung von Akten= und Urkundenmaterial, das den Beweis für die Unschuld der Herzöge liefern sollte. Die Zusammenstellung dieser Schriftstücke war ihnen dadurch bedeutend erschwert worden, daß Wallenstein, um authentische Beweise für ihre Schuld zu erlangen,


1) Jahrbuch 40, S. 103.
2) Archiv zu Schwerin.
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ihre Archive sofort eingezogen und jede Benutzung verhindert hatte. 1 ) Trotzdem ist in der Schrift ein sehr umfangreiches Aktenmaterial geschickt zusammengestellt, und es geht für jeden unbefangen Denkenden klar daraus hervor, daß die Herzöge nicht mehr Schuld trugen, wenn überhaupt von einer Verschuldung die Rede sein kann, als die übrigen Mitglieder des niedersächsischen Kreises auch, und daß diese überaus schwere Bestrafung der Fürsten durchaus unverdient und ungerecht war. Was das Zustandekommen dieser Apologie betrifft, so kann ich mich nur der von Schulenburg 2 ) geäußerten Ansicht anschließen. Christoph von Hagen hat den Grund gelegt, auf dem der Rath Cothmann weiter baute und schließlich dem Gebäude den Schlußstein aufsetzte. Daß Dr. von Hagen an der Arbeit betheiligt war, sie aber nicht zu Ende geführt hat, ergiebt sich meines Erachtens auch aus einer neuerdings gefundenen Rechnung in den Akten 3 ) des Schweriner Archivs; es heißt dort:

"Verzeichnus was D. Christoph von Hagen die Zeit über als er die Apologiam verfertiget alhie in Lübeck verzehret."

Dann sagt Dr. von Hagen selbst am Schlusse: "Ist bis auf den 4 Januarii des jetzigen 1630. Jahrs, da ich davon abgetreten, 9 wochen", nämlich, daß er bei Jacob Beckmann eingezogen ist.

Am 26. Mai/5. Juni 1630 untersiegelten die Herzöge die Schrift, die in 65 gedruckten gebundenen Exemplaren verschickt und zum größten Theil durch den Rath Simon Gabriel zur Nedden auf dem im Juni eröffneten Kurfürstentage zu Regensburg vertheilt wurde. Sie machte ungeheures Aufsehen und wurde viel verlangt, aber auch heftig angeseindet und verfolgt.

Doch gehen wir wieder zum Sommer 1627 zurück. Wallenstein verstand es, sich binnen kurzer Zeit Meklenburg militärisch vollkommen zu sichern und von den Dänen zu säubern. Mit eisernem Besen fegte er über das Land, das bis dahin fast ganz von der Kriegsfurie verschont worden war. Zunächst war es sein Bestreben, das flache Land und besonders die Städte vor seinem eigenen Mitkämpfer Tilly und dessen zügelloser und beutegieriger Soldateska zu schützen. Am 11./21. August 1627 befahl er Arnim, 4 ) soviel feste Orte wie möglich in Meklenburg


1) Schweriner Archiv: Acta invas. host. Vol. X. (Korrespondenz der Herzöge mit Kursachsen, d. d. 1629, Sept. 25 stil. vet.)
2) Schulenburg, S. 108.
3) Schweriner Archiv: Acta invas. host. (Apologia).
4) Förster, Briefe I, S. 103.
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mit kaiserlichen Truppen zu besetzen; am 19./29. September 1 ) wiederholte er den Befehl in verschärfter Form: es seien alle festen Orte Meklenburgs zu besetzen, und beim geringsten Widerstande der Herzöge: schonungslose Gewalt! Noch mehrfach ergingen Weisungen in diesem Sinne, ja, Arnim erhielt die Erlaubniß, sogar über die von Wallenstein selbst gegebenen Salvaguardiabriefe hinweg handeln zu dürfen. Am 29. September/9. Oktober 1627 beruhigte Wallenstein Arnim 2 ) wegen dieses rücksichtslosen Vorgehens gegen den General der Liga: er möge sich keine Sorge darüber machen, daß Tilly nicht nach Meklenburg hinein solle, denn kaiserliche und nicht bayerische Truppen hätten das Land besetzt. Im November befahl er ihm, dafür Sorge zu tragen, daß kein Tillyscher Soldat in Meklenburg Winterquartier beziehe; auch Güstrow und Schwerin seien, wie schon am 22. September/2. Oktober 3 ) befohlen, wenn auch nur schwach zu besetzen, damit wenigstens Wallensteinsche Soldaten, oder wie er selbst sie nennt, Kaiserliche, dort seien. So drängte er Tilly völlig von Meklenburg ab und sicherte sich zunächst den militärischen Alleinbesitz des Landes.

Daneben galt es, die Herzogthümer zu Lande und besonders zu Wasser gegen Dänemark wirksam zu schützen. Hauptsächlich ein etwaiger Angriff von der See her machte ihm große Sorge, da er den Dänen keine Seemacht entgegenstellen konnte und daher stets auf dem Sprunge sein mußte, dahin zu eilen, wohin diese ihre Schiffe lenkten. Seine eifrigen Bemühungen um Schaffung einer Kriegsflotte schlugen gänzlich fehl, und so ließ ihm, wie er selbst mehrfach sagt, 4 ) die Sorge um genügende Besetzung und Befestigung der beiden meklenburgischen Seestädte - Wismar mit der vorliegenden Insel Poel und Rostock mit dem Hafen Warnemünde - keinen ruhigen Augenblick. Ende 1627 und Anfang 1628 ergingen fast täglich Wallensteinsche Schreiben zuerst an den Obersten von Arnim, nachher an den Obersten von St. Julien, seinen Stellvertreter in Meklenburg, wegen der Besetzung und Befestigung dieser Städte, denen man durch Bedrohung mit Citadellen und Einlegung von Garnisonen "einen Zaum ins Maul legen" müsse. Zwar war Wallenstein am 29. September/9. Oktober 1627 5 )


1) Förster, Briefe I, S. 110.
2) Förster, Briefe I, S. 114
3) Förster, Briefe I, S. 111.
4) Förster, Briefe I, S. 134, 145 u. a.
5) Förster, Briefe I, S. 114.
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noch ganz damit einverstanden, daß Arnim mit Rostock glimpflich verfahre, aber nach der Besetzung Wismars (10./20. Oktober 1627) und besonders nach der Einnahme des Hauses Poel (21. November/1. Dezember 1627) trat er ganz anders Rostock gegenüber auf.

Am 6./16. Oktober 1627 1 ) verlangte der Oberst von Arnim von dem Herzoge Adolf Friedrich, der in der Veste Poel weilte, die Uebergabe von Wismar, worauf der Herzog eine entsprechende Aufforderung an die dortigen Bürger schickte, die aber zunächst schroff abgewiesen wurde. Schnell jedoch schlug die Meinung in der Stadt um, die Bürger baten um 3 Tage Bedenkzeit, die dem Herzog für sie von Arnim bewilligt wurden. Am 10./20. Oktober wurde die Kapitulation abgeschlossen. 2 ) Danach mußte Wismar eine kaiserliche Besatzung von 1000 Mann aufnehmen, die nach Beendigung des dänischen Krieges wieder herausgenommen werden sollte; in Religionssachen bleibe alles unverändert; die wismarschen Schiffe müßten zum kaiserlichen Dienste gegen Entschädigung zur Verfügung stehen. Wismar selbst war nun zwar in der Hand Wallensteins, aber nach der See hin war es noch immer durch die von den Dänen unter Oberst von Schlammersdorf besetzte Insel Poel in Fesseln gelegt, während die darauf befindliche kleine Festung, das Haus Poel, von ihrer schwachen meklenburgischen Besatzung tapfer und erfolgreich gegen die Dänen behauptet wurde. Am 23. Oktober/2. November befahl Wallenstein, Haus und Insel Poel zu besetzen. Da in Kurzem in Meklenburg eine "Mutation" vorgenommen werde, sollte das Land möglichst von Truppen befreit und nur Dömitz und die beiden Seehäfen mit Garnisonen belegt werden. Aber erst am 21. November/1. Dezember 1627 3 ) kam das Haus Poel durch freiwillige Uebergabe seitens des Herzogs Adolf Friedrich - Schlammersdorf war während der Zeit schon von der Insel abgezogen - in die Hand des Wallensteinschen Obersten Hebron. Nach den Bedingungen sollte Arnim 4 ) beim Kaiser besonders das Freiwillige der Uebergabe hervorheben. Auch diese Veste sollte, wie Dömitz, nach Beendigung des dänischen Krieges wieder an den Herzog ausgeliefert werden.

Nun wandte sich Wallenstein gegen Rostock, den einzigen Ort des Landes, den er noch nicht in seiner Gewalt hatte. Dort


1) Jahrbuch 12, S. 89.
2) Förster, Briefe I, S. 116.
3) Apologie, Beilage Nr. 242.
4) Apologie, Beilage Nr. 241.
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hatten die Bürger im November 1 ) 1627 begonnen, Befestigungen um ihre Stadt aufzuführen. Sofort befahl Wallenstein dem Obersten von Arnim, nicht nur die Ausführung dieser Bauten zu verhindern, sondern auch schleunigst die stärksten Gegenbauten und Citadellen vor Rostock aufzuführen. Es begannen nun langwierige Verhandlungen 2 ) zwischen der Stadt Rostock und dem Obersten von Arnim über die Kontribution der Stadt, in deren Verlaufe man sich auf die von ihr zu zahlende einmalige Summe von 140000 Thalern einigte, wogegen sie frei von Einquartierung bleiben sollte. Wallenstein erklärte sich am 22. November/2. Dezember 1627 3 ) damit einstweilen für einverstanden, fügte indessen sogleich Arnim gegenüber die Beschränkung hinzu, daß diese Abmachung nur ein Provisorium für einige Monate sei. Schon am 5./15. November 1627 4 ) hatte Wallenstein den Obersten von Arnim dringend aufgefordert, Rostock wie Wismar so stark zu befestigen, daß sie sich auch mit kleineren Garnisonen vertheidigen könnten, und fast in jedem Briefe kehrte der Befehl zum Citadellenbau wieder, "denn der Herr gar wol weis das die grosse stett ohne Citadell gar nichts werth sein". 5 ) Im Februar 1628 schickte Wallenstein mehrfach Befehle, 6 ) auch Warnemünde zu befestigen und zu besetzen und ließ durch den Obersten von St. Julien weiter mit der Stadt verhandeln. Dieser führte während dessen mit unbeugsamer Strenge durch Fronarbeiten der umwohnenden Bauern den Bau der Schanze an der Mündung der Warnow aus und meldete am 19./29. Februar 1628 7 ) an Wallenstein die Vollendung dieses Befestigungswerkes.

In den Augen der Ausländer galt Rostock, dessen Hafen durch diesen Schanzenbau in die Gewalt Wallensteins gekommen war, nunmehr für gut kaiserlich, und sofort ließ Christian IV. von Dänemark den Handel Rostocks lahm legen, indem er die in dänischen Häfen liegenden Rostocker Schiffe festhielt und die auf hoher See befindlichen kaperte. Rostock schickte deshalb Gesandte an Wallenstein, die Mitte März in Gitschin vor ihm erschienen und besonders um Herausgabe der Warnemünder Schanze, sowie


1) Förster, Briefe I, S. 133, 139, 161.
2) Jahrbuch 51, S. 304 f.
3) Förster, Briefe I, S. 161.
4) Förster, Briefe I, S. 133.
5) Förster, Briefe I, S. 139.
6) Jahrbuch 40, S. 94 f., und Förster, Briefe I, S. 284, 309.
7) Jahrbuch 51, S. 313.
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auch unter anderem um Verschonung mit Einquartierung baten. Als die Verhandlungen im besten Gange waren, lief die für die Rostocker ungünstige Meldung St. Juliens ein, daß Pöbel und Seeleute, insgesammt etwa 2000 Mann, sich in Rostock zusammengerottet und den Kaiserlichen gedroht hätten, sich mit den Dänen zu vereinigen und die Warnemünder Schanze zu stürmen, auch halte er die Ritterschaft nicht für unschuldig an dem Aufruhr. Wallenstein, aufs Höchste gereizt, befahl sofortige Entwaffnung der Bürger und Beschleunigung des Citadellenbaues. 1 ) Indessen versprach er, nachdem am 9./19. April 2 ) die Nachricht von der geschehenen Pfandhuldigung eingetroffen war, den erschrockenen Gesandten Einquartierungsfreiheit für ihre Stadt, wenn nicht ratio belli es anders erfordere, sowie Freiheit von der Landeskontribution wegen der bis dahin geleisteten übergroßen Beiträge zu den Kriegsbedürfnissen.

Schon am 17./27. Februar 1628 3 ) sprach Wallenstein Arnim gegenüber die Befürchtung aus, daß, wenn Jener jetzt von Stralsund unverrichteter Dinge abzöge, die übrigen Städte (besonders Wismar und Rostock) sich ein Herz fassen und anfangen würden, Befestigungen anzulegen; sein Mißerfolg vor Stralsund im Sommer 1628 bestärkte ihn vielleicht in dieser Befürchtung und er beschloß, nunmehr sich Rostocks völlig zu bemächtigen. In der Nacht vom 15./25. zum 16./26. Oktober 1628 rückte er, nachdem er vorher den Bürgern durch eine List den Brotvorrath abgelockt hatte, vor die Stadt und verlangte sofortige Einnahme einer Garnison. Nach vielen Verhandlungen sowohl zwischen Wallenstein und dem Rathe, der das Nutzlose eines Widerstandes einsah, wie zwischen diesem und den Bürgern, die sich auf nichts einlassen wollten, und nachdem es beinahe zur Erstürmung gekommen war, wurde am 17./27. Oktober 1628 die Kapitulation von Wallenstein unterschrieben, wobei er nochmals versicherte, die Garnison solle nur zum Schutze der Stadt gegen König Gustav Adolf von Schweden dienen. Auch Rostock wurde, ebenso wie Wismar, zunächst mit 1000 Mann belegt. Wallenstein selbst hat die Stadt niemals betreten.

Neben diesen beiden wichtigsten und festesten Städten Meklenburgs wurden auch die Residenzstädte Schwerin und Güstrow nicht vergessen; sie erhielten trotz der ihnen gegebenen Salvaguardia=


1) Jahrbuch 40, S. 97.
2) Jahrbuch 51, S. 326 f.
3) Förster, Briefe I, S. 309.
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briefe ihre, wenn auch nur geringe, kaiserliche Besatzung. Bereits Ende Dezember 1627 waren sie mit überwinternden Wallensteinschen Truppen belegt worden, hatten indessen dann Freiheit von Einquartierung erhalten. Diese Vergünstigung wurde ihnen aber nicht allzulange zu Theil, denn schon am 16./26. März 1628 besetzte Morgens um 7 Uhr der kaiserliche Hauptmann Samuel Hoffmann auf Befehl des Obersten von St. Julien auch das Schloß zu Schwerin mit einigen Soldaten, ohne daß der dort anwesende Herzog Adolf Friedrich irgendwelchen Widerspruch dagegen erhob. 1 ) Die Stadt Güstrow aber beschwerte sich am 26. Mai/5. Juni 1628 darüber, daß sie trotz ihrer schweren Lasten für Winterquartiere auch zur Zeit der kaiserlichen Kommission, des Land= und Huldigungstages unter der Soldateska habe leiden müssen. 2 ) Daß Güstrow später, so lange es Residenz Wallensteins war, mit einer ständigen Sicherheitswache belegt wurde, ist als selbstverständlich anzunehmen.

Vignette

1) Jahrbuch 12, S. 93. Schweriner Archiv: Acta invas. host. Vol. IX. (Korrespondenz zwischen den beiden Herzögen.)
2) Schweriner Archiv, Stadt Güstrow, Onera.
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2. Der Usurpator als Landesherr.

So waren die festen Platze und größeren Orte des Landes in der Hand Wallensteins, und dieser führte nun durch, was er schon von vornherein im Auge gehabt hatte, eine militärische Entlastung Meklenburgs. Am 12./22. November 1627 1 ) theilte er Arnim mit, daß, sobald die "Mutation" mit Meklenburg vorgenommen sei, die Truppen sofort nach Pommern umquartiert werden müßten, da nur zehn bis zwölf Fähnlein und etwa drei Kompagnieen Reiter in Meklenburg, und zwar zur Besetzung der Häfen, der Festung Dömitz sowie der Insel und des Hauses Poel, verbleiben würden. Am 10./20. Mai 1628 2 ) befahl er Arnim, die Kavallerie, die damals noch allgemein vom flachen Lande durch Naturallieferungen erhalten wurde, aus dem Lande zu nehmen und auf Pommern, die Uckermark, die Priegnitz und die lübischen Dörfer zu vertheilen; er wolle das Land jetzt wieder aufbringen und nicht ruinieren. Noch in andrer Weise sorgte Wallenstein dafür, daß sein Herzogthum von den Kriegsbeschwerden möglichst verschont bleibe. Am 14./24. Mai 1628 3 ) wies er Arnim an, strengstens darauf zu halten, daß jeder durchmarschierende Truppentheil sich zuvor bei dem Obersten von St. Julien melde, den von diesem anbefohlenen Weg einschlage und keinen Rasttag im Lande halte. Einige Tage später befahl er dem Obersten von St. Julien, zu jedem durchmarschierenden Truppentheile auch Marschkommissare zu stellen.

Eine Hauptsorge Wallensteins mußte es sein, den für seine Truppen nöthigen Unterhalt durch Kontributionen aus Meklenburg bei möglichst großer Schonung des Landes zu entnehmen, und obwohl er sonst wenig geneigt war, sich mit Anderen in die Leitung seiner Angelegenheiten zu theilen, so hielt er es doch für angebracht, in dieser dringenden und höchst wichtigen Sache die Stände zur Berathung heranzuziehen. Schon auf dem vom 21. - 30. April/1. - 10. Mai 1628 in Güstrow 4 ) abgehaltenen Landtage verhandelten


1) Förster, Briefe I, S. 149.
2) Förster, Briefe I, S. 337.
3) Förster, Briefe I, S. 339.
4) Spalding II, S. 175 f.; Lützow III, S. 222 f.
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Wallensteins Statthalter, Oberst von St. Julien, und die kaiserlichen Kommissare mit den Landständen über die Höhe und den Modus der neu zu erhebenden Kontribution, wobei man sich schließlich auf eine einmal zu zahlende Summe von 100 000 Thalern, Lieferung von Brotkorn an die Truppen und Geldgeschenken an den Statthalter einigte. Die Summe sollte binnen Monatsfrist bezahlt, werden, aber nicht in den Landkasten zu Rostock, sondern nach Güstrow. Es waren dies jedoch nur vorläufige Abmachungen, und die Lage der Sache änderte sich vollkommen nach der Ankunft Wallensteins in seinem neu erworbenen Herzogthume. Die Stände wurden zum 19./29. August 1628 wieder nach Güstrow zusammenberufen, erschienen aber nicht sehr vollzählig, drängten auch ungeduldig auf baldigen Schluß der Tagung, da die Ernte Vielen das längere Verlassen ihrer grade jetzt der Aufsicht sehr bedürftigen Güter nicht rathsam erscheinen ließ.

Es wurde ihnen folgende Präposition gemacht: 1 ) Wallenstein habe beschlossen, zum Schutz des Landes nur 6000 Mann zu Fuß und 600 Reiter in Meklenburg und zwar an den Grenzen zu unterhalten, das übrige Land aber von Einquartierung zu befreien. Um nun die zugesagte strenge Disziplin aufrechterhalten zu können, sei es erforderlich, diesen Truppen den monatlichen Sold pünktlich auszuzahlen und dazu müßten an jedem Ersten des Monats 50 000 Thaler bezahlt werden. Außerdem müsse zumZwecke der Herstellung und Erhaltung von Befestiaungswerken die Accise, die hier zum ersten Male von der Kontribution getrennt wurde, verdoppelt werden. Den flehentlichsten Gegenvorstellungen der Stände gab Wallenstein nur insofern nach, als er die Summe auf 30 000 Thaler monatlich ermäßigte und bestimmte, daß die bis dahin eximierten fürstlichen Leibgedings= und Witthumsämter sowie die Domanialunterthanen und das Stift Schwerin zur Leistung der Kontribution herangezogen werden sollten. Wismar und Rostock blieben von der Zahlung der Kontribution befreit. Wallenstein schrieb dazu am 23. August/2. September von Wolgast aus an den Obersten (den späteren Statthalter) Wingersky, 2 ) Rostock solle ihm ohnedies noch die 8000 Thaler bezahlen, und die von Wismar seien ruiniert. Den bisherigen Modus der Erhebung der Kontribution änderte Wallenstein trotz aller Gegenvorstellungen der Stände und befahl, statt des alten Saaten= und Hufenmodus, eine sofortige Einschätzung sämmtlicher


1) Spalding II, S. 187 f.; Lützow III, S. 224 f.
2) Franck XIII, S. 68.
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Güter, um den hundertsten Pfennig davon zu erheben. Als Anfangstag für die Zahlung dieser neuen Kontribution wurde der 1./11. September 1628 festgesetzt, wobei die ständische Landkastenkontrole aufgehoben wurde, die nur bei den gewöhnlichen Landesanlagen, nicht aber bei Kriegssteuern zulässig 1 ) sei. Die Stände mußten sich dem eisernen Willen ihres neuen Herrn Beugen, der ihnen das für sie so vortheilhafte Steuerbewilligungsrecht aus den Händen nahm. Daß Wallenstein nicht gewillt war, in diesem Punkte irgendwie nachzugeben, zeigen seine Schreiben an Wingersky vom 23. August/2. September 1628 2 ) und vom folgenden Tage, in denen er drohende Warnungen ausspricht: "Aus seinem Schreiben verneme ich, was die Stände für Impertinentzen und Prolongacien begeret haben, Nun sage ich, sie sollen mich nicht vf solche weise tractiren, wie sie die vorige Herzogen tractiret haben, denn ich werde es gewisse nicht leiden, vnd zum ersten zu der Land=Räthe und Vornembsten Güetern, auch den Personen greifen"- "Werden sie die Disposition wegen des Geldes nicht machen, sie werden sehen, was ihnen daraus wird entstehen, darumb scherzen sie nur nicht mit mir" - "Er weise ihnen nur dies mein Schreiben mit Warnung, sie sollen die Impertinenzien einstellen, oder es wird ihnen nichts Guts daraus erfolgen." Und 3 ) "Aus seinem Schreiben verneme ich, daß die Stände in Mecklenburgk nicht gerne wollen kommen auf den newen modum contribuendi, wie auch daß die Contributionen nicht vf Monat sondern auf eine gewisse quota soll gerichtet werden. Nun habe ich das alles wohl zuvor bedacht vnd befehle ihm, das ich weder vom modo, noch von dem, das die Contributionen vf die Monat sol gerichtet werden, wil weichen, dahero dann er ihnen solches andeuten, vnd sie warnen, das sie mir kein Vrsach zu etwas anders geben sollen."

Die hervorragendste That Wallensteins, in Meklenburg auf dem Gebiete der Verwaltung war die Trennung der Justiz von der Verwaltung im engeren Sinne. Ueber diesen bedeutsamen Schritt haben die Forschungen von Lisch 4 ) erst Licht gebracht, und sein Verdienst ist auch die Zusammenstellung der Namen aller Beamten und der Kollegien der meklenburgischen Regierung Wallensteins. Interessant ist der Hinweis Hunzikers 5 ) auf den


1) Spalding II, S. 192.
2) Spalding II, S. 199; Franck XIII, S. 68.
3) Spalding II, S. 199.
4) Jahrbuch 36, S. 3 f.
5) Hunziker, S. 6.
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Umstand, daß schon der Herzog Adolf Friedrich I. diese Aenderungen plante, die Wallenstein ein Dezennium später thatsächlich durchführte, ja daß dieser vielleicht diese Gedanken benutzte. 1618 hatte der Herzog Adolf Friedrich eine 69 Folioseiten umfassende Schrift über die Zustände Meklenburgs verfaßt, mit dem Titel Discours de present l'éstat de Mechelbourg, des desordres en c'este estat et des remedimens, in der er diese umgestaltenden Gedanken aussprach. Er gab sie (wie er in seinem Tagebuch 1 ) unter dem 17. Oktober 1619 vermerkt) zur Durchsicht an Gebhard von Moltke, dem sie sehr gut gefiel. Gebhard von Moltke aber war zehn Jahre später unter Wallenstein erst Kammerdirektor, dann Direktor des geheimen Raths und hatte als solcher großen Einfluß auf Wallensteins Entschließungen auf diesem Gebiete.

Am schärfsten tadelt Herzog Adolf Friedrich in dieser Schrift den Zustand der Rechtspflege im Lande. Der Kanzler, je einer zu Schwerin und zu Güstrow, habe das Direktorium in der Kanzlei, in der Regierung und in den Gerichten. Dabei könne es aber nothwendig wegen der vielen andern Geschäfte des einen Mannes und dessen häufiger Abwesenheit nicht ordentlich zugehen. Diese Kanzleien kosteten viel und nutzten wenig, da sie nur Bagatellen erledigten, große Sachen aber stets an die Juristenfakultäten abschöben. Er verlangt deshalb ständige Beisitzer und einen besonderen Direktor. Am Hofgericht, das er lieber Landgericht genannt haben will, mißfällt dem Herzoge am stärksten der viermal jährlich stattfindende Ortswechsel und das dadurch bewirkte Herumschleppen der Akten. Er schlägt einen bestimmten Ort, z. B. eine der Residenzen, zur Tagung vor. Nur die Wirren und Unruhen des ausbrechenden Krieges hinderten den Herzog an der Verwirklichung dieser Pläne.

Wallenstein ließ die landständische Verfassung, die er in Meklenburg vorfand, gänzlich unangetastet; wenn er auch den öfters hinhaltenden und disputirenden Landständen gegenüber, wie wir schon sahen, scharf und unangenehm den Herrn zeigte, die Form selbst blieb unverletzt bestehen. Die Regierung und Verwaltung des Landes aber gestaltete er vollkommen um. Er richtete sein Augenmerk zunächst auf die Verbesserung der Rechtspflege, in der er selbst der oberste Richter sein wollte. Die Stände hatten bisher das Recht gehabt, an das Reichskammergericht gegen Entscheidungen ihrer Landesherren Berufung ein=


1) Jahrbuch 12, S. 70.
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zulegen. Dagegen hatten die meklenburgischen Herzöge schon früher (1569, 1621, 1623) vom Kaiser privilegia de non appellando für Sachen bis zu einer bestimmten Werthsumme in steigender Folge erlangt und waren zuletzt (1623) bis auf 1000 Gulden gekommen. Wallenstein erstrebte nun ein privilegium de plane non appellando auch für Meklenburg, wie er es 1627 1 ) bereits für das Herzogthum Friedland erhalten hatte. Indessen erhielt er dieses Privileg, das bis dahin als alleiniges Vorrecht der Kurfürsten gegolten hatte, vom Kaiser erst am 4./14. August 1629 2 ) unter der Bedingung, daß des Herzogs "tribunalia in ermeltem Hertzogthumb Meckelnburg vff drei ordentliche instantias gericht vnd bestelt vnd solche mit Assessoren, so zum Theil vom Adel, darzu die Land=Saßen, wan Sie hierzu qualificiret, vor andern zu gebrauchen, vnd zum theil gelehret sein sollen, besetzt, dieselben auch Ihrem stande nach, welches S. Lbd. ohne das zu thun geneigt sein vnd sich anerbotten, gebührlich besoldet werden".

Von diesem Privileg wurden ausgenommen causae denegatae et protractae justitiae, nullitatis, fractae pacis et contributionis imperii; auch blieb für Wallenstein die Verpflichtung bestehen, zu den Unterhaltungskosten des Reichskammergerichts beizutragen. Erst am 10./20. März 1630 3 ) befahl er von Gitschin aus seinem Statthalter von Wingersky, die drei verlangten Instanzen einzurichten. Zur ersten Instanz wurde das alte Hofgericht bestimmt, das als ständigen Sitz das zu diesem Zweck angekaufte Haus Otto von Preens in Güstrow angewiesen erhielt. Es wurden hierzu die dienstfähigen Beamten des alten Hofgerichts genommen, die 1628 zum Theil vor Wallenstein geflohen, von diesem aber zurückgerufen waren, da ihm daran lag, des meklenburgischen Rechts kundige Männer in diesem Amte zu haben. Das Gericht bestand aus: 4 ) Paschen von der Lühe, Landrichter und Präsidenten (später Präsidenten des Appellationsgerichts); Bugislaf von Behr, Vizelandrichter (später Präsidenten); Georg v. Linstow, Rath (später Appellationsgerichtsrath); Joachim v. Lützow, Rath; Augustin von der Lühe, Rath (seit Michaelis 1630); Dr. Peter Waßmuth, Rath; Dr. Christoph von Hagen, Beisitzer; Hermann Meyer, Beisitzer (später Appellationsgerichtsrath); Dr.


1) Förster, Wallenstein, S. 337.
2) Jahrbuch 36, S. 43.
3) Jahrbuch 36, S. 46.
4) Jahrbuch 36, S. 32 f.
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Heinrich Schuckmann und Dr. Justus Zinzerling, Beisitzer, von den Ständen besoldet; Dr. Nikolaus Wasmund, Fiskal; Friedrich Mundrich und Ludwig Wolter, Protonotaren; schließlich noch aus zwei Sekretären, drei Kanzlisten und dem Unterpersonal.

Zu den bestimmten und ständigen Hofgerichtsräthen traten auf den Quartalgerichtstagen noch vier Landräthe und vier unbesoldete Beisitzer (einer wegen der Universität, einer vom Rathe zu Rostock, ein Bürgermeister von Wismar und ein Bürgermeister von Güstrow).

Zweite Instanz wurde das von Wallenstein neu geschaffene Apellationsgericht, dessen Besetzung und völlige Einrichtung erst nach Michaelis 1630 abgeschlossen war. Es bestand aus folgenden Beamten: Paschen von der Lühe, Präsidenten; Balthasar v. Moltke, Georg v. Linstow, Dr. Thomas Lindemann, Hermann Meyer, Räthen; Johann Oberberg, Sekretär, und zwei Ingrossisten.

Zur dritten und obersten Instanz bestimmte Wallenstein das höchste Regierungskollegium, den geheimen Rath. Zwar äußerten dessen Präsident Albrecht von Wingersky und Dr. Lindemann ihre Bedenken, da der Rath ja eigentlich keine ordentliche Instanz, wie der Kaiser gefordert habe, sondern nur eine Aushülfe sei; aber es blieb bei Wallensteins Anordnung.

Er schärfte als erste Pflicht allen seinen Beamten und besonders den Justizbehörden schnellste Erledigung aller Sachen ein. Lisch berichtet, 1 ) er habe aus keiner Zeit so dünne Gerichtsaktenfaszikel gefunden, wie gerade aus der Wallensteinschen Periode, und oft seien - unerhört für jene stürmischen und doch in ihren Verwaltungsmaßnahmen so schleppenden Zeiten - Eingabe und Bescheid von ein und demselben Tage.

Auch auf dem Gebiete der Verwaltung führte Wallenstein tief einschneidende Neuerungen ein, indem er, wie vorher schon in seinem Herzogthume Friedland, 2 ) die Verwaltung der Domänen und landesherrlichen Einkünfte, die bisher dem Kanzler unterstanden hatte, von der eigentlichen Landesregierung trennte und dem neu errichteten Kammerkollegium übertrug. Obwohl 3 ) Gebhard von Moltke, Hans Heinrich von der Lühe und Dr. Justus Lüders ihm das Gutachten abgaben, daß nach der mit großer Mühe hergestellten Ordnung der Wirtschaften nunmehr die Oeconomica durch einen Buchhalter, einen Rentmeister und einen Schreiber


1) Jahrbuch 36, S. 12.
2) Förster, Wallenstein, S. 335.
3) Jahrbuch 36, S. 28.
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gut genug verwaltet werden könnten, so gab Wallenstein doch dieser Behörde ein verhältnismäßig zahlreiches Beamtenpersonal. Bis Anfang 1629 war Gebhard von Moltke Kammerdirektor; als er zum Direktor des geheimen Raths berufen wurde, folgte ihm als Kammerpräsident Hans Heinrich von der Lühe, dem Dr. Justus Lüders als Vizepräsident und Bugislaf von Platen als Rath zur Seite standen. Seit 1630 war auch Ulrich von Pentz, Amtshauptmann zu Bützow und Rühn, als berathendes Mitglied im Kammerkollegium. Das Unterpersonal bestand aus einem Rentmeister und dessen Gehilfen, zwei Sekretären, zwei, später fünf Schreibern und zwei Kammerboten. Auch über die Form der Kammererlasse sind wir unterrichtet: am 13./23. Mai 1629 erging von Wallenstein der Befehl an die Kammer, kein Schreiben unter dem fürstlichen Siegel ausgehen zu lassen, das nicht von dem anwesenden Kammerpräsidenten und einem Kammersekretär unterschrieben sei. 1 )

Die alte Kanzlei, das eigentliche Regierungskollegium, ließ Wallenstein unter diesem Namen weiterbestehn. Ihr unterstand die Beaufsichtigung und Bethätigung der landesherrlichen Hoheitsrechte, wie Lehen= und Grenzsachen, Bestätigungen, Konsense und Begnadigungen. An der Spitze stand der Kanzler Johann Eberhard von Eltz, einer der wenigen landfremden wallensteinschen Beamten in Meklenburg, der 1630 von Wallenstein aus dem bedrohten Besitze heraus und in das Hauptquartier berufen wurde. Ferner gehörten dieser Behörde an: Dr. Joh. Oberberg als Direktor; H. von Halberstadt, J. D. von Stralendorf, Balthasar von Moltke, Dr. Heinrich Niemann und Dr. Nikolaus Eggebrecht als Räthe; zwei Lehnsekretäre und Archivare, fünf Kanzleisekretäre, Registratoren und Kanzlisten, Botenmeister und Boten.

Als höchstes Kollegium im Lande und, wie schon erwähnt, zugleich oberste Gerichtsinstanz schuf Wallenstein den geheimen Rath, dessen Vorsitz er selbst oder sein Statthalter führte. Gebhard von Moltke wurde Direktor, zwei meklenburgische Adlige, Gregorius von Bevernest und Volrath von der Lühe, standen ihm als Räthe zur Seite, ein Sekretär und ein Schreiber bildeten das übrige Beamtenpersonal.

Es war ein kluger Schachzug Wallensteins, daß er zu den höchsten Beamten der Kollegien nur Meklenburger nahm. Ihre Kenntniß von Land und Leuten, von Sprache, Einrichtungen, Gewohnheiten und Rechten in Meklenburg mußten ihm von


1) Jahrbuch 36, S. 42.
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unschätzbarem Werthe sein. Die Namen von Moltke und von der Lühe waren besonders oft in seinem Beamtenstaate vertreten; ihre Träger glaubten, damit dem Vaterlande besser zu dienen, als wenn sie durch ihre Weigerung den Usurpator zwangen, Fremde an die Spitze der Verwaltung zu stellen. Wie ihnen von ihren angestammten Herzögen dafür gedankt wurde, werden wir später sehen.

Es sind noch vier Beamte zu nennen, die Wallenstein zur Vertretung seiner persönlichen Interessen um sich hatte; sie waren seine Vertrauten und sämmtlich keine Meklenburger. Das waren der Statthalter, der Kanzler, der Regent und Wallensteins persönlicher Sekretär, die Lisch zusammen nicht unpassend "das Kabinett" nennt. 1 )

Vor Wallensteins Ankunft in Güstrow fungirte als sein Statthalter und Stellvertreter der Oberst Freiherr Henry de Guyard et de St. Julien, der später von Wallenstein nach Wien geschickt wurde, um am Kaiserhofe für die Interessen seines Herrn zu wirken. Sein Nachfolger wurde der Oberst Albrecht von Wingersky (wie er meistens geschrieben wird), der bis 1631 die

Person des Landesherrn in Meklenburg vertrat. Er wurde dann von Wallenstein nach Böhmen berufen und sein Nachfolger im Amte wurde Graf Berthold von Wallenstein, ein Vetter des Herzogs, der am 6./16. Oktober 1631 aus dem von den Herzögen wiedereroberten Rostock abzog, während die meisten fremden Wallensteinschen Beamten schon im Frühjahr 1631 beim Vorrücken der Schweden entflohen waren.

Ueber den Kanzler Johann Eberhard von Eltz aus Kur=Trier ist schon oben bei Besprechung der Kanzleieinrichtung kurz gehandelt.

Der Kammerregent war gewissermaßen der Finanzminister des Herzogs. Nach dem Tode des bisherigen Regenten Hieronymus Buckowsky in Gitschin ernannte Wallenstein im Juli 1629 den Heinrich Kustoß 2 ) von der Lipka, einen Böhmen, zum Regenten für Friedland, Sagan und Meklenburg zusammen. Sein Bruder Hans Kustoß wurde Wallensteinscher Amtshauptmann in Meklenburg und gerieth 1630 zusammen mit dem


1) Jahrbuch 36, S. 14.
2) Jahrbuch 36, S. 19. Es ist ein Irrthum, wenn Fr. Förster, Wallenstein, S. 339, meint, diese Klasse der Wallensteinschen Beamten habe den Amtstitel Kustos geführt. Die Namen der Brüder beweisen es klar, daß Kustoß Familienname ist.
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Regenten in schwedische Gefangenschaft, wurde jedoch noch vor diesem entlassen und begab sich zu seinem Bruder Georg Kustoß nach Hamburg.

Wallensteins Kabinetssekretär und ständiger Begleiter war der Rittmeister Neumann, der am 15./25. Februar 1634 zusammen mit seinem Herrn in Eger den Tod fand.

Zur Ausführung besonderer Aufträge bediente sich Wallenstein vielfach der Meklenburger Heinrich von Husan und Gerhard Oberberg, der früher als Hauptmann und Kommandant von Dömitz in meklenburgischen Diensten gestanden hatte, aber durch die von dem Herzog Adolf Friedrich unkluger Weise wegen der Uebergabe der Festung gegen ihn eingeleitete kriegsgerichtliche Untersuchung und die ungerechte Verurtheilung in die Arme der Gegner getrieben war.

Die Hofjagdbeamten nahm Wallenstein fast sämmtlich aus dem meklenburgischen Adel. Oberjägermeister war Joachim v. Winterfeld, Jägermeister waren Joachim von Lützow und Gebhard von Moltke, ein Vetter des Kammerdirektors. Daneben war nur der Jägermeister Gotthard Gohr als einziger Ausländer thätig.

Zeigt uns dieser sorgfältig durchdachte Beamtenstaat schon das ungewöhnliche Organisationstalent Wallensteins, so tritt es noch schärfer in seinen zum Nutzen des Landes und der Unterthanen getroffenen Maßnahmen hervor, durch die er oft bis aufs einzelne in die Verwaltung eingriff. Leider ist uns durch den Verlust so vieler Akten vermuthlich sehr vieles reiches Material über seine Pläne und Anordnungen verloren gegangen. Aber auch das wenige, was erhalten ist, zeigt uns, wie weit Wallenstein in der für seine Länder stets bewiesenen Fürsorge den meisten seiner deutschen Zeitgenossen auf dem Throne voraus geeilt war.

Da es in Wallensteins eigenstem Interesse lag, den Binnenhandel Meklenburgs zu fördern und dadurch die immer noch reichen Hülfsmittel des Landes zu heben und für sich nutzbar zu machen, so griff er mit großem Eifer den alten Plan wieder auf, durch einen Kanal von Wismar über Kleinen durch den Schweriner See, die Stör und die Elde die Elbe mit der Ostsee zu verbinden. Auch in militärischer Hinsicht war die Anlage dieses Kanals von großer Wichtigkeit, da er den Verkehr zwischen Ost= und Nordsee nicht nur von den dänischen Sundzöllen, sondern auch von der gefürchteten Kriegsflotte dieses Inselreiches unabhängig machte.

Der Plan hatte bereits frühere Herzöge Meklenburgs beschäftigt, war auch in einzelnen Theilen durchgeführt worden, aber vor

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seiner Vollendung immer an den ungeheuren Kosten gescheitert. Schon im Anfang des Jahres 1628 versprach Wallenstein 1 ) den Rostocker Gesandten die Wiederherstellung des Kanals Wismar-Schwerin. Im Dezember desselben Jahres 2 ) unterzog er die Terrainverhältnisse zwischen diesen beiden Städten einer genauen Besichtigung und kam zu dem Entschluß, den Plan auszuführen. Sein Baumeister Alexander Borrey, sein Kanzleisekretär Martin Böckel und drei erfahrene Wasserbaumeister aus Hamburg wurden zum Berichte aufgefordert. Ueber das Ergebniß der Untersuchungen war ihre Ansicht getheilt. Die Hamburger und mit ihnen Böckel, der selbst von Haus aus Ingenieur war, erachteten, daß der Kanal nur brauchbar sei, wenn er für größere Schiffe (von 50 bis 60 Last) eingerichtet würde, statt wie bisher für Schiffe von etwa einem Drittel dieser Tragfähigkeit. Dafür aber sei die Strecke Eldena-Dömitz und ebenso der Störkanal zu eng und seicht, die Krümmungen seien nicht genügend durchschnitten, Elde und Stör nicht aufgeräumt, auch nicht mit Treidelpfaden versehen; ferner seien alle Schleusen nur aus Holz, deshalb zu durchlässig und dabei auch schnellem Verfalle ausgesetzt. Sämmtliche Schleusen, zwischen Wismar und Schwerin zwölf, zwischen Schwerin und Dömitz vierzehn, müßten neu und zwar geräumiger und massiv in Stein aufgeführt werden. Die gesammten Kosten dieser von ihnen vorgeschlagenen Veränderungen berechneten sie auf rund 500 000 Rthlr. 3 ) Borrey's Gegenvorschlag 4 ) bewegte sich in etwa dreißigfach geringeren Summen, da er - schon im Interesse des rascheren Ausbaues - sich auf kleinere Schiffe und die bisherigen Maße in Weite und Tiefe beschränkte und daher weniger einen Neubau als eine Ausbesserung und Vollendung des Vorhandenem erstrebte. Trotzdem die Kammer des geringeren Aufwandes wegen den Borreyschen Vorschlag für den annehmbareren erklarte und es entschieden widerrieth, so viele Tonnen Goldes auf ein bloßes Abenteuer zu wagen, scheint Wallenstein, wenn man einem späteren Briefe Martin Böckels trauen darf, doch der gründlicheren Abhülfe des Hamburger Vorschlages geneigter gewesen zu sein, da er daraufhin gesagt haben soll: "Das Geld solte dar sein, und das Wergk solte gefertigt werden".


1) Jahrbuch 51, S. 326.
2) Lützow III, S. 229.
3) Bericht Böckels bei Pötker, Neue Sammlung Mecklb. Schriften IV. Stück (1746) S. 30 f.
4) Schweriner Archiv, Acta navigationis in fluminibus. Vergl. Jahrb. 64, 234 f.
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Es mag dieses auch so sein; trotzdem aber scheint der einzige vorhandene Befehl Wallensteins über den Kanal mehr den vermittelnden Vorschlägen Borreys zu entsprechen, nämlich der im April 1629 gegebene und beim Abzug im Juli 1629 wiederholte Auftrag an die Beamten zu Neustadt i. M" die drei ihnen zunächst liegenden Schleusen in der bisherigen Art, doch einen Fuß tiefer, herzustellen. 1 )

Wallensteins Fortzug aus Meklenburg und die Ereignisse der folgenden Jahre haben die Ausführung des ganzen Planes verhindert; 2 ) aber obwohl er nachweislich keine nennenswerthen Bauten an dem Kanal, namentlich an der Strecke Schwerin - Wismar, der sog. Viechelnschen Fahrt, ausgeführt hat - das Volk hat seinen Entschluß, den wichtigen Bau der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich für das Land wieder nutzbar zu machen, im Gedächtniß behalten, so daß es bis auf den heutigen Tag den Abfluß aus dem Schweriner See nach Wismar hin mit dem Namen "Wallensteingraben" bezeichnet.

Daß Wallenstein auch die geringsten seiner Unterthanen nicht vergaß, zeigt seine Armenordnung. 3 ) Bisher waren die Armen des Landes auf die alten Armenhäuser zum heiligen Geist und die auch allmählich zu Armenhäusern umgewandelten Sondersiechenhäuser zum heiligen Georg oder auf den Bettel "um Gottes Willen" angewiesen. Wallenstein, der im Lande etwa dreihundert völlig Verarmte ermittelt hatte, ließ von seinen Beamten im Frühjahr 1629 eine Armenordnung ausarbeiten. Sie fand jedoch seinen Beifall nicht, und er stellte darauf selbst dem Kanzler von Eltz gegenüber einen andern Entwurf auf, den dieser sofort niederschrieb und am 3./13. Mai 1629 dem Lehns=Archivar Peter Graß zur weiteren Ausarbeitung überschickte. Die Grundzüge dieser Ordnung, die ein vollständiges Novum für die damaligen Zeiten war, sind sehr einfach: 1. Jedes Kirchspiel soll seine Armen und die, welche in ihm zu Schaden kommen, selbst unterhalten. 2. Die Armenhäuser sollen nur in den Pfarrorten und in den Städten errichtet werden. 3. Diese Bauten sollen bis Michaelis 1629 beendigt und bis Dionysiitag (9. Oktober) von


1) Jahrbuch 64, S. 236, und 35, S. 76.
2) Ich kann mit Hunziker nicht übereinstimmen, wenn er (Seite 28) annimmt, es habe das nach dem Friedensschluß zu Lübeck zwischen Wallenstein und Christian IV. hergestellte gute Einvernehmen den Ausbau des Kanals verhindert; so zartfühlend war Wallenstein nicht, wenn es sich darum handelte, wichtige eigene Interessen zu verfolgen.
3) Jahrbuch 35, S. 80 f.
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den Armen bezogen sein. 4. In jedem Kirchspiel soll die Zahl der Armen genau erforscht und dabei der wahrscheinliche Zuwachs sorgfaltig berücksichtigt werden. 5. Die Veranlagung der Beiträge soll nach Hufenbesitz und Aussaat erfolgen. 6. Eingepfarrte Dörfer leisten ihre Beiträge zu der Stadt oder dem Pfarrdorfe und dürfen dafür ihre Armen dorthin abgeben. 7. Die Beiträge sollen jährlich am 9. Oktober einkommen und am selben Tage vertheilt werden.

Zugleich befahl Wallenstein sowohl den zur Ausführung dieser Verordnung bestellten landständischen Deputierten wie den versammelten Landständen, nicht eher auseinander zu gehen, als bis diese Angelegenheit den Ständen vorgetragen und durch Beschluß erledigt sei.

Auch diese Armenordnung ist, wie vieles andere Gute, in den Stürmen der folgenden Kriegsjahre untergegangen.

Besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmete Wallenstein auch den Eisenwerken, 1 ) deren bedeutendstes in Neustadt i. M. betrieben wurde. Er bestellte am 1./11. August 1628 den schon unter Herzog Adolf Friedrich thätig gewesenen Martin Hoyer aus dem Braunschweigischen zum Schmelzmeister, nahm aber insofern mit dem Werke eine Aenderung vor, als er es, das bisher auf Schmelzen und allerhand Gießerarbeiten (Oefen, Mörser, Grapen u. s. w.) eingerichtet gewesen zu sein scheint, besonders zur Herstellung von Kriegsbedürfnissen heranzog; in der Bestallung des Schmelzmeisters sowie in den wenigen sonstigen Aktenstücken aus der Zeit über das Gießwerk ist daher hauptsächlich vom Kugelgießen die Rede. Noch am 21./31. Juli 1629 bei seinem Abzuge aus Meklenburg besuchte Wallenstein dieses Werk und sah lange dem Gießen der Kugeln zu, indem er sich bei dem Schmelzmeister nach allen Umständen der Hütte erkundigte. 2 ) An der Erhaltung des Werkes scheint ihm viel gelegen gewesen zu sein, da er noch 1630 als Zuschuß dafür die für damalige Verhältnisse große Summe von 1000 Thalern auf den Kammeretat setzte. Herzog Adolf Friedrich ließ nach seiner Rückkehr zwar den Gang des Eisenwerkes ganz ungestört, bestätigte auch Martin Honer wiederum als Schmelzmeister, jedoch ging in den furchtbaren Wirren der nächsten Jahre auch dieses Werk unter und die späteren Versuche zur Wiederherstellung waren niemals von Erfolg gekrönt.


1) Jahrbuch 7, S. 64 f.
2) Jahrbuch 35, S. 76.
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Noch auf einem andern Gebiete griff Wallenstein in Meklenburg scharf und energisch ein, nämlich auf dem der Posteinrichtung, 1 ) die bisher sehr im Argen gelegen hatte. Er trachtete besonders danach, Güstrow, den Sitz seiner Regierung, nach allen Richtungen hin mit den Grenzorten in Verbindung zu bringen, und so entstanden, den Landstraßen folgend, bald mehrere Postkurse oder Reitposten mit regelmäßigem Pferdewechsel. Die Verantwortung für ungehinderte Besorgung der Post lag den Städten und fürstlichen Aemtern ob, in denen gewisse Leute oder Häuser bestimmt waren, die stets Pferde zum sofortigen Wechsel zur Hand haben mußten. Auch diese vorzüglichen Einrichtungen überlebten das Ende ihres Begründers nicht. Nur die Einrichtung der relaismäßig angesessenen Amtsbriefträger hat sich erhalten, doch mußte auf den reitenden Dienst schon aus Pferdemangel verzichtet werden.

Erwähnen könnte man noch, daß Wallenstein am 26. April/6. Mai 1629 2 ) eine Verordnung erließ, die "zur befürderung des gemeinen besten" in dem Herzogthum "eine eintzige durchgehende gleichheit an Scheffeln, Maaß, Ellen und Gewicht" einführte, wobei die Rostocker Maße und Gewichte zu Grunde gelegt werden sollten. Es war dies eine Anregung, die erst nach etwa 70 Jahren zur weiteren Verfolgung und erst nach ferneren 50 Jahren zur endlichen Durchführung durch die Herzöge von Meklenburg gelangen sollte.

Betrachten wir das Verhältniß Wallensteins, des Usurpators, zu den einzelnen Ständen im Lande und zu deren damals sehr mächtigen Vertretung, dem Landtage, so nehmen wir ein gewisses Schwanken wahr, das der gegebenen Lage sich anzupassen suchte. Ehe Wallenstein ins Land kam und die Verhältnisse überblicken konnte, dachte er daran, den Adel und die Stände in allen Stücken zu beugen oder zu brechen. Am 22. März/1. April 1628 schrieb er an Arnim, 3 ) er vernehme mit Freuden aus seinem Schreiben, daß bei der Huldigung in Meklenburg sich Schwierigkeiten ergäben; das sähe er von Herzen gern, da sie dadurch alle ihre Privilegien verlieren würden. Sobald Derartiges vorfiele, sollten die Güter der Opponierenden eingezogen, diese selbst ins Gefängniß geworfen werden. Bald jedoch änderte sich seine Ansicht und Ende April 1628 4 ) theilte er St. Julien mit, daß er den von den Ständen


1) Moeller, Gesch. des Landespostwesens in Jahrbuch 62, S. 18.
2) Jahrbuch 40, S. 87.
3) Förster, Briefe I, S. 322.
4) Jahrbuch 40, S. 99.
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geplanten Empfang an der Grenze gestatte, um sie nicht zu beleidigen, obwohl ihm selbst wenig an solchen Zeremonien gelegen sei. Daß er später, nachdem er die Verhältnisse des Landes genauer kennen gelernt hatte, den Adel geradezu bevorzugte und lieber mit ihm als gegen ihn regieren wollte, liegt in der überwiegenden Macht des Grundbesitzes im Lande begründet.

Wir haben gesehen, daß Wallenstein fast alle höheren Verwaltungsbeamten, auch die Hof= und Jagdbeamten dem meklenburgischen Adel entnahm. Traten auch einzelne wohl des pekuniären Vortheils wegen, Andere durch die angedrohte Verhaftung und Konfiskation der Güter dazu gezwungen, in des neuen Herren Dienste, so kann man doch annehmen, daß Viele deshalb sich von Wallenstein zu Beamten gewinnen ließen, um die Rechte und Gewohnheiten des Landes dem Fremden gegenüber wirksamer wahren zu können. Warum sollte nicht auch der Eine oder Andere erkannt haben, welcher Schutz für Meklenburg in jenen schweren Zeiten in dem straffen und festen Regimente Wallensteins lag, der nicht nur den Willen sondern auch die genügende Macht dazu hatte, dem Lande zu gedeihlichem Frieden zu verhelfen?

Auch Bürger und Bauern entgingen nicht Wallensteins Fürsorge. Zwar trugen sie Alle schwer an den Kontributionen und andern Kriegslasten 1 ). Das war aber der Völker Deutschlands unabänderliches Geschick in jener Zeit, und niemals haben schwerere und größere Lasten auf Meklenburg gelegen, als in den Jahren nach Wallensteins Tod, unter dem nach innen schwankenden, nach außen schwachen Regimente der Herzöge.

Wenn Wallenstein auch sonst dem Adel hold war, so wurden durch die Brau=Verordnung, die Wingersky mit Wissen und Willen seines Herrn am 10./20. September 1628 2 ) erließ, doch die Städte dem Adel gegenüber entschieden begünstigt, da allein Städte und Märkte dadurch das Recht erhielten, Bier brauen und ins Land verkaufen zu dürfen, weil dieses "der vornehmste Acquest" der Bürger sei.

Wallenstein regierte zwar äußerlich mit den Landständen zusammen, um nicht alle seine Anordnungen als Feind geben zu müssen, 3 ) seine meisten Verordnungen waren jedoch gewisser=


1) So hat das Herzogthum Meklenburg nach einem gleichzeitigen Berichte in den Jahren 1628-1630 ohne Bieraccise und Licente in den Kontributionskasten allein 1 306 770 Thaler bezahlt (Boll II, S. 103).
2) Lützow III, S. 229.
3) Lützow III, S. 221.
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maßen Kabinettsordres, ohne besondere Zustimmung der Stände erlassen; aber wehe dem, der nicht unbedingten Gehorsam leistete! Wir haben gehört, wie scharf und drohend er in den Briefen an Wingersky am 2. und 3. September n. St. 1628 den Ständen entgegentrat, als sie auf dem Landtage seinen Kontributions=Propositionen so vielerlei Querelen entgegenstellten. Er betrachtete sein Verhältniß zu ihnen von zwei Gesichtspunkten aus: in Regierungsangelegenheiten hatten sie ihm zu gehorchen, höchstens Vorschlage zu machen oder Bedenken zu äußern, nach denen er sich dann richten konnte, wenn es ihm beliebte und er sie als das Bessere erkannt hatte; ihre sonstigen Privilegien dagegen ließ er ganz ungestört. Eine Ausnahme machte er hierbei allerdings, indem er, wie wir sahen, ihnen das Appellationsrecht nahm und, wenn auch spät erst, vom Kaiser für sich das privilegium de plane non appellando erzwang. Am 7./17. Juni 1629, 1 ) am Tage nach seiner Erbbelehnung mit Meklenburg, schrieb er an St. Julien, nachdem er ihm für die Beendigung der meklenburgischen Sache gedankt hatte, daß er, was die Privilegien des Adels anbetreffe, dem Adel wohlgesinnt sei und daß er diese nicht zerstören wolle; wenn er nur das Privileg erhalte, daß sie nicht appelliren dürften, so wolle er sie gewiß wie Edelleute und nicht wie Bauern leben lassen.

Eine ganz merkwürdige Stellung nahm Wallenstein, der katholische kaiserliche Feldherr, dem lutherischen Meklenburg gegenüber ein. Man sollte annehmen, daß sein nach unbedingter Herrschaft strebender Geist dem Lande seine und seiner Gönner, der Jesuiten am Kaiserhofe, Religion aufgezwungen oder daß er wenigstens den Versuch dazu gemacht habe. Nichts davon geschah. Zwar versprach Wallenstein mehrfach, so z. B. in einem Schreiben an St. Julien vom 19./29. Oktober 1627 2 ), ehe er Meklenburg sicher erhalten hatte, dem Orden der Jesuiten im Lande durch Gründung von Kollegien und Stiftern Ausbreitung und Macht zu verschaffen, überhaupt die katholische Konfession in Meklenburg wieder einzuführen. Es geschah dies aber anscheinend nur, um die am Kaiserhofe allmächtigen Jesuiten für sich zu gewinnen und durch sie den Einfluß der seinen Plänen auf Meklenburg widerstrebenden kaiserlichen Räthe zu brechen. Bei ihm war die Religion nicht Herzenssache, sondern nur eine


1) Jahrbuch 40, S. 108.
2) Jahrbuch 40, S. 93.
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Figur im Schachspiele der berechnenden Politik. Traten ihm die Protestanten irgendwie feindselig entgegen, so spielte er sofort, um sein Vorgehen gegen sie zu begründen, ihnen gegenüber den Katholiken aus. Schon im April 1628 sagte er bei der Entlassung der Rostocker Gesandten, nachdem er die Nachricht von der vollzogenen Pfandhuldigung erhalten hatte, sie sollten den Ständen mittheilen, er werde die Privilegien und ihre Religion nicht antasten; er werde Niemanden zu einer Religion zwingen, in seiner Armee seien mehr Evangelische als Katholiken, und der Lutheraner Arnim sei ihm ebenso lieb wie der katholische St. Julien. 1 ) Auch wurde in den Kapitulationsbedingungen von Wismar und Rostock stets die Gewährleistung freier Ausübung des lutherischen Bekenntnisses verlangt, zugebilligt und auch innegehalten. Die Lehre Luthers war die allein herrschende in Meklenburg; nur der Herzog Johann Albrecht II. von Güstrow war mit seiner Familie zum größten Verdruß der Stände 1617 zum Kalvinismus übergetreten und hatte angefangen, von den Steinen niedergelegter katholischer Kapellen in Güstrow sich ein Gebetshaus zu erbauen, dessen Vollendung aber durch die Ereignisse von 1628 verhindert wurde. Vermuthlich, um die strenge lutherische Bevölkerung für sich zu gewinnen, befahl Wallenstein, sowie er nach Güstrow kam, den sofortigen Abbruch dieses Hauses. 2 ) Im Uebrigen haben sowohl Wallenstein wie seine Statthalter die Ausübung des protestantischen Bekenntnisses nirgends gewaltsam gehindert. Lisch hat 3 ) aus der Zeit der Wallensteinschen Herrschaft 19 Anstellungen bezw. Beförderungen lutherischer Prediger und Schullehrer zusammengestellt; einer der Lehrer, Georg Schedius, den Wallenstein zum Rektor der Domschule in Güstrow ernannte, war sogar von den Jesuiten seines Glaubens wegen aus Böhmen vertrieben worden.

Nur zwei Punkte deuten darauf hin, daß der neue Herr doch wohl beabsichtigte, im Laufe der Zeit und ganz allmählich Meklenburg dem katholischen Glauben zuzuführen. 4 ) Das ist einmal die Entsendung 5 ) junger meklenburgischer Adliger auf


1) Jahrbuch 51, S. 327.
2) Von den Steinen ließ Wallenstein einen Flügel des Schlosses zu Güstrow erbauen, der allerdings später von Herzog Gustav Adolf, dem Sohne und Nachfolger Johann Albrechts, wieder abgerissen wurde, um "jedes Andenken an den Tyrannen zu vernichten". (Jahrbuch 37, S. 4.)
3) Jahrbuch 37, S. 7 und 8.
4) Vergl. Gindely, Waldstein II, 184.
5) Jahrbuch 37, S. 11 f.
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seine jesuitische Ritterakademie zu Gitschin und zum andern die nach dem Muster der Gitschiner vollzogene Gründung einer ebensolchen Akademie in Güstrow. 1 )

Den Plan zur Stiftung faßte Wallenstein gegen Ende des Jahres 1628; schon am 22. Dezember 1628/1. Januar 1629 berief er den ersten Magister, erklärte am 21./31. Januar die Stiftung für begründet und ernannte den französischen Niederländer Johann de Lasure zum Gubernator. Die Akademie war für fünf junge Herren aus Wallensteins Verwandtschaft, sowie für zwölf meklenburgische Edelknaben bestimmt, die zusammen mit dem Gubernator, den Präzeptoren und den Dienern ein eigenes Haus auf der Domfreiheit bewohnen sollten. Sie wurde von Wallenstein sehr reich dotirt und war im Mai 1629 vollkommen fertig eingerichtet. Das (nach Lischs Ermittelungen) ungewöhnlich große Lehrerpersonal 2 ) bestand fast durchweg aus Katholiken, und der Zweckdieser Akademie war sicherlich der, den Katholizismus in Meklenburg, und zwar zunächst in die einflußreichen Adelsfamilien, wieder einzupflanzen. Sie hat bis in den Februar 1631 bestanden und verschwand, zum Glück für das protestantische Meklenburg, vor dem Ansturm der Schweden. Vielleicht hätten doch die in ihr ausgestreuten Keime der katholischen Lehre sonst später die von Wallenstein und den Jesuiten erhofften Früchte getragen.

Dies waren aber auch die einzigen Punkte, in denen Wallenstein einen Blick auf seine Stellungnahme zu den streitenden Konfessionen thun ließ. Er war im Uebrigen viel zu sehr Realpolitiker, als daß er sofort nach der Uebernahme Meklenburgs die Gegenreformation gewaltsam durchzuführen versucht hätte. In seinen Residenzen Güstrow und Schwerin richtete er zwar in den Schloßkirchen den katholischen Gottesdienst ein. Das that er schon, um nicht den Argwohn des Kaisers und der Jesuiten zu wecken. Indessen ließ er seine protestantischen Beamten, wie den Kanzler von Eltz, den Regenten Heinrich Kustoß, 3 ) sowie die dem meklenburgischen Adel entnommenen in ihrem Bekenntniß vollkommen unbehelligt.


1) Jahrbuch 37, S. 18 f.
2) Jahrbuch 37, S. 20 f.
3) Des Kanzlers Bekenntniß geht aus seinem Eid hervor (Jahrbuch 36, S. 41). Kustoß gehörte einer aus Böhmen wegen ihres Glaubens vertriebenen Familie an (Jahrbuch 36, S. 23).
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In besonderer Gunst stand bei Wallenstein die Universität zu Rostock. Obwohl ihr Lehrkörper den vertriebenen Herzögen treu anhing und mit ihnen ständig in Verbindung blieb, hatte sie dennoch nichts von dem neuen Herrn zu leiden. Er bemühte sich vielmehr, sie durch alle Mittel zu heben, bestätigte 1628 bei der Uebergabe Rostocks alle ihre Privilegien, suchte sie vor den Kriegslasten zu schützen und ließ mehrfach Salvaguardiabriefe für sie ausstellen. Noch am 23. Dezember 1630/2. Januar 1631 1 ) befahl er von Gitschin aus, die Professoren mit Einquartierung völlig zu verschonen. Leider zerschlugen sich die Verhandlungen mit dem Astronomen Johannes Kepler 2 ), den Wallenstein an die Rostocker Hochschule berief; Keplers Tod, im November 1630, zerstörte den Plan endgültig.

Wallenstein war zwar im Herzen ein Gegner des vom Kaiser am 24. Februar/6. März 1629 veröffentlichten Restitutionsedikts, das er politisch mit Recht für unklug hielt, nahm aber doch das Stift Schwerin, das ihm, wie schon erwähnt, am 16./26. Januar 1628 nebst andern geistlichen Stiftern des Landes verliehen war, 3 ) mit der Residenz Bützow und allen Besitzthümern im Juli desselben Jahres in Besitz und zwang den Dänenkönig Christian IV., dessen Sohn Ulrich III. 1624 seinem Oheim Ulrich II. als Administrator des Stiftes gefolgt war, im Frieden zu Lübeck, für sich und seine Söhne darauf zu verzichten. Auch die Johanniterkomthureien Mirow und Nemerow 4 ) wurden schon im Sommer 1628 von den Beamten Wallensteins trotz der im Jahre zuvor von Wallenstein selbst ertheilten Salvaguardiabriefe für diesen mit Beschlag belegt. Die Klagen des letzten Komthurs zu Nemerow, des Grafen Heinrich Volrad von Stolberg - Komthur von Mirow war nach dem Vertrage von 1593 der Herzog Adolf Friedrich von Meklenburg gewesen -, wurden von den Wallensteinschen Räthen überhaupt keiner Antwort gewürdigt.

Wallenstein stand kurz vor seinem Abzuge aus Meklenburg im Juli 1629 auf der Höhe seiner Macht im Norden Deutschlands. Am 12./22. August 5 ) 1628 hatte er bei Wolgast den


1) Krabbe, Rostock, S. 124.
2) Krabbe, Rostock, S. 121.
3) Jahrbuch, 51, S. 133.
4) Jahrbuch 9, S. 62 und 108.
5) Boll II, S. 631.
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König Christian IV. von Dänemark so energisch auf das Haupt geschlagen, daß dieser eine Landung in Pommern oder Meklenburg nicht mehr versuchte, sondern sich auf sein Inselreich zurückzog. Wallenstein drängte die übrigen dänischen Truppen noch im Herbst desselben Jahres weit nach Holstein hinein und eroberte die starke Festung Krempe an der untern Elbe. Aber auch er wünschte den Frieden mit Dänemark, da er einen drohenden Krieg mit Schweden schon lange voraussah. So kam denn nach längeren Verhandlungen am 12./22. Mai 1629 der Friede zu Lübeck zu stande. 1 )

Wallenstein, der einsah, daß sein Wunsch, eine den vereinigten Dänen und Schweden gegenüber genügend starke Seemacht sich zu erwerben, zur Erfüllung noch sehr viel Zeit und die umfassendsten Vorbereitungen erfordern würde, gewährte dem Könige sehr günstige Bedingungen: Christian blieb im Besitze seiner holsteinschen Länder, mußte dagegen auf die Stifter im Reich, also wie schon gesagt, auch auf das Stift Schwerin für sich und seine Nachkommen verzichten, sowie dadurch, daß er sich verpflichtete, in Reichssachen sich nicht einzumischen, implicite auch Wallenstein als Herzog von Meklenburg anerkennen. So war Wallenstein von einem gefährlichen und lästigen Gegner auf billige Weise frei geworden und erstrebte nun den völligen erblichen Besitz Meklenburgs.

Schon seit dem Beginne des Jahres hatten Wallenstein Abgesandte, an ihrer Spitze Oberst Heinrich von St. Julien, am kaiserlichen Hofe, den vielfachen ränkevollen Widerständen zum Trotz, für ihres Herrn definitive Belehnung mit Meklenburg schriftlich und mündlich gekämpft. Am 24. Mai/5. Juni erreichten sie schließlich einen kaiserlichen Bescheid, daß Seine Maj. "sich darauf endlich resolviret, daß Sie es nämlich bei der vor einem Jahre wider ernannte Herzöge wegen des von ihnen vielfältig begangenen Lasters beleidigter Majestät fürgenommenen Privation und Alienation ihrer innegehabten Herzogthümer und Länder allerdings bewenden und solches ehisten Tags mit Vorbehalt der Acht publiciren, hergegen wohlgedachtes Herzogen zu Friedland fürstliche Durchlaucht, . . . damit belehnen und wirklich investiren lassen wollen."


1) Gedr. u. a. Lünig, Teutsch. Reichsarchiv, Part. spec. cont. I, 1, S. 349 f. Vergl. Gindely, Waldstein II, S. 90 f.: Die Lübecker Friedensverhandlungen, besonders S. 104, 105.
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Am 30. Mai/9. Juni 1629 erließ dann der Kaiser die in Aussicht gestellte Deklarationsschrift gegen die Herzöge, in der er sie ihrer Lande auf immer für verlustig erklärte und mit der Acht im Widersetzungsfalle bedrohte. Die nochmalige Bitte St. Juliens um Anberaumung der Belehnung wurde noch am 4./14. Juni durch den Bescheid beantwortet, zuvor wegen der "Vorbehalte und Spezial=Conditionen", unter denen die Fürstenthümer verkauft seien, der Hofkammer gegenüber Richtigkeit zu machen. Diesem von der Kanzlei eilfertig expedirten Bescheide scheint sofort nachgelebt zu sein, denn bereits am 6./16. Juni meldet Jeremias Pistorius von Burgdorf den Herzögen die am selben Tage erfolgte Belehnung, und mit gleichem Datum sind auch der kaiserliche Lehnbrief, die Kommission für die Obristen Altringer, Walmerode und Oberkampf zur Empfangnahme der Erbhuldigung und ein "Gehorsambrief" für Wallenstein an die meklenburgischen Stände erlassen. 1 ) Durch den Lehnbrief erhielt Wallenstein ausnahmsweise das Recht, falls er keinen männlichen Leibeserben hinterließe, selbst einen Lehnserben aus seinen Agnaten bestimmen zu können. 2 ) Es war dieser Passus die kaiserliche Bestätigung der von Wallenstein am 2./12. Juni 3 ) 1629 erlassenen Verfügung, daß sein Neffe und Erbe Maximilian von Wallenstein (Waldstein) und dessen Nachkommen ihm auch im Besitze des Herzogthums Meklenburg folgen sollten. 4 ) Die auf Grund dieser Belohnung in dem Gehorsambrief verlangte Erbhuldigung durch die meklenburgischen Stände fand trotz des Protestes der Herzöge und der Bitte der Stände um persönliche Anwesenheit


1) Schweriner Archiv, Acta investiturae ducum, meist vom Reichshofrath 1819 abgegebene Originalschreiben und =Concepte. Diese Akten enthalten auch die Concepte der Schreiben, durch die sämmtlichen Fürsten Deutschlands und auch dem Könige von Dänemark die Belehnung Wallensteins mitgetheilt wurde mit der Mahnung, ihm nunmehr den gebührenden Titel zu geben. Die Ansprüche Kurbrandenburgs aber aus seiner Erbverbrüderung mit den Herzögen von Meklenburg sollten durch einen neuen Vertrag auf gleicher Grundlage sicher gestellt werden, für den die kaiserliche Genehmigung dem neuen Herzoge von Meklenburg durch ein kaiserliches Dekret vom 5./15. und ein überaus gnädiges Handschreiben des Kaisers vom 6./16. April 1630 im Voraus zugesagt wurde (Ebendaselbst).
2) Förster, Wallensteins Prozeß, Urk., S. 93, Nr. 16.
3) Ranke, Wallenstein, S. 142.
4) Gleichwie er dieses auch für Friedland und Sagan bereits am 16./26. Mai 1628 festgesetzt hatte (Förster, Wallensteins Prozeß, Urk. S. 69, Nr. 13).
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Wallensteins am 22. Januar/1. Februar 1630 zu Güstrow statt, nachdem der Statthalter von Wingersky und der Kanzler von Eltz den Ständen Schutz ihrer Privilegien und des evangelischen Bekenntnisses versprochen hatten. 1 )

So schien der Besitz Meklenburgs nach außen hin genügend gesichert, im Innern arbeitete der vortreffliche Wallensteinsche Regierungsapparat untadelhaft, und der neue Herzog konnte nun ohne irgend welche Unruhe daran denken, wenn auch ungern und wieder seinen Willen, den ihm vom Kaiser gegebenen Aufträgen zur Durchführung des von ihm offen gemißbilligten 2 ) Restitutionsedikts in Norddeutschland nachzukommen. Er beschloß, sich zunächst energisch gegen das feste, von ihm schon seit einiger Zeit blockirte Magdeburg zu wenden, da er Holstein laut Vertrag des Lübecker Friedens räumen mußte, Pommern und Brandenburg zu sehr ausgesogen waren, Meklenburg dagegen geschont werden sollte.

Dem Abzuge Wallensteins aus seinem neuen Herzogthume (1629) gingen die umfangreichsten Vorbereitungen 3 ) voraus. Auch hierbei kümmerte sich Wallenstein um alle Einzelheiten: so erhielten die Hauptleute der auf der Reise berührten Aemter fast täglich von ihm selbst die genauen Lieferungszettel für die herzogliche Küche. Für die Nachtlager und den Aufenthalt in Sternberg, Schwerin und Neustadt wurden von ihm bis in das Genaueste ausgearbeitete Befehle gegeben. Als Tag des Aufbruchs wurde der 13./23. Juli angesetzt, als erstes Nachtquartier Sternberg vorgesehen und für Schwerin ein Aufenthalt von vier Tagen bestimmt; zur Begleitung in Meklenburg wurden der Regent Heinrich Kustoß und der Kammerpräsident Hans Heinrich von der Lühe befohlen. 4 )

In Schwerin, das Wallenstein zuvor nur im Dezember 1628 gesehen hatte, hielt er sich länger auf, als eigentlich beabsichtigt war; er blieb dort bis zum 21./31. Juli. Deshalb mußten schleunigst, weil der Proviant auszugehen drohte, Eilboten mit Lieferungsaufträgen nach verschiedenen Aemtern geschickt werden. Am 20./30. Juli erließ Wallenstein wohl seinen letzten schriftlichen Befehl auf meklenburgischem Boden; er betraf den vorzunehmenden Bau von Eisgruben in Schwerin, Neustadt, Doberan, Stargard und Güstrow, und wurde im Spätherbst des folgenden


1) Spalding II, S. 211; Lützow III, S. 237.
2) Vergl. Gindely, Waldstein II, 184 f.
3) Jahrbuch 35, S. 51 f.
4) Jahrbuch 35, S. 55, 56 f.
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Jahres ausgeführt. 1 ) Am selben Tage gab er noch dem Regenten Kustoß 2 ) eine ausführliche "Instruction wegen Abführung etzlicher Geldposten und anderer Puncta, wornach die F. Mecklnburgische Cammer sich zu richten."

Am 21./31. Juli kam er nach Neustadt, wo, wie oben erwähnt, das Eisenschmelzwerk eingehend besichtigt wurde. Am folgenden Tage brach er Morgens um 5 Uhr von Neustadt auf und überschritt in der Richtung auf Perleberg zu die Landes= grenze. Er sollte das Herzogtimm Meklenburg niemals wiedersehn.

Wallenstein zog seinem Sturze entgegen. Im Reiche, besonders unter den Kurfürsten, war schon seit längerer Zeit gegen ihn eine erbitterte Stimmung hochgekommen, die ohnmächtige Wuth des von dem Stärkeren zu Boden gedrückten Schwachen. Besonders war es der Kurfürst Maximilian von Bayern, das Haupt der Liga, der unter den Fürsten sowie unter den Räthen des Kaisers den Haß gegen den übermächtigen Feldherrn schürte. Schon im Oktober 1629 3 ) beschwerte sich Wallenstein in Briefen an den Hofkriegsraths=Präsidenten, Grafen von Collalto, über die unverdiente feindselige Stimmung der Fürsten gegen ihn, die ihm nur wegen seiner dem Kaiser treu geleisteten Dienste so gram seien. Auf dem Kurfürstentage zu Regensburg, im Sommer des Jahres 1630, kam der lang genährte Unwille der Reichsfürsten gegen Wallenstein, den Vertreter der kaiserlichen absoluten Autorität, offen zum Ausbruche. Lange sträubte sich der Kaiser gegen die über des Herzogs selbstherrliche Kriegsführung empörten Kurfürsten, die zunächst eine anderweitige Besetzung des höchsten Heereskommandos, am 9./19. Juli auch die Eröffnung eines regelrechten Prozesses gegen die wider alle Reichsgesetze vergewaltigten Herzöge von Meklenburg (in Folge der Apologie!) und am 2./12. August 4 ) nochmals und dringender die Absetzung Wallensteins von der Heeresleitung und den ordentlichen Prozeß gegen die Herzöge von Meklenburg forderten. Da endlich gab der Kaiser nach, weil er, freilich vergeblich, hoffte, durch dieses Zugeständniß die Stimmen der Kurfürsten zur Wahl seines Sohnes zum römischen Könige zu erhalten. Das Oberkommando, auf das der Kurfürst Maximilian für sich gerechnet hatte, wurde an Tilly übertragen und zugleich der Krieg gegen den an der pommerschen


1) Jahrbuch 35, S. 56.
2) Jahrbuch 36, S. 49.
3) Jahrbuch 40, S. 110 und 111.
4) Ranke, Wallenstein, S. 198; Gindely, Waldstein II, S. 267 f.
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Küste gelandeten Schwedenkönig Gustav Adolf beschlossen. Von der meklenburgischen Angelegenheit wurde es, wie Jeremias Pistorius von Burgdorf den Herzögen berichtete, 1 ) wieder still. Die den Kurfürsten bei dem Zugeständniß der Absetzung Wallensteins vom Kaiser gemachte Bedingung, 2 ) daß dem entlassenen weder an seiner Ehre noch seinem Vermögen Schaden geschehen solle, wirkte entschieden erfolgreich den meklenburgischen Bestrebungen entgegen.

Ruhig und gefaßt empfing Wallenstein in Memmingen die Anzeige seiner Absetzung vom Kommando und erklärte 3 ) sogleich, er werde, wie jeder andere Reichsfürst, sein Herzogthum Meklenburg gegen die Schweden vertheidigen. Die Kurfürsten bestritten ihm jedoch das Besitzrecht an diesem Lande, da die Absetzung der Herzöge ungerecht sei; er müsse Meklenburg wieder herausgeben, wenn nicht die Herzöge durch regelrechten Prozeß des criminis laesae majestatis überführt würden. Der Kaiser ertheilte ihm auf seine Bitte um eingehenden Bescheid überhaupt keine Antwort und grollend zog sich der Herzog auf seine böhmischen Besitzungen zurück. Seine Ansprüche und Pläne auf Meklenburg aber ließ er darum doch nicht fallen. Er überwachte weiterhin von Gitschin und Prag aus scharfen Auges die Verwaltung und die Zustände seines norddeutschen Herzogthums, 4 ) dessen Schutz gegen die Schweden er seinem Statthalter dringend ans Herz legte. Daneben forderte er eingehende Berichte über Alles und schärfte dem Regenten Kustoß besonders pünktliches Einsenden der monatlich fälligen Summe im Betrage von 20 000 Thalern ein. 5 ) In den zwischen Wallenstein und dem König Gustav Adolf von Schweden, bezw. zwischen Heinrich Matthes von Thurn und dem schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna in den Jahren 1631-1633 gepflogenen, jedoch resultatlosen Friedens=Verhandlungen, an deren Authenticität man seit den Forschungen Rankes 6 ) und seit den Publikationen Hildebrands aus den Akten des schwedischen Reichs=Archivs 7 ) nicht mehr zweifeln kann, stand Meklenburg, sein Besitz


1) Schweriner Archiv, Acta invasionum host., Vol. IX (Korrespondenz des Herzogs Adolf Friedrich mit J. P. von Burgdorf).
2) Gindely, Waldstein II, S. 292, 296.
3) Ranke, Wallenstein, S. 200, Förster, Briefe II, S. 72 f.
4) Krabbe, Rostock, S. 151.
5) Förster, Wallenstein als regierender Herzog und Landesherr in Raumers Taschenbuch, Jahrgang 1834, S. 106.
6) Ranke, Wallenstein, 480.
7) E. Hildebrand, Wallenstein und seine Verbindung mit den Schweden. Aktenstücke aus dem schwedischen Reichsarchiv zu Stockholm. (  ...  )
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oder die betreffende Entschädigung bei dauerndem Verlust des Landes im Vordergrunde. Um so auffallender ist es allerdings, sagt Krabbe 1 ) mit Recht, daß er Tilly, der Meklenburg gegen Gustav Adolf vertheidigen sollte, fast gar nicht unterstützte, ja sogar an Wingersky die Weisung gab, alles überflüssige Getreide zu verkaufen und den Erlös nach Prag zu schicken. Tilly, dessen Heer durch diese Maßregeln großen Mangel litt, da er fest auf Zufuhr aus Meklenburg gerechnet hatte, beklagte sich bitter beim Kaiser darüber, und dies ist vermuthlich der Grund der im Jahre 1631 erfolgten Abberufung des Statthalters Wingersky und der bereits erwähnten Ernennung des Grafen Berthold von Wallenstein zu dessen Nachfolger gewesen.

Auch in den Verhandlungen Wallensteins mit dem Kaiser über die Wiederannahme des Generalates, die Ende 1631 begannen, spielte die Sicherstellung des meklenburgischen Besitzes eine große Rolle. In der Anstellungsurkunde vom 6./16. April 1632 2 ) bestätigte der Kaiser dem Herzoge sein Recht auf Meklenburg und gewährte ihm, da dieses von den Feinden besetzt sei, als Unterpfand das Fürstenthum Groß=Glogau. Für den Fall, daß Meklenburg endgültig verloren ginge, versprach ihm der Kaiser ein anderes Reichs=Fürstenthum gleichen Ranges und Ertrages.

Wallenstein führte auch stets noch im brieflichen Verkehr, in Urkunden und auf Münzen 3 ) den Titel eines Herzogs von Meklenburg fort. Sogar der Kaiser hielt bis zu Wallensteins Tode daran fest; obwohl er ihm durch Patent vom 14./24. Januar 1634 wiederum das Oberkommando genommen und interimistisch an Gallas übertragen, auch den Herzog von jeglichem Pardon wegen der Vorgänge bei dem Gastmahl zu Pilsen (am 2./12. Januar) ausgeschlossen hatte, adressierte er dennoch ein vertrauliches Schreiben.


(  ...  ) Frankfurt a. M. 1885. Ihm tritt nach Dresdener Archivaren bei Gädeke, Wallensteins Verhandlungen mit den Schweden und Sachsen 1631/34 (Frankfurt a. M. 1885); auch die neueren Veröffentlichungen, Irmers Verhandlungen Schwedens und seiner Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser (Publ. aus dem Preuß. Staatsarch., Bd. 35, 39, 46) und Axel Oxenstiernas Skrifter och Brefvexling bestätigen das aus den zuerst genannten Schriften gewonnene Bild.
1) Krabbe, Rostock, S. 152.
2) Förster Wallensteins Prozeß, Urkunde Nr. 18; Ranke, Wallenstein, S. 238.
3) Jahrbuch 31, 3. Quartalbericht, S. 4. S. auch: Ad. Meyer, Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland, und seine Münzen. Wien 1886.
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an ihn vom 3./13. Februar 1634: "An den Herzog zu Mecklen= bürg etc. .". 1 )

Hatte auch Wallenstein schließlich, durch die Macht der Ereignisse dazu gezwungen, wohl den Gedanken an den Besitz von Meklenburg aufgeben müssen, so hatte er doch niemals den Anspruch auf eine Entschädigung dafür fallen lassen. Somit befreite erst der am 15./25. Februar 1634 erfolgende gewaltsame Tod Wallensteins die meklenburgischen Herzöge endgültig von den drohenden Ansprüchen des mächtigen Mannes.

Im Separatfrieden des Kurfürsten von Sachsen mit dem Kaiser, abgeschlossen zu Prag, am 20./30. Mai 1635, gab auch) der Kaiser nach und erklärte, er wolle die beiden Herzöge, wofern sie diesen Frieden acceptirten und einem für sie besonders entworfenen Memorial nachkämen, um des allgemeinen Friedens willen und wegen der beharrlichen Interzessionen des Kurfürsten von Sachsen wiederum "zu Hulden und Gnaden aufnehmen und bei Land und Leuten ganz ruhig verbleiben lassen." Schon die dem Frieden voraufgehenden pirnaischen Punktationen hatten diesen Wortlaut enthalten, und die Herzöge, zu ihrer Annahme aufgefordert, waren in der ersten Freude über die bevorstehende Ruhe geneigt gewesen, Frieden und Memorial sofort zu acceptieren. Doch die inzwischen erlangte Kenntniß des letzteren, das eine erniedrigende Abbitte und die Zahlung von 100 000 Thalern innerhalb dreier Jahre von ihnen forderte, bewog die Herzöge, zunächst mit den protestantischen Fürsten des niedersächsischen Kreises und den Schweden, die durch die Besetzung von Wismar und Umgegend einen schweren Druck auf die freie Entschließung der Herzöge ausübten, in Unterhandlung zu treten. Das Resultat davon war ein Schreiben an den Kurfürsten von Sachsen, in dem sie den Frieden annahmen, des schwedischen Bedranges in Wismar wegen aber um Fortsetzung der Friedens=Unterhandlungen mit der Krone Schweden baten, und in einer Nachschrift zusagten, "was sönst der Friedensschluß erfordert" durch eine eigene Gesandtschaft überreichen zu lassen. Unter dem 1./11. September 1635 erfolgte darauf die zugesagte kaiserliche Huldversicherung, die ihnen verhieß, "es solle dasjenige alles, was fürüber gangen, gänzlichen vergessen sein". Mit den Schweden im Lande fertig zu werden, wurde den Herzögen selbst überlassen. 2 )

Vignette

1) Förster, Briefe III, S. 187.
2) Schweriner Archiv, Reichssachen, Prager Friede.
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3. Die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge.

Die vertriebenen Herzöge hatten während der Okkupation ihrer Länder nicht müßig gesessen. Es ist bereits erwähnt, 1 ) wie eifrig und weitreichend ihr Briefwechsel wegen Interzessionen von ihren sächsischen Aufenthaltsorten, nachher von Lübeck aus gewesen ist. Aber wie Wallenstein in dem Schwedenkönige mit vollem Recht den größten Gegner seiner norddeutschen Politik sah, so blickten andrerseits die Herzöge schon frühzeitig auf Gustav Adolf als ihren einzigen Retter hin.

Zwar wandten sie sich zunächst am 21./31. August 1629 hülfeflehend von ihrem Zufluchtsorte Hamsfelde bei Lübeck aus an König Christian IV. von Dänemark und baten 2 ) wenigstens um Anweisung einer ungefährdeten Wohnstätte, da sie Lübeck nicht mehr für sicher hielten. Christian, der von Wallenstein durch den Lübecker Friedenschluß gezwungen worden war, die Sache der Herzöge fallen zu lassen, erklärte 2 ) am 25. August/4. September den herzoglichen Abgesandten Moritz von der Marwitz und Simon Gabriel zur Nedden, er halte Lübeck für unbedenklich, könne ihnen auch augenblicklich keinen andern sicheren Aufenthaltsort überweisen, da seine Städte in Holstein verwüstet seien, er werde ihnen aber für die Dauer des Exils 2000 Thaler jährlich anweisen lassen.

Am 23. September/3. Oktober berichteter Simon Gabriel zur Nedden an den Herzog Adolf Friedrich ausführlich über den Erfolg seiner Sendung: er habe zuerst vom Könige keinen Schein über die zugesagten 2000 Thaler erhalten können, da das nächste einkommende Geld des Herzogthums Holstein schon den abgedankten Offizieren versprochen gewesen sei. Schließlich habe er doch noch einen Schein darüber erhalten, aber die ersten 2000 Thaler sollten erst am 13./23. Januar 1631 fällig sein; der holsteinsche Landmarschall Bussius habe ihm endlich zugesagt, der König werde etwa in vier Wochen 1000 Thaler zahlen. Für die Auszahlung dieser Summe bedankt sich Herzog Adolf Friedrich im Dezember 1629. 2 )


1) Vergl. den ersten Abschnitt.
2) Schweriner Archiv, Acta invasionum host. Vol X. (Korrespondenz der Herzöge mit Christian IV. und der Königin=Wittwe Sophie.)
2) Schweriner Archiv, Acta invasionum host. Vol X. (Korrespondenz der Herzöge mit Christian IV. und der Königin=Wittwe Sophie.)
2) Schweriner Archiv, Acta invasionum host. Vol X. (Korrespondenz der Herzöge mit Christian IV. und der Königin=Wittwe Sophie.)
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Auch an Johann Friedrich von Holstein=Gottorp, den Erzbischof von Bremen und Bischof von Lübeck, den Bruder ihrer Mutter, der sie schon früher mit Geld unterstützt hatte, wandten 1 ) sich die Herzöge mit der Bitte um Ueberlassung eines sicheren Zufluchtsortes. Erwies ihnen im September 1629 seinen Stiftshof in Lübeck zur Wohnung an und befahl seinen Amtsmännern zu Neustadt und Oldenburg (Holstein), den Hofhalt heimlich mit Lebensmitteln zu versorgen. Auch gestattete er den Herzögen die Ausübung der Jagd auf bischöflichem Gebiete bei Lübeck, warnte sie aber zugleich vor allzu ausgedehnten Ausflügen, da er, falls sie von Wallensteinschen Spionen gefangen würden, die größten Unannehmlichkeiten von Seiten der Kaiserlichen zu erwarten hätte.

So stellten diese beiden Fürsten wenigstens den einfachsten Lebensunterhalt der von ihren heimischen Einnahmequellen völlig abgeschnittenen Verbannten sicher; mehr konnten sie nicht thun. Aber für die Gestaltung der künftigen Lage kam bei der Schwäche der übrigen deutschen Fürsten und bei der erdrückenden Uebermacht Wallensteins nur Schweden in Betracht. Vorläufig war jedoch der König Gustav Adolf noch durch seinen Krieg mit Polen gefesselt und konnte den Herzögen nur durch Ertheilung von Ratschlägen helfen. Er war deshalb auch genöthigt, am 28. April/8. Mai 1628 2 ) den Herzog Adolf Friedrich zu bescheiden, er fürchte ausgelacht zu werden, wenn er jetzt für den Herzog intercedieren wolle, und würde ihm dadurch mehr schaden als nützen; er möge auf Gott vertrauen und sein Schicksal in Geduld tragen.

Im September 1629 aber schloß der König trotz aller Gegenbemühungen Wallensteins, der zuletzt sogar mit Wissen des Kaisers seinen General von Arnim mit Truppen zur Unterstützung der Polen zu König Sigismund geschickt hatte, 3 ) Frieden mit diesem und hatte nunmehr alle seine Kräfte für die bedrängten deutschen Protestanten frei. Jetzt klangen auch seine und seiner Beamten Schreiben an Herzog Adolf Friedrich ganz anders. So berichtete am 3./13. Oktober 1629 der schwedische Kammerjunker Adam von Behr 4 ) aus Stockholm an den Herzog:


1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. IX. (Korrespondenz der Herzöge mit Johann Friedrich, Erzbischof von Bremen.)
2) Lützow III, S. 243.
3) Förster, Briefe II, S. 34, 38, 41, 42, 43, 44.
4) Schweriner Archiv, Acta invasionum host. Vol. IX. (Korresp. des schwed. Kammerjunkers Adam v. Behr und dem Herzog Adolf Friedrich.)
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Man sei dort sehr erregt über den Herzog, der sich zu nichts entschließen könne, auch sei er ja nicht, wie er versprochen habe, zum Könige gekommen; man glaube in Stockholm, der König von Dänemark habe ihn "umgetauft". Auch verachte man dort die Erniedrigung vor dem Kaiser und die fortwährenden Bittschriften an diesen, ferner daß sie jegliche Verbindung mit Dänemark leugneten, wo doch gerade das Gegenteil der Fall sei, und man hätte keine Ursache, das Unrecht zu nennen, was man recht gethan habe. Man halte das in Stockholm für Unbeständigkeit und es könnte dem Herzoge geschehen, daß er bei einem etwaigen Frieden zwischen dem Kaiser und den Schweden ebenso ausgeschlossen würde, wie bei dem Frieden zu Lübeck.

Vom 26. Oktober/5. November 1629 1 ) erhielt der Herzog Adolf Friedrich ein Schreiben Gustav Adolfs, des Inhalts, daß er Alles thun wolle, was Gott zulassen werde, zur Restituierung des fürstlichen Standes und Hauses seiner Vettern, - sowie ferner die Mittheilung aus der schwedischen Reichskanzlei, daß der König im nächsten Frühjahre seine Absicht, den Herzögen durch eine Expedition zu helfen, ausführen werde. Sie sollten ihm einstweilen den Weg bahnen, einige Orte in Meklenburg einnehmen und besetzen, die Stände und die Bevölkerung mit Güte oder Drohungen auf ihre Seite ziehen, die Gesinnung in Hamburg und Lübeck erforschen, genaue Kundschaft von der Wallensteinschen Armee einziehen und dem Könige übermitteln, sowie ihm ihren Rath für den günstigsten Platz zum Einfall in Meklenburg ertheilen. Auch dürften sie inskünftig in den Schreiben an den Kaiser sich nicht mehr Unrecht geben, als ihrer Reputation zuträglich sei, sondern sollten das schwarz nennen, was schwarz sei und die Sache nicht ärger machen, als sie bereits wäre. Im Geheimen erkundigte sich Gustav Adolf danach, ob sie etwa Geld und wie viel sie brauchten.

Der Herzog Adolf Friedrich berichtete dem Könige im Dezember 1629 durch seinen Rath Moritz von der Marwitz von der zwischen Hamburg und Lübeck getroffenen geheimen Einigung, 2 ) daß man, wenn er in Deutschland angekommen sei, dem Feinde die Zufuhr abschneiden werde, ferner, daß Pommern und Brandenburg nach Befreiung von den kaiserlichen Truppen seufzten. Sie selbst, die Herzöge, seien von ganzem Herzen zum kräftigen Handeln bereit, dürften aber, von allen Seiten von Aufpassern


1) Lützow III, S. 244 f.
2) Lützow III, S. 246.
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umgeben, jetzt noch keinen entscheidenden Schritt unternehmen, ehe der König nicht selbst im Lande sei; auch in Mecklenburg werde dann erst etwas anzufangen sein. Am 6./16. Januar 1630 1 ) meldete dann Adolf Friedrich dem Könige, daß er Wismar und Rostock für die geeignetsten Angriffspunkte halte, indessen verflog dieser Kampfesmuth der Herzöge bald. Trotz ihrer Versicherung, daß sie bereit seien, sich mit Waffengewalt ihr Recht zu verschaffen, theilten beide Herzöge in unbegreiflicher Verzagtheit und Schwäche am 15./25. März 2 ) dem Könige mit, daß sie zu dem vom Kaiser anberaumten Kurfürstentage nach Regensburg einen Abgesandten schicken würden, um nochmals den Versuch zu machen, auf friedlichem Wege ihre Restitution zu erlangen.

Seiner am 26. Oktober/5. November 1629 dem Herzoge Adolf Friedrich gegebenen Zusage gemäß eröffnete Gustav Adolf im Sommer 1630 den Kampf gegen den Kaiser. Das rechtswidrige Verfahren gegen seine Vettern, die Herzöge von Meklenburg, die vom Kaiser den Polen geleistete Kriegshülfe, die Ernennung Wallensteins zum General des baltischen Meeres, über welches Schweden die Oberherrschaft beanspruchte, sowie endlich die schmähliche Zurückweisung seiner Gesandten seitens Wallensteins von den Friedensverhandlungen zu Lübeck, alle diese Kränkungen und Angriffe gaben ihm sicherlich ein Recht dazu, mit Waffengewalt gegen den Kaiser vorzugehen und in die verworrenen deutschen Verhältnisse einzugreifen. Das Ultimatum, das er an den Kaiser stellte, lautete 3 ) auf Räumung Nieder= und Obersachsens, Pommerns und der Ostseehäfen, Wiedereinsetzung der Herzöge und Aufhebung des Restitutionsedikts. Diese Bedingungen waren für den Kaiser natürlicher Weise unannehmbar, und der König landete am 24. Juni/4. Juli 1630 mit 15 000 Mann bei der Insel Ruden an der pommerschen Küste vor der Mündung der Peene. Am 30. Juni/10. Juli 4 ) zeigte er dem Herzog Adolf Friedrich seine vollzogene Landung an und forderte die protestantischen Fürsten Deutschlands zur Vereinigung und zum Kampfe gegen den Katholizismus auf. Aber der Ruf verhallte zunächst wirkungslos, so sehnsüchtig auch der König von Vielen herbeigesehnt war. Besonders die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen hielten Norddeutschland durch


1) Lützow IIl, S. 247.
2) Lützow III, S. 249.
3) Lützow III, S. 255.
4) Lützow III, S. 257.
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ihre zaudernde und schwankende Politik von jeder entschlossenen That zurück. Am 5./15. Oktober 1630 1 ) baten die Herzöge den Kurfürsten von Sachsen um Rath: sie hätten bisher noch nicht Partei ergriffen, da sie den Entscheid des Regensburger Tages erst hätten abwarten wollen; man schiene sie aber mit leeren Hoffnungen gerne hinzuhalten, um sie zu zwingen, dem Schweden die Hand zu reichen, um dadurch das Vorgehen des Kaisers gegen sie gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Erregter schon klingt das Memoriale 1 ), das ihr Rath Hartwig von Passow am 10./20. Januar 1631 für seine Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen erhielt: Ihre Angelegenheit sei zwar von allen Kurfürsten dem Kaiser ans Herz gelegt worden, aber ihre Apologie habe man gewaltsam zu unterdrücken versucht. Sie hätten sich deshalb jetzt an Schweden gewandt, um wenigstens wieder zu ihrem Eigenthum zu gelangen. Und zum Schlusse erhielt Passow die Instruktion, wenn der Kurfürst zu fernerer Geduld riethe, solle er ihm entgegnen, daß nunmehr gar kein Grund zu "weiterer patientz" vorhanden sei. - Der Kurfürst von Sachsen antwortete kühl, er halte es für übereilt, daß sie nicht den Ausgang des Kurfürstentages abgewartet, sondern sich schon vorher allzuviel mit den Schweden eingelassen hätten. Und wirklich ließen sich dadurch die Herzöge nochmals bestimmen, ihr Zaudern fortzusetzen. In Süddeutschland begriff man dieses Schwanken gar nicht. So berichtete am 4./14. September 1630 2 ) ihr Agent Jeremias Pistorius von Burgdorf aus Regensburg, man glaube dort allgemein, die Herzöge seien bei den Schweden, und dieser Irrthum sei kaum zu zerstören.

Indessen hatte Gustav Adolf nach verschiedenen schnellen Erfolgen in Pommern die meklenburgische Grenze im äußersten Nordosten überschritten und Ribnitz besetzt, von wo aus er am 28. September/8. Oktober 1630 3 ) ein geharnischtes Schreiben an alle Meklenburger und ein besonderes an die Stadt Rostock richtete, mit der Aufforderung, den schmählichen Abfall von ihrem angestammten Fürstenhause dadurch wieder gut zu machen, daß sie die Waffen ergriffen und die fremden Eroberer und ihre Mitschuldigen erschlügen oder aus dem Lande jagten. Allein die Wallensteinsche


1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. X. (Korrespondenz der Herzöge mit dem Kurfürsten von Sachsen.)
1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. X. (Korrespondenz der Herzöge mit dem Kurfürsten von Sachsen.)
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. X. (Manualakten des J. P. v. Burgdorf.)
3) Lützow III, S. 258.
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Herrschaft war noch, besonders in den größeren Städten, zu stark, da die Besatzungen von Wismar und Rostock seit der Uebergabe an Wallenstein von 1000 auf etwa 3000 Mann gebracht, die Bürger dagegen entwaffnet worden waren. Der erste Ansturm Gustav Adolfs gegen die kaiserlsche bezw. Wallensteinsche Macht in Meklenburg war also gescheitert. Dagegen war es im Südwesten des Landes dem Herzog Franz Carl von Sachsen=Lauenburg gelungen, 1 ) die Orte Lauenburg und Boizenburg zu besetzen. Doch war auch diese Unternehmung nicht von dauerndem Erfolge begleitet, da Franz Carl, von den meklenburgischen Herzögen nur ganz ungenügend unterstützt, die gewonnenen Plätze wieder aufgeben mußte. Er besetzte darauf Ratzeburg, das ihm aber von Pappenheim wieder entrissen wurde, wobei er selbst in dessen Gefangenschaft gerieth. Die meklenburgischen Herzöge erklärten zwar öfters ihren guten Willen, sich thatsächlich dem Könige von Schweden anzuschließen, mußten aber auch stets hinzufügen, es mangele ihnen vollkommen an Geld und Werbeplätzen. Sie schickten deshalb am 14./24. Dezember 1630 2 ) ihren Obersten Wilhelm von Calckum, genannt Lohausen, den eigentlichen Leiter und die Seele der späteren kriegerischen Unternehmungen in Meklenburg, an König Christian IV. mit der Bitte um Anweisung, eines Werbeplatzes. Der König gab mehrfach ausweichende Antworten. Am 29. Januar/8. Februar 1631 erteilte er endlich dem zäh unterhandelnden Lohausen den Bescheid: man müsse weitere Erfolge Gustav Adolfe sowie die Beschlüsse der zum Februar vom Kurfürsten von Sachsen nach Leipzig zusammenberufenen evangelischen Fürsten abwarten. Einen Werbeplatz aber könne er nicht geben, da seine Länder nicht im Stande waren, 12000 Mann zu ernähren. Auch der Herzog von Holstein 2 ) verwies die Herzöge am 22. Februar/4. März 1631 zur Geduld. Diese noch schwebenden Verhandlungen waren auch der Grund dafür, daß die Herzöge den mehrfachen Aufforderungen Gustav Adolfs (im Januar und Februar) zum Anschlüsse 3 ) nicht Folge leisteten, sondern ausweichend antworteten und wieder den Mangel an Sammelplätzen und Geld vorschützten. Da theilte am 23. März/2. April 4 )


1) Schulenburg, S. 119.
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. IX. (Sendung von Lohausens an König Christian IV.)
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. IX. (Sendung von Lohausens an König Christian IV.)
3) Lützow III, S. 262.
4) Schweriner Archiv, Akten des Herzogs Johann Albrecht, enthaltend dessen Korrespondenz mit Dr. Jakob Steinberg.
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1631 der schwedische Geheim=Gesandte in Hamburg, Dr. Jakob Steinberg, der mit den Herzögen schon seit längerer Zeit in Korrespondenz stand, dem Herzoge Johann Albrecht mit, Gustav Adolf wolle ihm nicht nur ohne Obligation die Werbegelder für zwei oder drei Fußregimenter vorschießen, sondern ihm auch von seinen Truppen Reiterei und Fürstvolk zur Verfügung stellen, wünsche aber, mit dem Herzoge persönlich zu verhandeln. Dieser beschloß, da der Konvent der protestantischen Fürsten zu Leipzig für ihre Sache völlig ergebnißlos verlaufen war, dem Rufe des Königs Folge zu leisten und reiste auf einem schwedischen Kriegsschiffe nach Stettin, wo er am 21. April/1. Mai 1 ) eintraf und von Steinberg die Weisung übermittelt erhielt, sich sogleich zum Könige zu verfügen, um mit diesem sich über die Allianzbedingungen zu einigen. Gustav Adolf hatte indessen im Januar zu Bärwalde mit Frankreich einen Subsidienvertrag auf 400 000 Thaler abgeschlossen, hatte die Mark Brandenburg von den Kaiserlichen gesäubert und im April Frankfurt a. O. sowie Landsberg a. W. genommen, während seine Offiziere in Brandenburg und Meklenburg die kleineren Landstädte besetzten. 2 ) Der Herzog Johann Albrecht traf den König am 4./14. Mai in Kölln an der Spree und schloß mit ihm am 6./16. Mai zu Spandau einen Bündnißvertrag ab. Danach wollte Gustav Adolf sofort anordnen, daß dem Herzoge in Hamburg die Werbegelder für drei Regimenter Infanterie ausbezahlt würden. Der Herzog solle in des Königs Namen werben und Führer dieses Heeres sein, stets aber unter dem Oberkommando des Königs stehen und den schwedischen General Achatius Tott, dessen Truppen für Meklenburg aber erst nach dem Falle Greifswalds verfügbar seien, als militärischen Beirath neben sich haben. Johann Albrecht überließ die Durchführung der Belagerung von Greifswald dem General Tott, meldete am 12./22. Mai 3 ) von Greifenhagen (Pommern) aus seinem Bruder Adolf Friedrich, er sei auf der schleunigen Heimreise nach Lübeck, und bat ihn, den schwedischen Gesandten Salvius in Hamburg zu veranlassen, nunmehr die von Gustav Adolf bewilligten Werbegelder unverzüglich auszuzahlen.

Sofort nach dem Falle Greifswalds, der am 15./25. Juni


1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV. (Korrespondenz zwischen den beiden Herzögen.)
2) So der Rittmeister Johann von Moltke das Städtchen Malchin. (Lützow III, S. 264.)
3) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV. (Korrespondenz zwischen den beiden Herzögen.)
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erfolgte, erhielt Tott vom Könige den Befehl, mit seinen Truppen in Meklenburg einzurücken. Er schickte seinen Obersten Pauli 1 ) voraus, der, wie ein Anonymus dem Herzog Johann Albrecht mittheilte, 2 ) ohne Widerstand zu finden, Güstrow am 19./29. Juni besetzte. Aber der Aufbruch der Herzöge verzögerte sich, vermuthlich durch den langsamen Fortgang der Werbungen, noch fast einen Monat. Am 17. 27. Juli brachen beide endlich aus Lübeck auf und jeder eilte zunächst nach seiner Residenz. Adolf Friedrich mußte die seinige erst mit Waffengewalt nehmen. Am 17./27. 3 ) Juli kam der Herzog bis Gadebusch, an den beiden folgenden Tagen marschierte er über Langenbrütz gegen Schwerin, dem er sich vom Spielthun (Spielthor) her näherte. Am Schmiedethor kam es zum kurzen Straßenkampf, bei dem auf beiden Seiten einige Leute fielen. Der Feind wurde ins Schloß zurückgeworfen, wo er sich - etwa zweihundert Mann stark - verschanzte und unter dem Kommando der Hauptleute Kelli und Milatz zehn Tage lang hielt. Als jedoch die Schweden vom Ostorfer Berge aus das Schloß mit Kanonen beschossen, kapitulirte die Besatzung am 29. Juli/8. August und zog am folgenden Tage, zum größten Aerger der herzoglichen Truppen, die auf reiche Beute gerechnet hatten, mit allen Ehren ab. Die Mehrzahl der Kaiserlichen trat sofort in das herzogliche bezw. schwedische Heer ein, Kelli marschierte mit einem kleinen Rest nach Dömitz, Milatz wurde nach Wismar geleitet. Während dieser zehntägigen Belagerung des Schlosses bat Herzog Adolf Friedrich mehrfach den General Tott um Truppen, besonders um Reiterei und Geschütze. Jedoch gab Tott stets an, er könne nichts entbehren, da er vom Könige strengen Befehl erhalten habe, alle verfügbaren Truppen zum königlichen Hauptquartier zu schicken. Auch der Herzog Johann Albrecht, der am 21./31. Juli 4 ) still und ohne jedes jubelnde Gepränge in Güstrow eingezogen war, klagte bitter über Truppenmangel, der ihn daran hindere, sofort mit Aussicht auf Erfolg gegen Rostock vorzugehen. Es war aber nichts gegen den Willen des schwedischen Generals zu thun. Schrieb doch selbst Gustav Adolf, und zwar mit vollem Recht, aus dem Lager bei Werben am 31. Juli/10. August 5 ) an den Herzog Adolf Friedrich, er


1) Schulenburg, S. 127.
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV.
3) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Eroberung der Stadt Schwerin durch Herzog Adolf Friedrich, 1631).
4) Jahrbuch 35, S. 90.
5) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV. (Eroberung der Stadt Schwerin durch Herzog Adolf Friedrich, 1631.)
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werde einsehen, daß Meklenburgs Heil jetzt nicht auf der Konservirung etlicher meklenburgischer Quartiere beruhe, sondern auf der Stärke des königlichen Hauptheeres; dieses aber bedürfe sehr der Ergänzung. Tilly sei von ihm gehörig abgewiesen und wolle sich nun mit aller Macht gegen Meklenburg wenden, werde aber auch hier die ganze Kraft der schwedischen Armee spüren. Er rieth dem Herzoge, alles Vieh und Getreide in feste Orte, wie Plau, Malchin, Bützow u. A. zu bringen, dann werde dem im Rücken heftig bedrängten Feinde schon bald die Lust an Meklenburg vergehen; er (der König) müsse aber deshalb unbedingt die Reiterei haben.

Zum Glück für Meklenburg erfüllten sich diese Befürchtungen Gustav Adolfs nicht!

Mit Tott hatten die Herzöge während dieser Zeit der Wiedereroberung des Landes noch öfters im stillen zu kämpfen; sein starrer Eigensinn, oft unterstützt durch die strengen Weisungen Gustav Adolfs, die er dann genau dem Wortlaute nach befolgte, ohne sich um die Veränderung der zeitlichen und sachlichen Umstände zu bekümmern, machte den Herzögen und ihrem General Lohausen oft böse Stunden. Auch folgender Vorfall wirft grade kein gutes Licht auf die Stellung der Parteien zu einander. Am 4./14. Januar 1632 1 ) theilte Adolf Friedrich, der im königlichen Hauptquartier weilte, entrüstet seinem Bruder mit, Tott habe sie gewaltig beim Könige angeschwärzt und man glaube hier seinen Lügen mehr, als den Beteuerungen des Herzogs. Tott habe nämlich den meklenburgischen Oberst Dietrich von Gortzsche beim Könige verklagt, er hätte die Schotten nicht durch das eroberte Rostock marschieren lassen und diese dadurch gezwungen, bei der Umgehung der Stadt bis an den Hals im Wasser zu waten. Dazu habe Tott die Abschrift eines Gortzscheschen Schreibens gefügt, woraus hervorgehe, daß er dieses auf gemessenen Befehl des Herzogs Johann Albrecht gethan habe. Der König sei sehr erbittert, habe ihm, dem Herzoge Adolf Friedrich, allerstrengste Bestrafung Gortzsches anbefohlen und sei kaum zu beruhigen; Johann Albrecht und Oberst Gortzsche möchten sofort wahrheitsgetreue Berichte über diese Angelegenheit einsenden. Der Ausgang dieser unangenehmen Sache ist aus den Akten nicht zu ersehen, scheint, aber, wenn man das spätere Verhalten Gustav Adolfs


1) Schweriner Archiv, Akten, betreffend die schwedischen Hülfstruppen, 1631-33.
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den Herzögen gegenüber in Erwägung zieht, für Tott nicht gerade günstig gewesen zu sein.

Ende August endlich war die Truppenmacht wieder stark genug, um zum Angriffe gegen Rostock, das nach Ermordung des Obersten von Hatzfeld (am 22. Januar/1. Februar 1631) vom General von Virmont und Wallensteins Statthalter und Neffen Berthold von Wallenstein vertheidigt wurde, vorgehen zu können. Herzog Johann Albrecht, der vor Rostock das Oberkommando führte, meldete am 27. August/6. September 1 ) seinem Bruder die durch Beschießung sowie durch Meuterei der Besatzung erfolgte Einnahme der Warnemünder Schanze. Resignirt fügte er hinzu: er habe sie nur mit schwedischen Truppen besetzt, da der König es doch verlange, überhaupt sich die Verfügung über Meklenburg vorbehalten werde.

Am 29. August/8. September schrieb Lohausen 2 ) an den Herzog Adolf Friedrich, er solle möglichst bald kommen, da Rostock binnen kurzem fallen werde und doch beiden Herzögen gemeinsam zuständig sei. Die Besatzung scheine nicht mehr sehr kampfesfreudig zu sein, man habe vor kurzem an Virmonts Hause folgenden Drohreim gelesen:

"Pumpernickel wil nit mehr dantzen,
Rostocker Soldat nit mehr schantzen,
Virmondt behelt allein das geldt,
Der ziehe auch allein zu feldt."

Am selben Tage bat auch Tott den Herzog Adolf Friedrich um seine Gegenwart vor Rostock sowie um Ueberlassung des nach Dömitz bestimmten Regiments Dumenys, da sie vor Rostock etwas schwach seien. Am 2./12. September 2 ) meldete ihm der Herzog seine demnächstige Ankunft im Feldlager an; die andere Bitte aber müsse er ihm abschlagen, da dieses Regiment Boizenburg und Lauenburg besetzen solle. Was er sonst noch an Truppen habe, sei zur Beobachtung und Straßensperrung gegen Wismar und Dömitz unbedingt nöthig.

Noch im Verlaufe des September begab sich Adolf Friedrich in das Feldlager vor Rostock und ließ den Major Elias Arcischoff von Arcischoffsky in Schwerin als Kommandanten zurück. Am


1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV. (Eroberung der Warnemünder Schanze, 1631.)
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Belagerung und Eroberung Rostocks, 1631).
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Belagerung und Eroberung Rostocks, 1631).
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17./27. d. Mts. 1 ) forderte er den General von Virmont zur Ergebung auf, was dieser am folgenden Tage mit der Begründung ablehnte, er wolle warten, bis er weiteres von der kaiserlichen Armee wisse. Nachdem er jedoch sichere Nachricht von der schweren Niederlage Tillys bei Leipzig erhalten hatte, erklärte er sich zur Kapitulation bereit. Sie wurde am 4./14. Oktober auf folgende Bedingungen hin abgeschlossen: 1 ) Virmont und seine Truppen erhielten freien Abzug mit allen kriegerischen Ehren nach irgend einer kaiserlichen Garnison der Wesergegend, die Gefangenen sollten ausgetauscht werden, die Festungswerke unverletzt bleiben. Auch sollte dieser Vertrag der Besatzung von Wismar mitgetheilt werden, um sie zu einem gleichen zu veranlassen. Leben und Habe des Statthalters Berthold von Wallenstein, Gebhard von Moltkes und des Kanzlers von Eltz blieben unangetastet, auch erhielten die Wallensteinschen Beamten freien Abzug. Dagegen wurde, was von Wallensteins Privatbesitz noch da war, von den Herzögen mit Beschlag belegt, da er auch ihnen so vieles geraubt habe. Die Bürgerschaft mußte sämmtliche Feuerwaffen abgeben, blieb aber von Plünderung verschont.

Am 6./16. Oktober rückte Virmont ab, am selben Tage zogen die Herzöge in Rostock ein. Doch schon am 11./21. d. Mts. brachen die Truppen gegen Wismar auf, das dem Kommando des Obersten Gramm (Gramb), eines, wie es scheint, verwegenen Haudegens, unterstand. Er hatte die Stadt und die in der Wismarschen Bucht liegende Insel Walfisch stark befestigt und in aller Eile ausreichend verproviantirt, und blickte dem Angriffe der Herzöge und der Schweden in Ruhe entgegen. Geschickt und kraftvoll vertheidigte er sich, sah aber schließlich doch ein, daß er ohne Unterstützung sich nicht mehr lange würde halten können, zumal der schwedische Admiral Erich Ryning ihm zur See jegliche Zufuhr von Truppen und Lebensmitteln abschnitt. Er eröffnete daher die Kapitulationsverhandlungen und bat, ihn einen Offizier an den General von Tieffenbach abschicken zu lassen, um sich Sicherheit über die Wirkung der Schlacht bei Leipzig und Rath für seine Lage zu holen. Dieses Verlangen wurde ihm am 16./26. November bewilligt und zugleich ein Waffenstillstand auf vier Wochen abgeschlossen.

Während desselben zog ein größerer 2 ) Theil der schwedischen


1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Belagerung und Eroberung Rostocks, 1631).
1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Belagerung und Eroberung Rostocks, 1631).
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Belagerung und Eroberung von Wismar, 1631/32).
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Belagerungstruppen ab, um die Kaiserlichen aus dem Erzstifte Bremen zu verjagen. Auch Lohausen verließ mit 200 Mann das Lager vor Wismar, um die Festung Dömitz, 1 ) die bisher nur scharf beobachtet war, nun ernstlich zu belagern. Der dort kommandirende Oberstleutnant Straube erkannte bald, daß er sich mit seinen zweihundert Mann ohne jede Aussicht auf Entsatz nicht gut verteidigen könnte und ein weiterer Widerstand zwecklos wäre; er kapitulierte und zog am 19./29. Dezember nach der Wesergegend hin ab.

In denselben Tagen kam auch Gramms Bote vom General Tieffenbach zurück; der Erfolg seiner Nachricht war, daß die Kapitulation Wismars 2 ) am 7./17. Januar 1632 vollzogen wurde. Schwedischerseits unterzeichneten sie Achatius von Tott und Wilhelm von Lohausen. Danach erhielten die Besatzungen von Wismar und des Walfischs, zusammen etwa 3200 Mann, freien Abzug mit allen kriegerischen Ehren; dagegen wurden die unter Jacques de Febure im Hafen liegenden kaiserlich=spanischen Schiffe nicht freigegeben. Bei dem Abzuge verging sich Gramm schwer gegen die Kapitulationsbedingungen, indem er mehr Geschütze und Munition mitnahm, als ihm erlaubt war; auch ließ er einen schwedischen Offizier, der einige der Kaiserlichen zum Ueberlaufen verführen wollte, niederschießen. Auf die Kunde hiervon befahl Tott den Abziehenden nachzusetzen. Gramm wurde gefangen genommen und nach Greifswald in scharfe Haft geschickt, der größte Theil seiner Leute trat sofort in schwedische Dienste, der Rest marschierte nach Schlesien ab. Erich Ryning wurde trotz der Bemühungen der Herzöge, die Lohausen zum Kommandanten in Wismar haben wollten, Gouverneur dieser Stadt, die ebenso wie Zoll und Schanze vor Warnemünde von Gustav Adolf für sich mit Beschlag belegt wurde.

Meklenburg war nun völlig von den Feinden gesäubert und die Herzöge waren wieder, soweit die Schweden dies zuließen, die Herren des Landes. Aber sie hatten in der Zeit ihres Exils nichts vergessen und - nichts gelernt. Sie begingen, als sie sich in ihrem Lande wieder sicher fühlten, Fehler über Fehler. Sie reizten die Stände durch beleidigende Reden, warfen ihnen Allen Treulosigkeit und Verrath an ihren Landesherren vor.


1) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV (betreffend Belagerung und Eroberung von Dömitz, 1631).
2) Schweriner Archiv, Acta invas. host. Vol. XIV. (Belagerung und Eroberung von Wismar 1631/32.)
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Und als die Stände 1 ) diese ungerechten Beschuldigungen empört und unwillig zurückwiesen und Angabe der Namen verlangten, erklärten die Herzöge ausweichend, die Schuldigen würden ihrer Strafe nicht entgehen. Jeder, der Wallenstein irgendwie gedient hatte, galt den Herzögen als Hochverräther, gleichgültig, aus welchen Gründen er ein Amt von dem Eroberer angenommen hatte. Hans Heinrich von der Lühe, Ulrich von Pentz, Otto von Preen, Gebhard von Moltke, Balthasar von Moltke, Albrecht Dietrich von Plessen und viele andere bürgerliche Meklenburger, die theils freiwillig im Interesse ihres Heimathlandes, theils gezwungen Wallensteins Dienste genommen hatten, wurden gefänglich eingezogen, auf das peinlichste befragt, oft über die kleinlichsten und unbedeutendsten Dinge wochenlang verhört, zum Theil auch ihrer Güter beraubt und des Landes verwiesen. Noch schlimmer erging es einigen Wallensteinschen Beamten, die nicht Meklenburger waren. So wurde der Regent Heinrich Kustoß, 2 ) der von einer schwedischen Partei im Juli 1630 gefangen und von Gustav Adolf den Herzögen "geschenkt" worden war, vorläufig in Greifswald, dann in Rostock und später in Güstrow eingekerkert. Die Herzöge ließen ihn bis auf die Einzelheiten nach allen Vorgängen während Wallensteins Regierung und nach allen dabei betheiligten Personen verhören, wobei sie ihn besonders mit Hans Heinrich von der Lühe und Ulrich von Pentz konfrontierten, um auch diese ihrer Schuld zu überführen. Trotz zahlreicher für ihn eingelaufener Intercessionen und obwohl er sofort die Summe von 12400 Thaler als Ranzion auf ein Lübecker Kaufhaus anwies und zur Verfügung stellte, wurde er doch etwa drei Jahre lang gefangen gehalten, bis er schließlich, nachdem nichts Neues mehr von ihm zu erfahren war, gegen Erlegung der Ranzion des Landes verwiesen wurde. 3 )

Gingen die Herzöge hier, von persönlicher Rachsucht getrieben, zu scharf vor, so vernichteten sie andrerseits durch allzu große Schwäche, was der fremde Usurpator Ersprießliches in Meklenburg gestiftet hatte. Wir haben schon gesehen, daß


1) Spalding II, S. 221.
2) Schweriner Archiv, Untersuchungsakten gegen den Kammerregenten Heinrich Kustoß und Konsorten.
3) Er begab sich sofort wieder in Wallensteins Dienste und wurde von diesem 1633 als Generalkommissar in die Fürstenthümer Groß=Glogau und Sagan geschickt. (Arthur Heinrich, Wallenstein als Herzog von Sagan. S. 96.)
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Wallensteins Postordnung sowie seine Armenversorgung bald nach dem Untergange seiner Herrschaft spurlos verschwanden. Andererseits begannen die von Wallenstein niedergedrückten Stände den Herzögen gegenüber wieder ihr Haupt zu erheben und das in Zeiten der Noth und Verschuldung der Landesherren ertrotzte Recht der Steuerbewilligung zurück zu verlangen. Wallenstein war der Mann dazu, ein geregeltes Steuerwesen im Lande einzuführen, er brach die Stände, wenn sie sich nicht beugten, - unter der Herzöge Regiment fing sofort nach der Wiedereroberung des Landes von neuem der alte und widrige Streit um die Veranlagung und Höhe der Steuern an, in dessen Verlaufe natürlich dann an Landesteuern garnichts oder nur wenig und das noch sehr unregelmäßig einkam.

Auch die Rechtspflege machte einen schlimmen Schritt rückwärts. Sofort nach dem Einzuge der Herzöge hörte der geregelte Instanzenzug der Wallensteinschen Zeit auf 1 ) und bald war alles wieder im alten Schlendrian. Noch 1632 rieth der schwedische Gesandte Salvius den Herzögen, das Privilegium de plane non appellando sich zu erhalten und nicht den Ständen preiszugeben. Aber bei der am 6./16. Dezember 1633 zu Güstrow vollzogenen Huldigung wurde es gar nicht besonders erwähnt. Es hieß einfach: der ganze Prozeß gegen die Herzöge sei ungerecht gewesen, alles was damit zusammenhinge und daraus gefolgt sei, sei als unrechtmäßig zu vertilgen und wieder in den vorigen rechtmäßigen Zustand zu bringen. Das Gesuch der Ritterschaft um Wiederbestellung des alten Land= und Hofgerichts wurde bewilligt. Am 18./28. Dezember 1634 befahlen die Herzöge, die Prozesse, die noch bei dem ehemaligen Wallensteinschen Appellationsgericht anhängig gewesen und auf sie überkommen wären, an Juristenfakultäten zur Einholung eines unanfechtbaren Urtheils zu verschicken. Später allerdings bereute man diesen reaktionären Schritt: bereits am 28. Oktober/7. November 1651 erwarben die Herzöge Adolf Friedrich und Gustav Adolf ein neues Privilegium de non appellando für Angelegenheiten bis zur Werthhöhe von 2000 Gulden, und dabei blieb es bis zum Frieden zu Teschen (1779), in dem die meklenburgischen Herzöge gegen Verzicht auf ihre Erbansprüche an die Landgrafschaft Leuchtenberg vom Kaiser das volle Privilegium de non appellando zugesagt erhielten. Jedoch zog sich die endgültige Regelung


1) Jahrbuch 36, S. 12 f.
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dieser Sache in Folge des heftigen Widerstandes der Stände noch fast drei Dezennien hin und fand durch den Untergang des Reiches und seines Gerichts im Jahre 1806 von selbst ihre Erledigung. Erst im Jahre 1818 wurde das meklenburgische Ober=Appellationsgericht begründet und dadurch ein Rechtszustand geschaffen, den man vor nahezu 200 Jahren wissentlich sich hatte entziehen lassen.

Auch die segensreichste Schöpfung Wallensteins, die Kammer mit ihrer Sonderstellung als Kollegium, verschwand 1 ) vollkommen durch die von den Herzögen gegen die Wallensteinschen Einrichtungen systematisch durchgeführte Reaktion. Erst 1653 bestellte der Herzog Adolf Friedrich wieder einige Kammerräthe und ernannte Valentin von Lützow zum Kammerdirektor, um "das seit einiger Zeit in Konfusion gerathene Kammerwesen wieder in Richtigkeit zu bringen". Allein das vollständige und gesonderte Kammerkollegium erscheint erst wieder gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter dem Herzoge Christian I. Ludwig.

So ging die kurze Fremdherrschaft dahin, ohne irgendwie äußerliche sichtbare Spuren zu hinterlassen. Die Regierungs= und Verwaltungsmaßnahmen Wallensteins hätten bei ihrer einheitlichen straffen Form sicherlich einen günstigen Einfluß auf die Entwicklung Meklenburgs ausgeübt, und es liegt eine grausame Schicksals=Ironie in der Thatsache, daß die so segensreichen Einrichtungen des verhaßten Feindes von den dem Lande angestammten Fürsten in blindem Uebereifer von Grund aus vernichtet wurden.

Ein Gutes jedoch hat die Herrschaft Wallensteins für Meklenburg im Gefolge gehabt, was auch die grimmigste Reaktion der Herzöge nicht beseitigen konnte: sie hat dem Lande fast zwei Jahre hindurch Ruhe vor den verheerenden Stürmen des Krieges gegeben. Doch es sollte nur ein kurzer Aufathmen gewesen sein. Denn bald schon nach der Wiedereroberung durch die Herzöge und nach dem Tode des Königs Gustav Adolf wurde Meklenburg viele Jahre hindurch der Schauplatz der gräßlichsten Verwüstungen, und am schlimmsten dabei trieben es die beim Prager Frieden im Stich gelassenen ehemaligen Verbündeten der Fürsten, die Schweden, - die Befreier von dem Joche Wallensteins.

Vignette

1) Jahrbuch 13, S. 202.
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LXVI.                                                Juli 1901.

Jahresbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Inhalt: Geschäftliche Mitteilung. Anl. A.: Verzeichniß der Ein= und Ausgetretenen. Anl. B: Auszug aus der Rechnung für den Jahrgang 1899/1900. Anl. C: Zuwachs der Vereinsbibliothek. Anl. D: Zuwachs der Bildersammlung.

A m 30. April 1901, Abends 7 Uhr, wurde die Generalversammlung unseres Vereins durch den zweiten Herrn Präsidenten, den Wirklichen Geheimen Rath von Bülow, Exzellenz, unter Betheiligung von 56 Mitgliedern im Hotel Luisenhof zu Schwerin eröffnet. Se. Exzellenz gedachte zunächst des eingetretenen Wechsels im Protektorat des Vereins, wie solcher sich mit dem Regierungsantritt Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs vollzogen habe. Der Vorstand werde die Uebernahme des Protektorats demnächst bei Ueberreichung des Jahrbuches noch mündlich erbitten. Darnach ertheilte der Vorsitzende dem Herrn Oberlehrer Dr. Wagner das Wort zu einem belehrenden und fesselnden Vortrage über die Vorgeschichte des Hamburger Vergleichs von 1701.

Den Bericht über den abgelaufenen Theil des gegenwärtigen Geschäftsjahrs erstattete der 1. Sekretär an Stelle des erkrankten 2. Sekretärs. Nach diesem Berichte ist das Jahrbuch 66 im Drucke fertig. Es enthält 8 Beiträge: 1. Die Grenzen des Bisthums Kammin. Von Geh. Archivrath Dr. Grotefend. 2. Wilhelm Ulenoge und seine Fälschungen. Von Archivar Dr. Witte. 3. Die Straßennamen Wismars. Von Dr. Fr. Techen. 4. Neue steinzeitliche Funde. Von Dr. R. Beltz. 5. Die Inspirirten in Rostock. Von Konrektor Ritter=Ludwigslust. 6. Das Wappenbild der von Levetzow. Von Dr. F. Crull=Wismar. 7. Zur Geschichte der meklenburgischen Volkshymne. Von Bibliothekar Dr. Voß. 8. Meklenburg unter Wallenstein und die Wieder=

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eroberung des Landes durch die Herzöge. Von Dr. Otto Grotefend=Marburg. Das Register zu den Bänden 41-50 des Jahrbuches wird noch im laufenden Geschäftsjahr vom Archivregistrator Rusch beendet werden.

Vom Urkundenbuch ist Band XX ausgegeben. An Band XXI, enthaltend die Jahre 1386 bis 1390, wird eifrig fortgearbeitet; der Text ist reichlich zur Hälfte gedruckt.

Ein neuer Band der Meklenburgischen Volksüberlieferungen, gesammelt von Wossidlo, wird demnächst erscheinen.

An abendlichen Mitgliederversammlungen sind in Schwerin wahrend des Winters fünf abgehalten und zahlreich besucht worden. Die Reihe der Vorträge eröffnete am 4. Dezember 1900 der Baudirektor Hübbe mit seinen "geschichtlichen Forschungen auf der Karte des Elbthals". Davon hat der Vortragende den den wendischen Handel und die Lage des Handelsplatzes Schetzla betreffenden Theil seither im Korrespondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine (Jahrgang 1901, Nr. 4) zum Abdruck gebracht. Ebendort auch eine Karte von Hübbe: "Das Elbthal vor Anlage der Deiche." Am 8. Januar 1901 sprach Geheimer Ober=Finanzrath Balck über "Güter und Aemter der meklenburgischen Domänen". Der Inhalt dieses Vortrages ist inzwischen in erweiterter Form in einer kleinen Druckschrift veröffentlicht. Die Versammlung vom 12. Februar wurde mit einer Begrüßung des Pastors emer. Friedrich Walter aus Kastorf eröffnet, der 50 Jahre dem Verein angehört und sehr verdienstliche Arbeiten über unsere Landesgeistlichen veröffentlicht hat. Daran schloß sich ein Vortrag des Geheimen Archivraths Dr. Grotefend über die Grenzen des Bisthums Schwerin, wovon ein Theil im Jahrbuch Nr. 66 abgedruckt ist (s. oben). Am 12. März trug Oberlehrer Dr. Beltz über vorgeschichtliche, auf einer Reise in Frankreich gemachte Studien vor. Eine Gedächtnißfeier für den Altmeister Friedrich Lisch, den Gründer des Vereins, hielt der Verein am 29. März ab, jenem Tage, wo Lisch vor 100 Jahren zur Welt gekommen war. Seine Hoheit der Herzog=Regent war anwesend, dazu der Sohn des Gefeierten, der Syndikus F. W. Lisch, und zwei Enkel. Die Herren Dr. Grotefend und Dr. Beltz hoben die Verdienste Lischens um das Archiv und die meklenburgische Geschichts= und Alterthumsforschung gebührend hervor.

Der Sommerausflug des Vereins ist am 11. Juli 1900 unter zahlreicher Betheiligung nach Rehna und Gadebusch ausgeführt worden. Zum Sommerausflug für das gegenwärtige

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Jahr sind Schönberg und Dassow (Feldsiechenhaus, Harkenwall) ausersehen worden.

In Austauschverkehr mit unserm Verein sind getreten:

1. die Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Alterthumskunde in Guben und 2. der Alterthumsverein in Mühlhausen in Thüringen.

Die Rechnungsablage für 1899/1900 erfolgte durch den Herrn Ministerialsekretär Schwerdtfeger: Einnahme (außer dem Kassenbestand aus voriger Rechnung) 3425 Mk. 79 Pfg., Ausgabe (außer den neu belegten Kapitalien) 3790 Mk. 2 Pfg., dazu 200 Mk. aus einer Vorschußforderung an Oberlehrer Wossidlo, auf welche der Verein Verzicht geleistet hat, zusammen 3990 Mk. 2 Pf.; Vermögen 7705 Mk. 27 Rf. (f. Anlage B).

Dem folgten die Wahlen, deren Leitung der Vorsitzende dem ersten Sekretär übertrug: Der 2. Sekretär, Archivrath von Menenn, hatte den Wunsch kundgegeben, wegen seiner schwankenden Gesundheit das Amt eines zweiten Sekretärs niederzulegen. An seiner Stelle wurde auf Vorschlag des Ausschusses der Archivar Dr. Stuhr zum 2. Sekretär gewählt. Die übrigen Beamten wurden wiedergewählt.

Zum Ehrenmitgliede des Vereins wurde der Pastor emer. Friedrich Walter, vormals in Kastorf, jetzt in Schwerin, ernannt. Dadurch wurde die Lücke, die der Tod in den Kreis unserer Ehrenmitglieder gerissen hatte, wieder geschlossen. Der Verein beklagt den Verlust eines hochgeschätzten Ehrenmitgliedes. Der Ober=Landdrost von Pressentin zu Dargun, der dem Verein seit dem 30. April 1840 als ordentliches Mitglied und seit dem 11. Juli 1889 alsEhrenmitglied angehört hat, ist am 10. Januar verstorben. Durch die Neuwahl Walters ist die Zahl der Ehrenmitglieder wieder auf 7 gebracht. Unter unsern korrespondirenden Mitgliedern, 27 an der Zahl, hatten wir im Laufe des 66. Vereinsjahrs keine Veränderungen zu verzeichnen.

In Beziehung auf die ordentlichen Mitglieder ist das Nachfolgende zu berichten:

Am 1. Juli 1900 hatten wir einen Bestand von 548 ordentlichen Mitgliedern. Von diesen sind seither 19 ausgetreten, 12 verstorben und 1 zum Ehrenmitglied ernannt. Dagegen hat der Verein 39 neue Mitglieder gewonnen. Es hat demnach ein Zuwachs um 7 Mitglieder stattgefunden, sodaß die Gesammtzahl am Schlusse des abgelaufenen Vereinsjahrs 555 beträgt.

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Das unter A beigedruckte Verzeichniß enthält die Namen der im Laufe des 66. Vereinsjahres ein= und ausgetretenen resp. verstorbenen Mitglieder.

Unsere Bücherei ist durch die zahlreichen Tauschvereine in stetem regelmäßigem Wachsthume begriffen (s. Anlage C). Die durch Tausch erworbenen Bücher werden unverzüglich der Großherzoglichen Regierungsbibliothek einverleibt, ebenso wie etwa geschenkte Alterthümer und Münzen den betreffenden Sammlungen im Großherzoglichen Museum.

Die einzige Sammlung, die der Verein sich vorbehalten hat, die Bildersammlung, hat bescheidene, aber für ihren speziell geschichtlichen Charakter nicht unwesentliche Fortschritte gemacht (s. Anlage D). Im Gegensatze zu der Großherzoglichen Sammlung im Museum entscheidet für uns nicht der künstlerische, sondern lediglich der historische Werth eines Bildes für seine Aufnahme. Die Sammlung soll eben ein Bilderbuch der meklenburgischen Geschichte in höherem Sinne sein. So und nicht anders glaubte der Vereins=Ausschuß die ihm gestellte Aufgabe auffassen zu sollen, und hofft, daß Sie seine Geschäftsführung gutheißen werden.

Schwerin, im Juli 1901.

Der zweite Sekretär:
L. v. Meyenn.

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Anlage A.

Verzeichniß
der ein= und ausgetretenen Mitglieder

in der Zeit vom 1. Juli 1900 bis 30. Juni 1901.

I. Neu eingetreten sind:

  1. Amtsverwalter Leo=Crivitz. 1699.
  2. Archivregistrator Rusch= Schwerin. 1700.
  3. Archivsekretär Dr. Dragendorf=Rostock. 1701.
  4. Kaufmann Rohde=Rehna. 1702.
  5. Amtsrichter Marsmann=Gadebusch. 1703.
  6. Pastor Ditz=Gadebusch. 1704.
  7. Maurermeister Müller=Gadebusch. 1705.
  8. Forstmeister von Bassewitz=Jasnitz. 1706.
  9. Hülfsprediger Schmalz=Schwerin. 1707.
  10. Dr. med. Möller=Eldena i. M. 1708.
  11. Oberamtsrichter Voß=Schwerin. 1709.
  12. Pastor Wilbrandt=Damm. 1710.
  13. Wissenschaftlicher Lehrer Spehr=Rostock. 1711.
  14. Kabinetsrath von Wickede=Schwerin. 1712.
  15. Dr. med. Ebert=Grevesmühlen. 1713.
  16. Bibliothek der Großen Stadtschule=Rostock. 1714.
  17. Buchdruckereibesitzer Schneider=Plau. 1715.
  18. Sanitätsrath Dr. Meyersohn=Schwerin. 1716.
  19. Amtsassessor Aug. Schlettwein=Warin. 1717.
  20. Rentner von Restorff=Schwerin. 1718.
  21. Dr. med. Bauer=Waren. 1719.
  22. Amtsassessor Dr. Bade=Crivitz. 1720.
  23. Senator Geist=Waren. 1721.
  24. Landgerichtsrath Ziel=Schwerin. 1722.
  25. Gutsbesitzer Hans Bock=Gr.=Brütz. 1723.
  26. Gutsbesitzer Heinrich Bock=Gr.=Welzin. 1724.
  27. Amtsassessor Engel=Gadebusch. 1725.
  28. Gymnasiallehrer Dr. Neckel=Friedland i. M. 1726.
  29. Referendar Friedrich Crull=Schwerin. 1727.
  30. Pastor Klähn=Plate. 1728.
  31. Hausgutspächter Alex. Schmidt=Warrenzin. 1729.
  32. Hausmarschall Graf Hahn=Schwerin. 1730.
  33. Flügeladjutant Kammerherr von Rantzau=Schwerin (Ostorf). 1731.
  34. Flügeladjutant Leutnant von Behr=Schwerin. 1732.
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  1. Flügeladjut. Rittmeister von Köckritz=Schwerin. 1733.
  2. Referendar Wunderlich= Schwerin. 1734.
  3. Seminardirektor Sellschopp=Neukloster. 1735.
  4. Stud.jur. Eilmann=Rostock. 1736.
  5. Regierungsbaumeister Karl Voß=Schwerin. 1737.

II. Ihren Austritt haben erklärt:

  1. Graf Hahn=Grabowhöfe.
  2. Landdrost Wehner=Dömitz.
  3. Oberforstmeister a.D. Anton von Oertzen=Carlottenburg.
  4. Pächter Gaettens=Hof Boize.
  5. Redakteur a. D. Prillwitz=Rostock.
  6. Oberstleutnant a. D. von Platen=Coblenz.
  7. Oberlehrer Arndt=Neubrandenburg.
  8. Ober=Postdirektor Hoffmann=Cassel.
  9. Amtsrichter Kraack=Grevesmühlen.
  10. Drost Friedr. von Bülow=Doberan.
  11. Oberförster Harms=Finkenthal.
  12. Landforstmeister von Blücher=Bobbin.
  13. Rittmeister a. D. Paul von Schuckmann=Berlin.
  14. Taubstummenanstalts=Direktor Mulsow=Ludwigslust.
  15. Weinhändler G. Michaelis=Wismar.
  16. Gastwirth Marcus=Dargun.
  17. Freiherr von Maltzan=Langhagen.
  18. Professor Geinitz=Rostock.
  19. Bürgermeister Dr. Schultetus=Stavenhagen.

III. Gestorben sind:

  1. Rechtsanwalt Kortüm=Rostock (schon Anfang 1900 verstorben).
  2. Strafanstaltsdirektor Steinohrt=Bützow.
  3. Ingenieur Schulz=Lankow.
  4. Rittergutsbesitzer von Levetzow=Frankfurt a. O.
  5. Landdrost a. D. Pauli=Rostock.
  6. Oekonomierath Harms=Schlutow.
  7. Rechtsanwalt Gundlach=Neustrelitz.
  8. Gutsbesitzer Pogge=Roggow.
  9. Landgerichtsrath von Kühlewein=Rostock.
  10. Pastor Fischer=Demern.
  11. Oberforstmeister Peterson=Friedrichsmoor.
  12. Kirchenrath Sander=Schwerin.
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Anlage B.

Auszug aus der Rechnung der Kasse des Vereins
für Meklenburgische Gechichte und Alterthumskunde
für den Jahrgang 1. Juli 1899/1900.

Auszug aus der Rechnung der Kasse des Vereins
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Auszug aus der Rechnung der Kasse des Vereins

Schwerin, 15. November 1900.

Schwerdtfeger.


Anlage C.

Zuwachs der Vereins=Bibliothek. * )

I. Meklenburg.

1) Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.54. Jahr (1900). Güstrow 1901.

2) Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock. III. Bd.Heft 2. Rostock 1901.

3) Genealogischer Taschenbuch der adligen und gräflichen Familie von Bassewitz. 3. Aufl. Schwerin i. M. 1901.

II. Allgemeine Geschichts=, Sprach=, Natur=, Kunst= und Alterthumskunde.

1) Analecta Bollandiana. Tom. XIX Fasc. 3-4. - XX Fasc. 1. 2. Paris-Bruxelles 1900/1.

2) Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Jahrg. 1900. Nürnberg.

3) Bulletin de Folklore. Tome III Fasc. 2 Bruxelles 1898.

4) Der deutsche Herold. 31. Jahrg. Berlin 1900.

5) Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik. 1899. Mitau 1901.

6) Neue Heidelberger Jahrbücher. X. Jahrg. 1. Heft. Heidelberg 1900.

7) Jahres=Bericht der Männer vom Morgenstern. 2. Heft. Bremerhaven 1899.


*) Die mit einem Stern versehenen Nummern sind Geschenke der Herren Verfasser.
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8) Korrespondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. 48. Jahrg 1900 Nr. 7-12. - 49 Jahrg. 1901 Nr. 1-7. Berlin.

9) Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. XXI Nr. 5. 6. Hamburg

10) Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde. 1900 Heft 1-6. Berlin.

11) Protokolle der Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine zu Dresden. 1900. Berlin 1901.

12) Riggauer (H.), Ueber die Entwicklung der Numismatik und der numismatischen Sammlungen im 19. Jahrhundert. (Festrede.) München 1900.

13) Studien und Mittheilungen aus dem Benediktiner= und dem Cistercienser=Orden. XXI (1900) Heft 2-4. - XXH (1901) Heft 1.

14) Zeitschrift für Ethnologie. 32. Jahrg. (1900) Heft 2-6. - 33. Jahrg. (1901) Heft 1. Berlin.

III. Preußen und Hohenzollern.

1) Album der im Museum der Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften aufbewahrtem prähistorischen Denkmäler des Großherzogthums Posen. Heft 1. 2. Posen 1893/1900.

2) Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein. 70. Heft. Köln 1901.

3) Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung. 31. Bd. (1900) Heft 2. Wiesbaden.

4) Die Bau= und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin. IV. Usedom=Wollin. Stettin 1900.

5) Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark. X. Dortmund 1901.

6) Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. XV. Bd. Düsseldorf 1900.

7) 42. Bericht des Schleswig=Holsteinschen Museums vaterländischer Alterthümer. Kiel 1900.

8) 30. Bericht der wissenschaftlichen Gesellschaft Philomathie in Neisse. Neisse 1900.

9) Mansfelder Blätter. 14. Jahrg. 1900. Eisleben.

10) "Brandenburgia." 9. Jahrg. Nr. 4-12. Berlin 1900.

11) Codex diplomaticus Lusatiae superioris II. Bd. II Heft 1. Görlitz 1900.

12) Codex dipiomaticus Silsiae. Bd. 21. Breslau 1901.

13) Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. 1. Bd 2. Hälfte. Leipzig 1900.

14) Geschichts=Blätter für Stadt und Land Magdeburg. 35. Jahrg. 1900. - 36. Jahrg. (1901) Heft 1. Magdeburg.

15) Mühlhäuser Geschichtsblätter. 1. Jahrg. 1900/1. Heft 1-4. Mühlhausen.

16) Pommersche Jahrbücher. 2. Bd. - 1. Ergänzungsband. Greifswald 1901.

17) Bonner Jahrbücher. Heft 105. 106. Bonn 1900.

18) Jahrbücher der Königlichen Akademie gemeinnütziger Wissenschaft zu Erfurt. N. F. 26. Heft. Erfurt 1900.

19) 77. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Breslau 1900.

20) Neues Lausitzisches Magazin. 76. Band. Görlitz 1900.

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21) Mittheilungen des Vereins für die Geschichte Berlins. 1900 Nr. 9 bis 12. - 1901 Nr. 1-7.

22) Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. 22. Heft. Erfurt 1901.

23) Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Jahrg. 1899. Kassel 1901.

24) Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Hohenzollern. 33. Jahrg. 1899/1900. Sigmaringen.

25) Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von Köln. 30. Heft. Köln 1900.

26) Niederlausitzer Mittheilungen. VI. Bd. 6.-8. Heft. Guben 1900.

27) Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück. 25. Bd. 1900. Osnabrück.

28) Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch=antiquarischer Forschungen. XX. Bd. 3. 4. Heft. Halle 1900.

29) Monatsblätter. Herausgeg. von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. 1900.

30) Historische Monatsblätter für die Provinz Posen. 1. Jahrg. (1900) Nr. 8-12. - 2. Jahrg. (1901) Nr. 1-3. Posen.

31) Altpreußische Monatsschrift neue Folge. 37. Bd. 3.-8. Heft. - 38. Bd. 1. 2. Heft. Königsberg i. Pr. 1900.

32) Neudruck der Preußischen Krönungs=Geschichte von Johann v. Besser. 1702. Veranstaltet von dem Verein für die Geschichte Berlins 1901.

33) Partsch (J.) Literatur der Landes= und Volkskunde der Provinz Schlesien. 7. Heft. Breslau 1900.

34) Schriften des Westpreußischen Geschichtsvereins. H. Maercker, Geschichte der ländlichen Ortschaften und der drei kleineren Städte des Kreises Thorn. 3. Lief. Danzig 1900.

35) Schriften des Vereins für Geschichte der Neumark. Heft IX. X. Landsberg a. W. 1900.

36) Schriften der physikalisch=ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr. 41. Jahrg. (1901). Königsberg.

37) Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins. 37. Heft. Berlin 1900.

38) Baltische Studien. N. F. Bd. IV. Stettin 1900.

39) Verwaltungs=Bericht über das Märkische Provinzial=Museum für das Etatsjahr 1899. Berlin 1900.

40) Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. N. F. Bd. I. Breslau 1900.

41) Zedler (G.), Die Inkunabeln Nassauischer Bibliotheken. Wiesbaden 1900.

42) Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig=Hotstein=Lauenburgische Geschichte. 28. 29. 30. Bd. Kiel 1898/1900.

43) Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins. Heft 42. 43. Danzig 1900/1.

44) Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde. 58. Band. Münster 1900.

45) Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde zu Schmalkalden. 14. Heft. Schmalkalden und Leipzig 1901.

46) Zeitschrift des Harz=Vereins für Geschichte und Altertumskunde. 33. Jahrg. (1900). 2. Hälfte. Wernigerode.

47) Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrg. 1900. Hannover.

48) Zeitschrift des historischen Vereins für den Reg.=Bezirk Marienwerder. 38. Heft. Marienwerder 1900.

49) Zeitschrift für die Geschichte und Alterthumskunde Ermlands. XIII. Bd. Braunsberg 1900.

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50) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. 22. Bd. Aachen 1900.

51) Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. 34. 35. Bd. Breslau 1900/1.

52) Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. XV. Jahrg. Posen 1900.

53) Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 3. Folge. 7. Bd. Frankfurt a. M. 1901.

IV. Die übrigen deutschen Staaten.

Hansestädte.

1)*Hübbe, Der Umbau der Bahnhofs=Anlagen in Hamburg und Altona. (S.=A.)

2) Mittheilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte. 19. Jahrg. (1898/99). - 20. Jahrg. (1900). Hamburg 1899. 1901.

3) Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. X. Bd. Heft 3. - XI. Bd. Heft 1. Hamburg 1899/1900.

Oldenburg.

1) Jahrbuch für die Geschichte des Herzogtums Oldenburg. 9. Bd. Oldenburg 1900.

Anhalt.

1) Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde. 8. Bd. 6. Tl. - 7. Bd. 1. 2. Tl. Dessau. 1900/1.

Sachsen.

1) Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde. 21. Bd. Dresden 1900.

2) 27. Bericht des Museums für Völkerkunde in Leipzig. Leipzig 1900.

3) Ermisch (H.), Das 75ährige Jubiläum des Königlich Sächsischen Altertumsvereins. Ein Erinnerungsblatt. Dresden 1901.

4) Festschrift zum 75jährigen Jubiläum des Königlich Sächsischen Altertumsvereins. Dresden 1900.

5) Jahresbericht des Königlich Sächs. Altertumsvereins über das 75. Vereinsjahr 1899/1900. Dresden 1900.

6) Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein. 36. Heft (1899). Freiberg i. S. 1900.

7) Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. V. Bd. 3. Heft. Meißen 1900.

8) Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. 13. Jahresschrift auf die Jahre 1897/99. Plauen, i. V. 1900.

Thüringen.

1) Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums, herausgeg. von dem Henneb. altertumsforschenden Verein in Meiningen. 15. Lief. Meiningen 1900.

2) Mitteilungen des Geschichts= und Altertumsforschenden Vereins zu Eisenberg. 16. Heft. Eisenberg 1901.

3) Schriften des Vereins für Sachsen=Meiningische Geschichte und Landeskunde. Heft 36. 37. Hildburghausen 1900/1.

4) Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde. N. F. XI. Bd. Heft 2-4. - XII. Bd. Heft 1. Jena 1900.

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Braunschweig.

1) Braunschweigisches Magazin. 5. Bd. Jahrg. 1899. Braunschweig.

2) Urkundenbuch der Stadt Braunschweig. III. Bandes 3. Abth. 1316 bis 1320. Braunschweig 1900.

Hessen.

1) Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins in Gießen. N. F. IX. Bd. Gießen 1900.

Bayern.

1) Abhandlungen der historischen Classe der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften. 21. Bd. 1. Abth. München 1901.

2) Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. 42. Jahrg. Würzburg 1900.

3) Archiv für Geschichte und Alterthumskunde von Oberfranken. 21. Bd. Heft 2. Bayreuth 1900.

4) 60. Bericht über Bestand und Wirken des historischen Vereins (eingeschriebener Verein) zu Bamberg für das Jahr 1899. Bamberg.

5) Altbayerische Monatsschrift. 2. Jahrg. (1900) 4.-6. Heft. München.

6) Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 29. Heft. Lindau 1900.

7) Sitzungsberichte der philosophisch=philologischen und historischen Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1900. Heft 2 bis 5. - Inhaltsverzeichniß Jahrg. 1886-99. - 1901 Heft 1. München 1900/1.

8) Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg. Bd. 51. 52. Regensburg 1899.

9) Weber (H.), Die Privilegien des alten Bistums Bamberg. (Aus dem Historischen Jahrbuch der Görres=Gesellschaft [Bd. XX].) München 1900.

Württemberg.

1) Diöcesanarchiv von Schwaben. 18. Jahrg. (1900). Stuttgart.

2) Reutlinger Geschichtsblätter. XI. Jahrg. (1900) Nr. 3-6. - XII. Jahrg. (1901) Nr. 1. 2. Reutlingen.

3) Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. N. F. VIII. Jahrg. 1899. - IX. Jahrg. 1900. Stuttgart.

Elsaß=Lothringen.

1) Jahrbuch der Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Altertumskunde. 12. Jahrg. 1900. Metz.

2) Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Litteratur Elsaß=Lothringens. 16. Jahrg. Straßburg 1900.

V. Oesterreich=Ungarn.

1) Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1900 April- Juli. October-December. - 1901 Januar-März. Krakau.

2) Archiv für österreichische Geschichte. Bd. 87. 88. 89, 1. Hälfte. Wien 1899/1900.

3) Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. N. F. 29. Bd. Heft 3. Hermannstadt 1900.

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4) Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie. 19. Jahrg. Klagenfurt 1900.

5) Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen. 30. Jahrg. Graz 1899.

6) Berichte des Geschäftsleiters über die Gesellschaft des Museums des Königreichs Böhmen für die Verwaltungsjahre 1897. 1899. 1900. Prag 1898 ff.

7) Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. Bd. XV (1897). XVI (1898). Budapest.

8) Bibliotheks=Katalog des Museums Francisco=Carolinum in Linz a. D. II. Nachtrag. Linz 1900.

9) Bullettino di Archeologia e Storia Dalmata. Anno XXIII Nr. 8-12. - XXIV Nr. 1-5. Spalato 1900/1.

10) Carinthia I. Jahrg. 90. Klagenfurt 1900.

11) Časopis Musea Království Českého. Ročník 67-75. V Praze 1893/1901.

12) Fontes rerum Austriacarum. 48. Bd. 2. Hälfte. 1896. - 49. Bd. 2. Hälfte. 1899. Wien.

13) Istvestja muzejskega društva za Kranjso. Letnik X. V Ljubljani 1900.

14) Jahresbericht des Vereins für siebenbürgische Landeskunde für das Vereinsjahr 1900. Hermannstadt 1901.

15) 58. Jahresbericht über das Museum Francisco=Carolinum. Linz 1900.

16) Jahresbericht des Geschichtsvereines für Kärnten in Klagenfurt für 1899. Klagenfurt 1900.

17) Jahresbericht der Königl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften für das Jahr 1900. Prag 1901.

18) Mittheilungen des Musealvereines für Krain. 13. 14. Jahrg. Laibach 1900.

19) Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions=Clubs. 23. Jahrg. (1900) 4. Heft. - 24. Jahrg. (1901) 1. Heft. Leipa.

20) Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. 47. Heft. Graz 1899.

21) Mitteilungen des Kaiser Franz Josef=Museums für Kunst und Gewerbe in Troppau. 2. Jahrg. 1899/1900. Heft 2. 3. Troppau.

22) Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. XXX. Bd. 4.-6. Heft. - Generalregister zu Bd. XXI-XXX. Wien 1900/1.

23) Mittheilungen der k. k. Central=Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst= und historischen Denkmale. 26. Bd. (1900) 3. 4. Heft. - 27. Bd. (1901) 1. 2. Heft. Wien.

24) Památky archaeologické a místopisné. Dilu XVIII Sešit 6-8. - Dilu XIX Sešit 1-5. V Praze 1900/1.

25) Starohrvatska Prosvjeta. God. V. Sv. 2-4. U Kninu 1899.

26) Roczniki Towarzystwa Przyjacioł Nauk Poznánskiego. Tom. XXVII zeszyt 1. 2. Poznán 1900.

27) Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch=historische Classe. Bd. 141 (1899). 142 (1900). Register zu den Bänden 131-140 (1900). Wien.

28) Sitzungsberichte der Königl. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Classe für Philosophie, Geschichte und Philologie. Jahrg. 1899. 1900. Prag.

29) Starožitnosti zeměe české. Dil I. J. L. Pič, Čechy prědhistorické, Svazet 2. V Praze 1900.

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30) Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge. 44. Heft. Innsbruck 1900.

31) Zpravá jednatelská o společnosti Musea kralovstvi Českého ve spravním roce 1898. V Praze 1899.

VI. Italien

1) Bullettino di Paletnologia Italiana. Serie III Tomo VI Anno XXVI Nr. 7-12. - Anno XXVII. Nr. 1-3. Parma 1900/1.

VII. Schweiz.

1) Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde. N. F. II 1900 Nr. 2 bis 4. - III 1901 Nr. 1. Zürich.

2) Beiträge zur Vaterländischen Geschichte. 7. Heft. Schaffhausen 1900.

3) Der Geschichtsfreund. 55. Bd. Register zu Bd. 41-51. Stans 1900/1.

4) Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. 25. Bd. Zürich 1900.

5) 11. Neujahrsblatt des Historisch=antiquarischen Vereins und des Kunstvereins der Stadt Schaffhausen. 1901.

6) Rahn (J. R.), Zur Statistik schweiz. Kunstdenkmäler. Die Kunst= und Architektur=Denkmäler Unterwaldens. Von Rob. Durrer. Bog. XI.

7) Taschenbuch der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau. für das Jahr 1900. Aarau 1900.

VIII. Belgien.

1) Annales de la Société Arcnéologique de Namur. Tome 23 Livr. 2. - Tome 24 Livr. 2. Namur 1900/1. - Rapport sur la Situation de la Société en 1899.

2) Bulletin de la Société scientifique et littéraire du Limbourg. Tome XVIII Fasc. 1. 2. Tongres 1900/1.

3) Bulletin de l'Institut Archéologique Liégeois. Tome XXIX Livr. 1. 2. Liége 1900/1.

IX. Niederlande.

1) Arkel (G. van) en Weissman (A. W.), Noord-Hollandsche Oudheden beschreven en afgebeeld. IV. Stuk. Amsterdam 1900.

2) Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap, gevestigd te Utrecht. 21. Deel. 's Gravenhage 1900.

3) De vrije Fries. 17. Deel IV. Reeks. 1. Deel. Afl. 4. te Leeuwarden 1900.

4) Handelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden over het Jaar 1899/1900. Leiden 1900.

5) Koninklijk Oudheidkundig Genootschap te Amsterdam. Jaarverslag in de 42. algemeene Vergadering. o. O. 1900.

6) Levensberichten der afgestorvene Medeleden van de Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde. Bijlage tot de Handelingen van 1899/1900. Leiden 1900.

7) Vereeniging tot Beoefening van Overijsselsch. Regt en Geschiedenis. Verslag van de Handelingen der 84. en 85. Vergadering. - Verslagen en Mededeelingen 21. Stuk. - Overijsselsche Stad-, Dijken Markeregten. I. Deel 13. Stuk. Zwolle 1900.

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8) 72. Verslag van de Handelingen van het Friesch Genootschap van Geschied-, Oudheid- en Taalkunde te Leeuwarden, over het Jaar 1899/1900.

9) Werken uitgegeven door het Historisch. Genootschap, gevestigd te Utrecht. Nieuwe Serie. No. 52*. 61. Utrecht 1899/1900.

X. Dänemark.

1) Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie. II. Raekke 15. Bind. 2. 4. Hefte. Kjøbenhavn 1900.

2) Kancelliets Brevbøger vedrørende Danmarks indre forhold. 1571-1575. 1576-1579. København 1898/1900.

3) Studenterne fra Kjøbenhavns Universitet 1860. Kjøbennavn 1900.

XI. Schweden und Norwegen.

1) Bergens Museums Aarbog for 1900. 1. 2. Hefte. Bergen 1900/1.

2) Bergens Museums Aarsberetning for 1900. Bergen 1901.

3) Foreningen for Nordisk Folkemuseum. Beretning om Foreningens Virksomhed 1899. Christiania 1900.

4) Foreningen til Norske Fortidsmindesmerkers Bevaring. Aarsberetning for 1898. 1899. Kristiania 1900.

5) Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christiania. Aar 1898. Christiania 1899.

6) Handlingar angånde Nordiska Museet. 4. 5. Stockholm 1900.

7) Meddelanden frå Nordiska Museet 1898. Stockholm 1900.

8) Meddelelser fra det Norske Rigsarchiv. Bind II Hefte 1. Kristiania 1900.

9) Nicolaysen (N.), Kunst og Haandverk fra Norges Fortid. Anden Raekke. 4. Hefte. Kristiania 1899.

10) Samfundet for Nordiska Museets Främjande. 1898. Stockholm 1899.

11) Skrifter udgivne af Videnskabsselskabet i Christiania 1900 Nr. 1-5. Kristiania.

12) Skansens Vårfest 1899. [Stockholm] 1900.

XII. Rußland.

1) Jahresbericht der Felliner litterarischen Gesellschaft für das Jahr 1896-1899. Dorpat 1900.

2) Memoiren der orientalischen Abtheilung der Kaiserlich Russischen Archäologischen Gesellschaft. XI. Bd. 1.-4. Heft. - XII. Bd. 1. bis 3. Heft. St. Petersburg 1898 ff. (In russischer Sprache.)

3) Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Rußlands aus dem Jahre 1899. 1900. Riga.

4) Sitzungsberichte der Gelehrten estnischen Gesellschaft. 1900. Jurjew 1901.

XIII. Amerika.

1) The Chicago Academy of Sciences. Bulletin . Nr. III Part 1 of the Natural History Survey. 1898.

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2) Augustana Library Publications. Nr. 2. Rock Island 1900.

3) 13.-17. annual Reports of the Bureau of Ethnology of the Secretary of the Smithsonian Institution 1891/95. Washington 1896/98.

Der Bibliothekar:
Dr. Schröder.  


Anlage D.

Zuwachs der Bildersammlung 1900/1901.

1) Façade des Sparkassengebäudes in Schwerin von der Nordseite, Zeichnung. (Geschenk des Herrn Pastor Bachmann, Zernin.)

2) Ansicht von Ratzeburg, Radirung aus Braun und Hogenberg. Mit lateinischem Text.

3) Dasselbe. Mit französischem Text.

4) Ansicht von Rostock, Radirung aus Braun und Hogenberg. Mit französischem Text.

5) Ansicht von Wismar, Radirung aus Braun und Hogenberg. Mit lateinischem Text.

6) Geometrischer Aufzug der hintern Chorverkleidung in der Neuen Schelffe=Kirche, Schwerin. Kupferstich aus: L. Ch. Sturm, Prodromus Architecturae Goldmannianae, 1714.

7) Porträt des Schauspielers Fr. L. Schröder. Kupferstich, F. C. Frisch del., D. Berger sc. 1783.

8) Der Hochaltar in der Pfarrkirche zu Güstrow. 3 Lichtdrucktafeln aus: Münzenberger, Zur Kenntniß und Würdigung der mittelalterlichen Altäre Deutschlands, 1885 ff.

9) Herzog Heinrich zu Meklenburg=Schwerin und Wilhelmina, Königin der Niederlande. Heliotypie von Leer, Amsterdam.

10) H. M. Koningin Wilhelmina. Lichtdruck. Emrik & Binger, Haarlem.

11) Arthur Graf von Bernstorff=Wedendorf († 8. April 1897). Photographie. (Geschenk der Familie.)

12) Zusammenkunft zu Lensahn (4. Nov. 1900), Gruppenbild. Photographie.

13) Johann Basedow, Direktor der Idiotenanstalt zu Schwerin († 5. Aug. 1899). Photographie. (Geschenk der Familie.)

14) Adolph Friedrich II., Herzog von Meklenburg=Strelitz. Photographie nach Gemälde. (Geschenk des Herrn Kommerzienrath Francke, Schwerin.)

15) Oberkirchenrathspräsident Fr. Kaysel († 1. Aug. 1895). Photographie. (Geschenk der Familie.)

16) Enthüllung des Denkmals für Friedrich Wilhelm, Herzog zu Meklenburg=Schwerin († 22. Sept. 1897) in Kiel am 22. Sept. 1898. Photagraphie.

17) Denkmal des Herzogs Friedrich Wilhelm zu Meklenburg=Schwerin in Kiel. Photographie. (Nr. 16 und 17: Geschenke des Herrn Buchhändler Bahn, Schwerin.)

18) Einzug Großherzog Friedrich Franz IV. von Meklenburg=Schwerin in Schwerin am 9. April 1901. 2 Photographien.

19) Besuch der Königin Wilhelmina der Niederlande in Schwerin: Ansichten vom Einzug am 9. Mai 1901. 2 Photographien.

Der Bilderwart:
Dr. W. Voß.     

Vignette